Gewerbemiete und Teileigentum Beiträge M. J. Schmid: Gewerbe im Wohnungs- und Teileigentum M. H. Kraus: Schöne neue Stadt! Wirtschaft und Verbände R. Sotelo: Anmerkungen zur Finanzkrise Gewerbemiete Schriftform (BGH – mit Anm. Wiek) Umlage der Verwaltungskosten (BGH) Ladenlokal im EKZ; Betriebspflicht (BGH) Geschäftsgrundlage; vorgesehene Mieterstruktur (BGH) 2-3/10 Landwirtschaftliche Pacht; GAP (BGH) Ausgleichsleistungen AusglLeistG (BGH) 10. Jahrgang Jagdrecht; Wildschäden (BGH) BGB-Publikumsgesellschaft; Datenschutz (BGH) Heft 53 Verkehrssicherungspflicht; Nachrüstung (BGH) Februar/März 2010 Lärmstörung durch Groß-Bauvorhaben (BGH) S. 69–164 Zwangsvollstreckung; Pfändungsschutz (BGH) Erscheinungsort Bonn Teileigentum Nutzung als Gaststätte (BGH) Wohngeldrückstand; Veräußerungsklage (BGH) Dem SchwerpunktHeft liegt bei das InhaltsverzeichnisBGH-Rechtsprechung der Wettbewerb Jahrgänge 2006–2007 D. Dingeldey: Internet – Umschau März 2010 „Internet-System-Vertrag“ (BGH) Abmahnung durch einen Wettbewerbsverband (BGH) Besteuerung K.-Chr. Callsen: Steuern – Umschau März 2010 Teilkündigung des Steuerberatervertrags (BGH) Magazin

Prewest • Verlag Pressedienste Medien und Kultur GmbH • Bonn Verkehrssicherungspflicht; Zugang zum Gebäude einer Inhalt Bank; Glasschiebetüre; Geldautomat; Nachrüstung Beiträge bei verschärfter DIN (BGH) 115 Gaststättenmiete; Entschädigung wegen M. J. Schmid, Lärmstörungen durch ein Groß-Bauvorhaben; Gewerbebetriebe und Berufsausübung „City-Tunnel Leipzig“; Maßgeblichkeit des im Wohnungs- und Teileigentum 71 Planfeststellungsverfahrens (BGH) 116

M. H. Kraus, Grundstücksmiete; Betrieb einer Wir machen uns eine schöne neue Stadt! Abfallbeseitigungsanlage; Abfallrecycling; Weiterbetreiben der Anlage durch den neuen Mieter Über Chancen und Risiken von nach Vertragskündigung des Zwangsverwalters; Quartierszertifizierungen 79 Inanspruchnahme des Erstmieters für Kosten der Schadensbeseitigung im Boden; Räumung; Bodenschutz; Immissionsschutz; Altlast; Wirtschaft und Verbände Bodenveränderung; Zustandsstörer (BGH) 119

R. Sotelo, Ersatzzustellung bei aufgegebenen Geschäftsräumen (BGH) 122 Anmerkungen zur Finanzkrise aus immobilienökonomischer Sicht 82 Zustellung durch Aufgabe zur Post; Ersatzzustellung durch lizensiertes Postunternehmen; Geschäftsanschrift ohne Briefkasten; Postfach (BGH) 124 Gewerbemiete Zwangsvollstreckung; Pfändungsverbot; Gewerberaummiete; Vermietung vor Pfändungsschutz; Kfz des Schuldners im Gebrauch des Ehegatten zur Erwerbstätigkeit; Pendlerverkehr Gebäudefertigstellung; Schriftform; Angebot und zum Arbeitsplatz (BGH) 124 Annahmefristen; unbestimmter Beginn der Mietzeit; Schriftform des durch Vollzug konkludent abgeschlossenen Mietvertrags (BGH – mit Anm. Wiek) 93 Kurzfassungen / Leitsätze Gewerbemiete etc. 126

Geschäftsraummiete; Gewerbeflächen; Getränkeshop Teileigentum im SB-Markt; AGB; Transparenzgebot; Umlage der Verwaltungskosten als Nebenkosten; Vermietetes Teileigentum; Nutzung als Gaststätte; Verwaltungskosten als Kosten des Betriebs (BGH) 96 Zweckbestimmung; Gebrauchsregelung; Auslegung der Teilungserklärung; Nutzungsvorschläge des Gewerberaummiete; Ladenlokal im Einkaufszentrum Architekten in den Plänen (BGH) 129 EKZ; Lebensmitteldiscounter; Betriebspflicht; Offenhaltungspflicht; Sortimentsbindung; Sortiments- Teileigentum; Verweigerung der erforderlichen und Konkurrenzschutz; Leerstände; Wegfall der Instandsetzung einer Außentreppe; Geschäftsgrundlage; Verwendungsrisiko des Mieters Wohngeldrückstand; Veräußerungsklage; (BGH) 97 Entziehung des Wohnungseigentums (BGH) 130

Gewerberaummiete; Café im Wohn- und Kurzfassungen / Leitsätze Teileigentum etc. 131 Geschäftshaus; Geschäftsgrundlage; vorgesehene Mieterstruktur; Verwendungsrisiko des Mieters; Kündigungsvereinbarung bei Zahlungsverzug (BGH) 100 Wettbewerb

Pacht landwirtschaftlicher Flächen vom Nießbraucher; D. Dingeldey, Internet – Umschau März 2010 131 Beendigung des Nießbrauchs; Kündigungsrecht des Grundstückserwerbers (BGH) 102 „Internet-System-Vertrag“; rechtliche Einordnung; Vorleistungsklausel (BGH) 135 Hofpachtvertrag; Landpachtvertrag; Auslegung von Vereinbarungen im Altvertrag zur Übertragung Wettbewerb; Abmahnung durch einen landwirtschaftlicher Beihilfen nach Pachtende; Wettbewerbsverband; Kosten der zweiten Veränderungen im System der Beihilfen; Abmahnung durch einen Rechtsanwalt; Kräutertee GAP-Reform; Agrarpolitik; Vertragsfreiheit (BGH) 104 (BGH) 138

Ausgleichsleistung; vormaliger Pächter als Erwerber Kurzfassungen / Leitsätze Wettbewerb etc. 139 landwirtschaftlicher Flächen; Rücktritt des Veräußerers; Einbehalt erwirtschafteter Betriebsprämien; GAP-Reform (BGH) 107 Besteuerung

Erwerb von Forstwirtschaftsfläche als K.-Chr. Callsen, Steuern – Umschau März 2010 140 Ausgleichsleistung; AusglLeistG; Lebensmittelpunkt nahe der Betriebsstätte; Ortsansässigkeit; sekundäre Steuerberatervertrag; Kündigung des Teilbereichs Beweislast; MRRG (BGH) 108 der Finanz- und Lohnbuchführung; Apotheke (BGH) 142

Pacht; Landwirtschaftssache; Rückgabe gepachteten Kurzfassungen / Leitsätze Steuerrecht etc. 143 Weinbergs nach Rodung der Weinstöcke (BGH) 110

Jagdrecht; Jagdpacht; Jagdbezirk; Ersatzanspruch Magazin für Wildschäden; Wildschweine; Hausgrundstück im befriedeten Bezirk; Föderalismusreform (BGH) 111 Politik und Recht 143

BGB-Gesellschaft; Informationsrechte gegenüber Bücher und Veröffentlichungen 162 Mitgesellschaftern; Datenschutz; Anonymität; Publikumsgesellschaft (BGH) 114 Impressum 162

70 Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 Gewerbemiete und Teileigentum

10. Jahrgang 2010 Zitat: GuT Heft 53 · Februar/März 2010

RiOLG, RiBayObLG a. D. Dr. Michael J. Schmid, München* Gewerbebetriebe und Berufsausübung im Wohnungs- und Teileigentum

I. Grundsätzliches heitsbeschluss verboten werden.7 Ein solcher Beschluss wäre Nach ¤13 Abs.1 WEG kann jeder Wohnungseigentümer1 mit wegen fehlender Beschlusskompetenz nichtig.8 Möglich sind den in seinem Sondereigentum stehenden Gebäudeteilen nach jedoch einzelne Gebrauchsregelungen, die sich auch auf den Belieben verfahren, insbesondere diese vermieten und ver- Gewerbebetrieb auswirken können, diesen aber nicht unge- pachten. Eingeschränkt wird die freie Nutzungsbefugnis durch bührlich behindern dürfen. So hat es das BayObLG9 als zuläs- das Gesetz und die Rechte Dritter. Diese Einschränkungen gel- sig angesehen, den Betrieb eines Biergartens auf 23 Uhr zu be- ten sowohl für die Selbstnutzung als auch für die Vermietung. fristen. Rechte Dritter sind auch rechtsgeschäftlich begründete Rechte. Rechtsgeschäftliche Regelungen der Wohnungseigentümer sind Eine Gebrauchsregelung schließt grundsätzlich nicht jeden in der Praxis häufig anzutreffen. Diese sind für die übrigen Woh- anderen Gebrauch aus. Eine abweichende Nutzung ist zulässig, 10 nungseigentümer „Rechte Dritter“ im Sinne des §13 Abs.1 wenn sie nicht mehr stört als die vorgesehene. Dabei kommt 11 WEG.2 es nach h.M. nicht auf die Umstände des Einzelfalls, sondern auf eine typisierende Betrachtungsweise an. Das hei§t, es ist II. Gebrauchsbeschränkungen nicht auf den konkreten Betrieb abzustellen, sondern auf Be- Gebrauchsbeschränkungen, die sowohl den selbst nutzen- triebe dieser Art. Au§ergewöhnliche Störungen, die für den je- den Wohnungseigentümer als auch den Mieter treffen, sind häu- weiligen Betrieb nicht notwendig sind, müssen jedoch unter- fig. Gerade bei gewerblicher Nutzung entsteht oft Streit darü- lassen werden. ber, was (noch) zulässig ist. Unter Umständen kann ein Anspruch auf Abänderung der 1. Gesetzliche Regelung Gebrauchsregelung nach ¤10 Abs. 2 Satz 3 WEG bestehen, Die von ¤13 Abs.1 WEG grundsätzlich gewährte Freiheit des wenn ein Festhalten an der geltenden Regelung aus schwer- Gebrauchs wird eingeschränkt durch §14 Nr.1 WEG. Danach wiegenden Gründen unter Berücksichtigung aller Umstände des darf vom Sondereigentum und vom gemeinschaftlichen Eigen- Einzelfalles, insbesondere der Rechte und Interessen der ande- tum nur in solcher Weise Gebrauch gemacht werden, dass da- ren Wohnungseigentümer, unbillig erscheint.12 Dieser Anspruch durch keinem der anderen Wohnungseigentümer über das bei kann auf eine Änderung, Einschränkung oder Ausweitung der einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Ma§ hinaus gewerblichen Tätigkeit gerichtet sein. Einigkeit besteht nur da- ein Nachteil erwächst. §14 Nr.1 WEG schlie§t nicht jede Be- rüber, dass entgegen der früheren Rechtsprechung keine au§er- einträchtigung aus, sondern nur jede nicht ganz unerhebliche.3 gewöhnlichen Umstände mehr vorliegen müssen, um eine Än- Eine Beschränkung gewerblicher Betätigungen ist hieraus grundsätzlich nicht abzuleiten. Unzulässig ist es lediglich, unnö- tige Beeinträchtigungen zu verursachen, die bei ordnungs- *) Der Autor ist Richter am Oberlandesgericht, Richter am Bayerischen gemäßer Durchführung der gewerblichen oder beruflichen Obersten Landesgericht a. D., Mitglied des für Immobilienmiete und Woh- Tätigkeit vermeidbar sind, z. B. übermäßiger Lärm. nungseigentum zuständigen 32. Zivilsenats des OLG München. Der Bei- Das Recht zum Mitgebrauch des gemeinschaftlichen Eigen- trag gibt die persönliche Meinung des Verfassers wieder. 1) Unter Wohnungseigentümer ist im Folgenden auch der Teileigentümer tums nach ¤13 Abs. 2 WEG umfasst es auch, das gemein- zu verstehen und unter Wohnungseigentum auch das Teileigentum. schaftliche Eigentum in angemessenem Umfang zur Anbrin- 2) Schmid in Schmid/Kahlen, Wohnungseigentumsgesetz, 1. Aufl., ¤13 Rn. gung von Werbe- und Hinweisschildern zu benutzen.4 5. 3) BGH, MDR 1992, 484 = NJW 1992, 978 = WuM 1992, 159. 2. Gebrauchsregelungen 4) Wenzel in Bärmann, Wohnungseigentumsgesetz, 10. Aufl., ¤13 Rn. 17 Gebrauchsregelungen können nach §15 Abs.1 WEG durch und unten II. 4 Ð Stichwort „Reklame“. 5 5) Schmid in Schmid/Kahlen, Wohnungseigentumsgesetz, 1. Aufl., ¤15 Rn. Vereinbarung (Teilungserklärung) getroffen werden. Dabei 5. kommt, wenn nicht Umstände des Einzelfalles dagegen spre- 6) BayObLG, WuM 1995, 50; Abramenko in Riecke/Schmid, Wohnungsei- chen, bereits der Bezeichnung in der Teilungserklärung und im gentumsrecht, 2. Aufl., ¤15 Rn. 2. Aufteilungsplan Vereinbarungscharakter zu, z. B. Wohnung, La- 7) Abramenko in Riecke/Schmid, Wohnungseigentumsrecht, 2. Aufl., ¤15 den, Hobbyraum, Reinigung.6 Rn. 10. 8) OLG Düsseldorf, ZMR 2003, 861 = Gut 2004, 32. Problematisch ist, inwieweit Regelungen zum Gebrauch des 9) ZWE 2001, 606 = ZMR 2001, 823 = GuT 2002, 26. Sondereigentums auch durch Mehrheitsbeschluss getroffen wer- 10) BayObLG, GuT 2002, 121 = ZMR 2000, 53. den können. §15 Abs. 2 BGB sieht eine solche Möglichkeit aus- 11) Z. B. Abramenko in Riecke/Schmid, Wohnungseigentumsrecht, 2. Aufl., ¤14 Rn. 13; Wenzel in Bärmann, Wohnungseigentumsgesetz, 10. Aufl., drücklich vor. Dort ist aber auch geregelt, dass Vereinbarungen ¤13 Rn. 26 je m. w. N. vorrangig sind. Eine durch Vereinbarung (Teilungserklärung) 12) Abramenko in Riecke/Schmid, Wohnungseigentumsrecht, 2. Aufl., ¤14 erlaubte gewerbliche Nutzung kann deshalb nicht durch Mehr- Rn. 15.

Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 71 Gewerbebetriebe und Berufsausübung im Wohnungs- und Teileigentum derung zu ermöglichen.13 Nach dem Gesetzeswortlaut wird es mestelle handelt.39 Dagegen ist in einem als Laden bezeichne- stets auf den Einzelfall ankommen. Blo§e Schwierigkeiten bei ten Teileigentum die Durchführung der Reinigung selbst nicht der Vermietung werden nicht als ausreichend angesehen.14 Folgt zulässig.40 man der Auffassung, dass ein Änderungsanspruch nicht besteht, Eisdiele: In einer Eisdiele darf kein Pilslokal betrieben wer- wenn sich einseitige Erwartungen eines Wohnungseigentümers den.41 nicht erfüllt haben oder wenn eine Entwicklung allein im Risi- kobereich des Wohnungseigentümers liegt,15 so wird ein An- Freiberufliche Tätigkeit: Ist in der Teilungserklärung eine spruch auf Erweiterung der gewerblichen Nutzungsmöglich- nicht beeinträchtigende Ausübung einer freiberuflichen Tätig- keiten nur selten in Betracht kommen. keit gestattet, aber die Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit untersagt, so ergibt die Auslegung, dass auch bestimmte ge- 3. Gebrauchsrechte des Mieters werbliche Tätigkeiten (hier:Versicherungsvertretung und Wahr- Hierfür kommt es im Verhältnis zum vermietenden Woh- sagerei) erlaubt sind, die einer nicht beeinträchtigenden freibe- nungseigentümer in erster Linie auf die vertraglichen Verein- ruflichen Betätigung gleichstehen.42 barungen an. Die Regelungen innerhalb der Wohnungseigentü- Friseursalon: Ein Friseursalon ist in einer im ersten Ober- mergemeinschaft haben auf die Wirksamkeit des Mietvertrags geschoss belegenen Wohnung unzulässig.43 keinen Einfluss. Erfolgt die Vermietung zum Zwecke des Be- Gaststätte: Zulässig ist die Darbietung von musikalischen triebs eines Gewerbes, so wird die Gebrauchsgewährungspflicht Veranstaltungen bei Benutzung eines Lautstärkenbegrenzers des Vermieters nicht dadurch eingeschränkt, dass der Gewer- und Beachtung öffentlich-rechtlicher Lärmschutzauflagen.44 bebetrieb im Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinan- Der in der Teilungserklärung vorgesehene Betrieb einer Gast- der unzulässig ist. stätte in einem offenen Einkaufszentrum wird nicht dadurch un- Die Rechtsprechung16 gewährt jedoch den übrigen Woh- zulässig, dass in angrenzenden anderen Gewerbebetrieben Ge- nungseigentümern17 einen unmittelbaren Anspruch gegen den ruchsbelästigungen auftreten, die nicht auf einen bestimmungs- Mieter auf Unterlassung der unzulässigen Nutzung. Dieser ist widrigen Gebrauch der Gaststätte zurückzuführen sind.45 dann auf Schadensersatzansprüche gegen den Vermieter be- Geschäftsraum: Dieser Begriff lässt fast jede berufliche und schränkt. gewerbliche Nutzung zu, z. B. Nachtlokal mit Musikveranstal- 4. Einzelfälle tungen,46 auch ein Bordell.47 Apotheke: Die Bezeichnung eines Raums als Apotheke Getränkeautomaten, mit deren Betrieb eine Lärmbelästi- schließt eine Benutzung als Gaststätte aus.18 gung verbunden ist, sind unzulässig.48 Ein Architektenbüro ist in einer Wohnung zulässig,19 was Gewerbe: Ist in den Räumen ein Gewerbe zulässig, so fällt allerdings im Hinblick auf einen möglichen Publikumsverkehr darunter grundsätzlich jede gewerbliche Nutzung, auch eine nicht unbedenklich ist. Arztpraxis: Die Benutzug einer Wohnung als Arztpraxis überschreitet den zulässigen Gebrauch.20 Sieht die Teilungser- klärung eine Untersagung gewerblicher Tätigkeit in Wohnun- 13) Wenzel in Bärmann, Wohnungseigentumsgesetz, 10. Aufl., ¤10 Rn. 153; Elzer in Riecke/Schmid, Wohnungseigentumsrecht, 2. Aufl., ¤10 Rn. 194. gen jedoch nur aus wichtigem Grund vor, so ist die Nutzung als 14) Abramenko in Riecke/Schmid, Wohnungseigentumsrecht, 2. Aufl., ¤14 gynäkologische Arztpraxis nicht zu beanstanden.21 Arztpraxen Rn. 15. sind in einer als Büro bezeichneten Einheit unzulässig.22 15) Elzer in Riecke/Schmid, Wohnungseigentumsrecht, 2. Aufl., ¤10 Rn. 196. 23 16) BGH, NJW-RR 1995, 715 = ZMR 1995, 480 = DWW 1995, 279 = GE Eine Ballettschule ist in einer Wohnung unzulässig. 1995, 1200. Biergarten: Ein Eigentümerbeschluss, der den Betrieb ei- 17) Ein eigener Anspruch der Wohnungseigentümergemeinschaft als Verband nes Biergartens auf einer Sondernutzungsfläche für die Zeit nach wird überwiegend verneint, jedoch kommt eine Geltendmachung des 23.00 Uhr untersagt, kann nach den Umständen des Einzelfalls Rechts durch den Verband nach ¤16 Abs. 6 Satz 3 WEG in Betracht; vgl. Schmid, DWE 2009, 78 ff. m.w.N. ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen. Eine öffentlich- 18) OLG Stuttgart, DWE 1987, 139. rechtliche Erlaubnis, die den Gaststättenbetrieb im Freien bis 19) KG, NJW-RR 1995, 333 = WuM 1994, 494. 24.00 Uhr gestattet, steht dem in der Regel nicht entgegen.24 20) BayObLG, ZMR 1980, 125. 21) LG Hamburg, ZMR 2006, 565. Bezeichnung als Blumenladen: Unzulässig ist eine Schnell- 22) OLG Düsseldorf, NJW-RR 1996, 267 = WuM 1995, 727; OLG Stuttgart, reinigung von Kleidern.25 WuM 1987, 34 = ZMR 1987, 60. Bordell: Ein Bordellbetrieb ist grundsätzlich unzulässig.26 23) BayObLG, MDR 1985, 939 = WuM 1986, 353 = DWE 1985, 125. 24) BayObLG, ZWE 2001, 606 = ZMR 2001, 823 = GuT 2002, 26. Daran ändert auch das Prostitutionsgesetz nichts, jedenfalls 25) OLG Hamm, OLGZ 1978, 10. wenn konkrete Beeinträchtigungen gegeben sind.27 Ein solches 26) BayObLG, Rpfleger 1981, 13. Verbot erscheint jedoch bedenklich, wenn das Teileigentum 27) BayObLG, GuT 2004, 239 = NZM 2004, 949. nach der Teilungserklärung »zu beliebigen geschäftlichen 28) Schmid in Schmid/Kahlen, Wohnungseigentumsgesetz, 1. Aufl., ¤14 Rn. ZweckenÇ benutzt werden darf.28 Der Betrieb eines ÈHostes- 49; a. A. KG ZMR 1987, 384. 29 29) OLG Frankfurt, DWE 1990, 107. sen-ServiceÇ kann untersagt werden. S. a. Prostitution. 30) OLG Stuttgart, ZMR 1987, 60 = WuM 1987, 34. Büro: In einer als Büro bezeichneten Teileigentumseinheit 31) OLG Düsseldorf, NJW-RR 1996, 267. sind unzulässig:Allgemeinarztpraxis,30 Kinderarztpraxis31, Bal- 32) LG Bremen, NJW-RR 1991, 1423 = WuM 1991, 364. 32 33 33) AG Passau, Rpfleger 1980, 23. lettstudio, Spielsalon. 34) OLG Zweibrücken, WE 1997, 474. Café: Ein Café ist ein Betrieb, in dem vor allem Kaffee und 35) AG Passau, Rpfleger 1984, 269. Kuchen verabreicht werden. Ein mit Spielgeräten ausgestatte- 36) BayObLG, ZfIR 2003, 694 = GuT 2006, 339. 34 37) OLG München, ZMR 1992, 306 = WuM 1992, 326. tes Bistro ist unzulässig. Die Bezeichnung „Café- und Zier- 38) OLG Zweibrücken, ZMR 1987, 228. garten“ erlaubt nicht den Betrieb eines Bierpavillons.35 Mit der 39) BayObLG, WuM 1995, 50. Zweckbestimmung eines Teileigentums als »Café mit Schnell- 40) OLG Hamm, Rpfleger 1978, 60. imbissÇ ist es nicht vereinbar, in den Räumen über 21:00 Uhr 41) OLG München, NJW-RR 1992, 1493 = WuM 1992, 326. hinaus die Versammlungsstätte eines ausländischen Kulturver- 42) KG, ZMR 1994, 27 = WuM 1993, 752. 43) Elzer in Harz/Kääb/Riecke/Schmid, Handbuch des FA Miet- und Woh- eins mit Getränkeausschank und Speisenzubereitung zu betrei- nungseigentumsrecht, Kap. 21 Rn. 441. ben.36 Die Bezeichnung „Eisdiele/Café“ erlaubt nicht den Be- 44) BayObLG, ZMR 1994, 25 = WuM 1994, 157. trieb einer Pilsbar.37 Ein „Billard-Café“ ist in einer Wohnung 45) OLG München, MDR 2007, 647 = ZMR 2007, 215. unzulässig.38 46) KG, ZMR 1989, 25 = WuM 1989, 39. 47) Schmid in Schmid/Kahlen, Wohnungseigentumsgesetz, 1. Aufl., ¤14 Rn. Bezeichnung als Chemische Reinigung: Zulässig ist ein Rei- 70; a. A. KG ZMR 1987, 384. nigungsbetrieb, selbst wenn es sich nicht blo§ um eine Annah- 48) BayObLG, NJW-RR 1990, 1104 = WuM 1990, 606.

72 Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 Gewerbebetriebe und Berufsausübung im Wohnungs- und Teileigentum

