Deutscher Drucksache 14/6694

14. Wahlperiode 17. 07. 2001

Bericht des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung (1. Ausschuss)

zu dem Überprüfungsverfahren des Abgeordneten Dr. Heinrich Fink gemäß § 44b Abs. 2 des Abgeordnetengesetzes (AbgG)

(Überprüfung auf Tätigkeit oder politische Verantwortung für das Ministerium für Staatssicherheit/Amt für Nationale Sicherheit der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik)

Der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung (1. Aus- schuss) hat in seiner 54. Sitzung am 5. Juli 2001 im Überprüfungsverfahren ge- mäß § 44b Abs. 2 des Abgeordnetengesetzes mit der erforderlichen Mehrheit von zwei Dritteln seiner Mitglieder eine inoffizielle Tätigkeit des Abgeordne- ten Dr. Heinrich Fink für das Ministerium für Staatssicherheit der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik als erwiesen festgestellt.

Drucksache 14/6694 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Begründung

Inhaltsübersicht

A. Grundsätze des Verfahrens gemäß § 44b AbgG

I. Rechtliche Grundlagen des Überprüfungsverfahrens 1. Gesetz, Richtlinien und Absprache zur Durchführung der Richtlinien 2. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts

II. Verfahrensgrundsätze B. Ablauf des Verfahrens C. Unterlagen des MfS zu Dr. Heinrich Fink 1. Erfassung als IM 2. Führungsdokumente 3. Treffberichte und Informationen 4. Dezentrale Karteikarten und andere Unterlagen 5. Finanzbelege 6. Auszeichnungen und Prämierungen 7. Untersuchungsergebnisse des MfS über eine Strafanzeige Dr. Heinrich Finks gegen Unbekannt vom 12. Oktober 1989 D. Gerichtliche Verfahren E. Vortrag des Abgeordneten Dr. Heinrich Fink F. Feststellungen des 1. Ausschusses

Stellungnahme des Abgeordneten Dr. Heinrich Fink

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/6694

A. Grundsätze des Verfahrens gemäß § 44b AbgG lung des 1. Ausschusses einige Änderungen der Richtlinien beschlossen (s. Drucksache 14/1698 sowie BGBl. 1999 I § 44b AbgG regelt die Überprüfung von Mitgliedern des S. 2072). Auch die Absprache des 1. Ausschusses zur Bundestages auf Tätigkeit oder politische Verantwortung für Durchführung der Richtlinien wurde überarbeitet. Einzelhei- das Ministerium für Staatssicherheit/Amt für Nationale Si- ten über die vom 1. Ausschuss am 30. September 1999 be- cherheit der ehemaligen DDR. Eine solche Überprüfung schlossenen Änderungen können dem Bericht der Abgeord- wird im Regelfall nur auf einen entsprechenden Antrag des neten Stephan Hilsberg und Joachim Hörster auf Drucksache oder der jeweiligen Abgeordneten durchgeführt. Lediglich 14/1698 sowie der Amtlichen Mitteilung des Präsidenten dann, wenn der 1. Ausschuss mit einer Mehrheit von zwei vom 5. November 1999 entnommen werden. Dritteln seiner Mitglieder das Vorliegen von konkreten An- haltspunkten für den Verdacht einer Tätigkeit oder Verant- 2. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts wortung für den Staatssicherheitsdienst feststellt, erfolgt die Überprüfung gemäß § 44b Abs. 2 AbgG auch ohne Zustim- Das Bundesverfassungsgericht hat sich in der 13. Wahlperi- mung des oder der Betroffenen. ode mehrfach mit den Verfahren nach § 44b AbgG auseinan- dergesetzt und die hierzu getroffenen Regelungen als ver- In der 14. Wahlperiode haben bislang 150 Mitglieder des fassungsgemäß bestätigt (siehe die Entscheidungen vom Bundestages ihre Überprüfung gemäß § 44b Abs. 1 des Ab- 21. Mai 1996, BVerfGE 94, 351 ff.; und vom 20. Juli 1998, geordnetengesetzes beantragt. Diese Verfahren sind bereits BVerfGE 99, 19 ff.). Speziell die Entscheidung vom 21. Mai abgeschlossen worden; der 1. Ausschuss hat hierüber auf 1996 enthält grundlegende Aussagen zur Gestaltung der den Drucksachen 14/1900 und 14/3228 berichtet. In zwei Überprüfungsverfahren. Fällen hat der 1. Ausschuss gemäß § 44b Abs. 2 AbgG eine Überprüfung ohne Zustimmung der Betroffenen beschlos- sen; hierzu gehört auch das Verfahren des Abgeordneten II. Verfahrensgrundsätze Dr. Heinrich Fink. Über den anderen Fall der Überprüfung Den Regelungen in § 44b AbgG liegt der Gedanke zugrunde, gemäß § 44b Abs. 2 AbgG hat der 1. Ausschuss auf Druck- dass grundsätzlich jedes Mitglied des Bundestages selbst sache 14/3145 berichtet. entscheiden soll, ob es sich auf eine Tätigkeit oder politische Verantwortung für den Staatssicherheitsdienst der ehemali- I. Rechtliche Grundlagen des Überprüfungsverfahrens gen DDR überprüfen lassen will. Dementsprechend be- stimmt § 44b Abs. 1 AbgG als Regelfall, dass solche Über- 1. Gesetz, Richtlinien und Absprache zur prüfungen nur auf einen entsprechenden Antrag des oder der Durchführung der Richtlinien jeweiligen Abgeordneten durchgeführt werden. Eine Über- Seit der 12. Wahlperiode werden die Überprüfungen von prüfung ohne Zustimmung des/der Betroffenen findet gemäß Mitgliedern des Bundestages auf Tätigkeit oder politische § 44b Abs. 2 AbgG nur dann statt, wenn der 1. Ausschuss Verantwortung für den Staatssicherheitsdienst der ehemali- das Vorliegen von konkreten Anhaltspunkten für den Ver- gen DDR auf der Grundlage des § 44b AbgG durchgeführt. dacht einer Tätigkeit oder Verantwortung für den Staatssi- Die Vorschrift wurde mit dem Vierzehnten Gesetz zur Ände- cherheitsdienst feststellt. Diese Feststellung muss mit einer rung des Abgeordnetengesetzes vom 20. Januar 1992 einge- Mehrheit von zwei Dritteln der Ausschussmitglieder getrof- fügt (BGBl. I S. 67; s. a. Drucksachen 12/1324 und 12/1737). fen werden (Nummer 1 Abs. 4 der Richtlinien). Zuvor fanden Überprüfungen von Mitgliedern des Bundesta- Zur Feststellung des Prüfungsergebnisses stehen dem ges auf eine Verstrickung mit dem Staatssicherheitsdienst 1. Ausschuss gemäß Nummer 4 der Richtlinien die Mittei- der ehemaligen DDR ihre Grundlage lediglich in Beschlüs- lungen des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des sen des Deutschen Bundestages vom 31. Oktober und Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (Bundesbe- 20. Dezember 1990, die auf einer Empfehlung des Ältesten- auftragter) sowie sonstige dem 1. Ausschuss zugeleitete oder rats (Drucksache 11/8386) beruhten. von ihm beigezogene Unterlagen zur Verfügung. Damit wird Die gesetzliche Regelung wird ergänzt durch die „Richtli- auf die Beweismittel des Zeugen- und des Sachverständigen- nien zur Überprüfung auf eine Tätigkeit oder politische Ver- beweises verzichtet; die Verfahren sind auf eine Überprü- antwortung für das Ministerium für Staatssicherheit/Amt für fung anhand von Urkunden und Angaben des/der Betroffe- Nationale Sicherheit der ehemaligen Deutschen Demokrati- nen beschränkt. Die Richtlinien und die Absprache enthalten schen Republik“ und die „Absprache zur Durchführung der außerdem eine Reihe von Mitwirkungsrechten und Schutz- Richtlinien gemäß § 44b AbgG“. Während die Richtlinien bestimmungen zugunsten des betroffenen Mitglieds des im Rang von Geschäftsordnungsrecht stehen, handelt es sich Bundestages. Hierzu gehören insbesondere das Aktenein- bei der Absprache um Verfahrensgrundsätze, die sich der sichtsrecht des betroffenen Mitglieds (Nummer 2 Abs. 1 der 1. Ausschuss für die Überprüfungen gegeben hat. Ebenso Richtlinien), seine Anhörung (Nummer 5 Abs. 1 der Richtli- wie § 44b AbgG gehen diese Verfahrensregeln auf die nien) sowie das Recht, den zu veröffentlichenden Feststellun- 12. Wahlperiode zurück. Die Richtlinien wurden vom gen des 1. Ausschusses eine eigene Erklärung hinzuzufügen 12. Deutschen Bundestag erstmals am 5. Dezember 1991 (Nummer 6 der Richtlinien). In seiner nunmehr geltenden beschlossen (vgl. BGBl. 1992 I S. 76) und der 1. Ausschuss Fassung stellt Nummer 2 Abs. 2 und 3 der Richtlinien darüber vereinbarte seine Absprache zur Durchführung dieser Richt- hinaus ausdrücklich klar, dass der vertrauliche Charakter der linien erstmals am 30. April 1992. Beide Regelungswerke Überprüfungsverfahren das Akteneinsichtsrecht der Mitglie- wurden unverändert für die 13. und zunächst auch für die der des Bundestages (§ 16 GO-BT) sowie das Zutrittsrecht 14. Wahlperiode übernommen. Der 14. Deutsche Bundestag zu den Ausschussberatungen (§ 69 Abs. 2 GO-BT) be- hat dann in seiner Sitzung am 1. Oktober 1999 auf Empfeh- schränkt. Weiterhin enthalten die überarbeiteten Feststel-

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lungskriterien in Nummer 6 der Absprache zur Durchfüh- Mit Schreiben vom 9. Februar 1999 ersuchte deshalb der rung der Richtlinien einen Katalog von Indizien, die nach der Präsident des Deutschen Bundestages den Bundesbeauftrag- Erfahrung des 1. Ausschusses in der Regel auf eine inoffizi- ten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehe- elle Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst der ehemaligen maligen Deutschen Demokratischen Republik (im Folgen- DDR hinweisen. Dieser Katalog ist allerdings nicht als ab- den: der – bzw. ab Herbst 2000 – die Bundesbeauftragte) um schließende Aufzählung zu verstehen und ersetzt auch nicht die Mitteilung von Erkenntnissen über Dr. Heinrich Fink. die zur Feststellung einer Tätigkeit für den Staatssicherheits- Der Bundesbeauftragte informierte unter dem 22. Juni 1999 dienst in jedem Einzelfall notwendige Würdigung der kon- über die in seiner Behörde aufgefundenen Hinweise auf eine kret vorliegenden Beweismittel. inoffizielle Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst der ehe- maligen DDR. Die der Mitteilung beigefügten Ablichtungen Auch die Feststellung des Prüfungsergebnisses bedarf von Dokumenten aus den Beständen des Staatssicherheits- schließlich einer Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder dienstes wurden seitens des Bundesbeauftragten mit Erläute- des 1. Ausschusses (Nummer 1 Abs. 4 der Richtlinien). So- rungen zur Interpretationshilfe versehen. weit nach diesem Ergebnis eine hauptamtliche oder inoffizi- elle Tätigkeit oder eine politische Verantwortung des über- Im November 1999 nahmen die Berichterstatter des 1. Aus- prüften Mitglieds des Bundestages für den Staatssicherheits- schusses Einsicht in die beim Bundesbeauftragten vorliegen- dienst der ehemaligen DDR erwiesen ist, wird diese Fest- den Originalakten. stellung unter Angabe der wesentlichen Gründe als Bundes- Mit Schreiben vom 21. Januar 1999 und vom 22. Februar tagsdrucksache veröffentlicht (Nummer 6 der Richtlinien). 2000 übersandte der Abgeordnete Dr. Heinrich Fink fol- Eine Beeinträchtigung der parlamentarischen Rechte des be- gende Ablichtungen aus den Gerichtsverfahren anlässlich troffenen Mitglieds oder gar eine Verpflichtung zur Man- der Kündigung als Rektor der Humboldt-Universität: datsniederlegung ist damit nicht verbunden. Die Beurteilung – Urteil des Arbeitsgerichts vom 1. April 1992 der getroffenen Feststellungen soll vielmehr der Öffentlich- keit, den Wählern, vorbehalten bleiben. – Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 16. Dezem- ber 1992 Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom – Verfassungsbeschwerde vom 15. März 1993 sowie deren 21. Mai 1996 (2 BvE 1/95; BVerfGE 94, 351 ff.) wird das Erweiterung vom 5. November 1993 vom Deutschen Bundestag festgelegte und durch Richtlinien und Absprachen näher ausgestaltete Verfahren – auch soweit – seine Stellungnahme in der mündlichen Verhandlung des es auf die Beweismittel des Zeugen- und Sachverständigen- Bundesverfassungsgerichts in Leipzig beweises verzichtet und sich auf die Überprüfung anhand – die Stellungnahme seines Prozessbevollmächtigten vor von Urkunden und Angaben des Betroffenen beschränkt – dem Bundesverfassungsgericht den verfassungsrechtlichen Anforderungen gerecht. Das Ge- richt weist jedoch darauf hin, dass der 1. Ausschuss für eine – Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 8. Juli 1997 belastende Feststellung von der Verstrickung des Abgeord- Am 3. März 2000 übergab der Abgeordnete Dr. Heinrich neten eine so sichere Überzeugung gewinnen muss, dass Fink eine Ablichtung des Beschlusses des Bundesarbeitsge- auch angesichts der beschränkten Beweismöglichkeiten ver- richts vom 23. September 1993. nünftige Zweifel an der Richtigkeit der Feststellung ausge- schlossen sind. Andernfalls steht es dem Ausschuss offen, in Unter dem 24. März 2000 wurde Dr. Heinrich Fink auf den Gründen die Beweislage darzustellen. Mutmaßungen seinen Antrag hin sowie den Berichterstattern des 1. Aus- sind dem Ausschuss verwehrt. schusses ein kompletter Satz der vom Bundesbeauftragten zu dem Überprüfungsverfahren übermittelten Unterlagen zur Verfügung gestellt. B. Ablauf des Verfahrens Im Rahmen des Überprüfungsverfahrens vor dem 1. Aus- schuss hatte der Abgeordnete Dr. Heinrich Fink Gelegenheit, Im Fall des Abgeordneten Dr. Heinrich Fink stellte der zu den zu seiner Person vorliegenden Unterlagen aus den 1. Ausschuss in seiner Sitzung am 28. Januar 1999 auf An- Beständen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen trag des Abgeordneten Jörg van Essen das Vorliegen kon- DDR Stellung zu nehmen. So wurde er am 29. März 2001 kreter Anhaltspunkte für den Verdacht einer Tätigkeit oder von den zu seinem Verfahren eingesetzten Berichterstattern politischen Verantwortung für das Ministerium für Staats- des 1. Ausschusses angehört. Eine schriftliche Stellung- sicherheit der ehemaligen DDR fest und beschloss, ein Über- nahme hatte er bereits am 27. März 2001 abgegeben. Im prüfungsverfahren ohne Zustimmung des Betroffenen ge- Nachgang zu seiner Anhörung gab er am 5. April 2001 eine mäß § 44b Abs. 2 AbgG einzuleiten. Den Hintergrund dieser weitere schriftliche Stellungnahme ab, am 15. April 2001 Entscheidung bildete die Tatsache, dass seit dem Jahre 1991, übersandte er eine Bescheinigung des Bundesbeauftragten als Dr. Heinrich Fink mit der Begründung, mit dem Staatssi- vom 1. Februar 1991, derzufolge sich zum damaligen Zeit- cherheitsdienst der ehemaligen DDR zusammengearbeitet punkt anhand der bis dahin erschlossenen Unterlagen keine zu haben, als Rektor der Berliner Humboldt-Universität ent- Hinweise auf eine Zusammenarbeit mit dem ehemaligen lassen worden war, Vorwürfe einer Tätigkeit als „IM“ in der Staatssicherheit ergeben hatten, sowie Unterlagen im Zu- Öffentlichkeit diskutiert wurden. Der 1. Ausschuss erachtete sammenhang mit der Verleihung des Vaterländischen Ver- es als notwendig, eine mögliche -Verstrickung des Ab- dienstordens in Bronze. Die Einlassungen des Abgeordneten geordneten in einem förmlichen Überprüfungsverfahren zu wurden bei der Entscheidungsfindung des 1. Ausschusses klären. berücksichtigt.

