Subversion oder Assimilation?

Die Anthologie „Slowenische Novellen“ (1940) und ihre

soziokulturelle Einbettung

Diplomarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades einer Magistra der Philosophie

an der Karl-Franzens-Universität Graz

vorgelegt von

Karin Almasy

am Institut für Theoretische und Angewandte Translationswissenschaft Begutachter: O.Univ.-Prof. Dr.phil. Erich Prun č

Graz, 2009

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Mein herzlichster Dank gilt an dieser Stelle

Erich Prun č, Simon Ošlak, Fabjan Hafner und Adrian Ciomaga, von denen ich viel gelernt habe und die mich bei dieser Arbeit unterstützt haben;

und meinen Eltern, die mir mein Studium ermöglicht haben.

2 Inhaltsverzeichnis

Einleitung ...... 5

1 Literarisches Übersetzen ...... 6 1.1 Theoretischer Überblick und übersetzerische Praxis ...... 6 1.2 Descriptive Translation Studies und Literarisches Übersetzen...... 6 1.3 Das Übersetzen von Anthologien...... 7

2 Die Anthologie „Slowenische Novellen“ ...... 8 2.1 und „Desetica“...... 9 2.2 Fran Finžgar und „Na petelina“ ...... 10 2.3 und „Bajtar Mihale“...... 11 2.4 Franc Ksaver Meško und „Starca Matije pravica“...... 12 2.5 Juš Kozak und „Bohinjski pastoral“...... 14 2.6 Prežihov Voranc und „Boj na požiralniku“...... 15

3 Die soziokulturelle Einbettung ...... 18 3.1 Die Kulturpolitik der Nationalsozialisten ...... 18 3.1.1 Der Nationalsozialismus und seine Ideologie...... 18 3.1.2 Der auf der NS-Ideologie basierende Kulturbegriff...... 19 3.2 Die verlagspolitische Situation im angeschlossenen Österreich ...... 20 3.2.1 Der Anschluss Österreichs...... 20 3.2.2 Die Abhängigkeit des österreichischen Verlagswesens und Buchhandels von Deutschland...... 22 3.2.3 Verlage und verlagspolitische Situation in der Ostmark...... 25 3.3 Der Adolf Luser Verlag...... 27 3.3.1 „Der Getreue Eckart “ ...... 30 3.4 Die politische Situation im slowenischen Raum zwischen 1918 und 1945...... 31 3.4.1 Ausgangslage: Der slowenische Raum vor dem Blitzkrieg...... 31 3.4.2 Die Zerschlagung Jugoslawiens...... 33 3.4.3 Der rassenideologische Plan für die slowenischen Gebiete...... 36 3.5 Herausgeber und Übersetzer: Franz Hille und Stanislaus Hafner...... 38

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4 Übersetzungsanalyse ...... 41 4.1 LTI – Lingua Tertii Imperii – Die Sprache des Dritten Reiches...... 42 4.1.1 Euphemismen und Tarnbegriffe...... 43 4.1.2 Superlative...... 44 4.1.3 Mechanisierung und Versächlichung...... 46 4.1.4 Sakralisierung...... 46 4.1.5 Eindeutschung und altdeutsche Sprachformen ...... 47 4.1.6 Militarisierung und sportliche Metaphern...... 48 4.1.7 Das ironische Anführungszeichen...... 49 4.1.8 Signalwörter ...... 49 4.1.9 Schlussworte zur LTI...... 50 4.2 Paratexte...... 51 4.2.1 Werbetexte und Ankündigungen im „Getreuen Eckart“...... 52 4.2.2 Der Artikel „Slowenisches Schrifttum“ im „Getreuen Eckart“ ...... 56 4.2.3 Das Nachwort des Herausgebers...... 61 4.3 Cankars „Desetica“ in deutscher Übersetzung: „Das Sechserl“ ...... 68 4.4 Finžgars „Na petelina“ in deutscher Übersetzung: „Die Jagd auf den Auerhahn“...... 73 4.5 Bevks „Bajtar Mihale“ in deutscher Übersetzung: „Der Keuschler Mihale“ ...... 80 4.6 Meškos „Starca Matije pravica“ in deutscher Übersetzung: „Das Recht des alten Matthias“...... 89 4.7 Kozaks „Bohinjski pastoral“ in deutscher Übersetzung: „Woheiner Pastorale“ ..... 97 4.8 Voranc’ „Boj na požiralniku“ in deutscher Übersetzung: „Der Kampf um den Sumpfacker“...... 110

5 Conclusio ...... 122

6 Literaturverzeichnis ...... 127

4 Einleitung

In der vorliegenden Diplomarbeit soll die Anthologie „Slowenische Novellen“, die 1940 beim Adolf Luser Verlag erschien, analysiert und die soziokulturellen, politischen, kulturellen, geschichtlichen Hintergründe ihres Zustandekommens beleuchtet und untersucht werden. Sie erschien in der Reihe „Jugoslawische Novellen“ als erster Band und als Übersetzer und Herausgeber sind Stanislaus Hafner und Dr. Franz Hille aufgeführt, wobei letzerer auch das Nachwort verfasst hat. Sechs namhafte slowenische Autoren sind mit einer Erzählung in deutscher Übersetzung darin vertreten: Ivan Cankar mit „Desetica“ („Das Sechserl“), Fran Finžgar mit „Na petelina“ („Die Jagd auf den Auerhahn“), France Bevk mit „Bajtar Mihale“ („Der Keuschler Mihale“), Franc Ksaver Meško mit „Starca Matije pravica“ („Das Recht des alten Matthias“), Juš Kozak mit „Bohinjski Pastoral“ („Woheiner Pastorale“) und Prežihov Voranc mit „Boj na požiralniku“ („Der Kampf um den Sumpfacker“). Eine durchaus interessante Frage wird also lauten: Nach welchen Kriterien wurden diese Autoren und Geschichten ausgewählt, was verbindet und was trennt sie? Zum einen soll diese Diplomarbeit also eine Übersetzungsanalyse sein, wobei speziell auf die Ideologie der damaligen Zeit im Hintergrund geachtet wird. Dass man mit Sprache ideologisieren, beeinflussen, schön reden und sich Dinge zu Recht biegen kann, ist eine bekannte Tatsache und dass der Nationalsozialismus Sprache auch gezielt instrumentalisiert hat ebenso. Die Lingua Tertii Imperii , die Sprache des Dritten Reiches, soll also genauer betrachtet und unter die Lupe genommen werden soll, des Weiteren soll untersucht werden ob, und wenn ja, wie diese gezielte Manipulation von Sprache in den Übersetzungen der slowenischen Kurzgeschichten zum Tragen gekommen ist. Zum anderen soll diese Diplomarbeit nach bestem Vermögen auch die Hintergründe und Begleitumstände dieser Übersetzungen untersuchen. Dazu gehören die Kulturpolitik der Nationalsozialisten, die spezielle politische Situation im slowenischen Raum, die verlagspolitischen Umstände im angeschlossenen Österreich und natürlich vor allem Informationen über den Verlag, den Herausgeber und die Übersetzer. Ebenso interessant wie die tatsächlichen Übersetzungen sind dabei auch die Paratexte, die zu den „Slowenischen Novellen“ gefunden werden können: Dazu zählen das Nachwort des Herausgebers Franz Hille sowie etwaige Rezensionen und Kritiken der übersetzten Anthologie. Ich hoffe mit dieser Diplomarbeit interessante Ergebnisse zu dieser Thematik und zu dieser bisher noch nie untersuchten Novellensammlung zutage fördern zu können. 5 1 Literarisches Übersetzen

Im Folgenden Kapitel 1 wird eine kurze Einführung zum Thema literarisches Übersetzen gegeben. Allerdings soll der Schwerpunkt dieser Diplomarbeit keinesfalls auf translationstheoretischen Betrachtungen liegen, daher beschränkt sich dieses Kapitel auf eine grundlegende Einführung.

1.1 Theoretischer Überblick und übersetzerische Praxis

Im Wesentlichen gibt es zwei grundverschiedene Ausgangspositionen, um sich mit Literarischem Übersetzen zu beschäftigen, die in folgenden zwei Fragen Ausdruck finden: „Wie soll/ muss man (Literatur) übersetzen? und „Wie ist Literatur nun wirklich übersetzt worden?“. Der erste Ansatz ist der wesentlich ältere, der bis auf die Antike zurück geht und der zweite hat eine relativ kurze Tradition. (vgl. Kittel 1993:IX) In der Translationswissenschaft wurde in den letzten Jahrzehnten davon Abstand genommen, vorzuschreiben, wie eine (literarische) Übersetzung zu sein habe, stattdessen konzentriert man sich heute eher darauf, zu beobachten, wie übersetzt wird bzw. wurde. Damit verabschiedet man sich auch unwillkürlich von der Vorstellung einer richtigen bzw. einer falschen Übersetzung, sondern geht davon aus, dass es oft viele, passende, entsprechende übersetzerische Lösungen für ein übersetzerisches Problem geben kann. In diesem Geiste soll nun im Rahmen dieser Diplomarbeit auch nicht danach gefragt werden, wie man Novellen bzw. jene sechs slowenischen Novellen bzw. Cankar, Voranc, Bevk etc. übersetzen soll / muss – ausgegangen werden soll davon, dass es kein schwarz/weiß, kein richtig/falsch gibt – sondern vielmehr soll danach gefragt werden, wie die slowenischen Novellen tatsächlich übersetzt worden sind.

1.2 Descriptive Translation Studies und Literarisches Übersetzen

In der Translationstheorie wird entlang jener zwei verschiedenen Grundpositionen von präskriptiver und deskriptiver Translationswissenschaft gesprochen, seit sich in den 70er Jahren der descriptive approach oder die descriptive translation studies mit ihren wichtigsten Vertretern James Holmes, Gideon Toury, Theo Hermans und André Lefevere und die Polysystemtheorie von Itamar Even-Zohar durchgesetzt haben. Damit wurde ein Paradigmenwechsel eingeläutet: Nicht mehr die Sprachwissenschaft, sondern die 6 Literaturwissenschaft war nun Leitdisziplin, auch erfolgte eine Öffnung gegenüber anderen interdisziplinären Ansätzen. (vgl. Hermans 1999:7ff) Neu ist auch die Zielkulturorientierung, der Kontext, in dem es zu einer bestimmten Übersetzung kommt, die Frage danach, warum eine Zielkultur den bestimmten Kulturtransfer, zu einer bestimmten Zeit als notwendig erachtet, welche Normen und Konventionen etc. dabei gelten. Die Bedeutung von Translation bei der Ausformung von (National-)Literaturen wird auch erstmals durch die DTS ausführlich thematisiert. (vgl. Toury 1995:26ff) Gerade auch für das Literarische Übersetzen interessant ist der niederländische Zweig der DTS, die Manipulation School , die die provokante Hauptthese vertrat, dass Translation immer einen bestimmten Grad an Manipulation des Ausgangstextes für einen bestimmten Zweck enthält. (vgl. Hermanns 1999:8f) Wichtige Fragen stellte auch Itamar Even-Zohar mit seiner Polysystemtheorie und der Annahme, dass Literatur ein System von Systemen sei, in denen mehrere Gegensatzpaare um Dominanz kämpfen. So z.B. die „high“ vs. „low literature“, kanonisiert vs. nichtkanonisierte, zentrale vs. periphere Genre und Literaturmodelle. (vgl. Hermans 1999:106ff) Dieser Aspekt der Dominanzbeziehungen ist vor allem bei der Übersetzung von Anthologien spannend, da Anthologien oftmals viel über den Kanon einer bestimmten Kultur zu einer bestimmten Zeit aussagen.

1.3 Das Übersetzen von Anthologien

Das Übersetzen von Anthologien ist ein noch nicht erschöpfend untersuchter Themenbereich der Translationswissenschaft; obwohl vor allem der Göttinger Sonderforschungsbereich schon viel zu diesem Thema geforscht hat. Interessant sind Anthologien als Forschungsgegenstand vor allem dann, wenn man sich für das Entstehen und die Veränderungen von Kanons interessiert. Ebenso fehlen noch Studien über das Verhältnis von Anthologien und der Geschichte von Nationalliteraturen und den Einfluss von Geschichte und Politik auf die Produktion von Übersetzungsanthologien. (vgl. Kittel 1995:IXff und 271) Auf alle Fälle aber geben Anthologien Aufschluss über den literarischen Geschmack einer bestimmten sozialen Gruppe zu einer bestimmten Zeit (ibid.:XI), sowie über die äußeren kulturellen, politischen und sozialen Verhältnisse. Eine weitere Frage ist, nicht nur wer in eine Anthologie aufgenommen wurde, sondern weiterführend auch, womit (mit welchem Werk,

7 Genre etc.), in welchem Verhältnis die einzelnen Autoren zueinander stehen und wer nicht aufgenommen wurde. In unserem speziellen Fall gibt der Verfasser des Nachwortes die Subjektivität der Auswahl der Novellen zu und betont, nicht den Anspruch zu erheben, einen repräsentativen Überblick auf die Literatur der Slowenen zu geben. Hier stellt sich die Frage, wieso er sich bemüßigt fühlt, diesen Sachverhalt im Nachwort zu erklären und zu rechtfertigen (dazu mehr in Kapitel 4.2.3).

2 Die Anthologie „Slowenische Novellen“

Im folgenden Punkt sollen in aller Kürze die sechs Autoren und ihre Kurzgeschichten bzw. Novellen vorgestellt werden. Ihre Einordnung in die slowenische Literaturgeschichte soll ebenso betrachtet werden, wie die jeweilige Geschichte im Kontext ihrer Zeit, mit ihrer Stellung im Œeuvre des Schriftstellers. Zuerst noch zu der Reihe selbst: Wie wir durch die verlagseigene Werbeschaltungen im „Getreuen Eckart“ wissen (siehe dazu auch noch 4.2), war eine dreibändige Reihe „Novellen der Jugoslawen“ geplant. Die „Slowenischen Novellen“ erschienen als erster Band 1940, 1942 auch noch die „Kroatischen und Bosnischen Novellen“; zum dritten Band „Serbische Novellen“ kam es nicht mehr. Nun zu den sechs Autoren dieser Novellensammlung, die sich in der Rezeption in anderen Sprachen unterscheiden: Die meisten Werke von Prežihov Voranc und Ivan Cankar sind etwa schon in deutscher Übersetzung erschienen, während von Bevk, Meško, Kozak und Finžgar nur wenig bis gar nichts in andere Sprachen übersetzt wurde, worüber eine einfache Suche in einem Bibliothekskatalog (z.B. KVK oder Cobiss) Aufschluss gibt. Gemein ist allen Autoren, dass sie Kinder ihrer Zeit waren; die politischen, historischen und sozialen Umwälzungen spiegeln sich in ihren Biographien und Werkschauen wider, auch wenn ihre politischen Ausrichtungen zum Teil stark voneinander abweichen. Nicht vergessen werden darf, dass – bis auf Cankar, der schon 1918 verstorben ist – alle Autoren zwei Weltkriege miterlebt und zum Teil auch mitgekämpft haben oder interniert waren. Auch beschäftigten sich alle Autoren mit ähnlichen Themen; mit sozialen Problemen und der nationalen Frage der Slowenen, sie haben einen starken Bezug zur Natur sowie zum „einfachen Leben der kleinen Leute“. Was auch allen sechs Literaten gemein ist, ist der Umstand, dass (Literatur-) Zeitschriften (Ljubljanski zvon, Sodobnost, Dom in Svet , Slovenski narod, Mladika, Čuk na

8 pal’ci, Preporod) eine wesentliche Rolle in ihre Karriere spielten: Entweder sie waren selbst als Herausgeber tätig wie Bevk, Finžgar oder Kozak, oder es wurden zumindest zahlreiche ihrer Kurzgeschichten in slowenischen Literaturzeitschriften veröffentlicht z.B.: stellte sich so für Voranc und Cankar der erste große Erfolg ein.

2.1 Ivan Cankar und „Desetica“

Ivan Cankar ist zeitlich etwas früher als unsere restlichen Literaten dieser Anthologie angesiedelt und galt als Vorreiter der Modere und u. a. Kozak und Bevk als großes Vorbild. (vgl. Štih/Simoniti/Vodopivec 2008:338) Cankar (1876-1918) kommt eine besondere Stellung in der slowenischen Literaturgeschichte zu. Er gilt als der Vater der impressionistischen und symbolischen Prosa. Geboren in Vrhnika bei als Sohn einer Kleingewerbe treibenden Familie, besuchte er das Gymnasium in Ljubljana, studierte im Anschluss in Wien an der Technischen Universität, brach das Studium aber bereits 1897 wieder ab und kehrte aus Geldnot zurück nach Vrhnika. Ab 1899 Abbildung 1: Ivan Cankar lebte er fast zehn Jahre im Arbeiterbezirk Ottakring in Wien bei einer Näherin, wo er viel Stoff für seine Geschichten fand. Er war auch politisch engagiert und kandidierte 1907 sogar für die Sozialdemokratische Partei. 1909 kehrte er nach Ljubljana zurück und wurde 1914 kurzfristig auf der Burg von Ljubljana wegen politischer Äußerungen interniert. (vgl. Zadravec 1999:75) So kräftig, ausdrucksstark und vielfältig sein Werk war, so schwächlich und kränklich war Cankar sein Leben lang physisch. Er starb im Alter von 42 Jahren an einer Lungenentzündung. Bekannt ist er vor allem für seine symbolträchtige, manchmal schwermütige Prosa und seine Gedichte; thematisch behandelte er meist nationale Probleme und das Leben und Elend der kleinen Leute. Der Großteil seiner Werke entstand in Wien. (vgl. ibid.:75f) Zu seinen wichtigsten Werken zählen der Gedichtband Erotika (1899), zahlreiche Kurzgeschichtenbände wie Vinjete (1899), Ob svetem grobu (1910-1914) und Podobe iz sanj (1914-1917), die Romane Na klancu (1902), Hiša Marije pomo čnice (1904), Martin Ka čur (1906), Hlapec Jernej in njegova pravica (1907), Milan in Milena (1913), die Komödie Za narodov blagor (1901), der Essay Krpanova kobila (1907), das Prosawerk Zgodbe iz doline

9 šentflorjanske ( 1908), die Dramen Pohujšanje v dolini šentflorjanski (1908), Hlapci (1910) und Lepa Vida (1912). (vgl. ibid.:75ff)

Die Kurzgeschichte „Desetica“ trägt wohl starke autobiografische Züge und beschreibt die innere Not und das materielle Elend eines jungen (slowenischen) Schülers an einer deutschsprachigen Schule, der sich auch durch seine Armut von seinen Schulkollegen unterscheidet und darunter leidet. Eines Tages schickt ihm seine Mutter mit einem Brief ihren sprichwörtlichen „Notgroschen“, ihren letzten Heller, eine „Desetica“ und der Junge weint gerührt - aus Einsamkeit und Heimweh und weil er sich der Entbehrungen bewusst ist, die die Mutter auf sich genommen hat um ihm das Leben ein bisschen erträglicher zu machen.

2.2 Fran Finžgar und „Na petelina“

Fran Saleški Finžgar (1871-1963) war nicht nur Schriftsteller, sondern auch römisch-katholischer Priester. Er studierte Theologie in Ljubljana und arbeitete im Laufe seines Lebens in zahlreichen verschiedenen slowenischen Pfarren. In der Zwischenkriegszeit fungierte er als Herausgeber der Zeitschrift Mladika . Er beschäftigte sich in seinem Werk ausnehmend mit der nationalen Frage des Slowenentums und erfreute sich bei seinem Publikum großer Beliebtheit. (vgl. Zadravec 1999:114)

Abbildung 2: Fran Saleški Sein berühmtestes Werk ist der historische Roman Pod Finžgar svobodnim soncem (1906-07), in dem er die Kämpfer der slawischen Stämme gegen das byzantinsche Reich beschreibt. Der Held dieses Epos Iztok kämpft heroisch in jenen Zeiten, als die Slawen die Balkanhalbinsel besiedelten. (vgl. ibid.:50) Weiters zählen zu seinen wichtigsten Werken: die Erzählungen Kvišku (1899), Stara in nova hiša (1900), Dekla An čka (1913), der Geschichtenband Prerokovana (1915-18), und die Dramen Veriga (1914) sowie Razvalina življenja (1920). (vgl. ibid.:114ff)

Finžgar gilt eher als volkstümlicher Schriftsteller; in seinen Geschichten beschreibt er soziale und nationale Motive, oft beschreibt er Freiheit und Natur. So gilt die Novelle „Na petelina“ (1910) über die Jagd auf einen Auerhahn in den frühen Morgenstunden zweifelsohne als ein Höhepunkt seines erzählerischen Talents. Die Schönheit der blühenden

10 Natur in den fühen Morgenstunden und die Anstrengungen der beiden Jäger, den Auerhahn zu schießen, wird in ausschmückender und epischer Form geschildert. Zadravec schreibt in der Literaturübersicht Slovenska književnost II über den Auerhahn: „[ črtica Na petelina je] pevni zanos ptice ob son čnem vzhodu ter pretres človeka, ki ga lepotni pojav mami, pa ga s strelom prekine“. (1999:115)

2.3 France Bevk und „Bajtar Mihale“

Wie so viele andere Kulturschaffende und Schriftsteller dieser Zeit hat auch France Bevk (1890-1970) die politischen Veränderungen und die geschichtlichen Umwälzungen am eigenen Leib miterlebt, kämpfte in beiden Weltkriegen und war politisch sehr aktiv. Wegen Antikriegsagitationen wurde er 1916 an die Front nach Galizien und in die Bukowina geschickt, auch war er an einem Soldatenaufstand in Radgona beteiligt (eine Thematik, die er im Roman In sonce je obstalo , 1963 verarbeitete). Nach dem Ersten Weltkrieg war Bevk als

Journalist in Ljubljana tätig; 1920 kehrte er nach Gorica Abbildung 3: France Bevk zurück. Während der zwei Weltkriege war er in seinem Heimatgebiet Gorica und kulturpolitisch äußerst aktiv, weshalb er von der faschistischen Okkupationsmacht streng überwacht wurde, vor allem wegen der satirisch-kritischen Zeitschrift Čuk na pal’ci , die er herausgab. 1926 musste er ins Gefängnis, er wurde konfiniert; zuerst zu Hause, später auf einer italienischen Insel. (vgl. Zadravec 1999:252) Während des Zweiten Weltkrieges war er in Gorica inhaftiert; 1943, während der Kapitulation des faschistischen Italiens, gelang ihm die Flucht und er schloss sich den jugoslawischen Partisanen an, wurde zum „predsednik Pokrajinskega narodnoosvobodilnega odbora za Trst in Slovensko primorje“. Auch nach dem Krieg bekleidete er wichtige politische Ämter (vgl. ibid.:252f) Als Schriftsteller hinterließ er ein großes Gesamtwerk, neben Gedichten und Kinderliteratur schrieb er aber vor allem Prosa, beschäftigte sich darin mit realistischen, lebensnahen oder geschichtlichen Themen. Bevk gilt als kritischer Realist und der Höhepunkt seines Schaffens war wohl der Roman Kaplan Martin Čedermac (1938), in dem seine Überzeugung und seine Herkunft erkennbar ist. Der Held dieses Romans wehrt sich gegen das Verbot der slowenischen Sprache in der Kirche und gegen die faschistischen Suppressionen

11 im Küstenland. Aus seinem großen literarischen Nachlass sind besonders noch die Romane Ljudje pod Obsojnikom (1925), V zablodah (1929), das Drama Kajn (1925), die Prosastücke Faraon (1922), Kresna no č (1927), Umirajo či bog Triglav (1930), die Novellen Muka gospe Vere (1925) und Soba svetega Boštjana (1938) zu erwähnen. Den Großteil seines Werkes schrieb er in den Kriegsjahren und vor allem in der Zwischenkriegszeit unter italienischer Besatzung. (vgl. ibid.:253ff) In Brat Frančišek (1926), Legenda o Mariji z Robidovja und Peta zapoved verbindet er Volkslegenden mit aktuellen Problemen. So behandelt er darin die Thematik eines von der Staatsmacht vertriebenen und verfolgten Künstlers oder Intellektuellen, ein in der Zwischenkriegszeit gesamteuropäisches, aber auch sehr slowenisches Problem, wie etwa auch im folgenden Lebenslauf von Franc Ksaver Meško berichtet wird. (vgl. ibid.:191)

„Bajtar Mihale“ erzählt die Geschichte des entbehrungsreichen Lebens des Keuschlers Mihale, gekennzeichnet durch harte Arbeit, Entbehrungen, menschliche Tragödien und den Tod. Als seine Frau stirbt, kann er sich mit seiner kleinen Keusche kaum noch über Wasser halten, muss bei seinem reichen Nachbar als Tagelöhner arbeiten. Er verschuldet sich, hat ein Alkoholproblem und kann die Schande, dass seine einzige Tochter in der Stadt unehelich schwanger wurde, auch nicht verwinden. Sowohl der reiche Nachbar als auch das ganze Dorf wissen darüber Bescheid. Als seine Situation immer aussichtsloser wird, beginnt er die gesamte Wut über seine klägliche Existenz auf seinen Nachbarn zu wälzen. Als er ihn in einen Kampf verwickelt, zieht er sich jedoch schlimme Verletzungen zu, an denen er letztlich auch stirbt. Seine Tochter trägt ihn zu Grabe und muss letzten Endes den elterlichen Grund doch an den Nachbarn verkaufen.

2.4 Franc Ksaver Meško und „Starca Matije pravica“

Ksaver Meško (1874-1964) studierte in Maribor und Klagenfurt Theologie, war ein nationalbewusst engagierter Geistlicher und Schriftsteller. Er diente in Pfarren in Kärnten, wo er 1916 des Hochverrats angeklagt und inhaftiert wurde, später dort nicht mehr sicher war und aus Kärnten flüchtete. Er setzte sich sehr für die slowenische Minderheit in Kärnten ein und verurteilte die deutschnationale, gegen die Minderheit gerichtete Politik. (vgl. Zadravec 1999:117ff)

12 Nachdem er das österreichische Kärnten verlassen hatte, war er von 1921 bis 1941, und danach von 1945 bis zu seinem Tod Pfarrer in Sele nahe Slovenj Gradec. Während des Zweiten Weltkrieges wurde er von den Nationalsozialisten nach Kroatien und Bosnien vertrieben; über Unwege kam er ins Kloster Sti čna, wo er dann das Ende des Krieges abwartete. Er starb im hohen Alter in Slovenj Gradec und wurde nahe der Uršlja gora auch begraben. (vgl.: OŠ Mislinja 2004)

Abbildung 4: Meško schrieb zahlreiche Kurzgeschichten und Romane, Franc Ksaver Meško in denen Sünden früher oder später immer bestraft werden, in denen er das dörfliche Leben beschreibt, tragische Liebe und soziale Schicksale sowie die Liebe zur Heimat. Einige Jahre zieht sich – mehr als seine philosophischen Gedanken oder sein Dasein als Geistlicher – ein anderer roter Faden durch sein Werk: die Thematik der enttäuschten Liebe und des resignierten Liebenden. (vgl. Zadravec 1999:118) Zu seinen wichtigsten Werken zählen der Roman Kam plovemo (1897), zahlreiche Kurzgeschichtenbände wie Slike in povesti, Ob tistih ve čerih (1904), (u. a. die Kurzgeschichten Sen poletne no či, V Ciljih našega hrepenenja, Moje poti, V koroških gorah, Marijina kiparja, O človeku, ki stoji ob grobovih in plaka ), das Theaterstück Na smrt obsojeni? (1903), Mir božji (1906), Pri hrastovih (1921) und mehrere Kurzgeschichten für Kinder, die unter dem Titel Mladim srcem (1911-51) erschienen sind. (ibid.:119f)

„Starca Matije pravica“ ist die Geschichte des religiösen Alten Matija und des großen Einflusses der Kirche und der dörflichen Strukturen auf die Menschen. Ein ehrenvolles Amt ist es, bei der Osterprozession das Kreuz mit dem Heiland tragen zu dürfen; eine Aufgabe, die er jahrzehntelang stolz erfüllte. Weil an seiner körperlichen Kraft gezweifelt wird, soll es nun der junge, starke Sohn eines reichen Bauern übernehmen und Matija fühlt sich gedemütigt und erniedrigt. Da viele Versuche diese Abdankung abzuwenden, doch nicht zum Erfolg führen, endet die Geschichte dramatisch, als er nach der feierlichen Messe das Kreuz an sich reißt, wegläuft und es in einen Abgrund werfen will, da niemand den Herrgott tragen soll, wenn er es nicht mehr darf. Matija fühlt sich nicht nur gedemütigt, sondern in seiner persönlichen religiösen Beziehung zum Heiland als Verräter und Entmachteter. Die Erde ist matschig und der Alte stürzt mit dem Kreuz in den Abgrund.

13 2.5 Juš Kozak und „Bohinjski pastoral“

Juš Kozak stammte aus Ljubljana (1892-1954) und gilt als wichtiger Erzähler in der slowenischen Literaturgeschichte. Slowenisches Nationalbewusstsein war ihm wichtig, was er auch in seinem literarischen Schaffen zum Ausdruck brachte; so war er vor allem antijugoslawisch und antiösterreichisch eingestellt. Vor dem Ersten Weltkrieg arbeitete er als Mitglied der Narodno radikalna mladina , der Nationalen radikalen Jugend, bei der Zeitschrift Preporod mit. (vgl. Zadravec 1999:255) 1914 wurde er als politisch Verdächtiger inhaftiert, später in den Krieg geschickt, aus dem er zurückkehrte und 1917 und 1918 autobiografische Texte veröffentliche: So schrieb Kozak vom Krieg, vom Innenleben eines Internierten und Eingesperrten, über Heroismus und Freiheitsdrang z.B.: in Marki Groll, Kresna no č, Veselica, Zemlja, Življenje in smrt, Padlemu drugu. In den 20er Jahren war er Professor an der Universität Ljubljana und veröffentlichte regelmäßig im Ljubljanski zvon, dem er die Treue auch hielt, als sich sein Bruder Ferdo Kozak mit anderen abspaltete und die Abbildung 5: Juš Kozak Zeitschrift Sodobnost gründete. Er bezeichnete sie als Nationalisten und zu radikal und übernahm 1935 selbst die Leitung des Ljubljanski zvon . Während der Okkupationszeit arbeitete er bei der Befreiungsfront Osvobodilna fronta mit, wurde in Folge in Süditalien konfiniert, schloß sich 1944 den jugoslawischen Partisanen an und kehrte nach Slowenien zurück (vgl.: ibid.:256) Ein wichtiges Instrument der linken Intelektuellen während der Besatzungszeit war die Verweigerung einer Zusammenarbeit mit den von den Besatzern erlaubten kulturellen Einrichtungen („kulturni molk“). Während die Linksgerichteten bei der Befreiungsfront Osvobodbilna fronta (OF) mitwirkten – für die Kozak 1942 den Slovenski zbornik herausgab – waren Rechtsgerichtete bei der Heimwehr Domobranstvo aktiv. (vgl.: ibid.:152) Zu seinem wichtigsten Werken zählen die Romane Tehtnica (1922), Šentpeter (1924- 26), die Novelle Tuja žena (1929), der autobiographische Roman Celica (1932) und der in den 30er Jahren geschriebene Novellenband Maske, in welchem auch die Novelle Bohinjski pastoral erschienen ist. Gerade bei Maske, aber auch generell in seinem Gesamtwerk, ist Kozak sehr autobiografisch, auch wenn er von anderen erzählt. (vgl. ibid.:256f)

14 Das „Bohinjski pastoral“ ist eine Liebeserklärung an Kozaks slowenische Heimat und ihre Natur; ein Lobgesang auf die atemberaubende Berglandschaft der Julischen Alpen. Die Ich-Erzählung beschreibt die dörflichen Strukturen, die Menschen dieser Region, die im Einklang mit der Natur – und auch ihr unterworfen – ihr Leben führen. Das gestalterische Hauptaugenmerk liegt auf der Beschreibung, der Schilderung der Lebensweisen und Gegebenheiten. Darin liegt die eigentliche Absicht und Stärke der Erzählung und nicht in einem Handlungsstrang, einer packenden Geschichte. Im Erzählband „Maske“ wurde diese Novelle oft zu den stärksten und bedeutensten gezählt. France Koblar meinte in seiner Rezension in der Zeitschrift Dejanje (1940, Nr. 8) dazu, sie sei „mogo čna pesem narave, ob kateri sicer zastonj iš češ Stvarnika, a te ob pogledih na ljudi zadene tem bolj v živo, čim dlje si od pisateljevega življenjskega nazora in čim bližji ti je svet, ki ga gledaš v kri čečih nasprotjih“. Eine der beschriebenen Hauptpersonen, der Vogelliebhaber Balant, ist in seiner Charakterisierung vielfach charismatischer als so mancher Held in anderen Werken. (zit. n. Munda 1992:467)

2.6 Prežihov Voranc und „Boj na požiralniku“

Lovro Kuhar – Prežihov Voranc (1893-1950) stammt aus einer Bauernfamilie aus Podgora bei Kotlje im Miestal. Im Ersten Weltkrieg wurde er an die Karpaten- und die Isonzofront geschickt; von zweiterer desertierte er 1916 nach Italien und wurde dort interniert. (vgl. Zadravec 1999:275) Schon während des Ersten Weltkrieges kam Voranc mit der kommunistischen Ideologie in Berührung, die er begeistert aufgriff; nach dem Krieg wieder zu Hause wurde er alsbald wichtigster kommunistischer Politiker im Miestal und später zu

Abbildung 6: Prežihov Voranc einem hochrangigen Parteimitglied der Kommunistischen Partei Jugoslawiens. (vgl. Koruza 1964:458) 1930 flüchtete er ins Exil, die Kommunistische Partei war 1929 verboten und Voranc in Abwesenheit zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt worden. Boj na požiralniku ist eine mehrerer Kurzgeschichten, die von Lovro Kuhar unter dem Pseudonym Prežihov Voranc ab 1935 in der Zeitschrift Sodobnost erschienen sind. Sie alle entstanden in dieser bewegten und unsteten Zeit in Voranc’ Leben; zwischen 1930 und 1939 lebte er im Exil, hauptsächlich in Paris und Wien und viele Reisen führten ihn für die Komintern durch ganz Europa (u. a. nach

15 Prag, Polen, in die Schweiz, die Türkei, Ungarn, Dänemark, Schweden, Finnland und sogar nach Moskau). Ab 1939 lebte er wieder in der Umgebung von Ljubljana im Untergrund. Obwohl Voranc selbst sagte, dass er wohl nie geschrieben hätte, wenn er nicht so viel gereist wäre, schrieb er nicht von seinen großen Reisen und europäischen Großstädten, sondern von seiner engeren unmittelbaren Kärntner Heimat, dem Miestal. Die langen Jahre des Exils verbanden ihn nur noch stärker mit seiner Heimat, mit der bäuerlichen Welt seiner Kindheit, mit dem Land und seinen Bewohnern. Diese Thematik zieht sich wie ein roter Faden durch Voranc' Schaffen. (vgl. ibid.:443ff) Ab 1941 arbeitete Voranc aktiv als Politiker und Schriftsteller für die Befreiungsfront mit (z.B. im Plenum kulturnih delavcev Osvobodilne fronte) (vgl. Zadravec 1999:308) 1943 wurde er von den Weißgardisten verhaftet und an die Italiener ausgeliefert; noch der Kapitulation Italiens wurde er der Gestapo übergeben, kam über das Lager Begunje ins Gestapo-Hauptquartier nach Berlin und später in die KZs Sachsenhausen und Mauthausen. Nach 1945 war er auch noch weiterhin politisch aktiv und starb 1950 57-jährig; seine Gesundheit war von den vielen Internierungen und Gefängnis- und Lageraufenthalten in Mitleidenschaft gezogen worden. (ibid.:275) Der 1923 erschienene Kurzgeschichtenband Povesti wurde von den Kritikern und der Öffentlichkeit noch nicht sehr begeistert aufgenommen, woraufhin sich Voranc zehn Jahre lang fast ausschließlich der politischen Arbeit widmete. Erst 1934 schrieb er wieder – und zwar „Boj na požiralniku“. Als der Sammelband Samorastnik i 1940 erschien, erlangte Voranc damit endgültig den Status eines großen slowenischen Schriftstellers mit ausgeprägtem epischem Talent. (vgl. Koruza 1964:451) Mit Samorastniki gelang Voranc literarisch also der Durchbruch und den einschlagenden Erfolg dieses Sammelbandes erkennt man auch an den vielen Nachdrucken: Nach dem ersten Druck 1940 erschien er nochmals 1946, 1956 und 1958. „Boj na požiralniku“ schrieb Voranc 1934 in Wien, die erste Übersetzung ins Deutsche erschien in unserem Sammelband Slowenische Novellen; 1963 wurde sie nochmals mit dem ganzen Band Samorastniki von Janko Messner unter dem Titel „Der Kampf mit dem Ackermolch“ ins Deutsche übersetzt. (vgl. ibid.:475) Ferdo Kozak – der Bruder Juš Kozaks – fungierte nicht nur als Herausgeber der Sodobnost , sondern auch als Lektor des Autodidakten Voranc, der Samorastniki für den Druck vorbereitete. So kürzte Kozak, korrigierte Rechtschreibung, Grammatik, Satzstellung etc. gerade bei „Boj na požiralniku“ wesentlich. Voranc übernahm seine Änderungen immer bereitwillig, weil er sich seiner Defizite in der Schriftsprache bewusst war. (vgl. ibid.:454)

16 Andererseits bereicherte Voranc aber gerade in sprachlicher Hinsicht die slowenische Standardsprache, indem er zahlreiche sprachliche Bilder, Ausdrücke, Varietäten seiner regionalen Kärntner Herkunft in die Literatursprache einführte. (vgl. Zadravec 1999:321) Zu seinen wichtigsten Werken gehört der Kriegsroman Doberdob (1940), den er in den 20er Jahren zu schreiben begann und im Exil vollendete; seine Erinnerungen und Reflexionen über das Leben im Krieg und die Gräuel des Krieges an sich. Ebenso von großer Bedeutung ist der 1939 erschienene Roman Požganica, der die soziale, politische und sprachliche Situation in Kärnten nach dem Zerfall der Habsburger-Monarchie thematisiert. Außerdem erschien von Lovro Kuhar der Roman Jamnica, die Reiseerzählung Gosposvetsko polje, die Erzählbände Solzice, Kanjuh iz Zagate und Ljubezen na odoru (vgl. ibid.:275f) In der slowenischen Literaturgeschichte wird Voranc dem Sozialrealismus zugeordnet und gilt als einer der wichtigsten Vertreter des sozialen Romans. Thema und Charakteristika des Sozialrealismus ist die Beschäftigung und zum Teil Verherrlichung der bäuerlichen Welt; was aber sowohl von Seiten politisch-kommunistischer Schriftsteller wie Voranc als auch von katholischen Schriftstellern wie Finžgar teilweise betrieben wurde. Meist geht es um eine kritische Auseinandersetzung mit den schwierigen Lebensbedingungen der Arbeiter oder Bauern, das Schicksal eines Einzelnen oder eines ganzen Volkes. (vgl. ibid.:320 und 165)

Voranc schildert in „Boj na požiralniku“ den harten Kampf ums Überleben, um das tägliche Brot. Obwohl er sich meist an realen Tatsachen und Personen anlehnt, kann man bei dieser Erzählung nicht behaupten, dass er die wirkliche Geschichte einer Familie aus dem Miestal beschrieben hätte. Seinem Bruder Avgust Kuhar zufolge habe er jedoch bei der Beschreibung des Kleinbauern Dihur und seinem Verhältnis zum eigenen Boden den eigenen Vater vor Augen gehabt. Auch die geologischen Bedingungen mit dem Sumpfacker, dem lehmigen, schwer zu bewirtschaftenden Boden, stimmen mit den tatsächlichen Bedingungen im Miestal überein. (vgl. Koruza 1964:477) Letztendlich kann der Kampf gegen die Natur nicht gewonnen werden; die Dihurs bewirtschaften einen Sumpfacker, der außer in sehr trockenen Jahren jegliche Saat verschluckt und nichts wieder gibt. Deshalb geht der Vater auf die Saualpe arbeiten, die Kinder dieser kinderreichen Familie arbeiten auch mit, sobald sie nur gehen können. Das Leben ist hart und entbehrungsreich, auch werden die Kinder in diesem Sinne erzogen; die Liebe der Eltern zueinander äußert sich darin, dass sie bis zur Selbstaufgabe und der völligen Erschöpfung arbeiten; auch heimlich nachts, ohne dass der andere es merken soll. Die Dihur- Bäuerin bricht in dieser Erschöpfung, schwanger, einmal auf dem Feld zusammen, erleidet

17 eine Fehlgeburt und stirbt. Auch der Dihur-Bauer stirbt abgearbeitet nach dem lebenslangen Kampf mit diesem Sumpfacker. (vgl. Zadravec 1999:185)

3 Die soziokulturelle Einbettung

Kein Werk und keine Übersetzung sollte außerhalb ihrer zeitlichen, politischen, kulturellen oder sonstigen konzeptuellen Einbettung betrachtet werden: Dies gilt zwar generell, aber eben auch ganz besonders für Publikationen, die während der Herrschaft der Nationalsozialisten auf Deutsch erschienen sind. Darum soll im Folgenden die Kulturpolitik der Nazionalsozialisten erörtert werden. Da sie aber auf der nationalsozialistischen Rassenideologie beruht, sei auch diese und der auf ihr aufbauende Kulturbegriff erklärt. Über den Adolf Luser Verlag, die politische Situation im angeschlossenen Österreich, die verlagspolitische Situation wird in Punkt 3.2 und 3.3 ausführlich berichtet. Weiters werden in Punkt 3.4 die Geschehnisse im slowenischen Raum in diesem Zeitraum geschildert, die Ausgangslage, der Blitzkrieg 1941 gegen Jugoslawien, die rasseideologischen Pläne für die Slowenen und die daraus resultierenden Aussiedlungen, Morde und Deportationen. In unserer Darstellung sollen allerdings nur jene geschichtlichen Zusammenhänge erörtert werden, die zum Verständnis der soziokulturellen Einbettung der Übersetzungen erforderlich sind. Außerdem wird abschließend über die zwei Übersetzer bzw. den Herausgeber Franz Hille und den Übersetzer Stanislaus Hafner berichtet werden.

3.1 Die Kulturpolitik der Nationalsozialisten

Der folgende Punkt 3.1 gliedert sich in eine kurze allgemeine Erklärung der Ideologie des Nationalsozialismus und seinen daraus abgeleiteten Kulturbegriff.