Bierschwemme;49 eine Gaststätte;50 eine Begegnungsstätte für tomaten-Sonnenstudio;76 ein Sportstudio;77 ein Pizza-Liefer- Senioren mit Mittagstisch;51 ein bordellartiger Betrieb;52 eine service;78 ein Office- und Partyservice;79 eine Kindertagesstät- Tagesstätte mit Kontakt- und Informationsstellenfunktion für te.80 Ein Aufstellen von Tischen vor dem Geschäft zum Verzehr Menschen mit psychischer Behinderung;53 eine Schulung von dort gekaufter Waren ist mit einer Zweckbestimmung als La- Asylbewerbern.54 Nicht als zulässig angesehen wird eine Be- den nicht vereinbar.81 55 gegnungsstätte eines deutsch-kurdischen Kulturvereins. Uner- Ein Lagerraum darf nicht als Tanzstudio genutzt werden.82 heblich ist, wenn nicht besondere Anhaltspunkte dafür vorhan- den sind, der öffentlich-rechtliche Gewerbebegriff. Die Bezeichnung Massageraum schlie§t eine Nutzung als Pilsstube aus.83 Haustüre: Gewerbetreibende möchten eine offene Haustü- re, während Bewohner eher eine verschlossene Türe mit elek- Nicht zu Wohnzwecken dienende Räume: Zulässig ist je- trischem Türöffner von der Wohnung aus bevorzugen.56 Fehlt, de Nutzung (mit Ausnahme der Nutzung zu Wohnzwecken), de- wie meist, eine Vereinbarung,können die Wohnungseigentümer ren wesentliche Beschränkung sich nur aus Lage und Beschaf- eine Regelung durch Beschluss treffen, die aber keinem Woh- fenheit des Gebäudes ergibt. Aus Gründen der Rechtssicher- nungseigentümer einen vermeidbaren Nachteil im Sinne von heit ist die Nutzung zu Wohnzwecken auch dann nicht hinzu- ¤14 Nr.1 WEG zufügen darf.57 Die Rechtsprechung ist nicht nehmen, wenn der betreffende Wohnungseigentümer sich ver- ganz einheitlich und differenziert nach der jeweiligen Nutzung traglich verpflichtet, die gewerbliche Nutzung anderer (be- des Gebäudes. Bei überwiegender Wohnraumnutzung wird den nachbarter) Einheiten auch künftig zu dulden.84 Mit der Be- Interessen der Bewohner Vorrang eingeräumt. Besteht für einen schreibung als nicht zu Wohnzwecken dienende Räume in der Gewerbetreibenden die Möglichkeit, Klingel und Türöffner in Teilungserklärung ist es vereinbar, dass die Räume als »Hob- seinen Räumen so zu verlegen, dass keine wesentliche Ar- byraum oder Gästezimmer«, d. h. zum gelegentlichen, auf kür- beitsbeeinträchtigung eintritt, widerspricht ein Eigentümerbe- zere Zeit beschränkten Übernachten von nicht zum Hausstand schluss, der das Offenhalten der Haustüre bis 19 Uhr vorsieht, gehörenden Personen benutzt werden.85 ordnungsmäßiger Verwaltung (Friseursalon).58 Auch einer Arzt- Parkplätze: Die Vermietung von im Sondernutzungsrecht oder Zahnarztpraxis ist das Betätigen des elektrischen Türöff- stehenden Parkplätzen kann grundsätzlich durch Mehrheitsbe- 59 ners zumutbar. Eine überwiegende berufliche oder gewerbli- schluss untersagt werden.86 Man wird eine solche Beschluss- che Nutzung allein kann das Offenlassen der Haustüre nicht kompetenz jedoch verneinen müssen, wenn die Parkplätze ei- rechtfertigen. Es kommt vielmehr darauf an, ob eine sinnvolle nem Teileigentum zugewiesen sind, das gewerblich genutzt Kontrolle des Zugangs möglich erscheint und das Ge- wird. Hier ist von einer stillschweigenden Vereinbarung auszu- brauchmachen vom elektrischen Türöffner auch für die beruf- gehen, dass dem Mieter des Teileigentums die Stellplätze über- lich oder gewerblich genutzten Einheiten zumutbar ist.60 Bei ei- lassen werden können und dieser sie seinen Kunden zur Verfü- nem überwiegend freiberuflich oder gewerblich genutzten Ge- gung stellen darf. Die den gewerblich bzw. freiberuflich ge- bäude mit erheblichem Publikumsverkehr (ca. 250 Patienten täglich) widerspricht ein Beschluss nicht ordnungsmäßiger Ver- waltung, der vorsieht, dass der Schlie§mechanismus Montag 61 49) Schmid in Schmid/Kahlen, Wohnungseigentumsgesetz, 1. Aufl., ¤14 Rn. bis Freitag von 8 bis 18 Uhr au§er Kraft gesetzt wird. Dem ist 71; a. A. BGH, DWW 1964, 89. nur deshalb zuzustimmen, weil das Verschließen ohne Sinn wä- 50) OLG Frankfurt, DWE 1993, 77. re. Die Türe würde entweder ohne Kontrolle geöffnet oder der 51) OLG Düsseldorf, GuT 2008, 219 = NZM 2008, 489. elektrische Türöffner würde gleich auf automatisches Öffnen 52) Schmid in Schmid/Kahlen, Wohnungseigentumsgesetz, 1. Aufl., ¤14 Rn. gestellt. Das häufige Ein- und Ausgehen der Besucher ermög- 71; a. A. BGH DWW 1964, 89. 53) OLG Zweibrücken, GuT 2005, 262 = ZMR 2006, 76. licht zudem auch Unbefugten den Zutritt. Das Verschließen wür- 54) BayObLG, WuM 1991, 707. de deshalb keinen Nutzen bringen. 55) OLG Hamm, ZMR 2006, 149 = NZM 2005, 870. Konkurrenzverbot: Ein Konkurrenzschutz folgt weder für 56) Vgl. zur Problematik insgesamt: Schmid, GE 2009, 956 ff. 57) Schmid, GE 2009, 956. die Wohnungseigentümer noch für deren Mieter aus §14 58) BayObLG, Rpfleger 1982, 218. WEG.62 Ein vertragsimmanenter Konkurrenzschutz bezüglich 59) LG Wuppertal, Rpfleger1972, 451. anderer Teileigentümer besteht mangels entsprechender Hand- 60) LG Wuppertal, Rpfleger 1972, 451. lungsmöglichkeiten für andere Teileigentümer nicht.63 Die Ver- 61) OLG Frankfurt a. M., NZM 2009, 440 = NJW-RR 2009, 949 = DWE 64 2009, 64 m. zust. Anm. Schultz. einbarung eines Konkurrenzverbots ist möglich. Ist für ein 62) OLG Brandenburg, GuT 2009, 216 = GE 2009, 1122 = IMR 2009, 345. Teileigentum in der Gemeinschaftsordnung eine bestimmte Nut- 63) Neuhaus, IMR 2009, 345. zungsart genannt, für die Konkurrenzschutz besteht, liegt darin 64) OLG Hamm, NJW-RR 1986, 1336 = DWE 1986, 90. kein Konkurrenzverbot zugunsten anderer Teileigentümer oder 65) BayObLG, WuM 1997, 462 = ZMR 1997, 429. für andere Nutzungsarten.65 Durch Mehrheitsbeschluss kann ein 66) Schmid in Schmid/Kahlen, Wohnungseigentumsgesetz, 1. Aufl., ¤14 Rn. 66 93. Konkurrenzverbot nicht festgelegt werden. Eine Pilsstube ge- 67) BayObLG, WuM 1997, 462 = ZMR 1997, 429. nie§t bei der im Wohnungseigentumsrecht gebotenen typisie- 68) OLG München, GuT 2008, 218 = MDR 2008, 737 = ZMR 2009, 628. renden Betrachtungsweise Konkurrenzschutz gegenüber einem 69) Schmid in Schmid/Kahlen, Wohnungseigentumsgesetz, 1. Aufl., ¤14 Rn. Lokal für griechische Spezialitäten mit der Ausgabe von Spei- 96; a. A. LG Passau, MDR 1983, 758. sen und alkoholischen Getränken.67 Ob eine solche Ausweitung 70) OLG München, GuT 2008, 218 = MDR 2008, 737 = ZMR 2009, 628. 71) OLG Köln, NJW-RR 1995, 851. des Konkurrenzschutzes auf alle Schank- und Speisewirtschaf- 72) OLG Düsseldorf, ZMR 1993, 122. ten zutreffend ist, erscheint zweifelhaft. 73) Schmid in Schmid, Mietrecht, 2. Aufl., 2009, ¤14 Rn. 96; a. A. OLG Ham- burg, ZMR 2002, 455 = GuT 2002, 91. Laden: Ein Laden gestattet den Verkauf von Waren an End- 74) BayObLG, NZM 2000, 288 = GuT 2002, 121. verbraucher innerhalb der gesetzlichen Öffnungszeiten. Aus der 75) OLG Frankfurt a. M., DWE 1986, 64. Bezeichnung eines Teileigentums als Laden kann jedoch nicht 76) BayObLG, WuM 1996, 361. abgeleitet werden, dass die Öffnungszeiten auf die zulässigen 77) OLG Schleswig, GuT 2003, 100. Öffnungszeiten zum Zeitpunkt der Eintragung der Teilungser- 78) BayObLG, WuM 1998, 619. 68 79) OLG Hamburg, GuT 2004, 30 = ZMR 2003, 770. klärung im Grundbuch beschränkt sind. Ma§geblich sind die 80) Schmid in Schmid/Kahlen, Wohnungseigentumsgesetz, 1. Aufl., ¤14 Rn. aktuell zulässigen Öffnungszeiten. Ein Sexshop, in dem nur Wa- 96; differenzierend KG, NJW-RR 1992, 1102 = WuM 1992, 387. ren verkauft werden, ist ein Laden.69 In einem als Laden be- 81) OLG München, GuT 2008, 218 = MDR 2008, 737 = ZMR 2009, 628. zeichneten Raum kann eine Postfiliale betrieben werden.70 Un- 82) BayObLG, ZMR 1994, 234 = WuM 1994, 292. zulässig sind Gaststätten jeder Art.71 Auch der Betrieb einer 83) BayObLG, NJW-RR 1988, 141. 72 84) OLG Köln, ZMR 2003, 384 = NZM 2003, 115. Stehpizzeria wurde als unzulässig angesehen. Das gilt auch 85) BayObLG, WuM 1997, 8. für ein Bistro, das die Ladenöffnungszeiten einhält,73 und ei- 86) KG, ZMR 1996, 279 = NJW-RR 1996, 586; OLG Frankfurt a.M., NJW- nen Imbiss.74 Unzulässig sind ferner ein Spielsalon;75 ein Au- RR 2007, 889.

Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 73 Gewerbebetriebe und Berufsausübung im Wohnungs- und Teileigentum nutzten Sondereigentumseinheiten zugeordneten Parkflächen Steuerberater- und Wirtschaftsprüferkanzlei werden in in einer Anlage sind im Regelfall auch für Kunden der Ei- einer Wohnung als zulässig angesehen;106 im Hinblick auf den gentümer oder Mieter dieser Einheiten bestimmt.87 Ein Verbot Parteiverkehr bedenklich.107 88 der Nutzung durch Kunden kann nicht beschlossen werden. 108 Ein Eigentümerbeschluss, der die Ein- und Ausfahrt zu Stell- Supermarkt: Zulässig ist die Nutzung als Getränkemarkt. plätzen im Sondernutzungsrecht, die dem Eigentümer einer als Tagescafé und Laden: Unzulässig ist es, ein Café über 20.00 Laden ausgewiesenen Einheit zugewiesen sind, ab 21 Uhr be- Uhr hinaus zu betreiben.109 schränkt, ist nicht nichtig.89 Ein solcher Beschluss ist jedoch auf rechtzeitige Klage hin für ungültig zu erklären, wenn sich Weinkeller: Ist ein Teileigentum in der Teilungserklärung als nicht aus der Gemeinschaftsordnung ergibt, dass es sich um ÈWeinkeller, Kegelbahn, Windfang, Abstellraum, Kühlraum, Kundenparkplätze handelt. Die Stellplätze können nämlich auch WC,VorplatzÇ bezeichnet,stellt diese Bezeichnung eine Zweck- anderweitig genutzt werden. bestimmung dar. Mit dieser Zweckbestimmung ist der Betrieb einer Diskothek oder die Führung einer Gaststätte mit Tanzbe- Patentanwaltsbüro wird bei geringem Publikumsverkehr in trieb nicht vereinbar.110 einer Wohnung zugelassen.90 Pilsbar: Mit der Zweckbestimmung »Eisdiele und Café« ist Wohnung – geschäftliche Nutzung: Die Bezeichnung eines der Betrieb eines Pilslokals nicht vereinbar.91 Sondereigentums als Wohnung in der Teilungserklärung hat Ver- einbarungscharakter.111 Gleichwohl wird dadurch eine berufli- Pizzeria: Mit der Zweckbestimmung eines Teileigentums als che Nutzung oder Mitbenutzung nicht gänzlich ausgeschlossen. »Ladenlokal« lässt sich der Betrieb einer Stehpizzeria auch Die Standardformel lautet auch hier, dass die berufliche Nut- au§erhalb der gesetzlichen Ladenschlusszeiten nicht vereinba- zung zulässig ist, wenn sie keine weitergehenden Störungen ver- ren.92 ursacht als die reine Wohnnutzung.112 Gewisse Nachteile wer- Post: In einem als Laden bezeichneten Raum kann eine Post- den den übrigen Wohnungseigentümern zugemutet. Auch ¤14 filiale betrieben werden.93 Nr.1 WEG schließt nicht jede Beeinträchtigung aus, sondern nur jede nicht ganz unerhebliche.113 Wohnungseigentums- Prostitution: Prostitution in Eigentumswohnungen muss rechtlich kommt es dabei nicht auf die Umstände des Einzel- nach überwiegender Meinung94 grundsätzlich nicht geduldet falls an, sondern auf eine typisierende Betrachtungsweise, d.h. werden. Insbesondere wenn ein Wohnungseigentümer seine die Nutzung darf ihrer Art nach nicht mehr beeinträchtigen als Wohnung einer Prostituierten, die ihre Dienste in Zeitungsan- eine typische Wohnungsnutzung.114 zeigen unter Angabe der vollen Anschrift anbietet, überlässt, brauchen die übrigen Wohnungseigentümer diese Nutzung der Als zulässig angesehen wurden: Architektenbüro,115 Patent- Wohnung nicht zu dulden.95 Es ist aus Rechtsgründen nicht zu anwaltsbüro mit geringem Publikumsverkehr,116 Psychologi- beanstanden, wenn eine Tatsacheninstanz eine gewerbsmäßige sche Praxis.117 Prostitution als den übrigen Wohnungseigentümern im Einzel- fall nicht zumutbare Nutzung einstuft.96 Falls allerdings die Ge- meinschaftsordnung eine gewerbliche Nutzung zulässt, besteht ein Anspruch auf Unterlassung der Prostitutionsausübung nur, wenn Beeinträchtigungen der anderen Wohnungseigentümer konkret bewiesen sind.97 Ob in einer Anlage, die ausschlie§lich gewerblich genutzt wird, eine Wertminderung der übrigen Teil- eigentumseinheiten anzunehmen ist, wenn in einer Teileigen- 87) KG, ZMR 1996, 216 = WE 1996, 271. tumseinheit der Prostitution nachgegangen wird, ist zumindest 88) BayObLG, ZMR 1999, 776 = WuM 2000, 370. fraglich.98 Besonderheiten des Objekts können dazu führen, dass 89) OLG München, GuT 2007, 319 = ZMR 2007, 484 = NZM 2008, 44. die Prostitution weder störend noch wertmindernd und deshalb 90) OLG Köln, NZM 2002, 258 = ZMR 2002, 380. 99 91) OLG München, DWE 1993, 30 = WuM 1992, 326. zu dulden ist. S. a. Bordell. 92) OLG Düsseldorf, DWE 1993, 25. Eine Psychologische Praxis ist in einer Wohnung unzuläs- 93) OLG München, GuT 2008, 218 = MDR 2008, 737 = ZMR 2009, 628. sig.100 Der gegenteiligen Auffassung ist im Hinblick auf den Pu- 94) Z. B. OLG Frankfurt a.M., GuT 2002, 187. 95) BayObLG, WuM 1995, 676. blikumsverkehr nicht zufolgen. 96) OLG Hamburg, ZMR 2005, 644. Reklame: Wird Sondereigentum in zulässiger Weise ge- 97) AG Nürnberg, ZMR 2005, 661. 98) BayObLG, GuT 2004, 239 = ZMR 2005, 67. werblich genutzt, müssen die übrigen Wohnungseigentümer 99) OLG Köln, GuT 2009, 44 = ZMR 2009, 387. nicht nur diese Nutzung, sondern auch die Anbringung von Wer- 100) Schmid in Schmid/Kahlen, Wohnungseigentumsgesetz, 1. Aufl., ¤14 beanlagen zur ortsüblichen und angemessenen Werbung für das Rn. 123 und 171; a. A. OLG Düsseldorf, WuM 1998, 112. betreffende Gewerbe dulden, sofern die Miteigentümer durch 101) OLG Köln, GuT 2006, 270 = NZM 2007, 92. die Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums nicht über 102) OLG Düsseldorf, NJW-RR 2006, 956 = ZMR 2006, 461 = GuT 2006, 162. das in ¤14 Nr.1 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt wer- 103) LG Aurich, NJW 1987, 448. den. Es liegt keine über das in §14 Nr.1 WEG bestimmte Ma§ 104) LG Passau, Rpfleger 1983, 147 = NJW 1983, 1683. hinausgehende Beeinträchtigung vor, wenn von einer ortsübli- 105) BayObLG, ZMR 1996, 334 = WuM 1996, 361. chen Reklametafel kein merklicher Lichteinfall in das Sonder- 106) BayObLG, NZM 1999, 130 = ZMR 1999, 186 = WuM 1999, 642. eigentum der übrigen Miteigentümer sowie keine erhebliche 107) Schmid in Schmid/Kahlen, Wohnungseigentumsgesetz, 1. Aufl., ¤14 101 Rn. 171. Einschränkung von deren Aussicht verursacht wird. Stören- 108) OLG Schleswig, NZM 1999, 79 = WuM 1999, 229. de großflächige Werbung an den Fensterflächen kann auch in- 109) OLG Karlsruhe, OLGZ 1985, 392. nerhalb des Sondereigentums unzulässig sein.102 Die Werbung 110) BayObLG, ZMR 1990, 230 = WuM 1989,656. kann durch Beschluss der Wohnungseigentümer eingeschränkt 111) Abramenko in Riecke/Schmid, Wohnungseigentumsrecht, 2. Aufl., ¤15 werden, und zwar dahin, dass die Werbung nicht gestattet ist, Rz. 2. 112) Abramenko in Riecke/Schmid, Wohnungseigentumsrecht, 2. Aufl., ¤14 soweit das äußere Bild der Anlage dadurch verändert oder be- Rn. 13; Riecke in Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 4. Aufl., ¤14 WEG einträchtigt wird.103 Rn. 7. 104 113) BGH, MDR 1992, 484 = NJW 1992, 978 = WuM 1992, 159. Ein Sexkino wird als unzulässig angesehen. 114) Abramenko in Riecke/Schmid, Wohnungseigentumsrecht, 2. Aufl., ¤14 Sonnenstudio: Mit der Zweckbestimmung eines Teileigen- Rn. 13 m.w.N. tums als »Laden« lässt es sich nicht vereinbaren, dass das in 115) KG, NJW-RR 1995, 333 = WuM 1994, 494. 116) OLG Köln, NZM 2002, 258 = ZMR 2002, 380. dem Teileigentum betriebene Automaten-Sonnenstudio au§er- 117) OLG Düsseldorf, ZMR 1998, 247 = WuM 1998, 112; a. A Schmid in halb der gesetzlichen Ladenöffnungszeiten unbeaufsichtigt Schmid/Kahlen, Wohnungseigentumsgesetz, 1. Aufl., ¤14 Rn. 123 und durch Personal des Betreibers betreten werden kann.105 171.