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In seiner 53. Sitzung am 28. Juni 2001 stellte der 1. Aus- oder wenn aus den Erfassungsbelegen hervorginge, dass IM- schuss das Ergebnis seiner Prüfung im Verfahren des Abge- Kategorien wegen neuer Richtlinien oder Befehle des Minis- ordneten Dr. Heinrich Fink vorläufig fest. Hiervon unterrich- ters für Staatssicherheit neu festgelegt worden seien. tete die Vorsitzende den Präsidenten des Deutschen Bundes- tages, den Vorsitzenden der Fraktion der PDS sowie den Be- Zu den Unterlagen im Einzelnen: troffenen. 1. Erfassung als IM Der 1. Ausschuss stellte in seiner 54. Sitzung am 5. Juli 2001 Nach einem „Beschluss“ habe der Mitarbeiter Laux der HA das Prüfungsergebnis endgültig fest. Der Abgeordnete Dr. XX/4 am 12. Juni 1968 entschieden, im Rahmen eines „IM- Heinrich Fink machte am 13. Juli 2001 von der Möglichkeit Vorlaufes“ eine Person unter der Kategorie „IMF“2) zu erfas- Gebrauch, diesen Feststellungen eine eigene Erklärung hin- sen, für die die Wohnadresse „1157 Berlin-Karlshorst, zuzufügen. Stechlinstr. 17“ angegeben war. Als Begründung für das An- legen dieses IM-Vorlaufes wurde vermerkt: C. Unterlagen des MfS zu Dr. Heinrich Fink „KP [Kontaktperson] verfügt über umfassende Ver- bindungen in kirchliche Kreise und Gremien nationa- Der vom Bundesbeauftragten zu Dr. Heinrich Fink über- len wie internationalen Charakters. Sie verfügt über sandte Aktenbestand umfasst 58 Dokumente und den Zeit- die erforderliche Voraussetzung der Aufklärung die- raum vom 12. Juni 1968 bis zum 8. Dezember 1989. Der ser innerkirchlichen Einrichtungen wie der Differen- Bundesbeauftragte hat hierzu erläutert, Dr. Heinrich Fink sei zierung und Zersetzung.“ (Dok. 1) von der Hauptabteilung XX/4 (im Folgenden: HA XX/4) Dieser „Beschluss“, ein weiteres Dokument mit der Bezeich- vom 20. Juni 1968 an zunächst als Vorlauf-IM1) und vom nung „Index über Personen“ (Dok. 2) mit den Angaben 12. Februar 1969 an als IM „Heiner“ unter der Registrier- „Fink, Heinrich“ und „31. 3. 35“ [Geburtsdatum] mit der nummer XV/1827/68 erfasst gewesen. Diese Erfassung sei Registriernummer XV 1827/68 sowie die Karteikarte mit aufgrund eines Auftrages vom 4. Dezember 1989 am den Personalien von Dr. Fink (F 163), Dok. 3) seien durch die 11. Dezember 1989 gelöscht und die zu diesem IM-Vorgang Hauptabteilung XX/4 der Abteilung XII vorgelegt worden, geführten formgebundenen Akten seien vernichtet worden. damit diese für die Erfassung von Personen, Registrierung Dies betreffe insgesamt fünf Bände, davon jeweils zwei von Akten sowie für Archivierung und Auskunftserteilung Bände der IM-Personalakte und der IM-Arbeitsakte sowie zuständige Diensteinheit ihrerseits die betreffende Person als eine Beiakte. IM-Vorlauf erfassen und den damit verbundenen Vorgang Der Bundesbeauftragte hat hierzu ausgeführt, trotz der Ver- mit einer Registriernummer habe versehen können. Aus- nichtung dieser Akten hätten seine Recherchen eine Anzahl weislich der Vorgangskarteikarte F 224) (Dok. 4) sei dies am Unterlagen mit Hinweisen auf den Abgeordneten Dr. Hein- 20. Juni 1968 geschehen. Von diesem Zeitpunkt an sei in der rich Fink erbracht. Dies habe seine Ursache darin, dass die Abteilung XII ein zentraler Nachweis über die Erfassung internen Arbeitsabläufe und Aufgaben im MfS verlangt hät- von Dr. Heinrich Fink und über die registrierte Vorlauf-Akte ten, dass bestimmte Unterlagen in Form von Karteien oder geführt worden, dies anhand der Klarnamenkarteikarte F 16 Kopien von Berichten an verschiedene MfS-interne Stellen (Dok. 3) sowie der Vorgangskarteikarte F 22 (Dok. 4). Die hätten weitergeleitet werden müssen. Auf diese Weise seien Vorlauf-Akte habe die Registriernummer XV/1827/68 erhal- personenbezogene Unterlagen an verschiedene Stellen im ten. MfS gelangt und könnten dadurch Informationen über das Der Bundesbeauftragte führt in diesem Zusammenhang wei- tatsächliche Verhältnis zwischen der betreffenden Person ter aus, aus der Vorgangskarteikarte (Dok. 4) und dem und dem MfS geben. „Beschluss“ (Dok. 1) ergebe sich, dass der IM-Vorlauf am Der Bundesbeauftragte führt in seinen Erläuterungen zu den 12. Februar 1969 zum IM-Vorgang umregistriert worden sei und den Decknamen „Heiner“ erhalten habe. Er sei zunächst von ihm übersandten 58 Dokumenten weiter aus, zur Beur- 5) teilung des tatsächlichen Verhältnisses zwischen der betref- in die Kategorie IMF und am 9. Dezember 1980 (Dok. 5) in fenden Person und dem MfS sei wesentlich, inwieweit Kar- teien und Erfassungsbelege existierten, die 2) Inoffizieller Mitarbeiter der inneren Abwehr mit Feindverbindungen zum Operationsgebiet (Bezeichnung für den Handlungsraum der – aufeinander bezogen seien, Diensteinheiten der HV A und der Abwehr in nichtsozialistischen Staaten und Territorien [Berlin{-West}], hauptsächlich in NATO- – über einen längeren Zeitraum eine Erfassung von Perso- Staaten) – zitiert aus: Der Bundesbeauftragte, Abkürzungsverzeich- nen auswiesen, nis, 2. Aufl., Berlin 1996. 3) Zentraler Datennachweis des MfS zu Personen – zitiert aus: Der Bun- – Angaben enthielten, wonach nacheinander verschiedene desbeauftragte, Abkürzungsverzeichnis, 2. Aufl., Berlin 1996. 4) MfS-Offiziere für den betreffenden Vorgang verantwort- Die Vorgangskartei F 22 erschließt den Zugang zu den archivierten re- gistrierten Vorgängen und Akten. Die Vorderseite der Karteikarte ent- lich gewesen seien, hält auf der oberen Hälfte Rubriken für die internen Angaben (Vor- gangsart, Registriernummer, Deckname, IM-Kategorie usw.), auf der 1) Registrierte Akte, in der die Eignung/Nichteignung eines Kandidaten unteren Hälfte und auf der Rückseite Eintragungen von „Veränderun- für die inoffizielle Zusammenarbeit mit dem MfS dokumentiert wurde gen“ (z. B. Wechsel des Mitarbeiters usw.) – zitiert aus: Der Bundes- – zitiert aus: Der Bundesbeauftragte, Abkürzungsverzeichnis, 2. Aufl., beauftragte, Abkürzungsverzeichnis, 2. Aufl., Berlin 1996. Berlin 1996. 5) Siehe Fußnote 2.

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die Kategorie IMB6) eingestuft worden. Die Kategorie IMB – unter II: Ausführungen zu „Überwachung und operative habe zu diesem Zeitpunkt im MfS die Kategorie IMF ersetzt. Kontrolle reaktionärer kirchlicher Organisationen und Am 8. Januar 1971 sei es zu einem Wechsel der Führungsof- Gruppen in der DDR“. Hier ist ebenfalls der Einsatz von fiziere von „Heiner“ gekommen: An diesem Tage habe der IM „Heino“ vorgesehen; MfS-Offizier Roßberg den IM-Vorgang übernommen. Dies – unter III: Hinsichtlich „Perspektivaufgaben an IM“ wird erschließe sich aus der Vorgangskarteikarte F 22 (Dok. 4) „zur Aufklärung der feindlichen Pläne kirchlicher Orga- und aus den Vorgangsheften der MfS-Offiziere Laux und nisationen und Gruppierungen in der CSSR“ der ge- Roßberg (Dok. 6, S. 5 und Dok. 7, S. 7). plante Einsatz von IM „Heino“ damit begründet, er habe In der Abteilung XII sei außerdem eine Arbeitskarteikarte „Verbindungen zu der so genannten evangelischen geführt worden (Dok. 5). Danach seien von der Abtei- Gruppe ‚Neue Orientierung‘. Diese Gruppierung ist ak- lung XII jeweils zwei Aktendeckel Teil I (Personalakte) und tiv am Liberalisierungsprozess beteiligt und steht in en- Teil II (Arbeitsakte) zum IM „Heiner“ ausgegeben worden. ger Verbindung mit Personen aus dem Schriftstellerver- Im Verlaufe der Jahre hätten sowohl Personalakte als auch band in der CSSR.“ Weiterhin könne mit Hilfe von IM Arbeitsakte des IM-Vorgangs „Heiner“ mindestens aus „Heino“ „in Erfahrung gebracht werden, inwieweit das jeweils zwei Bänden bestanden, von denen jeder maximal ständige Büro der CFK [Christliche Friedenskonferenz] 300 Seiten habe enthalten können. in Prag für konterrevolutionäre Pläne und Absichten ausgenutzt wird.“ Die vorliegenden Unterlagen enthalten nach den Ausführun- gen des Bundesbeauftragten weder Dokumente über eine ex- Der Führungsoffizier von IM „Heiner“, Andreas Laux, hat plizite Anwerbung noch eine von Dr. Heinrich Fink unter- mit Datum 21. November 1968 einen „Vorlauf-Operativ- zeichnete Verpflichtungserklärung. Vorgang ‚Skorpione‘“ angelegt, wonach der Einsatz von IM „Heiner“ an der Theologischen Fakultät der Humboldt-Uni- 2. Führungsdokumente versität Berlin vorgesehen ist (Dok. 11) mit dem Vermerk: Der Bundesbeauftragte hat zu den sog. Führungsdokumen- „Verdacht der Gruppenbi[l]dung § 107 ten ausgeführt, hierunter seien im Ministerium für Staats- inoffizielle Hinweise über vertrauliche Zusammen- sicherheit Jahrespläne, Einsatz- und Maßnahmepläne und künfte, die sich gegen die Politik von Partei und Re- Angaben/Aufstellungen über den IM-Bestand verstanden gierung richten. Dabei Ausnutzung der Hochschul- worden. In diesen Führungsdokumenten sei erkennbar, in reform (aktive Teilnahme am gesellschaftlichen welchen Bereichen die IM einsetzbar gewesen seien. Entwicklungsprozess der DDR) als Deckmantel. An den Zusammenkünften nehmen anarchistische Ver- Der Bundesbeauftragte weist hier darauf hin, dass Dr. Hein- treter des SES Westberlin teil. rich Fink in diesen und auch in anderen Unterlagen häufig mit dem Decknamen „Heino“ bezeichnet worden sei. Das IM ‚Harry‘ [und] IM ‚Heiner‘ – Verbindung zu Stu- Zusammenziehen der Endsilbe „er“ aus „Heiner“ zum End- denten, die an Zusammenkünften teilnahmen“ buchstaben „o“ aus „Heino“ lasse sich aus der Handschrift Eindringen in Gruppierung, Zielstellung der Grup- des MfS-Offiziers Roßberg erklären, da von anderen, z. B. penbildung feststellen, Konzeption.“ (Dok. 11) Schreibkräften, „Heiner“ tatsächlich als „Heino“ habe gele- sen werden können. Die Recherchen des Bundesbeauftrag- In einer „Einschätzung der Arbeit mit dem IM-System in der ten hierzu hätten eindeutig ergeben, dass „Heiner“ und Diensteinheit XX/4“ der Hauptabteilung II/4 vom „Heino“ identisch seien, da weder MfS-Offizier Laux noch 27. Dezember 1968 (Dok. 12) wird unter III „Einschätzung MfS-Offizier Roßberg jemals einen anderen IM mit dem der Qualität der Neuwerbung von IM, entsprechen die Neu- Decknamen „Heino“ geführt hätten. Einen anderen IM mit werbungen den Schwerpunkten?“ ausgeführt: diesem Decknamen habe es in der gesamten HA XX nicht „So wurden 1968 die Werbungen von neuen IM an gegeben. solchen zentralen Schwerpunkten durchgeführt, wie Die aufgefundenen Unterlagen enthalten einen „Plan zur z. B. in Kirchenleitungen der evangelischen und ka- Aufdeckung der Pläne und Absichten feindlicher Zentren tholischen Kirche in der DDR, in Leitungsgremien und Gruppen im Zusammenhang mit den Ereignissen in der kirchlicher Organisationen und Werke und in einigen CSSR“ der Hauptabteilung XX/4, datiert vom 22. Juli 1968 Zentren und operativen Schwerpunkten im Operati- (Dok. 9). Dieser „Plan“ enthält onsgebiet. Der Wert solcher neugeworbener IM auf evangelischer Linie wird durch ihre Funktion und – unter I: „Zentren und Gruppen in Westdeutschland, Stellung deutlich. So wurde z. B. der IM ,Heino‘ als Westberlin und dem kapitalistischen Ausland“, „die in- Mitarbeiter im Christlichen Weltstudentenbund, … tensiv mit feindlichen Absichten gegen die CSSR wir- geworben.“ ken“. Weiterhin sind verschiedene IM genannt, die „zur Aufklärung und op. Bearbeitung“ verschiedener West- Die Unterlagen enthalten mehrere ähnliche „Maßnahme- berliner Institutionen eingesetzt werden können, darun- pläne“ oder „Einsatzpläne“ zur Beobachtung verschiedener ter auch IM „Heino“; Veranstaltungen im kirchlichen Bereich wie z. B. „Synoden des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR“ (Dok. 6) Inoffizieller Mitarbeiter der Abwehr mit Feindverbindung bzw. zur 13 bis 19). So wird auch in der Anlage zu einem detaillierten unmittelbaren Bearbeitung im Verdacht der Feindtätigkeit stehender „Maßnahmeplan zur politisch-operativen Sicherung des Kir- Personen – zitiert aus: Der Bundesbeauftragte, Abkürzungsverzeich- chentages der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg nis, 2. Aufl., Berlin 1996. vom 24. 6. – 28. 6. 1987 in Berlin“ der Hauptabteilung XX