3.1.1 Der Nationalsozialismus und seine Ideologie

Der Nationalsozialismus war zum einen eine sehr konkrete Ideologie mit sehr konkreten Vorstellungen, andererseits aber, wenn man das Parteiprogramm der NSDAP aus dem Jahr 1920 genauer betrachtet, bei gewissen Themen auch durchaus allgemein und schwammig, was etwa die Wirtschafts- oder Finanzpolitik angeht. Die Friedensverträge nach dem 1. Weltkrieg wurden als ungerecht empfunden und ihre Aufhebung gefordert, vor allem

18 da sie den Zusammenschluss Österreichs und Deutschlands verboten. Worauf alle äußerst konkreten Maßnahmen und Vorschläge fußten, war eine Rassenideologie, die auf Sozialdarwinismus und anthropologischem Rassismus beruht. (vgl. Wippermann 1997:11f) Die Grundüberzeugung der Nationalsozialisten besagte, dass es höhere und niedrigere Rassen gebe und davon abgeleitet wurde die Forderung, dass es zu keiner Vermischung der Rassen kommen dürfe, weil dies zu einer „Bastardierung“ der hohen Rasse führen würde. Konkrete Maßnahmen, die von dieser Forderung abgeleitet wurden, waren folgende: Die „gesündesten Träger des Volkstums“ sollen zur Fruchtbarkeit animiert werden, auch nur jene sollen berechtigt sein, Grund und Boden in den „Randkolonien“ zu erwerben; die rassisch Minderwertigen sollen an der Fortpflanzung gehindert werden (etwa durch Zwangssterilisation). Die Juden stellten laut dieser Logik nicht nur eine minderwertige Rasse dar, sondern gefährdeten die „Gesundung der hochwertigen arischen Rasse“ durch „Blutvergiftung“ und „Bastardierung“. Das rechtfertigte und erforderte in den Augen der Nationalsozialisten den rücksichtlosen Kampf und die Vernichtung der Juden. (vgl. ibid.:12ff) Die aus dieser Blut -Ideologie ableitbare Forderung hieß also Boden : Lebensraum für das deutsche Volk. Während früher damit noch Kolonien in Übersee gemeint waren, ging man nun von dieser Forderung ab und beschränke sich auf den „deutschen Drang nach Osten“. Dies bedeutete ein Vorgehen gegen die Sowjetunion, die jedoch ohnehin „reif zum Zusammenbruch“ gewesen sei, weil sie von „rassisch minderwertigen“ Juden und ebenfalls „minderwertigen“ Slawen beherrscht wurde. (vgl. ibid.:15f) Dem großen rassezüchterischen Zweck waren alle anderen Themen untergeordnet; so diente die sportliche Ertüchtigung, die Ehe, sowie die herabwürdigende Rolle der Frauen zu Gebärmaschinen einzig und allein dazu, „die rassische Gesundung des deutschen Volkes“ voranzutreiben: alle sozialpolitischen Maßnahmen standen unter dem „Primat des Rassismus“ (vgl. ibid.:16ff)

3.1.2 Der auf der NS-Ideologie basierende Kulturbegriff

Wie alles andere im Dritten Reich basierte auch der Kulturbegriff auf der bereits ausgeführten Rassenideologie. Davon beeinflusst waren alle schönen Künste und jede kulturelle Arbeit: von Architektur, über Musik, Schriftstellerei und natürlich bis zur bildenden Kunst. Unterschieden wurde dabei zwischen „deutscher“ und „artfremder, entarteter“ Kunst. In der kurzen Zeit der Republik fassten viele bedeutende Kunstströmungen auch in Deutschland Fuß: Im Theater die Neue Sachlichkeit, in der Architektur Walter Gropius mit

19 dem „Bauhaus“; es war die Zeit der neuen Massenmedien Kino und Radio. In der deutschsprachigen Literatur wirkten und werkten große Schriftsteller des 20. Jahrhunderts: Bert Brecht veröffentlichte die „Dreigroschenoper“, Alfred Döblin „Berlin Alexanderplatz“, Thomas Mann „Der Zauberberg“, Erich Maria Remarque „Im Westen nichts Neues“ und Kurt Tucholsky wetterte gegen Rassismus und Krieg. In der bildenden Kunst etablierten sich die bedeutenden Strömungen Surrealismus und Dadaismus. Die Nationalsozialisten betitelten alle diese Errungenschaften mit den Begriffen „Entartung“ sowie „Kunstbolschewismus“ und starteten oftmals Aktionen gegen die in ihren Augen verdorbene und entartete Kunst: (vgl. Bauer 2008:125)

Juden, von denen viele im Zeitungswesen, in Musik, Literatur, Malerei, Theater, Film, Architektur und Wissenschaften tätig waren, gab man die Schuld am Verlust ‚ewiger’ Werte, am ‚Kulturbolschewismus’, und an der angeblichen Dekadenz der Gegenwart. Bei allen ‚zersetzenden Erscheinungen der modernen Zivilisation’ […] habe immer das Judentum eine ‚führende Rolle’ gespielt. (ibid.:139)

Wie durch alle anderen Gebiete der nationalsozialistischen Politik zieht sich auch durch die Kulturpolitik das Grundmotiv der Rassenideologie, der zufolge gehandelt, verboten, gefördert und bekämpft wurde.

3.2 Die verlagspolitische Situation im angeschlossenen Österreich

Im folgenden Punkt 3.2 soll auf die Situation im damaligen Österreich, in der angeschlossenen „Ostmark“ erörtert werden: Dazu gehören eine Erklärung des Anschlusses Österreichs selbst, die politischen Verantwortlichen dieser Zeit und die Umstände, denen das Verlagswesen in dieser bewegten Zeit unterworfen war.

3.2.1 Der Anschluss Österreichs

Dem Anschluss Österreichs an das Dritte Reich ging die weitverbreitete Überzeugung voraus, der Staat Österreich sei ohnehin nicht lebensfähig und dass der „Zusammenschluss der zwei deutschen Völker dringend geboten sei“. (vgl. Bauer: 2008:313) In großen Teilen der Bevölkerung herrschte die Überzeugung, dass der Anschluss an den großen deutschen Bruder früher oder später erfolgen müsse und solle; der

20 austrofaschistische Ständestaat stand auf wackeligen Beinen und die Sozialdemokratische Partei Österreichs, die noch am entschiedensten gegen die Nationalsozialsten auftrat, hatte man 1933/34 verboten und somit in die Illegalität gedrängt. Zwar war die äußerst aktive NSDAP in Österreich immer noch verboten, doch traute sich kaum jemand konsequent gegen die nationalsozialistischen Aktionen vorzugehen, um nicht im Falle einer Machtübernahme der Nazis auf der falschen Seite zu stehen. (ibid.:314) Österreich war also für die nationalsozialistischen Expansionsbestrebungen zum einen ein leichtes Ziel, weil auch sehr viele Österreicher mit der NSDAP sympathisierten, zum anderen wirtschaftlich interessant und - last but not least – war der Anschluss der erste logische Schritt auf dem Weg, die rassenideologische Blut-und-Boden-Ideologie zu verwirklichen, der erste wichtige Schritt auf dem Weg zur Verwirklichung des Großdeutschen Reiches. (ibid.) Am 12. Februar 1938 kam es auf Hitlers Berghof zu einem Treffen zwischen Hitler und Kanzler Kurt Schuschnigg, das im „Berchtesgadener Abkommen“ mündete, welches „den souveränen Bundesstaat Österreich auf den Status eines Trabanten des Deutschen Reiches hinabsinken ließ“ (ibid.): Die österreichische Außenpolitik wurde mit der deutschen gleichgeschaltet, der Wirtschaftverkehr intensiviert, die Armeen zusammengelegt und natürlich wurde das NSDAP-Verbot aufgehoben und alle inhaftierten Nazis freigelassen. (ibid.:315) Am 11. März 1938 wurden deutsche Truppen an der österreichischen Grenze konzentriert, die NSDAP trat im ganzen Land massiv in Erscheinung, Schuschnigg beugte sich dem Druck und trat als Bundeskanzler zurück, worauf Arthur Seyß-Inquart zum Regierungschef ausgerufen wurde. Auch Wilhelm Miklas trat, nachdem er Seyß-Inquart angelobt hatte, am 13. März als Bundespräsident zurück. Der Machtwechsel vollzog sich im ganzen Land, überall besetzen Nationalsozialisten Posten und Ämter. Es kam zu Racheaktionen inhaftierter Nazis und in den folgenden Wochen zu Gewaltexzessen an Juden im ganzen Land. Am 12. März überquerte Hitler bei seiner Heimatstadt Braunau die Grenze und wurde freudigst von der Bevölkerung willkommen geheißen. Am 13. März verabschiedete die Regierung Seyß-Inquarts ein Bundesverfassungsgesetz über die „Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich“. (ibid.:317ff) Am 10. April 1938 fand unter erheblicher Einflussnahme und Druck die Volksabstimmung über den Anschluss statt, was folglich zum Ergebnis führte, dass sich 99,73% der Österreicher und im „Altreich“, im Deutschen Reich, 99,08% mit der Wiedervereinigung einverstanden zeigten. (ibid.:321f)

21 Der Name Österreich wurde durch „Ostmark“ - eine Bezeichnung für die mittelalterliche Mark der Babenberger-Dynastie - ersetzt und ab 1942 durfte nur noch von den „Donau- und Alpenreichsgauen“ die Rede sein. Das Deutsche Reich vor 1938 wurde nun allgemein als Altreich bezeichnet, während nach der Eingliederung Österreichs vom Großdeutschen Reich gesprochen wurde. Hitlers Mann Nummer eins in der Ostmark wurde Josef Bürckel als Reichskommissar für die Vereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich. (ibid.:322f) Verwaltungstechnisch wurde Österreich in sieben Reichsgaue unterteilt, die im Großen und Ganzen den ehemaligen Bundesländern entsprachen: Wien, Kärnten, Niederdonau, Oberdonau, Salzburg, Steiermark und Tirol. Vorarlberg kam zu Tirol, Osttirol zu Kärnten, das Burgenland wurde zwischen Niederdonau und der Steiermark aufgeteilt, der Gau Wien wurde beträchtlich vergrößert und den Gauen Nieder- und Oberdonau wurden ehemalige sudentendeutsche Gebiete hinzugefügt. (Spann 1997:630) Zu den wichtigsten politischen Akteuren im angeschlossenen Österreich zählen neben dem Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Reich Josef Bürckel, der Gauleiter von Wien Odilo Globocnik, - und für die slowenischsprachigen Gebiete relevant - der Gauleiter von Kärnten Hubert Klausner. (vgl. Hall 1985b:273) Seyß-Inquart war noch ein Jahr parallel zu Bürckel als Reichsstatthalter und Chef der österreichischen Landesregierung im Amt, bis 1939 durch das Ostmarkgesetz Österreich nicht mehr als Rechtssubjekt bestand und er infolge diesen prestigeträchtigen Posten verlor. (vgl. Bauer 2008:323)

3.2.2 Die Abhängigkeit des österreichischen Verlagswesens und Buchhandels von Deutschland

Bevor auf die verlagspolitische Situation im angeschlossenen Österreich eingegangen werden kann, muss in aller Kürze vorausgeschickt werden, unter welchen Umständen die Verlage in Österreich davor tätig waren und welche wesentlichen Entwicklungen und Eigenheiten den österreichischen Verlagshandel charakterisieren.

Das Verlagswesen in Österreich ist von einigen Entwicklungen entscheidend beeinflusst worden, die schon zu Zeiten der habsburgischen Monarchie ihren Ausgang genommen haben. Ein bestimmender Umstand war, dass österreichische Literatur traditionell schon ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Deutschen Reich verlegt wurde. Es war aus mehrerlei Gründen ganz normal, dass man nur über deutsche Verlage Werke 22 österreichischer Literaten kennen lernen konnte: So war es in Österreich durch geltendes Recht vielfach schwieriger, einen Verlag überhaupt zu gründen, es herrschte Konzessionspflicht, während in Deutschland Gewerbefreiheit bestand. Außerdem herrschte in Österreich lange eine strenge Zensur, wodurch der restliche deutschsprachige Buchhandel einen Vorsprung bekam, den Österreich nie mehr einholen konnte. (vgl. Hall 1985a:11/21ff) Die Frage des Urheberrechts, des Schutzes geistigen Eigentums, sowohl der Originalwerke als auch der Übersetzungen, war in Österreich lange Zeit kein Thema und wurde stiefmütterlich behandelt; Österreich widersetzte sich sehr lange der „Berner Convention“, die eben genau dies zwischen den Mitgliedsstaaten regeln wollte. Sie trat am 5. Dezember 1887 in Kraft; Deutschland, Spanien, Frankreich, Großbritannien, Italien und die Schweiz gehörten zu den ersten Unterzeichnern. (vgl. ibid.:28f) Wegen dieser Schutzlosigkeit und der großen Versäumnisse waren die österreichische Literatur und die Verlage auch schon vor dem Anschluss in entscheidendem Maße an den deutschen Buchmarkt gebunden. Österreichische Verleger gründeten Zweigniederlassungen in Ländern, die der Berner Convention angehörten oder drehten Österreich gänzlich den Rücken zu; „mit anderen Worten: Österreich exportierte bereits zu dieser Zeit nicht nur seine Schriftsteller, sondern auch seine Verlage“. (ibid.:32) Erst der Vertrag von St. Germain verpflichtete die Republik Österreich dazu, einer revidierten Form der Berner Convention beizustimmen. (vgl. ibid.:37) Der österreichische Buchmarkt war fast zur Gänze ein Importmarkt: Schon lange vor dem Anschluss betrug der Anteil des Deutschen Reichs an den Gesamtimporten 90%: Man begnügte sich damit, „im gesamtdeutschen Buchhandel eine Art Satellitenstellung einzunehmen, als eine Art Dépendance des reichsdeutschen Verlagswesens zu fungieren“. (ibid.:41ff) Die großen politischen Veränderungen in Deutschland durch die Machtergreifung Hitlers, in Österreich durch den Austrofaschismus ab 1933 und den Anschluss 1938 haben also diese Abhängigkeitssituation lediglich verschärft und politisiert, bestanden hat sie aber schon lange Zeit zuvor.

Ab 1933 verschärfte sich die politische Situation durch die Machtergreifung Hitlers: In Deutschland durfte nur noch veröffentlichen, publizieren und herausgeben, wer eingetragenes Mitglied der Reichsschrifttumskammer (RSK) war; dennoch hielt sich der Ansturm österreichischer Schriftsteller in Grenzen, die „Zwangsmitgliedschaft“ wurde kritisiert. Zwar mussten Ausländer nicht Mitglied der RSK sein, allerdings wurde es ihnen dringend

23 nahegelegt, was der österreichische Verein der Buch-, Kunst- und Musikalienhändler kritisierte und die Empfehlung abgab, dass kein Anlass für einen Beitritt bestünde. (vgl. ibid.:130ff) Gleichzeitig waren im österreichischen Ständestaat „staatsfeindliche Druckwerke“ verboten, also sämtliche reichsdeutsche Zeitungen und jegliche Propagandaliteratur der verbotenen Parteien NSDAP, KPÖ und SPÖ. (ibid.:112) Schon vor dem Anschluss 1938 wurde durch konkrete Maßnahmen, der „kulturelle Anschluss“ an das Deutsche Reich vollzogen; so wurden ab 1935 reichsdeutsche Bücher um 25% verbilligt auf den österreichischen Markt geworfen. Dieser unter dem Begriff „Buchdumping“ „Nationalsozialismus zu ermäßigten Preisen“ („Der Österreicher“, 11.10.1935, zit.n. Hall 1985b:152) hatte finanz- und wirtschaftspolitische Gründe, zum anderen aber sollte damit eindeutig Werbung in deutscher Sache gemacht werden: „Deutsches Buch als Werbemittel deutscher Weltanschauung“. (ibid.:146f) Obwohl die so genannte „Buchexportförderung“ bei den Vertretern des österreichischen Buchhandels von Anfang an auf Ablehnung gestoßen war, und sie dies auch entsprechend zum Ausdruck brachten, musste sie hingenommen werden – dieses Vorgehen „war dem späteren ultimativen Umgang Hitlers mit Schuschnigg nicht unähnlich“. (ibid.:144) 1937 wurde der „Ausschuss für kulturelle Angelegenheiten zwischen Deutschland und Österreich“ ins Leben gerufen, der dazu beitragen sollte, die normalen freundschaftlichen Beziehungen zwischen den beiden Staaten wiederherzustellen. Nach und nach wurden deshalb die Verbotslisten gelockert; 1937 wurde Hitlers „Mein Kampf“ in Österreich zugelassen. Österreichische Verlage wurden nach und nach von der reichsdeutschen nationalsozialistischen Propaganda infiltriert indem Reichsdeutsche mit nationalsozialistischer Gesinnung als Emissäre in österreichische Verlage eingeschleust wurden. (vgl. ibid.:249ff) Murray Hall fasst in seiner „Österreichischen Verlagsgeschichte“ die Taktik der Deutschen und die Situation der damaligen Zeit treffend zusammen:

Wiewohl „Buchfragen“ unser Hauptinteresse darstellen, darf keineswegs unerwähnt bleiben, daß diese Frage im Rahmen der „Normalisierung“ – man ist versucht zu sagen „Nazifizierung“ – der kulturellen Beziehungen zwischen Österreich und Deutschland eigentlich nur eine unter vielen war. Es darf aber gleichzeitig nicht der falsche Eindruck entstehen, daß Österreich, was das völkische Gedankengut und die nationale Bewegung betrifft, […] eine „tabula rasa“ war. Der Nährboden für den Nationalsozialismus in Österreich war schon seit dem 19. Jahrhundert bereit gewesen. (1985b:264)

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Viele Maßnahmen wurden also schon vor dem Anschluss 1938 getroffen; es handelte sich vielfach um langsam vonstatten gehende Prozesse im österreichischen Verlagswesen, nicht um gänzlich neue und plötzliche Ereignisse im Jahr 1938.

3.2.3 Verlage und verlagspolitische Situation in der Ostmark

Nach dem Anschluss im März 1938 kam es mit unglaublicher Geschwindigkeit zu großen Veränderungen im österreichischen Buchhandel und Verlagswesen. Alles stand unter dem Zeichen der Arisierung und Entjudung. In der allerersten Phase nach dem Anschluss wüteten „wilde Kommissare“, die sich zwecks Arisierung von Handel und Gewerbe Firmen untern den Nagel rissen; allein in Wien wird ihre Zahl auf 20.000 bis 30.000 geschätzt. In den meisten Fällen gelangten Firmen in diesen Raubzügen in die Hände völlig ungeeigneter und unfähiger Personen. (vgl. Hall 1985b:353f) Diesem wilden Rundumschlag wurde aber in kurzer Zeit ein Riegel vorgeschoben und „ordnungsgemäße Kommissare“ wurden eingesetzt, die „für die sachgemäße Verwaltung und Überführung des jüdischen Vermögens im Sinne des Auftrags Görings“ zuständig waren. Durch eine Verordnung vom April 1938 mussten Juden ihr gesamtes in- und ausländisches Vermögen bekannt geben. Dieser so geschaffene Überblick stellte infolge die Grundlage für die Arisierungen dar. (ibid.:355ff) Mit horrender Geschwindigkeit wurden alle öffentlichen Institutionen und ebenso alle Verlage braun eingefärbt, entsandt wurden die meisten Kommissare vom Landeskulturleiter der NSDAP Österreich Hermann Stuppäck. Vor allem solange die reichsdeutsche Kammergesetzgebung noch nicht in Kraft war, kam es nicht auf Befähigung an – die Verlagskommissare kamen aus völlig anderen Branchen – wichtig war lediglich, dass es sich dabei um verdiente Parteigenossen (aus der illegalen Zeit) handelte. Der Druck, die nationale, völkische Gesinnung zum Ausdruck zu bringen, lastete auch auf arischen Verlagen, was aus vielen Annoncen und Werbeschaltungen dieser Zeit ersichtlich wird. Viele österreichische Verleger kamen dieser „moralischen Verpflichtung“ auch mit Freuden nach, wie etwa Franz Deuticke, Leopold Stocker, Emmerich Morawa u. a. (ibid.:358ff) Außerdem wurde das „Schrifttum gesäubert“, mehr als zwei Millionen Bände wurden konfisziert und aussortiert. Weiters wurden neben den Kommissaren auch sogenannte Vertrauensmänner für jedes Bundesland eingesetzt, bzw. in Wien pro Bezirk gleich mehrere. Zu ihren Aufgaben zählte es, die arischen und jüdischen Firmen zu erfassen. (ibid.:372ff)

25 Ebenso wurde eine aus Austronazis und Antisemiten gebildete Organisation, die „Arbeitsgemeinschaft der Wiener NS-Buchhändler“ gegründet. Eine entscheidende Rolle in dieser Organisation kam dem Nationalsozialisten Adolf Luser, dem Gründer des gleichnamigen Verlages, zu. (ibid.:383) Allerdings wurden österreichische Verlage und Buchhandlungen durch die Annexion vor enorme wirtschaftliche Schwierigkeiten gestellt – zwar gab man immer gerne „dem Juden“ die schuld für alles Mögliche – doch paradoxerweise schädigte der Anschluss gerade die völkisch eingestellten Verlage. So wie ab 1935 das reichsdeutsche Buchdumping die treudeutschen Verlage schädigte, war nun durch den Anschluss der geänderte Wechselkurs zwischen Schilling und Reichsmark und die Bindung an den deutschen Markt schuld, dass österreichische Verlage ihre österreichischen Bücher viel billiger als zuvor verkaufen mussten. Außerdem bekamen jene Verlage, die national-völkische Literatur verlegten, massenhaft Konkurrenz aus dem Deutschen Reich. (ibid.:376ff) Mit Hilfe aus dem Altreich brauchten die österreichischen Verlage aber nicht rechnen, ganz im Gegenteil, es wurde propagiert, dass der Buchhandel ohnehin vollkommen überbesetzt sei, ein „Gesundschrumpfen“ seit Beginn der Ersten Republik nie stattgefunden habe und dies nun eben v. a. durch die Liquidierung der jüdischen Verlage geschehen solle, woran das gesamtdeutsche Buch- und Verlagswesen „gesunden“ sollte. (ibid.:386ff) Allerdings musste auch im Deutschen Reich alles seine Ordnung haben und man war bemüht, den Arisierungen eine rechtliche Grundlage zu geben: so konnte viel Zeit vergehen, bis die RSK geklärt hatte, ob der Interessent auch einwandfreier deutscher Abstammung und fachlich geeignet war; „die Nazi-Bürokratie war der Hemmschuh für eine rasche ‚Entjudung’“. (ibid.:398) Abschließend soll betont werden, dass die großen Gewinner Reichsdeutsche waren, die von den Arisierungen in Österreich am meisten profitiert hatten. Auch soll darauf aufmerksam gemacht werden, dass die Geschichte nicht 1945 aufhörte; nahezu vollständig erstanden die völkischen Verlage, die „Brutstätten der nationalsozialistischen Belletristik in Österreich“ nach 1945 wieder. (ibid.:426)

26 3.3 Der Adolf Luser Verlag

Nach 1933 war die Mehrzahl der Verlage in Österreich „völkisch-national“ ausgerichtet, allerdings war bei keinem das Nahverhältnis zur nationalsozialistischen Bewegung so offensichtlich wie beim Adolf Luser Verlag. Anhand der Materiallage und der Veröffentlichungen dieses Verlages kann man sich ein recht gutes Bild von der ideologischen Ausrichtung machen. (vgl. Hall 1985b:260) Dieser Verlag entstand im rechtsnationalen Umfeld des 1880 gegründeten „Deutschen Schulvereins Wien bzw. Südmark“, der „südostdeutsche Dichter der Gegenwart“ vertrieb und publizierte und setzte es sich zum Ziel, das Wohlergehen des „deutschen Volkes im In- und Ausland“ zu fördern. Gesellschafter und Geschäftsführer war der Sudetendeutsche Adolf Luser. Seine Konzession erhielt der „Deutsche Schulverein und Gesellschaft“ 1922 in Wien unter dem Firmennamen „Eckart Verlag und Eckart-Buchhandlung“. 1925 ließ Luser seine Firma inkorporieren, der deutsche Schulverein legte seine Konzession zu Gunsten Lusers zurück. Außerdem übernahm Luser die Druckerei Werther, Schuster & Co A.G. Am 22. Juni 1926 wurde also Lusers Verlag und Buchhandlung ins Wiener Handelsregister eingetragen. (vgl. ibid.:260f) Schon die neubestellten Vorstandsmitglieder ließen auf die ideologische Ausrichtung des Verlages schließen: Neben Luser selbst der völkische Schriftsteller Dr. Erich August Mayer oder etwa Dr. Alexander Schilling, der eine Geschichte der nationalsozialistischen Bewegung in Österreich verfasst hatte. Später kamen auch noch die nationalen Schriftsteller Karl Maria Grimme und Erwin Stranik hinzu. (vgl. ibid.) 1933 kam es zu einer Unmenge von Zeitungsgründungen nationalsozialistischer Ausrichtung; viele mussten jedoch aus finanziellen oder politischen Gründen ihr Erscheinen bald wieder einstellen. 1933 erschien erstmals „der Adler“ beim Adolf Luser Verlag. Nach eigener Definition des Verlages, soll der „Adler“ dem Wunsch der treuen Leserschaft des „Getreuen Eckart“ nachkommen, und eine „Tageszeitung herausgeben, die zu allen bedeutsamen Fragen rasch, aber trotzdem ernst und verantwortungsvoll Stellung nehmen soll“, um den Leser „den schwierigen Weg durch die Wirrnis unserer Tage zu erleichtern“. Nach nur 19 Folgen wurde diese Luser-Zeitung, die sich als „allgemeinnational und nicht nationalsozialistisch“ verstand, am 26. Juli desselben Jahres wieder eingestellt. (ibid.:261) Kurz darauf versuchte Luser erneut sein Glück als Zeitungsherausgeber; dieses Mal hieß das Tagblatt „Ostmark. Unabhängiges Tagblatt für Politik und Kultur“. Die erste Ausgabe erschien am 1. September 1933 und noch im selben Monat musste die Produktion

27 aufgrund der Nähe zur illegalen NS-Bewegung wieder eingestellt werden. Geboten wurde dem Leser „literarische Kost von ‚nationalen’ Autoren“; der Name der Zeitung war gleichzeitig Programm, als Bekenntnis zum größeren deutschen Vaterland. Die Ostmark verlangte außerdem:

[…] unerbittlichen Kampf gegen die beiden inneren Erbfeinde des deutschen Volkes, des positiven Christentums und der arischen Kultur überhaupt, verlangen Kampf gegen den zersetzenden Marxismus und das parasitäre Judentum […] (zit. n. Hall 1985b:263)

Zwei Jahre später versuchte Luser wiederum sein Glück am Zeitungsmarkt: im November 1935 erschien „Lebendige Dichtung. Österreichische Monatshefte für Deutsches Schrifttum“. Aber auch diese Zeitschrift wurde schon ein Jahr später wieder eingestellt. 1937 ergab sich die nächste wesentliche Änderung für den Verlag: der Name der Firma wurde offiziell in Adolf Luser Verlag umgeändert und auch Änderungen der Besitzverhältnisse dürften schon damals im Gange gewesen sein, obwohl sich erst ein Jahr später durch den Anschluss Einiges im Verlag änderte. (vgl. ibid.:264) Unmittelbar nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich bekam der Adolf Luser Verlag einen neuen Besitzer. Wahrscheinlich ist, dass der Verlag in finanziellen Schwierigkeiten steckte und die neuen Führungskräfte nicht nach Eignung ausgesucht wurden, sondern danach, ob sie „verdiente Parteigenossen“ waren. Der bisherige Inhaber Adolf Luser wurde aus dem Handelsregister gestrichen und als neuer Besitzer wurde Karl Konrad Bauer eingetragen. Bauer, zum Zeitpunkt des Verkaufs erst 28-jährig, hatte sich für die nationalsozialistische Sache in Österreich „verdient“ gemacht, war seit 1924 im Deutschen Turnerbund und im Deutschen Schulverein Südmark tätig und seit 1937 verantwortlicher Schriftleiter des Wochenblattes des Deutschen Turnerbundes „Der Turner“ gewesen. Es drängt sich hier die Vermutung auf, dass der unerfahrene, junge Bauer nur als Strohmann für den Gauleiter Globocnik fungierte. (vgl. ibid.:264f) Zweifelsohne bestand der Plan, die nationalsozialistische Presse zu bündeln und die Kräfte zu konzentrieren, und dies sollte im Adolf Luser Verlag geschehen; der Gauleiter von Wien, Odilo Globocnik, soll den Plan verfolgt haben, sich unter Beteiligung der Deutschen Arbeitsfront DAF ein eigenes kleines Presseimperium zu schaffen. (vgl. ibid.:265f) Diese Konzentration der NS-Presse gelang teilweise, weil der Adolf Luser Verlag weitere Zeitschriften übernahm: „Volkstum im Südosten“, „Der Turner“ und die „Rundpost“ (die sich zeitweise „deutsches Gemeinschaftsblatt“ nannte). Die „Rundpost“ richtete sich anfänglich an ein junges deutschbewußtes Publikum in Österreich und war „national,

28 antisemitisch, arisch, antidemokratisch eingestellt“. Zu den Leitern zählten Alexander Witeschnik und das eingeschriebene Parteimitglied Ernst Schlögl. Beide zogen nach dem Anschluss in den Verlag ein und Witeschnik, der neben Mayer als die „Seele“ des Verlages galt, war noch bis in die 1960er Jahre publizistisch tätig. Literarisch tat sich besonders Friedrich Sacher hervor, der ob des Anschlusses meinte: „Endlich wieder deutsch und wahr!“. (ibid.:272)

Einige Publikationen neben den Zeitschriften seien an dieser Stelle genannt, um die programmatische Richtung des Adolf Luser Verlags zu verdeutlichen, der sich selbst als Vermittler deutsch-völkischen Gedankenguts verstand: So erschien 1926 „Der deutschösterreichische Mensch und der Anschluß“ von Friedrich F.G. Kleinwaechter. 1933 wurde eine bemerkenswerte Anthologie mit dem Titel „Dichterbuch. Deutscher Glaube, deutsches Sehnen und deutsches Fühlen in Österreich“ veröffentlicht. Es folgten noch zahlreiche „Kulturbücher, die für das Verständnis der Vorgänge im deutschen Südosten unbedingt notwendig sind“, wie Hall die damalige Verlagswerbung zitierte, wie etwa „Österreichs Deutsche Leistung. Eine Kulturgeschichte des südostdeutschen Lebensraumes“ oder „Deutsche Dichtung in Österreich“. Der Großteil dieser Literatur erschien erst nach dem Anschluss, mit der erfolgreichen, sogenannten „Reihe Süd-Ost“ allerdings hatte man schon früher begonnen. (ibid.:274f) Die ideologische Ausrichtung des Verlages ist wohl offensichtlich, ebenso wird an dieser Stelle deutlich, wie häufig der Begriff der „Südostdeutschen“ und des „südostdeutschen Kulturraumes“ verwendet wurde.

Die Gewerkschaftsorganisation des Dritten Reiches, die DAF, war am Verlag beteiligt bzw. mehr als nur beteiligt, das Nahverhältnis war offensichtlich, finanziell sowie auch in der Personalpolitik. So wurde im Frühjahr 1941 der erst 31-jährige Ernst Sopper zum Geschäftsführer gemacht. Bislang war der verdiente Parteigenosse Sopper Leiter der Zweigstelle Wien des Verlages der DAF und gleichzeitig der Zweigstelle Ostmark der Büchergilde Gutenberg gewesen, war aber weder gelernter Buchhändler noch Buchdrucker. Ihm und Bauer ist gemein, dass sie eine „Karriere sowohl hinter als auch vor sich“ hatten. (ibid.:266f) Kurz nach dem Eintritt Soppers in den Verlag kam es erneut zu Änderungen der Besitzverhältnisse, und zwar gab die DAF den Verlag im März 1941 wieder in Privatbesitz zurück. Bauer und Sopper kauften den Verlag mit der angeschlossenen Druckerei Werther,

29 Schuster & Co., der von nun an den Titel „WIENER VERAGSGESELLSCHAFT m. b. H. führte. (ibid.:267) Der Adolf Luser Verlag bzw. die WIENER VERLAGSGESELLSCHAFT genossen nach Ausbruch des Weltkrieges eine Sonderstellung; 1939 wurde die Firma zum kriegswirtschaftlich wichtigen Betrieb („W-Betrieb“) erklärt und war deshalb bei Materiallieferungen bevorzug zu behandeln. Obwohl dieser Status noch im selben Jahr wieder verloren ging, wurde der Verlag von der Reichsschrifttumskammer Wien (RSK) protegiert, die auf die Wichtigkeit des Verlages für die politische Arbeit im Südosten hinwies. (ibid.) Nach Kriegsende kam die Wiener Verlagsgesellschaft unter öffentliche Verwaltung und Ernst Sopper in Haft. Er wurde, laut Angabe seiner Frau, von „den Organen einer Besatzungsmacht verhaftet“ und vier Jahre später war sein Aufenthaltsort immer noch unbekannt. In Abwesenheit wurde er als schwer belasteter Illegaler der NSDAP verurteilt. Was aus Bauer wurde, der einrücken musste, konnte Hall bei seinen umfangreichen Recherchen in Archiven nicht ermitteln. 1949 kam der ehemalige Luser Verlag an die Druck- und Verlagsanstalt „Vorwärts“ A.G. Seit 1970 fungiert der C.Bertelsmann Verlag für Österreich als Gesellschafter. Der Namensgeber und Verlagsgründer Adolf Luser starb krankheitsbedingt bereits 1942 nur 56-jährig. (ibid.:268)

3.3.1 „Der Getreue Eckart “

Die wohl bekannteste Publikationsreihe des Adolf Luser Verlags war sicherlich „Der Getreue Eckart. Die Monatsschrift der Ostmark“. Verantwortlich für die Gestaltung und Herausgabe waren Luser und Erich August Mayer. Die Zeitschrift, die „auf populäre Art und Weise das deutsch-völkische Gedankengut in Österreich“ verbreitete, erschien genau 20 Jahre lang, zwischen 1923 und 1943. Da „Der getreue Eckart“ nicht vorwiegend politisch war, wurde seine Auflage rasch auf 40.000 Exemplare im Jahr 1927 ausgebaut. Die Wirtschaftlage brachte die Reihe aber auch in Bedrängnis, die Auflagenzahl verminderte sich nach dem Anschluss auf 3000 und stabilisierte sich später bis 1941 wieder auf 8000. (vgl. Hall 1985b:269ff) Nach dem Anschluss verkaufte Luser den Verlag und trat auch als Herausgeber des „Getreuen Eckart“ zurück; seiner eigenen Definition zufolge, legte er sein Amt in jüngere, bewährte Hände, da sein Ziel, Österreich in einem Großdeutschland zu sehen, erreicht war. Bestimmende Kräfte im Verlag waren nicht nur der neue, junge Inhaber Bauer, sondern auch ranghohe Vertreter der Politik: Odilo Globocnik (der Gauleiter von Wien), Hubert Klausner

30 (der Gauleiter von Kärnten und Stellvertreter des Reichskommissars Josef Bürckel) und Friedrich Rainer (der Gauleiter von Salzburg und Kärnten). Sie schrieben hochoffizielle Begleitbriefe und hatten im Hintergrund ihre Finger mit im Spiel. Der verlängerte Arm Globocniks und neuer Herausgeber war Bruno Brehm. (ibid.:271) Die ideologische Ausrichtung des „Getreuen Eckart“ verrät auch viel über die Ideologie des Verlages selbst. Hall zitiert dazu das Verlagsverzeichnis aus dem Jahr 1938:

Der ‚getreue Eckart’ ist die ideale unterhaltende, kulturpolitische Monatsschrift, die allen Ansprüchen, auch denen der Verwöhntesten unter uns genügt; er ist der lebendige Spiegel des Geistesschaffens des deutschen Alpenvolkes, des Sudetendeutschtums und der anderen deutschen Volksgruppen im Südostraum. (zit. n. Hall 1985b:271)

Im „Getreuen Eckart“ wurden auch alle untersuchten Paratexte, außer dem Nachwort, zu der Anthologie „Slowenische Novellen“ gefunden; verständlicherweise hat der Verlag in seiner auflagenstarken Zeitschrift seine Publikationen angepriesen (mehr dazu in Kapitel 4.2), und zwar im „Literatur-Beiblatt des Getreuen Eckart Lebendiges Wort “.

3.4 Die politische Situation im slowenischen Raum zwischen 1918 und 1945

In aller Kürze soll in diesem Punkt der große geschichtliche Kontext, in den unsere Übersetzung und die Veröffentlichung der Novellensammlung fallen, und die der Übersetzer Stanislaus Hafner vor Ort miterlebte, dargestellt werden. Ein Jahr bevor das Deutsche Reich in einem Blitzkrieg Jugoslawien überfiel und es auch in kürzester Zeit unter seine Herrschaft brachte, erschien 1940 unser Band „Slowenische Novellen“ und im selben Jahr auch noch Band 2 der Reihe „Jugoslawische Novellen“, „Kroatische und Bosnische Novellen“. Die Reihe sollte dreibändig werden, allerdings kam es durch das Weltgeschehen, den Krieg und letztendlich den Zusammenbruch der Naziherrschaft nicht mehr dazu.