74 Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 Gewerbebetriebe und Berufsausübung im Wohnungs- und Teileigentum

Als unzulässig angesehen wurden: Arztpraxis,118 Ballett- Vertragsfreiheit ist dies zu bejahen, aber unzweckmäßig. Ein schule,119 Café,120 Friseursalon,121 Heim zur Erprobung mo- gänzlicher Ausschluss des Vermietungsrechts kommt deshalb derner Erziehungsmethoden,122 Prostitution.123 in der Praxis kaum vor. Wohnung – Mitbenutzung für berufliche Zwecke: Für den bb) Zulässig sind Beschränkungen des Vermietungsrechts. In Fall, dass vertragliche Regelungen fehlen, hat der BGH124 für Betracht kommt z. B. die Verpflichtung, eine Vermietung zu das Mietrecht ein Drei-Stufen-Modell entwickelt. bestimmten Zwecken, z. B. zur gewerblichen Nutzung, zu un- terlassen137 oder den (zukünftigen) Mieter dem Verwalter nam- 1. Ohne weiteres zulässig sind Tätigkeiten, die nach au§en 138 nicht in Erscheinung treten. haft zu machen. Eine Aufhebung der Vermietungsbeschrän- kung durch Mehrheitsbeschluss sieht das Gesetz nicht vor. 2. Grundsätzlich unzulässig sind Tätigkeiten, die nach au§en in Erscheinung treten. Werden diese Tätigkeiten jedoch ohne Als Beschränkung des Vermietungsrechts kann auch die Zu- Mitarbeiter und ohne ins Gewicht fallenden Kundenverkehr er- stimmung der Wohnungseigentümergemeinschaft, eines Woh- 139 ledigt, kann der Vermieter im Einzelfall nach Treu und Glauben nungseigentümers oder des Verwalters vorgesehen werden. verpflichtet sein, eine Erlaubnis zur teilgewerblichen Nutzung Ein Beschluss der Eigentümerversammlung geht in solchen Fäl- 140 zu erteilen. Generalklauselartig formuliert der BGH, dass die len der Entscheidungskompetenz des Verwalters vor. Der Ver- Erlaubnispflicht voraussetzt, dass die Tätigkeit so ausgestaltet walter kann auch von sich aus eine Weisung der Eigentümer- 141 ist, dass von ihr im Vergleich zu einer reinen Wohnnutzung kei- versammlung einholen. Die Zustimmung darf nicht willkür- ne ins Gewicht fallenden (störenden) Einwirkungen ausgehen. lich, sondern entsprechend ¤12 Abs. 2 Satz1 WEG nur aus wich- tigem Grund verweigert werden.142 Dabei kann insbesondere 3. Ansonsten ist eine gewerbliche Nutzung von Wohnraum die Störungsintensität der vom Mieter beabsichtigten Nutzung unzulässig und der Vermieter ist auch nicht verpflichtet, die ge- berücksichtigt werden. Eine Aufhebung der Zustimmungsver- werbliche Nutzung zu erlauben. pflichtung durch Mehrheitsbeschluss ist nicht möglich. Die Vor- Da sich die „nicht ganz unerhebliche Beeinträchtigung“ im aussetzungen für eine analoge Anwendung des ¤12 Abs. 4 WEG Wohnungseigentumsrecht125 im Ergebnis nicht von dem ãnicht liegen nicht vor.143 ins Gewicht fallenden Nachteil“ im Mietrecht126 unterscheidet, cc) Wird die Zustimmung ohne wichtigen Grund verweigert, können Probleme allenfalls dadurch entstehen, dass im Woh- kann dies Schadensersatzansprüche des Vermietungswilligen nungseigentumsrecht eine typisierende Betrachtungsweise an- begründen,144 z. B. wegen entgangener Mieteinnahmen. gewendet wird,127 während der BGH128 im Mietrecht auf den Einzelfall abstellt. Angesichts der Großzügigkeit der woh- d) Versto§ nungseigentumsrechtlichen Rechtsprechung bei Zulässigkeit Ein Versto§ gegen ein Vermietungsverbot oder eine Vermie- gewerblicher Nutzungen, dürften die Probleme für den ver- tungsbeschränkung führt nicht zur Nichtigkeit des Mietvertra- mietenden Wohnungseigentümer in der Praxis jedoch gering ges.145 ¤12 Abs. 3 WEG ist nicht analog anwendbar.146 Der An- sein. spruch der übrigen Wohnungseigentümer auf Beendigung des 5. Unzulässiger Gebrauch Bei einem unzulässigen Gebrauch können die übrigen Woh- nungseigentümer nach §1004 BGB, ¤15 Abs. 3, ¤14 Nr.1 WEG Unterlassung verlangen. Im Fall einer Vermietung muss der ver- 118) BayObLG, ZMR 1980, 125. mietende Wohnungseigentümer soweit möglich die Unterlas- 119) BayObLG, MDR 1985, 939 = WuM 1986, 353 = DWE 1985, 125. 129 120) OLG Zweibrücken, ZMR 1987, 228. sungsverpflichtung auch gegenüber dem Mieter durchsetzen. 121) Elzer in Harz/Kääb/Riecke/Schmid, Handbuch des FA Miet- und Woh- Die Wohnungseigentümer können aber auch unmittelbar aus nungseigentumsrecht, Kap. 21 Rn. 441. ¤1004 Abs.1 BGB gegen den Mieter vorgehen.130 Das wieder- 122) OLG Frankfurt, Rpfleger 1981, 149. um begründet einen Mangel der Mietsache, wenn der Vermie- 123) OLG Hamburg, ZMR 2005, 644. ter dem Mieter gegenüber den Gebrauch gewähren muss.131 124) NJW 2009, 3157 = NZM 2009, 658 = WuM 2009, 517. 125) Oben II.1. III. Vermietungsbeschränkung 126) BGH NJW 2009, 3157 = NZM 2009, 658 = WuM 2009, 517. 127) Oben II. 2. a) Gesetz 128) NJW 2009, 3157 = NZM 2009, 658 = WuM 2009, 517. 129) Lehmann-Richter, ZWE 2009, 345 (346) m.w.N. Generelle gesetzliche Vermietungsverbote bestehen nicht. 130) BGH, NJW-RR 1995, 715; NJW 2006, 992 = GuT 2006, 161 = WuM Selbstverständlich hat der vermietende Wohnungseigentümer 2006, 216. öffentlich-rechtliche Beschränkungen, z. B. hinsichtlich der 131) BGH, NJW-RR 1995, 715. 132) OLG Celle, NZM 2005, 184. Nutzungsart, ebenso zu beachten wie jeder andere Vermieter. 133) Wenzel in Bärmann, Wohnungseigentumsgesetz, 10. Aufl., ¤13 Rn. 67. 134) BGH, WuM 1985, 354. b) Mehrheitsbeschluss 135) KG, ZMR 1996, 279 = NJW-RR 1996, 586; OLG Frankfurt a.M., NJW- Die Wohnungseigentümer können durch Mehrheitsbeschluss RR 2007, 890. 136) Bejahend: Riecke/Elzer in Harz/Kääb/Riecke/Schmid, Handbuch des die Vermietung des Wohnungseigentums weder ausschlie§en FA Miet- und Wohnungseigentumsrecht, Kap. 15 Rn. 149; Wenzel in noch beschränken.132 Es fehlt hierfür die Beschlusskompetenz. Bärmann, Wohnungseigentumsgesetz, 10. Aufl., ¤13 Rn. 65; Schmid, Ein solcher Beschluss wäre nichtig.133 Eine Ausnahme kann al- BlGBW 1982, 143; verneinend: Gottschalg, DWE 2000, 50 ff.; Bub, lerdings dann in Betracht kommen, wenn durch eine Vereinba- WE 1989, 122. rung (Teilungserklärung) den Wohnungseigentümern hierfür ei- 137) Schmid, BlGBW 1982, 144. 138) LG Mannheim, ZMR 1979, 319. ne Beschlusskompetenz eingeräumt wird, sog. Öffnungsklau- 139) BayObLG, ZfIR 2004, 378; Wenzel in Bärmann, Wohnungseigentums- sel. Auch dann ist jedoch auf die Belange der überstimmten gesetz, 10. Aufl., ¤13 Rn. 66. Wohnungseigentümer Rücksicht zu nehmen.134 Eine Vermie- 140) OLG Frankfurt a. M., NJW-RR 2004, 662 = NZM 2004, 231. tung von Sondernutzungsrechten (z. B. Parkplätze) soll jedoch 141) Vgl. BGH, NJW 1996, 1216 = WuM 1996, 240. durch Mehrheitsbeschluss verbietbar sein.135 Der Sondernut- 142) BayObLG, WuM 1992, 278; teilweise a.A. Riecke/Elzer in Harz/Kääb/Riecke/Schmid, Handbuch des FA Miet- und Wohnungsei- zungsberechtigte sollte deshalb darauf achten, dass ihm die Ver- gentumsrecht, Kap. 15 Rn. 154. mietung ausdrücklich gestattet wird. 143) Schmid in Schmid/Kahlen, Wohnungseigentumsgesetz, 1. Aufl., ¤13 Rn. 13. c) Vereinbarung 144) BayObLG, ZfIR 2004, 378. 145) OLG Frankfurt a. M., NJW-RR 2004, 662 = NZM 2004, 231. aa) Ob die Vermietbarkeit des Wohnungseigentums durch 146) Schmid in Schmid/Kahlen, Wohnungseigentumsgesetz, 1. Aufl., ¤13 Vereinbarung gänzlich ausgeschlossen werden kann, ist in der Rn. 15; Wenzel in Bärmann, Wohnungseigentumsgesetz, 10. Aufl., ¤13 Rechtsliteratur umstritten.136 Im Hinblick auf die allgemeine Rn. 67.

Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 75 Gewerbebetriebe und Berufsausübung im Wohnungs- und Teileigentum

Mietverhältnisses gibt dem Wohnungseigentümer auch kein ein Lebensmittelgeschäft,163 Gaststätten, Friseurgeschäfte und Recht zur Kündigung des Mietvertrages aus wichtigem Metzgereien.164 Verneint wurde die Erheblichkeit für eine Phy- Grund.147 siotherapiepraxis,165 einen Hundesalon,166 Kindergärten und Erfolgt trotz fehlender Zustimmung eine Vermietung, steht Obdachlosenpensionen.167 den übrigen Wohnungseigentümern ein Unterlassungsanspruch Wohnungseigentumsrechtlich sind in solchen Fällen sowohl aus ¤1004 Abs.1 BGB, ¤15 Abs. 3, ¤14 Nr.1 WEG zu.148 Die- ein Änderungsanspruch nach §10 Abs. 3 Satz 2 WEG als auch ser Anspruch beinhaltet sowohl die Verpflichtung zur Beendi- ein Beschluss über die Änderung des Abrechnungsma§stabes gung der gegenwärtigen Nutzung als auch die Unterlassung nach ¤16 Abs. 3 WEG sowie eine besondere Kostenbelastung künftiger Vermietung ohne Genehmigung.149 Wie der vermie- nach ¤ 21 Abs. 7 WEG zu diskutieren. tende Wohnungseigentümer das Ende der Mietnutzung her- Regelungen nach ¤ 21 Abs. 7 WEG kommen in Betracht bei beiführt, ist seine Sache. Er muss hierzu alle erforderlichen und Kosten für eine besondere Nutzung des Gemeinschaftseigen- zumutbaren Bemühungen unternehmen. Hat er keine Kündi- tums oder für einen besonderen Verwaltungsaufwand. Als Ko- gungsmöglichkeit, so muss er versuchen, einen Mietaufhe- sten für eine besondere Nutzung kommen in dem hier interes- bungsvertrag, notfalls gegen eine finanzielle Entschädigung des sierenden Zusammenhang Pauschalen für eine besondere In- Mieters, herbeizuführen.150 anspruchnahme von Aufzug oder Treppenhaus in Betracht,168 Besteht ein Zustimmungserfordernis, ist es im Interesse des z. B. bei besonders starkem Publikumsverkehr. Es kann jedoch vermietenden Wohnungseigentümers, die Zustimmung vor dem kein Entgelt verlangt werden, wenn keine Kosten verursacht Abschluss des Mietvertrages einzuholen oder die Wirksamkeit werden, z. B. bei einer Inanspruchnahme des Gemeinschafts- des Mietvertrages von der Zustimmung abhängig zu machen.151 eigentums für Werbema§nahmen.169 Ein besonderer Verwal- Zweifelhaft ist, ob der vermietende Wohnungseigentümer dem tungsaufwand ist ein solcher, der über den üblichen Verwal- Anspruch auf Beendigung des Mietverhältnisses entgegenhal- tungsaufwand hinausgeht.170 Keinen besonderen Verwaltungs- ten kann, dass eine Zustimmungspflicht besteht. Die Recht- aufwand stellt die allgemeine Verwaltung dar. ¤ 21 Abs. 7 WEG sprechung ist zu der Frage, ob sich der Beklagte auf eine Er- gibt deshalb keine Grundlage, eine erhöhtes Verwalterhonorar laubnispflicht berufen kann, nicht einheitlich.152 Die Tendenz für Gewerbeeinheiten im Vergleich zu Wohneinheiten auf die der obergerichtlichen Rechtsprechung153 scheint dahin zu ge- Eigentümer der Gewerbeeinheiten umzulegen. Die Umlegung hen, dass ein Berufen auf die Erlaubnisverpflichtung zugelas- nach ¤ 21 Abs. 7 WEG erfolgt durch Mehrheitsbeschluss der sen wird. Dem ist nur für die Fälle zuzustimmen, in denen of- Wohnungseigentümer. fensichtlich ein Anspruch auf Erlaubnis besteht.154 Die Beschlusskompetenz nach ¤ 21 Abs. 7 WEG über- IV. Kostenverteilung und Abrechnungen schneidet sich teilweise mit derjenigen nach ¤16 Abs. 3 WEG.171 ¤16 Abs. 3 WEG betrifft die Betriebskosten und die Verwal- 1. Abrechnungsmaßstäbe tungskosten. Nach dem eindeutigen Wortlaut und der Entste- a) Grundsätzliches hungsgeschichte der Vorschrift sind nur Betriebskosten im Sin- ne des ¤ 556 Abs.1 BGB erfasst.172 Unerheblich ist es für die Die Kostenverteilung bestimmt sich grundsätzlich nach §16 Abs. 2 WEG nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile. Ob die Nutzung eine gewerbliche oder eine sonstige ist, spielt da- bei keine Rolle. Hiervon kann jedoch sowohl durch Vereinba- 147) OLG Frankfurt a. M., NJW-RR 2004, 662 = NZM 2004, 231. rung als auch nach ¤16 Abs. 3 bzw. ¤ 21 Abs. 7 WEG abgewi- 148) OLG Frankfurt a. M., NJW-RR 2004, 662 = NZM 2004, 231. 155 149) OLG Frankfurt a. M., NJW-RR 2004, 662 = NZM 2004, 231. chen werden. Zu beachten sind auch beim Wohnungseigen- 150) OLG Frankfurt a. M., NJW-RR 2004, 662 = NZM 2004, 231. tum die zwingenden Vorschriften der HeizkostenV (¤3 Heiz- 151) Schmid in Schmid/Kahlen, Wohnungseigentumsgesetz, 1. Aufl., ¤13 kostenV). Rn. 17. 152) Vgl. z.B. BGH, ZWE 2004, 352 = ZMR 2004, 438 = WuM 2004, 165; b) Wohn- und Nutzfläche BayObLG, NJW-RR 1991, 461 = WuM 1991, 18 = ZMR 1991, 64. Sowohl nach der HeizkostenV (¤7 Abs.1 Satz 5, ¤ 8 Abs.1, 153) Vgl. zuletzt BGH,WuM 2009, 517 = NZM 2009, 658 = NJW-RR 2009, 1311 zum Mietrecht, wo die Frage überhaupt nicht problematisiert wur- ¤ 9a Abs. 2 HeizkostenV) als auch bei vereinbarten oder be- de. schlossenen Abrechnungsmaßstäben kann eine Kostenvertei- 154) Schmid, MietRB 2009, 145. lung nach Wohn- oder Nutzfläche in Betracht kommen. Dabei 155) S. u. IV.1.c). stellt sich das Problem, wie die Wohnflächen der Wohnungen 156) Schmid, ZWE 2008, 371. ins Verhältnis zu den Nutzflächen der Gewerberäume zu setzen 157) Schmid in Riecke/Schmid, Wohnungseigentumsrecht, 2. Aufl., ¤1 Wo- FlV Rn. 1 ff. sind. Verbindliche Vorschriften für die Flächenberechnung feh- 158) Ob Flächenangaben in der Teilungserklärung verbindlich sein sollen, ist len, abgesehen von der Wohnraumförderung.156 Die WoFlV hat durch Auslegung zu ermitteln Ð Schmid, ZWE 2008, 271 (272); für ei- nur einen sehr eingeschränkten Anwendungsbereich. Sie gilt ne Verbindlichkeit OLG Schleswig, ZWE 2008, 28 (29) = WuM 2007, insbesondere nicht unmittelbar für Wohnraum, der nicht preis- 471. gebunden und nicht nach dem WoFG gefördert ist, und erst recht 159) Vgl. BGH, WuM 2007, 441 = ZMR 2007, 764 zum Mietrecht. 157 160) Vgl. AG Berlin-Schöneberg, GE 1986, 1177. nicht für Gewerberäume. Sofern auch rechtsgeschäftlich, ins- 161) NJW 2006, 1419 = WuM 2006, 200 = GE 2006, 502. besondere in der Teilungserklärung,158 keine solchen festgelegt 162) Sondervorschriften gelten für preisgebundenen Wohnraum. S. hierzu sind, ist die ortsübliche Berechnungsmethode anzuwenden.159 Schmid, Handbuch der Mietnebenkosten, 11. Aufl., 2009, Rn. 4173 ff. Mangels anderweitiger Regelungen sind dann die ermittelten 163) LG Aachen, WuM 2006, 615. Nutz- und Wohnflächen bei Anwendung des Flächenmaßsta- 164) Kinne, GE 2003, 184. 165) LG Berlin, GE 2007, 223. bes gleich zu behandeln. 166) AG Berlin-Wedding, GE 2007, 525. 167) LG Berlin, GE 2002, 1124. c) Änderung des Abrechnungsma§stabs 168) Merle in Bärmann, Wohnungseigentumsgesetz, 10. Aufl., ¤ 21 Rn. 157. Die Nutzer einer Wohnung gehen oft, teils zu recht teils zu 169) Merle in Bärmann, Wohnungseigentumsgesetz, 10. Aufl., ¤ 21 Rn. 158. unrecht davon aus, dass ein Gewerbebetrieb höhere Kosten ver- Wohl aber kann ein besonderer entgeltlicher Nutzungsvertrag ge- schlossen werden Ð Drabek in Riecke/Schmid, Wohnungseigentums- ursacht. Einen allgemeinen Grundsatz, dass ein Gewerbebetrieb recht, 2. Aufl., ¤ 21 Rn. 297. stets höhere Kosten verursacht als eine Wohnraumnutzung, gibt 170) Merle in Bärmann, Wohnungseigentumsgesetz, 10. Aufl., ¤ 21 Rn. 158. es nicht.160 Mietrechtlich verlangt der BGH161 bei der Be- 171) Häublein, ZMR 2007, 409 (418). triebskostenverteilung einen Vorwegabzug der auf Gewerbe- 172) Kahlen in Schmid/Kahlen, Wohnungseigentumsgesetz, 1. Aufl., ¤16 Rn. flächen entfallenden Kosten vorbehaltlich einer anderen Ver- 141; Pick in Bärmann/Pick, WEG, 18. Aufl., ¤16 Rn. 82; Schmid, MDR 2007, 989 und ZMR 2008, 440 (441); a. A. Becker in Bärmann, Woh- einbarung nicht, wenn diese Kosten nicht zu einer ins Gewicht nungseigentumsgesetz, 10. Aufl., ¤16 R. 78; Elzer in Riecke/Schmid, fallenden Mehrbelastung der Wohnraummieter führen.162 Eine Wohnungseigentumsrecht, 2. Aufl., ¤16 Rn. 63; Schmidt, ZMR 2007, erheblich größere Kostenverursachung wurde angenommen für 913 (923).

76 Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 Gewerbebetriebe und Berufsausübung im Wohnungs- und Teileigentum