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(undatiert) unter „Hauptabteilung XX/4“ und „OSL Roß- In den Unterlagen sind mehrere ähnliche „Treffberichte“ berg“ „Heino“ genannt. (Dok. 20) bzw. „Informationen“ vorhanden (Dok. 26 bis 37). Außerdem existiert eine Aufstellung des IM-Bestandes von In einer Aufstellung der „Lagegruppe“ der Hauptabteilung MfS-Offizier Roßberg, die nach den Erläuterungen des Bun- XX/4 über Telefonate in Zusammenhang mit dem Kirchen- desbeauftragten vorvernichtet gewesen sei, aber vom Bun- tag Berlin-Brandenburg 1987 (Dok. 39) wird unter dem Zeit- desbeauftragten habe rekonstruiert werden können (Dok. 21). raum „27. 6. 87, 8 Uhr“ und „28. 6., 8 Uhr“ verzeichnet: Hinter „IMB Heiner“ steht die Abkürzung „KW“, was nach Auskunft des Bundesbeauftragten bedeutet, dass mit „Hei- „08.30 [Uhr], IM ‚Heiner‘ für Klaus“: ner“ Treffen in konspirativen Wohnungen durchgeführt wor- „Informierte über die Teilnahme am Podiumsge- den seien. In einer Übersicht ist IMB „Heiner“ unter den „IM spräch mit Bonhoeffer/BRD, Pickhard, Tschiche, zur operativen Kontrolle bzw. Abschöpfung feindlicher Per- Garstecki, Falcke Gumlich/BRD, in der Sophienkir- sonen“ aufgeführt. Auf Seite 28 wird die Hauptrichtung des che. Die Moderati[o]n durch Pickhard sei auf Kon- Einsatzes von „Heiner“ mit „CFK“ [Christliche Friedens- frontation angelegt gewesen. Der IM schätzte ein, konferenz] und „Theologische Sektion der Humboldt-Uni- dass in diesem Kreis ein Forum für Tschiche geschaf- versität“ angegeben. fen werden sollte. Besuch beim ‚Kirchentag von unten‘: …“ Bei den Dokumenten 22, 23 und 24 handele es sich um Un- terlagen, deren Inhalt sich zu verschiedenen Zeitpunkten Neben dieser Notiz ist vermerkt: (3. November 1980, undatiert und 20. Februar 1986) auf die „Gen. OSL Roßberg wurde informiert.“ Ausstattung und Nutzung der konspirativen Wohnung Weiterhin ist in diesem Dokument unter der laufenden Num- („KW“) „Hagen“ beziehe. Nach Dok. 22 war diese konspira- mer 39 notiert: tive Wohnung „als Treffobjekt für IM in leitenden Positio- nen, wie IM …, ‚Heiner‘, … vorgesehen …“. Im undatierten „23.15 IM ‚Heiner‘ „Abschlussbericht zur Archivierung des IMK/KW-Vorgan- IM teilt für ‚Klaus‘ mit: Eröffnungsveranstaltung in ges7) ‚Hagen‘ Reg.-Nr. XV/1935/76“ wird von Herrn Roß- der Sophienkirche verlief ohne Vorkom[m]nisse. berg ausgeführt: Teilnehmerzahl ca. 500 bis 600 Personen. Veranstal- tung in der Erlöserkirche vorwiegend von Jugend- „Die KW wurde von den IM …, „Heiner“, … be- lichen besucht. nutzt. Die Treffs in der KW wurden durchgeführt Mitteilung an zust. Gen.“ durch die Gen. Oberst Wiegand, OSL Roßberg und …“ (Dok. 23). Der Bundesbeauftragte hat hierzu ausgeführt, es handele sich um einen sog. „Lagefilm“, in dem chronologisch alle 3. Treffberichte und Informationen auf ein bestimmtes Ereignis bezogene Meldungen festgehal- In den aufgefundenen Unterlagen ist keine Unterlage vor- ten worden seien, die bei der HA XX/4 von inoffiziellen Mit- handen, die von IM „Heiner“ verfaßt oder unterzeichnet arbeitern oder anderen operativen Kräften eingegangen worden ist. Der Bundesbeauftragte hat hierzu erläutert, dass seien. Beide Meldungen seien für „Klaus“ bestimmt gewe- es nach seinen Erkenntnissen bei der inoffiziellen Zusam- sen. Bei „Klaus“ handele es sich um den Vornamen des MfS- menarbeit mit IM aus dem kirchlichen Bereich gängige Pra- Offiziers Roßberg. Dem IM „Heiner“ müsse die extra ge- xis gewesen sei, dass die MfS-Offiziere Berichte oder schaltete Telefonnummer der „Lagegruppe“ übergeben und schriftliche Informationen nach den mündlichen Berichten er instruiert worden sein, dass er seine Berichte auch noch der IM anfertigten. nachts absetzen könne, ohne dabei mit seinem Führungsoffi- zier Roßberg direkt Kontakt aufnehmen zu müssen. Diese In einem „Auszug aus Treffbericht ‚Heiner‘ vom 31. 1. Eintragungen seien Ausdruck der Umsetzung der in der be- 1969“ wird über jemanden, dessen Name geschwärzt ist, reits genannten Anlage zum Maßnahmeplan vom 24. Juni ausgeführt, sein theologisches Wissen sei das Ergebnis in- 1987 (Dok. 20) getroffenen Festlegungen der HA XX/4, wo- tensiven Selbststudiums und er sei in der Lage, die Prüfung nach ‚Heiner‘, gesteuert vom MfS-Offizier Roßberg, zur po- als Diplom-Theologe abzulegen. Dies sei aber rechtlich nicht litisch-operativen Sicherung dieses Kirchentages eingesetzt möglich. Nach einigen weiteren Details werden als vorgese- werden sollte. hene „Maßnahmen“ genannt: „1.) Welche politische Haltung und Konzeption vertritt … 4. Dezentrale Karteikarten und andere Unterlagen (Name geschwärzt) gegenüber der DDR? Dezentrale Karteien waren nach den Ausführungen des Bun- 2.) Ist seine äußerliche Haltung als ehrlich einzuschätzen? desbeauftragten im Ministerium für Staatssicherheit Find- hilfsmittel auf der Basis von Personendaten, die einzelnen 3.) Wer gehört zu seinem engsten Freundeskreis? Diensteinheiten zum Abrufen vielfältigster Informationen 4.) In welcher Beziehung steht … zu … (Namen ge- dienten. Es war auch möglich, dass für ein und dieselbe Per- schwärzt)? son in mehreren Diensteinheiten gleichzeitig solche Find- hilfsmittel existierten. Über solche Karteien wurde im MfS Diese Fragen müsste IM ‚Heiner‘ beantworten.“ (Dok. 25) kein zentraler Nachweis geführt.

7) Inoffizieller Mitarbeiter, der ein Zimmer oder seine Wohnung zur Unter den zu Dr. Heinrich Fink aufgefundenen dezentralen Durchführung von konspirativen Treffs zur Verfügung stellt – zitiert Karteien befindet sich eine aus der Hauptabteilung XX/4. Es aus: Der Bundesbeauftragte, Abkürzungsverzeichnis, 2. Aufl., Berlin handelt sich um eine Mitteilung vom 13. Dezember 1984 der 1996. Abt. XII an MfS-Offizier Roßberg, der darüber informiert

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wurde, dass Dr. Heinrich Fink Besuchsziel für eine in Düs- feindliche Angriffe aufzutreten und sich aktiv für die seldorf wohnhafte Person war. Unter der Registriernummer Interessen der CFK [Christliche Friedenskonferenz] ist der Deckname „Heiner“ handschriftlich vermerkt (Dok. einzusetzen.“ (Dok 43). 40). 5. Finanzbelege In einem „Aktenvermerk“ der Hauptabteilung XX/4 vom 11. April 1978 (Dok. 41) heißt es: Aufgefunden wurden nach den Erläuterungen des Bundes- beauftragten u. a. eine Statistik über „operative Ausgaben“ „Am 03. 03. 1978 fand eine operative Absprache der HA XX/4 im Jahre 1976 (Dok. 45), bez. „IMF ‚Heino‘“ zwischen Mitarbeitern der Hauptabteilung XX/4 und sind 140,– Mark und 100,– DM („Mark der Bundesbank“) der Abteilung XX/4 der BV Berlin zu Fragen der the- vermerkt. ologischen Sektion der HUB [Humboldt-Universität Berlin] statt. Weiterhin existiert eine handschriftliche Notiz des MfS-Offi- Teilnehmer waren: Gen. Roßberg … ziers Roßberg vom 14. Dezember 1981: … Dabei wurde besonders hervorgehoben, dass es „Für die Treffs mit IMS8) ‚Horst‘, IM ‚Sekretär‘, ‚Di- darauf ankommt, die führende Rolle der Partei in der rektor‘ u. ‚Heiner‘ wurden 100,– M für Verpflegung Hochschulpolitik durchzusetzen. Dies erfordere stö- verauslagt.“ (Dok. 46). rende Aktivitäten einer Gruppierung an der Sektion, Diese Notiz ist mit „W“ abgezeichnet, was nach Auskunft der meist CDU-Mitglieder angehören, mit Entschie- der Bundesbeauftragten zeigt, dass die Abzeichnung durch denheit zu begegnen. Diese Gruppierung besteht aus Abteilungsleiter Wiegand erfolgte. Der Bundesbeauftragte … (Namen geschwärzt) und ist gegen eine Kandida- hat weiter ausgeführt, es seien Operativgeld-Kassenbücher tur von Dr. Fink als Nachfolger für Prof. Bernhardt mit Aufzeichnungen zu Ausgaben bezüglich der für den IM- als Sektionsdirektor. Es wurde dazu hervorgehoben, Vorgang „Heiner“ angelegten Registriernummer XV/1827/ dass die Kandidatur Fink zwischen der Arbeits- 68 aus den Jahren 1968, 1969, 1970, 1971 und 1983 vorhan- gruppe Kirchenfragen, Gen. Dr. Hüttner, und dem den. (Dok. 47, 48, 49 und 50). MHF [Ministerium für das Hoch- und Fachhoch- schulwesen], Gen. Janott, abgestimmt und im Kader- Der Bundesbeauftragte hat zu diesen Unterlagen ausgeführt, perspektivplan der Sektion enthalten ist. … Die Kir- außer dieser handschriftlichen Notiz von MfS-Offizier Roß- chenleitung Berlin-Brandenburg habe sich gegen berg, die vom Leiter der HA XX/4, MfS-Offizier Wiegand, Fink und für eine Kandidatur von … (Namen ge- bestätigt worden sei, seien alle anderen Dokumente im Se- schwärzt) ausgesprochen … Im Ergebnis der Diskus- kretariat des Leiters der HA XX von der Haushaltssachbear- sion wurde folgende politisch-operative Linie festge- beiterin dieser HA erarbeitet worden. Sie erfassten gemäß legt: der Operativgeldordnung des Ministers für Staatssicherheit in Verbindung mit der Registriernummer einzelner Vorgänge –… Operativgelder, die in Anspruch genommen worden seien, – die Ablösung von Bernhardt sollte um ein Jahr also tatsächlich ausgegeben worden seien. Nach der Opera- verschoben werden; tivgeldordnung Nr. 3/83 des Ministers für Staatssicherheit – in dieser Zeit sollen bei Fink die erforderlichen sei das Untersachkonto (USK) Nr. 6000 eingerichtet worden Qualifikationsmaßnahmen realisiert werden (Pro- für Zuwendungen an IM (Übergabe von Bargeld und Sach- motion B und Berufung zum Professor) … geschenken). Das USK Nr. 6001 sei für Treffauslagen einge- richtet worden, das USK Nr. 6011 habe „Sonstiges“ erfasst – …“. und das USK Nr. 6103 sei für die Ausgabe von Devisen im Dokument Nr. 42 beinhaltet Auszüge aus einer in der Be- Zusammenhang mit der inoffiziellen Zusammenarbeit einge- zirksverwaltung (BV) Potsdam angelegten OPK-Akte (Ope- richtet worden. rative Personenkontrolle). Der darin enthaltene Sachstands- 6. Auszeichnungen und Prämierungen bericht vom 14. April 1978 enthält, bezogen auf Dr. Heinrich Fink, auf Seite 517 folgende Aussage: Der Befehl Nr. K[ader] 5455/84 (Dok. 51), unterschrieben von „Armeegeneral Mielke“, besagt, laut Auskunft der Bun- „F. ist für die Hauptabteilung XX positiv erfasst. Von desbeauftragten, dass der IM „Heiner“ am 7. Oktober 1984 dieser Diensteinheit ist die Klärung operativer Fra- mit der Verdienstmedaille der Nationalen Volksarmee in gen zugesichert worden:“ . Gold auszuzeichnen war. Die Auszeichnungsordnung Nr. 8/ Positiv erfasst gewesen zu sein, bedeutete nach den Ausfüh- 83 des Ministers für Staatssicherheit habe festgelegt, wie rungen des Bundesbeauftragten, dass mit der betreffenden hoch die finanzielle Zuwendung bei der Verleihung derarti- Person inoffiziell zusammengearbeitet wurde. Diese Be- ger Medaillen zu sein habe. Die Geldprämie habe bei der zeichnung sei üblich gewesen, obwohl es darüber keine Re- Verdienstmedaille der NVA in Gold 750 Mark betragen. Die gelung gegeben habe. Rückseite des Befehls weise mit dem Stempelaufdruck und darin vorgenommenen Eintragungen aus, dass die sich mit In einem „Bericht über die bilaterale Beratung mit den Si- diesem Befehl verbundenen weiteren Maßnahmen, z. B. Be- cherheitsorganen der CSSR am 11. 4. 1985 in Zinnwald/ Güst“ der Hauptabteilung XX/4 vom 16. April 1985 heißt es: 8) Inoffizieller Mitarbeiter zur politisch-operativen Durchdringung und „Seitens der CSSR-Sicherheitsorgane wird darum ge- Sicherung des Verantwortungsbereichs – zitiert aus: Der Bundesbe- beten, auf Prof. Fink einzuwirken, offensiv gegen auftragte, Abkürzungsverzeichnis, 2. Aufl., Berlin 1996.

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reitstellung der Medaille, der Urkunde sowie der Geldprämie dazu, dass von ihm abgelassen wurde, im Gegenteil, in Höhe von 750 Mark realisiert worden seien. er wurde mit Ausdrücken wie, … Sie Schwein, Sie wollen Studenten erziehen, Sie werden schon sehen, Weiterhin existiere ein „Vorschlag zur Auszeichnung mit ei- was wir jetzt aus Ihnen machen,‘ belegt.“ nem Sachgeschenk in Höhe von 500 Mark des IMB ‚Hei- ner‘“ vom 1. November 1989, unterzeichnet vom Leiter der In einer „Information zum bisherigen Stand der Prüfung der HA XX/4, Oberst Wiegand. Hier wird unter „Alle bisher er- Anzeige des Rechtsanwaltes de Maizière“ der Hauptabtei- haltenen Aufzeichnungen“ genannt: „Verdienstmedaille der lung Untersuchung vom 24. Oktober 1989 (Dok. 55) werden NVA in Gold“. Die Begründung für diesen Vorschlag lautet: insbesondere folgende Ergebnisse der Untersuchung festge- halten: „Der IM unterstützt das MfS seit über 20 Jahren. Er hat große Verdienste bei der Profilierung der theolo- „ … gischen Sektionen als Bestandteil der sozialistischen – dass Hptm. Rembacz in der dargestellten Situa- Universitäten. Als Vorsitzender einer weltweiten Ver- tion Prof. Fink mit dem bereits genannten einigung progressiver Christen hat er großen Anteil Schimpfwort beleidigte, an der Herausbildung eigenständigen kirchlichen ‚Friedensengagements‘“ (Dok. 52). – dass gegenüber Prof. Fink und seinen Kindern am 8. 10. 1989 im Zusammenhang mit den polizeili- Drei Tage nach diesem Vorschlag wies MfS-Offizier Wie- chen Maßnahmen keine körperliche Gewalt ange- gand die Vernichtung der IM-Akte „Heiner“ an (Dok. 8). wandt wurde, 7. Untersuchungsergebnisse des MfS über eine – dass Prof. Fink am 8. 10. 1989 über keine körper- Strafanzeige Dr. Heinrich Finks gegen Unbekannt liche Gewaltanwendung gegen sich und seine vom 12. Oktober 1989 Kinder oder über daraus folgende körperliche In einem „Bericht zur Personenkontrolle Professor Dr. Fink“ Schäden Beschwerde führte beziehungsweise sich der Abteilung VIII vom 11. Oktober 1989 heißt es: dazu erklärte, …“ „Durch einen Genossen Rembacz der BV Cottbus wurde der Prof. Dr. Fink, … [Personalien], erfasst HA D. Gerichtliche Verfahren XX/4 an Gen. Major Jesche übergeben.“ (Dok. 53). Die oben erwähnten von Dr. Heinrich Fink dem 1. Ausschuss Nach einer Schilderung der Personenkontrolle von Dr. Hein- übergebenen Unterlagen zu den von ihm angestrengten Ge- rich Fink zusammen mit seinen beiden Kindern am 8. Okto- richtsverfahren enthalten Entscheidungen folgenden Inhalts: ber 1989 nach dem Besuch einer Veranstaltung in der Im Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 1. April 1992 wird Gethsemane Kirche in Berlin, Prenzlauer Berg, um ca. 22.30 die Kündigung des Dienstverhältnisses von Dr. Heinrich Uhr, heißt es weiter: Fink als Rektor seitens der Humboldt-Universität für rechts- „Er äußerte, dass er sich beschweren würde und ver- widrig erklärt, da ein bewusstes und gewolltes Zusammen- langte den Namen des Genossen, der ihn zum Gen. wirken mit dem Staatssicherheitsdienst der ehemaligen DDR Major Jesche gebracht habe. Da der Genosse andere nicht erwiesen sei. Dr. Heinrich Fink habe sich zu den Vor- Aufgaben löste und er namentlich nicht bekannt war, würfen dahin gehend geäußert, er habe nie wissentlich stellte sich der Gen. Major Jesche mit seinem Deck- direkte und konspirative Kontakte zu hauptamtlichen Mit- namen und als Einsatzleiter vor. Damit wollte Gen. arbeitern des Ministeriums für Staatssicherheit gehabt und Major Jesche eine schnelle Beruhigung der Situation sei ohne sein Wissen über Dritte „abgeschöpft“ worden. erreichen, was seiner Meinung nach auch eintrat und Das Landesarbeitsgericht Berlin hat mit Urteil vom sich darin äußerte, dass der Prof. Dr. Fink ihm anver- 14. Dezember 1992 die erstinstanzliche Entscheidung in der traute ‚ich arbeite doch auch für Euch‘.“ Überzeugung aufgehoben, dass Dr. Heinrich Fink wissent- Dokument 54 enthält eine Strafanzeige von Rechtsanwalt lich für das Ministerium für Staatssicherheit tätig gewesen Lothar de Maizière zu diesem Vorfall wegen Verdachts einer sei. Hierbei stützte das Gericht seine Überzeugung insbeson- vorsätzlichen Körperverletzung und wegen des Verdachts ei- dere auf die Angaben der „Lagegruppe“ zu Telefonaten in ner Beleidigung. Der Ablauf der Geschehnisse wird in dieser Zusammenhang mit dem Kirchentag Berlin-Brandenburg Strafanzeige wie folgt geschildert: 1987 (Dok. 39) und auf die Unterlagen zur Verleihung einer „Mehrfach wurde Herr Prof. Dr. Fink mit einem Verdienstmedaille der Nationalen Volksarmee (Dok. 51). Die Schlagstock auf den Rücken geschlagen, was erhebli- Beschwerde von Dr. Heinrich Fink gegen die Nichtzulas- che Verletzungsfolgen zeitigte. … Beim Besteigen sung der Revision gegen diese Entscheidung wurde vom des Pkws wurde er von einem Mitglied der Einsatz- Bundesarbeitsgericht mit Beschluss vom 23. September gruppe ergriffen, ihm wurde ein Arm im Polizeigriff 1993 zurückgewiesen. auf den Rücken hochgedreht und gleichzeitig wurde Die Verfassungsbeschwerde von Dr. Heinrich Fink gegen sein Kopf nach vorn gebeugt. Es wurde der Versuch den Beschluss des Bundesarbeitsgerichts und das Urteil des unternommen, seinen Kopf auf das Fahrzeug zu sto- Landesarbeitsgerichts wurde vom Bundesverfassungsge- ßen. Mit einer freien Hand zog Herr Prof. Dr. Fink richt mit Urteil vom 8. Juli 1997 (BVerfGE 96, 189) zurück- seinen Ausweis heraus und wies die ihn misshan- gewiesen, wobei die Verfassungsbeschwerde gegen die delnde Person darauf hin, dass er Prof. und Hoch- Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts als unzulässig und schullehrer sei. Dieser Hinweis führte nicht etwa diejenige gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts

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mangels Grundrechtsverletzungen als unbegründet festge- schöpft worden sei. Bevor er nach der Wende zum Rektor der stellt wurde. Humboldt-Universität gewählt worden sei, habe er bei dem Sonderbeauftragen der Bundesregierung für die personenbe- zogenen Unterlagen des ehemaligen Staatssicherheitsdiens- E. Vortrag des Abgeordneten Dr. Heinrich Fink tes seine Unterlagen prüfen lassen und habe eine schriftliche Der Abgeordnete Dr. Heinrich Fink hat eine wissentliche Tä- Bestätigung vom 1. Februar 1991 erhalten, derzufolge sich tigkeit als IM für das MfS stets bestritten. Die aufgefundenen keine Hinweise auf eine Zusammenarbeit mit dem ehemali- Unterlagen zeigten zwar, dass er als IM ‚Heiner‘ beim MfS gen Staatssicherheitsdienst ergeben hätten. über viele Jahre erfasst worden sei. Dies könne er sich aber Auch die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Berlin sei nur so erklären, dass er ‚abgeschöpft‘ worden sei. Es gebe 1996 zu dem Ergebnis gekommen, dass die Ermittlungen weder eine schriftliche Verpflichtungserklärung noch eine aufgrund einer Strafanzeige gegen Zeugen in dem Kündi- Schweigeverpflichtung gegenüber dem MfS noch ein Proto- gungsverfahren vor dem Landesarbeitsgericht nicht mit der koll über eine mündliche Verpflichtung. Es seien auch keine erforderlichen Sicherheit den Nachweis für eine wissentliche handschriftlichen oder von ihm unterzeichneten Berichte IM-Tätigkeit erbracht hätten. oder von ihm unterzeichnete Quittungen über erhaltene Ge- schenke o. Ä. vorhanden. Soweit laut Bundesbeauftragtem Was die angeblichen Anrufe bei der „Lagegruppe“ beim Kir- bei der inoffiziellen Zusammenarbeit mit „IM aus Kirchen“ chentag Berlin-Brandenburg im Juni 1987 betreffe, so habe gängige Praxis gewesen sein sollte, dass die MfS-Offiziere er dort nicht angerufen. Er habe über diesen Kirchentag nur Berichte oder schriftliche Informationen nach den mündli- mit dem damaligen Staatssekretär für Kirchenfragen, Klaus chen Berichten der IM anfertigt hätten, habe er schon deswe- Gysi, am Telefon gesprochen. Überdies habe er auch über gen kein „IM aus Kirchen“ gewesen sein können, weil er keine Telefonnummer eines Lagezentrums o. Ä. verfügt. längst Angestellter des Staates gewesen sei. Seine Anstel- lung im kirchlichen Dienst habe bereits am 31. August 1961 Er habe auch nie eine Verdienstmedaille der Nationalen geendet. Volksarmee oder eine finanzielle Zuwendung vom MfS er- halten. Während der DDR-Zeit sei ihm 1989 lediglich der Dr. Heinrich Fink betonte, ihm sei der Begriff „IM“ erst sehr Vaterländische Verdienstorden in Bronze verliehen worden. viel später bekannt geworden. Die vorgefundenen Unterla- Nur in diesem Zusammenhang sei auch eine Geldzuwen- gen ließen sich nur als Resultat einer langjährigen Abschöp- dung geflossen. Wenn Geschenke, die er vom Staatssekretär fung erklären. So habe er im Rahmen seiner dienstlichen für Kirchenfragen bzw. vom Magistrat erhalten habe, aus Tätigkeit zwangsläufig Kontakte mit dem MfS gehabt, was Mitteln des MfS gestammt haben sollten, so sei ihm dies un- im damaligen System der DDR nicht zu umgehen gewesen bekannt gewesen. sei. Ihm wären allerdings die einzelnen Personen in den un- terschiedlichen Gremien, mit denen er Kontakt gehabt habe, Soweit der ehemalige MfS-Offizier Klaus Roßberg vor nicht vollständig bekannt gewesen. Er habe erst sehr viel Gericht ausgesagt und auch in seiner Autobiographie nieder- später erfahren, dass an allen drei Stellen innerhalb der Mi- gelegt habe, es sei zu fünf bis sechs Treffen mit ihm, nisterien, mit denen er dienstlich zu tun gehabt habe, sog. Dr. Heinrich Fink, gekommen, so habe es sich hierbei nicht OibE (Offiziere im besonderen Einsatz) der Staatssicher- um Treffen im Sinne von Begegnungen gehandelt, sondern heitsoffiziere eingesetzt gewesen seien. Außerdem habe im Klaus Roßberg habe Gelegenheiten geschildert, zu denen er oberen Stockwerk seines Wohnhauses ein Stasioffizier ge- ihn lediglich gesehen habe. Klaus Roßberg habe derartige wohnt, von dessen Wohnung ein Richtmikrofon direkt auf Gelegenheiten wohl auch gesucht. Ebenso wenig habe er seinen Schreibtisch gerichtet gewesen sei. Dieses habe sämt- sich in konspirativen Wohnungen aufgehalten und habe auch liche Gespräche innerhalb der Familie aufgezeichnet und sei nie konspirative Gespräche unter vier Augen geführt. Die in den Akten der Stasi auch als „IM“ geführt worden. Des diesbezüglichen, eine bestimmte Wohnung betreffenden An- Weiteren habe das MfS in den Jahren 1969 bis 1973 eine Se- gaben in den bei dem Bundesbeauftragten aufgefundenen kretärin eingeschleust, die für ihn und seine Ehefrau Schreib- Unterlagen zu zwei weiteren Personen und auch zu ihm arbeiten erledigt und stets einen Durchschlag an das MfS selbst seien hinsichtlich aller drei Personen unzutreffend. weitergeleitet habe. Anlässlich der Vorgänge an der Gethsemane Kirche am Die Vielzahl an Kontakten und damit auch an Unterlagen er- 8. Oktober 1989 habe er sich mit dem Einsatzleiter dahin ge- kläre sich auch daraus, dass er sich zu DDR-Zeiten an der hend verständigen können, dass seine Tochter und sein Sohn Humboldt-Universität stets für seine Studenten eingesetzt nicht festgenommen und abgeführt worden seien. Der in den und sie vor staatlichen Stellen verteidigt habe, wenn es bei- Unterlagen zitierte Satz „ich arbeite doch auch für Euch“ sei spielsweise um eine Ausreise in den Westen gegangen sei. nicht gefallen. Auf welche Weise der angebliche Ausspruch Üblicherweise hätten Studenten, die einen Ausreiseantrag in die Akten gelangt sei, sei ihm persönlich unerklärlich. Ge- gestellt hätten, die Universität sofort verlassen müssen, wäh- genüber dem uniformierten Einsatzleiter sei eine derartige rend er dagegen erreicht habe, dass die Studenten an seiner Aussage ohnehin unverständlich. Eine derartige Äußerung Fakultät bis zur Ausreise das Studium hätten fortsetzen kön- wäre auch unsinnig, da er zwei Tage später Strafanzeige ge- nen. An der Fakultät hätten insgesamt elf IMs über ihn be- gen die beteiligten Einsatzkräfte gestellt habe. Es könne sich richtet, was in seinen Augen überflüssig gewesen wäre, falls hier nur um eine Schutzbehauptung des Einsatzleiters han- er selbst IM gewesen wäre. deln, um das Verhalten der Sicherheitskräfte nachträglich zu Wären 1989 die Akten zu seiner Person nicht vernichtet wor- beschönigen. Der Bericht des MfS zu seiner Strafanzeige den, gäbe es Belege darüber, dass er abgehört und abge- enthalte darüber hinaus bewusst wahrheitswidrige Angaben,

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indem eine körperliche Beeinträchtigung in Abrede gestellt Folgenden auch unter Berücksichtigung der Stellungnahmen werde. von Dr. Heinrich Fink näher eingegangen. Zu den in den Unterlagen vorhandenen Einsatz- und Opera- a) Von ganz wesentlicher Bedeutung für die Auffassung tivplänen zu „IM Heiner“ könne er nur feststellen, dass es des 1. Ausschusses, dass der Abg. Dr. Heinrich Fink als nie zu einem aktiven Einsatz seiner Person bei den genann- IM tätig gewesen ist, ist sein Verhalten im Zusammen- ten Anlässen gekommen sei. Daher lasse sich aus der Ver- hang mit dem Kirchentag Berlin-Brandenburg im Juni wendung des Begriffs „IM Heiner“ in diesem Zusammen- 1987. Nach den oben wiedergegebenen Unterlagen hat hang nicht auf eine wissentliche Tätigkeit schließen. „IM Heiner“ unter einer speziell für diesen Kirchentag eingerichteten Telefonnummer des MfS bei der für die- Schließlich habe sich in den vergangenen Jahren niemand sen Kirchentag eingerichteten sog. Lagegruppe des MfS bei ihm mit der Behauptung gemeldet, von ihm durch eine angerufen und dort für seinen Führungsoffizier Klaus angebliche IM-Tätigkeit belastet oder geschädigt worden zu Roßberg Informationen über den Verlauf des Kirchen- sein. Er habe im Gegenteil von allen Seiten der Bevölkerung tages hinterlassen. Insoweit hat der 1. Ausschuss im Unterstützung und Anerkennung erhalten. Die Tatsache, Ergebnis aufgrund der konkreten Umstände und der dass der Bundesbeauftragte kurz vor seiner erwarteten Wie- jeweils beteiligten Personen keinen Zweifel, dass die derwahl zum Rektor mit der Behauptung der IM-Tätigkeit beiden Anrufe tatsächlich von „IM Heiner“ und damit hervorgetreten sei, sei für große Teile der Öffentlichkeit ein von Dr. Heinrich Fink getätigt worden sind. Er sieht sich Indiz dafür gewesen, dass seine Reformbestrebungen als in seiner Bewertung bestätigt durch das Landesarbeits- Rektor der Humboldt-Universität offensichtlich nicht er- gericht Berlin, das mit Urteil vom 16. Dezember 1992 wünscht gewesen seien und er auf diesem Wege „kaltge- im Rahmen des Kündigungsverfahrens bezüglich des stellt“ werden soll. Dienstverhältnisses als Rektor die anderslautende Ent- scheidung des Arbeitsgerichtes Berlin aufgehoben und damit die Kündigung für rechtmäßig erklärt hatte. Aus- F. Feststellungen des 1. Ausschusses zugsweise sei aus der Urteilsbegründung hier wiederge- Der 1. Ausschuss sieht eine inoffizielle Tätigkeit von Dr. geben: Heinrich Fink für das Ministerium für Staatssicherheit der „4. ehemaligen DDR als erwiesen an. Die beiden Vermerke der aus Anlass des Kirchenta- Diese Feststellung ist das Ergebnis einer Würdigung der dem ges Berlin-Brandenburg gebildeten Lagegruppe der Ausschuss vorliegenden Unterlagen in Kenntnis der Tatsa- Hauptabteilung XX/4 des MfS über je einen Anruf che, dass keine Verpflichtungserklärung oder vergleichbare von ,„IM Heiner“ für Klaus‘ lassen bei nüchterner Dokumente und auch keine von Dr. Heinrich Fink unter- Betrachtung nur den Schluss zu, dass der notierte An- zeichneten Berichte o. Ä. vorliegen, sowie unter Berücksich- rufer mit der Person identisch ist, die als ‚„IM tigung der Einlassung des Abg. Dr. Heinrich Fink, nicht für Heiner“‘ in den Akten des MfS registriert war bzw. die Stasi als IM tätig gewesen zu sein. (mit anderen Worten) dass jeweils der Kläger der An- Dem 1. Ausschuss lagen bei seiner Überprüfung hinsichtlich rufer war. Dafür sprechen die folgenden Überlegun- der Erfassung von Dr. Heinrich Fink als „IM Heiner“ unter gen: der identischen Registriernummer ein sog. Index, die Klar- 4.1 namenkarteikarte sowie die Vorgangskarteikarte in Kopie vor. Darüber hinaus existieren außerhalb der im Dezember Ein Hörfehler des den Anruf jeweils entgegenneh- 1989 vernichteten fünf Aktenordner zu Dr. Heinrich Fink an menden Offiziers der Hauptabteilung XX/4 ist auszu- anderen Stellen eine Vielzahl von Unterlagen, aus denen für schließen. Die Lagegruppe war am 24. 06. 1987 mit das Überprüfungsverfahren wesentliche Angaben oben im den Offizieren Thieme und Großmann und am 27. 06. Wortlaut wiedergegeben sind. Die Existenz dieser Unterla- 1987 mit den Offizieren Krüger und Heidel, also zu gen sowie der bereits erwähnten, ursprünglich vorhandenen den beiden unterschiedlichen Zeitpunkten, für die ein fünf Aktenordner lassen sich entgegen der Einlassung von Anruf von ‚„IM Heiner“‘ vermerkt ist, mit jeweils Dr. Heinrich Fink nicht damit erklären, er sei nur abge- zwei unterschiedlichen Personen besetzt. Dement- schöpft worden. Vielmehr belegen diese Unterlagen, wie sprechend müssen die für den 24. 06. 1987, 23.15 nachfolgend noch näher zu zeigen sein wird, eine Tätigkeit Uhr und für den 27. 06. 1987, 8.30 Uhr notierten An- von Dr. Heinrich Fink als „IM Heiner“. rufe von jeweils unterschiedlichen Personen entge- gengenommen worden sein. Ein vorangegangener Die Feststellung stützt sich auf eine Reihe von Indizien, zu Hörfehler mag sich bei einer den Anruf entgegenneh- denen insbesondere die Umstände und Vorgänge im Zusam- menden Person so verfestigen, dass ihr zweieinhalb menhang mit dem Kirchentag 1987, der Verleihung der Tage später der gleiche Hörfehler wiederum unter- NVA-Verdienstmedaille in Gold, die Äußerung „ich arbeite läuft. Bei zwei verschiedenen Personen kann jedoch doch auch für Euch“ anlässlich von Maßnahmen von DDR- ein derart identischer Hörfehler ausgeschlossen wer- Sicherheitsorganen im Anschluss an eine Veranstaltung in den.“ der Gethsemane Kirche 1989, die Vielzahl der Berücksichti- gung des „IM Heiner“ in Operativplänen der Staatssicherheit Das Landesarbeitsgericht hat im Weiteren überzeugend sowie die gezielte Vernichtung der zu „IM Heiner“ geführten den Gedanken verworfen, dass ein Dritter bei den Anru- Akten im Herbst 1989 zählen. Auf diese Indizien wird im fen den Decknamen „Heiner“ benutzt habe oder dass ei-