3.4.1 Ausgangslage: Der slowenische Raum vor dem Blitzkrieg

Nach dem Zerfall der österreichisch-ungarischen Monarchie entstand 1918 aus den ehemaligen österreichischen Ländern Slowenien, Dalmatien, Kroatien, Slawonien, Vojvodina und Bosnien-Herzegowina und den unabhängigen Königreichen Serbien und Montenegro ein

31 gebildeter Einheitsstaat: Der SHS-Staat, das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen unter der serbischen Dynastie Kara đor đevi ć. (vgl. Ristovi ć 1997:536) Der Wegfall großer Gebiete mit slowenischer Bevölkerung im Norden an Österreich und im Westen an Italien wurde als niederschmetternde Niederlage erlebt. Auch die günstige Grenzziehung in der Steiermark und die Eingliederung der Übermur-Slowenen konnten über diesen großen Verlust von Südkärnten und dem Gebiet von Triest nicht hinwegtrösten. Als die Vereinigung der Serben, Kroaten und Slowenen in einem Königreich ausgerufen wurde, gab es wenig Euphorie; es herrschte die Meinung vor, dass es aufgrund der Probleme mit der Genzziehung mit Österreich und Italien keine andere Wahl gegeben hätte. (vgl. Štih/Simoniti/Vodopivec 2008:314ff) Durch die neue Grenzziehung und den Zerfall der Habsburgermonarchie hatten sich auch die wirtschaftlichen und kulturellen Verhältnisse entscheidend geändert. Jahrhundertealte Handels- und Verkehrsrouten, traditionelle Anbindungen z.B. an Graz, Klagenfurt und Wien, im Küstengebiet an Triest, wurden zerstört und es entstand nun eine neue Handels- und Reiseachse Ljubljana – Zagreb – Belgrad. Die slowenischen Gebiete, die in der Monarchie zu den eher schlecht entwickelten zählten, wurden nun im neuen Staatengebilde zum Wirtschaftsmotor. Im Vergleich zu den restlichen jugoslawischen Gebieten waren die slowenischen Gebiete in punkto Infrastruktur, Wirtschaft (v. a. die Textilindustrie), Straßen- und Eisenbahnnetz, Post, Telegraphie, Telefon etc. besser entwickelt. Auch die Alphabetisierungsrate war mit 90% wesentlich höher als im restlichen Jugoslawien (40%). (vgl. ibid.:321ff/ 333) 1931 lebten immer noch 80% der Slowenen am Land, wo eine eindeutige Übervölkerung herrschte, die zusammen mit den schwierigen sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen auch zu recht beachtlichen Auswanderungswellen führte. (vgl. ibid.:325) Diese neue Situation begünstigte die slowenische Industrie, brachte aber die Bauern in eine äußerst schwierige Lage, da sie mit der billigen Konkurrenz aus dem Süden nicht mithalten konnten. Dennoch war der Unterschied im Sozialprodukt zwischen Slowenien und dem restlichen Jugoslawien beträchtlich (4000 Dinar im Vergleich zu 2800 Dinar), womit Slowenien überproportional zum gemeinsamen Haushalt beisteuerte, was Anton Korošec mit dem bereits berühmt gewordenen Ausruf zusammengefasst haben soll: „Heute ist es so, dass die Serben regieren, die Kroaten debattieren und die Slowenen zahlen!“ (vgl. ibid.) Erster König des neuen Königreiches war Peter Kara đor đevi ć, ab 1921 regierte Aleksandar I.; in der Verfassung des Jahres 1921 war auch der serbische Führungsanspruch festgehalten. Von Anfang an war dieses Staatsgebilde von starken nationalen Spannungen vor

32 allem zwischen den Kroaten und Serben gekennzeichnet, die Aleksandar I. 1929 dazu veranlassten, das Parlament aufzulösen und mithilfe des Militärs eine Königsdiktatur zu errichten. Gleichzeitig wurde der Staat auch in das Königreich Jugoslawien („Kraljevina Jugoslavija“) umgetauft. (vgl. Helmerich 2006) 1931 wurde die Diktatur aufgehoben, ein Zweikammernparlament eingerichtet, und Wahlen abgehalten. Nach der Ermordung Aleksandar I. 1934 in Marseille durch kroatische und makedonische Extremisten, wurde der erst elfjährige Petar II. zum König ernannt. Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges war Jugoslawien neutral, bis es 1942 dem Dreimächtepakt beitrat. (vgl. ibid)

3.4.2 Die Zerschlagung Jugoslawiens

1940 schlossen Deutschland, Italien und Japan den Dreimächtepakt bzw. „die Achse“ und versuchten infolge weitere Staaten in dieses Bündnis aufzunehmen. Eine Reihe südosteuropäischer Staaten mit mehr oder minder faschistischen Regierungen, wie etwa die Slowakei, Ungarn, Rumänien und Bulgarien, traten der Achse bei. Auch auf Jugoslawien wurde erheblicher Druck ausgeübt, dem Bündnis beizutreten, woraufhin die jugoslawische Regierung ihren Beitritt erklärte, die aber bald darauf von alliiertenfreundlichen Offizieren weggeputscht wurde. Hitlers Antwort darauf war ein Blitzkrieg: Im April 1941 gelang es der deutschen Wehrmacht innerhalb von eineinhalb Wochen, Jugoslawien zu zerschlagen. (vgl. Bauer: 2008:374f) Das serbische Kernland wurde unter deutsche Militärverwaltung gestellt, in Kroatien und Bosnien entstand eine faschistische Kollaborationsregierung, der „Unabhängige Staat Kroatien“ unter dem Diktator Ante Paveli ć und der Ustaša-Bewegung. (Für Details siehe Karte Jugoslawiens) Das slowenische Gebiet wurde unter Italien, dem Deutschem Reich und Ungarn aufgeteilt. (ibid.:375)

33

Abbildung 7: Das aufgeteilte Jugoslawien nach dem Blitzkrieg 1941 (Puklavec 2003:18)

Abbildung 8: Die Besatzungszonen im slowenischen Raum 1941 (Sluga et al. 1979:741)

34 Der größte Teil des Übermurgebietes / Prekmurje fiel den Ungarn zu und die Italiener besetzten Ljubljana und Umgebung, den überwiegenden Teil der Unterkrain / Dolenjska, und Teile der Innerkrain / Notranjska. (vgl. Vodopivec 2006:265) In der italienischen Besatzungszone bekam die slowenische Bevölkerung flächendeckend die italienische Staatsbürgerschaft zugeteilt; es gab auch keine Aussiedelungspläne und es wurde ein gewisses Maß an Autonomie und Zweisprachigkeit gewährt. Die slowenische gesellschaftliche, wirtschaftliche und kulturelle Infrastruktur wurde beibehalten; so war das Gebiet von Ljubljana 1941 der einzige Teil des slowenischen Territoriums, der sein slowenisches Antlitz und ein öffentliches slowenisches Kulturleben wahren konnte. Die Kultur- und Bildungsinstitutionen durften weiterarbeiten und allgemein hin galt die italienische Besatzung im Vergleich zur deutschen als „das kleinere Übel“, das es eben, vorübergehend, zu ertragen galt. (vgl. ibid:266ff) Die Teile, die unmittelbar an das Deutsche Reich, sprich Österreich, angrenzten und einen großen Anteil deutschsprachiger Bevölkerung aufwiesen, die Untersteiermark / Štajerska und Oberkrain / Gorenjska sowie die slowenische Region Koroška / Kärntnen (Miestal), galten als völkerrechtlich nur besetzt und waren einem Chef der Zivilverwaltung, der regelmäßig zugleich auch Gauleiter im angrenzenden Reichsgebiet war, unterstellt. Der Chef der Zivilverwaltung für die Untersteiermark war Dr. Siegfried Uiberreither, jener für die Oberkrain und Kärnten war der Gauleiter von Salzburg und Kärnten Friedrich Rainer. In diesen Gebieten wurde weitgehend das deutsche Recht und Deutsch als Amtssprache eingeführt; Volksdeutsche bekamen die deutsche Staatszugehörigkeit und waren infolgedessen auch wehrpflichtig. Tatsächlich wurde einfach die gänzliche Einverleibung dieser annektierten Gebiete nach dem Krieg vorbereitet. (vgl. Ritter 1997:91) Zwei Drittel des slowenischen Territoriums fiel also den Deutschen zu, die Untersteiermark wurde dem Gau Steiermark angeschlossen, Oberkrain und das Miestal dem Gau Kärnten. Bereits am 14. April 1941 wurde die jugoslawische Verwaltung abgeschafft und die deutsche eingerichtet. (vgl. Puklavec 2003:7) 1943, nach der Kapitulation Italiens, übernahm das Deutsche Reich dann auch noch Gebiete, die bisher dem faschistischen Italien angeschlossen waren (die Provinzen Laibach, Triest, Görz, Udine, Fiume und Istrien) und errichtete die so genannte Operationszone Adriatisches Küstenland (OAK) . Zunächst war der oberste Befehlshaber der Operationszone der Oberbefehlshaber der Heeresgruppe B Erwin Rommel, parallel wurde aber eine deutsch- italienische Zivilverwaltung unter einem Obersten Kommissar aufgebaut. Dieser Oberste Kommissar der OAK war der Gauleiter von Kärnten Friedrich Rainer. Verwaltet wurden die

35 Provinzialverwaltungen von deutschen „Beratern“, italienischen Präfekten und Beamten des Gaus Kärnten. (vgl. Weiß 1997:351f) Organisationen, die maßgeblich daran beteiligt waren, die slowenischen Gebiete unter großdeutscher Annexion so schnell wie möglich zu germanisieren, waren der Steirische Heimatbund, der Kärntner Volksbund , die Jugendorganisation Deutsche Jugend und das Südostdeutsche Institut . Etwa 20% der slowenischen Bevölkerung wurde während der Kriegsjahre zum Militärdienst oder ähnlichen militärähnlichen Diensten einberufen: zum Reichsarbeitsdienst (RAD) , zur Deutschen Wehrmacht, zu den Wehrmannschaften oder Helferinnenkorps oder zu den neuen militärischen Einheiten zur Grenzsicherung Volkssturm und Heimatflak (vgl. Pukavec 2003:81)

3.4.3 Der rassenideologische Plan für die slowenischen Gebiete

Schon lange bevor der slowenische Raum 1941 vom Deutschen Reich annektiert wurde, gab es bereits Expansionswünsche diese Gebiete betreffend: Die Grenzziehung von St. Germain nach dem 1. Weltkrieg wurde von der deutschsprachigen Bevölkerung Österreichs als ungerecht empfunden. Weiters ist die Annexion der slowenischen Gebiete unter dem Lichte der nationalsozialistischen Rassenideologie und der Idee des Lebensraumes für das deutsche Volk zu sehen (siehe Punkt 3.1.1). (vgl. Promitzer 2004:97) Die slowenischen Gebiete als unmittelbarer Nachbar des Dritten Reiches waren schon früh für eine Annexion vorgesehen gewesen und vor allem die Untersteiermark und Oberkrain wurden als deutscher Kulturraum betrachtet, was von Hitler selbst deutlich formuliert wurde: „Macht mir dieses Land wieder deutsch!“ (vgl. Cajnko 2005:165f) Diese berühmt-berüchtigten Worte sprach Hitler am 26. April 1941 bei seinem Besuch in Maribor aus, wo er von den deutschen Besatzern, den ansässigen Deutschsprachigen und einer nicht kleinen Anzahl von Slowenen – vielfach Bauern und Arbeiter, die sich bessere Arbeits- und Lebensverhältnisse vom deutschen Regime erwarteten – begeistert willkommen geheißen wurde. (vgl. Vodopivec 2006:268) Keineswegs eine Erfindung der Nationalsozialisten, ihnen bei der Eindeutschung jedoch äußerst hilfreich, war die Windischen-Theorie: Demnach lebten in diesen Gebieten nicht nur Slowenen („Nationalslowenen“), sondern auch die sogenannten halbgermanisierten Windischen oder Wenden. An einer wissenschaftlichen Begründung dieser Windischen- Theorie versuchte sich damals für das Südostdeutsche Institut in Graz Dr. Helmut Carstanjen, der nazistische Experte für die Untersteiermark, dessen Theorien und

36 pseudowissenschaftliche Expertisen als wissenschaftliche Grundlage bereitwillig übernommen wurden. (vgl. Cajnko 2005:166)

„Carstanjen ging diesen Argumentationsweg [die Windischentheorie] zu Ende, indem er behauptete, daß es die deutschfreundliche Orientierung der regionalen slowenischsprachigen Bevölkerung erlaube, die Untersteiermark nicht nur wie bisher bereits von deutschnationaler Seite dem deutschen ‚Kulturboden’ zuzurechnen, dieses Gebiet sei vielmehr ‚vom Standpunkt des gesamten Volksbodens als deutsche Grenzmark anzusehen’“ (Promitzer 2004:97)

Die ehemals slowenischen Regionen Untersteiermark und Oberkrain sollten also sukzessive deutsch gemacht werden; dafür zuständig war die SS unter Heinrich Himmler. Wie aus dem „Generalsiedlungsplan“ von 1942 hervorgeht, der Europa neu ordnen sollte, war zum einen eine ausgedehnte Vertreibung der lokalen Bevölkerung vorgesehen; zum anderen wurde mit einer Eindeutschungsquote von 50% gerechnet, wesentlich höher also als z.B. bei den Polen. (vgl. Heinemann 1997:136 und 142) Unmittelbar nach der Annexion der slowenischen Gebiete wurden neue Verordnungen herausgegeben, wesentlich dabei war die Verordnung zum Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft. Volksdeutsche bekamen sofort und uneingeschränkt die deutsche Staatsbürgerschaft, und jene Slowenen, denen „der Status der ‚heimgetreuen Bevölkerung’“ zugestanden wurde, eine mit Widerruf (für zehn Jahre). Damit übernahmen die Betreffenden Rechte und Pflichten von Reichsdeutschen. So wurden sie in die deutsche Wehrmacht eingezogen bzw. zwangsrekrutiert, sowie auch zum Dienst im Reichsarbeitsdienst (RAD) u. ä. gerufen. Damit sollte die Germanisierung beschleunigt werden, aber vor allem das Heer aufgestockt und der Zulauf junger, wehrfähiger Männer zu den Partisanen unterbrochen werden. (vgl. Puklavec 2003:7f und 25) Von allen annektierten und besetzten Gebieten Europas sollte die Germanisierung der slowenischen Gebiete am schnellsten vorangehen: In vier bis fünf Jahren sollten die Slowenen verschwunden sein: Deutsche sollten angesiedelt, Slowenen ausgesiedelt, Unliebsame jeder Art liquidiert und jene Slowenen, denen das Bleiben erlaubt war, rücksichtslos zwangsgermanisiert werden. (vgl. Cajnko 2005:168) Dabei ist wichtig zu verstehen, dass dabei streng nach rassischen Kriterien ausgefiltert wurde: Vom Frühjahr bis Ende des Jahres 1941 residierte in Graz die so genannte Einsatzstelle Südost des Rasse- und Siedlungshauptamtes der SS (RuSHA). In dieser Zeit wurde mehr als eine halbe Million Menschen aus diesen Gebieten untersucht. Das besagte Amt kam zu dem Schluss, „dass die rassische Zusammensetzung der untersteirischen

37 Bevölkerungsmischung eher günstig“ sei. Es gebe sehr viele Mischformen, viele Angehörige der dinarischen Rasse – einer Unterart der arischen Rasse – und nur einen kleinen Anteil gänzlich Unerwünschter. (vgl. Heinemann 1997:142) Konkret wurde also wie folgt „umgesiedelt“: Mehr als 50.000 Menschen wurden vor allem nach Kroatien und Serbien vertrieben, solche die aus politischen oder anderen Gründen unerwünscht waren, aber als rassig hochwertig eingestuft wurden, also als „wiedereindeutschungsfähig“ galten (mehr als 10.000), wurden ins Altreich geschickt. Gleichzeitig wurden auf den Höfen der ausgesiedelten Slowenen Volksdeutsche angesiedelt; von den rassisch gemusterten Slowenen wurden lediglich etwa 16.000 als Volksdeutsche anerkannt. (ibid.:143) Vorgesehen war ein „Austausch“ der Bevölkerung, sprich die Aussiedelung von 220- 260.000 Slowenen und die Ansiedelung von 60-100.000 Deutschen. Die Aussiedelungs- und Vertreibungsaktionen richteten sich auch gezielt gegen die slowenische Intelligenz, besonders gegen Geistliche. (vgl. Vodopivec 2006:265 und 269) Insgesamt konnte der rassenideologische Plan der Nationalsozialisten für die Germanisierung des slowenischen Grenzlandes zum einen kriegsbedingt nicht mehr gänzlich durchgezogen werden; zum anderen auch deshalb, da die sich formierenden Partisanenverbände immer stärkeren Widerstand leisteten. Der Zusammenbruch des Deutschen Reiches verhinderte letztendlich die Durchführung dieses rassenideologischen Plans. (vgl. Heinemann 1997:144)

3.5 Herausgeber und Übersetzer: Franz Hille und Stanislaus Hafner

Ebenso wie es keinerlei Angaben über die Ausgangstexte gibt, so gibt die Novellensammlung auch keine bzw. wenig Auskunft über die Übersetzer. Namentlich werden Dr. Franz Hille und Stanislaus Hafner genannt, ersterer auch als Verfasser des Nachwortes. Wer aber nun welche Geschichte übersetzt hat, zu welchen Teilen die Arbeit aufgeteilt wurde, ob nicht etwa einer alle Novellen übersetzt hat etc. – darüber gibt es keinerlei Angaben. Die Recherche zu den Daten über die zwei Übersetzer gestaltete sich schwierig: Während aber zu Hafner Material gefunden werden konnte und Zeitzeugen Auskunft gegeben haben, ist zu Franz Hille nur wenig zu finden – zumindest biographische Daten konnten nicht eruiert werden, bibliographische allerdings schon. Eine Spur zu Franz Hille ist, das im „Getreuen Eckart“ (XVI. Jahrgang, Band I, Oktober 1938 - März 1939) unter selbigem Namen ein Artikel mit dem Titel „Südslawische

38 Landschaft“ publiziert wurde. Ebenso erscheint er als Übersetzer aus dem (Serbo- )Kroatischen bei Band 2 der Reihe „Jugoslawische Novellen“ „Kroatische und Bosnische Novellen“ (1942) auf, die allerdings schon beim Wiener Verlag (siehe Kapitel 3.3) erschienen sind. Ebenso wird Franz Hille bei folgenden Werken als Übersetzer aufgeführt:

• Budak, Mile (1943): Herdfeuer. Roman (Ognjište. Deutsch). (Berechtigte Übersetzung aus dem Kroatischen von Franz Hille.). Berlin [u.a.]: Bischoff • Ingoli č, Anton (1943): Die Drauflösser (Na splavih. Deutsch). Roman . (Übers. v. Franz Hille u. Stan Hafner.). Wien: Sopper & Bauer 1 • Ivaki ć, Joza (1944): Das kroatische Heim. Aus den Annalen einer Kleinstadt . (Aus d. Kroat. v. Franz Hille.). Wien: Wiener-Verlag • Kolar, Slavko (1939): Der Herr seines Leibes. Erzählungen. („Svoga tijela gospodar“ übers. v. Franz Hille) in der Reihe Süd-Ost. Wien: Luser (vgl. KVB)

Offensichtlich haben die beiden Übersetzer also öfter als einmal zusammengearbeitet. Ebenso auffällig ist, dass Franz Hille zumindest ein professionelles Nahverhältnis zum Adolf Luser Verlag gehabt haben muss, da er mehrfach für diesen Verlag übersetzte bzw. publizierte, so im einschlägig bekannten „Getreuen Eckart“ und in der Reihe Süd-Ost, in Zeiten als der Verlag noch Adolf Luser Verlag hieß und ebenso später unter dem Namen Wiener Verlag. Interessant ist, dass wir hier erneut auf aus Kapitel 3.3 wohlbekannte Namen stoßen: Bauer und Sopper. Sehr wahrscheinlich scheint also, dass Franz Hille, damals schon etabliert und mit Kontakten zum Verlag, die Schirmherrschaft übernommen hatte, dem Projekt seinen „Namen“ lieh, das Nachwort verfasste, allerdings die Übersetzungsarbeit mehrheitlich seinem jungen – damals kaum 24-jährigen – Kollegen Hafner überlies. Möglich könnte auch eine Arbeitsteilung in Vor- und Feinarbeit gewesen sein: Der slowenischkundige Hafner lieferte eine Rohversion und Hille verfeinerte sie nur noch. Soweit dies aus den Bibliothekskatalogen ersichtlich ist, übersetzte Franz Hille eigentlich aus dem Serbokroatischen und könnte sich aus dem Slowenischen mit seinem jungen muttersprachlichen Kollegen Stanislaus Hafner beholfen haben. Die Vermutung, dass Franz Hille des Slowenischen nicht wirklich mächtig war, ist zulässig – zumindest deuten keine Indizien aus seinem übersetzerischen Leben darauf hin, da alle sonstigen publizierten Übersetzungen von Franz Hille aus dem Serbokroatischen

1 Nach eigenen Aussagen hat Stanislaus Hafner allein, ohne Franz Hille „Die Drauflösser“ übersetzt. (vgl. Prun č 2009) 39 gemacht wurden. Lediglich die „Slowenischen Novellen und der Ingoli č-Roman „Na splavih“ wurden – gemeinsam mit Stanislaus Hafner – aus dem Slowenischen übersetzt. Eine interessante Frage, die wohl ungeklärt bleiben wird, ist auch, wie es mit Franz Hille nach Ende des Zweiten Weltkrieges und der Naziherrschaft weiterging – ob er sie überhaupt überlebte – da alle seine publizierten Übersetzungen aus dieser Zeit stammen: Es gibt keinerlei spätere Angaben mehr über sein (berufliches) Leben.

Etwas mehr ist über Stanislaus Hafner bekannt: Geboren am 13.12.1916 in St.Veit an der Glan und gestorben am 9.12.2006 hat er es zu einer beachtlichen universitären und wissenschaftlichen Karriere gebracht. So war er Mitglied der Österreichischen, ebenso wie der Serbischen und der Slowenischen Akademie der Wissenschaften und Träger zahlreicher Orden und Preise (vgl. Partezettel): Darunter erhielt er 1994 den Wilhelm-Hartel-Preis, der „für hervorragende wissenschaftliche Leistungen“ vergeben wird (vgl. ÖAW), Das Große Goldene Ehrenzeichen des Landes Steiermark, Den Orden des Hl. Sava 2. Klasse der serbisch orthodoxen Kirche und das Ehrenzeichen der Freiheit der Republik Slowenien ( Častni znak svobode Republike Slovenije) (vgl. Partezettel). Hafner war Sprachwissenschaftler, Literaturhistoriker, Übersetzer, Professor der Slawistik, beschäftigte sich mit den slowenischen Dialekten im österreichischen Kärnten, mit dem Serbischen und mittelalterlicher Literatur und publizierte etliche wissenschaftliche Artikel zu zahlreichen slawistischen Themen. (vgl. Bajt 1999:163) Auch Hafner publizierte zwei Artikel im „Getreuen Eckart“ (17/10, 1940, S. 105-106) über „Slowenisches Schrifttum“ und „Das muslimanische Sarajewo“. Der zweiteilige Artikel über das „Slowenische Schrifttum“ ist ein Paratext zu unserer Novellensammlung; mehr dazu ist unter 4. 2 zu finden. 1942 dissertierte er in Graz „Zur Frage der Beziehungen zwischen Kunst- und Volksdichtung in der Geschichte des serbokroatischen Volksliedes“. Die letzte Publikation für längere Zeit war 1943 die gemeinsame Übersetzung von „Na splavih“ von Anton Ingoli č. Erst 1951 tritt er wieder beruflich in Erscheinung. (vgl. Medakovi ć/Jaksche/Prun č 1986:1f) Sehr wahrscheinlich ist, dass die Geschichte und die politische Situation hier diese Lücke in der Biographie Stanislaus Hafners erklärt: Gut möglich, dass er eingezogen, an die Front geschickt wurde, in Kriegsgefangenschaft geriet etc. oder der Zweite Weltkrieg sonstige, unmittelbare Folgen für sein Leben hatte.

40 Eine ausführliche Bibliographie Stanislaus Hafners – eine kurze Aufzählung an dieser Stelle würde seinem slawistischen Lebenswerk ohnehin nicht gerecht werden – ist in PONTES SLAVICI – Festschrift für Stanislaus Hafner zum 70. Geburtstag nachzulesen.

4 Übersetzungsanalyse

Im folgenden Teil dieser Arbeit sollen nun die vorliegenden Übersetzungen und die Originaltexte einer Übersetzungsanalyse unterzogen werden. Dabei wird zuerst noch in Punkt 5.1 eine theoretische Vorarbeit zur ideologisch aufgeladenen Sprache der Nationalsozialisten geleistet, um dann in der darauf folgenden Makroanalyse zu sehen, ob und wenn ja, wie solche Einflüsse in der Übersetzung dieser Novellen zum Tragen gekommen sind. Zur Auswahl der Texte hat der Übersetzer leider keinerlei Angaben gemacht, ebenso fehlt die Quellenangabe, woher die Ausgangstexte genommen wurden. Nun gab es bei den meisten Geschichten mehrere Nachdrucke und zeitlich auch mehrere verschiedene Möglichkeiten, welche Ausgabe er als Vorlage verwendet haben könnte. Persönlich befragt kann der Übersetzer auch nicht mehr werden. Detaillierte Angaben zu den Novellen und ihren Publikationsgeschichten sind in den einzelnen Unterpunkten zu finden; auch habe ich jeweils die verschiedenen Ausgaben gesichtet – die meisten Erstabdrucke wurden in Zeitschriften veröffentlicht – und wenn es bemerkenswerte Unterschiede zwischen Erstdruck und der wahrscheinlich verwendeten Vorlage gibt, so wird auch dies erörtert. Die Analyse wird die Ausgangs- und Zieltexte ausführlich auf ihrer Makroebene untersuchen; dabei sollen Auslassungen und Hinzufügungen beleuchtet werden. Auf der Mikroebene wird das Augenmerk auf etwaiger LTI in den Übersetzungen, auf allfällige andere übersetzerische Besonderheiten, Problemstellen oder ungewöhnliche Lösungen und vor allem auf „Shifts“, Verschiebungen in der Konnotation und der Bedeutung gelegt. Besonders soll dabei untersucht werden, ob systematische, also sich wiederholende Verschiebungen und Veränderungen vorgenommen wurden. Dabei werden die von Anton Popovi č etablierten Begriffe Logisierung, Rationalisierung, Vereindeutigung und Standardisierung des Ausdrucks – allesamt Shift -Verfahren auf mikrostruktureller Ebene – vorkommen. Auf die Ergebnisse wird dann in Punkt 6 „Conclusio“ eingegangen und die gefundenen Auffälligkeiten werden interpretiert und analysiert zusammengefasst.

41 Verwendete Abkürzungen im Fließtext: AT – Ausgangstext, die jeweilige Novelle im slowenischen Original ZT – Zieltext, die jeweilige deutsche Übersetzung Abs.– Absatz Die Hervorhebungen, Fettdruck, Kursivsetzung u. ä. in den Textbeispielen wurden, wenn nicht anders angeführt, von mir hinzugefügt, um die besagt Textstelle zu verdeutlichen.

4.1 LTI – Lingua Tertii Imperii – Die Sprache des Dritten Reiches

[…] Sprache dichtet und denkt nicht nur für mich, sie lenkt auch mein Gefühl, sie steuert mein ganzes seelisches Wesen, je selbstverständlicher, je unbewußter ich mich ihr überlasse. Und wenn nun die gebildete Sprache aus giftigen Elementen gebildet oder zur Trägerin von Giftstoffen gemacht worden ist? Worte können sein wie winzige Arsendosen: sie werden unbemerkt verschluckt, sie scheinen keine Wirkung zu tun, und nach einiger Zeit ist die Giftwirkung doch da. (Klemperer: 1957/2007:26)

In den zwölf Jahren der NS-Herrschaft durchdrangen nationalsozialistischer Sprachgebrauch und Propaganda so ziemlich alle Lebensbereiche der Menschen im Dritten Reich. Die Medien verbreiteten die Ideologie und Propaganda, und öffentlichen Reden von Politikern und Parteifunktionären wurde große Bedeutung beigemessen. Aber auch der Alltag war geprägt „von dem Willen der Nazis, das Denken, Sprechen und Handeln aller Deutschen zu beherrschen“. (vgl. Kinne/Schwitalla 2008:1) Sprache transportiert und offenbart, was wir denken, der unbewusste Sprachgebrauch oft noch viel mehr als der bewusste Einsatz. Der jüdische Philologe Victor Klemperer, der die Naziherrschaft in Deutschland überlebt und mit seinem Werk „LTI“ den Klassiker zu diesem Thema verfasst hat, meinte treffend: „[…] die Aussagen eines Menschen mögen verlogen sein – im Stil seiner Sprache liegt sein Wesen hüllenlos offen“. (1957/2007:20) Die Sprache der Nationalsozialisten war durchdrungen von ihrer Ideologie, einer Einteilung der Welt in Gut und Böse. Wer nicht zu den guten Deutschen, den „Volksgenossen“ zählte, wurde als „Volksfeind“, „Parasit“ und Ähnliches ausgegrenzt. Dem zugrunde lag die „Wahnvorstellung, dass die angeblich biologische Einheitlichkeit der Deutschen (ihr Blut), ihr Land (ihr Boden) und ihr materieller Besitz von fremden, habgierigen Mächten bedroht waren“. Die sprachliche Ausgrenzung und Stigmatisierung bereitete schließlich auch entscheidend die Vernichtung von Andersdenkenden und „Gemeinschaftsfremden“ vor. (vgl. Kinne/Schwitalla 2008:1)

42 Nun ist es aber nicht so, dass sich die LTI , die Lingua Tertii Imperii, nur im Wortschatz und bei der Neuschöpfung von Wörtern äußert: Im Gegenteil, sie war sehr wenig selbstschöpferisch tätig, übernahm einfach Vieles aus dem vorhitlerischen Deutschen. Ein wesentliches Merkmal der LTI hingegen formuliert Klemperer wie folgt:

Aber sie [die nazistische Sprache] ändert Wortwerte, und Worthäufigkeiten, sie macht zum Allgemeingut, was früher einem einzelnen oder einer winzigen Gruppe gehörte, sie beschlagnahmt für die Partei, was früher Allgemeingut war; und in alledem durchtränkt sie Worte und Wortgruppen und Satzformen mit ihrem Gift, macht sie die Sprache ihrem fürchterlichen System dienstbar, gewinnt sie an der Sprache ihr stärkstes, ihr öffentlichstes und geheimstes Werbemittel. (1957/2007:27)

Im Folgenden werden nun einige Tendenzen und Mechanismen aufgezählt, derer sich die Nationalsozialisten bedienten, um sich das Deutsch zu Eigen zu machen. Hierbei handelt es sich mehr um allgemeine Vorgehensweisen und nicht nur um einzelne Schlagwörter; bei der folgenden Übersetzungsanalyse sollen sie bedacht werden; „braunes“, nazistisches Vokabular wird in einem Text ohnehin leicht erkannt, eine subtile, tendenzielle Unterwanderung des Alltagsdeutsch hingegen, springt einem nicht so offensichtlich ins Auge.

4.1.1 Euphemismen und Tarnbegriffe

„In der Sprache der Konzentrationslager hieß es, eine Gruppe‚ wurde der Endlösung zugeführt’, wenn sie erschossen oder in den Gastod geschickt wurden.“ (Klemperer 1957/2007:201) Solche und ähnliche Beispiele deren Schönfärberei an Hohn kaum zu überbieten ist, kennen wir zuhauf aus der LTI. Ebenso klingt etwa Winterhilfe nach edelmütigen, freiwilligen Gaben und nicht nach der erzwungenen Abgabe, die tatsächlich damit gemeint war. (vgl. ibid.:326) Vor allem in der Spätphase des Dritten Reiches wurden sehr gerne verschleiernde, beschönigende Bezeichnungen gefunden, so war Deutschland „ die Ordnungsmacht “, die die „Festung Europas “ verteidigt. (vgl. ibid.:220) Zur Kategorie der Euphemismen gehören auch jene Dinge, die man entweder gar nicht beim Namen nennt, oder sie nur in verschleierter, abgeschwächter Form eingesteht; in der Spätphase des Nazismus, auch als die militärische Niederlage immer offensichtlicher wurde, wurde immer noch stark beschönigt oder tot geschwiegen:

43 […] die Worte Niederlage und Rückzug, geschweige denn Flucht, bleiben unausgesprochen. Für Niederlage sagte man Rückschlag – das klingt weniger definitiv; statt zu fliehen, setzte man sich vom Feinde ab; Durchbrüche gelangen ihm nie, immer nur Einbrüche, schlimmstenfalls ‚tiefe Einbrüche’ (ibid.:306)

Euphemistische Bezeichnungen wurden nicht nur von den Nazis, sondern auch oft von ihren Opfern mit ironischem Galgenhumor verwendet; so beschreibt Klemperer, wie selbst in den Judenhäusern davon die Rede war, dass jemand „ verreist “ wäre, anstatt dass er gefangen genommen zu sein, oder etwa wurden Konzentrationslager noch nicht KZ genannt, sondern Konzertlager . (ibid.:249) Ein weiteres wichtiges Merkmal der LTI ist, dass einfache, alltägliche Wörter eine verdeckte, hässliche Bedeutung bekamen, so etwa die zwei an sich harmlosen und alltäglichen Verben sich melden und holen :

Eine scheußliche Spezialbedeutung erhielt das Verbum ‚melden’. Er muss sich melden, hieß: Er ist zur Gestapo bestellt, und eine solche Meldung war bestimmt mit Misshandlungen und immer häufiger mit Nimmerwiederkehr verbunden. (ibid.)

Geholt werden konnten im Vergleich dazu sowohl Juden als auch Arier werden, die einen ins Gefängnis, ins KZ, zur Zwangsarbeit, die anderen eben zum Militärdienst. Holen in der LTI ist ein geheimes, nächtliches Fortschaffen, entweder ins KZ oder in die Kaserne. Holen und sich melden sind in der LTI deshalb sehr ähnlich, weil „folgenschwere und grausame Vorgänge unter farblosen und alltäglichen Benennungen versteckt werden, und daß andererseits diese Geschehnisse so abstumpfend alltäglich geworden sind, daß man sie eben als alltägliche und allgemeinübliche Vorgänge bezeichnet, statt sie in ihrer düsteren Schwere herauszuheben“. (ibid.:251)

4.1.2 Superlative

Ihn [den Superlativ] kann man die meistverwendete Sprachform der LTI nennen, und das versteht sich ohne weiteres, denn der Superlativ ist das nächstliegende Wirkungsmittel des Redners und Agitators, er ist die Reklameform schlechthin. (Klemperer 1957/2007:295)

Superlative wurden in jeder Hinsicht gerne verwendet, es wurde übertrieben, gerne wurden ungenaue Zahlwörter verwendet wie unvorstellbar , zahllos und die absolute

44 Steigerung dessen war dann total . Ebenso gerne wurde vom Tausendjährigen Reich gesprochen, der „Superlativ der Zahl“ war allgegenwärtig. (ibid.:294) Ebenso beliebt waren Wörter oder Wortgefüge, die an sich schon einen superlativen Sinn trugen: Hielt Hitler eine Rede „hörte die Welt auf den Führer“, wird eine Schlacht geschlagen, war es „die größte Schlacht der Weltgeschichte“; Schlacht allein war meist zuwenig, es musste dann schon eine Vernichtungsschlacht sein, das verbündete Japan „avancierte von einer Großmacht zur Weltmacht “, und Juden und Bolschewisten waren nicht nur Feinde, sondern Weltfeinde . (ibid.:296) Andererseits liegt der Nazismus bestimmter Wörter nur in der „skrupellosen Häufigkeit ihrer Anwendung“: Alles war historisch, ewig oder einmalig . (ibid. 1957/2007:150) Andere Wörter bekamen allerdings einen neuen Sinn: Das Wort fanatisch etwa bekam im Nationalsozialismus eine gänzlich gegenteilige Bedeutung als es bisher hatte; Fanatismus wurde zur Tugend erhoben. Verstand man vor wie auch nach der nationalsozialistischen Ära fanatisch als „sich mit einer Art Verbohrtheit, mit blindem Eifer, [u. rücksichtslos] für etwas einsetzend (vgl. Duden), so ist „fanatisch während der gesamten Ära des Dritten Reiches ein superlativisch anerkennendes Beiwort gewesen.“ (ibid.:81f)

Es bedeutet die Übersteigerung der Begriffe tapfer, hingebungsvoll, beharrlich, genauer: eine glorios verschmelzende Gesamtaussage all dieser Tugenden, und selbst der leiseste pejorative Nebensinn fiel im üblichen LTI-Gebrauch des Wortes weg. (ibid.)

Klemperers bestechende These, wieso der Superlativ im nazistischen Deutsch so gewütet hat, begründet sich in der Unterschiedlichkeit von Sprachen:

[…] manche Sprachen sind aufnahmefähiger für den Superlativ als andere: in der Romania, auf dem Balkan, im Fernen Osten, auch wohl in Nordamerika, in all diesen Ländern verträgt man oftmals eine reichlichere Dosis Superlativ als bei uns, empfindet man oftmals nur als angenehme Temperaturerhöhung, was bei uns schon ein Fieber bedeutet. Vielleicht ist gerade das der Grund oder doch ein zusätzlicher Grund dafür, daß der Superlativ in der LTI mit so ungemeiner Heftigkeit auftritt; Seuchen sollen ja immer dort am heftigsten wüten, wo sie zum erstenmal grassieren. (1957/2007:299)

45 4.1.3 Mechanisierung und Versächlichung

Eine große Zahl an Redwendungen, sprachlichen Bildern und Ausdrücken hat die LTI aus der Technik und der Mechanik entlehnt. Sie verwendete technische Metaphern nicht nur für Vorgänge, sondern auch für den Menschen selbst: „Jeder soll Automat in der Hand des Vorgesetzten und Führers, zugleich auch Druckknopfbetätiger der ihm unterstellten Automaten sein.“ (Klemperer 1957/2007:204) So meint ein von den Nazis gefeierter Dichter „sein Fühlen sei ganz auf Deutschland eingestellt , Haltungen, Institutionen, Angestellte und Anstalten gehören gleichgeschaltet , und wie in der Elektrotechnik hieß es, „ dass sich die Kraftströme in einer Führernatur vereinigen“ oder dass – Metapher aus der Automechanik – das Volk „arbeitet wie ein auf Hochtouren laufender Motor“ und zwar dank „der gut eingespielten Lenkung“. (ibid.:207ff) Menschenverachtung und Entpersonalisierung schwingen mit, wenn von gutem Menschenmaterial im Heer, von der Kadaververwertung im KZ die Rede ist, oder eine KZ- Aufseherin meinte, sie habe es an dem und den Tag „mit sechzehn ‚ Stück ’ Gefangenen zu tun gehabt“. (ibid.:199ff) Vereinheitlicht und verallgemeinert wurde auch gerne: So war in militärischen Belangen stets die Rede von z.B. dem Deutschen und dem Franzosen; ohne „an die Mannigfaltigkeit der Deutschen und Franzosen zu denken“ wurde von einem Stereotyp und einem kollektiven Wesen gesprochen. (vgl. ibid.:380)

4.1.4 Sakralisierung

[…] der Nazismus wurde von Millionen als Evangelium hingenommen, weil er sich der Sprache des Evangeliums bediente. (Klemperer 1957/2007:160)

Hitlers Nahverhältnis zum Gotthaften, seine „besondere Auserwähltheit“ und der göttliche Auftrag des Nationalsozialismus sollte auch in der LTI deutlich zum Ausdruck gebracht werden: So bezeichnete er sich öfters „mit unzweideutig neutestamentlichen Worten als den deutschen Heiland“, oder Gefallene „als seine Apostel, die im Deutschen Reich auferstanden sind“. (ibid.:150f) Oft wurde die Losung ausgegeben, dass „deutsche Soldaten im Glauben an den Führer gefallen sind“, dass „Mein Kampf“ die „ Bibel des Nationalsozialismus sei, und selbst der Krieg wurde zum heiligen Krieg “, zum Kreuzzug und Hitlers Heimatstadt Braunau zum

46 „Wallfahrtsort der deutschen Jugend“. Auch dem Wort Reich haftet etwas Sakrales an; nachdem Österreich angeschlossen war, und der Führer mit großem Gefolge nach Rom zu Verhandlungen zum Duce fuhr, titelte die deutsche Presse Klemperer zufolge: „Das Heilige Germanische Reich Deutscher Nation“ . (vgl. ibid.:154ff) Der Nationalsozialismus appellierte ja nicht an Vernunft und Verstand, sondern an das Gefühl und an den Glauben, „die mannigfachen ans Jenseitige rührenden Ausdrücke und Wendungen der LTI bilden in ihrer Gemeinsamkeit ein Netz, das der Phantasie des Hörers übergeworfen wird und das sie in die Sphäre des Glaubens hinüberzieht“. (ibid.:160)

4.1.5 Eindeutschung und altdeutsche Sprachformen

Zum einen liebäugelten die Nationalsozialisten bewusst mit altdeutschen Sprachformen und Ausdrücken, verstanden sie es doch als ein Anknüpfen an eine deutsche Tradition und „Verbundenheit mit dem noch durch kein Römertum verfälschten ursprünglichen Germanenwesen“; zum anderen wollten sie aber gleichzeitig fortschrittlich, modern und zeitnah sein. (vgl. Klemperer 1957/2007:202f) So haben sich z.B. die propagierten deutschen Monatsnamen nie durchgesetzt, die germanischen Runen und etliche germanische Vornamen sind aber in den allgemeinen Sprach- und Schriftgebrauch übergegangen: So hatten amtliche Schreibmaschinen neben dem normalen runden S auch die scharfeckige SS-Type. (vgl. ibid.:93/203) Etliche alte germanische Vornamen waren äußerst modern und waren oftmals durch Bindestriche aneinandergekettet „um ihre Volltönigkeit, ihr zweifaches Bekennen, ihren rhetorischen Charakter zu betonen“: Bernd-Dietmar, Horst-Walter, Sieglinde, Detlev, Uwe, Margit, Ingrid, Uta. „[…] das dritte Reich macht beinahe zu Pflicht und Uniform, was bisher Mode oder Gepflogenheit neben anderen Gepflogenheiten war“. (ibid.:103) „Die Tradition wird dagegen rücksichtslos beiseite geschoben, wo sie dem nationalen Prinzip feindlich gegenübersteht“: Landkarten werden in gründlich deutscher Manier von allen fremden Einflüssen gesäubert, ein großer Teil des Großdeutschen Reiches war von Slawen bevölkert worden, was man an vielerlei Ortsnamen ablesen kann. Klemperer notierte sich dazu aus einem Artikel der Dresdener Zeitung: „Es wurde in Mecklenburg bei vielen Dorfnamen der Zusatz ‚Wendisch’ gestrichen, es wurden in Pommern 120, im Brandenburgischen rund 175 slawische Ortsnamen verdeutscht […]. In Schlesien brachte man es auf ganze 2700 verdeutschende Änderungen […].“ (ibid.:109f)

47 Die Verdeutschungen mancher Fremdwörter waren an sich sehr beliebt; so steht „Humanität in penetrant jüdisch-liberalistischen Geruch, deutsche Menschlichkeit ist etwas durchaus anderes“. Man sagte Belange statt Interessen, Entpflichtung statt Emeritierung, Bestallung statt Approbation (vgl. ibid.:337)

4.1.6 Militarisierung und sportliche Metaphern

Die nazistischen Rhetoriker bedienten sich auch gerne Metaphern aus dem Sport, vorzugsweise aus dem Boxsport, aber auch der Leichtathletik, dem Marathonlauf etc. und bezogen sich damit auf militärische Sachverhalte: So kämpfte man im „gegnerischen Strafraum“, dürfe „sich nicht in die Knie zwingen“ und auch „nicht abhängen“ lassen, müsse „die Ärmel hochkrempeln“, „habe bisher nur mit der Linken geboxt, und sei gerade dabei sich die Rechte zu bandagieren um sie in der nächsten Runde rücksichtslos in Gebrauch zu nehmen“ (vgl. Klemperer 1957/2007:314f) Vor allem Propagandaminister Goebbels entnahm sehr gerne sprachliche Bilder aus dem Sport und sprach auch am liebsten im Sportpalast zum deutschen Volk. Klemperer beobachtet scharf:

Auf den Gedanken, daß es eine Herabwürdigung kriegerischen Heldentums sein könnte, mit sportlicher Leistung verglichen zu werden, verfällt er [Goebbels] niemals; Krieger und Sportler begegnen sich im Gladiatorentum, und Gladiatorentum ist für ihn Heroismus. (ibid.:313)

Ebenso sind die Worte Sturm und Aktion unmittelbar mit dem Nationalsozialismus und dem Heer verknüpf, obwohl so früher die Zeitschriften der jungen Expressionisten hießen. „Sturm wurde zur militärhierarchischen Gruppenbezeichnung“, so kommt er in der SA (Sturmabteilung), im Reitersturm und in etlichen anderen Kombinationen vor. Ebenso hatte Aktion etwas Heroisches, Militärisches und erinnerte an die Frühzeit der NSDAP, als noch illegale Aktionen ausgeführt wurden. (vgl. ibid:92) Gerne wurde auch zackig verwendet: Ein Adjektiv, das sehr gut zum Militär passt; ein zackiger Gruß, ein zackig ausgeführter Befehl, „zackig ist, was einen zusammengerafften, einen disziplinierten Energieaufwand ausdrückt“. (ibid.:93)

48 4.1.7 Das ironische Anführungszeichen

Das meist benutzte Satzzeichen der LTI ist nicht, wie man vielleicht meinen könnte, das Ausrufezeichen gewesen, sondern – wie Klemperer es nennt – das „ironische Anführungszeichen“. Anführungszeichen sollen klarerweise wiedergeben, was jemand gesagt oder geschrieben hat, allerdings sollen die ironischen Anführungszeichen dies nicht neutral wiedergeben, da Neutralität nicht zu den Nazis passt, sondern das Gesagte zu ironisieren und in Zweifel zu ziehen. (Klemperer 1957/2007:99)

Chamberlain und Churchill und Roosevelt sind immer nur >Staatsmänner< in ironischen Anführungszeichen, Einstein ist ein >Forscher<, Rathenau ein >Deutscher< und Heine ein „>deutscher< Dichter“. Es gibt keinen Zeitungsartikel, keinen Abdruck einer Rede, die nicht von solchen ironischen Anführungszeichen wimmelten, und auch in ruhig gehaltenen ausführlichen Studien fehlen sie nicht. Sie gehören zur gedruckten LTI wie zum Tonfall Hitlers und Goebbels’, sie sind ihr eingeboren. (ibid.:99f)

4.1.8 Signalwörter

Bis heute eingefärbtes „braunes“ Vokabular gibt es zuhauf, also kann und will die nachfolgende Aufzählung keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, aufgelistet sind lediglich einige Beispiele, die die klare Richtung, die vorgegeben wurde, verdeutlichen sollen. Blindlings „gehört zu den Pfeilworten der LTI, kam häufig in Treueschwüren, Huldigungschreiben etc. vor, und bezeichnet den Idealzustand nazistischer Geistigkeit, ihrem Führer gegenüber“ und wird ebenso häufig wie fanatisch (siehe 4.1.2 Superlative) verwendet. (Klemperer 1957/2007:204) Wurde vor den Feinden Deutschlands gewarnt, so wiederholte sich auch hier das Vokabular: „ Das Neue Europa gehöre geschaffen “, „Deutschland vor dem jüdisch-asiatischen Bolschewismus geschützt“, der „ Versteppung Europas “ Einhalt geboten. (ibid.:216f) Volk und noch viel stärker bis heute eingefärbt völkisch gehörten zu den Pflichtvokabeln eines jeden Nazis: So hieß die wichtigste nationalsozialistische Zeitung der „Völkische Beobachter“. Klemperer meinte treffend dazu:

‚Volk’ wird jetzt beim Reden und Schreiben so oft verwandt wie Salz beim Essen, an alles gibt man eine Prise Volk: Volksfest, Volksgenosse, Volksgemeinschaft, volksnah, volksfremd, volksentstammt… (1957/2007:45)

49 Ebenso gehört eine ganze Reihe Vokabel aus dem bäuerlichen Leben zu den nazistischen Signalwörtern: Blut & Boden , sowie der deutsche Pflug, um die deutsche Scholle aufzuwerfen. (vgl. Wippermann 1997:15) Das Blut musste ohnehin für vielerlei Dinge herhalten: Als sich etwa die Regierung Dollfuß gegen die NSDAP in Österreich wandte, wandte sie sich damit „gegen die Stimme des Blutes“, als Hitler dann in Österreich einmarschierte schlug hingegen „endlich die Stunde des Blutes“. (vgl. Klemperer 1957/2007:353) Das Bauerntum wurde sentimentalisiert und heroisiert, da es eben genau die Blut-und- Boden-Ideologie verkörperte: Das unverfälschte und aufrechte Deutschtum. Ein Wort das infolge dessen eine neue Renaissance erlebte, war z.B. der Treck . (vgl. ibid. 1957/2007:322) Im Gegensatz dazu wurde der Asphalt zum Symbol all dessen, was die Großstadt, das Großjudentum verkörperte, „Berlin ist das Asphaltungeheuer, seine jüdischen Zeitungen, Machwerke der jüdischen ‚Journaille’ sind Asphaltorgane “ und „den Weg ins Verderben asphaltiert der Jude mit Phrasen und gleisnerischen Versprechungen“. (vgl. ibid.:324) Die durch die Rassenideologie geprägten Wörter sind uns zum Großteil als nazistisch bekannt: judenrein, arisch/nichtarisch, arisieren , „das internationale Judentum“, „ die Weltjuden “. Sexuelle Beziehungen zwischen Ariern und Juden wurden Rassenschande genannt, eine Frau wurde dadurch zu einer Judenhure oder einem Judenliebchen (vgl. ibid.:226f und 239f); außerdem sollte rassisch aufgenordet und entjudet werden, alles musste artecht oder arteigen sein. (ibid.:253/304/359)

4.1.9 Schlussworte zur LTI

[…] die eigentliche Leistung [der nazistischen Sprachkunst], und in ihr ist Goebbels unerreichter Meister, besteht in der skrupellosen Mischung der heterogenen Stilelemente – nein, Mischung trifft nicht völlig zu –, in den schroffst antithetischen Sprüngen vom Gelehrten zum Proletenhaften, vom Nüchternen zum Ton des Predigers, vom kalt Rationalen zur Rührseligkeit der männlich verhaltenen Träne, von Fontanescher Schlichtheit, von Berlinischer Ruppigkeit zum Pathos des Gottesstreiters und Propheten. Das ist wie ein Hautreiz unter dem Wechsel kalter und heißer Dusche, […] das Gefühl kommt nie zur Ruhe, wird dauernd angezogen und abgestoßen, angezogen und abgestoßen, und für den kritischen Verstand bleibt keine Zeit zum Atemholen. (Klemperer 1957/2007:343f)

Es soll also zum Ausdruck kommen, dass es sich bei der Lingua Tertii Imperii um ein sehr komplexes Thema handelt, vor allem auch darum, weil es in viele Teilbereiche des

50 Lebens eingreift und immer interdisziplinär behandelt werden muss; es ist immer in „gleicher Weise ein sprachliches und ein politisches Thema“. (vgl. Kinne/Schwitalla 2008:5; Hervorh. im Orig.) Auch darf man die zwölfjährige Ära nicht abgesondert von der Zeit davor und danach betrachten; sprachliche Phänomene des Nationalsozialismus sind ja nicht „gewissermaßen mit dem 30. Januar 1933 urplötzlich aufgetaucht“, sondern fußen auf sozialen Voraussetzungen, die weit ins 19. Jahrhundert hineinreichen. Ebenso soll darauf hingewiesen sein, dass gewisse sprachliche Spezifika unmittelbar nach dem Krieg und bis heute in rechtsextremen Gruppierungen weiterleben und viele Ausdrücke, die von den Nationalsozialisten auf scheußliche Weise geprägt wurden, heute immer noch unreflektiert im Alltagsgebrauch verwendet werden. (ibid.:8f)

4.2 Paratexte

Im folgenden Kapitel sollen alle gefundenen Paratexte der Anthologie „Slowenische Novellen“ ebenfalls einer Analyse unterzogen werden. Zuerst noch ein paar Worte zu der (oftmals vergeblichen) Suche nach Paratexten: Schwierig gestaltete sich die Suche nach etwaigen Rezensionen, Kritiken, Werbeankündigungen oder sonstigen Begleittexten. Für die slowenische Seite kann gesagt werden, dass in allen relevanten Literaturzeitschriften, die in diesem Zeitraum erschienen sind, nach Paratexten gesucht wurde („Ljubljanski zvon“, „Dom in svet“, „Sodobnost“) – leider vergeblich. Zwar wurden manchmal auch fremdsprachige Publikationen in diesen Zeitschriften rezensiert und auch das Erscheinen so manches Originaltextes wurde kommentiert und die Werke kritisiert, aber zu den „Slowenischen Novellen“ war nichts zu finden. Dabei muss aber auch noch berücksichtigt werden, dass sich große Teile Europas 1940 schon im Krieg befanden und die meisten Zeitschriften ihr Erscheinen in dieser Zeit einstellen mussten. Fündig wurde ich bei der verlagseigenen Kulturzeitschrift „Der Getreue Eckart“, in der natürlich Werbung für die Publikationen des Verlages gemacht wurde: Näheres dazu in den jeweiligen Unterkapiteln. Vorausgeschickt sei zuvor noch eine Definition:

Der Paratext ist also jenes Beiwerk, durch das ein Text zum Buch wird und als solches vor die Leser und allgemeiner, vor die Öffentlichkeit tritt. (Genette 1989:10)

Gérard Genette führt weiter aus, dass es eigentlich keinen Text ohne Paratext gibt. Untergliedert wird der Begriff in Peri- und Epitexte. Peritexte befinden sich im Umkreis des 51 Textes selbst, im selben Buch, also Vor- und Nachworte, Klappentexte, Titel, Kapitelüberschriften, Widmungen etc. Epitexte befinden sich nicht in unmittelbarer räumlicher Nähe des Textes, also „anywhere outside the book“, etwa in Medien; das sind Rezensionen, Kritiken, Interviews. Es gibt auch private Epitexte wie Korrespondenz und Tagebücher. (vgl. Genette 1989:11f und 328) In unserem Fall haben wir es also mit einem Peritext, dem Nachwort des Herausgebers, und mehreren öffentlichen Epitexten zu tun. Es handelt sich auch bei allen hier analysierten Paratexten um verlegerische (im Gegensatz etwa zu auktorialen), da für sie der Verlag verantwortlich zeichnet. (ibid:22) Für eine Analyse von Paratexten nennt Genette ganz einfache Charakteristika, die wesentlichen Fragen, die gestellt werden müssen: Wo, wie, von wem an wen und wozu? Nach diesen einfachen Fragen wird bei der folgenden Analyse auch vorgegangen werden. (ibid:12)

4.2.1 Werbetexte und Ankündigungen im „Getreuen Eckart“

Mehrere verschieden große Werbeeinschaltungen wurden im „Getreuen Eckart“ veröffentlicht: Zuerst im Februar 1940, im Heft Nr. 5, eine ganzseitge Ankündigung für zwei neue Bücher „aus der Welt des Südostens“, die in „ungefähr vier Wochen erscheinen“ soll: „Halbmond über der Narenta“ von Robert Michel und die „Slowenischen Novellen.“ (Siehe Abbildung 9) Nach Genettes Klassifizierung handelt es sich dabei um einen frühen Paratext, weil er vor dem Text, dem Buch selbst, erschienen ist. (1989:13) Im Heft Nr. 10 vom Juli 1940 erschien dann gleich auf der Folgeseite zum Artikel „Slowenisches Schrifttum“ eine 7x3 cm große Werbeschaltung für dieselben beiden Bücher. (siehe Abbildung 10) Die letzte Werbeschaltung erschien im 18. Jahrgang, 1. Band (Oktober 1940 – März 1941), eine 21x7 cm große Spalte, die die Neuerscheinung „Kroatische und bosnische Novellen“ anpreist und gleichzeitig auf die bereits erschienenen „Slowenischen Novellen“ aufmerksam macht. (siehe Abbildung 11) Der einleuchtende Sinn und Zweck von verlegerischen Epitexten (alle Werbeschaltungen und auch der Artikel „Slowenisches Schrifttum“) ist es, zu werben und den Verkauf zu fördern. (vgl. Genette 1989:331) Ein weiteres Charakteristikum eines verlegerischen Epitextes ist die Adresse, an die er sich richtet: Nämlich an ein weiteres Publikum, nicht nur an den Leser, sondern an das

52 Publikum eines Mediums, einer Zeitung etc. In unserem Fall ist der Adressat also das Stammpublikum bzw. die Leserschaft des „Getreuen Eckart“ (ibid.:329). Beginnen wir nun also mit dem frühen Peritext, der ersten Werbeschaltung (siehe Abb. 9): Inhaltlich enthält er einige Ungereimtheiten; offensichtlich war damals die genaue Titelgebung noch nicht ganz klar. Die Bände erschienen letztendlich doch unter dem Titel „Jugoslawische Novellen“; in diesem Epitext ist noch die Rede von den „Novellen der Jugoslawen“. Außerdem werden nur kroatische Novellen genannt; der tatsächliche Band erschien dann als „Kroatische und bosnische Novellen“. Der Band soll „die besten lebenden slowenischen Dichter mit ihren ausgesucht besten Novellen“ vereinen; was auch wieder eine fragwürdige inhaltliche Aussage ist: Zum einen könnte man streiten, ob die Bezeichnung Dichter treffend ist. Aber auch im Artikel „Slowenisches Schrifttum“ wird dieses Wort häufig verwendet, gefiel also offensichtlich. Zum anderen war Ivan Cankar damals schon längst verstorben, was die Bezeichnung „lebend“ fragwürdig macht. Daher könnte die Vermutung angestellt werden, dass zum Zeitpunkt, als diese Ankündigung verfasst wurde, der genaue Inhalt des Bandes, welcher Autor mit welcher Novelle aufgenommen werden sollte, noch unklar gewesen ist. Daraus könnte der Schluss gezogen werden, dass die Übersetzung aller sechs Novellen in recht kurzer Zeit zustande gekommen ist. Allerdings handelt es sich hierbei nur um eine Vermutung, die wohl nicht näher verifiziert werden wird können. Auch wird Stanislaus Hafner in der ersten Werbeeinschaltung noch nicht erwähnt, in der ein Jahr später erscheinenden (siehe Abb. 11) schon. Möglich wäre also durchaus, dass er zu diesem Zeitpunkt bei diesem Projekt noch nicht mit an Bord war bzw. bestätigt zumindest, dass die hauptverantwortliche, federführende Person Franz Hille war. Das andere, gleichzeitig publizierte Werk von Robert Michel „Halbmond über der Narenta“ passt, wie der Autor selbst auch, programmatisch gut zur Verlagslinie. Der österreichische Robert Michel (*1876 in Chabernice, Böhmen – † 1957 in Wien) beschäftigte sich in seinem literarischen Werk mit dem Balkan („Die Häuser an der Dzamija“, 1915; „Die Verhüllte“, 1907). (vgl. Österreichisches Literaturarchiv). Außerdem publizierte er ebenso wie Bruno Brehm, Herausgeber des „Getreuen Eckart“, im „Bekenntnisbuch österreichischer Dichter“, das vom Bund deutscher Schriftsteller herausgegeben wurde und in dem sich österreichische Schriftsteller 1938 zum Nationalsozialismus bekannten. So heißt es in der Einleitung zu diesem Büchlein: „Österreich / ist durch die Tat des Führers und Reichskanzlers / Adolf Hitler / heimgekehrt in das Deutsche Reich. / Die nationalen Dichter

53 der Ostmark / neigen sich / freudig bewegt vor dieser Vollendung. / Ihr Ziel war Deutschland / Ihr Werk bleibt Deutschland“. (Bund deutscher Schriftsteller Östereichs 1938:8)

Abbildung 9: Werbeschaltung 1

54 Zum zweiten verlegerischen Peritext ist ob seiner Kürze nicht viel zu sagen: Auf der Seite nach dem Artikel „Slowenisches Schrifttum“ wurde klein noch einmal auf diese Neuerscheinung Abbildung 10: Werbeschaltung 2 hingewiesen. Ersichtlich ist daraus, dass die Novellensammlung zu diesem Zeitpunkt, im Juli 1940, bereits erschienen ist. Deshalb können diese Werbeschaltung und der Artikel „Slowenisches Schrifttum“ wegen ihrer zeitlich gleichzeitigen Situierung auch als originale Paratexte bezeichnet werden.

Im dritten Werbetext, der ungefähr ein Jahr später im „Getreuen Eckart“ erschienen ist, wird auf den nächsten Band, auf die „Kroatischen und bosnischen Novellen“ aufmerksam gemacht (übersetzt von Franz Hille) und nebenbei auch noch einmal die „Slowenischen Novellen“ angepriesen. „[…] [D]iese Erzählungen [stellen sich] dem Besten an die Seite, was die Weltliteratur, insbesondere wo sie den kämpfenden und leidenden Menschen darstellt, aufzuweisen hat.“ (siehe Abb. 11) Treffend an dieser Zusammenfassung ist tatsächlich, dass es sich in allen sechs Novellen um kämpfende (bei Voranc und Finžgar) und / oder leidende (bei Bevk, Meško, Cankar, Kozak) Menschen handelt. Ob die Erzählungen in ihren literarischen Mitteln schlicht sind oder nicht – darüber kann diskutiert werden. Interessantes Detail am Rande: Der Preis für die „Slowenischen Novellen“ wurde gesenkt: Kosteten sie im Februar 1940 noch 5.40 RM (siehe Abb. 9), war der Kaufpreis ein Jahr später

Abbildung 11: Werbeschaltung 3 55 auf 4.80 RM gesunken, was wohl auf die schlechte Wirtschaftslage, den Krieg und den allgemeinen Preisverfall zurückzuführen sein dürfte. Zusammenfassend ist das Wo, Wie, Wozu und das Von wem an wen im Falle dieser Werbeschaltungen leicht zu beantworten: im „Getreuen Eckart“, vom Verlag an das Stammpublikum bzw. die Leserschaft, mit werbewirksamer, anpreisender Sprache, um den Verkauf des Werkes anzukurbeln.

4.2.2 Der Artikel „Slowenisches Schrifttum“ im „Getreuen Eckart“

Im Heft Nr. 10 des 17. Jahrganges, im Juli 1940, erschien im „Literatur-Beiblatt des Getreuen Eckart Lebendiges Wort “ ein zweiseitiger Artikel von „Stan“ Hafner mit dem Titel „Slowenisches Schrifttum“. Einleitend erklärt die Schriftleitung, anlässlich des Erscheinens der Slowenischen Novellen“ dem Leser einen „Überblick über die moderne slowenische Dichtung“ geben zu wollen. (vgl. Der Getreue Eckart 1940, Heft 10:105) Der Text nimmt nicht konkret und ausschließlich auf die „Slowenischen Novellen“, ihre sechs Autoren und ihre sechs Novellen Bezug, sondern bespricht und nennt auch einige andere slowenische Schriftsteller. Im Unterschied zu den Werbeschaltungen, die eine eindeutig appellative Funktion erfüllen, ist dieser Artikel in erster Linie ein informativer Text. Die Zeit, in der der Artikel verfasst wurde, sollte berücksichtigt werden: Heute würden wir gewisse Sachverhalte anders bewerten oder nennen. So spricht der Autor vom Weltkrieg und meint damit natürlich den Ersten Weltkrieg. Selbiges gilt bei Hafners Bewertung der slowenischen Literaten. Gewisse Autoren gelangten erst damals zu ihrem Ruhm, Voranc etwa stand damals sicherlich erst am Anfang seiner großen Geltung als slowenischer Schriftsteller; anderen Literaten würde vielleicht heute nicht mehr dieselbe Bedeutung zugestanden werden wie damals. Sie wurden in diesem Artikel sicher anders bewertet als es ein Kritiker Jahrzehnte später gemacht hätte. Stilistisch ist der Artikel gut strukturiert und logisch aufgebaut; Stanislaus Hafner arbeitet gerne mit diametral entgegengesetzten Begriffen und charakterisiert die einzelnen Schriftsteller und ihr Werk anhand von Gegensatzpaaren wie dionysisch vs. apollinisch, Gefühl vs. Verstand, Weite der pannonische Ebene vs. Enge der Kärntner Berge, Künstler vs. einfacher Mensch. Er spannt anhand dieser Gegensätze eine Übersicht über die slowenische Literatur zwischen Moderne (Cankar) bis zu den (damals neuen) Vertretern des sozialen Realismus (Voranc). Dies entspricht auch ungefähr der Anordnung der „Slowenischen Novellen“: beginnend mit Ivan Cankar, über Finžgar, Meško, Bevk und Kozak bis hin zu Voranc. 56 Es fällt in diesem Artikel wie auch bei den Übersetzungen der Novellen die uneinheitliche Vorgehensweise bei den Eigennamen auf: Er belässt großteils die Eigennamen unverändert slowenisch, so auch die Bela krajina, aber dann fühlt er sich wieder bemüßigt, Eigennamen in deutscher Schreibweise wiederzugeben, aus dem Ivan den „Iwan“, aus France den „Franze“ und aus Voranc den „Voranz“ zu machen.

Zuhauf lässt sich LTI auch in diesem Paratext finden: Wir finden nicht nur viele Schlagwörter, sondern auch eindeutig nazistische Ideen, die sich hinter so manchem Absatz verstecken. Beginnen wir beim Offensichtlichen: Eingangs wird die „jahrhundertelange Schicksalsverbundenheit mit dem deutschen Volke in der österreichisch-ungarischen Monarchie für die slowenische Kulturgeschichte“ hervorgehoben. Die Slowenen hätten „im Kreuzungspunkt der germanischen, romanischen und slawischen Welt“ den „kulturellen Vermittler“ gespielt. Signalwörter der LTI muss man nicht lange suchen: Volk und Nation treffen wir in etlichen Kombinationen und Wortformen an: von den volkspolitischen Gegebenheiten, dem nationalen Bewußtsein, der nationalen Entwicklung, dem Nationalbewußtsein bis hin zum Volk in allen möglichen Formen und Kontexten. Auch findet sich oftmals der Heroismus und Vieles ist heroisch oder monumental. Man erkennt den eindeutigen ideologischen Hintergrund des Artikels und seiner Zeitschrift. Und wenn dies nicht einzelnen Worten angekreidet werden kann, so kann man am Kontext und vor allem der Häufigkeit dieser Signalwörter sehr wohl eine Tendenz ablesen. Ebenso findet sich mehrmals die Scholle, die Heimat, das Blut: „Der Kampf mit der Scholle ums tägliche Brot“, das „dickflüssige Blut“ von Kranjec’ Gestalten, die Heimat, die „zum tiefsten Erlebnis“ wird, „die Kraft der Scholle und des Lebens“ u.a. Die Hervorhebung der Natur, der Natürlichkeit, das „Erlebnis der Heimat“, die Naturverbundenheit sind Themen, die lobend und bewundernd hervorgehoben werden. Religions- und kirchenkritische Passagen finden sich, was auch der nationalsozialistischen Ideologie entspricht. So finden sich kritische Untertöne in der Beschreibung des Werks der drei geistlichen Schriftsteller Finžgar, Meško und Pregelj:

Alle drei sind im Berufsleben katholische Geistliche. Dadurch ist an [sic] ihre Einstellung zur Umwelt einheitlich unter dem Gesichtswinkel des streng religiösen Katholizismus bedingt; der ewige Dualismus zwischen Gut und Böse, zwischen Himmel und Hölle bildet den ideelen Hintergrund ihrer Kunst, die sich in ihren subjektivistischen, oft mit übertriebener Lyrik und Sensualität ausgestatteten Novellen und Romanen auslebt. Der Zwiespalt zwischen Religion

57 und menschlichem Leben, zwischen ihrer strengen Religiosität und der Sinneswelt des Menschen zieht sich durch alle ihre Werke und schlägt in Schwärmerei und krankhafte Erotik um. (Hafner 1940:106)

Er stellt ihrem Werk ein eher kritisches Zeugnis aus – vor allem deshalb, weil sie sich dermaßen vom Katholizismus beeinflussen lassen. Interessant ist dieser Umstand, weil dieses Thema auch in der folgenden Übersetzungsanalyse eine Rolle spielen wird. Prežihov Voranc attestiert der Autor hingegen, dass seinen Protagonisten „der Wille zum Leben unverwüstlich“ und „zur Religion“ wird; „religiöses Erleben“ hingegen „nur noch Folklore“ bleibt. (ibid.) Auch kann man den nationalsozialistischen Kunstbegriff finden bzw. einen Kunstbegriff, der dem nationalsozialistischen Ideologiekonzept entspricht, als Hafner über die Entwicklung in der slowenischen Kunst und Literatur seit dem Ersten Weltkrieg referiert:

Der Weltkrieg mit allen seinen Folgen für das nationale geistige Leben hatte auch im slowenischen Volke, wie bei allen anderen Völkern, die Stabilität der festen Lebensordnung erschüttert und eine Periode der inneren Unruhe, der Entwurzelung, der revolutionären Schwärmerei und eine Anarchie im Kunststile heraufbeschworen. Das zeigte die Periode des slowenischen Expressionismus, die aber nur ein Intermezzo ohne große nachhaltige Wirkung darstellt. Fern von ihrem Treiben schufen die Träger der Vorkriegsmoderne im verborgenen auch nach dem Kriege weiter, bis sie schließlich über die Köpfe der jungen Revolutionäre hinweg durch eine objektivere, ausgeglichenere Bewertung der späteren ruhigeren Jahre den besseren Anteil davontrugen. (1940:105)

Der Autor reiht infolge Finžgar, Meško und Pregelj zu jenen, die an die Vorkriegsmoderne anknüpften und nicht etwa den verirrten Hitzköpfen des Expressionismus folgten. Auf alle Fälle lässt die Formulierung „Anarchie der Kunststile“ gleich an Entartete Kunst denken, als welche auch der Expressionismus angesehen wurde. Hafner spannt in seiner Ausführung einen Zeitbogen der slowenischen Literatur und widmet sich mehr oder weniger ausführlich bestimmten Autoren. Dass er über gewisse Literaten ausführlicher referiert als über andere (etwa mehr über Cankar als über Finžgar, Meško und Pregelj, oder mehr über Voranc und Kranjec als über Bevk), darf auch als Zeichen dafür genommen werden, welche Wichtigkeit er wem zugesteht. Erwähnt werden neben den in der Novellensammlung vertretenen Autoren Cankar, Meško, Finžgar, Kozak, Bevk und Voranc außerdem noch Oton Župan čič, Ivan Pregelj und Miško Kranjec. Interessant ist nun nicht nur die Aufzählung der erwähnten slowenischen Schriftsteller, sondern auch jene derjenigen, die nicht erwähnt werden: In einem Artikel über slowenisches

58 Schrifttum könnte man etwa frühe, wichtige Vertreter wie Prešeren, Jur čič, Aškerc oder Levstik oder Vorreiter des slowenischen Schrifttums überhaupt wie Trubar oder Dalmatin erwarten. Obwohl eine Aussage dazu fehlt, könnte es gut sein, dass sich der Autor auf die Moderne, auf die Zeit seit der Jahrhundertwende beschränken wollte und deshalb alles davor unerwähnt lässt. Die ersten beiden Autoren die als dionysisch-appolinisches Gegensatzpaar dargestellt werden sind Ivan Cankar und Oton Župan čič. Cankar beschreibt er durch die „expressionistischen Ergüsse seiner Dichterseele, die ihn in einem dichterischen Spiritualismus vollkommen in die Sphären des Losgelöstseins von jeglicher körperlicher Bindung heben; in ein Reich der Seelen, wo nur noch als letzte Wahrheiten die symbolhaft verklärten Begriffe Mutter, Heimat, Gott stehen“. Župan čič wird als sein „apollinischer“ Gegenpart beschrieben mit „würdiger Ruhe“, „eine festen inneren Haltung“ und „maßvollem Gefühl“. (Hafner 1940:105) In der Folge beurteilt der Autor das Werk der drei geistlichen Schriftsteller Meško, Finžgar und Pregelj und wie schon zuvor angemerkt, fällt seine Bewertung zwiespältig aus. Bei Juš Kozak, den „reifsten slowenischen Dichter“, der den „Typus des intellektuellen Dichters“ darstellt, seien alle Gefühle vergedanklicht. Auch seine Novellensammlung „Maske“ wird lobend erwähnt. (ibid:106) Im Anschluss zeichnet Hafner ein Bild von „der neuesten Epoche der slowenischen Literatur“ und ihren Vertretern Bevk, Voranc und Kranjec:

Der Kampf mit der Scholle ums tägliche Brot, der einfache Kleinbauer stehen im Mittelpunkt ihrer Betrachtungen. Sein scheinbar primitives Leben, sein sozialer Notstand, seine Vitalität werden durch realistische Darstellung hindurch zu monumentalem Heroismus gestaltet. (ibid.)

Als einen der „fruchtbarsten heutigen Dichter“, „Franze“ Bevk, erwähnt der Kritiker Hafner lobend, bevor er an dem Gegensatz pannonische Weite vs. Kärntner Bergwelt Kranjec und Voranc beschreibt. Miško Kranjec, der „ganz im Banne seiner Heimat“ steht, erschließt „mit urwüchsigem Zauber der slowenischen Literatur das Grenzland“, „das Überschneiden der Volksgrenzen“, sein Übermurgebiet (ibid.). Folgende Beschreibung entspricht wohl auch der NS-Ästhetik:

Seine [Kranjec’] Sprache ist sachlich, kernig, einfach. Die Triebkraft seiner Menschen ist der Heroismus des grauen Alltags des kleinen Mannes, der schließlich sang- und klanglos, ins

59 Weite ausklingt oder unterwegs versumpft; das ewige Sehnen nach Gutem und Schönem, das nie zur Erfüllung gelangt. (ibid.)

Aufmerksamkeit erregt im folgenden Textteil über Voranc der Umstand, dass der Autor viel über dessen Leben und indirekt auch damit über seine politische Ausrichtung verrät; etwas, das Franz Hille, beim Verfassen des Nachwortes tunlichst vermieden hat:

Ständig mit sich selbst und der Umwelt im Kampfe, Revolutionär von Beruf, durchmaß er fast ganz Europa von Moskau bis Paris, bis er schließlich mit großem Wissen und Können als reifer Schriftsteller vor die slowenische Öffentlichkeit trat. (Hafner 1940:106)

An dieser Stelle müsste sich der Leser fragen, um welche Art „Revolutionär“ es sich bei Voranc gehandelt habe. Sein Stil sei „heroisch-sachlich“, er greife „immer nur das Eigentliche heraus, beleuchtet es von der charakteristischen Seite schlagartig und hebt es ins Monumentale“ (ibid.) Auch wenn Voranc ideologisch natürlich diametral entgegensetzt zum Nationalsozialismus anzusiedeln ist, hat seine sprachliche Ästhetik Zuspruch gefunden.

Interessant ist der Umstand, dass sich in diesem Artikel und im Nachwort von Franz Hille idente Formulierungen oder ähnliche Gedanken bzw. ein ähnlicher Aufbau (etwa Autoren als Gegensatzpaare vorzustellen) finden (vergleiche dazu das folgende Kapitel 4.2.3). Die Vermutung liegt nahe, dass einer der beiden (Franz Hille?) inhaltliche, interpretative und formulative Anleihen beim anderen (Stanislaus Hafner?) genommen hat bzw. dass sie in irgendeiner Weise die beiden Paratexte übereingestimmt haben bzw. der eine Text auf dem anderen basiert. Dafür seien folgende, sprachliche und inhaltliche Parallelen angeführt:

Formulierung in „Slowenisches Formulierung im Nachwort des Schrifttum“ von Stanislaus Hafner: Herausgebers Franz Hille (Hille 1940: 249-252): […] Franze Bevk, einer der fruchtbarsten […] France Bevk, der bedeutendste und heutigen Dichter […] fruchtbarste slowenische Schriftsteller nach Cankar […] Der Kampf mit der Scholle ums tägliche […] Voranc, der den schweren, Brot , der einfache Kleinbauer stehen im erbarmungslosen Kampf ums Dasein des Mittelpunkt ihrer [Anm. der Vertreter des kleinen Mannes schildert. Im Mittelpunkt

60 Sozialrealismus z.B. Voranc] Betrachtungen. seiner Geschichte steht die für das Slowenentum so wesentliche Frage des Klein- und Kleinstbauern. Die natürliche Siedlungslage des [der geistige Raum dieses Landes], das an slowenischen Volkes im Kreuzungspunkt der Scheide zwischen Morgen- und der germanischen, romanischen und Abendland liegt […] slawischen Welt […]

Die Frage, ob beide in der slowenischen Literatur gleichermaßen bewandert waren und dabei eben zu ähnlichen Schlüssen gekommen sind oder nicht, wird leider nie mit Sicherheit beantwortet werden können. Insgesamt ist aber Hilles Nachwort eindeutig noch eine entscheidende Spur „völkischer“ als Hafners Artikel. Während Hafner sich hauptsächlich wirklich auf die slowenische Literatur konzentriert, schweift Hille in völkisch-kulturelle, geographische Diskurse aus. (siehe Kapitel 4.2.3) Die Fragen „Wo, wie, von wem an wen und wozu? sind abschließend noch einmal zusammenfassend zu beantworten: Im verlagseigenen Blatt ein informativer Epitext, vom Übersetzer der Novellensammlung an die Leserschaft des „Getreuen Eckart“ und somit an potentielle Leser der Übersetzung.

4.2.3 Das Nachwort des Herausgebers

Bei dem Nachwort des Herausgebers handelt es sich um einen öffentlichen, verlegerischen, originalen Peritext. Original bezieht sich hier auf die zeitliche Situierung: Es erschien gleichzeitig mit unserem Text. (vgl. Genette 1989:13) Genette klassifiziert das Nachwort als eine Variante des Vorwortes, weil all diese Texte gemein haben, dass sie „aus einem Diskurs bestehen, der anläßlich des nachgestellten oder vorangestelten Textes produziert wurde“. (ibid.:157) Wenn wir uns nach der Daseinsberechtigung dieses Nachwortes fragen, so ist diese Frage, da es sich um eine Anthologie handelt, leicht zu beantworten:

Ein Aufwertungsmotiv, das aus einleuchtendem Grund den Vorworten von Sammlungen (von Gedichten, Novellen, Essays) vorbehalten ist, besteht darin, die formale – oder häufiger thematische – Einheit dessen aufzuzeigen, was a priori als künstliches oder zufälliges Sammelsurium erscheinen könnte […] (ibid.:195; Hervorh. im Orig.)

61 Nun könnte man noch fragen, wieso kein Vor- sondern ein Nachwort? Der Nachteil eines Vorwortes liegt sicherlich darin, mit der Leserschaft über etwas sprechen zu wollen, was diese noch nicht kennt. Das Nachwort wird tiefgehender gelesen. (ibid.:228f) Wohl schien es dem Herausgeber sinnvoller, der Leserschaft erst nach der Lektüre der „Slowenischen Novellen“ eine (völkische) Interpretation der Autoren und des Gelesenen zu geben.

Im kurzen Nachwort von Dr. Franz Hille wird gleich zu Beginn erzählt, dass dieser Sammelband gar keine Anthologie sein will, die einen literaturhistorischen Überblick über die wichtigsten Dichter und Schriftsteller der Slowenen geben soll. Das Nachwort gibt also Subjektivität bei der Auswahl der Autoren und ihrer Werke durchaus zu, diese Sammlung will vielmehr die deutsche Leserschaft „in den geistigen Raum dieses Landes einführen“. (vgl. Hille 1940:250) Zum anderen gibt es Auskunft über die Kriterien, nach denen die Novellen und Kurzgeschichten für diesen Band ausgewählt wurden. So wurden keine Novellen ausgewählt, die bereits in deutsche Anthologien aufgenommen worden sind. Ein weiteres Kriterium war die „realistische, gegenwartsnahe“ Erzählweise, womit z.B. argumentiert wird, wieso Ivan Pregelj keine Aufnahme gefunden hat, weil seine Bedeutung für die slowenische Literatur „in der geschichtlichen Erzählung“ liegt. Verwiesen wird auch die Ausrichtung der Publikation als Teil einer Reihe. Die „Slowenischen Novellen“ stellen nur den ersten Band einer Reihe jugoslawischer Literatur dar; deshalb ist auch in diesem Nachwort von den Serben, Kroaten und Slowenen, der jugoslawischen Volkskultur etc. und nicht nur von den Slowenen die Rede. (vgl. ibid:249ff) Jeder Autor und die jeweilige Novelle bzw. Kurzgeschichte wird im Nachwort noch erklärt und dem Leserpublikum kurz vorgestellt. An Finžgars Erzählung „Na petelina“ will der Autor des Nachwortes das „starke Naturempfinden der Slowenen“ erkennen können. Ein ebenso „klassisches Bild der slowenischen Berglandschaft und ihrer Bewohner“ zeichnet hingegen Juš Kozak, dessen besondere Stellung als „Herausgeber einer der angesehensten Zeitschriften“ (Anmerkung: „Ljubljanski zvon“) er hervorhebt. (vgl. ibid.:251) Franc Ksaver Meško und Prežihov Voranc präsentiert Hille treffend als ein Gegensatzpaar, das sie ja auch durchaus darstellen: Meško als Geistlicher, – „katholische Geistliche haben überhaupt einen starken Anteil an der slowenischen Literatur“ – erzählt vom religiösen Menschen und der Geborgenheit des Dorfes, der Religion und der althergebrachten Ordnung. Voranc als Gegenpart, wobei Hille jedoch auf keinerlei biographische Fakten

62 Voranc’ eingeht, schildert „den erbarmungslosen Kampf ums Dasein des kleinen Mannes und die für das Slowenentum so wesentliche Frage des Klein- und Kleinstbauerntums“. Auch bei France Bevk tritt zu dem „Problem des kleinen Volkes das Problem des kleinen Mannes“, dem dieser „bedeutendste und fruchtbarste slowenische Schriftsteller nach Cankar“ in die Seele schaut. (vgl. ibid.:251f) In Cankars Erzählung „Desetica“ sieht der Autor des Nachwortes nicht lediglich ein Sinnbild für harte Zeiten, Armut, Heimweh und das Gefühlsleben eines jungen Menschen sowie dessen Beziehung zu seiner Mutter, sondern „die Problematik des Slowenentums“ angesprochen. Hille führt seine recht gewagte und äußerst frei interpretierte These folgendermaßen aus:

In seiner [Cankars] Erzählung klingt die Problematik des Slowenentums an. Es ist die Tragik des kleinen Volkes, das stündlich gegen die Gefahr der Überfremdung anzukämpfen hat. Cankar hebt die Frage der völkischen Behauptung in die höhere Ebene des Geistigen, Sinnbildlichen: Wächterin der völkischen Überlieferung ist die Mutter […] (1940:250)

Alle anderen Geschichten und Autoren werden, zwar im Ton und der Ideologie der damaligen Zeit, des Verlages, aber dennoch einigermaßen treffend und in aller Kürze erörtert. Obwohl Cankars Erzählung die kürzeste in der Anthologie ist, widmet sich Hille ihrer im Nachwort am ausführlichsten und am interpretativsten. Hille interpretiert meiner Meinung nach in ziemlich unpolitische, unideologische Erzählungen eine „völkische Frage“ hinein. Diese Leseart und Interpretation ist natürlich möglich; sie kann einen Teilaspekt ausmachen, allerdings scheint Hille in seiner „völkischen Interpretation“ alle Geschichten über einen „völkischen Kamm“ scheren und ideologisch eindeutiger machen zu wollen, als sie tatsächlich sind. In Bezug auf Voranc kann es sich natürlich um eine bewusste Rechtfertigungsstrategie handeln; schließlich war es kein Geheimnis, dass Voranc damals schon hochrangiges Parteimitglied der KP gewesen ist: Gerade einen „Oberkommunisten“ musste der Autor des Nachwortes dann umso stärker in einem völkischen Licht darstellen. Hille verweist außerdem auch auf zwei Autoren, die sich unter dem nationalsozialistischen Regime großer Beliebtheit erfreuten: zum einen auf den nationalsozialistischen Schriftsteller Hans Grimm, bekannt durch sein Werk „Volk ohne Raum“ und auf den Philosophen der deutschen Romantik Johann Gottfried Herder. Folgendermaßen verweist er auf Herder:

63 Sie [die neue Literatur der Serben, Kroaten und Slowenen] hat die Gedanken Herders und der deutschen Romantik – die Botschaft von der Heiligkeit der Sprache und der Herrlichkeit des Volkstums, des Volkes, und die trunkene Sicht der Weltgeschichte als des „Ganges Gottes über die Nationen“ – in sich aufgenommen, verarbeitet und ins Volk getragen und hat dadurch den wesentlichsten Anteil an der völkischen Wiedergeburt. (1940:249f)

Johann Gottfried Herder (1744-1803) war Philosoph, Dichter, Schriftsteller, Übersetzer und Theologe und ist unter anderem für seine wissenschaftlichen Abhandlungen über Sprache, Kultur, Literatur und Philosophie bekannt. Er gilt als der Begründer Volksliedforschung; sein Interesse galt vor allem slawischen Volksliedern. Herder beschäftigte sich mit den Themen Volk, Nationalbewusstsein und Identität:

Herder erblickte jedes Volk als eine von Gott geschaffene Wesenheit, die nach dem Schöpfungsplan eine unersetzbare Funktion zu erfüllen habe. Gleichzeitig hielt er die Völker für lebendige Spiegel, die nach einem jeweils unterschiedlichen "Brechungswinkel" die ganze Menschheit abbildeten. (Celtoslavica 2006)

Volks- und Nationsbildung sei ohne eine gemeinsame Sprache nicht möglich, bildlich gesprochen der Klebstoff, der alles zusammenhält, ohne den „keine Kulturleistung möglich ist“. (vgl. Sundhaussen 1973: 28f) Durch seine Beschäftigung mit den Themen Volk, Nation, Volkscharakter, Muttersprache etc. wurde Herder während des Nationalsozialismus gerne gemäß der herrschenden Ideologie ausgelegt; so wurde er etwa „– absolut verfälschend – als ‚Liebhaber’ deutschen Volkstums und deutscher Volkspoesie“ dargestellt. (vgl. Andraschke/Loos 2002:237) Ebenso wurde Herder nach dem Zweiten Weltkrieg oft als „angeblicher Begründer des Nationalismus“ uns somit als „Vater dieses Grundübels“ verteufelt. (ibid.: 238) Wer sich aber wirklich mit Herders Schriften auseinandersetzt, soll erkennen können, dass Herder kein „Nationalist und Rassist war, sondern sogar in aufklärerischer Weise nach den Idealen der Humanität und der Völkerverbrüderung gestrebt hatte“. (Fricke/Schmitz zit. n. Andraschke/Loos 2002:237) Zweifelsohne haben also manche seiner philosophischen Konzepte bzw. deren Missinterpretation, vor allem die Betonung der Unterschiedlichkeit der Völker und Sprachen, bei den Nationalsozialisten Anklang gefunden. So zitiert Hille den Ausspruch Herders vom

64 „Gang Gottes über die Nationen“. Michael Zaremba, Gastredner zum Herderjahr 2003, erklärt diesen Gedanken des Philosophen folgendermaßen:

Herder beschwört den „ Gang Gottes über die Nationen“ , versteht den Einzelnen eingebettet in eine Gemeinschaft, die ihrerseits eine organische Ausformung des Gotteswillens darstellt: "Jede Menschliche Vollkommenheit [ist] National, Säkular , und am genauesten betrachtet, Individuell . Man bildet nichts aus, als wozu Zeit, Klima, Bedürfnis, Welt, Schicksal Anlaß gibt ." (2003)

Herders Betonung der Nation muss aber vor dem Hintergrund seiner Zeit verstanden werden; eine Zeit, in der die Einigungsbestrebungen und das Konzept der Nationalstaaten in Mode kamen. Sein umfangreiches Werk und seine Beschäftigung mit dem Thema Volk und Nation lassen viel Interpretationsspielraum – in beide Richtungen: Schon bei der Recherche zu diesem Philosophen fällt die Vielfalt der Zurechnungen und Auslegungen seiner Ideen auf. So verwundert es nicht, dass auch der Nationalsozialismus sich eine eigene Herder-Auslegung zurechtlegte und auf ihn im Nachwort Bezug genommen wird. Eindeutig der Ideologie der Nationalsozialisten zuzurechnen – und nicht nur zum Teil von ihnen (miss-)interpretiert wie Herder – ist der andere erwähnte Autor Hans Grimm (1875- 1959). „Die Literatur der Serben, Kroaten und Slowenen [war] stets eine ausgeprägte Nationalliteratur im Sinne der Forderung Hans Grimms“, meint Hille in seinem Nachwort. (1940:249) In seinem 1925 erschienenen Klassiker der Blut & Boden-Literatur „Volk ohne Raum“ kommt Grimm zu der Erkenntnis, dass alle Probleme Deutschlands nur durch „die Ausweitung des Lebensraumes für das deutsche Volk“ gelöst werden können – hauptsächlich durch Kolonien in Übersee. Dieser Kolonialroman war Pflichtlektüre in den Schulen und der griffige Titel lieferte den Nationalsozialisten ein geeignetes Schlagwort für ihre Expansionspolitik, zwar nicht nach Übersee, allerdings gegen Osten. (vgl. Hillesheim 1993:212) Obwohl Grimm nie eingeschriebenes Parteimitglied der NSDAP war, bezog er doch eindeutig Stellung für die nationalsozialistische Sache; als einziger Roman wurde dieses politische Buch bei der Weltausstellung in Chicago unter der Sparte Deutsche Literatur vorgestellt, was Grimms Bedeutung im Dritten Reich deutlich macht. „Volk ohne Raum“ erzählt die Lebensgeschichte des Deutschen Cornelius Friebott, den es aus der (räumlichen) Enge seiner bäuerlichen deutschen Heimat über die Marine nach Afrika verschlägt, wo er in den Burenkriegen in den deutschen Kampftruppen für die deutschen Kolonien mitkämpft. Er

65 macht beruflich in Diamanten, gründet eine Familie und auf einem Heimatbesuch in Deutschland wird ihm die Notwendigkeit schmerzlich bewusst, dass die Deutschen „ihr Land ausweiten müssen, um eine Chance zum Überleben zu haben“. Diese von Angst erfüllte Sicht auf das Schicksal Deutschlands ist bewusst einseitig aus der Sicht des Bauerntums geschrieben und in der völkisch-nationalistisch typischen Weise werden auch die Juden auf negative Weise als durchtriebene, hinterhältige, nur auf ihren Vorteil bedachte Menschen dem deutschen, hart arbeitenden, ehrlichen Menschen gegenüber gestellt. (vgl. ibid:212ff) Da also Hans Grimm zweifelsohne der nationalsozialistischen Literatur zuzuordnen ist, ist der Verweis Hilles auf ihn in seinem Nachwort ein deutlicher Hinweis auf die ideologische Ausrichtung des Herausgebers Hille bzw. des Verlages. Ebenso sieht sich der Autor auch bemüßigt dem deutschen Leser klar zu machen, um was für ein „Völkchen“ es sich nun bei den Slowenen handelt. Ein „tüchtiges Volk“ mit „der Reife und dem Bildungsgrade eines mitteleuropäischen Volkes [!], das „uns Deutschen durch räumliche Nachbarschaft, Geschichte, Volkskultur, Wesen, Wirtschafts- und Sozialgefüge besonders nahe“ steht. Der jugoslawische Raum liege an „der Scheide zwischen Morgen- und Abendland“ und übe „auf uns Deutsche“ [!] „durch das wunderbare Mosaik seiner verschiedenen Landschaften und Kulturkreise, durch Haltung und Wesen seiner Bewohner und den berückenden Reichtum seiner Volksüberlieferung“ eine besondere Anziehungskraft aus. (Hille 1940:249) Welche Strategie hatte nun der Verfasser dieses Nachwortes? Wieso erschien überhaupt bei einem eindeutig nationalsozialistischen Verlag eine Reihe jugoslawischer Novellen? Vielleicht sollte auf die Unterschiedlichkeit der Völker, Kulturen und Sprachen hingewiesen werden, also die Abgrenzung des Eigenen durch die Betrachtung des Fremden? Das Nachwort als Begleittext sollte wohl erklärend wirken und dem Leser die Einordnung (in völkische Kategorien?) erleichtern. Wenn es dem Verfasser des Nachwortes nur darum gegangen wäre, das deutschsprachige, recht unkundige Publikum in die slowenische Literatur einzuführen, wäre dann ein Vorwort nicht sinnvoller gewesen? Ein Nachwort soll wohl mehr das bereits Gelesene interpretieren, uns bei der Einordnung und Verarbeitung des Gelesenen helfen. Insofern kann die schlichte Tatsache, dass als Begleittext kein Vor- sondern ein Nachwort gewählt wurde, zu verstehen geben, dass es weniger um Erklärungen geht, sondern um eine abschließende „Interpretationsstütze“. Wenn die jugoslawischen Völker für ihr Volkstum und ihre Volkskultur sowie ihre reiche Naturlandschaft gelobt werden, wenn die Tüchtigkeit des slowenischen Volkes betont wird, dann werden damit hochgehaltene deutsche Tugenden, Werte und Wichtigkeiten

66 hervorgehoben. Nicht dass diese Werte per se nationalsozialistisch wären, es handelt sich hierbei indes um von ihnen stark propagierte Wertvorstellungen. Schließlich soll das Nachwort ja erklären, wieso diese Geschichten als wert erachtet wurden, ins Deutsche übersetzt zu werden und dem „völkisch bewussten Leser“, dem Klientel des Adolf Luser Verlages und des „Getreuen Eckarts“, präsentiert zu werden. Die zwei Grundideen, wenn man so will, der „rote Faden“, der also alle Kurzgeschichten und Novellen miteinander verbindet, sind die Natur und das Volk. So wie es auch in den Novellen darum geht (meist mehr um die Natur als um das Volk) so werden auch im Nachwort dieselbigen betont.