Anwendung des ¤16 Abs. 3 WEG, ob die Räume zu Wohn- b) Kostenvoraufteilung zwecken oder gewerblich genutzt werden.173 Dass auf den Ge- Eine Voraufteilung zwischen den Einheiten mit gewerblicher werberaummieter weitere Kosten umgelegt werden können als Nutzung und solcher mit Wohnungsnutzung findet in der Ab- auf den Wohnraummieter, ist für die Beschlusskompetenz nach rechnung der Wohnungseigentümer nur statt, wenn dies durch ¤16 Abs. 3 WEG ohne Bedeutung. Für einen Beschluss nach Vereinbarung oder Beschluss besonders bestimmt ist. Bei preis- ¤16 Abs. 3 WEG genügt es, dass ein sachlicher Grund vorhan- gebundenem Wohnraum183 und in Ausnahmefällen, wenn der 174 den ist. Das ist bei den Betriebskosten insbesondere eine un- Wohnungsmieter184 oder der Gewerberaummieter185 ansonsten terschiedliche Verursachung, was je nach Art des Gewerbetrie- unbillig belastet würden sowie bei entsprechender Vereinba- bes eine höhere Kostenbelastung rechtfertigen kann. Eine will- rung,186 muss im Mietverhältnis eine Voraufteilung der Kosten kürliche Benachteiligung der Gewerberaumeinheiten entspricht nach Wohnungen und Gewerbenutzung erfolgen. Diese Vor- nicht ordnungsmäßiger Verwaltung. Ein solcher Beschluss ist aufteilung kann für den Vermieter mühsam sein, wenn die von auf Anfechtung hin nach ¤ 23 Abs. 2, ¤ 46 WEG für ungültig zu den Wohnungseigentümern beschlossene Abrechnung hierzu erklären. §16 Abs. 3 WEG ermöglicht es auch, die Kosten des keine Angaben enthält. Für den Vermieter von Gewerberaum Verwalters so umzulegen, wie sie von diesem kalkuliert und aus- kann es deshalb zweckmäßig sein, eine solche Aufteilung nicht gewiesen, also den Eigentümer der gewerblich genutzten Ob- nur nicht zu vereinbaren, sondern ausdrücklich auszuschlie- jekte mit höheren Kosten zu belasten.175 §en. Neben den Möglichkeiten nach ¤ 21 Abs. 7 und ¤16 Abs. 3 c) Abrechnung 176 WEG steht der individuelle Anspruch eines Wohnungsei- Das Grundproblem bei der Betriebskostenabrechnung für die gentümers, die Abänderung bestehender Regelungen nach ¤10 vermietete Eigentumswohnung liegt darin, dass die Abrechnung Abs. 2 Satz 3 WEG zu verlangen. Angesichts der engen Vor- 177 der Wohnungseigentümer anderen Grundsätzen folgt als die Ab- aussetzungen dieser Vorschrift wird sie jedoch unter dem rechnung mit dem Mieter. Die vom Verwalter erstellte und von Aspekt speziell der gewerblichen Nutzung keine besondere Be- den Wohnungseigentümern beschlossene Abrechnung kann des- deutung entfalten. halb in der Regel nicht unverändert an den Mieter weitergege- ben werden. Sie entfaltet für den Mieter auch keine Bindungs- 2. Abrechnung des Wohnungseigentümers mit dem wirkung. Eine entsprechende Vereinbarung wäre unwirksam.187 Gewerberaummieter Eine Abrechnungserleichterung für den Vermieter bietet ge- a) Umlegungsvereinbarung rade bei vermietetem Wohnungseigentum eine Abrechnung nicht nach dem Leistungsprinzip, sondern nach dem Abfluss- Grundsätzlich gelten für die Vereinbarung der Kostenumle- bzw. Fälligkeitsprinzip.188 Innerhalb der Wohnungseigentü- gung mit dem Gewerberaummieter in einer Eigentumswoh- mergemeinschaft erfolgt die Abrechnung grundsätzlich nach nungsanlage keine anderen Regeln als bei sonstigen Mietver- dem Abflussprinzip.189 Auch für das Mietrecht hat der BGH190 hältnissen. Für den Vermieter interessant ist es jedoch in diesen eine solche Abrechnung zugelassen. Diese Abrechnungsme- Fällen, mit dem Mieter in möglichst großem Umfang zu ver- thode kann zur Klarstellung vertraglich vereinbart werden.191 einbaren, dass dieser die Kosten trägt, die dem Vermieter von Sie sollte jedenfalls nicht vertraglich ausgeschlossen sein. der WEG belastet werden. Eine weitere Erleichterung ergibt sich, wenn man statt der gebäudebezogenen Abrechnung, bei der Abrechnungseinheit Es wird deshalb versucht, für die Mieterabrechnung einfach die gesamte Anlage ist, die wohnungsbezogene Abrechnung die Wohnungseigentümerabrechnung für verbindlich zu er- wählt, bei der ma§gebend ist, welche Kosten von der Gemein- klären. Die Rechtsprechung ist mit der Wirksamkeit solcher schaft der Wohnungseigentümer dem jeweiligen Wohnungs- Klauseln eher zurückhaltend. Eine Formulierung ãalle anfal- eigentümer in Rechnung gestellt werden, natürlich nur soweit lenden Betriebskosten/Wohngeld gemäß Abrechnung des WEG- die Kosten überhaupt umlegbar sind.192 Die h.M.193 geht aller- Verwalters“ wird nicht als hinreichend klar angesehen.178 Eine Individualvereinbarung, wonach die Wohnungsmieter sämtli- che Kosten für eine Eigentumswohnung gemäß Verwalterab- rechnung übernehmen, ist gemäß §§134, 556 Abs.1, 4 BGB 173) Schmid, ZMR 2008, 440 (441). insoweit nichtig, als andere als die in der BetrKV genannten 174) LG München I, GE 2009, 1261; Pick in Bärmann/Pick, WEG, 18. Aufl., Kosten erfasst sind, im Übrigen wirksam.179 In einem Formu- ¤16 Rn. 84; larvertrag wäre Unwirksamkeit gemäß § 307 BGB anzunehmen. 175) Becker in Bärmann, Wohnungseigentumsgesetz, 10. Aufl., ¤16 Rn. 87. Das gilt grundsätzlich auch bei der Vermietung von Geschäfts- 176) Bassenge in Palandt, BGB, 69. Aufl., 2010, ¤10 Rn. 13; Becker in Bär- mann, Wohnungseigentumsgesetz, 10. Aufl., ¤16 Rn. 106, 107. 180 räumen, da für den Mieter nicht transparent ist, welche Ko- 177) Oben II. 2. sten anfallen können.181 Abgesehen von der Transparenz ist zu 178) LG Karlsruhe, GuT 2002, 177. berücksichtigen, dass die Wohnungseigentümer alle anfallen- 179) LG Wiesbaden, ZMR 1999, 409. den Kosten tragen müssen. Demgegenüber ist die Kostenumle- 180) Schmid, Handbuch der Mietnebenkosten, 11. Aufl., 2009, Rn. 3029; Pfeilschifter, GuT 2002, 163 (164); offen gelassen von OLG Düssel- gung auf den Mieter, auch auf den Gewerberaummieter, zu- dorf, ZMR 2003, 22 = GuT 2002, 178. mindest in der Weise begrenzt, dass ihm kein unübersehbares 181) KG, NZM 2003, 395 für die Instandhaltungsrückstellung. Risiko auferlegt werden und er nicht mit Kosten belastet wer- 182) Vgl. für die Erhaltungslast BGH, GuT 2005, 213 = ZMR 2005, 844. den darf, die nicht in seiner Sphäre ihre Ursache haben.182 Die 183) ¤ 20 NMV 1970. umzulegenden Kostenpositionen müssen deshalb im Einzelnen 184) BGH, NJW 2006, 1419 = MDR 2006, 802 = WuM 2006, 200. 185) Schmid, Handbuch der Mietnebenkosten, 11. Aufl., 2009, Rn. 4181; of- bezeichnet werden. fen gelassen von KG, GuT 2006, 233. 186) BGH, NJW 2006, 1419 = MDR 2006, 802 = WuM 2006, 200. 187) Langenberg, NZM 2004, 365. 188) Vgl. im einzelnen Schmid, Handbuch der Mietnebenkosten, 11. Aufl., Dokumentation, 2009, Rn. 3198 ff. 189) Kahlen in Schmid/Kahlen, Wohnungseigentumsgesetz, 1. Aufl., ¤ 28 Rn. Analyse, Entwicklung 103; Abramenko in Riecke/Schmid, Wohnungseigentumsrecht, 2. Aufl., ¤ 28 Rn. 67. 190) WuM 2008, 223 = GuT 2008, 156. 191) Vgl. BGH, WuM 2008, 223 = GuT 2008, 156. GuT 192) Siehe hierzu ausführlich Blank, NZM 2004, 365; Schmid, ZMR 2008, 260; Milger, NZM 2008, 757 (762). Gewerbemiete und Teileigentum 193) BGH, WuM 2004, 403 = GuT 2004, 186.; Riecke, ZMR 2001, 77 ff. m.w.N.

Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 77 Gewerbebetriebe und Berufsausübung im Wohnungs- und Teileigentum dings noch von der gebäudebezogenen Abrechnung aus. Es sind den Müllbeseitigungskosten nicht zu beteiligen.207 Wohnungs- jedoch keine Umstände ersichtlich, die es verbieten würden, zu- eigentumsrechtlich verbleibt es zunächst bei der allseitigen Ko- mindest bei Gewerberaummietverhältnissen, die wohnungsbe- stentragung nach ¤16 Abs. 2 WEG. Allerdings bietet sich in sol- zogene Abrechnungsmethode zu vereinbaren.194 chen Fällen ein Beschluss nach §16 Abs. 3 WEG an. Sieht die Teilungserklärung die eigene Müllbeseitigungspflicht eines 3. Einzelfälle Wohnungseigentümers vor, ist diese Bestimmung in der Regel Aufzug: Die Kosten des Aufzugs im Hause sind von allen dahin auszulegen, dass dieser Wohnungseigentümer an der all- Wohnungseigentümern nach §16 Abs. 2 WEG zu tragen, auch gemeinen Kostenverteilung nicht teilnimmt. Das alles gilt nicht, wenn der einzelne Wohnungseigentümer, wie der Ladeninha- wenn sich die Verpflichtung des Gewerbetreibenden darauf be- ber im Erdgeschoss, davon keinen Nutzen haben.195 Abwei- schränkt, nur Sondermüll selbst zu beseitigen. Wohnungsei- chende Regelungen sind nach ¤16 Abs. 3 WEG möglich. Da- gentumsrechtlich kann dem durch einen Beschluss nach ¤16 gegen ist der Lastenaufzug, z. B. vom Keller in die Gaststätte, Abs. 3 WEG Rechnung getragen werden. in der Regel Sondereigentum, so dass die Kosten vom Woh- nungseigentümer zu tragen sind. Spielplatz: An den Kosten des Spielplatzes sind auch die Ei- gentümer gewerblich genutzter Einheiten nach ¤16 Abs. 2 WEG Hauswart: In den Abrechnungen der Wohnungseigentümer zu beteiligen.208 Eine abweichende Regelung nach ¤16 Abs. 3 werden die Kosten für den Hauswart meist undifferenziert in ei- WEG bietet sich an. ner Summe ausgewiesen. Bei Gewerberaummietverhältnissen besteht die Beschränkung auf die Umlegungsfähigkeit von Be- Versicherungen: Entstehen Versicherungskosten für einen triebskosten nicht. ¤ 556 Abs.1 BGB gilt nur für Wohnraum- gewerblich genutzten Gebäudeteil, so hält die herrschende miet- mietverhältnisse.196 In der Abrechnung muss deshalb eine Her- gerichtliche Rechtsprechung209 eine Aufschlüsselung und einen ausrechnung von Kosten, die keine Betriebskosten sind, nicht Vorwegabzug der Versicherungen für den Gewerbeteil für er- erfolgen. Insbesondere müssen aus der Hauswartsvergütung forderlich. Dies ist jedoch nur dann zutreffend, wenn auch nicht die Kosten für Instandhaltung, Instandsetzung, Erneue- tatsächlich höhere Kosten entstehen.210 rung, Schönheitsreparaturen und Verwaltung (vgl. ¤ 2 Nr.14 Verwaltungskosten: Die Vergütung des Verwalters ist grund- BetrKV) herausgerechnet werden. Voraussetzung ist allerdings, sätzlich nach §16 Abs. 2 WEG im Verhältnis der Miteigen- dass auch die Umlegung dieser Kosten vereinbart wurde. Eine tumsanteile umzulegen.211 Ein Beschluss nach ¤16 Abs. 3 WEG blo§e Bezugnahme auf die BetrKV197 oder nur die Bezeichnung ist jedoch möglich, was zu einer höheren Kostenbelastung des ãHauswart“ genügen nicht. Werden nämlich in einem Vertrag Gewerbetreibenden führen kann.212 Soweit der Hauswart Ver- Begriffe der BetrKV verwendet, so wird ihnen auch in einem waltungstätigkeiten erledigt, ist eine Herausrechnung aus der Gewerberaummietvertrag die Bedeutung beigelegt, die sie in Hauswartvergütung entsprechend § 2 Nr.14 BetrKV nicht er- der BetrKV haben, soweit nicht ausdrücklich oder durch Aus- forderlich, wenn dies vereinbart wurde.213 legung ein anderer Wille der Parteien zu ermitteln ist.198 Es emp- fiehlt sich deshalb, im Mietvertrag ausdrücklich klarzustellen, V. Schlussbemerkung dass die Hauswartkosten auch insoweit umlegungsfähig sind, Die meisten Streitigkeiten betreffend die gewerbliche Nut- als sie Instandhaltung, Instandsetzung, Erneuerung, Schön- zung von Wohnungs- und Teileigentum sind darauf zurückzu- heitsreparaturen oder die Hausverwaltung betreffen. führen, dass die Teilungserklärungen/Gemeinschaftsordnungen Heizung: Zur Verteilung der Kosten für Heizung- und Warm- hinsichtlich einer beruflichen oder gewerblichen Nutzung nicht wasser kann nach ¤ 5 Abs. 2 Satz 2, ¤ 6 Abs. 2 HeizkostenV ei- durchdacht oder mehr auf die Interessen des Bauträgers als die- ne Voraufteilung zwischen Wohnräumen und Gewerberäumen jenigen der späteren Wohnungseigentümer zugeschnitten sind. stattfinden.199 Die Regelung kann sowohl nach ¤ 3 HeizkostenV Eine gewerbliche Nutzung unterscheidet sich eben deutlich von als auch nach ¤16 Abs. 3 WEG erfolgen.200 Die Wohnungs- einer Wohnungsnutzung. Zulässigkeit und Grenzen der ge- eigentümer haben dabei nach billigem Ermessen zu handeln.201 werblichen Nutzung sollen deshalb von vornherein ebenso klar Einen allgemeinen Grundsatz, dass in Gewerberäumen stets ein festgelegt werden, wie Besonderheiten bei der Kostenvertei- höherer Verbrauch stattfindet, gibt es nicht.202 lung. Instandhaltung: Diese Kosten werden innerhalb der Woh- nungseigentümergemeinschaft durch laufende Zahlungen im Rahmen im Wirtschaftsplans oder durch Sonderumlagen auf- gebracht oder sie werden der Instandhaltungsrückstellung ent- 194) Schmid, Handbuch der Mietnebenkosten, 11. Aufl., 2009, Rn. 1153. nommen. Die Verpflichtung zur Instandhaltung und Instand- 195) Kahlen in Schmid/Kahlen, Wohnungseigentumsgesetz, 1. Aufl., ¤16 Rn. setzung kann bei der Gewerberaummiete Ð auch formular- 68. mäßig203 – auf den Mieter übertragen werden, soweit sie sich 196) Schmid in Schmid, Mietrecht, 2. Aufl., 2009, ¤ 556 Rn. 1. 197) OLG Celle, ZMR 1999, 238 = WuM 2000, 130. auf Schäden erstreckt, die dem Mietgebrauch oder der Risi- 198) OLG Düsseldorf, DWW 2000, 194 = GE 2000, 888; OLG Jena, NZM kosphäre des Mieters zuzuordnen sind. Die zulässige Abwei- 2002, 70; Schmid, Handbuch der Mietnebenkosten, 11. Aufl., 2009, Rn. chung vom gesetzlichen Leitbild findet aber dort ihre Grenze, 3007. wo dem Mieter die Erhaltungslast von gemeinsam mit anderen 199) Schmid, Handbuch der Mietnebenkosten, 11. Aufl., 2009, Rn. 6114. genutzten Flächen und Anlagen ohne Beschränkung der Höhe 200) Schmid, ZMR-Sonderheft, Verordnung über die Heizkostenabrechnung Ð HeizkostenV Ð ¤5 Nr.19; ders. DWE 2008, 38 (42). nach auferlegt wird. Damit werden dem Mieter auch Kosten 201) Schmid, Handbuch der Mietnebenkosten, 11. Aufl., 2009, Rn. 6115. übertragen, die nicht durch seinen Mietgebrauch veranlasst sind 202) AG Berlin-Schöneberg, GE 1986, 1177. und die nicht in seinen Risikobereich fallen. Die Übertragung 203) Schmid, Handbuch der Mietnebenkosten, 11. Aufl., 2009, Rn. 5535; der Erhaltungslast gemeinschaftlich genutzter Flächen und An- Pfeilschifter, GuT 2002, 163. lagen ist allenfalls dann wirksam, wenn sie in einem bestimm- 204) BGH, ZMR 2005, 844 = NZM 2005, 863 = GuT 2005, 213. 205) Bub, NZM 1998, 789, 793; Wodicka, NZM 1999, 1081; KG, NJW-RR 204 ten, zumutbaren Rahmen erfolgt. In der Literatur und Recht- 2003, 586. sprechung wird hierzu beispielsweise eine Kostenbegrenzung 206) KG, NJW-RR 2003, 586 = NZM 2003, 395 = GE 2002, 1266. auf einen festen Prozentsatz der Jahresmiete vorgeschlagen.205 207) OLG Naumburg, ZMR 2003, 260. Eine Überwälzung der Beiträge zur Instandhaltungsrückstel- 208) Vgl. Kahlen in Schmid/Kahlen,Wohnungseigentumsgesetz, 1. Aufl., ¤16 Rn. 90. lung auf den Gewerberaummieter ist grundsätzlich möglich, 209) LG Berlin, GE 1993, 190; AG Gütersloh, WuM 1995, 660. aber nur dann wirksam vereinbart, wenn sie betragsmäßig be- 210) Schmid, Handbuch der Mietnebenkosten, 11. Aufl., 2009, Rn. 5274; vgl. grenzt ist.206 auch AG Köln WuM 1997, 648. 211) Kahlen in Schmid/Kahlen, Wohnungseigentumsgesetz, 1. Aufl., ¤16 Rn. Müllbeseitigung: Gewerberaummieter sind häufig vertrag- 109. lich verpflichtet, selbst für die Müllbeseitigung zu sorgen. Ein 212) S. o. IV. 1. c). Mieter, der zur eigenen Müllentsorgung verpflichtet ist, ist an 213) Vgl. oben Stichwort ãHauswart“.