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nem dritten Anrufer versehentlich dieser Deckname zu- 4.3.3 geordnet worden sein könnte: … Nachdem aufgrund der ergänzenden Recherche „4.2 des Bundesbeauftragten vom 30. 3. 1992 nunmehr feststand, dass es einen inoffiziellen Mitarbeiter mit Ebenso erscheint es ausgeschlossen, dass sich eine Vornamen ‚Heiner‘ oder einem ähnlich klingenden andere Person als der Kläger als IM gemeldet und Vornamen gar nicht gab, haben weder der Zeuge den Decknamen ‚Heiner‘ benutzt hat. Denn ange- Wiegand noch der Zeuge Roßberg diese Version bei sichts der von sämtlichen Zeugen insoweit einleuch- ihrer Vernehmung wiederholt. …“ tend geschilderten Konspiration im Zusammenhang mit IM ist davon auszugehen, dass anderen Personen Die vorgenannten Erwägungen des Landesarbeitsge- der Deckname ‚Heiner‘ nicht bekannt gewesen ist. richts erscheinen dem 1. Ausschuss überzeugungskräftig 4.3 auch im Verhältnis zu den Ausführungen in einem – von Dr. Heinrich Fink vorgelegten – Schreiben der Staatsan- Es gibt keinen auch nur in Ansätzen plausiblen waltschaft Berlin vom 3. April 1996, wonach ein Anruf Grund für die Annahme, eine andere Person als der einer anderen Person bei der Lagegruppe nicht ausge- Kläger habe sich mit ‚Heiner‘ oder einem ähnlich schlossen werden könne bzw. ein Dritter den Anruf zur klingenden Namen gemeldet und sei von dem den Stützung der „Legende“ eines „IM Heiner“ getätigt oder Anruf jeweils entgegennehmenden Offizier fälschlich aber der Zeuge Roßberg den Anruf selbst entgegenge- als ‚„IM Heiner“‘ identifiziert worden. Die von den nommen und die Telefonate weitergegeben habe. In Zeugen Roßberg und Wiegand insoweit dargestellten demselben Schreiben stellt die Staatsanwaltschaft im Mutmaßungen erscheinen der Berufungskammer Übrigen fest, dass bezüglich dieses Zeugen ein Tatnach- nach gerade unsinnig und – neben anderen Gründen weis wegen falscher uneidlicher Aussage habe geführt – auch schon deshalb vollkommen unglaubhaft. werden können, als bewusst der Wahrheit zuwider ange- geben worden sei, dass es sich bei dem Anrufer um ei- 4.3.1 nen hauptamtlichen Mitarbeiter aus Halle mit dem Spitz- Soweit von beiden Zeugen ein hauptamtlicher Mitar- namen „Heiner“ gehandelt habe. Insoweit ist nach beiter der Bezirksverwaltung Halle namens Peter Kenntnis des 1. Ausschusses ein Strafverfahren vor dem Heinrich, der ‚Heiner‘ gerufen worden sei, als poten- Amtsgericht Tiergarten noch anhängig. tieller Anrufer ins Spiel gebracht worden ist, hält die b) Ein vergleichbares Indiz für die Annahme einer inoffi- Berufungskammer diese Mutmaßung für eine freie ziellen Tätigkeit als IM ist für den 1. Ausschuss die Ver- Erfindung der beiden Zeugen, die nur durch ihr Be- leihung der Verdienstmedaille der NVA in Gold, deren mühen erklärt werden kann, den Kläger zu decken. Erhalt Dr. Heinrich Fink bestritten hat. Nach den vorlie- Einmal kann es bei rationaler Betrachtung ausge- genden Unterlagen ist aber von einer Verleihung auszu- schlossen werden, dass sich ein hauptamtlicher Mit- gehen und es erscheint dem 1. Ausschuss nicht stichhal- arbeiter mit seinem Spitznamen meldet und außer- tig, einer Person für ihre Verdienste einen Orden dem noch von dem den Anruf entgegennehmenden zuzuerkennen, die gerade nicht mit der verleihenden Offizier fälschlich als IM eingeordnet wird. Schließ- Stelle zusammengearbeitet habe, sondern nur abge- lich waren die Aufzeichnungen der Lagegruppe Ar- schöpft worden sein will. Zur Verleihung selbst ist an beitsmaterialien, die präzise zu sein hatten, so dass den oben zitierten, von „Armeegeneral Mielke“ unter- eine zuverlässige Identifizierung des Anrufers auch zeichneten Befehl und die Bezugnahme auf die Verlei- von der Sache her geboten war. Für den Adressaten hung der Verdienstmedaille im Zusammenhang mit der der telefonisch übermittelten Nachricht, also Herrn späteren Begründung für ein Sachgeschenk zu erinnern, Roßberg, war die Identifizierung des Anrufers nicht die zudem ausführt, dass der IM das MfS seit über 20 unwichtig. Denn der Wert einer Information be- Jahren unterstütze und große Verdienste bei der Profilie- stimmt sich – generell gesehen – auch nach der Zu- rung der theologischen Sektionen als Bestandteil der so- verlässigkeit des Informanten. zialistischen Universitäten habe. Diese Erwähnung der Zum anderen hat der Zeuge Roßberg keinen auch nur Unterstützung des MfS seit über 20 Jahren korreliert in Ansätzen einleuchtenden Grund dafür benennen wiederum mit den aufgefundenen Karteikarten über die können, dass die für ihn bestimmten Informationen Erfassung von IM „Heiner“ aus den Jahren 1968 und von dem hauptamtlichen Mitarbeiter Peter Heinrich 1969. hätten stammen können. Auch zu diesem Indiz der Verleihung der NVA-Ver- Schließlich waren sämtliche Bekundungen der Zeu- dienstmedaille in Gold sieht sich der 1. Ausschuss durch gen Roßberg und Wiegand im Zusammenhang mit die Urteilsbegründung des Landesarbeitsgerichts Berlin den beiden vermerkten Telefonaten widersprüchlich bestätigt, in der ausgeführt wird: und darüber hinaus von dem offenkundigen Bemü- hen getragen, die den Vermerken zugrundeliegenden „Zum Komplex ‚NVA-Medaille in Gold‘ ... hat die realen Vorgänge zu verschleiern bzw. bei den übrigen Berufungskammer die Überzeugung gewonnen, dass Prozessbeteiligten Verwirrung zu stiften. der Zeuge Roßberg dem Kläger seinerzeit diese Aus- zeichnung bekannt gemacht und die damit verbun- … dene Zuwendung von 750,– Mark erkennbar als sol-

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che des MfS übergeben hat. Diese Überzeugung Sicherheitskräfte nach einer Veranstaltung in der Gethse- beruht auf folgenden Überlegungen: mane Kirche in Berlin am 8. Oktober 1989. Dem Aus- schuss ist bewusst, dass Abg. Dr. HeinrichFink eine der- 5.1 artige Äußerung bestritten hat. Für den Ausschuss Die einschlägigen Unterlagen des ehemaligen MfS ergeben sich jedoch keine Zweifel am Wahrheitsgehalt belegen, dass dem „IM Heiner“ diese Auszeichnung der Ausführungen in den Untersuchungsergebnissen des zuerkannt worden ist und dass die für die Abwick- MfS über die von Dr. Heinrich Fink erstattete Strafan- lung der Verleihung zuständige Hauptabteilung XX/4 zeige aus Anlass der Maßnahmen der Sicherheitsbehör- sowohl die Medaille als auch den damit verbundenen den. Abgesehen davon, dass es Dr. Heinrich Fink durch Geldbetrag von der zuständigen Abteilung Kader und sein Auftreten gegenüber dem Einsatzleiter gelungen ist, Schulung des MfS erhalten hat. Für den Normalfall seine Kinder vor einem Abtransport zusammen mit an- folgt daraus, dass der Ausgezeichnete sowohl über deren festgenommenen Teilnehmern der Veranstaltung die Auszeichnung informiert worden ist als auch den zu bewahren, lässt sich die Äußerung auch als mögliche Betrag erhalten hat. Davon muss trotz der gegenteili- spontane Reaktion in Empörung darüber verstehen, dass gen Beteuerung des Klägers und der gegenteiligen trotz intensiver Arbeit für die Interessen der DDR er von Bekundungen des Zeugen Roßberg auch im Streitfall deren Sicherheitskräften beleidigt, körperlich attackiert ausgegangen werden.“ und seine Kinder vom Abtransport bedroht waren. Die Das Landesarbeitsgericht hat sich im Weiteren auch mit Einlassung, es handele sich nur um eine Schutzbehaup- der Einlassung auseinandergesetzt, dass die Medaille tung der Einsatzkräfte um vorheriges rechtswidriges zwar beantragt, aber nicht zur Aushändigung an Verhalten nachträglich zu rechtfertigen, erscheint dem Dr. Heinrich Fink vorgesehen gewesen sei: Ausschuss ebenso wenig plausibel wie der Einwand, dass die in Rede stehende Formulierung gegenüber ei- „5.2 nem uniformierten Einsatzleiter unsinnig wäre. Aus der Die Darstellung des Zeugen Roßberg, er habe die Sicht des Ausschusses wird durch die in Rede stehende Medaille beantragt und den ihm mit derselben zuge- Formulierung nicht eine Zugehörigkeit zu den konkret in leiteten Betrag von 750,– Mark entsprechend einer Erscheinung getretenen Sicherheitskräften geäußert, vorangegangenen Absprache mit dem Zeugen Wink- sondern nur eine ebenfalls für den Staat aktive Tätigkeit ler diesem für operative Zwecke übergeben, ist so ab- dokumentiert. Auch der Hinweis auf die einige Tage spä- strus, dass die Berufungskammer ihr keinen Glauben ter erstattete Strafanzeige führt nicht zu einem anderen schenken konnte. Sie hält diese Aussage im Gegen- Ergebnis. Einer derartigen Strafanzeige können ver- teil für frei erfunden. Gerade diese Einschätzung be- schiedene Motive zu Grunde liegen. Zum einen ist sie als stärkt die Berufungskammer in ihrer Annahme, der Reaktion aus Empörung über das Vorgehen der Sicher- Kläger habe – entsprechend dem Normalfall – eine heitsorgane denkbar. Zum anderen erscheint eine Straf- Information über die Auszeichnung und den Geldbe- anzeige schlüssig, um gerade nicht eine Tätigkeit für die trag selbst erhalten. DDR erkennbar werden zu lassen, was im Verzichtsfall angesichts der vorgetragenen Beleidigung und körperli- 5.2.1 chen Beeinträchtigung nicht auszuschließen gewesen Zunächst erscheint es nachgerade unsinnig, wenn der wäre. Zeuge Roßberg glauben machen will, er habe diese d) Das vierte für die Feststellung des 1. Ausschusses maß- Auszeichnung beantragt, obwohl er sich von vorn- gebliche Indiz ist die Vernichtung der fünf Dr. Heinrich herein darüber klar gewesen sei, diese dem Kläger Fink betreffenden Aktenordner im Dezember 1989. Der gar nicht übergeben oder wenigstens bekannt machen Befehl unter der Überschrift „Löschung von Erfassun- zu können … gen zu ausgewählten IM“ zeigt für den 1. Ausschuss, 5.2.4 dass es sich bei diesen „ausgewählten IM“ um aus der Sicht des MfS prominente IM handelte, die man unbe- Indessen sind all diese Plausibilitätserwägungen dingt vor späterer möglicher Verfolgung habe schützen nicht der alleinige Grund, den einschlägigen Bekun- wollen. Eine derartige, sehr eilig kurz vor der absehba- dungen des Zeugen keinen Glauben zu schenken. ren Beendigung der Tätigkeit des MfS durchgeführte Noch entscheidender ist die Überzeugung der Beru- Maßnahme spricht eindeutig für eine IM-Tätigkeit und fungskammer, dass der Zeuge Roßberg ein so heik- erschiene demgegenüber im Falle einer „Abschöpfung“ les, ja pflichtwidriges Vorhaben nicht ohne Infor- nicht als plausibel. Anhaltspunkte dafür, dass die Akten- mation und Zustimmung seines unmittelbaren vernichtung, die von Dr. Heinrich Fink ausdrücklich mit Vorgesetzten Wiegand in die Tat umgesetzt hätte. der Begründung bedauert worden ist, ansonsten auf Ent- Dies insbesondere deshalb, weil der entsprechende lastendes zurückgreifen zu können, von einem Motiv zur Antrag auch über den Tisch des Zeugen Wiegand Schädigung getragen gewesen sein könnte, haben sich ging und von diesem abgezeichnet werden musste nicht ergeben. Auch Dr. Heinrich Fink hat in der Anhö- …“ rung nichts diesbezügliches ausgeführt. Der Ausschuss c) Von ebenfalls entscheidender Bedeutung ist für den sieht sich in seiner Einschätzung, dass die Maßnahme 1. Ausschuss die in den Unterlagen dokumentierte Äu- dem Schutz bestimmter Personen auf hochrangiger ßerung „ich arbeite doch auch für Euch“ von Dr. Hein- Ebene im kirchlichen Bereich dienen sollte, durch die rich Fink im Zusammenhang mit Maßnahmen der Auskunft der Bundesbeauftragten bestätigt, dass es sich

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bei den beiden anderen im Löschungsbefehl genannten mit den Auflösungstendenzen innerhalb des MfS und IM um zwei Persönlichkeiten an herausragender Stelle seinen von ihm geschilderten Absetzbewegungen im kirchlichen Bereich gehandelt hat. entgegen. Insoweit hat der Zeuge auf eine entspre- e) Die in den Akten zahlreich vorhandenen Einsatz- und chende Frage des Prozessbevollmächtigten der Be- Maßnahmepläne, in denen ein Einsatz von „IM Heiner“ klagten erklärt, er habe sich von regulär geführten vorgesehen gewesen war, sprechen ebenfalls nach Über- IM, wie zum Beispiel Herrn Stolpe, persönlich zeugung des 1. Ausschusses für eine lange und frucht- verabschiedet, während dem Kläger ‚der Schluss‘ bare Zusammenarbeit von Dr. Heinrich Fink mit dem sicherlich von den Herren Winkler oder Wilke erklärt MfS. Sein Einwand, die Pläne seien hinsichtlich seiner worden sei, und schließlich diese Frage des Prozess- Person in keinem Fall ausgeführt worden, überzeugt bevollmächtigten der Beklagten als ‚unsinnig‘ quali- nach Auffassung des Ausschusses nicht, da es völlig un- fiziert. Diese Aussage ist aufschlussreich, weil sie plausibel wäre, falls das MfS über viele Jahre hinweg deutlich macht, dass der Zeuge hier offenkundig den Einsatz zu verschiedensten Anlässen vorgesehen ha- seine Linie (Abschöpfungsversion) kurzzeitig außer ben sollte, ohne dass jemals ein derartiger Einsatz „er- acht gelassen hat. Seine entsprechende Äußerung ist folgreich“ im Sinne des MfS durchgeführt worden wäre. nämlich ein bedeutsamer Hinweis darauf, dass der Aus den vorgenannten Indizien folgt für den 1. Aus- Kläger tatsächlich vom ‚Schluss‘ (der Zusammenar- schuss eine langjährige, aufgrund der Akteneinträge mit beit mit dem MfS) erfahren hat und der Zeuge, nach- mehr als 20 Jahren anzunehmende Tätigkeit von dem er seinen Lapsus bemerkt hat, nunmehr wieder Dr. Heinrich Fink für das MfS. Alle genannten Gesichts- auf die Abschöpfungsversion eingeschwenkt ist und punkte sprechen somit gegen die von ihm vorgetragene deshalb die Herren Winkler oder Wilke als Übermitt- „Abschöpfung“ durch andere Stellen, insbesondere ler des Abschieds bezeichnet hat. Es liegt auf der durch das MfS. In diesem Zusammenhang ist ergänzend Hand, dass auch ein solcher ‚mittelbarer Abschied‘ für die Annahme einer IM-Tätigkeit und gegen eine Ab- mit dem irregulären Status des Klägers als IM bzw. schöpfung darauf hinzuweisen, dass zahlreiche Doku- der Abschöpfungsversion unvereinbar ist; denn es mente und Einsatzpläne stets als Quelle „IM Heiner“ an- hätte keiner ‚Erklärung über den Schluss‘ bedurft, geben und es an einer Stelle (Dok. 25) explizit heißt: wenn der Kläger von seiner Tätigkeit für das MfS „Diese Fragen müsste „IM Heiner“ beantworten.“ Auch nichts gewusst hätte. Offenbar hat der Zeuge diesen die Tatsache, dass keine von „IM Heiner“ unterzeichne- ‚black out‘ schon während der Protokollierung seiner ten Berichte aufgefunden worden sind, spricht nicht ge- Äußerungen erkannt und mit dem Hinweis auf die gen eine wissentliche Tätigkeit des „IM Heiner“. Wie Unsinnigkeit der vom Prozessbevollmächtigten der der Bundesbeauftragte ausgeführt hat, entsprach es Beklagten gestellten Frage den bereits eingetretenen durchaus der Praxis bei IM im kirchlichen Bereich, dass ‚Schaden‘ begrenzen wollen. Letztlich ist diese Äu- die Berichte vom jeweiligen Führungsoffizier nach der ßerung des Zeugen Roßberg ein besonders gewichti- mündlichen Berichterstattung durch den IM schriftlich ges Indiz dafür, dass die von ihm geschilderte Ab- niedergelegt wurden. Der Einwand von Dr. Heinrich schöpfungsversion nicht zutrifft …“ Fink, bereits seit 1961 staatlicher Angestellter gewesen Dabei hat sich das Landesarbeitsgericht auch mit der zu sein, ist nach Auffassung des 1. Ausschusses hier Frage auseinandergesetzt, was die beiden Führungsoffi- nicht von Belang, da die von Dr. Heinrich Fink wahrge- ziere Roßberg und Wiegand zu der von ihnen geltend ge- nommenen Funktionen und gepflegten Kontakte, auch machten Abschöpfungsversion veranlasst haben könnte: im Rahmen der Christlichen Friedenskonferenz, als kirchlicher Bereich im weiten Sinne verstanden werden „7.3 kann. In gleicher Weise sind die Unterlagen zum Wech- Selbstverständlich lassen sich die Motive, die die sel der Führungsoffiziere im Januar 1971 zu werten. Ei- Zeugen Roßberg und Wiegand zu ihren Falschaussa- nen solchen Wechsel nur bezüglich einer für die Akten gen veranlasst haben, nicht im Einzelnen ergründen. fingierten IM-Tätigkeit vorzunehmen, hält der 1. Aus- Es liegt jedoch nahe, dass sie sich dem politischen schuss angesichts der intensiven Kontroll- und Siche- und gesellschaftlichen System der untergegangenen rungsmechanismen im ehemaligen MfS für ausgeschlos- DDR und insbesondere dem Korpsgeist des MfS im- sen. Es liegen im Übrigen auch keinerlei Anzeichen mer noch – möglicherweise nicht ganz freiwillig – dafür vor, dass Unterlagen zu Lasten von Dr. Heinrich verbunden fühlen und deshalb die von ihnen geführ- Fink manipuliert sein könnten. In diesem Zusammen- ten IM, die nach ihrer Enttarnung öffentlicher Bloß- hang erscheinen auch die Einwände gegen Belege über stellung sowie privat- und strafrechtlichen Sanktio- Zuwendungen an „IM Heiner“ oder die Nutzung einer nen ausgesetzt sein werden, decken wollen. Dieses konspirativen Wohnung nicht stichhaltig. Bestreben kommt auch darin zum Ausdruck, dass Auch das Landesarbeitsgericht Berlin hat sich ausführ- beide Zeugen die von ihnen geführten Akten vernich- lich mit der „Abschöpfungsversion“ befasst und hierzu tet haben. Im Übrigen hat insbesondere der Zeuge ausgeführt: Wiegand bis zuletzt zu erkennen gegeben, dass er die IM seiner Abteilung, soweit es geht, decken will. „7.2.1.3 Wahrscheinlich ist dieses Bestreben letztlich auch der Schließlich steht der vom Zeugen Roßberg durchgän- Motor für die Falschaussagen, die den Zeugen als gig bekundeten Abschöpfungsversion eine – offen- notwendig erschienen, um den Kläger zu decken kundig unbedachte – Äußerung im Zusammenhang bzw. zu entlasten …“

