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Dauer: ca. 1 Stunde 45 Minuten inklusive Pause WDR SINFONIEORCHESTER KÖLN HERBERT BLOMSTEDT DIRIGENT Abo: Orchesterzyklus III – Symphonie um Vier In unserem Haus hören Sie auf allen Plätzen gleich gut – leider auch Husten, Niesen und Handy- klingeln. Ebenfalls aus Rücksicht auf die Künstler bitten wir Sie, von Bild- und Tonaufnahmen während der Vorstellung abzusehen. Wir danken für Ihr Verständnis! 2,50 E 4I5 JOHANNES BRAHMS (1833 – 1897) Tragische Ouvertüre d-moll op. 81 (1880) Sinfonie Nr. 3 F-Dur op. 90 (1883) Allegro con brio Andante Poco Allegretto Allegro – Pause ca. 16.55 Uhr – Variationen für Orchester B-Dur über ein Thema von Joseph Haydn op. 56a (1873) Chorale St. Antoni. Andante Variation I: Poco più animato Variation II: Più vivace Variation III: Con moto Variation IV: Andante con moto Variation V: Vivace Variation VI: Vivace Variation VII: Grazioso Variation VIII: Presto non troppo Finale. Andante Akademische Festouvertüre c-moll op. 80 (1880) 6I7 PROGRAMM 8I9 LaCHEN UND WEINEN wären die unübertrefflichen Worte, die Felix Mendelssohn Bartholdy über den Zusammenhang JOHANNES BRAHMS TRAGISCHE OUVERTÜRE D-MOLL OP. 81 UND AKADEMISCHE FESTOUVER- von Musik und Bedeutung gefunden hat, auch für Brahms gültig: »Es wird soviel über Musik TÜRE C-MOLL OP. 80 gesprochen, aber wenig gesagt. Ich glaube überhaupt, die Worte reichen nicht hin dazu«. Das, was eine »Musik ausspricht«, sind »nicht zu unbestimmte Gedanken, um sie in Worte zu fassen, Seine Tragische Ouvertüre op. 81 komponierte Brahms als Gegenstück zur Akademischen Fest- sondern zu bestimmte.« ouvertüre op. 80 im Sommer 1880 in Bad Ischl. Gegenüber dem Komponisten Carl Reinecke charakterisierte er das Werkpaar mit der ihm ureigenen Lakonie: »Der Ouvertüren sind zwei: die eine weint, die andre lacht«. Mit einem Augenzwinkern führte der Komponist auch die Umstände, DIE VErwEIGERTE APOTHEOSE die zu der Paarung der beiden Werke geführt haben, weiter aus. An seinen Verleger Simrock JOHANNES BRAHMS SINFONIE NR. 3 F-DUR OP. 90 schrieb er: »Ich habe nicht umhin können, eine sehr lustige Akademische Fest-Ouvertüre zu schreiben, mit Gaudeamus und allem möglichen. Und bei der Gelegenheit konnte ich meinem Dass Brahms beim Komponieren seiner ersten Sinfonie immer den Riesen Beethoven hinter sich melancholischen Gemüt die Genugtuung nicht versagen – auch eine Trauerspiel-Ouvertüre zu marschieren hörte, ist oft zitiert worden. Weniger bekannt ist seine Forderung, nach der die post- schreiben.« beethoven’schen Sinfonien ganz anders aussehen müssten als die des unerreichbaren Vorbildes. Insofern nimmt es wunder, wenn Hans Richter, der Dirigent der Uraufführung, die zwischen Mai Der »lachende« Part zeichnet sich durch die Verarbeitung von Studentenliedern – bis hin zum und Oktober 1883 in Wiesbaden komponierte F-Dur-Sinfonie auf den Namen »Eroica« taufte – fällt pompösen Finale mit ›Gaudeamus igitur‹ – aus. Das Werk konnte zum Anlass passender nicht doch schon beim Hören auf, dass die beiden Sinfonien wenig gemeinsam miteinander haben. sein: Die Akademische Festouvertüre komponierte Brahms für die Feierlichkeiten zur Verleihung Die Zufälligkeit, jeweils an dritter