78 Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 Wir machen uns eine schöne neue Stadt

Dr. Mario H. Kraus, Berlin Wir machen uns eine schöne neue Stadt! Über Chancen und Risiken von Quartierszertifizierungen

Trend oder Rezept? dergegeben, Interessen und Positionen nur weniger Beteiligter Ein Bericht des Deutschen Verbandes für Wohnungswesen, berücksichtigt werden. Auch erzeugen solche Verfahren einen Städtebau und Raumordnung behandelt die in Deutschland noch Abstraktionsgrad, der eben jene Gruppen der Bevölkerung aus- neuen Quartierszertifizierungen (Pahl-Weber u. a. 2009). Sol- schlie§t, deren Befindlichkeiten auch bisher kaum beachtet wur- che Ma§nahmen sollen sichern, dass Siedlungsräume künftig den. bestimmten Anforderungen genügen (lat. certum facere, sicher Ansätze und Grundlagen machen); sie können „ganzheitlich“ die Lebensverhältnisse im Gewiss können wichtige Eigenschaften eines jeden Sied- Einzugsgebiet einbeziehen oder nur einzelne Sachverhalte lungsgebietes zunächst wertungsfrei anhand bestimmter Merk- (umweltschonende Heiztechnik, altersgerechtes Wohnen, ...). male dargestellt werden: Wie oft seit Beginn der Moderne geschieht Stadtentwicklung zwischen schwierigen Wirtschaftslagen und umfassendem Be- Ð(verwaltungsmäßige/räumlich-örtliche) Lage, Einbettungen völkerungswandel; das Spannungsfeld umfasst den Wettbewerb und Nachbarschaften der Städte und Gemeinden um Zuzug (damit um Steuermittel), ÐBebauungsdichte, Nutzung(sdichte), Erhaltungszustand (Sa- die Ausdünnung der Flächenländer und zunehmende Verwer- nierungsstatus, Energiebilanz), entwicklungsgeschichtlich fungen in Ballungsgebieten, steigende Energiekosten und sin- bedingte Besonderheiten kende Einkommen. Einerseits werden zeitgemäße und verläss- ÐBevölkerungszusammensetzung/-merkmale: Alter, Einkom- liche Planungsgrundlagen einschließlich Qualitätssicherung in men, Herkunft, Haushaltsgröße, Ortsbindung/Verweildauer den verbleibenden Handlungsspielräumen gesucht; andererseits (Fluktuation), Verschuldung, Gesundheitszustand, Aufkom- ist der grundgesetzlichen Forderung nach sach- und bedarfsge- men an Straftaten, … rechtem Einsatz von Bundesmitteln nachzukommen, ã(1) ... die 1. zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleich- Ð Nutzungs-/Ertragskennzahlen: Miet- und Eigentumsquoten, gewichts oder 2. zum Ausgleich unterschiedlicher Wirtschafts- Leerstand, Mieterträge, Grundstückspreise, Grundsteuerauf- kraft im Bundesgebiet oder 3. zur Förderung des wirtschaftli- kommen, … chen Wachstums erforderlich sind. (2) ... Die Mittel sind befri- ÐVerkehrsaufkommen und -anbindung (Stadtverkehr, Auto- stet zu gewähren und hinsichtlich ihrer Verwendung in regel- bahn, öffentlicher Nahverkehr) mäßigen Zeitabständen zu überprüfen“ (Art. 104b GG). ÐVersorgungslage: Einzelhandel, Sportstätten, Kultur, ... Der Bericht zeigt die Schwachstellen heutiger Zertifizie- Ð Lärm- und Schadstoffbelastung (Verkehrswege, Gewerbe- rungskonzepte. So ist ein „Quartier“ (1.) weder verwaltungs- gebiete) rechtlich noch stadtplanerisch näher bestimmt; ist dieser Begriff Solche Datenkataloge werden von Verwaltungen, Verbänden für bestehende Stadtrand-Großsiedlungen, Neubauvorhaben und Wohnungsunternehmen geführt; auf Bundesebene gibt es von Wohnanlagen oder die Umwidmung alter Gewerbeflächen die Raumbeobachtung des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und gut verwendbar, sind Abgrenzungen innerstädtischer Lagen Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und schwerer und bestehende Verwaltungsgrenzen meist zu grob. Raumordnung (BBR). Zudem wird städtischer Gestaltungsaufwand durch die Eigen- tumsverhältnisse bestimmt, die in ersteren Fällen übersichtlich, Vor Ort sind die Innenwirkung (Zufriedenheit, Sicherheits- in letzteren vielfältig sind. Zertifizierungen geschahen daher in gefühl) und die Au§enwirkung (Bekanntheitsgrad, Erschei- Europa, Australien oder den USA bisher vorrangig bei Neu- nungsbild) zu erfragen: ãVerbesserungen“ werden vielerorts ge- bauvorhaben; hier „können sehr viel eher allgemeingültige Kri- fordert, doch ein Stadtteil Ð bereits eine Wohnanlage! Ð ist ein terien und Maßstäbe an eine zukunftsfähige Entwicklung zu komplexes (multifaktoriell-multikausales) Sozialsystem. Spal- Grunde gelegt werden als im Bestand.“ Die Möglichkeit zur tungen (Segregationen/Fragmentierungen) städtischer Sied- ãAuswahl“ der künftigen Anwohnerschaft und/oder einiger ãge- lungsräume wurden über Jahrzehnte auch in Deutschland im- fälliger“ Merkmale erleichtert das Verfahren. mer deutlicher, so entlang der Trennlinien „Alter“, ãEinkom- men“, „Herkunft“ oder „Bildung“: Soziokulturelle Migrations- Noch fehlen (2.) Erkenntnisse über Sinn und Nutzen von Differenzierungs-Phänomene ließen eine Vielzahl von (Sub-) Quartierszertifizierungen unter hiesigen Verhältnissen, die Ein- Kulturen und Milieus entstehen. So haben unterschiedliche ordnung in das Baurecht sowie eine sachdienliche Fassung des Gruppen unterschiedliche Ansichten, was an ihrer Stadt, ihrem Begriffs ãNachhaltigkeit“: Bestandsentwicklung und Baupla- Stadtteil, ihrem Wohngebiet „gut“ oder „schlecht“ ist; anderer- nung in Siedlungsräumen erzeugen vielfache Wechselbezie- seits verursachen jegliche Veränderungen (von „innen“ oder hungen mit dem Umfeld, Qualität kann nicht in einen Bestand „außen“) nicht nur Kosten, sondern je nach Ansatz, Umfang und „hineingeprüft“ werden, und eine Abweichung von den Anfor- Dauer verschiedenste (gewünschte oder gefürchtete!) Ergeb- derungen erfordert wirksame und bezahlbare Folgema§nahmen. nisse. Daher ist zu prüfen, ob staatliche Bemühungen nötig sind, nicht Beteiligte und Betroffene (Anwohnerschaft, Behörden, Woh- eher neue Trends zur besseren Markterschlie§ung geschaffen nungsunternehmen) benennen oftmals bereitwillig (und wert- werden oder es gar darum geht, im Dunstkreis des Baurechts bestimmt!) Verbesserungsbedarf, teilweise gegensätzlich oder vollendete Tatsachen zu schaffen. widersprüchlich (Konkurrenz), teilweise ergänzend (Komple- Quartierszertifizierungen sind Komplexitätsreduktionen und mentarität): erzeugen (scheinbare!) Transparenz; sie überführen Qualitäten ÐVerringerung des Leerstandes, Erhöhung des Flächenumsat- (Kriterien: Aussagen über Merkmale) in Quantitäten (Indika- zes und -gewinns toren: Ausdruck der Merkmale durch Größen). Das Zusam- menfassen von Merkmalen in Bewertungen macht verschiede- Ð Umwidmung von Gewerbeflächen für Wohn- und Kultur- ne Siedlungsräume und Entwicklungszustände vergleichbar, zwecke, auch Rückbau/Begrünung doch sind (3.) Zertifikate keine Garantien: Stets werden nur Aus- schnitte der Lebenswelt gezeigt und gewichtet, die Wahrneh- Dr. phil. Mario H. Kraus, Konfliktsoziologe und Mediator, betreut seit Jah- mung gelenkt und beschränkt; „Schlupf“ und Streit drohen, ren ein Wohnungsunternehmen des Landes Berlin und lehrt Mediation an der wenn die (empfundenen!) Wirklichkeiten nicht hinreichend wie- Humboldt-Universität zu Berlin und der Universität Rostock.

Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 79 Wir machen uns eine schöne neue Stadt