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Auch vor dem Hintergrund dieser überzeugenden Darlegun- 1. Februar 1991 Dr. Heinrich Fink mitgeteilt hat, dass sich gen stand es der Festlegung des 1. Ausschusses nicht ent- aus den überprüften Unterlagen keine Hinweise auf eine gegen, dass laut o. g. Schreiben der Staatsanwaltschaft vom Zusammenarbeit mit dem ehemaligen Staatssicherheitdienst 3. April 1996 die Ermittlungen nicht mit erforderlicher ergäben. Bereits diese Auskunft war mit dem ausdrücklichen Sicherheit den Nachweis einer wissentlichen IM-Tätigkeit Vorbehalt versehen, dass nur die durch archivische Hilfs- von Dr. Heinrich Fink erbracht hätten und dass die Angaben, mittel bereits zu dem Zeitpunkt erschlossenen Unterlagen abgeschöpft worden zu sein, nicht hätten widerlegt werden zur Verfügung gestanden hätten. Nach Auskunft der Bundes- können. Ebenso wenig konnte es für den 1. Ausschuss ange- beauftragten sind erste Aktenstücke, die auf ein inoffizielles sichts der Vielzahl der oben zitierten und zuvor gewürdigten Verhältnis zwischen Dr. Heinrich Fink und dem MfS hinge- Unterlagen von Bedeutung sein, dass der Sonderbeauftragte wiesen hätten, unmittelbar nach Ausstellen dieser Bescheini- der Bundesregierung für die personenbezogenen Unterlagen gung gefunden worden. des ehemaligen Staatssicherheitsdienstes mit Schreiben vom

Berlin, den 5. Juli 2001

Der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung

Erika Simm Vorsitzende

Drucksache 14/6694 – 16 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Erklärung zur „Feststellung im müsste“ (SZ Interview vom 6. Juli 2001; im Interview mit Überprüfungsverfahren des Abgeordneten der „taz“ vom gleichen Tage betont sie in diesem Zusam- Dr. Heinrich Fink gemäß § 44b Abs. 2 menhang, dass das Gesetz nicht zwischen Tätern und Opfern Abgeordnetengesetz“ vom 5. Juli 2001 unterscheide). Diese Entscheidung ist von vielen Seiten kri- tisiert worden, u. a. vom Bundestagspräsidenten , der von dem „Eindruck“ spricht, dass mit zweierlei I. Maß gemessen werde, der „im nachhinein den Verdacht er- zeuge, dass Ostdeutsche einen geringeren Grundrechts- (Zum Verfahren) schutz genießen, als Westdeutsche, weil sie immer schon im Das gegen mich durchgeführte Überprüfungsverfahren war Verdacht stehen, Täter zu sein und nicht Betroffene, während geprägt von Vorverurteilung, Voreingenommenheit und of- bei Westdeutschen das genaue Gegenteil der Fall ist“ (FR fenbar einseitige Fixiertheit auf das Ergebnis. Es wurde auf 6. Juli 2001). Der Bundesminister des Innern, , Antrag des Abgeordneten Jörg van Essen (F.D.P.) in der Sit- wird mit einer Weisung an die Bundesbeauftragte zitiert, bei zung des 1. Ausschusses vom 28. Januar 1999 – also vor Prominenten Auskünfte und Akten nur mit deren Einwilli- zweieinhalb Jahren (!) – eingeleitet. Nachdem ich bereits im gung herauszugeben. Januar 1999 die wesentlichen Dokumente und meine Stel- lungnahme gegenüber dem Bundesverfassungsgericht vor- Ich habe von Anfang an – auch in diesem Verfahren – betont, gelegt und die Berichterstatter des Ausschusses im Novem- dass ich nachweisbar selbst Opfer der Stasi war. Wie ich erst ber 1999 Einsicht „in die beim Bundesbeauftragten vorlie- im nachhinein anlässlich der Akteneinsicht durch mich er- genden Original-Akten“ genommen hatten, begannen die fahren habe: Ich wurde bereits seit 1954 observiert. In dem Medien überwiegend einseitig und für mich negativ über das Haus, in dem ich damals mit meiner Familie wohnte (Stech- Überprüfungsverfahren zu berichten. In dem Zusammen- linstr. 17), wohnte seit 1969 über uns ein Stasi-Offizier, von hang mit der am 29. März 2001 stattfindenden Anhörung vor dessen Wohnung direkt ein Richtmikrophon auf meinen dem Ausschuss habe ich auf das bisherige Ergebnis des straf- Schreibtisch gerichtet wurde, der sämtliche Gespräche, die rechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen mich bzw. die bei- wir in der Familie hatten, aufgezeichnet hat. Auch diese Ab- den Stasi-Offiziere, die als Zeugen im arbeitsgerichtlichen höranlage wurde bei der Stasi als IM geführt. Außerdem war Verfahren vernommen worden waren, hingewiesen und ein bei uns eine Sekretärin von 1969 bis 1973 (ihrem Todesda- Schreiben der Staatsanwaltschaft aus dieser Akte an den Se- tum) eingeschleust worden, die von Briefen, Manuskripten nator für Wissenschaft und Forschung vom 3. April 1996 usw., die sie geschrieben hat, einen Durchschlag bei der Stasi vorgelegt, wonach der Nachweis für meine angebliche IM- abgegeben hat. Weiter ergab sich aus den Akten, dass zehn Tätigkeit nicht erbracht werden könne. Obwohl der Aus- Mitarbeiter aus meiner Fakultät verpflichtet wurden, regel- schuss sich auch seinerseits über dieses Verfahren informiert mäßig über mich zu informieren. Außerdem sind Studenten hat, geht er hierauf nur ganz am Rande und wiederum voll- aufgefordert worden, aus meinen Vorlesungen und Semina- kommen einseitig zu meinem Nachteil ein. Er stützt sich statt ren zu berichten. dessen im Wesentlichen auf die Indizien, die der Entschei- Die theologische Fakultät, deren Dekan ich von 1980 bis dung des Landesarbeitsgerichts Berlin vom Dezember 1992 1990 war, war unter ständiger Observation der Staatssicher- über meine fristlose Kündigung zugrunde lagen. Diese sind heit. Ich bin wiederholt von Studenten und Kollegen auf- jedoch durch die Ergebnisse des strafrechtlichen Ermitt- merksam gemacht worden, dass dieser oder jener mich be- lungsverfahrens inzwischen eindeutig widerlegt. Bevor dies spitzeln würde. im Einzelnen dargelegt wird, ist auf ein weiteres gerichtli- ches Urteil hinzuweisen, das erneut die Fragwürdigkeit des Ich habe mich dafür eingesetzt, dass Studenten, die bei den Vorgehens gegen mich unterstreicht. Bausoldaten gemustert waren, studieren durften. Wegen stu- Das Verwaltungsgericht Berlin hat in seiner Entscheidung dentischer Probleme, die um pazifistische Einstellung, Aus- vom 4. Juli 2001 der Klage des früheren Bundeskanzlers Dr. reiseersuchen und politische Nonkonformität gingen, habe gegen die Bundesbeauftragte für die Unterla- ich ständig um Gespräche beim Staatssekretär für Kirchen- gen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR statt- fragen oder beim Minister für Hoch- und Fachschulwesen gegeben und die Herausgabe der personenbezogenen Stasi- ersucht. Erst nach der Wende habe ich erfahren, dass sowohl Unterlagen ohne dessen Einwilligung abgelehnt. Andern- Mitarbeiter beim Staatssekretär für Kirchenfragen als auch falls werde er in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht beim Minister für Hoch- und Fachschulwesen Offiziere im verletzt, zu dem auch das Recht auf informationelle Selbst- besonderen Einsatz waren, die von den Gesprächen Proto- bestimmung gehöre, weshalb er einen Anspruch auf die be- kolle anfertigten, die direkt zum MfS weitergeleitet wurden, gehrte Unterlassung habe. wie es die Protokolle jetzt zeigen.

Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Per- Es ist bezeichnend für das einseitige Vorgehen des Aus- sönlichkeitsschutz und informationelle Selbstbestimmung) schusses, dass er diesem meinem Vortrag genauso wenig wiege schwerer, als das Aufklärungs- und Informationsbe- nachgegangen ist, hierzu keinerlei Auskünfte und Stellung- dürfnis der Öffentlichkeit (VG 1 A 389.00). nahmen der Beauftragten angefordert hat o. Ä., wie er sich Die Bundesbeauftragte hat öffentlich erklärt, dass man auf- mit den Ergebnissen des strafrechtlichen Ermittlungsverfah- grund dieses Urteils „die Aufarbeitung der Akten von DDR- rens gegen mich und die beiden Zeugen beschäftigt hat und Funktionsträgern, also früheren Richtern oder Bürgermeis- es mir bzw. meinem Rechtsanwalt vorbehalten blieb, dies zu tern, jedes Mal von deren Einwilligung abhängig machen ermitteln und wichtige Unterlagen vorzulegen.

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So verstärkt sich mein Eindruck, dass die Feststellung durch das mir bis dato nicht bekannt war und in dem die Staatsan- den 1. Ausschuss eine Fortsetzung meiner fristlosen Entlas- waltschaft auf vier Seiten zu den zentralen Fragen meiner sung als Rektor der Humboldt-Universität auf politischer angeblichen IM-Tätigkeit Stellung genommen hat und zu Ebene ist. Bekanntlich war ich der erste basisdemokratische dem klaren Ergebnis kommt, dass der Nachweis hierfür frei gewählte Rektor der traditionsreichen Humboldt-Uni- nicht erbracht werden könne. versität zu Berlin. Jedenfalls ergibt sich aus dem Schreiben auch, dass ich 1996 Ich habe zusammen mit dem Akademischen Senat und Kon- selbst von den Rechtsanwälten des Senats mit einer Strafan- zil Reformen im Sinne einer Demokratisierung der Universi- zeige wegen der Vorlage einer angeblichen falschen eides- tät durchgeführt, die beim zuständigen CDU-Senator nicht stattlichen Versicherung überzogen worden bin, von der ich akzeptiert wurden und zu permanenten, auch öffentlichen ebenfalls bis heute nichts wusste. Von meinem Rechtsanwalt Auseinandersetzungen führten. habe ich mich belehren lassen, dass eine Unterrichtung sei- tens der Ermittlungsbehörden auch nicht erforderlich ge- Der damalige „Sonderbeauftragte der Bundesregierung für wesen sei, wenn diese offenbar insoweit nicht einmal von die personenbezogenen Unterlagen des ehemaligen Staats- einem konkreten Verdacht gegen mich ausgingen, der für die sicherheitsdienstes“ hatte auf meinen Antrag mit Schreiben Einleitung eines Ermittlungsverfahrens erforderlich ist. In vom 1. Februar 1991 mitgeteilt, „aus den geprüften Unterla- dem Schreiben an die Senatsverwaltung heißt es hierzu, ein gen habe sich aufgrund der … eingereichten Daten ... keine hinreichender Tatverdacht sei bezüglich der eidesstattlichen Hinweise auf eine Zusammenarbeit mit dem ehemaligen Versicherungen nicht gegeben. Staatssicherheitsdienst ergeben“. Kurz nachdem aber von Studenten bekannt gegeben wurde, dass sie bei den anste- In dem erwähnten Schreiben berichtet die Staatsanwalt- henden Neuwahlen meine Wiederwahl befürworten würden, schaft weiter über das Ergebnis der Ermittlungen aufgrund erhielt ich dann ohne vorherige Anhörung die fristlose Kün- der Strafanzeige durch die Rechtsanwälte Bräutigam u. a. digung vom Senator aufgrund angeblich jetzt neu aufgefun- gegen die in meinem arbeitsgerichtlichen Verfahren als Zeu- dener Stasi-Unterlagen. Aufgrund massiver Proteste der Stu- gen vernommenen Herren Klaus Roßberg und Joachim Wie- dentinnen und Studenten und der Vertreter des Lehrkörpers gand wegen falscher uneidlicher Aussage und falscher Versi- lud das Konzil den damaligen Leiter der Behörde, Joachim cherung an Eides Statt. Auch dieses Verfahren sei mangels Gauck, zu einer öffentlichen Vollversammlung in das Audi- hinreichenden Tatverdachts gemäß § 170 Abs. 2 der Strafpro- torium Maximum der Humboldt-Universität ein. Auf kriti- zessordnung (StPO) eingestellt worden. Wörtlich heißt es: sche Nachfrage des Vizepräsidenten, Prof. Bank, ob Herr „Die Ermittlungen haben nicht mit der erforderlichen Si- Gauck sich vorstellen könne, „dass Prof. Fink von diesem cherheit den Nachweis erbracht, dass Prof. Dr. Fink wis- IM-Vorgang nichts gewusst hat“, antwortete dieser: sentlich IM war. „Außerhalb meiner Behördenkompetenz und meiner be- Für eine bewusste Mitarbeit von Prof. Fink für das MfS hördlichen Aufgabe sage ich Ihnen sehr gerne, dass ich liegen nämlich ausschließlich Indizien vor. Hingegen ha- mir das vorstellen kann. Und ich habe in stürmischen ben die Zeugen, soweit es sich um ehemalige MfS-Mit- Zeiten in der Volkskammer meine Abgeordneten Kolle- arbeiter handelt und sie in irgendeiner Form näher mit gen davor gewarnt, eine Verurteilung aufgrund einer dem IM ‚Heiner‘ bzw. ‚Heino‘ … zu tun hatten, angege- Karteilage vorzunehmen, weil ich nämlich schon er- ben, Prof. Dr. Fink wäre ‚abgeschöpft‘ worden. Diese kannt hatte, als ich ganz wenig Kenntnis nur von Akten Angaben konnten nicht widerlegt werden. Das Landesar- hatte, … dass es solche Fälle gab. … Aber es ist so, dass beitsgericht Berlin stützt sich in seinem Urteil vom ich ohne Mühe im Stande bin, mir vorzustellen, dass ein 16. 12. 1992 im Wesentlichen auf den Lagefilm für den Mann wie Heinrich Fink …, dass ich mir sehr gut vor- Berlin-Brandenburgischen Kirchentag 1987 in dem fest- stellen kann, dass gerade ein Mann wie er möglicher- gehalten ist, dass in zwei Fällen ein IM ‚Heiner‘ eine weise das nicht gewusst hat.“ Nachricht für einen ‚Klaus‘ hinterlassen hatte sowie dar- (abgedruckt in: UTOPIE kreativ, Januar 1992, Seite 47) auf, dass der Beschuldigte Roßberg Prof. Dr. Fink als IM Trotz dieser deutlichen Warnung, von der später nie mehr die ‚Heiner‘ für die Verleihung der Verdienstmedaille der Rede war, wurde das Kündigungsverfahren gegen mich NVA in Gold vorgeschlagen hat, die diesem auch verlie- durchgezogen, obwohl der Akademische Senat der Hum- hen worden sein soll. boldt-Universität sich einstimmig hiergegen ausgesprochen Es steht zwar fest, dass Prof. Dr. Fink unter dem Deck- hatte. Die Kündigung wurde seinerzeit in der Öffentlichkeit, namen ‚Heiner‘ und ‚Heino‘ beim MfS geführt wurde, auch von internationalen Beobachtern, als willkürliches Vor- es ergaben sich aber bei dem Bundesbeauftragten für die gehen gegen einen offensichtlich unliebsamen Rektor kriti- Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemali- siert. gen Deutschen Demokratischen Republik kein weiteres Beweismittel dafür, dass er bewusst als IM tätig war. Die Einschätzung der Staatsanwaltschaft beim Es konnte auch nicht der Nachweis erbracht werden, Landgericht Berlin zur Frage meiner angeblichen dass es Prof. Dr. Fink war, der beim Kirchentag 1987 als IM-Tätigkeit: IM ‚Heiner‘ zweimal eine Nachricht für ‚Klaus‘ hinter- lassen hat. Zwar haben die bei der Lagegruppe einge- Vor meiner Anhörung vom 29. März 2001 habe ich dem setzten Zeugen … angegeben, dass, soweit der Anrufer Ausschuss das bereits erwähnte Schreiben der Staatsanwalt- nur einen Namen oder Vornamen nannte, klar war, dass schaft beim Landgericht Berlin vom 3. April 1996 vorgelegt, es sich um einen IM handelte und deshalb von ihnen das