Stelle im sinfonischen Schaffen ihrer Komponisten zu stehen, der Ehrendoktorwürde durch die Universität Breslau. Der Anlass für die »Schwester-Ouvertüre« fällt als Verbindung jedenfalls nicht ins Gewicht. Wer sich im Ausdrucksschatz der Musik des ist dagegen unklar. So ist nicht sicher, ob die Tragische Ouvertüre wirklich im Zusammenhang mit 19. Jahrhunderts auskennt, wird beim Hören der F-Dur-Sinfonie weg von Beethoven und hin zu einer geplanten Aufführung des »Faust« am Wiener Burgtheater entstanden ist, wie sein Biograf Franz Schubert geführt. Ihm traute Brahms im Gegensatz zu seinen Zeitgenossen als Einzigem Max Kalbeck vermutete. Nach dessen Darstellung soll Franz von Dingelstedt, der Intendant des zu, Beethovens Erbe anzutreten, hätte er nur noch einige Jahre gelebt. Schon die Tatsache, dass Hauses, Brahms gebeten haben, zu Goethes Drama eine neue Schauspielmusik zu komponieren. Brahms die harmonische Architektur der Sonatenhauptsatzform nicht in Quinten, sondern in Über den guten Willen und erste Präliminarien sei das Projekt allerdings nicht hinausgekommen. großen Terzen anordnet, verweist auf Schubert. Die Struktur erinnert an den Kopfsatz in dessen Mit dem Tod des Intendanten Mitte 1881 wäre der Plan ohnehin hinfällig geworden. Aber sollte »großer« C-Dur-Sinfonie. Dem aufmerksamen Hörer gibt sich schon das Motto zu Beginn der Sin- Brahms, der so gerne mit Eduard Hanslicks Forderung nach der »tönend bewegten Form« als fonie als ein Zitat schubert’scher Harmonik kund, und auch die periodische Struktur des Seiten- einzigem Inhalt eines musikalischen Kunstwerkes in Verbindung gebracht wird, doch Musik zu satzthemas hat ihre Vorbilder bei Schubert. Erstmals in der Geschichte der Sinfonie klingen alle einem literarischen Sujet komponiert haben? Abgesehen davon, dass Hanslick selbst seiner These vier Sätze leise aus, wofür es im Schaffen Beethovens keine Entsprechung gibt. Im Augenblick, untreu wurde und mit Brahms’ Ouvertüre den »Hamlet« eingeleitet hören wollte, hat Brahms sich da im Finale der dritten Sinfonie die Coda einsetzt, erwartet der Hörer eine Schlussapotheose in einmal mehr nicht in die Karten gucken lassen. So bleibt diese Frage offen. der Art, wie Brahms die Finalsätze seiner ersten beiden Sinfonien in Anlehnung an Beethoven gekrönt hat. Doch in der Dritten geschieht etwas völlig anderes – wenn irgendwann unter das Die Tragische Ouvertüre, die offenbar aus der Skizze eines Sinfoniesatzes entstanden ist und beethoven’sche sinfonische Pathos ein Schlussstrich gezogen wurde, dann hier. Dort, wo jeder in ihrem Aufbau Züge des Kopfsatzes der ersten mit denen des Finales der dritten Sinfonie ver- einen apotheotischen Schluss erwartet, weicht Brahms von diesem eingeschlagenen Weg ab und bindet, schildert das Tragische als solches. Auffallend ist vor allem, dass eine Episode, die das lässt an die Stelle eines Finaljubels die fast schwerelose Auflösung aller bedeutendenT hemen Geschehen zur Ruhe kommen lässt, die Durchführung mit thematischer Arbeit vertritt. Offenbar der Sinfonie treten. Keineswegs endet die Dritte jedoch in resignierend-weltschmerzlichem Ton. hatte Brahms bei der Komposition gar kein bestimmtes Trauerspiel als Sujet im Sinne. Schon