Die Zeit, die Ideologie (des Verlages), der Hintergrund vor dem dieses Nachwort verfasst wurde, ist außerdem klar in der verwendeten Lingua Tertii Imperii erkennbar (Siehe ausführlich Punkt 4.1). Beginnen wir mit dem Offensichtlichen: Der Text strotzt nur so vor „braunem“ Vokabular. Auf den knapp vier Buchseiten kommt das Grundwort „Volk“ in verschiedenen Kontexten und Wortformen 18 Mal vor. Von dem aus historischen Gründen heute nicht mehr gebrauchten Adjektiv „völkisch“, über Komposita wie „Volkstum“, „Volkskultur“, „Volksgemeinschaft“ und „Volkskörper“ bis zu Kompositionen wie „völkische Erneuerung“, „völkische Behauptung“, „völkische Überlieferung“ und „völkische Wiedergeburt“. Begriffe und Konzepte „völkische Behauptung“, „völkische Wiedergeburt“ oder die „Gefahr der Überfremdung“ sind Wortschöpfungen von eindeutiger ideologischer Färbung und bezeichnen im sozialen Kontext eindeutig fremdenfeindliche, rassistische Ideen. Diese Bedeutungen haben sich bis heute nicht geändert: 1993 wurde etwa die „Überfremdung“ zum deutschen Unwort des Jahres gewählt, das jedes Jahr einen besonders anstößigen Begriff im politisch-gesellschaftlichen Bereich bezeichnen soll. „Überfremdung wurde von der Sprachkritischen Aktion „Unwort des Jahres“ ausgewählt, da es nach wie vor „die auch undifferenzierteste Fremdenfeindlichkeit argumentativ absichern soll“. (Sprachkritische Aktion „Unwort des Jahres“1993) Ein weniger offensichtliches Merkmal der LTI im Nachwort ist die Generalisierung, wie sie auch in Punkt 5.1.3 erläutert wird. Spätestens als gegen Ende vom „geschlossenen Volkskörper und der lebendigen Volksgemeinschaft“ die Rede ist, wird klar, dass hier in „völkischen Kategorien“ gedacht wird: Herkunft und Nationalität sind nicht ein Mosaikstein unter vielen eines spezifischen Individuums, sondern das entscheidende Unterscheidungsmerkmal ganzer Völker, die sich anhand von Rasse und Sprache

67 unterscheiden. Ständig ist von „den Slowenen“ oder „dem Slowenentum“ die Rede; Begriffe und generische Kategorisierungen, von denen heute oft Abstand genommen wird, da die Problematik einer solchen Generalisierung mittlerweile mehr ins allgemeine Bewusstsein gedrungen ist. Ebenso benennt sich der Autor selbst, den Verlag, das „deutschsprachige Kollektiv“ als „wir Deutschen“. Zwar geht er nicht so weit, für das Kollektiv Bezeichnungen wie „der Deutsche“ und „der Slowene“ zu wählen, aber er schreibt definitiv vor einem ideologischen Weltbild, in dem die entscheidende Kategorie auf Begriffen wie Volk, Rasse, Blut und Boden basiert und die Mannigfaltigkeit der Menschen nicht berücksichtigt wird. Inhaltlich sowie auch sprachlich ist es also ein Leichtes, die inhaltliche Ausrichtung, den Text und das Weltbild seines Verfassers zu verstehen und zu interpretieren bzw. die Vorgabe des Verlages für diese Reihe zu erahnen. Eine weitere provokative These wäre noch jene, dass das Nachwort als ideologisches Feigenblatt vor die Novellen gehalten wurde. Da man den slowenischen Autoren wirklich kein Nahverhältnis zum Nationalsozialismus unterstellen kann, könnte sich der Verfasser des Nachwortes bzw. die Übersetzer bemüßigt gefühlt haben, ein solches ideologisches Nachwort zu verfassen, um das Erscheinen der Novellen zu rechtfertigen. Ein Indiz dafür ist die Bilderbuch-LTI, die überdeutliche Ideologisierung und Interpretation der Novellen.

4.3 Cankars „Desetica“ in deutscher Übersetzung: „Das Sechserl“

Ivan Cankars Kurzgeschichte „Desetica“ erschien erstmals 1912 in der Zeitschrift Slovenski narod . Abgedruckt wurde sie in der Ausgabe vom 20. August 1912 auf Seite 1 und 2. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass der Übersetzer mit dem Abdruck von 1935 im Kurzgeschichtenband „Moja njiva“ (18. Band der Zbrani spisi ) gearbeitet hat, da jener in zeitlicher Nähe zur Übersetzung erschienen ist. Bei den beiden veröffentlichten Abdrucken gibt es jedoch keine nennenswerten Unterschiede (Kürzungen, Auslassungen, Änderungen durch den Lektor etc.). Die Sprache Cankars zeichnet sich durch viele, heute als veraltet klassifizierte Begriffe (siehe SSKJ) und Bezeichnungen aus, wie etwa vzduh anstatt zrak für Luft , tlak für plo čnik, ebenso verwendet er Partikel wie nego oder das Temporaladverb zmirom für zmeraj . Diese Kurzgeschichte wurde 1912 veröffentlicht; ist somit fast 100 Jahre alt und ihr Alter ist in ihrer Ausdrucksweise und ihrem Wortschatz erkennbar. Der Übersetzer fand manch schöne, ältliche Entsprechung für die (aus heutiger Sicht antiquierten) Bezeichnungen: So machte er aus suknji č den Rockschoß (S. 242 AT, 4. Abs./ S. 11 ZT, 1. Abs.) aus vratar den Schuldiener

68 (S. 244 AT, 1. Abs./ S. 13 ZT, 2. Abs.) Erkennen kann man die nicht mehr zeitgemäße Sprache auch daran, dass viele der von Cankar verwendeten Ausdrücke, im Pleteršnik erklärt werden, im etwa hundert Jahre jüngeren Debenjak allerdings keinen Eintrag mehr bekamen wie etwa trenotek anstatt trenutek oder die temporale Konjunktion kedaj für kdaj. Ebenso findet sich bei Cankar sehr häufig die heute nur noch selten, in (älteren) literarischen Texten gebräuchliche Vorvergangenheit predpreteklik .

Nun zur Titel gebenden Münze: Desetica bezieht sich auf Kronen, die damalige Währung der Österreichisch-Ungarischen Monarchie, (1 Krone = 100 Heller). So wurden 20 Heller umgangssprachlich Sechserl genannt. Die sich damals noch immer im Alltagsgebrauch befindlichen Namen für die üblichen Kronenmünzen leiteten sich von den noch älteren Kreuzern ab: Die aus Tirol stammende Kreuzerwährung war nicht nach dem Dezimalsystem unterteilt; 60 Kreuzer bildeten einen Gulden. Daher kommt auch der Bezug zur Zahl 6, und der Name Sechserl wurde auch noch später verwendet, um eine Münze mit der Werteinheit 10 zu bezeichnen. Daraus erklärt sich, dass sich die Bezeichnung für diese gängige Silbermünze im Slowenischen auf die Zahl 10 bezieht ( deset ica), während im Deutschen der Bezug zur Zahl 6 ( Sechs erl) besteht. (vgl. Austria-Forum [2003]) Auch in Deutschland ist der Begriff Sechsling für eine kleine Münzeinheit immer noch verbreitet und bezeichnete ursprünglich sechs Pfennige (vgl. Anumis). Die Übersetzung Sechserl ist also im gesamten deutschsprachigen Raum verständlich, wobei das Suffix –erl allerdings einen Verweis auf Österreich darstellt.

Leider gehen die starken Markierungen im AT verloren, wenn deutsche Worte verwendet werden bzw. auf eine deutschsprachige Umgebung und Erziehung deuten, so wie etwa der Verweis, dass die Schüler etwas über den deutschen Dichter Klopstock lernen (S. 243 AT, 3. Abs./ S. 12 ZT, 2. Abs.). Eine recht starke Kolorierung geht damit verloren, weil deutsche Worte in einem slowenischen Text eine starke Signalwirkung erzielen, in einer deutschen Übersetzung diese dann leider verlieren. So wie an jener Stelle (S. 243 AT, 3. Abs./ S. 12 ZT, 2. Abs.):

V šolski sobi je bilo zelo toplo; ali dišalo je tuje, Im Schulzimmer war es sehr warm, aber es roch neprijetno, Bog sam vedi kakor po besedi: fremd und unangenehm, weiß Gott, irgendwie „Ruhe!“ nach dem Wort: „Ruhe!“

69 Der starke Kontrast im Originaltext zwischen einem slowenischen Protagonisten in einer deutschsprachigen Umgebung geht leider zwangsläufig verloren.

Der Übersetzer tendiert dazu, die Struktur des Textes zu verändern, hauptsächlich geschieht dies durch die Interpunktion; er macht aus einem Satz sehr oft mehrere. Ebenso zieht er manchmal auch Absätze zusammen, die im AT getrennt sind (z.B. S241 AT, letzter Ab + erster S. 242 / S. 10 ZT, 1 Abs. und S. 244 AT, 4 + 5Abs./ S. 13 ZT, 3. Abs.) An folgender Textstelle macht er auch wieder fünf kurze Sätze aus einem ursprünglichen, der bei Cankar durch Semikolons unterteilt ist:

Zeblo me je, ko sem se obla čil; in la čen sem bil; Zitternd kleidete ich mich an . Ich war hungrig . zajutrka nisem imel, drugi trije so ga imeli; iz Ich bekam kein Frühstück . Die drei anderen kuhinje je prijetno dišalo po kavi. bekamen es . Von der Küche drang angenehmer Kaffeeduft herein .

Gekonnt setzt der Übersetzer hie und da Partikel oder Adverbien, die den deutschen Satz abrunden und viel logischer strukturieren. Gerade wenn aus dem Slowenischen ins Deutsche übersetzt wird, kommt es bei gelungenen Übersetzungen oft dazu, da das Deutsche häufiger Partikel setzt als das Slowenische. Die folgenden beiden Textstellen zeigen dies sehr deutlich auf (S. 240 AT, 2. Abs./ S. 7 ZT, 3. Abs.und S. 242 AT, 3. Abs./ S. 10 ZT, 2. Abs.):

Dvanajst ali trinajst let mi je bilo; hodil sem v Ich war zwölf oder dreizehn Jahre alt und ging tretji razred realke. damals in die Realschule.

Šole pa me je bilo strah; u čenje mi ni delalo Vor der Schule aber hatte ich Angst. Das Lernen skrbi, ali vse mi je bilo tam tuje, neprijazno; stal bereitete mir zwar keine Sorgen, mir erschien sem pred u čiteljem kakor razbojnik pred aber dort alles fremd und unfreundlich. Vor dem sodnikom. Lehrer stand ich wie ein Verbrecher vor dem Richter.

Einige Bilder ändern sich durch die Übersetzung. Ein Beispiel dafür sei angeführt; als gleich zu Beginn der Kurzgeschichte die Szenerie des Zimmers mit all seinem Inventar geschildert wird (S. 240 AT, 2. Abs./ S. 8 ZT, 1. Abs.):

70 Štiri postelje so stale ob stenah, med njimi police […] An den Wänden standen vier Betten . Über za knjige, veliki leseni kov čki, skrinjam ihnen hingen die Bücherborde . Dazwischen podobni, omare za obleko , na sredi ogromna standen schrankähnliche hölzerne Kästen und miza, s knjigami in zvezki pokrita; vse to je bilo Kleidertruhen , in der Mitte ein riesiger Tisch, v somraku čudne, popa čene, nekako sovražne der mit Büchern und Heften bedeckt war . Das oblike in je napravilo vtis nepopisne revš čine in alles erhielt durch das Halbdunkel ein žalosti. wunderliches, verschrobenes und fast feindliches Gepräge und sah nach unsagbar bitterer Armut aus .

An diesem Textbeispiel sehen wir zum einen wieder die Vorgehensweise des Übersetzers die Sätze „abzuhaken“, wieder gibt es in der Übersetzung wesentlich mehr, kürzere Sätzen. In diesem Beispiel wurde ein Ausgangssatz in der Übersetzung in vier Sätze unterteilt. Zum anderen werden die Möbel verrückt und verändert: Während sich im AT die Möbel zwischen den Betten befinden, hängen die Bücherregale über den Betten, anstatt dass sie mit den restlichen Möbelstücken zwischen den Betten stehen. Ebenso ändern sich die Möbelstücke selbst: Im AT handelt es sich um truhenähnliche Koffer und Kleiderschränke, in der Übersetzung werden daraus schrankähnliche Kästen und Kleidertruhen . Ebenso gibt es eine kleine Auslassung und damit wieder eine Abschwächung: Die Szenerie zeigt nicht nur die unsagbare Armut, sondern im AT auch noch unsagbare Traurigkeit. Ebenso wird an einigen Stellen wieder abgeschwächt, vor allem an jenen Textstellen, in denen es um die Gefühle und inneren Seelenzustände des Protagonisten geht (S. 239 AT, 1.Abs./ S.7 ZT, 1. Ab). Gut zeigen lässt sich dies am Wort groza :

Časih leže človeku mrko in težko na dušo, tiha Manchmal legt sich eine schwere, düstere, nerazlo čna groza , ki mu vzame vso mo č, vso unerklärliche Beklemmung auf die Seele des radost, vse zaupanje. Menschen und raubt ihm alle Kraft, alle Freude und Zuversicht.

Aus groza (Schauer, Grauen, Entsetzen, Grausen) wird hier lediglich die Beklemmung , die sich zwar sehr gut in die betreffende Textstelle einfügt, aber eben doch eine Abschwächung der Intensität dieses Gefühls bedeutet. Ebenso wird mit groza an anderen Stellen verfahren (beide in S. 241 AT, 2. Abs./ S. 9, 1. Abs.):

71 Tako mi je bilo groza , da sem si komaj upal Ich bekam eine solche Angst , dass ich kaum zu dihati; […] atmen wagte.

Malodušnost se je prelila v obup, v nemo grozo Der Kleinmut wurde zur Verzweiflung, zur pred življenjem , v spoznanje, da drži pot stummen Lebensangst , zu der Erkenntnis, dass nevzdržema nizdol […] der Weg unaufhaltsam zum Abgrund führe, […]

Ähnliches geschieht an selbiger Textstelle, indem der Übersetzer ein wichtiges kleines Adverb auslässt und durch die Partikel ja ersetzt:

Povrnili so se ve čeri, ko sem zaspal z objokanimi Mir fielen die Abende wieder ein, an denen ich očmi; povrnila so se jutra, ko sem se vzdramil in unter Tränen eingeschlafen war, die nisem odprl o či, da bi ne videl dneva, da bi ga Morgenstunden, an denen ich die Augen nicht nikoli ve č ne videl . öffnen wollte, um nicht den Tag zu sehen, um ihn ja nicht wiederzusehen .

Gerade die letzte Textstelle, die eindeutig einen depressiven, todessehnsüchtigen Gedanken beschreibt, wurde verwaschen, als würde der Übersetzer das Tabuthema Depression eines Kindes / Jugendlichen herunterspielen wollen. Man ist versucht zu sagen, der Übersetzer milderte die Intensität der Depression ab, oder aber er ging vielleicht davon aus, dass man denselben Effekt, dieselbe Intensität im Deutschen mit weniger Worten erzielen könne, dass man nicht so dick auftragen müsse. Eher selten verstärkt der Übersetzer die Aussage des AT, wohl aber weil es sich um sehr schöne feststehende Wendungen im Deutschen handelt: Etwa die „bittere Armut“ anstelle von nur revš čina oder „wir hausten schon das zweite Jahr miteinander“ für že drugo leto smo stanovali in spali v eni izbi (S. 240 AT, 2. Abs./ S. 8 ZT, 1. Abs.). Einmal ändert der Übersetzer an einer Stelle von einer passivierenden Form zu einer aktiven, lässt den Protagonisten zu einem aktiv Handelnden werden, wogegen er im AT lediglich von außen empfängt (S. 244 AT, 4. Abs./ S. 13 ZT, 3. Abs.):

Ko sem pismo dobil , so se mi roke tresle in skril Als ich nach dem Brief griff , zitterten meine sem se k oknu, da bi ne videlo tega svetega pisma Hände. Ich zog mich zum Fenster zurück, damit nobeno nevredno oko. diesen heiligen Brief keine unwürdigen Augen erblickten.

72 Bei dieser Textstelle handelt es sich um ein an und für sich kleines, recht unbedeutendes Detail, allerdings kann man es auch in einer Reihe von Abschwächungen und Aktivierungen betrachten; der Ich-Erzähler wird aktiver, weniger depressiv, weniger ängstlich, weniger passiv dargestellt als im Originaltext.

Ideologisch eingefärbte Vokabel, Ausdrücke oder Umdeutungen zugunsten einer solchen Ideologie – also LTI – konnten keine festgestellt werden. Dass der Kontrast zwischen deutschsprachiger Lebens- und slowenischer Gefühlswelt etwas verloren geht, kann man nicht wirklich eine bewusste ideologische Änderung nennen; es handelt sich dabei eher um ein metasprachliches Problem, um ein „Lost in Translation“, da deutsche Wörter in einem deutschen Text ihre Signalwirkung verlieren, die sie in einem slowenischen durchaus haben.

4.4 Finžgars „Na petelina“ in deutscher Übersetzung: „Die Jagd auf den Auerhahn“

Franc Saleški Finžgars Kurzgeschichte „Na petelina“ wurde erstmals in der Zeitschrift „Dom in Svet“ 1910 veröffentlicht und erschien in einem Nachdruck in der Jagdzeitschrift „Lovec“ im Jahr 1914. Entstanden ist die Erzählung allerdings auf Bitte der Jagdzeitschrift „Lovec“ hin, die 1910 Finžgar um seine Mitarbeit, um „Jägerbelletristik“ („Leposlovje lovskega značaja“) bat. (vgl. Šifrer 1981:509) Außerdem ist sie in den „Zbrani spisi“, in den gesammelten Werken des Autors zu finden, die zwischen 1922 und 1943 erschienen sind. Auch hier stellte sich wieder die Frage, welche dieser Vorlagen der Übersetzer für seine Arbeit herangezogen hat, am wahrscheinlichsten schien der Abdruck in den „Zbrani spisi“, da diese Ausgabe auch in zeitlicher Nähe zu der Übersetzung erschienen ist. Laut Šifrers Anmerkungen im kritischen Apparat der „Zbrano delo“ wurde die Erzählung „Na petelina“ für die Zbrani spisi von Finžgar abgeändert: So wurde sie in Wortschatz und Satzstellung den zeitgemäßen Normen angepasst, für bestimmte Begriffe wurden „bolj doma či izrazi“ gewählt, sprich Fremdwörter durch slowenische ersetzt; außerdem wurden einige Sätze und Passagen gestrichen um die Erzählung bündiger zu gestalten. Auch der Titel wurde verändert: aus „Nad petelina“ wurde erst für die Zbrani spisi „Na petelina“ (vgl. 1981:509f) Deshalb ließ sich nach kurzem Vergleich der älteren Version („Dom in svet“ von 1910 und „Lovec“ von 1914 sind idente Nachdrucke) und der Zbrani-spisi-Version sagen, dass der

73 Übersetzer wider Erwarten doch die ältere Zeitschriftenversion verwendet haben muss. Es finden sich viele Satzteile bzw. ganze Sätze, die in der älteren Version und in der Übersetzung zu finden sind – in der Zbrani-spisi-Version allerdings nicht mehr. Hierzu gleich zu Beginn der Erzählung zwei Beispiele:

Ältere Version von 1910/1914: Version der Zbrani spisi, Übersetzung, 1940: 1929: Kot rani popotniki smo šli svojo Kot rani popotniki smo šli svojo Wie frühe Wanderer gingen wir pot. Nismo se pozdravili, ne pot. Nismo se pozdravili, ne jeder unseres Weges. Wir odgovorili in vprašali: kam. Za odgovorili in ne vprašali: kam. grüßten einander nicht, tajnimi cilji smo šli vštric in z [Auslassung] sprachen einander nicht an und nami je šlo nemo hrepenenje. fragten nicht, wohin. Einem Zato potok ni šumel, kakor Zato potok ni šumel, kakor heimlichen Ziel ging jeder šumi ob belem dnevu […] šumi ob belem dnevu […] geradewegs zu, ihm galt seine Sehnsucht. Und so rauschte auch der Bach nicht wie am hellen Tage.

Selbiges an folgender Textstelle; (alle vorgenommenen Änderungen sind außerdem auch hervorgehoben):

Ältere Version von 1910/1914: Version der Zbrani spisi, Übersetzung, 1940: Celo zvezde na ozki progi neba 1929: se niso g anile in se niso Cel ò zvezde na ozki progi neba Auch die Sterne auf dem utrinjale, in je vendar žarelo iz se niso g enile in se niso schmalen Himmelsstreifen über njih s čudovitim ognjem. Vse, utrinjale, a je vendar žarelo iz mir bewegten sich nicht, und vse – samo kipe če koprnenje! njih s čudovitim ognjem, ki je doch glühte in ihnen ein gorel čisto nizko. heimliches Feuer. Ist nicht [Auslassung] alles nur brodelndes Sehnen?

Weitere Indizien, dass der Übersetzer die ältere Version verwendet hat, finden sich in den Textstellen, die laut Šifrer später mit „bolj doma či izrazi“ ersetzt wurden – in der Übersetzung finden sich Hinweise darauf, dass er die älteren Varianten vor sich hatte: himna ljubezni (S. 45 AT, 2. Abs.) ist die „Hymne der Liebe“ (S. 22 ZT, 3. Abs.) – in Zbrani spisi

74 wurde dies zu pesem o ljubezni, oder die mit Ode übersetzte oda wurde erst später zu pesem (vgl. 1981:509). Auch wird ausgeführt, welche längeren Passagen der Autor für die Zbrani-spisi- Version gestrichen hat (Šifrer 1981:510) – Passagen, die in der Übersetzung aber auch vorkommen, also muss er zweifelsohne mit der älteren Version gearbeitet haben.

Auch bei Finžgars Sprache lassen sich wieder einige antiquierte Ausdrücke, einige wenige landschaftliche Bezeichnungen und stilistische Besonderheiten beobachten. Veraltet sind laut SSKJ Ausdrücke wie hentano für vermaledeit, verflixt; vzto čen statt vzhoden. Einige der archaischen Ausdrücke werden heute als Serbokroatismen wahrgenommen, wie etwa der Partikel nego statt kot; das Fragepronomen jeli; kist für čopi č; lice statt obraz; die Konjunktion do čim statt medtem. Bei Pleteršnik, nicht jedoch im Debenjak sind verzeichnet: oprezovati für auskundschaften, ausspähen; črez statt čez; izpregovoriti statt spregovoriti; solnce statt sonce; trenotek statt trenutek; črezdalje für čedalje. Auch der Übersetzer verwendet an mancher Stelle antiquiertes Vokabular: etwa versteint statt versteinert. Ein weiteres Beispiel für veraltete oder frauenverachtende Sprache (siehe Duden) – je nach Interpretation – ist die Übersetzung der ljubica mit Liebchen . (S. 62 AT, 3. Abs.V.u. / S. 27 ZT, 2. Abs.): Liebchen ist klar archaisch, aber auch viel verächtlicher, sarkastischer und geringschätziger als etwa Geliebte . Beispiele für ein landschaftlich-veraltete Bezeichnungen wären starešina für Trauzeuge und als gehoben gelten Ausdrücke wie die Konjunktion dasi oder loza für gozd. Der Auerhahn heißt zwar eigentlich den Wörterbüchern nach divji petelin, in Finžgars Novelle dagegen ist immer nur die Rede von petelin ; da außer Frage steht, um welche Art von Hahn es sich hier handelt, um den seltenen, schwer zu schießenden, menschenscheuen, prächtigen Auerhahn, wird einfach nur petelin als Proform weitergeführt. Sowohl Autor als auch Übersetzer mussten sich in der Jägerwelt wohl gut ausgekannt haben; Begriffe aus der Jägersprache, Details aus der Botanik oder dem Verhalten von Auerhähnen wurden treffend ins Deutsche übersetzt. So etwa schleift oder wetzt und schnalzt der Auerhahn in seiner Balzarie, auf Slowenisch brusiti – und mlaskati . So genau der Übersetzer manchmal ist, so kommt es an anderen Stellen wieder zu (Flüchtigkeits-) Fehlern, so wurde der Ochs z. B. zum Stier. (S. 44 AT, 4. Abs./ S. 20 ZT, vorl. Abs.):

75 „Je tudi res. Zakaj pretkani so stari petelini. Po „Ja, die alten Hähne sind überaus schlau. Es trebuhu ti zakruli, brrr – pa zleti. Vse sliši, hudir! braucht einen nur der Magen zu knurren – brrr, Mladega naskakavati – igra ča. Nori in brusi in schon ist er auf und davon. Alles hört dieser poka tjavendan, da bi na volu prijezdil podenj. Teufel. Sich an einen jungen heranzupirschen, ist Prav zares“ ein Kinderspiel. So ein junger verliert den Verstand und schleift und lärmt in die Welt. An so einen könnte man heran, selbst wenn man auf einem Stier ritte. Wahrhaftig!“

Der Übersetzer findet oftmals standardisierte Entsprechungen im Deutschen. Etwa an einer Stelle als es über „Stock und Stein“ geht (im AT „gor in dol“) (S. 64 AT, letz. Abs./ S. 31 ZT, letz. Abs.) Selbiges passiert im nächsten Beispiel, in dem der Übersetzer für denselben Inhalt schöne sprachliche, standardisierte Bilder im Deutschen gefunden hat. Er ersetzt das ursprüngliche, vielleicht rauere und frischere Bild mit der Seeoberfläche und dem Marmor durch das stereotype Schall und Rauch – zusätzlich wird aus dem Phrasem dejanje in nehanje das Phrasem „alles Tun und Wollen“ (S. 45 AT, 4. Abs./ S. 23 ZT, 1. Abs.):

[…] – v pesmi ljubezni, ki je edina mo čna in […] einem Lied von der Liebe, die stark und mogo čna, za četek in konec dejanja in nehanja , mächtig ist, die Anbeginn wie Ende alles Tuns ki se ne piše v jezersko gladino, ampak kleše v und Wollens ist, deren Namen allein nicht marmor ... Schall und Rauch , sondern wie in Stein gemeißelt ist …

Umgekehrt löst er Inhalte sprachlich anders auf, für die es im Deutschen keine direkte Entsprechung gibt. Im folgenden Beispiel gibt es keine Verb-zu-Verb-Entsprechung, also löst er diese Stelle anders (S. 44 AT, 6. Abs./ S. 21 ZT, 1. Abs.):

„Ni č se še ne mudi. Lahko se pogrejete ob ognju. „Es eilt noch nicht. Sie können sich etwas am Je mrzlo, da bi se mi skoro zanohtalo!“ Feuer wärmen. Es ist so kalt, daß es mir beinahe unter die Nägel gekrochen wäre !“

An einer weiteren Stelle, in der der Auerhahn beschrieben wird, vereindeutigt der Übersetzer eine Metapher (S. 45 AT, 4. Abs./ S. 23 ZT, 1. Abs.):

76 In on [petelin], ki je mol čal ob polnopogrnjeni Und er, der stumm blieb im harten Winter , der mizi , in on, ki ni vzdihal, ko se je čala debla v nicht seufzte, als die Bäume im Sturme ächzten, burji , ki ni bežal, ko so bežali tiso či […] der nicht floh, als Tausende flohen, […]

Möglicherweise ist dem Übersetzer hier ein Denkfehler unterlaufen, da der voll gedeckte Tisch wohl eher ein Gleichnis für den üppigen Sommer – und nicht für den harten Winter – sein soll. Auf alle Fälle handelt es sich hier aber mit „im harten Winter“ um eine Vereindeutigung, wenn auch möglicherweise um eine falsche – egal worauf sich nun der AT genau beziehen wollte. Interessant an diesem Textauszug ist auch der Umgang mit dem Bora- Wind – da wohl nicht davon ausgegangen werden kann, dass jeder deutschsprachige Leser die Bora kennt – hier wurde offensichtlich von einem anderen Weltwissen ausgegangen und deshalb einfach nur von einem Sturm gesprochen. An einigen Stellen ändert der Übersetzer, scheinbar unwichtige Details ab, ob ihm aus Flüchtigkeit Fehler unterlaufen sind oder er diese Textstellen aus ästhetischen oder logisierenden Gründen geändert hat, sei dahingestellt. Jedenfalls ist kein Grund für diese Änderungen ersichtlich:

Temni obrisi gozda so rastli od bregov v vedno Die dunklen Umrisse des Waldes wuchsen und razlo čnejšnih konturah. Vrh gore se je rodila iz wurden immer deutlicher. Am Gipfel des Berges teme siva cerkvica. löste sich ein weißes Kirchlein aus dem Grau . (S. 45 AT, 3. Abs.v. u. / S. 23 ZT, letz. Abs.)

Treba je bilo po čakati . Zakaj noga je stopila v Man mußte vorsichtig sein , denn der Fuß hatte odlo čilno okrožje. bereits die Gefahrenzone betreten. (S. 61 AT, 6. Abs./ S. 25 ZT, 2. Abs.)

Tri krepke sunke – iz kotanje sva, na robu čepiva, Drei mächtige Sätze, und wir sind aus der kakor okamenela, pogled v tla . Furche. Am Rande hocken wir wie versteint, den Blick ins Tal gerichtet . (S. 62 AT, 3. Abs./ S. 26 ZT, 1. Abs.)

Veja se je šibila in gugala, petelin je strigel Ein Ast war gebogen und schaukelte. Der Hahn poganke in jih metal objestno na tla. zwickte die Knospen ab und warf sie zornig zur Erde. (S. 65 AT, 8. Abs./ S. 32 ZT, letz. Abs.)

77 Am Ende der Erzählung, nachdem der Ich-Erzähler den tödlichen Schuss auf den Auerhahn abgefeuert hat, wurde auch wieder etwas ausgelassen – hier wohl aus Kalkül, schließlich sollte niemand Mitleid mit dem Auerhahn bekommen (S. 65 AT, vorl. Abs./ S. 33 ZT, vorl. Abs.):

„Prižgite!“ „Feuer!“ Dobrava je jeknila… Das Astwerk ächzte… Petelinu je klonila glava na prsi, kjer je za čutil Dem Hahn fiel der Kopf auf die Brust peko čo bole čino… [Auslassung] … Zadnja pesem – solncu, zadnji pogled – na to Das letzte Lied – der Sonne, ein letzter Blick vro če srce… [Auslassung] …. Nato je omahnil… Und er sank zusammen…

Es fehlt nicht nur der brennende Schmerz des Vogels, sondern auch das Gleichnis von der Sonne als heißes Herz. Verweise auf christliche Inhalte, die ohne groß zu überraschen, beim katholisch- geistlichen Autor Finžgar vorkommen, werden vom Übersetzer ausgelassen. So wie an folgender Textstelle, in der ein Verweis auf das Buch der Richter und die Vernichtung der Benjaminiter im Alten Testament gemacht wurde (vgl. Bibleserver) – eine Szene, in der aus der Stadt Gibea eine große Rauchsäule emporsteigt (S. 43 AT, 7. Abs./ S. 19 ZT, 2. Abs.):

Tedaj se je hipoma dvignil na ovinku iz gozda Da erhob sich plötzlich aus einem Waldwinkel steber sivega dima in v motnih obrisih kipel eine Rauchsäule, die in trüben Umrissen in die kvišku, miren in resen, kakor v davnih dneh Höhe quoll, ruhig und ernst. pred Izraelci v puš čavi. [Auslassung]

An folgender Textstelle wird ein weiterer christlicher Verweis teilweise getilgt; die übrig bleibenden Fragmente verlieren damit christliche Eindeutigkeit (S. 43 AT, 5. Abs./ S. 18 ZT, letz. Abs.):

Za čul sem jasno klic vstajenja , zahrepenelo se Klar vernahm ich den Ruf der Auferstehung . mi je po življenju. – Po življenju, kateremu ni Ich spürte eine Sehnsucht nach dem Leben, nach križana vsaka minuta , po življenju, ki ni einem Leben ohne stündliche Pein , nach einem kaljeno z grenkostjo, po življenju brez krvavih Leben ohne Bitternis, nach einem Leben ohne ran in umazanega blata... blutige Wunden , Schmutz und Kot…

78 Zwar wurden die Auferstehung und die blutigen Wunden im Text beibehalten, aber ohne den Verweis auf die „gekreuzigten Minuten“ verliert sich spätestens bei den blutigen Wunden der klare christliche Verweis auf die Wunden Jesu Christi – obwohl natürlich mit „dem Leben ohne stündliche Pein“ eine schöne treffende Lösung gefunden wurde. Bei einer weiteren Beschreibung der Schönheit der Natur wurden die göttlichen Hände gelöscht (S. 45 AT, 3. Abs./ S. 22 ZT, vorl. Abs.):

Gora se odene v so čno zelenje, iz božjega Der Berg kleidet sich in saftiges Grün. periš ča se nasuje krme na bogato po zemlji , v [Auslassung] In stiller Mondnacht spielen die tihi mese čini se poigravajo topli valovi poletja lauen Wellen des Frühlings […] […]

Nicht nur Gott, auch zwei Gleichnisse von Kindern und Künstlern sind von Streichungen betroffen, wenn der Autor im folgenden Beispiel über die Liebe spricht; das Gleichnis wurde abgeändert und gestrafft, etwa wird aus einer Blume eine Fee gemacht. Wieso Kinder und Künstler weichen müssten, ist nicht ersichtlich, vielleicht ging es dem Übersetzer um ästhetische Belange (S. 63 AT, 4. Abs./ S. 28 ZT, 3. Abs.):

Morda misli o ljubezni, kateri je prepeval že peto Gedanken von der Liebe etwa, deren Hymne er pomlad himno s krone teiste bukve? O ljubezni, nun schon den fünften Frühling von der Krone katera edina oslepi, da ne vidi smrti, ampak vidi der hohen Buche aus ins Tal schmetterte? Von samo cilj in življenje! O tisti ljubezni, ki daruje der Liebe, die allein ihn so blind macht, daß er sebe, da nasiti druge; ki zida iz potnih srag nicht mehr den Tod sieht, sondern nur ein Ziel: lastne krvi otrokom hiše . Ki strada, pa ne čuti das Leben! Von der Liebe, dich sich opfert, um gladu, ki je psovana, pa ne sliši klevet, ki hodi den anderen zu sättigen [Auslassung] , die preko grobov, pa se ne trese pred smrtjo! O tisti hungert und den Hunger nicht spürt, die edini za četnici vsega velikega, ki lije mo či v geschmäht wird und darauf nicht achtet, die über dušo, da umetniku ne odpade kist, dasi je Gräber schreitet, vor dem Tode nicht zittert; von padlo od zle roke blato na njegovo platno , o der Liebe, dem alleinigen Urquell alles Großen, tisti roži mogo čni, ki sprejme kamen za kruh in die die Seele mit Kraft überströmt, [Auslassung] ka čo z ribo in vrne za kletev blagoslov. der mächtigen Fee , in deren Hand der Stein zum Brot und die Schlange zum Fisch wird, die den Fluch zum Segen wandelt.

79 Auch bei der Übersetzung dieser Erzählung sind es keine nennenswerten Hinzufügungen oder Verstärkungen zu erwähnen; zu Shifts kommt es eindeutig eher in die andere Richtung, es wird abgeschwächt und ausgelassen. Grundsätzlich gibt es wenig über Änderungen, LTI oder ideologisch motivierte Streichungen bei dieser Geschichte zu berichten. Inhaltlich bietet Finžgars Erzählung wohl nicht so viel Spielraum oder „Änderungsbedarf“ wie andere Novellen, wie noch in den folgenden Kapiteln zu sehen sein wird.

4.5 Bevks „Bajtar Mihale“ in deutscher Übersetzung: „Der Keuschler Mihale“

Von France Bevk liegen leider keine Gesamtausgabe seiner gesammelten Werke, keine „Zbrani spisi“ oder ähnliches vor. Seiner Novelle „Bajtar Mihale“ erschien 1938 in einer Sammlung Kurzgeschichten in der „Biblioteka za pouk in zabavo“ in mit dem Titel „Bajtar Mihale in drugi spisi“. Weitere Nachdrucke wurden erst wesentlich später veröffentlicht, so dass man in diesem Falle davon ausgehen kann, dass der Übersetzer diesen Abdruck als Vorlage für seine Übersetzung verwendet haben wird; für die folgende Analyse wurde auch mit dieser Veröffentlichung gearbeitet.

Auch diese Novelle beinhaltet antiquiertes, landschaftliches und gehobenes Vokabular, allerdings ist die Sprache Bevks nicht so stark regional markiert wie bei Voranc oder so stark antiquiert wie bei Cankar oder Meško. Vielfach findet man im SSKJ als gehoben markierte Ausdrücke (knjiž.), wie etwa slednji č statt kon čno , obed statt kosilo, die Präposition raz für iznad, tenja für senca, po česka statt pri česka. Ebenso enthalten sind landschaftliche Ausdrücke wie prebleš čen für bled und „niti dati črne palanke “, vrnica für das Heu der ersten Mahd, camariti dež für hudo deževati (wofür im SSKJ sogar jeweils Bevk als Beispiel angeführt wird) und veraltete Schreibweisen wie kov čeg statt kov ček , pokoncu für pokonci, ako für če. Die antiquierte Ausdrucksweise trifft der Übersetzer in seiner Übertragung sehr gut, wenn er etwa von der Maienzeit , dem Marktflecken, der Schenke , von des Keuschlers Weibe spricht. Auch finden sich in der Übersetzung dieser Novelle wieder süddeutsche, österreichische Nuancen, etwa Bühel für pobo čje anstatt Hügel (S. 37 ZT, 1. Abs.), Erdäpfel für Kartoffel (S.46 ZT, 1. Abs.).