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Kürzel IM eingesetzt wurde. Es kann aber auch nicht desarbeitsgerichts Berlin zur fehlenden Glaubhaftigkeit der ausgeschlossen werden, dass eine andere Person beim Angaben der Zeugen Roßberg und Wiegand erschienen auch Lagedienst angerufen hat. „im Verhältnis zu den Ausführungen in einem Schreiben der Staatsanwaltschaft Berlin … überzeugungskräftig“, ohne Folgt man den Angaben der ehemaligen Mitarbeiter des diese Überzeugungskraft und die Gründe hierfür auch nur Staatssicherheitsdienstes von der ‚Abschöpfungsthese‘, mit einem Satz weiter zu erläutern. die schon aus dem Grund nicht von der Hand zu weisen ist, dass es sich bei Prof. Dr. Fink nicht um den einzigen Statt dessen meint der Ausschuss im Folgenden darauf hin- IM handelt, der abgeschöpft worden sein will …, dann weisen zu müssen: In demselben Schreiben habe die Staats- wäre nicht auszuschließen, dass der Anruf von einer drit- anwaltschaft im Übrigen festgestellt, „dass bezüglich dieses ten Person getätigt wurde, um auch gegenüber dem eige- Zeugen ein Tatnachweis wegen falscher uneidlicher Aussage nen Dienst die ‚Legende‘ des IM ‚Heiner‘ zu stützen. habe geführt werden können, als bewusst der Wahrheit zuwi- der angegeben worden sei, dass es sich bei dem Anrufer um In Anbetracht der Tatsache, dass hier insgesamt nur un- einen hauptamtlichen Mitarbeiter aus Halle mit dem Spitz- zureichende Informationen über den Staatssicherheits- namen Heiner gehandelt habe. Insoweit ist nach Kenntnis dienst der ehemaligen DDR gewonnen werden konnten, des 1. Ausschusses ein Strafverfahren vor dem Amtsgericht kann die ‚Abschöpfungsthese‘ nicht zweifelsfrei wider- Tiergarten noch anhängig“. legt werden und deshalb die für Prof. Dr. Fink spre- chende Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden, zumal Hierzu ist festzustellen: nach den Angaben des Zeugen Heidel auch nicht ausge- schlossen werden kann, dass der Beschuldigte Roßberg – Zum einen ist keineswegs die Rede, dass der Nachweis selbst den Anruf vom 27. 06.1987 entgegengenommen habe geführt werden können, sondern lediglich von und die Telefonnotiz dann der Lagegruppe zum Eintrag einem dringenden Tatverdacht; in die Liste des Lagefilms weitergeleitet hat. – vor allem wird mit dem abschließenden Satz, dass das … Strafverfahren noch anhängig sei, der Eindruck erweckt, als gehe es bei dem Strafverfahren immer noch darum, Es ist nicht nachzuweisen, dass er (d. h., der frühere Be- dass ein Tatverdacht wegen meiner IM-Tätigkeit beste- schuldigte D.W.) Prof. Dr. Fink eine Medaille oder sonst hen könnte. Dies ist eindeutig nicht der Fall. Ein Ermitt- eine Auszeichnung überreicht hat bzw. von einer eventu- lungsverfahren gegen mich wegen des Vorwurfs des Pro- ell tatsächlich stattgefundenen Verleihung gewusst hat. zessbetruges war nicht einmal eingeleitet worden. Bei Ihm ist nicht zu widerlegen, dass er ihm lediglich zu dem noch andauernden Strafverfahren gegen die beiden einem ‚runden‘ Geburtstag ein Geschenk gemacht hat, Zeugen geht es um angeblich falsche Behauptungen in welches aus Mitteln des MfS gezahlt wurde, zumal auch Bezug auf einen anderen Stasi-Mitarbeiter (ganz abgese- Prof. Dr. Fink eine Verleihung der NVA-Medaille be- hen davon, dass der zuständige Richter beim Amtsge- stritten hat. … “ richt Tiergarten und der Dezernent der Staatsanwalt- (Anlage Brief vom 4. März 1996 an die Senatsverwal- schaft das Verfahren längst einstellen wollten, was aber tung) nach Auskunft der Verteidigung an der Haltung der staatsanwaltschaftlichen Behördenleiters scheiterte). Dieses Schreiben ist für mich klar und eindeutig: Wenn schon die zuständige Staatsanwaltschaft nach jahrelangen – Mit keinem Wort wird auf den weiteren Akteninhalt, ins- Ermittlungen zum Ergebnis kommt, der Nachweis, ich sei besondere auf die Aussage des Zeugen Heinrich einge- als IM tätig gewesen, sei nicht zu führen, wie will dies der gangen, der das Konstrukt von Landesarbeitsgericht und 1. Ausschuss? ersten Ausschuss eindeutig widerlegt (siehe unten).

Das Arbeitsgericht Berlin hatte am 1. April 1992 bekannt- Der Ausschuss unterschlägt also diesen für meinen Fall we- lich meine Kündigung für unwirksam erklärt. Das Urteil des sentlichen Zusammenhang. Sicherlich kann der Ausschuss Landesarbeitsgerichts im Dezember 1992 halte ich für ein zu einem anderen Ergebnis als Gerichte oder Staatsanwalt- Fehlurteil. In dieser Ansicht sehe ich mich bestärkt durch das schaft kommen. Aber wenn es der Ausschuss nicht einmal Schreiben der Staatsanwaltschaft von 1996. Zwar hatte ich für nötig hält, das Ergebnis der gerichtlichen und staatsan- mit der Verfassungsbeschwerde und der Beschwerde vor waltschaftlichen Überprüfung von sich aus, nachdem ich es dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte keinen zum Teil vorgelegt habe, gründlich zu überprüfen, korrekt Erfolg, diese haben jedoch bekanntlich in der Sache selbst und umfassend wiederzugeben und sich mit den dort vertre- kein Urteil gefällt. Das Bundesverfassungsgericht hat nach tenen Auffassungen auseinander zu setzen, beweist dies ein- jahrelanger Verfahrensdauer lediglich in seinem Urteil fest- deutig eine einseitige Herangehensweise. Dieses Vorgehen gestellt, dass die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts steht im auffälligen Widerspruch zu Seiten weisen Zitaten meine Grundrechte nicht verletze. Damit hat es sich – das aus der problematischen Entscheidung des Landesarbeitsge- wird jeder Jurist bestätigen – nicht dazu geäußert, ob dieses richts, die vollkommen kritiklos wiedergegeben werden. Urteil richtig ist. Auch zu den weiteren, von mir in meiner Stellungnahme Auf dieses Schreiben geht der erste Ausschuss in der Be- vom 27. März 2001 schriftlich vor der Anhörung vorgeleg- gründung seiner Feststellung ein, indem er lediglich lapidar tem Resümee zur Aktenlage des Bundesbeauftragten nimmt behauptet, die Seiten weise zitierten Ausführungen des Lan- der Ausschuss keine Stellung.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 19 – Drucksache 14/6694

Resümee zur Aktenlage des Bundesbeauftragten – Aus dem „IM aus Kirche“ wird plötzlich und ohne jede Erläuterung „IM aus dem kirchlichen Bereich“ in zwei – Es gibt keine Verpflichtungserklärung oder wenigsten Passagen (S. 12 und S. 25), jeweils wie im Entwurf unter eine Schweigeverpflichtung von mir gegenüber dem Bezugnahme auf angebliche Auskünfte bzw. Ausführun- MfS. Es gibt aber auch kein Protokoll über eine mündli- gen des Bundesbeauftragten, die nicht belegt oder zitiert che Verpflichtung. Es gibt keine handschriftlichen oder werden. Statt sich mit einem Einwand ernsthaft ausein- mit Klar- oder Decknamen von mir unterzeichneten Be- ander zu setzen und die Auskunftslage des Bundesbeauf- richte. Es gibt nicht einmal einen Bericht eines MfS-Of- tragten in Frage zu stellen, zieht es der Ausschuss also fiziers mit der Behauptung, dass die darin enthaltene In- vor, die Auskunft einfach in einem wesentlichen Punkt formation von mir – Prof. Dr. Heinrich Fink – stamme. umzuformulieren, um nicht zu sagen zu verfälschen. Es gibt auch nicht die sonst üblichen Berichts- oder Denn auch dem Ausschuss muss klar gewesen sein, dass Treffstatistiken. Es gibt keine von mir unterzeichneten zwischen „IM aus Kirche“ und „IM aus dem kirchlichen Quittungen, auch nicht über die erhaltenen Geschenke Bereich“ ein wesentlicher Unterschied besteht, sonst o. Ä. Insofern erspare ich es mir auf die Indizien unter 5 hätte er ja diese Umformulierung aufgrund meines Ein- und 6 im Einzelnen einzugehen, betone aber nochmals, wandes nicht vorgenommen. dass ich nie Geld oder Auszeichnungen von dem MfS er- halten habe. Wenn dagegen Geschenke, die ich vom Staatssekretär für Kirchenfragen bzw. vom Magistrat, II. Abteilung Kirchenfragen, erhalten habe, aus Mitteln des MfS gestammt haben sollten, so war mir dies unbekannt. (Einseitigkeit der Auswertung von Unterlagen Besonders absurd erscheint mir die Auszeichnung mit und der Ergebnisse meiner Anhörung durch den einer Verdienstmedaille der NVA in Gold, bin ich doch Ausschuss) Pazifist aus Überzeugung und deshalb als „Bausoldat“ gemustert worden, wie bereits in meiner Stellungnahme vom 31. Januar 2001 erwähnt. 1. Zum Beweiswert von Indizien – Zu keinem Zeitpunkt war ich als inoffizieller Mitarbeiter Rechtsstaatlich überzeugen kann die Feststellung auch aus beim MfS registriert. Demgemäß gibt es weder eine IM- anderen Gründen nicht: Akte noch eine einzige Karteikarte aus der sich eine IM- Tätigkeit von mir herleiten ließe. Ein großer Mangel besteht darin, dass keine einheitlichen Kriterien für eine Beweiswürdigung aufgestellt werden. Soweit behauptet wird, in Ausnahmefällen gäbe es IMs auch Die vorläufigen Feststellungen stützen sich ausschließlich ohne schriftliche Verpflichtungserklärung, ist zweierlei zu auf Indizien. Auch wenn die Feststellung immer wieder be- berücksichtigen: tont, er habe „… im Ergebnis … keine Zweifel“, „keine – Auch eine solche mündliche Verpflichtung wäre zu pro- Zweifel am Wahrheitsgehalt der Ausführungen in den Unter- tokollieren gewesen. Aber ein solches Protokoll gibt es suchungsergebnissen des MfS“ und die detaillierten Stel- nicht und wird nirgendwo auch nur behauptet. lungnahmen zur Entkräftung der Indizien als „nicht stichhal- tig“ einschätzt, kann dies nicht darüber hinwegtäuschen: Die In meiner Stellungnahme vom 27. März hatte ich weiter aus- Indizien sind äußerst dürftig und werden nicht dadurch bes- geführt: ser, dass die Feststellung sich weitgehend auf Passagen aus – „Noch dubioser ist die Behauptung auf Seite 10 des dem Urteil des Landesarbeitsgerichts stützt und vom Bun- Sachberichtsentwurfs, der Bundesbeauftragte habe desverfassungsgericht nur insoweit abgesegnet wurde, als es hierzu erläutert, dass es nach seinen Erkenntnissen bei nicht gegen Grundrechte der Verfassung verstoße und dieses der inoffiziellen Zusammenarbeit mit IM aus Kirchen durch neuere Erkenntnisse überholt ist. gängige Praxis gewesen, dass die MfS-Offiziere Be- Die Feststellung der angeblichen Tätigkeit des Abgeordne- richte oder schriftliche Informationen nach den mündli- ten Dr. Heinrich Fink beruht auf bloßen Indizien. Indizien chen Berichten der IM anfertigten: bzw. Hilfstatsachen sind nur dann ausreichend, wenn von ih- Ich konnte zurzeit meiner angeblichen IM-Tätigkeit kein rem Vorliegen auf die unmittelbar entscheidungserhebliche „IM aus Kirchen“ sein, weil ich längst Angestellter des Staa- Tatsache geschlossen wird. Nicht ausreichend sind also Ver- tes war, meine Anstellung im kirchlichen Dienst endete am mutungen, für die es keine tatsächlichen Anhaltspunkte oder 31. August 1961 – wie bereits in meiner Erklärung vom Ja- Erfahrungssätze gibt. Auch Erfahrungssätze müssen aber nuar mitgeteilt. wissenschaftlich abgesichert sein und dürfen sich nicht in bloßen Alltagstheorien o. Ä. erschöpfen. Weiter sind Indi- Dies müsste natürlich auch dem Bundesbeauftragten bestens zien nur dann tragfähig, wenn sie ihrerseits eindeutig festste- bekannt sein. Da er sich trotzdem zu dieser Behauptung ent- hen, also unstreitig oder bewiesen sind. scheidet, belegt er damit nur unfreiwillig seine offensichtli- che Voreingenommenheit und Einseitigkeit. Dies sollten die Diesen selbstverständlichen Grundsätzen und der im Vor- Ausschussmitglieder beachten, die Angaben ungeprüft zu spann wiedergegebenen Entscheidung des Bundesverfas- übernehmen.“ sungsgerichts, wonach für eine belastende Feststellung von der Verstrickung des Abgeordneten eine so sichere Überzeu- Auch mit diesem Argument setzt sich der Ausschuss nicht gung gewonnen werden muss, dass auch angesichts der be- inhaltlich auseinander, sondern macht etwas Anderes: schränkten Beweismöglichkeiten vernünftige Zweifel an der