in Vielmehr bleibt in ihrer Coda im Vergleich zu den früher komponierten der idealisierende Zugriff Bezug auf den Titel war er unschlüssig, wenn er an Bernhard Scholz, dem die Uraufführung der auf die Realität aus. Brahms geht einen anderen Weg der Leidensüberwindung; darin liegt auch Akademischen Festouvertüre vorbehalten war, schrieb, dass der Dirigent »noch eine dramatische eine Verbindung zu Schuberts Tonsprache. Beide lassen sich nicht dazu hinreißen, die Geschichte oder tragische oder Trauerspiel-Ouvertüre aufs Programm setzen könne«. Fast scheint es, als schönzufärben oder die Versöhnung von Individuum und Gesellschaft oder von Natur und Kultur 10I11 WERKE zu beschwören. Den Schlusstakten der dritten Sinfonie fehlt alles Subjektive, ein leidenschafts- deln sie nicht frei, schaffen eigentlich nichts Neues daraus, sondern beladen sie nur.« Auch in loser Ton wird hörbar, und man wird zum Zeugen eines Naturgeschehens: das Verblühen von seinem Brief an Adolf Schubring 1869 bringt er zum Ausdruck, dass ihm bei einem Thema zu einst Gewachsenem. Variationen »eigentlich, fast, beinahe nur der Bass« etwas bedeute. »Aber dieser ist mir heilig, er ist der feste Grund, auf dem ich dann meine Geschichten baue […]. Variiere ich die Melodie, so kann ich nicht leicht mehr als geistreich oder anmutig sein oder, zwar stimmungsvoll, einen BEKENNTNIS ZUM SCHÖPFER DER MUSIK schönen Gedanken vertiefen. Über den gegebenen Bass erfinde ich wirklich neu, ich erfinde JOHANNES BraHms VarIATIONEN FÜR OrCHESTER B-Dur ÜBER EIN THEma VON JOSEPH ihm neue Melodien, ich schaffe.« Seine Variationen über ein Thema von Haydn beschließt eine HAYDN OP. 56A Passacaglia als Variationenfolge in der Variationenfolge. Sie ist über ein Thema komponiert, das aus dem Bass und der Melodie gebildet ist und dem Variationenzyklus wie als Essenz des Noch kurz vor seinem Tode beklagte Johannes Brahms vehement, dass die Leute von Haydn Ganzen angeschlossen ist. fast nichts mehr verstünden. »Dass wir jetzt gerade in einer Zeit leben, wo – gerade hundert Jahre früher – Haydn unsere ganze Musik schuf, wo er eine Sinfonie um die andere in die Welt Auch wenn Brahms die Variationen zunächst für zwei Klaviere schrieb, hatte er, wie er seinem setzte, daran denkt niemand. Ich feiere seit Jahren diese Ereignisse! […] Das war ein Kerl! Wie Verleger mitteilte, von Anfang an ein Orchesterwerk geplant. Kurze Zeit später stellte er die miserabel sind wir gegen so was!« Sein kompositorisches Bekenntnis für einen der Begrün- Orchesterfassung auch selbst her. Wenn er auch buchstäblich diesem op. 56a den Vorrang vor der der musikalischen Formen schuf er 1873 in Tutzing am Starnberger See, als er die Haydn- der Klavierfassung op. 56b einräumte, wehrte er sich doch vehement dagegen, bei letzterer von Variationen schrieb. Das Thema entdeckte er schon drei Jahre zuvor in den Manuskripten seines einem Klavierarrangement zu sprechen. Bei der Uraufführung der Haydn-Variationen, die eine Freundes Carl Ferdinand Pohl, der an einer umfangreichen, allerdings Fragment gebliebenen bedeutende Station auf seinem mühevollen Weg zur Sinfonie darstellen, leitete er selbst die Biografie überH aydn arbeitete. Es entstammt dem zweiten Satz eines