80 Oftmals findet der Übersetzer ansprechende, standardisierte sprachliche Bilder im Deutschen, die im AT umständlicher oder anders ausgedrückt wurden; etwa wenn (S. 30 AT, let. Ab./ S. 73 ZT, 3. Abs.) „die Möglichkeit dahin ist, Luftschlösser zu bauen “ („graditi nove sanje“) oder „Mihale vor Haß barst“ (bila ga je sama mržnja) (S. 38 AT, 3. Ab, / S. 83 ZT, 1. Abs.) oder wenn (S. 29 AT, let. Abs./ S. 72 ZT, 3. Abs.) „sein ganzer Trost wie ein Kartenhaus zusammenbrach“ (tolažba, ki je podrla kot hišica, ki so si jo iz tresk postavili otroci). Beim letzten Beispiel gerade wurde allerdings stark eingeebnet und der Text ein bisschen weniger – aus einem frischen, unkonventionellen Bild, das eines von Kindern gebauten Häuschens aus Reisig, das zusammenfällt, wird eine übliche Phrase. Auch bei dieser Novelle wurde in der Übersetzung wiederholt die Absatzstruktur geändert; zwei Absätze zu einem zusammengezogen (S. 6. AT, 2+3. Abs./ S. 41 ZT, 2.Abs.) (S. 37 AT, 1 + 2. Abs./ S. 81 ZT, 2. Abs.) und ebenfalls wieder aus einem zwei gemacht (S. 11 AT, let. Abs./ S. 48 ZT, 3+ 4. Abs.). Auch fehlen auf S. 20 AT / S. 59 ZT und S. 48 AT / 95 ZT die Abteilungen in ein neues Kapitel, das durch Sterne getrennt wird. Hie und da verwendet der Übersetzer eine Partikel mehr und rundet damit stilistisch wie auch inhaltlich so manchen Satz ab (S. 20 AT, 1. Abs./ S. 59 ZT, letz. Abs.):

Mihale ni bil vajen trdega kme čkega dela; Mihale war schwere Bauernarbeit nicht gewohnt. utrujalo ga je, a iz dneva v dan se mu je privadil. Sie ermüdete ihn anfangs sehr, mit der Zeit gewöhnte er sich aber an sie.

Auch in dieser Übersetzung kommt es zu Perspektivenwechseln, zu Änderungen des Agens, wie an folgender Stelle, als seine Frau im Sterben liegt (S. 9 AT, 4. Abs./ S. 45 ZT, 3. Abs.):

Malija je bila zdaj boljša, zdaj slabša, vse dni ni Malija ging es bald besser, bald schlechter, aber mogla vstati. Poklicali so zdravnika, ki se je aufstehen konnte sie nicht. Sie hatten den Arzt dvakrat na teden vozil skozi dolino. Verjeli so , rufen lassen, der nun zweimal in der Woche das da ji je to le škodovalo . Tal heraufkam. Sie war aber davon überzeugt, daß es ihr nur schade .

Auch an folgender Stelle ergibt sich eine Änderung des Agens. Nachdem er vergeblich versuchte hatte, sein Ödland zu roden, sitzt Mihale verzweifelt und fluchend am Feld. Als die Nachbarsbäuerin kommt, ist es ihr im AT unangenehm, ihn so zu sehen, in der Übersetzung

81 ändert sich die Situation: Plötzlich ist es ihm unangenehm, so gesehen zu werden (S. 18 AT, 3. Abs./ S. 57 ZT, 3. Abs.):

Za čudena ga je gledale [sic!] v srdite osramo čene Erstaunt blickte sie ihm in die zornigen, oči... Bilo ji je nerodno, vzdihnila je in se ozrla verlegenen Augen… Das war ihm unangenehm. po pustoti. Er seufzte auf und blickte ins Ödland. „Nov laz?“ „Eine neue Rodung?“

Zu zwei größeren, interessanten Auslassungen kommt es, als Mihale betrunken im Wirtshaus sitzt und zu singen beginnt (S. 5 AT, vorl. Abs./ S. 40 ZT, letz. Abs.):

Poklical je četrto mero. Er bestellte das vierte Maß. „Odpiraj dekle kamrico, [Auslassung] saj veš mojo navadico...“ Dvigal je kozarec, po kr čmi se je razlegala Er schwang den Becher, durch die Schenke klang hripava pesem. heiser ein Lied.

Das angestimmte Volkslied wird einfach ausgelassen; wohl sah sich der Übersetzer mit einer schwierigen Situation konfrontiert: Entweder das slowenische Lied belassen – was wohl kaum zur Verlagslinie und zur gängigen Vorgehensweise damals gepasst hätte – oder der Versuch einer Nachahmung (zusätzliche Schwierigkeit: der vorhandene Reim) oder die Substitution mit einem deutschen Volkslied, was allerdings die Geschichte völlig ihres (slowenischen) Kontextes entrissen hätte. Möglichkeit eins schied wohl wegen der äußeren Umstände aus, Möglichkeit zwei ließ sich sprachlich schwer verwirklichen und Möglichkeit drei wollte der Übersetzer wohl nicht. Also entschied er sich wahrscheinlich – so eine mögliche Interpretation – für eine Auslassung. Selbiges geschieht und gilt auch noch einmal an folgender Stelle (S. 16 AT, unten / S. 55 ZT, 3. Abs.):

Naslednjega dne je Mihale že pijan sedel v Am nächsten Tage schon saß Mihale mit einem kr čmi. Hripavi glas se mu je divje trgal iz grla in Rausch im Wirtshaus. Sein heiserer Gesang odmeval pod nizkim stropom. hallte durch die niedrige Stube. „Ljub’ca na sred’ morjá, [Auslassung] rada bi moja b’la…“ „Ni lepo, da tako razsajaš in poješ“, se je oglasila „Es ist nicht schön von dir, daß du so tobst und kr čmarica. lärmst“, zürnte die Wirtin.

82 Ein weiteres Beispiel – dieses Mal kein Lied aber ein Sprichwort – findet sich auf S. 45 AT, 3. Abs./ S. 91 ZT, 5. Abs. im Gespräch zwischen Mihale und dem Pologar-Bauern um den Verkauf der Keusche. Hier gibt es zwar keine wortwörtliche Entsprechung für das slowenische Sprichwort im Deutschen; der Übersetzer fand aber eine inhaltlich treffende Lösung, ein ähnliches Sprichwort – des Menschen Wille ist sein Himmelreich:

„Kakor ho čes. Saj te ne silim! Tvoja glava, tvoj „Wie du willst. Ich zwinge dich nicht. Dein svèt . [...]“ Wille ist dein Himmelreich . […]“

Der Übersetzer logisiert an mancher Stelle wie z.B. in der Textpassage, als Mihale in der Schenke sitzt und trinkt (S. 5 AT, letz. Abs./ S. 40 ZT, letz. Abs.):

Zavest mu je ugasnila kot leš čerba v sapi, pijane Das Gewissen war wie ein Licht im Winde oči so mu iskale tujih obrazov, ki jih je klical k ausgelöscht. Die trunkenen Augen suchten nach sebi in jih napajal. Opotekal se je iz kr čme v bekannten Gesichtern, die er anrief und denen er kr čmo […] zutrank. Er wankte von Schenke zu Schenke.

An anderer Stelle wird durch eine scheinbare Logisierung die Schilderung der Szene verändert. Nächtens, betrunken, am Heimweg beginnen Pologar und Mihale sich zu prügeln (S. 45 AT, letz. Abs./ S. 92 ZT, 3. Abs.):

Pologar je stiskal pesti, a Mihale je dvignil Pologar ballte die Fäuste und Mihale hob den okleš ček. Pologar je bil hitrejši, prisko čil je in ga Prügel. Pologar aber war schneller. Er schlug udaril s pestjo, da mu je okleš ček zletel iz rok ihm mit der Faust den Stock aus der Hand, in se mu je črno naredilo pred o čmi . daß es Mihale dunkel vor den Augen wurde .

Im AT wird Mihale so fest geschlagen (ins Gesicht? in die Brust?), dass er infolgedessen den Prügel fallen lässt und ihm schwarz vor Augen wird. In der im ZT evozierten Szene schlägt Pologar ihm auf die Hand bzw. den Stock aus der Hand und deshalb wurde ihm schwarz vor Augen, was etwas unlogisch anmutet.

Zu einer interessanten Auslassung kommt es an folgender Textstelle, weil wohl ein anderes Weltwissen angenommen werden konnte. Mihale erzählt, seine Tochter würde einen Lokführer heiraten und der Autor fühlte sich beim Schreiben der Novelle wohl bemüßigt, zu erklären, was das sei. Außerdem enthält diese Stelle einen (Flüchtigkeits-)Fehler bei der

83 Interpretation des AT – da offensichtlich pla ča (Lohn, Gehalt) als pala ča (Palast) gelesen wurde (S. 25 AT, 3. Abs./ S. 67 ZT, 3. Abs.):

„Da. Nekega strojevodjo je vzela. Veste, takega, „Ja, einen Lokomotivführer hat sie genommen. ki vozi vlake…“ Einen Zugführer .“ „Tak mora imeti lepo pla čo.” „Der muss einen schönen Palast haben.“

Der Übersetzer empfand es wohl offensichtlich nicht als notwendig, einem deutschen Leser 1940 zu erklären, was ein Lokführer sei. Im Zeitraum, in dem die Novelle eingebettet ist, wird es sich aber bei der Eisenbahn im slowenischen Raum um ein recht neues Phänomen gehandelt haben.

Zu den bemerkenswertesten Änderungen kommt es in der Charakterisierung des Keuschlers bzw. in der Darstellung seiner Beziehung zu seiner Frau, seiner Tochter, seinem Nachbarn. Mihale ist ein Antiheld, ein schwacher Mann der sich selbst und seine Trunksucht nicht im Griff hat, die Schuld für seine missliche Lage bei anderen sucht; seine Frau leitet die finanziellen Angelegenheiten und er ist Befehlsempfänger; das Kommando hat – wohl aus gutem Grund – sie. Eine derartige Männerdarstellung widersprach wohl dem in der NS-Zeit vorherrschenden Verständnis von Rollenbildern. Mehrere Änderungen und Auslassungen an solchen Textstellen deuten darauf hin, dass der Übersetzer versucht, Mihale in einem etwas besseren Licht dastehen zu lassen. Zu einem solchen Shift in der Charakterisierung des Keuschlers Mihale kommt es gleich zu Beginn der Novelle, als seine Frau ihn die Kuh verkaufen schickt (S. 4 AT, 1. Abs./ S. 38 ZT, 2. Abs.):

Razmišljanje mu je bilo zmeraj nadležno , a Er war kein Freund schwerer Gedanken , aber tedaj se mu je le namršilo čelo. Na pomlad nun verdüsterte sich seine Stirn. Im Frühjahr soll prodaja kravo, ki je za čela pripuš čati? er die trächtige Kuh verkaufen?

Während im AT dem Keuschler Nachdenken immer lästig ist, ist er in der Übersetzung lediglich kein Freund schwerer Gedanken. In der Übersetzung wird er als ein heiterer und eigentlich kluger Mann – weil er sich offensichtlich nicht unnötig ärgert – dargestellt; im Originaltext wird gleich zu Beginn ein viel negativeres Bild von ihm gezeichnet: Eigentlich ist er ziemlich dumm und beschränkt und überlässt alle Entscheidungen seiner Frau.

84 Ebenso an einer weiteren Textstelle: Als er nach seinem tagelangen Saufgelage wieder zur Besinnung kommt, geht Mihale nach Hause. Die Darstellung der innerehelichen Machtverhältnisse ist sehr aufschlussreich (S. 6 AT, vorl. Abs./ S. 41f ZT, letz. Abs.):

Kadarkoli se je po takih streznjenjih vrnil domov, Immer wenn er nach so einer Ernüchterung nach ni stopil v bajto. Iz sramovanja se ni upal pred Hause kam, wagte er sich nicht in die Keusche. ženo, izogibal se je tudi vaš čanov. Vzel je kako Er schämte sich, vor seine Frau zu treten. Auch orodje, ki se je valjalo pred bajto, in nemudoma, den Dorfbewohnern wich er aus. Er griff nach brez ženinega priganjanja ali ukaza kakor einem Werkzeug, das bei der Hütte lag und ponavadi , odšel na delo. machte sich ohne zu zögern, ohne sich wie sonst mit der Frau zu besprechen , an die Arbeit.

Während im AT die Frau ihn zur Arbeit treibt und befiehlt, „bespricht er sich mit seiner Frau“ im ZT. Wir haben also eine Machtbeziehung von einer dominanten Ehefrau und einem „schwachen“ Mann – „schwach“ vielleicht nicht mal wegen seinem Alkoholproblem, sondern weil er sich von einer Frau (!) herumkommandieren lässt – die in der Übersetzung abgemildert wird. Ebenso an folgender Textstelle, in der die Ehefrau wie mit einem kleinen, unbeholfenen Kind Mitleid mit ihm hat, wurde diese Zeile kurzerhand gestrichen (S. 10 AT, 3. Abs./ S. 46 ZT, 5. Abs.):

Gledala ga je s tisto nežno, zaverovano ljubeznijo Sie blickte ihn mit jener warmen, gläubigen kot prve dni po poroki. V njenem glasu je Miene an, wie in den ersten Tagen nach der trepetalo nekaj kakor skrb za nebogljen čka. Hochzeit. [Auslassung] Obšel ga je rahle spomin na tiste dni […] Erinnerungen an jene Tage stiegen in ihm auf.

Auch an einer anderen Stelle wird eine Frau wegübersetzt – was aber wohl auch wieder mit der Darstellung des (Anti-)Helden zu tun haben kann: Während seine Frau im Sterben liegt arbeitet Mihale äußerst fleißig (S. 9. AT, 5. Abs./ S. 46 ZT, 1. Abs.):

Njivo je obdelal, kakor je mogel in znal; Den Acker bestellte er, so gut er konnte. pomagala mu je Minca . V hramu je bilo repe, Niemand half ihm dabei . Im Keller gab es wohl zelja in krompirja […] Rüben, Kraut und Erdäpfel, aber […]

85 Mehr Mitleid bekommt man mit dem Protagonisten, wenn er alles alleine machen muss, dass ihm da im Originaltext eine treue Nachbarin hilft, passte wohl nicht in die Darstellung der Hauptfigur und er wirkt erneut unselbstständig. Ebenso wird einiges ausgelassen, als nach dem Begräbnis seine Beziehung zu seiner Tochter Angelca ausgeführt wird; aufschlussreich wiederum, was fehlt. Aufgrund der angeführten Beispiele kann angenommen werden, dass es sich bei so systematischen Auslassungen nicht um Zufall oder um Flüchtigkeitsfehler, sondern um einen bewussten Eingriff des Übersetzers handelt. (S. 13 AT, 2. Abs./ S. 50 ZT, 3. Abs.):

Razvila se je; v mestnih cunjah se mu je zdela Sie hatte sich in den Jahren wohl entwickelt. In nekam tuja, bil je v zadregi pred njo . Njen ihren Stadtfetzen erschien sie ihm etwas fremd. obraz ga je živo spominjal na Malijo. [Auslassung] Ihr Gesicht aber erinnerte ihn lebhaft an Malija.

Nicht nur in Bezug auf Frauen, auch an anderen Stellen wurde Information unterschlagen, um Mihale in einem besseren Licht dastehen zu lassen. So etwa hier, wenn es um das Verhältnis zum Nachbarn geht, von dem er sich Geld leihen muss (S. 15 AT, 1. Abs./ S. 52 ZT, vorl. Abs.):

Da, še enkrat mu pomaga, poslednji č, ako mu za Ja, einmal würde er ihm noch aushelfen, das dolg prepiše zemljo . Mihale bi bil obljubil tudi letzte Mal, wenn er ihm für die Schuld den Grund dušo, da je le dobil denar. verschriebe. [Auslassung]

Oder die anderen Handlungsträger werden schlechter, in diesem Falle fauler dargestellt, als sie im AT sind. In der geschilderten Szene sucht Mihale seinen Gläubiger, den Nachbarbauern auf (S. 15 AT, 4. Abs./ S. 53 ZT, 3. Abs.):

Pologarja je našel v sadovnjaku, kosil je vrnico. Er fand Pologar im Obstgarten im Grase liegen.

Während im AT der Nachbarsbauer einer Arbeit nachgeht, liegt er im ZT faul im Gras. Dieser Shift löst in Folge eine Textinkohärenz aus, da im weiteren Kotext davon die Rede ist, wie er die Sense schwingt und schleift.

An zwei Stellen fällt die Brust, der weibliche Busen der Übersetzung zum Opfer und wird ausgelassen, obwohl es sich ohnehin um keine sexuelle Szene handelt. (Siehe auch

86 Kapitel 4.8 bei „Boj na požiralniku“.) Ob es sich nur um einen Zufall handelt, die Streichung aus anderen Überlegungen heraus vorgenommen wurde oder aus bigotten, moralischen Gründen der Frauenbusen weichen musste, sei dahingestellt. (S. 11 AT, 6. Abs./ S. 48 ZT, 1. Abs.):

Bolnica je široko razprla o či. Od silnega zavzetja Die Kranke riß weit die Augen auf. Ihr Atem ji je zastala sapa, da so ji prsi kot mrtve stockte vor heftiger Erregung. [Auslassung] Was mirovale pod odejo . Kaj je rekel? Moj Bog, kaj sagt er? Mein Gott, was redet er da zusammen! le govori? […] […] Sie nahm alle Kräfte zusammen [Auslassung] Napela je vse mo či, v prsih ji je zagrgralo , und stieß mit heiserer Stimme hervor: znova je pognala sapo.

Ebenso fehlt die Brust (von Mihale) an einer weiteren Stelle, eine Passage, in der wieder viel gestrichen wurde – es handelt sich dabei um Beschreibungen von Gefühlszuständen und einer allgemeinen Aussage (siehe auch 4. 6, bei der Übersetzung von Meško, bei der solche auch mehrfach gestrichen wurden). Beim Abendmahl wird Mihale vor den Augen aller durch Pologar gedemütigt, als der ihm und allen anderen, höhnisch die Wahrheit über Angelca verkündete – Mihales feine Tochter habe unehelich ein Kind geboren, wofür die Gemeinde nun aufkommen müsse (S. 28 AT, ab 3. Abs.v. u. / S. 70f ZT, letz. Abs.):

Bajtar je položil žlico na mizo, bridko se mu je Der Keuschler legte den Löffel auf den Tisch. zadrgnilo v grlu. Žgalo ga je, da mu je nekdo Bitter schnürte es ihm die Kehle zusammen. nasul žerjavice v nedrija . Strmel je v Pologarjev [Auslassung] Er glotzte Pologar an. obraz, kakor da ho če na mah izluš čiti vso [Auslassung] Es sah nicht darnach aus, als ob resnico. Ni kazalo, da bi Pologar lagal. dieser lüge. […] Pologar je bil ves kot ogenj v strehi. Iz besed in […] iz o či mu je kipela strast... Mihale je zadosti Pologar spie Feuer und Flamme… [Auslassung] vedel. Ni mogel takoj do dna razumeti, bil je Mihale wußte genug. Er konnte nur nicht bis auf prepo časnih misli , pa saj to je bilo vseeno. Če bi den Grund sehen, sein Verstand nahm das si kdo sto let izmišljal, bi ne mogel iztuhtati Schreckliche nur langsam auf. kaj tako bridkega, kar prinese življenje v [Auslassung] enem samem trenutku. Ali je mar on kriv? War er denn daran schuld?

87

Außerdem wird Mihales Beschränktheit wieder abgemildert, anstatt wie im AT zu sagen, dass er ein sehr langsamer Denker sei, nimmt sein Verstand „die schreckliche Nachricht nur langsam auf“. Auch an vielen weiteren Stellen verkürzt der Übersetzer und strafft – vor allem wenn es um innere Monologe und die Beschreibung von Gefühlszuständen geht etwa (S. 29 AT, 3- 5 Abs./ S. 71 ZT, letz. Abs.), (S. 30 AT, 2. Abs./ S. 73 ZT, 2. Abs.) und (S.31 AT, 4. Abs./ S. 74 ZT, 1. Abs.) oder wenn die Natur und die Umgebung ausführlich beschrieben werden (S. 33 AT, 4. Abs./ S. 76 ZT, letz. Abs.) und (S. 34 AT, 1.Abs./ S. 77 ZT, 2. Abs.). Manchmal geht durch diese Straffung etwas verloren – und wenn nicht inhaltlich, dann verliert der Text doch eine literarische Nuance, eine ästhetisch-poetische Dimension, wie in folgendem Beispiel, als Mihale nach der Prügelei mit Pologar halb bewusstlos und kurz vor seinem Tod im Bett liegt (S. 48 AT, vorl. Abs./ S. 96 ZT, 1. Abs.):

Potem mu je bilo, kakor da ga je nekdo dvignil Manchmal schien es ihm wieder, als höbe ihn nad prepad, da ga je obhajala groza. Zavedal se etwas über einen Abgrund, und Grauen überkam je, a se vendar ni zavedal, prebujal se je, a se ihn. In diesem halbwachen Zustand wollte er ni mogel prebuditi, branil bi se bil, a ni imel aufschreien; aber seine Stimme versagte. mo či ne glasu .

Christliche Metaphern fehlen und wurden mit feststehenden Redwendungen im Deutschen ersetzt – im folgenden Beispiel fehlt die Erlösung der Seelen – (S. 4 AT, 4. Abs./ S. 39 ZT, 1. Abs.). Die Rekurrenz solcher Eingriffe könnte ein Hinweis darauf sein, dass es sich um eine bewusste Übersetzungsstrategie handelt:

Mešetarji so ga napadali, ga vlekli za roke, vpili, Die Händler stürzten auf ihn los, griffen nach kakor da gre za izveli čanje duše . seiner Hand und schrien aus Leibeskräften.

Ein weiteres Beispiel für das bewusste Auslassen eines christlichen Verweises – dieses Mal auf die heilige Mutter – findet sich in der Beschreibung des Nachbarn, von dem sich Mihale gezwungen sieht, Geld zu leihen (S. 10 AT, 4. Abs./ S. 47 ZT, 1. Abs.):

Naj le še pride, ako potrebuje; v sili rad pomaga. Er solle nur kommen, wenn er etwas brauche. In Mihale se je čudil. Ta, ki bi še Materi božji ne der Not helfe er gerne aus. Mihale wunderte sich: ponudil skorjice kruha? ausgerechnet dieser Geizhals?

88 Die Eigennamen hätten leicht eingedeutscht werden können, was aber nicht gemacht wurde: Mihale, Malija und Angelca bleiben unverändert und werden nicht etwa zu Michael, Amalie und Angela. Ein recht eindeutiges Vokabel der LTI ist die Scholle als Synonym für Heimat, das an folgender Textstelle vom Übersetzer eingebaut wurde, als Mihale die Abhängigkeit von seinem Nachbarn immer mehr zu schaffen macht (S. 23 AT, vorl. Abs./ S. 64 ZT, letz. Abs.):

Bilo je prvi č, da ga je obhajala tegoba po Zum ersten Male packte ihn die Sehnsucht nach zemlji . Ali bo res do smrti navezan na Pologarja? einem eigenen Heim und eigener Scholle . Soll er denn wirklich bis zum Tode von Pologar abhängig sein?

Inhaltlich ist natürlich genau die Sehnsucht nach etwas Eigenem (nach eigenem Grund und Boden) gemeint; es hätte aber auch leicht anders zum Ausdruck gebracht werden können – die Scholle hatte damals eben Hochkonjunktur.

4.6 Meškos „Starca Matije pravica“ in deutscher Übersetzung: „Das Recht des alten Matthias“

Von Franc Ksaver Meško liegen keine gesammelten Werke und kein kritischer Apparat vor. Erstmals in Buchform erschien seine Novelle „Starca Matije pravica“ 1918 in einem Kurzgeschichtenband des Autors mit dem Titel „Slike“ beim Verlag Slovenska Matica . Mit diesem Abdruck wurde bei vorliegender Analyse auch gearbeitet, da keine andere, spätere Ausgabe gefunden werden konnte. Zwar erschienen mit Regelmäßigkeit Kurzgeschichten von Meško im „Koledar Mohorjeve družbe“, allerdings nicht jene vom alten Matthias (insgesamt erschien zwischen 1920 und 1946 ohnehin kein „Koledar“, ansonsten hätte man diese Novelle wohl dort finden können).

Bei dieser Novelle treffen wir erneut auf antiquierte Sprache, syntaktische Fügungen, Vokabel etc., die heute als veraltet empfunden werden. So verwendet Meško eine heute eher unübliche und markierte Wortstellung, wenn er Adjektive und Possessivpronomen an ein Subjekt anschließt und dabei die Adjektive vor die Possessivpronomen stellt (S. 24 AT 1 + 2. Abs.): „Ali naj postane hipoma najsre čnejši njegov dan v letu najžalostnejši?“ oder „A s tem, da ljube če in vro če njegovo srce ni verjelo […]“ oder „je zbudila […] neprijazne svoje sinove , ledene vetrove“ (S. 39 AT, 4. Abs.) Ebenso ist das Fragepronomen li um eine Frage

89 zu verstärken, im Slowenischen heute nicht mehr üblich und mutet veraltet, poetisch an (S. 24 AT, 1. Abs.): „In gleda li Gospod na leta?“ oder „Bo li vigred stanovitna?“ (S. 28 ZT, 2. Abs.) Auch findet sich die alte Höflichkeitsform in der dritten Person Plural anstatt wie heute üblich in der zweiten: „A gospod [der Pfarrer] so rekli , da se v stvar ne vmešavajo in prepustijo vse nama klju čarjema.“ Auch im Wortschatz erkennt man das Alter der Novelle, etwa wenn der Autor selo für vas, naselje verwendet, ljubav für prijaznost, ljubeznivost, oder zabraniti für prepre čiti , prvi pot für prvi č – also heute als Serbokroatismen empfundene Wörter, die im Slowenischen nicht mehr häufig im Gebrauch stehen. Weitere Beispiele für eher unübliche, archaische oder sehr gehobene Ausdrücke wären izpregovoriti für spregovoriti und porazgovoriti se für pogovoriti se, pov še č für vše č, druhalja für drhal und seve für seveda . Diese antiquierte Ausdrucksweise, vor allem die syntaktischen Besonderheiten, gehen in der Übersetzung zwangsläufig (teilweise) verloren, teilweise werden sie an anderer Stelle kompensiert. Oftmals findet der Übersetzer schöne dichterische, antiquierte Lösungen, so wie das poetische „Es lenzte “ für „Že se je budila vigred“ (S. 27 AT, 2. Abs.v. u. / S. 109 ZT, letz. Abs.) oder „Der Prisojnik ist mir schon seit Jahren nicht gewogen “ (S. 119 ZT, 3. Abs.), Ingrimm für Zorn . An mancher Stelle verrät sich der Übersetzer als dem süddeutschen Sprachraum angehörig, etwa durch das Temporaladverb heuer (S. 105 ZT, 1. Abs.) oder aper für schneefrei (S. 110 ZT, 2. Abs.) und Kasten für Schrank (S.130 ZT, 2. Abs.). Auch in dieser Novelle wird die Struktur verändert, so werden wiederholt Absätze aufgeteilt (S. 23 AT, 3.Ab.f / S. 104 ZT 1+2. Abs.); an anderer Stelle aber auch wieder zusammengezogen (S. 47 AT, vorletz.+ letz. Abs./ S. 140 ZT, 5. Abs.) Es ist dabei aber kein Muster festzustellen, anhand dessen man ein bewusstes Motiv dafür beim Übersetzer suchen könnte. Möglicherweise passt der Übersetzer seinen Umgang mit Satzlängen dem Stil des Autors an; bei Meškos Novelle zieht der Übersetzer oftmals auch Sätze zusammen. Bei der Übersetzung von Cankar und Voranc (siehe 4.3 und 4.8) wurde meist nur Gegenteiliges beobachtet. Es könnte sich dabei aber auch um einen Hinweis auf unterschiedliche Übersetzer handeln oder auf einen Entwicklungsschritt des Übersetzers. Ein Beispiel dafür ist folgende Beschreibung des mächtigen Prisojnik-Hauses, in dem sich der deutsche Satz über mehr als eine halbe Seite erstreckt – durch die Abteilung mit Semikolons aber dennoch gut lesbar bleibt (S. 26f AT, letz. Abs./ S. 109 ZT, 1. Abs.):

90

Hiša je čutila to blagostanje in svojo mo č, zato je Das Haus war sich seines Wohlstandes und stala na hribu tako košato in mogo čno . Ni se seiner Geltung bewußt, deshalb stand es auch so zmenila ne za jesenske burje, ki so s srdito mo čjo behäbig und mächtig auf dem Hügel ; es spottete treskale v njo, ko so jezdile na divjih vrancih čez der Herbststürme, die an ihm wütend zerrten, gorske strmine in čeri in so se besno zaganjale v wenn sie auf wilden Hengsten über Berge und vse, kar se jim je stavilo na pot . Ni se brigala za Schluchten rasten und toll gegen alles stürmten, zimske viharje, ki so plesali z oblaki neba was sich ihnen in den Weg stellte ; spottete der čarovniške plese in so z belimi prti, debelimi Winterstürme, die mit dem Himmelswolken meter in čez, pokrili vso okolico in so z visokimi geisterhafte Tänze aufführten und die ganze sneženimi okopi ogradili hišo ter jo za nekaj časa Gegend mit weißen Tüchern, oft über einen odrezali od sveta . Ni se bala in ustrašila Meter dick, bedeckten und das Haus mit hohen bobnenja pomladanskih vodâ, ko je kopnel sneg Schneewällen umzäunten, so daß es eine Zeitlang kakor maslo v vro či ponvi, in so hudourniki von aller Welt abgeschnitten war ; spottete der divjali in bobneli v doline, kakor da prihaja sodni tosenden Frühlingswässer die hereinstürzen, dan s strašnim svojim šumenjem. wenn der Schnee schmilzt wie das Fett in der heißen Pfanne und die Wildbäche ins Tal donnern wie am Jüngsten Tage.

Bei dieser Novelle wurde durch den Übersetzer Einiges gekürzt und ausgelassen und eigentlich nichts hinzugefügt. Dabei gibt es drei Gründe bzw. drei Arten von Textstellen, die er ausließ: redundante Wiederholungen, langatmige Bilder (meist aus den Naturbeschreibungen), die dann gestrafft wurden und wenn der Autor mit Allgemeinplätzen die Welt, bestimmte Verhältnisse oder Gefühle erklärt. Bei anderen Kurzgeschichten hat der Übersetzer weniger gekürzt als in diesem Fall. In diesem Beispiel leiden das schöne Bild und Vergleiche aus der Natur durch die Straffung des Übersetzers (S. 27f AT, letz. Abs./ S. 110 ZT, 2. Abs.):

Kepe snega so visele tudi med gorskimi čermi – Ballen von Schnee hingen auch zwischen den jata belih golobov, ki se zdaj zdaj odluš čijo z Felsritzen wie ein Schwarm wilder Tauben. Es grebenov in se puste v globo čino , kakor pade v braucht indessen nur ein warmer Föhn die globel mrtvo truplo. Naj samo prihiti čez slemena Kämme zu streichen und wie ein toter Körper topli jug, pa jih iztrga iz razdrapanih gnezd , würden sie in die Tiefe fallen. jih pahne v globine.

91 Es wird aus dem Schwarm weißer Tauben ein Schwarm wilder Tauben, es fehlt das Bild, dass sie vom Südwind aus ihren Nestern geworfen werden, dass sie sich von der Klamm in die Tiefe stürzen. Das Farbenspiel und der Vergleich zwischen Schnee und Tauben leidet an dieser Stelle ein wenig. In einem weiteren Beispiel fehlt auch wiederum ein Satzteil, der die Szene näher beschreibt und uns eine bessere Vorstellung von ihr gibt. In dieser Szene hat nun Matthias das Kreuz an sich genommen und läuft damit aus der Kirche (S. 46 AT, letz. Abs./ S. 139 ZT, 2. Abs.):

Zabrisana svetloba, ki je zaplala skozi veliko Das matte Licht, das durch die große Öffnung odprtino, je oblila starca s križem na rami – strömte, ergoß sich auf den Greis mit dem Kreuz kakor pošastna prikazen se je zadel Mihi. am Rücken. [Auslassung]

Ebenso lässt der Übersetzer, an jener Stelle, als Matthias mit dem Kreuz nach draußen flüchtet, ein lautmalerisches Element aus, das die Szene plastischer macht und strafft den Satz insgesamt (S. 47 AT, 5. Abs./ S. 140 ZT, 1. Abs.):

„Čof-čof-čof-čof“ je čofotalo blato pod Unter den Nagelschuhen, die sich in die vom okovanimi čevlji, ki so se mu pri begu pogrezali Regen aufgeweichte Erde tief eingruben, globoko v zemljo, od dežja vse premo čeno in quatschte der Kot. premeh čano.

Zu weiteren Auslassungen bzw. Veränderungen kommt es, wenn Meško dem Lesepublikum in recht allgemeinen Aussagen die Welt, gewisse Zustände oder Gefühle erklärt (S. 31 AT, letz. Abs./ S. 116 ZT, letz. Abs.):

Vzbrstelo je v starem srcu mlado, sveže upanje. Eine junge frische Hoffnung sproß in seinem Iz velikega hrepenenja je vzbrstelo – najslajše alten Herzen auf. Sie kam aus seiner großen upanje se rodi iz koprnenja, kakor se rodi Erwartung . [Auslassung] najbridkejša bol iz ljubezni .

Zumal fehlt der ganze Satzteil über die Gefühle im Allgemeinen, zum anderen wird auch aus der Sehnsucht die Erwartung . An dieser Textstelle hat Matthias sicher keine großen Erwartungen mehr, sondern lediglich Hoffnung und Sehnsucht danach, das Kreuz zu tragen. Ein weiteres Beispiel dafür findet man an jener Stelle, als Matthias die Kirche betritt und der

92 Autor die allgemeine Vorgehensweise zu Ostern erklärt (S. 44 AT, 2. Abs./ S. 135 ZT, 2. Abs.):

Ko je prišel v cerkev, je našel tam le nekaj žensk Als er in die Kirche trat, fand er dort nur einige in otrok. Ve činoma so prihajali ljudje ali Frauen und Kinder vor. zjutraj ali proti ve čeru; zve čer so molili vse tri dni, v četrtek, v petek in v soboto, skupno [Auslassung] rožni venec in litanije. Ženske, zatopljene v molitev in v premišljevanje Die Frauen waren im Gebet und in ihre trpljenja Gospodovega, se niti zmenile niso za Gedanken über das Leiden des Herrn vertieft und prišleca. bemerkten den Ankömmling nicht.

Nun noch Beispiele für die Kürzung bzw. Streichung redundanter Textpassagen: Die lange Beschreibung seiner schlaflosen Nacht vor der Osterprozession (S. 40 AT, 4. Abs./ S. 129 ZT, letz. Abs.):

Tudi prejšnjo no č je spal zelo malo in slabo. V Auch die vorige Nacht hatte er sehr wenig und nekako poldremavici, bolestni omotici je schlecht geschlafen. preživel no č. Telesno utrujen od vsednevne [Auslassung] težavne hoje, duševno potrt in obupan, je bil potreben spanja, pa ni prišlo. V mu čni toposti je ležal na slamnici […] Stumpf lag er auf seinem Strohsack. [...]

Ebenso kurz danach, als er sich bereits zum zweiten Mal dieselbe Frage stellt, was er denn getan habe, um das zu verdienen, hat der Übersetzer den ganzen Absatz ausgelassen. Zugegebenermaßen handelt es sich wirklich um einen sehr redundanten Absatz (S. 40 AT, vorl. Abs./ S. 130 ZT, 3. Abs.):

Ista bolna misel je sedela ob njem za mizo, ko si Der krankhafte Gedanke saß mit ihm zu Tisch, je naslanjal težko glavo s suhotno roko in se ließ ihn den Kopf in die dürre Hand stützen und izpraševal spet in spet: „Kaj sem jim storil, da so ihn immer wieder fragen: „Was haben ich ihnen mi vzeli vse, še mojega Boga in Zveli čarja?“ denn getan, daß sie mir alles genommen haben, Ista teže ča in more ča misel mu je ležala na srcu selbst meinen Gott und Erlöser?“ kakor mora v viharni no či od torka do srede: Und nachts lag er wie ein Alpdruck auf seinem „S čim sem se pregrešil tako hudo, o ljudije Herzen. [Auslassung] božji, da ste mi vzeli mojega Boga?“

93 Zu einem Shift , einer Veränderung bzw. der Tilgung das Agens und einer Auslassung kommt es an folgender Textstelle, als Matthias von der schlechten Nachricht durch den Mesner erfährt (S. 24 AT, vorletz. Abs./ S. 105 ZT, 4 Abs.v. u.). Die Perspektive wird geändert, im AT wird der Überbringer vom Empfänger der Nachricht als kalt und herzlos dargestellt bzw. so empfunden (markiert durch das „je pomislil“), im ZT gilt selbiges nur für die Nachricht selbst:

„Glej, kako hladno in neusmiljeno to pove ! Kako Wie kalt und herzlos klang das ! Welch ein hudo udari!“ – je pomisil z bridkostjo . A se je schwerer Schlag! Aber er hielt sich mit Gewalt silo premagal in se ojuna čil. zurück und blieb stark.

Der Übersetzer verändert auch an anderer Stelle den Agens (interessanterweise geschieht dies bei Meškos Novelle nicht so oft wie bei „Boj na požiralniku“) – als der neue junge Kreuzträger Lojze Prisojnik die Frage, diese ehrenvolle Aufgabe doch Matija abzutreten, zurückweist und erklärt, dass sonst die ganze Pfarre über ihn lachen würde. Matthias war mit dem Brief des Pfarres zum Prisojnik-Hof gegangen und nachdem dieser verlesen wurde, reagiert der Sohn folgendermaßen (S. 38 AT, 5. Abs./ S. 127 ZT, 1. Abs.):

„Ta pa je res pusta!“ se je prvi oglasil o če. „Das ist wirklich schlimm!“ fing der Vater an. „Ko pa je bilo že vse lepo dogovorjeno in „Wo doch alles schon schön besprochen und sklenjeno.“ beschlossen war.“ „Aus diesem Mehl wird es „Iz tele moke pa ne bo poga če,“ se je razvnel za kein weißes Brot geben“, brauste auch schon der njim sin. „Sicer pa gospod pišejo: ' Če je Sohn auf. „Im übrigen schreibt Hochwürden: mogo če'. A zdaj ni ve č mogo če. Ne morem ‚wenn es möglich ist’. Und jetzt ist es nicht mehr odstopiti . Vsa fara bi se mi smejala.“ möglich. Wir können nicht zurücktreten . Die ganze Pfarre würde lachen.“

Aus der Sorge eines Jungen, von seinen Freunden ausgelacht zu werden, wird in der Übersetzung eine Frage der Ehre der gesamten Familie. Außerdem zeigt diese Textstelle den Umgang mit einem Sprichwort und einer darin enthaltenen lokalen Süßspeise, der poga ča.

Die spärlich vorkommende Weiblichkeit bzw. Verweise auf Frauen in der Novelle werden getilgt bzw. abgeschwächt. So wie in folgendem Beispiel, in dem der Vergleich der üppigen Felder des Prisojnik-Bauern mit einer jungen, schönen, herausgeputzten Braut ausgefallen ist (S. 26 AT, 3. Abs.v. u. / S. 108 ZT, 3. Abs.):

94

A navzlic temu je bila zemlja oskrbljena kakor Dennoch aber war das Feld gut bestellt. mlada nevesta iz bogate in radodarne hiše. [Auslassung]

Auch an folgender Stelle kam es zu einer Veränderung, einer „Entsexualisierung“ (S. 36 AT, 2. Abs./ S. 123 ZT, 4. Abs.):

„Kakor otrok si, Matija, ali kakor ni čemurna „Wie ein Kind bist du, Matthias, oder wie ein ženska. […]“ altes Weib. […]“

Aus der nichtsnutzigen, eitlen – aber jungen – Frau bzw. Braut wurde ein altes Weib. Die negative Konnotation bleibt eindeutig erhalten, darüber hinaus aber altert die Frau. Somit sind die einzigen, kleinen Textstellen, die Frauen, Fruchtbarkeit und Weiblichkeit erwähnen, getilgt bzw. stark abgeschwächt worden. Es bleibt zu fragen, ob es sich hierbei um ein absichtliches Vorgehen handelt oder es unbewusst, zufällig zu diesen Streichungen des Weiblichen gekommen ist. Ebendies geschieht auch, wenn auch aus anderen, grammatikalischen Gründen, an folgender Textstelle: Aus den beiden weiblichen Personifizierungen werden zwei männliche; adjektivische Unterstreichungen werden zudem auch weggelassen (S. 39 AT, 3. Abs./ S. 128 ZT, 2. Abs.):

Pa se je domislila zlovoljna starka zima , da se je Der Winter, der alte Mann , hatte seinem prezgodaj umaknila mladi naslednici , topli Nachfolger, dem warmen Frühling , dem pomladi, in ji je pred časom prepustila grünen Jüngling , der nur darauf aus ist, sich zu neomejeno gospodarstvo v deželi, ti otro čji schmücken und zu bekränzen, vor der Zeit die ni čemurnici , ki misli edino le, kako bi se lepše Herrschaft überlassen. okitila in oven čala.

Da nun der Genus der Jahreszeiten im Deutschen anders, nämlich männlich ist, konnte das folgende Bild nicht mehr aufrechterhalten werden und der Übersetzer ließ es aus (S. 39 AT, 5. Abs./ S. 128 ZT, 4. Abs.). Hier und an den folgenden Textstellen geht der Übersetzer dabei konsequent vor. Die Winde als Söhne des Winters werden nun von ihm (dem Winter) / bzw. im Slowenischen ihr (zima) losgeschickt, um den eitlen Frühling zu vertreiben:

95

Zamrmrali so v prvih hipih vetrovi, kdo da jih Erst murrten sei zwar, daß man sie aus dem moti v snu. A ko so zaslišali znani glas in povelje Schlafe wecke, als sie aber an dem rauen stare matere , so si naglo obrisali spanec iz o či. Befehlston die Stimme ihres alten Vaters Dvignili so se in so jadrno pohiteli širom dežele, erkannten, wischten sie sich schnell den Schlaf čez dol in plan, čez strme gorske vrhove in čez aus den Augen, erhoben sich und flogen in tiha zakotja in zavetja, da na povelje materino Scharen über das Land, über Berge und Täler, ogrene veselje mladi snehi, ji pomandrajo über steile Gipfel und stille, geschützte kakor razdraženi odklonjeni snubci mladi Bergwinkel, um auf Weisung des Vaters die deklici cvetje pod oknom in brste če zelenje ter Freude des Frühlings zu vereiteln . ji pomore prve cvete.