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Richtigkeit der Feststellung ausgeschlossen sind, wird der doch widersinnig und den Grundsätzen eines konspirativ ar- Entwurf in keiner Weise gerecht. beitenden Geheimdienstes im hohen Maße widersprechend, wenn im gleichen Zusammenhang eines Dokuments („Lage- film“) der Betreffende einmal mit dem Klarnamen, an ande- 2. Zu den Vorwürfen im Einzelnen rer Stelle aber mit seinem angeblichen Decknamen geführt wird. 2.1 Zu dem wesentlichen Indiz („... sein Verhalten im Zusammenhang mit dem Kirchentag 2.1.2 Die im Entwurf auszugsweise angefügte Berlin-Brandenburg im Juni 1987“) Urteilsbegründung des LAG Berlin, auf die sich die Begründung beschränkt, ist nach 2.1.1 Eine weitere genauere Überprüfung der dem bisherigen Ergebnis des Akte im Strafverfahren des Amtsgerichts Strafverfahrens nicht mehr haltbar Tiergarten ergibt, dass das Gericht beim „Soweit von beiden Zeugen ein hauptamtlicher Mitar- Stasi-Bundesbeauftragten um Mitteilung beiter der Bezirksverwaltung Halle namens Peter Hein- gebeten hatte, wo sich die „Lagefilme der rich, der ,Heiner‘ gerufen worden sei, als potentieller Hauptabteilung XX/4 des Kirchentages Anrufer ins Spiel gebracht worden ist, hält die Beru- Berlin-Brandenburg im Original befinden“ fungskammer diese Mutmaßung für eine freie Erfindung der beiden Zeugen, die nur durch ihr Bemühen erklärt – Zunächst versuchte der Staatsanwalt die Anforderungen werden kann, den Kläger zu decken“ (Entwurf S. 21). abzublocken („m. E. reichen die vorliegenden Ablich- tungen der Lagefilme aus. Ich stelle aber anheim, die Die im Rahmen des Strafverfahrens vor dem Amtsgericht Originale nach Eingang der Antwort beim Bundesbeauf- Tiergarten durchgeführten Ermittlungen haben ergeben, dass tragten zu erfordern“ (Band III, Bl. 154). es sehr wohl einen hauptamtlichen Mitarbeiter des MfS in Halle mit dem Familiennamen ,Heinrich‘ gab. Dieser Zeuge Im Antwortschreiben des Stasi-Bundesbeauftragten vom wurde am 19. März 1997 richterlich vernommen und hat 5. November 1997 heißt es: u. a. bekundet, „Die Recherchen in den Unterlagen des ehemaligen MfS „… dass mich Herr Roßberg nicht immer korrekt mit haben ergeben, dass die Originale der Lagefilme im bis- meinem richtigen Vornamen angesprochen hatte, son- her erschlossenen Bestand nicht vorhanden sind und dern auch den Namen Heinrich, Heini, Heiner fiel. Mög- auch keine Aussage zu ihrem Verbleib getroffen werden licherweise hat mich auch Herr Wiegand nicht immer kann. korrekt mit meinem Vornamen angesprochen, sondern Es liegen hier aus dem Zeitraum des Kirchentages ledig- verwendete ähnlich klingende Namen wie oben ange- lich teilweise unvollständige Durchschläge der Lage- führt … pläne vor, die umfassende Aussagen zu den von Ihnen Mir ist erinnerlich, dass ich anlässlich des Kirchentages angefragten Tagen (gemeint wohl Fragen – RA Schultz) Berlin-Brandenburg zeitweise an zentralen Veranstaltun- nicht ermöglichen.“ gen teilgenommen habe. In dieser Zeit habe ich auch in In einem weiteren Schreiben vom 8. Februar 1999 heißt es der Lagegruppe angerufen und kurz Informationen über hierzu: durchgeführte Veranstaltungen abgegeben. Ich habe mich nie selbst mit dem Namen Heiner gemeldet, son- „Nach erneuter Recherche kann ich Ihnen mitteilen, dass dern mit meinem Nachnamen Heinrich. Ob ich am unter den aufgefundenen ,Lagefilmen‘ der Hauptabtei- 24. 06. 1987, 23.15 Uhr und am 27. 06. 1987 gegen 8.30 lung XX des MfS nur wenige Schriftstücke Originale Uhr bei der Lagegruppe angerufen habe, kann ich nicht (Urschriften bzw. 1. Exemplare) sind und es sich über- mehr sagen“ (Bl. 139f – Hervorh. vom Verf.). wiegend um Durchschriften oder Kopien handelt. Bei den Durchschriften bzw. Kopien, die nach § 6 Abs. 1 Im Klartext: Entgegen den Annahmen des LAG gab es nicht Nr. 1 Buchst. BStUG Originalen gleichstehen, handelt es nur einen Zeugen namens „Heinrich“, sondern dieser war sich nach hiesiger Ansicht um Arbeitsmaterial der Ab- auch hauptamtlicher Mitarbeiter des MfS in Halle und bestä- teilung XX/4, was aus hand- und maschinenschriftlichen tigt nicht nur, dass er oft mit seinem Vornamen u. a. als „Hei- Korrekturen, Einfügungen und Bemerkungen ersichtlich ner“, sondern vor allem, dass er es war, der bei der Lage- ist. … Herr Prof. Dr. Fink findet aber in diesem Material gruppe angerufen hat. nur in einem Bericht Erwähnung, worin über den Teil- Dass der Ausschuss meinen Hinweis auf die Erkenntnisse nehmerkreis einer kirchlichen Veranstaltung berichtet aus dem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren in wird und zwar im Klarnamen.“ dem Zusammenhang statt gründlicher Recherche ausgerech- Damit steht fest, dass die Grundlage, auf die sich die angeb- net mit längeren Zitaten aus der LAG-Entscheidung kontert, lichen Anrufe stützen, mehr als dürftig ist – ganz abgesehen wonach aufgrund der ergänzenden Recherche des Bundesbe- davon, dass selbst der Bundesbeauftragte sehr einschränkend auftragten nunmehr festgestanden habe, dass es einen offizi- formuliert: „Nach hiesiger Ansicht um Arbeitsmaterial …“ ellen Mitarbeiter mit dem Vornamen „Heiner“ o. Ä. klingen- usw. Wenn der Abgeordnete Dr. Heinrich Fink in dem Lage- den Vornamen nicht gab und das Gericht die Angaben der film mit seinem richtigen (Klarnamen) genannt wird, ent- Zeugen „für eine freie Erfindung der beiden Zeugen (hält), kräftet dies das angebliche Indiz ganz entscheidend. Wäre es die nur durch ihr Bemühen erklärt werden kann, den Kläger

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zu decken“, ist wiederum für das einseitige Vorgehen des anzeige zugrunde liegenden Vorfall zu widerlegen. Ausschusses kennzeichnend, der sich offenbar mit Fakten Es handelt sich also ganz offensichtlich um eine reine nicht auseinandersetzen will und hinter der vorgeblichen Schutzbehauptung der betroffenen Einsatzkräfte, um Autorität der LAG-Entscheidung verschanzt. das eigene Fehlverhalten zu kaschieren und davon abzulenken. Mit der Zeugenaussage des früheren Stasi-Mitarbeiters Heinrich sind nicht nur die wesentlichen Aussagen der Zeu- – Die mir in den Mund gelegte Äußerung ist völlig abwe- gen Roßberg und Wiegand bestätigt, sondern auch meine gig und sinnlos, weil ich, wie von mir gefordert, mit dem bisherigen Einlassungen. Damit ist m. E. die mehr als prob- Einsatzleiter, das heißt, einem uniformierten Polizisten, lematische „freie Beweiswürdigung“ des LAG Berlin gesprochen habe, an dessen Namen ich mich heute nicht endgültig widerlegt, und die Unterlagen der Gauck-Birthler- erinnere: Warum sollte ich einem uniformierten Polizei- Behörde dürfen nicht mehr als Indiz verwendet werden. beamten sagen, „ich arbeite doch auch für Euch“? Sinn gemacht und der Situation entsprochen hätte es doch eher, wenn ich geäußert hätte, „ich arbeite doch nicht für 2.2 Zur „Verleihung der Verdienstmedaille Euch“. in Gold“ – Schließlich stünde die behauptete, mir in den Mund ge- Die Begründung in der Feststellung des Ausschusses er- legte Äußerung im krassen und unauflösbaren Wider- wähnt zwar, dass ich den Erhalt der Verdienstmedaille der spruch zu meiner Teilnahme an dem Protest vor der NVA in Gold bestritten habe, geht jedoch mit keinem Wort Gethsemane-Kirche und zu meiner Beschwerde und auf die hierzu vorgetragenen Argumente und Unterlagen ein. meiner anschließenden Strafanzeige – ein seinerzeit un- Bei der Anhörung hatte ich vorgetragen, dass ich keine Ver- gewöhnlicher und aufsehenerregender Schritt (sowohl dienstmedaille, sondern den Vaterländischen Verdienstorden der damalige Rektor der HU, Prof. Dr. Dieter Hass als in Bronze mit der dazugehörigen Geldzuweisung erhalten auch der erste Sekretär der Kreisleitung der SED Harry habe. Die Verleihung fand im Roten Rathaus in Berlin statt, Smettan haben mich dringend gebeten, die Anzeige zu- zusammen mit weiteren hundert Personen und der Übergabe rückzuziehen). Warum sollte ich diese erstatten, wenn einer Urkunde. Dazu habe ich eine Reihe von Unterlagen ich mit dem Einsatzleiter vertraulich gesprochen, ihm er- dem Ausschuss überreicht. klärt hätte, ich sei „einer von Euch“ und die Situation durch das Eingreifen des Einsatzleiters schnell beruhigt 2.3 Zur angeblichen Äußerung „ich arbeite doch sei. Das Gegenteil war offensichtlich der Fall und ergibt auch für Euch“ anlässlich des Polizeieinsatzes sich eindeutig aus meiner Strafanzeige, die bekanntlich vor der Gethsemane-Kirche im Oktober 1989 mit dem Absatz schließt: „Das im Ganzen empörende Verhalten stellt sich hin- Hierzu hatte ich bereits in meiner Stellungnahme vom sichtlich der Person des Anzeigeerstatters als vor- 27. März u. a. vorgetragen: sätzliche Körperverletzung … dar. In dem Sachberichtsentwurf werden unter „7. Untersu- Herr Prof. Dr. Fink ist entsetzt über das ihm Wider- chungsergebnisse des MfS über meine Strafanzeige gegen fahrene. Verhaltensweisen der geschilderten Art wur- Unbekannt vom 12. Oktober 1989“ zusammengefasst. Nach den von ihm bisher für völlig unmöglich gehalten.“ einem „Bericht zur Personenkontrolle“ Abteilung VIII vom 11. Oktober 1989 soll ich einem Gen. Major Jesche gegen- – Der Bericht der Abteilung XX enthält auch sonst offen- über anvertraut haben „ich arbeite doch auch für Euch“. sichtliche Unwahrheiten, wenn er die erlittenen Körper- verletzungen in Abrede stellt und behauptet, ich hätte Eine solche Äußerung stelle ich entschieden in Abrede, auch mich an dem Abend während des Einsatzes auch nicht wenn ich mich selbstverständlich heute nicht mehr an alle über Körperverletzungen beschwert. Einzelheiten erinnern kann und nicht nur ich seinerzeit in dem turbulenten Geschehen verständlicherweise erregt war, Das Gegenteil ließe sich nicht nur leicht durch meinen Sohn nachdem man mich nicht nur grundlos beleidigt, sondern vor Daniel Fink und meine Tochter Rahel Fink und mehrerer allem uniformierte Polizeibeamte mir gegenüber eine Kör- Studenten der Fakultät als Zeugen widerlegen. Vor allem er- perverletzung begangen hatten. Ein genaues Studium der gibt es sich zunächst aus den detailliert geschilderten Verlet- Dokumente und der Umstände der Strafanzeige führt zwin- zungshandlungen: gend zu der gleichen Schlussfolgerung: „… mehrfach wurde Herr Prof. Dr. Fink mit einem – Die angebliche Äußerung steht am Ende eines Satzes in Schlagstock auf den Rücken geschlagen, was erhebliche dem Bericht, wonach Major Jesche eine schnelle Beruhi- Verletzungsfolgen zeitigte … gung der Situation erreichen wollte, die seiner Meinung Beim Besteigen des PKW wurde er von einem Mitglied nach auch eingetreten sei „und sich darin äußerte, dass der Einsatzgruppe ergriffen, ihm wurde ein Arm im Poli- der Prof. Dr. Fink ihm anvertraute …“. Mit anderen zeigriff auf den Rücken hochgedreht und gleichzeitig Worten: Meine behauptete Äußerung soll der Beleg da- wurde sein Kopf nach vorne gebeugt. Es wurde der Ver- für sein, dass Major Jesche durch sein Eingreifen eine such unternommen, seinen Kopf auf das Fahrzeug zu schnelle Beruhigung erreicht habe. stoßen. …“ (S. 2) Die mir zugeschriebene Äußerung soll also als Be- „Auf Bitten von Herrn Prof. Dr. Fink wurde sein Sohn weis dafür dienen, dass sich ein Stasi-Offizier hervor- Daniel, der grundlos in einen der Busse verfrachtet wor- ragend verhalten habe, um damit den meiner Straf- den war, aus diesem wieder herausgeholt. Der Sohn Da-

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niel hatte einen schweren Schlag mit einem Schlagstock – dass nicht nur meine umfangreiche regimekritische Tä- auf einen Oberschenkel erhalten, der zu einer klaffenden tigkeit, u. a. durch den Einsatz für Kriegsdienstverwei- Wunde führte.“ gerer, die Versöhnung mit Israel, die Zusammenarbeit und die Kontakte mit internationalen kritischen Theolo- Vor allem aber sind die Verletzungsfolgen eindeutig darge- gen, mit Führern der westberliner und westdeutschen stellt und attestiert. So heißt es in der Strafanzeige hierzu: Studentenbewegung, des „Prager Frühlings“, sondern „Herr Prof. Dr. Fink hat sich, da ihn unaufschiebbare vor allem deren Bekämpfung, Bespitzelung usw. öffent- dienstliche Verpflichtungen zuvor daran hinderten, am lich dokumentiert und herausgekommen wäre und 12. 10. 1989 in ärztliche Behandlung begeben. Frau Dr. – dass all dies ausgerechnet im kirchlichen Bereich statt- Schwarzbach, tätig im St. Hedwigs Krankenhaus, … fand, schrieb Herrn Prof. Dr. Fink arbeitsunfähig krank. Sie stellte fest, dass sowohl in der Rückenwirbelsäule als sollen keine Anhaltspunkte sein? auch in der Halswirbelsäule ein Wirbel ausgerenkt ist. Auch diese Passage in der Feststellung bestätigt: Wer keine Zum Zeitpunkt des Diktats, 12. 10. 1989, konnte ledig- entlastenden Momente sehen will, nur Belastendes finden, lich ein Wirbel unter großen Schmerzen wieder einge- braucht darauf gar nicht erst einzugehen, damit die offen- renkt werden. Weitere Behandlung wird erforderlich. Ein sichtliche Voreingenommenheit nicht in Frage gestellt wird. ärztliches Attest wird nachgereicht werden.“ Wenn der Stasi-Bericht die Körperverletzung und die Verlet- 4. Zu den Einsatz- und Maßnahmeplänen zungsfolgen in Abrede stellt, ist dadurch belegt, dass er zu zentralen Fragen der Strafanzeige bewusst wahrheitswidrige Hier zeichnet sich die Argumentation durch eine umwer- falsche Angaben enthält. Vor diesem Hintergrund muss die fende Logik aus, wenn es heißt: angebliche mir in den Mund geschobene Bemerkung als eine „… da es völlig unplausibel wäre, falls das MfS über aus der Luft gegriffene reine Erfindung gewertet werden, mit viele Jahre hinweg den Einsatz zu verschiedensten An- der versucht wird, das menschenrechtswidrige Vorgehen ge- lässen vorgesehen haben sollte, ohne dass jemals ein der- gen die Demonstranten und die Angriffe gegen meine Person artiger Einsatz ,erfolgreich‘ im Sinne des MfS durchge- durch das angeblich korrekte und schnelle Eingreifen eines führt worden wäre“. Stasi-Offiziers nachträglich zu beschönigen. Die Möglichkeitsform des doppelten Konjunktivs ist schon entlarvend unter der Bedingung („falls“). Tatsächlich müsste 3. Zur Vernichtung der fünf Dr. Heinrich Fink dem Ausschuss auch aus der Praxis bundesdeutscher Ge- betreffenden Aktenordner im Dezember 1989 heimdienste, wie etwa dem in München anhängigen bekannt als „maßgebliches Indiz“ sein, dass dort jahrelange Fehlplanungen und Fehleinsätze an der Tagesordnung sind. Dies müsste doch für den Ge- Auch hier reduziert sich die Auseinandersetzung mit meinen heimdienst der DDR umso mehr gelten. Wird doch immer Einwänden gegen dieses Indiz auf die lapidare Feststellung: wieder betont, dass die DDR u. a. an einem völlig ineffekti- „Anhaltspunkte dafür, dass die Aktenvernichtung, die von ven Verwaltungs- und Behördensystem gelitten habe. Soll Dr. Heinrich Fink ausdrücklich mit der Begründung bedauert das ausgerechnet für einen Geheimdienst nicht gelten, so worden ist, ansonsten auf Entlastendes zurückgreifen zu dass man schlussfolgern darf: Wenn es eine genügende An- können, von einem Motiv zur Schädigung getragen gewesen zahl von Plänen gibt, muss ja einer von diesen auch tatsäch- sein könne, habe sich nicht ergeben.“ lich erfolgreich gewesen sein …? Hier unterstellt der Ausschuss also ein Schädigungsmotiv meiner Person als einzig möglichen Grund für die Vernich- III. Zusammenfassung tung der Akten, um dann keine Anhaltspunkte für eine solche unterstellte Schädigungsabsicht finden zu können. Eine viel Dazu fasse ich noch einmal zusammen, was ich als Erklä- näher liegende Erklärung aufgrund meines Vortrages hierzu rung am 31. Januar 2001 dem 1. Ausschuss mitgeteilt habe. wird also gar nicht erst in Erwägung gezogen: Diese Erklärung ist durch die bisherigen Ergebnisse des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens im vollen Umfang Die Aktenbände betreffend meine Person dürften des- bestätigt und durch die Feststellungen des 1. Ausschusses halb im November vernichtet worden sein, weil man mir nicht erschüttert. und der Öffentlichkeit die darin enthaltenen Informatio- nen und Enthüllungen – gerade auch über die Arbeits- Ich bin zu keinem Zeitpunkt als informeller Mitarbeiter für weise des Stasi mir gegenüber – vorenthalten wollte, zu- das Ministerium für Staatssicherheit tätig gewesen. Ich habe mal ich kurz vorher im Oktober 1989 mit meiner keine Verpflichtungserklärung, weder schriftlich noch Strafanzeige gegen DDR-Sicherheitskräfte einen für mündlich abgegeben. Die Erklärung der Gauck-Behörde, DDR-Verhältnisse einmaligen und aufsehenerregenden dass bei kirchlichen Mitarbeitern eine Verpflichtung per Schritt unternommen hatte. Handschlag mündlich abgenommen wurde, trifft für mich nicht zu. Diese Strafanzeige und die Tatsache, Ich möchte auch an dieser Stelle erklären, dass ich weder – dass ein prominenter und über die DDR hinaus engagier- konspirative Berichte für das MfS angefertigt habe, noch ter und bekannter Theologe jahrzehntelang bespitzelt mich in konspirativen Wohnungen getroffen habe, noch Ge- und abgehört wurde, schenke oder Geldzuwendungen erhalten habe.

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