Da schon zuvor der Frühling nicht als junge, schöne Braut dargestellt wurde, konnte das Bild nicht weitergeflochten werden; die Brautwerber unter dem Fenster des jungen Mädchens und der Frühling als Schwiegertochter der alten, miesepetrigen Frau Winter fielen so weg. Selbiges geschieht an späterer Stelle noch einmal (S. 41 AT, vorl. Abs./ S. 131 ZT, letz. Abs.):

Bil je le beli snežni prt, ki ga je pogrnila čez Es war […] das weiße Linnen der Schneedecke, zemljo razklju čena zima, da zaduši z njim deco welche der grimmige Winter über die Erde sovražne pomladi. gebreitet hatte. [Auslassung]

In dieser Novelle werden die Eigennamen eingedeutscht, aus Matija wird Matthias , aus der cerkev Sv. Urha die Kirche Sankt Ulricus, aus Lojze wird der Lois , aus Andrej der Andreas . Nicht jede Übersetzung in der die Eigennamen eingedeutscht werden, kann nur deshalb sofort in den braunen Dunstkreis geschoben werden; hier allerdings passt es natürlich gut ins Konzept des Verlages. Umso erstaunlicher, dass dabei nicht konsequenter vorgegangen wird; Miha bleibt Miha und wird nicht etwa zu Michael umgeändert. An einer interessanten Textstelle handelt es sich um eine traditionell alt-christliche antisemitische Argumentation (S. 25 AT, 7. Abs./ S. 106 ZT, 6. Abs.):

„A da nesem križ, sem še dovolj mo čan... Moj „Zum Kreuztragen bin ich aber noch stark križani Jezus, da me ho čejo kar tako zavre či – genug… Mein gekreuzigter Jesus, man will kakor Judje tebe!“ mich hier verstoßen, wie die Juden dich verstoßen haben!“

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Ähnlich auch hier in diesem inneren Monolog des alten Matthias (S. 28 AT, 4. Abs./ S. 110 ZT, vorl. Abs.), in dem von Judas als Verräter Jesu die Rede ist:

„Saj ga vendar ne smem in ne morem kar z „Ich darf ihn doch nicht gleichgültig den andern mirnim srcem prepustiti drugim. Saj bi bil überlassen. Ich wäre ja fast wie Judas.“ skoraj Judež.“

Der Übersetzer verweist auf den einen , konkreten Judas Ischariot im Neuen Testament, der Jesus verrät. Möglich gewesen wäre schließlich auch eine Übersetzung wie „sein wie ein Judas“ (mit der impliziten Gleichstellung ein Jude = ein Judas). Möglich gewesen wäre auch eine Hinzufügung oder einer Verstärkung dieser Textstelle, so dass sie leicht eine rassistisch- antisemitische Dimension bekommen hätte. Auch an einer weiteren Textstelle wird auf Judas Ischariot verwiesen (S. 28 AT, vorl. Abs./ S. 111 ZT, 5. Abs.). Man kann die Novelle Meškos sicher nicht als antisemitisch einstufen, aber sie beinhaltet gängige christliche (leicht als antisemitisch zu verstehende) Argumentationsweisen. An dieser Textstelle spielten christliche Überlieferung und Tradition dem Antisemitismus in die Hand, da Judas auch gerade in der NS-Zeit als abwertende Bezeichnung für alle Juden verwendet wurde: „[Judas –] ein Name, der nur allzu leicht zur Symbolgestalt aller Juden verallgemeinert werden konnte“. (Lapide 2007:15) Gerade wenn man Hintergrund und Gesinnung des Verlages und der Zeit in die Betrachtung einfließen lässt, überrascht es, dass diese Passagen in Meškos Novelle nicht völlig aufgebauscht und ideologisch aufgeladen wurden. Wie auch später bei der Übersetzung von Voranc' Novelle (siehe 4.8) bin ich hier versucht zu behaupten, der Text böte dem Übersetzer reichlich Gelegenheit LTI zu verwenden, im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie umzufärben. Gerade an diesen Textstellen, die explizit auf die Juden bzw. auf Judas verweisen, wäre es ein Leichtes gewesen, einen stark antisemitischen Unterton einzubauen bzw. diese Passage gänzlich umzudeuten, etwas hinzuzufügen – was der Übersetzer jedoch nicht getan hat.

4.7 Kozaks „Bohinjski pastoral“ in deutscher Übersetzung: „Woheiner Pastorale“

Kozaks Novelle „Bohinjski pastoral“ erschien erstmals in der Zeitschrift „Ljubljanski zvon“ 1937 und ab 1940 in der Kurzgeschichtensammlung „Maske“. Viele von Juš Kozaks 97 Erzählungen sind in „Ljubljanski zvon“ erstveröffentlicht worden, da er Herausgeber dieses Blattes war – so auch die meisten der „Maske“-Erzählungen. (vgl. Munda 1992: 504 ff) Hier stellte sich zuerst nun wieder die Frage, mit welcher Version der Übersetzer gearbeitet hat – diese Frage ließ sich aber schnell beantworten: mit jener ursprünglichen, in „Ljubljanski zvon“ abgedruckten Version von 1937. Der kritische Apparat der „Zbrano delo“ weiß nämlich über wesentliche Streichungen und Änderungen zu berichten. Zu den ersten Änderungen kam es nachdem die handschriftliche Erstversion abgetippt wurde. Zu einigen auch zwischen der „Maske“-Version von 1940 und jener von 1949 – zu den meisten Änderungen hingegen kam es zwischen den Versionen von 1937 in „Ljubljanski zvon“ und der 1940 in „Maske“. Dabei handelt es sich zum Teil um einzelne Sätze, zum Teil aber um ganze Passagen, teilweise Seiten. Da diese Elemente in der Übersetzung vorkommen, kann davon ausgegangen werden, dass der Übersetzer mit der „Ljubljanski zvon“-Version gearbeitet hat. Dafür seien im Folgenden Beispiele angeführt. Auf S. 204 AT, letz. Abs./ S. 149 ZT, 1. Abs. gibt es den ersten Satz, der laut dem kritischen Apparat in der Version von 1940 nicht mehr zu finden ist (Munda:507). In der deutschen Übersetzung ist er allerdings vorhanden:

Človek ni bil varen pred človekom, saj je drug Kein Mensch traute dem anderen. Jeder schaute drugemu gledal v želodec. Potem je pritisnila še dem Nachbarn in den Magen. Dazu kam noch, gosposka. daß die Herrschaft das Volk bedrückte.

Ebenso an der nächsten Textstelle, die vermuten lässt, dass der Übersetzer die Version von 1937 verwendet hat (S. 205 AT, 3. Abs./ S. 151 ZT, 2. Abs.). 1940 wurde der Satz geändert in „O če, kdaj ga še vi niste napovedali?“ (vgl. Munda 1992: 507)

„O če, vi ga zmeraj čutite v kosteh,“ […] „Vater, ihr spürt ihn [den Wind] immer in den Knochen!“ […]

Spätestens aber bei den Auslassungen von ganzen Absätzen in der Version von 1940, die in der Übersetzung und in der Version von 1937 (noch) vorkommen, wird der Sachverhalt eindeutig. Alle Beispiele können an dieser Stelle nicht aufgeführt werden; es handelt sich um zahlreiche Textstellen, teilweise lange Passagen. Munda führt in seinen Anmerkungen im kritischen Apparat der „Zbrano delo“ alle Auslassungen an (1992:506-510) Kozaks Sprache zeichnet sich auch, so wie meist die Sprache eines jeden Autors, durch Besonderheiten und Eigenarten aus. Er verwendet manchmal für das Femininum das

98 Maskulinum (Beispiele dafür folgen), als typisches Beispiel des Gorenjska-Dialekts und hie und da auch die veraltet-literarische Vorvergangenheit, den predpreteklik . Im Wortschatz verwendet er manchmal auch veraltete und landschaftliche Ausdrücke; allerdings bei weitem nicht so häufig antiquiertes Vokabular wie Cankar (der ja auch einige Jahrzehnte früher geschrieben hat), landschaftliches wie Voranc oder antiquierte Syntax wie Meško. Beispiele für landschaftliche Ausdrücke (im SSKJ als nar. markiert) wären prstjen (nar. gorenjsko) für neprijeten , murava für weiches, niedriges Gras, žehtar für golida, rovt für mit Gras bewachsenenes, gerodete Bergwiese (nar. gorenjsko). Auch führt Munda im kritschen Apparat Beispiele weniger bekannter landschaftlicher Wortformen des Gorenjska- Dialekts an, die in „Bohinsjki pastoral“ verwendet werden: etwa dêbvar für deblar (Specht), detel; golevati (biti slabo oble čen, skoraj gol); malo prek (biti malo druga čen, boljši); planovati statt planšariti. 1992:512) Veraltet wären laut Qualifizierung des SSKJ zadirljiv für zadir čen , prirodopis für das Schulfach naravoslovje , dver für vrata oder oča statt oče. Wiederum ist der Umstand, dass Wörter im Pleteršnik-Wörterbuch Einträge bekommen haben und im jüngeren Debenjak dann nicht mehr, ein Hinweis auf veralteten Gebrauch oder Schreibweise – wie etwa solnce statt sonce , i zpremeniti statt spremeniti , zlodej für hudi č. Auch der Übersetzer verwendet erneut ab und zu archaische, gehobene oder landschaftliche Ausdrücke. Ein Beispiel für einen landschaftlichen Ausdruck wäre Plache für Plane , Finanzer für Zollbeamten ; veraltet ist der Gebrauch von Weib , oder Tannicht für ein Tannendickicht.

Auf S. 206f AT / S. 154f ZT findet sich ein Textbeispiel, anhand dessen mehrere Auffälligkeiten verdeutlicht werden sollen. Zum einen handelt es sich um einen Teil einer sehr langen Passage, die in der Version von 1940 nicht mehr enthalten ist. Wir finden diesen Einschub in unserer deutschen Übersetzung (Beweis für die Verwendung der Version von 1937 als Vorlage) – allerdings nur teilweise! Einige Szenen handeln von dem Filmdreh zu „V kraljestvu Zlatoroga“, bei dem Kozak mitarbeitete (vgl. Munda 1992:707) bzw. für den er das Drehbuch geschrieben hat (Munda 1988:340). Der Übersetzer hat diese Elemente über den Filmdreh ausgelassen. Zum anderen soll der erste Absatz der Passage verdeutlichen, wie stark in der Übersetzung gestrafft und gekürzt bzw. verändert wurde (inhaltliche Änderungen wurden unterstrichen), wenn es um Beschreibungen der Landschaft, der Stimmung etc. geht:

99

[…] Spodaj v nevidni dolini se je oglasil rog in je Im Tale unten erklang das Horn und lud vabil krave in koze na pašo. Zamolkli in pojo či Kühe und Ziegen auf die Weide. Bald tönte zvonci so se kmalu ubrali na potu, ko je živina vesela fröhliches Glockengeläut vom Wege: das zapuš čala zatohle hleve, odgovarjali so si od blizu Vieh hatte die dumpfen Ställe verlassen. in dale č v zelenih rebrih . Jutranjo tišino je predrlo [Auslassung] daljno mukanje samotarke . Steza se je zvila med Das Muhen der Leitkuh durchdrang kräftig tihimi mecesni navzdol v gorenjo dolino . V Jereki den Morgen. [Auslassung] se je oglasil zvonec in kmalu utihnil v megli . Pred In Jereka läuteten die Glocken [Auslassung]. Sredjno vasjo so že zadišali jutranji dimi , nasproti Aus dem Dorfe dampfte die Frühe . je udaril sladkobni vonj po pesi. Cvetje na oknih [Auslassung] in lesenih mostovžih se je odpiralo , okoli vodnjaka Um den Brunnen lachten die Mädchen. Ein so se smejala dekleta. Po skalnati stezi v hrib je Holzarbeiter verließ mit einer Säge auf der štorkljal drvar, ki je z dolgo žago na rami zapuš čal Schulter das Dorf und stieg den steinigen vas. Weg empor. Domislil sem se filmskih prizorov iz romatni čnega gorskega življenja. Na vse zgodaj se odpravijo z vrvmi in cepini opremljeni turisti, v slovo še ljubeznivo pozdravljajo z roko in lepa planšarica, [Auslassung] kasneje zapletena v dejanje, se sramežljivo ozira za njimi. Po časi prihajajo na cesto gorjanski tipi, bašejo si pipe in možujejo. Stare hiše z visokimi slemeni in mostovži se fotografirajo za enkratne in ve čkratne kulise. Pastir mora zaganjati čredo po slikovitih ulicah. Izvaja se poskusno vriskanje. Le ča iš če snežno beli teloh, posko čno ov čico, debelega pujska, pisane krave v ve černih zarjah, skakljajo če vode in pene če se slapove, žametaste košenice s samotnimi mecesni, pode če se megle nad prepadnimi skalami, po katerih se pno plezalci; žilnate roke tipajo po kamenju, ljudje se spuš čajo po vrveh, omahujejo in zmagujejo. Herojska krasotica á la Leni Riefenstahl se dvigne preko previsa in razpne na ostrem vrhu roke, da bi zajela snope soln čnih žarkov. Zavil sem mimo zadnje hiše, ki je v strmem bregu Beim letzten Hause, das am abschüssigen bolj visela kakor stala. Hange mehr hing als stand, bog ich ein.

100 Im letzten Satz sehen wir im AT eine heroische Schönheit à la Leni Riefenstahl, die erstaunlicherweise vom Übersetzer ins Deutsche auch ausgelassen wurde. Der Text bot also einen eindeutigen Verweis auf die NS-Ästhetik bzw. erwähnt namentlich ein Aushängeschild der nationalsozialistischen Propaganda – und der Übersetzer lässt es aus. Natürlich ist der Übersetzer konsequent, weil er alle Textpassagen, die sich auf den Film beziehen auslässt, darunter eben auch jene mit Leni Riefenstahl. Aber wieso fühlte er sich überhaupt dazu bemüßigt, den Filmdreh auszulassen? Kann es sich hierbei wirklich um ein subversives Vorgehen gehandelt haben? Oder schien es ihm lediglich redundant und nur verwirrend, als ob es von den wahren Inhalten der Novelle ablenken würde? Es kommt im Laufe der gesamten Novelle noch sehr häufig zu Auslassungen, ganze Passagen – wie schon an anderer Stelle beobachtet – hauptsächlich bei der Beschreibung der Natur und innerer Gefühlszustände z.B. (S. 212 AT, 2. Abs./ S. 165 ZT, 2. Abs.), (S. 213 AT, 2. Abs./ S. 167 ZT, 1. Abs.). Auch die Struktur des Textes wird verändert, es fehlen gesetzte Absätze und Leerzeilen, z.B. (S. 219 AT / S. 182 ZT). Ob aus pietätischen, ästhetischen oder moralischen Gründen schwächt der Übersetzer eine stark gefärbte Stelle ab: Balant erzählt von seinem Zerwürfnis mit seinen Nachbarn und wie er nun geächtet würde. In der Übersetzung fehlen Sätze, Beschimpfungen und die gesamt Passage fällt harmloser, schwächer aus, als im Original: keine Intrigen, höllische Lügen kein Gesindel, oder aus der Wunde im Herzen laufende Galle. Die Textstelle verliert an Farbe und Intensität. (S. 220 AT, 1+2 Abs./ S. 184 ZT, 1.+2. Abs.):

Pripovedujejo, kako sem jih hotel ogoljufati, da Man erzählt im Dorf herum, wie ich die Leute sem se že pogajal za svoj dobi ček, kako sem belügen wollte. [Auslassung] spletkaril pri gosposki in napeljaval na svoj mlin . O, te preklete duše. Česa vse je človek Diese schmutzigen Seelen! Was der Mensch zmožen! Najhujši so tisti, ki so bili poprej na nicht alles imstande ist! Am schlimmsten sind moji strani. Tista sodrga, ki sem jim bil prej die, welche früher auf meiner Seite waren. Balant sem, Balant tja, si zdaj izmišljajo [Auslassung] peklenske laži, da bi se prislinili drugim. […] […] Balant je zapiral o či in videl sem, da se mu od Balant schloß die Augen und ich sah, wie es in sr čne rane razliva žol č. […] ihm kochte.

In Kozaks Novelle finden sich viele regionale Eigennamen von Dörfern, Bergen, Wäldern, Seen, Menschen etc. Wie auch schon an anderer Stelle festgestellt wurde, geht der

101 Übersetzer nicht konsequent bei der Übersetzung der slowenischen Eigennamen vor: So belässt er fast alle Ortsbezeichnungen im Original, aber Bohinj wird dann doch in Wohein geändert, Bled in Veldes; Petraž bleibt Petraž, aber aus dem alten Šmon wird Simon. An einer Stelle belässt er Črna prst , dann wieder übersetzt er diesen Eigennamen mit „Schwarzerde“. Außerdem werden spezifische Ortsangaben gelegentlich einfach ausgelassen vgl. (S. 204 AT, 3. Abs./ S. 148 ZT, 2. Abs.) und (S. 205 AT, 1.Abs./ S. 149f ZT). An einer Stelle wird ein Eigenname, der einen Reim beinhaltet, ausgelassen, vielleicht, weil der Übersetzer sich nicht entscheiden konnte, ob er den Namen inhaltlich wiedergeben oder einfach nur den Reim erhalten sollte. Beschrieben wird das kleine Haus von einem gewissen Pe čnik, der nach und nach diese Hütte durch kunstvolle Schnitzarbeit verschönert (S. 213 AT, 1. Abs./ S. 167 ZT, 1. Abs.):

V nedeljo se Boltar prazni čno oble če in z dolgimi An einem Sonntag als sich Boltar das ukrivljenimi nogami odkora či mežikaje v solnce Festgewand angelegt hatte, trat er langsam mit pogledat vilo „Rogovilo“ . gebeugten Knien in die Sonne, um die „Villa“ zu betrachten.

Villa „Astgabel“ enthält keinen Reim, vielleicht ließ der Übersetzer jene Stelle aus, weil er keine inhaltlich passende und gereimte Übersetzungsmöglichkeit gefunden hat. Ein Beispiel für die Auslassung eines Reimes (vergleiche dazu auch Textstellen bei Bevk in 4.7) finden wir an folgender Textstelle, als in der Käserei gesungen wird (S. 215 AT, vorl. Ab / S. 172f ZT, letz. Abs.):

Njegova mol čeča soseda je oživela in videl sem, Seine schweigsame Nachbarin wurde nun wieder kako so se ji posmehnile o či, ko je segel po časi lebendig und ich sah, wie ihre Augen po njeni roki. aufleuchteten, als er langsam nach ihrer Hand „Kaj mi boš zameril, griff. da si z mano špampet meril...“ [Auslassung] Ko smo stali pred stanovi […] Als wir draußen vor der Hütte standen […]

Ein gegenteiliges Beispiel – für eine analoge Übersetzung – ein sprachliches Bild mit einem in der Zielsprache üblichen sprachlichen Bild zu ersetzen sehen wir auf S. 220 AT, 1. Abs./ S. 183 ZT, 1. Abs. Das Bild des Kochens, des etwas Zusammenbrauens, wird im Deutschen zu einer kriegerischen Metapher aus der mittelalterlichen Welt der Turnierritter:

102 Če bi jih bil videl, kako so tisti, ki so prej za nas Du hättest sehen sollen, wie diejenigen, welche podpisali, tiš čali glave v mizo in delali dolge früher auf unserer Seite unterschrieben hatten, obraze , češ, hudi č ve, kaj Balant kuha . jetzt verlegen die Köpfe über den Tisch hängen ließen und erklärten: „Weiß der Teufel, was dieser Balant im Schilde führt !“

Eine andere Redewendung – „ein langes Gesicht machen“ – fiel allerdings wieder aus, obwohl sie im Deutschen ebenso üblich ist, im ZT sind die Männer stattdessen verlegen.

Auch bei der Übersetzung dieser Novelle kommt es zur Änderung des Agens; zur Streichung von Frauen und Weiblichkeit. Hier kommen die spöttischen Widerworte für den alten Petraž plötzlich von einem Mann, statt wie im AT von einer Frau. Es stellt sich wieder die Frage nach dem Wieso solcher Änderungen (S. 204 AT, 1. Abs./ S. 147 ZT, letz. Abs.):

„Veter je kakor Bog.“ Nato je hitro oddrobil pod „Der Wind ist wie Gott.“ Dann kehrte er napuš či proti priljubljeni mu kr čmi. „Zdaj si wiederum eilig in sein geliebtes Gasthaus zurück. slišal,“ se je smejala šaljiva soseda , „Bog in „Nun wissen wir Bescheid“, sagte scherzend veter, kaj mu mar hruška. […]“ der Nachbar . „Gott ist wie der Wind! Was schiert ihn da der Birnbaum. […]“

In einem weiteren Beispiel fehlt ein ganzer Absatz und mit ihm der Traum von einem jungfräulichen Körper. Dieser kurze Einschub und Hinweis auf Sexualität wurde getilgt (S. 208 AT, 3. Abs./ S. 156 ZT, 1+ 2. Abs.):

[...], da je veselje človeku potrebnejše od kruha. [...], daß Freude dem Menschen nötiger sei denn Nad Zajamniki, ob robu temnega gozda, cvete Brot. vsako leto obsorej šipkov grm. Ko sem se mu približal, mi je bilo, kakor da sem zagledal v [Auslassung] sanjah zasluteno deviško telo. Spodaj so se razdelile megle in v smaragdno globino jezera so se potopile gore in solnce. Iz gozda je dišalo po smoli […] Der Wald duftete nach Harz, [...]

Körperlichkeit wird aber auch in anderen Kontexten gestrichen. Im folgenden Beispiel in der Beschreibung des alten Urban čkov Janez. Es fehlen der hängende, angeschwollene Kiefer und das schüttere Haar. (S. 213 AT, letz. Abs./ S. 168 ZT, 2. Abs.):

103 Ustavil se je pred mano s skrbnimi o čmi in videl Wie er so mit seiner sorgenvollen Miene vor mir sem, da se je o čitno postaral. Izgubil je lase in stand, sah ich, um wieviel er doch gealtert war. spodnja čeljušt, na bradi nekam čudno [Auslassung] „Jetz baut man doch überall nabrekla, se mu je povesila. „Zdaj povzod Hotels“, sagte er […] zidajo hotele,“ je dejal […]

In einer längeren Passage als der Protagonist auf der Alm bei der Käserei ist, treffen wir erstmals direkt auf so viele Frauen, wie in allen anderen Novellen zusammen nicht (S. 214f AT / S. 169ff ZT). Abends in der Käserei entwickeln sich Gespräche mit den Sennerinnen. Bemerkenswert dabei ist die Verwendung männlicher Verbformen, Partizpien und Adjektiva für Frauen. Dabei handelt es sich um ein typisches Charakteristikum der Gorenjska-Mundart, vor allem im oberen Bohinj-Tal. Marja Bešter hat sich mit diesem Phänomen, das die Einheimischen „govorjenje na fanta“ nennen, beschäftigt und mit einer empirischen Untersuchung durch Mitschnitte und Interviews mit zwanzig Einheimischen aus dieser Gegend folgende Aussagen treffen können (1998:71f): 1. Es wird vor allem von Frauen für sich selbst und für andere Frauen verwendet, nicht aber für Tiere oder Gegenstände weiblichen Genus. 2. Früher wurde das Maskulinum für junge, unverheiratete Frauen verwendet, für ältere und verheiratete Frauen dann wieder das Femininum. Heiratet eine Frau nie wird sie immer mit dem Maskulinum angesprochen. Dieses Phänomen ist aber laut Bešter im Schwinden begriffen. 3. Diese Maskulinisierung umfasst auch Eigennamen, die in dieser Gegend eine männliche Form bekommen und dann entsprechend dekliniert werden: anstatt Mina Min ček , statt Johana Johan ček , statt Meta Metek . Auch bekommen dann alle Linksattribute die männliche Form: Naš Špelc , statt naša Špela, moj Min čast statt moja Mica. 4. Das Maskulinum für Frauen verwenden nicht nur die Frauen selbst, sondern auch Männer, wenn sie über Frauen sprechen, allerdings seltener bzw. mischen diese dann die Genera. 5. In ihrer Untersuchung konnte Bešter keinen Unterschied im Gebrauch des Maskulinums für Frauen abhängig von Alter, Bildungsgrad, Familienstand, Beruf etc. feststellen. Sowohl junge wie auch alte, gebildete und ungebildete, verheiratete und unverheiratete Sprecherinnen verwenden diese Maskulinisierung.

104 6. Allerdings ist der Gebrauch stark von der Situation abhängig: Charakteristisch ist er für das private Umfeld, für vertraute Situationen und persönliche Gespräche mit Familienmitgliedern, Freunden, guten Bekannten. In öffentlichen oder beruflichen Situationen, mit Nicht-Einheimischen oder Menschen, die nicht so sprechen, verwenden viele dieses Phänomen bewusst nicht. 7. Der Ursprung dieses Phänomens ist unklar, der Einfluss einer fremden Sprache kann es in dieser Gegend nicht gewesen sein; der Volksglaube kennt aber zahlreiche Legenden und Erklärungen dafür: Davon, dass in Kriegszeiten die Männer fehlten und die Gorenjska-Frauen ihren Mann stehen mussten, dass sie auch stark seien wie Männer, bis dahin, dass damit zu Zeiten der Türkeneinfälle die türkischen Angreifer übertölpelt worden sein sollten. Alle Befragten aber stimmten darin überein, dass es mit Gleichberechtigung oder dem Wunsch, ein Mann zu sein, nichts zu tun habe. (alle Beispiele vgl. Bešter 1998:71ff)

So etwa zeigen folgende Beispiele eine nicht einheitliche, ständig wechselnde Verwendung der Genera, nicht nur in der direkten Rede, sondern auch im Erzähltext:

„Saj nisi tisti“, je izpregovoril a [Uršk] z mehkim glasom, ki sem ga tolikokrat posluša l zve čer, kadar sva sedela pred stanom. Janez je prelil mleko in ko je odhajal a se je še smehljaje oziral a. Delo in solnce sta ji hitro izpila vro čo mladost. „Ni č nisem pomislil, ko je Johan č poveda l, precej sem te spozna l“, je hitel a starka , z razpokanim obrazom in ostrim nosom. „Ga je le spravil“, je jezovito sikni l Uršk . Nekatere še niso vedele in Johan č je po časi pripoveda l. Nekatera dekleta so se pri čela plašno ozirati in si zatiskati ušesa. „Meni je strah, še spati ne bom moge l“, so prosile. Prigovarjale so Balantu, naj bi zapel.

Der Autor muss die Maskulinisierung des Femininums bewusst als Stilmittel gewählt haben; auch später durch eine Überarbeitung des Autors selbst und die Nachbearbeitung der Herausgeber der Zbrano delo wurde zwar die Rechtschreibung den zeitgemäßen Normen angepasst und überarbeitet; an den nun beschriebenen Phänomenen wurde aber nichts geändert. In Munda (1988) wird eine Reihe sprachlicher Mängel bzw. nicht mehr zeitgemäßer Wortformen, die für Zbrano delo geändert wurden, aufgelistet. Erwähnt wird etwa, dass Kozak manchmal den männlichen statt den sächlichen Genus verwendet hat, was dann von

105 den Herausgebern geändert wurde („dva telesa sta se vlila v enega“ wurde zu „dve telesi sta se vlili v eno“) (vgl. Munda 1988:342f). Außerdem findet man in den Anmerkungen zahlreiche Kritiken und Reaktionen auf die Veröffentlichung von „Maske“. Keiner seiner Kritiker oder Lektoren sieht in dieser Verwendung des Maskulinums einen sprachlichen Mangel, im Gegenteil, es wird sogar gelobt. In seiner „Maske“-Kritik in Obzorje (1940, Nr. 6/7) zählt Andrej Budal dieses Phänomen sogar zu den sprachlichen Juwelen des Kozak’schen Stils:

Jezik te knjige je vseskozi prav lep, najlepši pa v mladostnih spominih in kjer nastopajo preprosti ljudje: o če, mladi či, Korošci in Korošice, brezposelni, godec Georges, Bohinjci in Bohinjke, ljubljanski pivci. […] Nikdar ne omahne v časnikarske plitvine, dasi se jim tu in tam za las približa – pa nalaš č, da švrkne in ošviga. Kdor se mu bližaš s slovniškim in pravopisnim vatlom, pazi, da ne lopne vatel po tebi. Izmed drobnih dragotin naj omenimo: […] Bohinjska posebnost ‚je siknil Uršk’ (216 = siknila je Urška) še ni ustaljena, ker piše ‚je Johan č prinesla’ (215) in ‚Johan č je pripovedoval' (216) Strpljivi sta 'pastirica' (197) in 'pastarica' […] (zit. n. Munda 1992:462)

In der Übersetzung geht diese starke Markierung durch die ungewöhnliche Generaverwendung verloren, da im Deutschen das Genus nicht grammatikalisch markiert werden muss – ein typischer Fall von „Lost in translation“ durch die Asymmetrie der Sprachen. An selbiger Stelle, in der Johan č beschrieben wird, wird mit einer Redewendung übersetzt, wo im AT keine vorhanden ist; noch dazu eine mit Blut (S. 214 AT, 3. Abs./ S. 169 ZT, letz. Abs.):

Zvedavo so pogledovala dekleta skozi vrata in se Die Mägde guckten neugierig durch die Tür, vendar delala, da me ne vidijo . Po časi z lenimi versteckten sich aber vor mir . Mit trägen koraki, je Johan č prinesla žehtar. Janez mi je Schritten kam Johan č und brachte ihren Eimer. pomežiknil in stopil sem k vratom. Neko č je Janez winkte mir zu und ich trat an die Tür. Einst imela mle čno polt , pod visokim, gladkim čelom hatte sie eine Haut wie Milch und Blut und zamišljene, plave o či in dolge, svilene unter der hohen, glatten Stirn träumerische, helle trepalnice . Ustnice so ji ostale še vedno rde če, Augen und seidene Lider . Ihre Lippen waren toda koža je izsušena in skorjasta. auch jetzt noch rot, aber die Haut war schon spröde und runzelig.

106 Nicht nur wird ihre äußere Beschreibung leicht verändert, blaue werden zu hellen Augen, lange, seidene Wimpern zu seidenen Lidern, auch das Verhalten der Mädchen wird anders beschrieben. Während sie im AT so tun, als ob sie ihn nicht sehen würden – was durchaus als kokettierendes Verhalten ausgelegt werden kann – verstecken sie sich im ZT vor ihm. Dadurch werden sie meiner Meinung nach dümmer und schüchterner dargestellt als sie es im AT sind. Wieder wird die Darstellung von Frauen durch den Übersetzer verändert. Eine weitere bemerkenswerte Änderung, bei der es sich um keinen Zufall handeln kann, in der Charakterisierung einer Person, kommt kurz darauf vor. Zuvor ist der Protagonist im Gespräch mit einer anderen Sennerin und erkundigt sich darüber, ob sie geheiratet habe. Im Anschluss erkundigt er sich nach einer gewissen Rezka bzw. nach einem gewissen Rezek (S. 214 AT, vorl. Abs./ S. 170 ZT, 1. Abs.):

„Rezka ni?“ sem vprašal Janeza. „Ne, letos je „Hat Reska auch noch nicht geheiratet?“ šel v hotel.“ Spomnil sem se tihe mese čne no či, fragte ich Janez. „Nein.“ Ich erinnerte mich noch ko smo nad teminami zavijali med belimi an jene stille Mondnacht, als wir über die skalami okoli Tosca in sem Rezka držal za dunklen Hänge zu den weißen Felsen gegangen drobno roko. waren und ich Reskas zarte Hand gehalten hatte.

Im AT erkundigt sich der Ich-Erzähler nach den Verbleib dieser Person und bekommt eine Antwort über ihren beruflichen Werdegang, dass sie nun in einem Hotel arbeite. Im ZT erkundigt er sich plötzlich nach etwas völlig anderem – ob sie denn geheiratet habe, das Hotel wird ganz ausgelassen. Außerdem ist im AT nicht klar, um welche Person es sich hier handelt: Grammatikalisch müsste es sich um einen Mann handeln, da es heißt: „Rezk a ni?“ und „sem Rezk a držal za drobno roko“. Es wird dekliniert als ginge es um einen Mann namens Rezek. Nun stellt sich die Frage, ob es sich tatsächlich um einen Mann, Jungen handelt (eventuell um einen damals jungen Sohn der Sennerin?) oder um die Eigenart der Gorenjska-Mundart, für das Femininum maskulin zu deklinieren. Die Szenerie mit der zarten Hand im Mondschein evoziert allerdings eine romantische Situation. Raffinierterweise verrät der deutsche ZT auch keine Lesart des Übersetzers; man kann es so oder so lesen, möglicherweise war ihm die Interpretation dieser Textstelle auch unklar und er ist geschickt einer Vereindeutigung ausgewichen. Eine ebensolche Unklarheit im AT sehen wir im folgenden Textbeispiel. Balant erzählt die Geschichte eines Amerika-Auswanderers und der Übersetzer vereindeutigt (S. 19 AT, 3. Abs./ S. 181 ZT, 2. Abs.):

107 „Spomladi je bil prišel Ženov iz Amerike. Kakor „Im Frühjahr kam Ženov aus Amerika. Er more, zapravlja zdaj dolarje, ki jih je bil prinesel verschleuderte geradezu die Dollars, die er s seboj. Nekaj let je starejši od mene in je pobral mitgebracht hatte. Er ist ein paar Jahre älter als na Savi nekaj takega , da živi kar z njim , čeprav ich. An der Save hat er ein Weibsbild se vse vasi zgledujejo. Njegova stvar. […]“ aufgegabelt, mit dem er nun zusammenlebt , obgleich er ganz andere haben könnte. Das ist seine Sache. […]“

Im AT ist hier eindeutig das männliche Genus vorzufinden („so etwas, womit er nun zusammenlebt“) im ZT wurde daraus ein Weibsbild . Die große Frage besteht nun darin, ob das eben hier auf die Eigenart des Gorenjska-Dialekts, für das Femininum das Maskulinum zu verwenden, zurückzuführen ist. Im AT ist wirklich nicht ganz klar, was gemeint wird. Viele Interpretationen wären möglich, ein Mann, eine Frau, ein nicht näher spezifiziertes anderes „Etwas“; der Übersetzer vereindeutigt diese Textstelle. In beiden Stellen ist im AT das Geschlecht der jeweiligen Person nicht klar; in einem Fall hält sich der ZT ebenso vage wie der AT, im zweiten Beispiel wird vereindeutigt. Zu einem Flüchtigkeits- bzw. Verständnisfehler kommt es in folgendem Beispiel bei der Beschreibung der Umgebung (S. 213 AT, 3. Abs./ S. 167 ZT, letz. Abs.):

Mirno so se pasli spodaj grivasti konji, med Ruhig grasten unten die Pferde, zwischen Geröll ruševjem in smrekami so skozi zatrep pozvanjale und Tannicht leuchteten die Kühe hervor, die krave, ki so se majale proti stanovom s polnimi sich mit vollen Eutern zu den Ställen hin vimeni. bewegten.

Eindeutig handelt es sich im AT um einen botanischen Begriff, ruševje bezeichnet die Zwergkiefer, Bergkiefer, Latsche, die Krummholzkiefer, nicht jedoch Geröll. Vielleicht kam es durch die Ähnlichkeit zu ruševina (Ruinen, Trümmer, Schutt) zu dieser Änderung. Ein weiteres Beispiel: Bei der Übersetzung eines Kulturspezifikums, eines Milchproduktes, kommt es zu einen weiteren Shift (S. 206 AT, 2. Abs./ S. 153 ZT, 1. Abs.):

Dobro se še spominjam, da smo jedli krompir s Ich kann mich noch gut daran erinnern. Wir skuto , kar ni o četu nikoli dišalo […] hatten Erdäpfel und Sauermilch , die der Vater nie recht mochte […]

108 Fraglich bleibt, wieso skuta nicht mit Topfen oder dem bundesdeutschen Pendant Quark übersetzt wurde, wobei man an dieser Stelle streiten könnte, ob das jeweils genau dasselbe ist – unzweifelhaft ist aber Sauermilch etwas anderes. Bedenken, einen eindeutigen Austriazismus zu verwenden, können es auch nicht gewesen sein, schließlich verwendete er für krompir die österreichischen Erdäpfel . An der nächsten Stelle wird in der Übersetzung wieder ein anderes Bild erzeugt als im AT. Auf der Alm unterhält sich der Protagonist mit Janez Urban ček über seine Kinder, während der weiterhin seiner Arbeit nachgeht (S. 213f AT / S. 168 ZT, letz. Abs.):

„[…] V svet bi pogledal in ne bi mu bilo tako „[…] würde weit in der Welt herumfahren und trdo za življenje kakor je nam.“ Sklanjal se je das Leben wäre für ihn nicht so hart wie für zopet nad bakrenim kotlom in ga pomival za unsereinen.“ Hierauf bückte er sich wieder ve černo kuho. über den ehernen Kessel, darin noch die Spuren der Abendsuppe waren, und wusch ihn aus.

Zum ersten wird gar nicht gesagt, was im Topf war bzw. ist (Suppe?), der Kessel ist aus Kupfer, in der Übersetzung aus Erz, aber die wesentliche Änderung ist die in der zeitlichen Perspektive. Während Janez im AT wohl erst den Kessel für das Zubereiten des Abendmahls vorbereitet, ist im ZT das Abendessen schon vorbei. Wie auch schon bei der Übersetzung der anderen Novellen, wurden auch in dieser abermals Verweise auf die Bibel gestrichen. Eine Anekdote, die vom alten Boltar erzählt wurde, fehlt einfach wiederum zur Gänze; darin auch in einem Nebensatz das Gleichnis von der Hochzeit zu Kana, als Jesus Wasser zu Wein verwandelte (vgl. bibleserver, Joh, 2). Im AT wurde diese Metapher verwendet um ein gutes Leben auszudrücken: „[…], kjer bi živeli kakor na ohceti v Kani Galileji“ (S. 218f AT, S. 180 ZT, 1. Abs.). Außerdem beinhaltet diese Textstelle einen intertextuellen Verweis auf ein slowenisches Volkslied in dem auch von der Hochzeit zu Kana die Rede ist: „Smo pinkali, smo ponkali, smo vince, vince pili na Mojzesovi ohceti v Kani Galilejski“. (OŠ Danila Lokarja Ajdovš čina 2003:49) Besonders bei dieser Novelle könnte man von übersetzerischer Subversion sprechen: Nicht in der Art wie oder was der Translator übersetzt hat, sondern darin, was nicht übersetzt wurde, liegt eine gewisse subversive Note. Weiblichkeit und Verweise auf das Christentum wurden bei dieser und auch bei den anderen Novellen ausgelassen, zusätzlich wurde allerdings bei keiner anderen Novelle so viel gekürzt wie bei dieser, zweifelhafte Textstellen,

109 wurden vereindeutigt, und eine nazistische Gallionsfigur – Leni Riefenstahl – einfach ausgelassen.

4.8 Voranc’ „Boj na požiralniku“ in deutscher Übersetzung: „Der Kampf um den Sumpfacker“

Prežihov Voranc’ „Boj na Požiralniku“ erschien erstmals in der Zeitschrift „Sodobnost“ im Jahre 1935. Nachdrucke erschienen in Folge in Gorizia 1937 bei der Biblioteka za pouk in zabavo und später ab 1940 im Geschichtenband „Samorastniki“. Aus den gesammelten Briefen Voranc’, die in Zbrano delo veröffentlicht wurden, wissen wir, dass Voranc seinen Übersetzer ins Deutsche kannte, ihm persönlich Erlaubnis und Auftrag erteilte und ihm sein Aufenthaltsort Ljubljana bekannt war: Die Rede ist von Stanislaus Hafner. Wir wissen aus jenem besagten Brief Voranc’ an seinen Herausgeber Ferdo Kozak vom 21. 7. 1940, dass Stanislaus Hafner „Boj na požiralniku“ übersetzt hat und auch die Übersetzung des gesamten Bandes „Samorastniki“ geplant war:

[…] Sedaj še nekaj: Stanislav Hafner je prevedel moj »Požiravnik« v nemš čino, kakor sem bral v časnikih. Prevaja pa še »Samorastnike«. Za prevajanje »Požiravnika« je prosil in sem mu dal pismeno dovolitev. Obljubil je neki honorar za polo, koliko, ne vem natan čno. Posredoval je g. Jeran, menda ravnatelj Narodne tiskarne. Šlo je seveda vse pismeno iz Trsta. Sedaj me zanima honorar. G. Hafner je menda v Ljubljani. Ali bi Vi lahko prišli ž njim v stik, ali z g. Jeranom? Moj prejšnji posredovavc je medtem zapustil Ljubljano. Če bi mogli, bi Vam bil hvaležen. Ali pa morda lahko koga drugega nasvetujete, na katerega bi se obrnil? Povejte to moji ženi, kadar pride. Mogo če bi bilo najbolj pametno, da bi moja žena sama šla iskati g. Jerana, ali kar Hafnerja. […] (Voranc 1940, in Voranc 1989:315)

Ob und in welchem Ausmaß Hafner dieses Vorhaben verwirklichen wollte und die genauen Gründe, wieso es zumindest nie zu einer publizierten Hafner’schen Übersetzung der gesamten „Samorastniki“ ins Deutsche gekommen ist, ist ungewiss. Die erste publizierte deutsche Übersetzung der „Samorastniki“ erschien jedenfalls erst 1963 unter dem Titel „Wildwüchslinge“ von Janko Messner beim Verlag Dr. Bertl Pertei. (vgl. Koruza: 1964:456) Bei „Boj na požiralniku“ war es anfänglich schwer zu sagen, mit welchem Abdruck der Übersetzer Stanislaus Hafner gearbeitet hat, da alle drei aufgezählten Veröffentlichungen

110 in zeitlicher Nähe zur Übersetzung erschienen sind. Nachdem ich allerdings mit der Analyse begonnen hatte – und anfänglich arbeitete ich mit der Version aus „Samorastniki“ aus dem Jahr 1940 – ließ sich sagen, dass der Übersetzer die erste, in „Sodobnost“ abgedruckte Version von 1935 verwendet haben muss. Es finden sich in der Übersetzung Satzteile, teilweise ganze Sätze, die die slowenische Version von 1940 nicht mehr enthält, die Version von 1935 allerdings schon (noch). Wie schon zuvor in Kapitel 2.6 erwähnt, wurden gerade an Voranc’ Texten viele Änderungen durch seinen Lektor und Herausgeber Ferdo Kozak vorgenommen. Folgende zwei Textstelen seien zur Untermauerung dieser Behauptung angeführt: Gleich zu Beginn der Novelle verspricht die Mutter dem jungen Dihur, dass es ihm bei dem Bauern, zu dem er in den Dienst geschickt wurde, an nichts fehlen würde (S. 317 AT, 5. Abs./ S. 196 ZT, 2. Abs.):

Version in „Sodobnost“, 1935: Version in „Samorastniki“, Übersetzung: 1940: Vso pot mu je slikala izobilje, Vso pot mu je slikala izobilje, Die Mutter malte ihm den ki ga tam čaka, meso, potice in ki ga tam čaka, potice in ganzen Weg lang den poga čce, da Dihur ček pri poga če, da Dihur ček pri slovesu Wohlstand vor, der ihn dort slovesu niti solze ni poto čil. niti solze ni poto čil. erwartete, daß Fleisch, die mit Nuß gefüllten Kuchen und Reinlinge . Der kleine Dihur vergoß beim Abschied nicht einmal eine Träne.

In der Version von 1935 gibt es dort noch Fleisch, in der Version von 1940 ist davon keine Rede mehr. Fraglich bleibt, wieso der Lektor, gerade das Fleisch gestrichen hat; vielleicht nur, um das Hauptaugenmerk auf die Alliteration „potice in poga če“ zu lenken. Ein weiterer Satz wurde in der Version von 1940 gestrichen, der sowohl in der Version von 1935 als auch in der Übersetzung noch enthalten ist (S. 25 AT, Kapitel 2, 4. Abs./ S. 205 ZT, 4. Abs.):

111

Version in „Sodobnost“ 1935: Version in „Samorastniki“ Übersetzung: 1940: Pri njih doma na celem gruntu Pri njih doma ni bilo na vsem Bei ihnen gab es am ganzen ni bilo studenca, suša je bila gruntu studenca, suša je bila Grundstück keinen Brunnen, njihov najve čji sovražnik. Zato njihov najve čji sovražnik. Zato und die Trockenheit war ihr se je pri bajti rekalo pri se je pri bajti rekalo pri größter Feind. Deshalb trug ihr Sušniku. Sušniku. Haus den Namen „Sušnik“. Ali po petih letih je Dihurka [Auslassung] Nach fünf Jahren aber seufzte prvi č vzdihnila: die neue Dihurin zum ersten »Suša vzame človeku kos »Suša vzame človeku kos Male: „Die Trockenheit nimmt kruha, mo ča pa dva!« kruha, mo ča pa dva!« dem Menschen ein Stück Brot, die Feuchtigkeit aber zwei!“

Diese Aussage wird in der älteren Version noch der neuen Dihur-Bäuerin zugeschrieben, in der Version von 1940 steht die Aussage ohne Sprecher da. Auch diese Textstelle deutet darauf hin, dass der Übersetzer Hafner mit der älteren Version von 1935 gearbeitet hat.

Insgesamt kann man anmerken, dass es sich um eine sehr gelungene, sprachlich schöne Übersetzung handelt. Stanislaus Hafner verstand sein Handwerk und hat in gehobener, leicht antiquierter Sprache, den archaischen Hauch, der Voranc’ Schreibstil auszeichnet, ins Deutsche gerettet. Diese bedeutende Charakteristik des Voranc’schen Schreibstils wurde gekonnt in der deutschen Übersetzung übernommen; der Übersetzer findet an etlichen Stellen (aus heutiger Sicht) veraltet wirkende deutsche Entsprechungen. Etwa, „Die Kinder warteten das kranke Tier.“ (S. 215f ZT, letzte Zeile). Oder als er für „blato“ (an dieser Textstelle, S. 339 AT, 4. Abs., eindeutig aufgeweichte Erde, Schlamm) die veraltete Bedeutung Kot verwendet (S. 241 ZT, 3. Abs.). Auf Seite 225 ZT, 2. Abs. heißt es landschaftlich, veraltet für „Imela je veliki pogreb“ „Es war eine schöne Leiche“. Zum anderen zeichnen sich Voranc’sche Texte durch Regionalismen und Dialektismen aus dem Miestal aus. Nur einige Beispiele sollen an dieser Stelle genannt werden: truplo für „telo“, les für „gozd“ čepun für „vodir“, „oselnik“; krvavec für einen Blut urinierenden Ochsen, odrina für „steljnjak“, vigred anstatt „pomlad“ für Frühling, zdrtost für „pretirana delavnost“; kajžar , iberžnik, gare u.v.m. (vgl.: Zorko [1993/94]) Diese eindeutige Eigenschaft seines Schreibstils geht durch die Übersetzung verloren, da meist auf standardsprachliche, schriftsprachliche Entsprechungen zurückgegriffen wird. 112 Der Text ist eindeutig anzumerken, dass er älteren Ursprungs ist, etwa bei Realien aus der bäuerlichen Welt, wie etwa das Mengenmaß für Getreide biren , das mit Vierling übersetzt wurde. Die heutige Durchschnittsleserschaft des slowenischen Originaltexts, wie auch der Übersetzung, kann daraus keinerlei Information beziehen, ob es sich nun um einen reichen oder armen Bauer handelt, ob es sich dabei um viel oder wenig Saat handelt. Koruza erklärt im kritischen Apparat zu Zbrano delo : „V Mežiški dolini imenujejo tako posodo za merjenje žita; mera ustreza 60 kg.“ (1964:480) Später in der Erzählung erntet ein anderer Bauer 50 Vierling Saat, Dihurs Felder fassten nur zwei. Also handelt es sich beim Dihuren um einen armen Kleinbauern. Ebenso wird der Begriff „mala gospojnica“ bzw. „kleiner Frauentag“ heute meist nicht mehr verstanden und ist als Zeitangabe nichtssagend. Es handelt sich dabei um den 8. September, Mariä Geburt, üblicher ist heutzutage im Slowenischen auch eher Mali šmaren .

An mancherlei Stellen wählt der Übersetzer andere sprachliche Bilder, schwächt ab oder verstärkt, verschiebt Intensitäten, Gewichtungen und Konnotationen. Grundsätzlich wird in der Übersetzung dieser Novelle durch den Übersetzer eher abgeschwächt, weggenommen und neutralisiert als „dicker aufgetragen“. Auf Seite 217 der Übersetzung, im vorletzten Absatz (S. 327 AT), kommt es zu einer solchen Abschwächung durch Neutralisierung: Aus dem Leiden, der Plackerei, wird die neutrale Arbeit.

[…], vse ostalo, kupnina, reja, dobi ček in […] Alles andere: Kaufpreis, Mast, Gewinn und trpljenje na Svinjski planini pa je bilo uni čeno. die Arbeit auf der Saualm waren verloren.

Ebenso wird an anderer Stelle neutralisiert: auf Seite 222 der Übersetzung (S. 329, 5. Abs.) wird der innere Gefühlszustand der Dihurin beschrieben, als sie sah, dass ihr Mann die ganze Nacht heimlich gemäht hatte:

Ko je šla skozi log, ji je ob pogledu na pokošene Als sie durch den Wald kam und plötzlich die redi zastal korak . Pri tem jo je spreletelo toplo, a gemähte Waldwiese sah, löste dies in ihr ein grenko zadoš čenje . warmes und doch bitteres Gefühl aus.

In der Übersetzung beschlich sie lediglich ein Gefühl, im Original hielt sie im Schritt inne und ein Gefühl der Zufriedenheit durchflutete sie. Hier kam es zu einer Abschwächung der emotionalen Reaktion.

113 Ebenso schwächt die Übersetzung an jener Stelle (Seite 228, 6. Abs.) ab, als Dihur vor dem Pfarrer nach einer Ausrede für die seltenen Kirchenbesuche seiner Kinder sucht. (S. 332 AT)

Dihur se je izvijal z revš čino , da sam ne utegne, Dihur entschuldigte sich mit seiner Arbeit . Er da bo, ko odrastejo, to druga če. könne die Arbeit allein nicht bewältigen, das werde sich aber ändern, sobald sie erwachsen sein würden.

Voranc wählt auch sehr oft Vergleiche aus der Natur, der Tier- und Pflanzenwelt, die in der deutschen Übersetzung auch meist neutralisiert werden, wie auf S. 335 AT / S. 235 ZT, 2.Abs.:

Ali že četrti dan so kakor jastrebi padli na Am vierten Tage aber tauchten unvermutet dvoriš če Jaromil, župan in dva žandarja z Jaromil, der Vorsteher und zwei Gendarmen mit nasajenima bajonetoma. aufgepflanztem Seitengewehr in Dihurs Keusche auf.

Ebenso auf S. 342 AT, 4. Abs. v. u. / S. 246 ZT, letzter Absatz wird wieder eine Tiermetapher getilgt:

Sušnik je pridirjal kakor jelen [...] Sušnik kam herbeigeeilt.

Manchmal sucht der Übersetzer nach anderen sprachlichen Bildern, als sie im Ausgangstext zu finden sind. An manchen Stellen geschieht dies im besten Interesse der deutschen Übersetzung, da er sich sehr schöne deutsche Lösungen einfallen lässt, manchmal hätte er aber auch ruhig das Bild des Originals in seiner Übersetzung beibehalten können. Auf Seite 195 des ZT im vierten Absatz (S. 317 AT, 4. Abs.) heißt es im Vergleich zum Original:

Komaj so se mladi Dihurji dobro znebili plenic… Die jungen Dihurs waren kaum den Eierschalen entschlüpft…

Es wäre nicht notwendig gewesen, ein anderes Bild zu wählen, da man auf Deutsch auch „in den Windeln liegen“ bzw. infolge „den Windeln entsteigen kann“.

114 Als es durch harte Arbeit endlich aufwärts zu gehen scheint, heißt es (S. 325 AT, 1. Abs./ S. 212 ZT, 2. Abs.):

Bilo je podoba, da se bosta z neprestanim delom Es sah aus, als ob er durch zähe Arbeit doch auf vendarle izkopala . einen grünen Zweig kommen sollte.

Hier wurde nicht nur ein schönes, sprachliches Bild gefunden, ebenso wurde die Perspektive geändert. Die aktive Handlung, die harte Arbeit ist bei Voranc eindeutig im Dual, also etwas, dass Herr und Frau Dihur gemeinsam leisten und eine Verantwortung, die sie gemeinsam tragen. In der Übersetzung geht es nur um ihn allein. Oftmals schreibt der Übersetzer so eine Handlung einer verkleinerten bzw. einer vergrößerten Gruppe zu, verändert den Agens, macht aus einer handelnden Person zwei oder umgekehrt, spricht nur von einer Person, obwohl im Original zwei Personen eine gemeinsame Arbeit verrichten. Für diese interessanten übersetzerischen Entscheidungen sollen noch weitere Beispiele aufgeführt werden: Auf Seite 210 des ZT, im 4. Absatz, geht es im AT nur um den Schwager, in der Übersetzung um die ganze Familie Sušnik (S. 324 AT, 3. Abs.):

Pri nobeni procesiji pa od Sušnikovih ni bilo Diesmal aber sah man bei den Prozessionen nikogar... niemand vom „Trockenen Hügel“. „Ali je svak postal antikrist? ...“ „Sind sie denn Antichristen geworden ?...“

Als einmal die Pflugschar abbricht, heißt es (S. 325 AT, 5. Abs./ S. 213 ZT, 2. Ab):

Zve čer je Dihur oprtal celega merjasca na ple ča Abends lud Dihur den ganzen Pflug auf die in nesel breme, ki je tehtalo skoraj sto kil, uro Schulter und trug die fast hundert Kilo schwere hoda h kova ču, kjer sta ga po no či zvarila . Last eine Stunde weit zum Schmied, der den Drugi dan je Dihur zopet oral. Pflug über Nacht in Ordnung brachte . Am nächsten Tag ackerte Dihur wieder weiter.

Im Original erfährt man, dass der Dihur auch noch die gesamte Nacht durcharbeitet, in der Übersetzung wurde die Bedeutung durch den Perspektivenwechsel abgeschwächt: Als würde sich der Dihur, während der Schmied „den Pflug über Nacht in Ordnung bringt“, ausschlafen. Ebenso ist die Rede von einem Gendarmen, der den zu verprügelnden Knaben an einen Stuhl festbinden will (S. 336 AT, 3.Abs.v. u.), in der Übersetzung werden daraus zwei (S. 236

115 ZT, 2. Abs.v. u.). Oder als der Vater sich im Todeskampf im Bett windet, Ne č fragt, ob ein Priester zu holen sei (S. 341 AT, 2. Abs.), der Vater abwehrt und die Söhne ihn beschwichtigen, wird aus dem Dual ein Singular (S. 245, 1. Abs.):

„Samo tako sva mislila…“ „Ich dachte nur…“

Sehr oft wurden kleine Informationen in der Übersetzung ausgelassen, ob aus Unachtsamkeit oder aus bewussten Überlegungen heraus, lässt sich schwer feststellen. Selbiges geschieht im nächsten Beispiel, als die geringfügige Information fehlt, wo der Fleischer zu finden ist(S. 217 ZT, 5. Abs./ S. 327 AT, 8. Abs.):

Ali bog njihovih prošenj ni uslišal; tretjo no č se Aber Gott erhörte ihr Gebet nicht. In der dritten je Dihur skrivaj spravil v trg k mesarju. Nacht schlich sich Dihur heimlich zum Fleischer.

Im ersten Absatz auf Seite 329 des AT sieht man einen ganzen Nebensatz, der in der Übersetzung, auf Seite 220, fehlt.

Utrujenost je izginila, njene ozke posušene prsi Die Müdigkeit war verschwunden. [Auslassung] so se napile mo či diše čih trat. „Es könnte Hagel geben“, sprach sie hastig zu „Zaradi to če je nevarno,“ je hitela sama pri sebi sich selbst […] […]

Dieser Nebensatz bezieht sich auf das Innenleben der Protagonistin, sie wird näher charakterisiert. Ein weiteres Beispiel für eine Auslassung findet sich auf Seite 237 der Übersetzung, im 4. Absatz, als Dihur seinen Sohn Neč verprügelt, weil er Kartoffeln gestohlen hat (S. 337 AT, 2. Abs.). Viel Information geht zwar nicht verloren, allerdings fehlt eben wieder ein Detail bei der Charakterisierung und dem genauen Vorgehen des Dihur- Bauern.

116

Vsak udarec je spremljal groze č žvižg Bei jedem Schlag pfiff die Rute drohend durch prizemnikovca skozi zrak in ta žvižg je hujše die Luft, und dieses Pfeiffen war eigentlich noch odmeval, kakor zamolkli udarci, ki so drug za stärker hörbar als die dumpfen Schläge, die einer drugim grizli v fantovo meso. Pri tem so bile nach dem anderen in das Fleisch des Burschen njegove o či zvesto uprte tja, kamor je mahal . bissen. [Auslassung] Gleich nach dem ersten Koj po prvem udarcu se je Ne č kr čevito oklenil Hieb klammerte sich Ne č krampfhaft an den stola […] Stuhl.

Ebenso fehlt wieder ein Satz in direkter Rede eines Gendarmen (S. 338 AT / S. 239 ZT), nachdem die Kinder verprügelt wurden ( „Ali smo opravili?“ je tedaj vprašal žandar .) Gut möglich ist, dass es sich bei diesen Auslassungen einfach um Flüchtigkeitsfehler handelt. An einer Stelle könnte man eine ganz bewusste Auslassung vermuten (S. 341 AT, 5. Abs./ S. 245 ZT, letz. Abs.), als die Kinder den Leichnahm des Dihuren aufbahren. Die Details der Leiche, seiner Eingeweide und des Gestanks und dass sie seinen Bruch zurück in den Körper quetschen, werden in der Übersetzung (aufgrund pietätischer, bigotter Überlegungen?) ausgelassen:

Najprej so o četa naparali, kakor so videli pri Zuerst bahrten sie den Vater auf, wie sie es bei materi. Z veliko muko sta Ne č in Pungra spravila der Mutter gesehen hatten. Mit schwerer Mühe za hla če o četovo kilo, ki jo je Dihur v smrtnem brachten ihn Ne č und Pungra in die Hose hinein, boju razgrebel, da so uhajala čreva iz nje in se denn im Todeskampfe waren seine Eingeweide je razširjal neznosen smrad po sobi. aufgequollen. [Auslassung]

Wie schon an mehrfachen Stellen erwähnt, tendiert Hafner dazu, die Übersetzung syntaktisch umzustrukturieren, die Sätze in der Übersetzung zu verkürzen. Da Sätze im Deutschen generell länger sind, schien es ihm daher vielleicht verständlicher und besser strukturiert indem er wesentlich mehr Punkte setzte als Voranc in seinem Original. Hierzu ein Beispiel (S. 324, 2. Abs./ S. 210 ZT, 2. Abs.), indem der Originaltext zwei Sätze aufweist. In der Übersetzung wurden daraus fünf:

117 Prihodnje leto je vso pomlad neprestano Im nächsten Jahr regnete es im Frühling deževalo, rast ni mogla nikamor, žita so rumenela ununterbrochen . Die Saat konnte nicht aufgehen . in se vedno bolj udirala v tla . Po sen čnih krajih in Das Getreide vergilbte und legte sich auf die nižavah je med kmeti kmalu za čelo vreti in zopet Erde . In schattiger Lage und in den Tälern so se za čele prošnje za lepo vreme . begannen die Bauern bald wieder zu fluchen . Wiederum gab es Bittgänge, diesmal um schönes Wetter .

Ebenso hält er sich auch auf Makroebene nicht immer an die Struktur des Ausgangstextes. So gibt es an einigen Stellen weniger Absätze als im Original (z.B. S. 241 ZT, 2. Ab./ S. 339 AT, 2. + 3. Abs. sowie S.237 ZT, 4. Abs. / S. 337 AT, 2.+3. Abs.).

Nur wenige tatsächliche „Fehler“ haben sich eingeschlichen – bzw. ist an einigen Stellen die vorgenommene Änderung nicht nachvollziehbar. In der Übersetzung grünten gleich zu Beginn die Föhren, im Original allerdings die Lärchen (S. 316 AT, 1. Abs./ S. 193 ZT, 1. Abs.). Lärchen hingegen werfen ihre Nadeln ab und grünen im Frühjahr erneut, das gleiche Bild mit der Föhre, bei der das nicht der Fall ist, wirkt unlogisch.

Kadar so spomladi, ko je mecesen na gori že Begannen die Dihurs im Frühling zu pflügen, ozelenel, Dihurjevi za čeli z oranjem, so sosedje wenn die Föhren im Walde schon ein saftiges rekali: […] Grün annahmen, so sagten die Nachbarsleute: […]

Eine ebensolche Änderung ergibt sich (S. 330 AT, vorlet. Abs./ S. 224 ZT, vorletz. Abs.) als die Dihurin auf dem Acker zusammenbricht. Bevor Dihur Hilfe holen rennt, deckt er sie mit seiner Jacke zu:

V hipu je slekel jopi č, pokril z njim njena nedra , Er riß die Jacke vom Leibe und bedeckte damit potem zdirjal preko njiv k sosedu kakor ihre Hüften . Dann stürmte er wie ein tolles Tier brezumna žival. über die Felder zum Nachbarn.

Wiederum ist der Grund für diesen Shift nicht ganz ersichtlich, im AT bedeckt der Dihur den Busen seiner Frau – die Hüften zuzudecken, ist ein leicht irritierendes Bild. Möglicherweise hat sich der Übersetzer nur verlesen und statt „nedra“ (Brust) „bedra“ gelesen (Schenkeln) und es handelt sich einfach nur um einen Flüchtigkeitsfehler. Möglicherweise

118 kann aber auf die bigotten Moralvorstellungen der Nationalsozialisten Rücksicht genommen worden sein und der Busen ist ganz absichtlich zensuriert worden. Genau wie bei dem oben zitierten Textbeispiel, in dem die Kinder die Leiche des Dihur-Bauern in seine Hose zwängen und aufbahren, könnte es sich auch hier um eine bewusste Änderung handeln, um die konkrete Körperlichkeit abzuschwächen. Ebenso ergibt sich eine wesentliche Änderung (S. 337 AT letz. Zeile / S. 239 ZT, 1. Abs.) als nämlich auch noch der zweite Sohn zugibt, beim Kartoffel stehlen geholfen zu haben: Der Unterschied liegt zwischen Absicht und tatsächlicher Handlung.

[…] nato je njegova desnica, v kateri je še vedno Dann wurde seine rechte Hand, die noch immer stiskal prizemkovec, zopet oživela in ne da bi die Rute hielt, wieder lebendig. Ohne auf einen čakal povelja, je že hotel za četi s pretepanjem. Befehl zu warten, fing er wieder an zu schlagen.

Interessant anzusehen ist die Übersetzung der Eigennamen, da es sich hier im Slowenischen um sprechende Namen handelt: Dihur, Plazovnik, Sušnik, Suhi Vrh, Osojnik etc. Beginnen wir mit dem wichtigsten Eigennamen, jenem der Familie. Wir erfahren vom Erzähler, dass der Hof an und für sich Plazovnik hieß, allerdings alle Nachbarn die Familie Dihur nannten. Im Slowenischen entsteht dadurch eine deutliche Abwertung, die uns auch viel über den Status und das Ansehen der Familie verrät. Plazovnik leitet sich von der geographischen Lage des Hofes und der Felder ab, an der irgendwann mal ein Bergrutsch stattgefunden hat. Plazovina bzw. plaz und davon abgeleitet der Familienname Plazovnik, bezeichnet also lediglich diese geologische Eigenschaft. Dihur wird als Schimpfwort und Beleidigung verstanden, ist also keineswegs ein euphemistischer Familienname. Dihur erweckte in erster Linie die Assoziation des Gestanks – Stinktier – also eindeutig einem Subjekt, dem es auszuweichen gelte. Der „Dihur“ ist ein Raubtier und Eierdieb und eindeutig negativ konnotiert. Der SSKJ führt als Beispiele an: „dihur jim je pomoril vse kokoši“ und „smrdi kot dihur“. Im Slowenischen ergibt sich damit eine Abwertung der Familie, die klar in den „Telling names“ erkennbar ist. Plazovnik wird dem deutschen Leser mit Schutthaldenbauer erklärt Dihur mit Iltis. Schutthalde kann nicht nur Müllhalde bedeuten, sondern bezeichnet in der Geologie „eine natürliche Anhäufung von Gesteinsschutt am Fuße eines steilen Hanges“ (vgl. Duden).

119 Ebenso verhält es sich mit den anderen Familiennamen: die Sušniks leben am Suhi vrh, dem trockenen Hügel, der Osojnik in Schattenlage (osoja = Schattenlage, Schattenseite) etc. Es fehlt allerdings an Einheitlichkeit bei der Übersetzung der Eigennamen; der Übersetzer verwendet parallel zueinander bald die deutsche, bald die slowenische Bezeichnung. Einmal wird der Suhi vrh als „Trockener Hügel“ erklärt, dann wieder im slowenischen Original belassen. Mal ist die Rede von den kleinen Iltissen , mal wieder von der Dihurin . Auch werden die „Telling names“ dem deutschen Lesepublikum zu wenig bzw. gar nicht erklärt. So heißt es auf Seite 204 des ZT im 3. Absatz:

Bei ihnen gab es am ganzen Grundstück keinen Brunnen, und die Trockenheit war ihr größter Feind. Deshalb trug ihr Haus den Namen „Sušnik“.

Dem deutschsprachigen Leserkreis erschließt sich die logische Konsequenz der Sätze mit den Verknüpfungen „weil…deshalb“ nicht, weil man dazu verstehen müsste, da der Eigenname Sušnik vom Adjektiv „suh“, „trocken“, abgeleitet wird. Die wenigen Hinzufügungen die der Übersetzer überhaupt verwendet, gibt es bei der Erklärung der Eigennamen, allerdings hätte er ruhig noch die eine oder andere zusätzliche Erklärung hinzufügen können.

Der Übersetzer Stanislaus Hafner logisiert auch an manchen Stellen und bessert Denkfehler des Autors aus. Auf Seite 215 des ZT findet sich eine solche interessante Stelle (S. 326 AT, 6. Abs.). Dihur hat zwei Ochsen; einer davon ist Bavšej, der eines Tages den Dienst verweigert und daraufhin ganz furchtbar von Dihur geschunden und geschlagen wird. Danach überkommt ihn Reue und der Text geht wie folgt weiter:

„Po čijmo torej!“ [Auslassung] Dočim sta voli ča kmalu pozabila na dobljene Während der andere Ochse rasch die Schläge udarce in za čela klapoušiti , se bavšej danes za vergaß und anfing wiederzukäuen , beachtete vse milovanje ni zmenil. Bavšej heute keine einzige Zärtlichkeit.

In der deutschen Übersetzung ist der Satz zwar logischer, aber auch etwas seiner Vieldeutigkeit beraubt geworden; während der eine Ochse nach diesem konkreten Vorfall normal reagiert, stimmt etwas mit dem anderen, Bavšej, nicht. Im AT bezieht sich der erste

120 Satzteil mehr darauf, wie die zwei Ochsen normalerweise reagieren und nur dieses Mal reagiert Bavšej ganz anders. Außerdem fällt eine weitere Änderung auf: im AT schlagen, wedeln die Ochsen mit den Ohren ( klapoušiti) , im ZT beginnen sie wiederzukäuen. In folgendem Textbeispiel geht es um die Beschreibung der sommerlichen Landschaft und wieder geht etwas verloren (S. 333 AT, 4. Abs./ S. 230 ZT, 5. Abs.):

Vsa širna dobrava je blestela v zore čem žitu Die Buchweizenfelder standen in Blüte und ali ajdovem cvetu . Bila je kakor potica , ki waren wie Honigkuchen , der verführerisch zapeljivo dehti in se smehlja. duftete und einem entgegenlachte.

Leider geht in der Übersetzung das Farbenspiel verloren; der Kontrast zwischen rot- braunen Buchweizen- und gelben Weizenfeldern, die Optik eines Marmorkuchens oder einer potica mit verschiedenfarbigen Schichten. Stattdessen wird als Vergleich ein (einfärbiger) Honigkuchen gewählt.

Kommen wir nun noch zur LTI : In folgendem Beispiel von Seite 215 der Übersetzung (vorl. Abs./ S. 326 AT, 7. Abs.) findet sich eine (entfernte) Verbindung zum Nationalsozialismus:

Na bajto je legla težka skrb. Nun kehrte Frau Sorge in die Keusche ein.

Hierbei verweist der Übersetzer auf den 1887 publizierten naturalistischen Roman von Hermann Sudermann „Frau Sorge“, indem auch das Schicksal eines jungen Bauern erzählt wird und der sich großer Beliebtheit erfreuen durfte. (vgl. Peter Noss, in BBKL 1996) Intertextuelle Verweise wirken aber natürlich nur, wenn die Werke und Texte, auf die verwiesen wird, in der jeweiligen Kultur als bekannt vorausgesetzt werden können. Offensichtlich wurde im Deutschen damals die Anspielung auf „Frau Sorge“ gleich verstanden. Ganz zufällig dürfte es zu diesem Verweis auf Sudermann aber nicht gekommen sein; zwar handelt es sich bei ihm nicht um einen Nationalsozialisten, da er auch lange vor dieser Ära (1928) verstarb, allerdings finden sich in seinem Werk nationalistische Tendenzen und eines seiner wichtigsten Werke „Die Reise nach Tilsit“ wurde 1939 von Veit Harlan, dem NS- Regisseur und Macher von Jud Süß verfilmt. (vgl. Deutsches Historisches Museum 2000) An anderer Stelle, als Dihurs Söhne Kartoffeln gestohlen hatten und der Bauer mit Gendarmen und dem župan zu Dihur kommt (ab S. 235 ZT), wird der Bürgermeister immer 121 als Vorsteher übersetzt. Ob ein bestimmtes (politisches?) Kalkül dahinter steckt, nicht vom Bürgermeister zu sprechen, obwohl župan recht eindeutig jenen bezeichnet, bleibt zu klären. Was in der Analyse nicht wirklich festgestellt bzw. gefunden werden konnte, sind größere Hinzufügungen und LTI : Bis auf die eben erwähnten Beispiele der Frau Sorge und des župan , gibt es keine verdächtigen Textstellen, an denen man irgendeine (nationalsozialistische) Ideologie ablesen könnte bzw. eine Umdeutung hin zu dieser Ideologie vermuten könnte. Ich bin sogar versucht zu sagen, dass der Übersetzer ob der vielen bäuerlichen Bilder (Feld, Acker, Pflug, Ochsen) leicht Signalwörter à la Blut und Boden, Scholle etc. einbauen, leicht kleine Umdeutungen vornehmen hätte können, es aber eben nicht getan hat.

5 Conclusio

Nachdem nun die sechs sehr unterschiedlichen Novellen der Anthologie untersucht wurden, was für Schlüsse können gezogen und welche Ergebnisse präsentiert werden? Insgesamt hoffe ich, mit dieser Analyse interessante Erkenntnisse zutage gefördert zu haben; Übersetzungen aus dem Slowenischen ins Deutsche sind zahlenmäßig den Übersetzungen in die umgekehrte Richtung eindeutig unterlegen und deshalb lohnt es sich, einen genaueren Blick auf die vorhandenen zu werfen. Im Falle der „Slowenischen Novellen“ lohnte es sich besonders, da es sich um Übersetzungen handelt, die vor dem Hintergrund einer geschichtlich-politisch bewegten Zeit realisiert wurden und in dieser Arbeit auch alle soziokulturellen Umstände zum Zustandekommen der Übersetzungen beleuchtet werden sollten. Gerade auch die Herausarbeitung der Umstände, die politische, verlagspolitische, geschichtliche Ausgangssituation erwies sich als sehr aufschlussreich. Auch das Thema Lingua Tertii Imperii ist immer noch erschreckend aktuell. Was zur LTI schon festgestellt wurde, nämlich dass es sich immer gleichermaßen um ein sprachliches und ein politisches Thema handelt, galt in gewissem Sinne auch für diese Diplomarbeit. Wenden wir uns nun der sprachlichen Seite, der Übersetzungsanalyse zu: Allgemein kann man sicherlich zuerst die exzellente sprachlich-ästhetische Leistung des Übersetzers positiv hervorheben. Nach der Analyse der sechs Novellen kann keine Rede davon sein, dass ungenau oder sprachlich mangelhaft gearbeitet wurde. Hie und da gab es zwar kleine Flüchtigkeitsfehler, insgesamt liest sich aber das Deutsch des Übersetzers ausgezeichnet. – Das sprachliche Handwerk beherrschte er ohne Zweifel hervorragend.

122 Dies führt uns zu einer immer noch nicht beantworteten und doch so wesentlichen Frage: Wer war der Übersetzer? Franz Hille oder Stanislaus Hafner? Ständig ist die Rede von „dem Übersetzer“ ohne dass wir mit Sicherheit sagen könnten, wer von den beiden nun zu welchen Anteilen was übersetzt hat. Diese Frage wird leider auch nie mit absoluter Sicherheit beantworten werden können. Es gibt jedoch Indizien, die eine Vemutung zulässig machen: Die Übersetzungen aller sechs Novellen wirken kongruent, wie aus einer Feder. Auch dieselbe Art von Unstimmigkeiten und uneinheitlichen Vorgehensweisen finden sich in allen sechs Novellen. Also gehe ich hier eher von der Annahme aus, dass es sich um nur einen Übersetzer gehandelt hat: nämlich Stanislaus Hafner. Wir wissen durch seine Biographie und vor allem durch seine sonstigen Übersetzungen, dass sich Hafner Zeit seines Lebens (neben dem Serbischen) mit dem Slowenischen beschäftigt hat, aus einer Kärntner-slowenischen Familie stammt, während alle Übersetzungen, die Franz Hille allein zuzuschreiben sind, aus dem Serbokroatischen waren. Es ist zu vermuten, dass Hille des Slowenischen nur rudimentär mächtig war. Für die These, dass Hafner allein übersetzt hat, spricht auch das unterschiedliche Alter der beiden angeführten Übersetzer: Während Franz Hille damals schon im reiferen Alter war und offensichtlich gute Kontakte zum Verlag hatte, stand Hafner erst am Anfang seiner Karriere. Gut möglich wäre es also, dass Franz Hille seinen guten Namen, seine Kontakte zur Verfügung gestellt und das Nachwort verfasst, während Stanislaus Hafner die Übersetzungen angefertigt hat. Ein weiterer signifikanter Hinweis auf Hafner als Übersetzer, ist der Brief Prežihov Voranc’ an seinen Herausgeber, in dem er Hafner namentlich als seinen Übersetzer ins Deutsche von „Boj na požiralniku“ nennt. Nun zu den stärksten Auffälligkeiten in den Übersetzungen der sechs Novellen: Weder verzeichnen alle Übersetzungen die gleichen frappanten Merkmale noch dieselbe Häufigkeit dieser Phänomene. Vor allem die ersten beiden Novellen von Cankar und Finžgar (eigentlich sollte man sie ob ihrer Kürze eher als Kurzgeschichten bezeichnen), weisen aufgrund ihrer Kürze, im Vergleich zu den anderen übersetzten Novellen relativ wenige Auffälligkeiten auf. Die Eingriffe, Kürzungen, Straffungen und Streichungen des Übersetzers mehren sich signifikant bei den längeren Novellen. Das sehen wir eindeutig bei der Übersetzung von Bevk, Meško, Voranc und ganz besonders von Kozak. Gekürzt wurde durch alle Novellen hindurch in zwei Situationen: bei Beschreibungen der Landschaft, der Natur, der Umgebung und bei der Schilderung innerer Gefühlszustände und Überlegungen. Was zu erwarten gewesen wäre – nämlich Hinzufügungen, besonders ideologisch motivierte – konnte nicht festgestellt werden. Gesamtheitlich betrachtet kann gesagt werden, der Übersetzer hat gekürzt,

123 gestrafft und weggelassen, aber eigentlich nie verlängert und hinzugefügt (z.B. Erklärungen, Umdeutungen, ideologische Verdeutlichungen). Gemein ist allen Übersetzungen die fehlende Einheitlichkeit bei gewissen übersetzerischen Problemstellungen; auch im Umgang mit allen ideologisch deutbaren Textstellen lässt sich keine bewusste, einheitliche Strategie des Übersetzers ableiten. Sowohl bei sprachlichen oder syntaktischen Phänomenen (Gliederung, Einteilung in Absätze, Satzstruktur, Übersetzung von Eigennamen), als auch im Umgang mit inhaltlichen Fragen. Gewisse rekurrente Übersetzungsstrategien kommen allerdings so häufig vor, dass sie als ideologisch motivierte Eingriffe des Übersetzers bezeichnet werden können. So kommt es in der Übersetzung der Novellen zu markanten Änderungen in der Darstellung von Weiblichkeit, Körperlichkeit und von Frauen im Allgemeinen. Am augenscheinlichsten geschieht dies bei „Bajtar Mihale“, wo in der Übersetzung kontinuierlich Textstellen mit Frauen verändert, ausgelassen und abgeschwächt werden, wohl um den Protagonisten in einem besseren Licht erscheinen zu lassen und um den männlichen Rollenbildern dieser Zeit, der NS-Ideologie oder den persönlichen Rollenvorstellungen des Übersetzers zu entsprechen. Das Agens wird oft gewechselt; doch auch dies geschieht nicht überall gleich häufig, am stärksten fällt dies bei „Boj na požiralniku“ auf. So werden auf diese Art und Weise gelegentlich weibliche Figuren wegübersetzt. Auch bei fast allen anderen Novellen fehlen Textstellen und Verweise auf die Körperlichkeit; so muss der weibliche Körper an mancher Stelle dem Rotstift des Übersetzers zum Opfer fallen. Aber auch körperliche und psychische Negativbilder (alte, ausgemergelte oder tote Körper und depressive Gedanken) werden in ihren Details ausgelassen, womit der Übersetzer wohl den bigotten Moralvorstellungen des Nationalsozialismus entsprochen hat. Zu weiteren signifikanten bzw. häufigen Auslassungen kommt es, wenn Textstellen auf christliche Inhalte, sprachliche Bilder oder Bibelstellen verweisen. Solche Textstellen finden sich gerade bei den zwei geistlichen Autoren Finžgar und Meško häufig. Auffällig dabei ist die fehlende Konsequenz: Diese Textstellen werden manchmal übersetzt und manchmal nicht. Das bemerkenswerteste Ergebnis bei dieser Übersetzungsanalyse war aber aufgrund des NS-Hintergrundes des Verlages die „verpassten Möglichkeiten“, LTI zu verwenden, oder den Text ideologisch im Sinne des Nationalsozialismus aufzuladen. An vielerlei Stellen hätte so leicht eine Umdeutung durch den Übersetzer realisiert werden können bzw. hätte der AT schon selbst sehr gute Möglichkeiten dazu geboten: etwa speziell bei Voranc, aber auch bei Bevk und Kozak in der Darstellung des bäuerlichen Lebens (Stichworte Blut, Boden, Scholle,

124 Pflug, Heimat) oder bei Cankar, Meško und Finžgar in Anbetracht der betonten Heimatliebe und -verbundenheit. Bemerkenswert ist in diesem Kontext vielfach nicht was und wie, sondern was nicht übersetzt wurde. So etwa jene ganz expliziten Textstellen (Leni- Riefenstahl-Verweis bei Kozak, Juden als Jesusverräter bei Meško) die ausgelassen oder neutral übersetzt wurden. Zu manchen Kennzeichen der LTI wie Mechanisierung, Militarisierung, Sakralisierung oder Tarnbegriffe, konnten bei der Analyse der deutschen Übersetzungen keine Beobachtungen angestellt werden; allerdings strotzt zumindest das Nachwort nur so von Superlativen und eindeutigen Signalwörtern. In dieser Arbeit wurden nicht nur die Übersetzungen, sondern auch die entsprechenden Paratexte unter die Lupe genommen. Augenfällig dabei ist wie stark das Nachwort ideologisch im Sinne des Nationalsozialismus aufgeladen ist – im Vergleich dazu, kommt es bei den übersetzten Novellen und den im „Getreuen Eckart“ erschienenen Paratexten relativ selten dazu. Es wirkt tatsächlich so, als fungiere das stark nationalsozialistisch Farbe bekennende Nachwort als Rechtfertigungsgrund, als Feigenblatt vor den „Slowenischen Novellen“. Die anderen Paratexte hatten diese ideologische Überladung vielleicht einfach „nicht nötig“, da der Publikationsort ohnehin „Der Getreue Eckart“ war. Handelt es sich nun also um Subversion oder Assimilation? – so lautete die zu Beginn gestellte Frage. Ein gewisses Maß an Subversion ist eindeutig zu beobachten – am augenscheinlichsten bei der Auswahl der Autoren Bevk und vor allem Voranc, weil beide eindeutig dem linken, kommunistischen Lager zuzuordnen waren. Voranc war 1940 außerdem schon hochrangiges Parteimitglied der jugoslawischen KP. Auch Kozak kann als Herausgeber von „Ljubljanski zvon“ eher dem liberalen, linken Lager zugerechnet werden. Finžgar und Meško, als katholische Geistliche, waren eine im Sinne der NS-Ideologie auch eher fragwürdige Wahl, gerade weil Meško sich in seiner Tätigkeit als Pfarrer im Kärnten auch immer gegen die deutschnationale, minderheitenfeindliche Politik wandte. Über die ausgewählten Autoren kann man sagen, dass sie in ihrer Unterschiedlichkeit zwar alle Lager von klerikal bis kommunistisch abdecken – ein Nahverhältnis zu deutschnationalem Gedankengut oder dergleichen kann aber keinem einzigen in irgendeiner Weise unterstellt werden. Also ist allein die Auswahl der Autoren schon sehr subversiv. Assimilation – im Sinne einer Anpassung an die herrschende NS-Ideologie – kann man der Publikation „Slowenische Novellen“ und den Übersetzern allerdings schon unterstellen. Allein die Zusammenarbeit mit einem eindeutig eingefärbten NS-Verlag, ihre sonstigen Publikationen in diesem Verlag, besonders im „Getreuen Eckart“ und das Nachwort von

125 Franz Hille bestätigen dies. Auch die Auswahl der Novellen entsprach eindeutig dem Geschmack der herrschenden NS-Ideologie. Der rote Faden, der sich durch alle Novellen zieht, sind die Themen Heimatliebe und Naturverbundenheit. Erstaunlicherweise konnten auf manchen Gebieten mehr Ergebnisse zutage gefördert werden, als zu Beginn angenommen. So konnten etwa Paratexte und einige Informationen zu den Übersetzern gefunden werden. Die Analyse selbst gestaltete sich oft vielschichtiger und interessanter als erwartet. Die Frage des verwendeten Ausgangstextes konnte immer geklärt werden. Einige Sachverhalte werden leider im Dunklen bleiben müssen, so etwa die genauen Lebensumstände der Übersetzer während und nach dem Krieg, und die Frage, wer denn nun wirklich welche übersetzerische Arbeit geleistet hat. Im Arbeitsprozess erst haben sich gewisse Umstände aufgeklärt, wurden Erkenntnisse gewonnen und unerwartete Beobachtungen gemacht. Deshalb hoffe ich, dass sich die Lektüre dieser Arbeit für die interessierte Leserschaft ebenso spannend gestaltet, wie es für mich die Arbeit an und mit den „Slowenischen Novellen“ war.

126 6 Literaturverzeichnis

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Abbildungsverzeichnis: Abbildung 1: Ivan Cankar...... 9 Abbildung 2: Fran Saleški Finžgar...... 10 Abbildung 3: France Bevk ...... 11 Abbildung 4: Franc Ksaver Meško ...... 13 Abbildung 5: Juš Kozak ...... 14 Abbildung 6: Prežihov Voranc...... 15 Abbildung 7: Das aufgeteilte Jugoslawien nach dem Blitzkrieg 1941 (Puklavec 2003: 18)... 34 Abbildung 8: Die Besatzungszonen im slowenischen Raum 1941 (Sluga et al. 1979: 741) ... 34 Abbildung 9 : Werbeschaltung 1...... 54 Abbildung 10: Werbeschaltung 2...... 55 Abbildung 11: Werbeschaltung 3...... 55

131 Bilderquellen: Ivan Cankar, in: http://ndd.svarog.org/?leto=1876 [30.6.2009] Franc Saleški Finžgar, in: http://ndd.svarog.org/ndd_images/Finžgar_fran_saleski.jpg [30.6.2009] France Bevk, in: http://www.cerkno.si/turizem/bin.php?id=2004042316255075&sSize=min [30.6.2009] Franc Ksaver Meško, in: http://kodelja.files.wordpress.com/2007/04/Meško1.jpg [30.6.2009] Juš Kozak, in: http://www.kam.si/images/stories/blogi/420/kozak.jpg [30.6.2009] Prežihov Voranc, in: http://www.rtvslo.si/_up/mynews/2008/10/15/u55881- 64006_Prežihov_voranc_show.jpg [30.6.2009]

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