Ð Förderung der Nachhaltigkeit und des Umweltschutzes (hin- Wohnlagen oft auf Selbstabgrenzung mit freiwillig getragenen sichtlich der Verwendung von Baustoffen sowie der Ver- und Mehrkosten beruhen, um „seine Ruhe“ und keine Schnittmen- Entsorgung) gen mit anderen Lebenswelten zu haben. ÐSchaffung und/oder Erhaltung einkommens-, alters- oder fa- Ursachen und Wirkungen miliengerechten Wohnraums ãEin Zertifizierungssystem kann nur dann grundsätzlich er- ÐSchaffung und/oder Erhaltung von Sport- und Erholungs- folgversprechend sein, wenn es die tatsächlich vorhandenen Ein- flächen flussmöglichkeiten in den Mittelpunkt stellt.“ Diese im Bericht Ð Förderung eines Sicherheitsgefühls geforderte Einschränkung würde die vielfältigen Rückkopp- lungen städtebaulicher oder wohnwertverbessernder Ma§nah- ÐVermittlung eines Lebensgefühls, Beitrag zur Au§enwirkung men missachten; viele Größen bestimmen das Lebensgefühl in der Stadt/Gemeinde einem Gebiet. Vielmehr sind im Einzelfall die Vor- und Nach- Doch was soll damit geschehen? Was ist wichtig, was ist teile (meist: Kosten und Nutzen) für alle Beteiligten (Mie- machbar? ter/Käufer, Eigentümer, Gemeinde) abzuschätzen, etwa mittels einer Matrix aus den Kategorien Zertifizierung („ja“ – „nein“) Chancen und Risiken und Lage/Zustand („gut“ – „mittel“ – „schlecht“); sämtliche Quartierszertifizierungen sind ein Versuch, künftige Ent- Veränderungsansätze sind wie folgt zu hinterfragen: wicklungen vorauszusehen oder gar zu lenken; doch gerade die derzeitige Wirtschaftslage fördert nicht die Erwartungssicher- ÐWas geschieht, wenn wir etwas machen? heit: Wohnungsunternehmen werben vergeblich um junge Fa- ÐWas geschieht, wenn wir nichts machen? milien mit guten Einkommen, wenn diese Zielgruppe in der Re- ÐWas geschieht nicht, wenn wir etwas machen? gion wenig vertreten und bereits versorgt ist: Sind junge Fami- ÐWas geschieht nicht, wenn wir nichts machen? lien mit geringen Einkommen und möglicherweise diversen Be- lastungen dann auch willkommen? Stadtplanung umfasst stets Der heutige und der künftige (angestrebte) Zustand müssen Vermutungen (seltener: Wissen) über eine künftige Bevölke- genau beschrieben werden; nur der Vergleich beider ergibt sinn- rung: Was können wir heute wissen über die deutschen Städte volle Aussagen über den (Miss-)Erfolg, verschwommene Zie- des Jahres 2050? le erzeugen verschwommene Ergebnisse. Rechnerisch erscheint das Problem einfach: Eine Maßnahme soll abhängig von der Quartierszertifizierungen umfassen den Abgleich von Zu- Zeit t einen heutigen Grundzustand G0 in Richtung eines Grenz- ständen, aber auch von Werten, was weitere Fragen aufwirft: werts G verschieben; der Übergang wird durch eine Verlaufs- Wessen Werte sollen wem auferlegt werden, weshalb soll dies 1 größe v1 bestimmt (Einflüsse des Umfeldes) und beginnt mit geschehen? Wem nutzt dies, wem schadet es? Was soll mit den dem Wende(zeit)punkt t der Kurve: Menschen und Verhältnissen geschehen,die diesen Werten nicht 1 entsprechen? Dazu können alte und geringverdienende, kranke G )( GtG += 1 und obdachlose Menschen ebenso gehören wie gemeinschaft- 0 1 exp( ( −⋅−+ ttv )) liche Rückzugsräume und wildgenutzte Freiflächen. Nachhal- 1 1 tig-hochwertige Sanierungen sind sinnvoll, beschränken aber Die Zeitachse kann mit kurz-, mittel- und langfristigen Ziel- die Nachfrage; das „Durchsanieren“ einer Wohnanlage ist eine marken eingeteilt werden. Ist der Grenzwert zu niedrig oder gute Gelegenheit, weniger erwünschte Mieterschaft loszuwer- zu schwer erreichbar, muss er erhöht, der Wende(zeit)punkt den Ð damit aber auch diejenigen, die alt, arm oder krank, aber vorgezogen, die Gesamtentwicklung beschleunigt werden (G2 ansonsten keinesfalls auffällig sind. Partizipationsinstrument > G1,t2 < t1,v2 > v1); eine andere Maßnahme ist zu erwägen und Investitionsfaktor Ð beides geht nicht zusammen, wie auch (Abbildung). Die Zielannäherung („von oben“) folgt aus einer Aufwertung „guter“ Lagen (Gentrifizierung) die Abwer- exp( ( −⋅− ttv )) tung der „schlechten“ (Stigmatisierung) gegenübersteht (jeweils tGGG )( =−=∆ 1 1 −⋅ GG 1 −⋅−+ 01 mit Breitenwirkungen, zu denen im letzteren Fall höhere Ver- 1 exp( 1 ( ttv 1 )) sicherungsprämien und Kreditzinsen gehören). (Gleichungen gelten entsprechend für G2), die Zielerreichung Quartierszertifizierungen umfassen Vergleiche: Die eine Sei- (ãvon unten“) aus te hat eine Vorstellung, wie ein Gebiet in fünf, zehn oder zwan- − tG )( zig Jahren beschaffen sein soll (längere Zeiträume sind kaum )( GtG 0 ⋅= ZE = ⋅ %100 ZE %100 sinnvoll planbar); die andere Seite hat (a) eine andere Vorstel- − GG G 01 1 lung, (b) mehrere andere Vorstellungen oder (c) keine Vorstel- lung. Dies prägt die weiteren Abläufe und bestimmt die Wahr- scheinlichkeit von Ereignissen; ob sich Streitgegenstände und (ausgehend vom Ausgangszustand oder einem „Urzustand“). Streitgelegenheiten (also: Konfliktkonstellationen) ergeben, liegt am Verhältnis von Gegensätzlichkeiten (ãsowohl-als auch“) und Widersprüchen („entweder-oder“). Grundsätzlich geht es um Macht: Wer kann möglichst große Gebiete über möglichst lange Zeit gestalten und damit das Leben von möglichst vielen Menschen beeinflussen? Wer sich durchsetzt, bestimmt die Ge- stalt eines Gebietes über längere Zeit und kann den Ertrag (nicht immer: Geld!) beanspruchen. Quartierszertifizierungen verursachen (Folge-)Kosten durch das Verfahren und die für nötig gehaltenen Veränderungen. Schon die Qualitätszertifizierungen (DIN EN ISO 9000er-Rei- he) zeigten, dass Bewertungen eine gute Einnahmequelle für die bewertenden Einrichtungen sind. Sofern die Gemeinde die Kosten trägt, kann sie darauf hoffen, sie nach einer Aufwertung über Grund-, Grunderwerbs- und Gewerbesteuern zurückzuer- halten. Sofern ortsansässige oder ortsferne Eigentümergemein- schaften und Liegenschaftsgesellschaften die Kosten tragen, werden sie sich an ihre Mieterschaft halten: Zu den Folgeko- Erfolgreicher ist die jeweils wirksamere Maßnahme (Fläche sten gehören einerseits die Aufwendungen für Sanierungen und zwischen den Kurven), wobei der Ertrag höher sein muss als Rückbauten mit anschließenden Mietsteigerungen, wobei gute die Kosten. Die Abgleiche sind für alle Kennzahlen vorzuneh-

80 Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 Wir machen uns eine schöne neue Stadt men. Gewiss überlagert die angedeutete Komplexität die Ein- gentlich die Bewohner? Wer aufgrund staatlicher Unterstützung flussgrößen, es gibt stets Wechselwirkungen, Schwellenwerte seine Miete nicht selbst zahlt, dem werden Zertifizierungen und Rückkopplungen; aber einerseits werden viele Größen gleichgültig sein; wer wenig verdient, wird lieber niedrige Mie- durch rechtliche Vorgaben (Bauausführung, Bestandsschutz, ten haben wollen. Gemeinschaftseinrichtungen und Mitbe- Miethöhe) oder diverse Bedingungen (Vertragsbindungen, Ko- stimmung gelten den einen als Zeichen der Gutnachbarschaft- stenrahmen, Zeitdruck) vorgegeben, andererseits erledigen sich lichkeit, den anderen als Zumutung: Anonymität wird auch als Teilfragen durch einzelne Breitbandwirkungen (Au§enwirkung Wert der Stadt geschätzt. Einigkeit entsteht nur durch Gemein- des Gebiets, Mietsteigerungen, …). samkeiten, also gemeinsame Ziele (Positivmotivation) oder ge- meinsame Feindbilder (Negativmotivation). Einordnungen und Bedenken In begehrten Gebieten können Quartierszertifizierungen be- Fazit stenfalls die Vermarktung fördern, den geforderten Preis recht- Der Bericht betont, dass Auseinandersetzungen über Streit- fertigen und die zeitgemäße Ausstattung betonen; ansonsten fragen der öffentlichen Debatte dienen und fordert deutsche Mo- locken Trendgegenden auch ohne „Stempel“. In mittleren La- dellprojekte: ãDie Fallgruppen ‘Neubau’ und ‘Bestand’ sollten gen wirken fallweise starke Situations- und Kontexteffekte, wie vertreten sein.“ Noch fehlt Wissen hinsichtlich der Durchführ- die Einbindung in das Umfeld, die Bevölkerungszusammen- barkeit (und Nachvollziehbarkeit!) solcher Verfahren, der An- setzung oder die Wirtschaftslage. Quartierszertifizierungen in schlusspunkte für Folgehandlungen, des Rechtsrahmens, der benachteiligten Gebieten können Entwicklungsrückstände und Wirksamkeitsmessung oder eben der Mitbestimmung. Zertifi- Verwerfungen bestätigen und Veränderungsbedarf aufzeigen. zierungen können Aufwertungen (Gentrifizierung) fördern, oh- Doch was geschieht dann? Auch in solchen Wohnlagen steigen ne offenkundig zu verdrängen, oder auch lediglich Alibifunk- die Mieten (anders als die Grundstückspreise) – nicht durch star- tionen erfüllen („wenn alle ein Siegel haben, brauchen wir auch ke Nachfrage, sondern durch häufige Wechsel (bei Gewerbe- eins“). Sie können nicht die Entsiedlung in Flächenländern ver- mieten besteht erfahrungsgemäß ein größerer Verhandlungs- hindern, wo Eigentümer in verzweifelter Hoffnung auf bessere spielraum). Kosten werden vergesellschaftet: Viele Wohnungs- Zeiten und mangels Käufern an den Liegenschaften festhalten; unternehmen verweisen in Erhöhungsbegehren auf das (aus sie können nicht Ideen ersetzen, mit denen jede Entwicklung Steuermitteln erbrachte) Wohngeld; Eigentümer können Kri- beginnen muss: Ein zeitgleich mit dem Bericht erschienenes senzeiten überbrücken, sei es durch ãMiete vom Amt“ oder Ver- Buch zeigt anschaulich, dass Inhalte immer noch wichtiger als lustabschreibungen. Auch die Gemeinden leiden nicht immer: Verpackungen sind, dass durchaus zutreffende Feststellungen Kurz- bis mittelfristige Mehrbelastungen der Mietbevölkerung über den Ernst des Lebens nicht das wahre Leben ersetzen kön- werden selten vom Wohngeld ausgeglichen, mittel- bis langfri- nen (Links & Volke 2009). stige Steuereinnahmen aber meist höher ausfallen. Quellen Der Bericht weckt Hoffnungen auf einen förderlichen Wett- Links, Christoph & Kristina Volke (2009): Zukunft erfinden. bewerb: Entwickelte Gebiete sollen Impulse auf weniger ent- Kreative Projekte in Ostdeutschland. Links Verlag, Berlin wickelte übertragen, im weiteren Sinn die Au§enwirkung der gesamten Gemeinde günstig beeinflussen. Doch geht es Pahl-Weber, Elke u. a. (2009): Kommission ãZertifizierung in zunächst um die Schaffung von Homogenität in einer Gesell- der Stadtentwicklung“. Bericht und Perspektive. Deutscher schaft der Heterogenität, auch hinsichtlich der Befriedung des Verband für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung, jeweiligen Einzugsgebietes. Veränderungen in Siedlungsgebie- Berlin ten werden stets von der Verteilung der Ressourcen gelenkt Ð Information, Kapital, Emotion. Und schrumpfende Gestal- tungsspielräume von Bund, Ländern und Gemeinden lassen im- mer mehr Raum für verschiedenste wirtschaftliche Verwer- tungsansätze, die sich letztlich lohnen müssen: Gewinner- zielungsabsichten aber bedienen sehr unterschiedlich verteil- ten Raumbedarf. Der Aufkauf ehemals städtischer oder kör- perschaftlicher Wohnungsunternehmen wurde mit Befürchtun- Zu ãGewerbemiete und Teileigentum" (GuT) Ausgabe gen beobachtet; doch gibt es mit Gründungen von Mieterge- November/Dezember 2009 erschien die Beilage 51a zu nossenschaften, Kinderläden, Schulen oder der Tätigkeit von Heft 51: Baugruppen auch gute Gegenbeispiele für gemeinschaftsstif- Mario H. Kraus, tende und sinnvolle Siedlungsgestaltung. Die Zukunft wird zei- Konfrontation, Kooperation, Kommunalmediation? gen, ob sich so die Spaltung verstärkt, ob Mikrointegration zwangsläufig Makrodesintegration bewirkt. Stellenwert einvernehmlicher Streitbeilegung in städtischen Siedlungsräumen Erfolg haben stets die Gruppen, die nicht nur wissen, was sie wollen, sondern auch die Mittel haben, dies zu erreichen (schon Die Beilage 51a wurde den Abonnenten mit Heft 51 ersteres ist nicht selbstverständlich!) Und so entstehen immer ausgeliefert. wieder neue, aber nie ausgewogene Verhältnisse von Selbst- und Beilagen zu ãGewerbemiete und Teileigentum" (GuT) Fremdbestimmung (Autonomie-Heteronomie-Balancen); es werden nur im Rahmen eines Abonnements ohne gibt weder „die Bürger“ noch „die Mieter“, weder ãdie Armen“ Aufpreis ausgeliefert. Im Einzelbezug der GuT sind noch ãdie Alten“, dafür aber eine Milieuspezifik der Sozial- Beilagen nicht enthalten. kompetenzen. Angesichts der gesellschaftlichen Umbrüche mit Einzelstücke der Beilage 51a, Umfang 134 Seiten, DIN A4, schnellen Handlungsabfolgen und wachsendem Verwertungs- können zum Preis von 20,00 EUR inkl. 7% MwSt zzgl. druck, überforderungsbedingtem Vergessen und Verdrängen Porto bei der Prewest Verlag Pressedienste Medien und weckt auch das Verdrängen der ursprünglichen Bevölkerung Kultur GmbH, Fax 0228/470954, [email protected], nicht zwangsläufig öffentliche Empörung. Entsprechend sind bezogen werden. Preis bei Mehrbezug auf Anfrage. auch Quartierszertifizierungen zu hinterfragen: Was wollen ei-

Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 81 Wirtschaft und Verbände

Wirtschaft und Verbände

Prof. Dr. Ramón Sotelo, Honorarprofessur Immobilienanlageprodukte, Bauhaus-Universität Weimar Anmerkungen zur Finanzkrise aus immobilienökonomischer Sicht

0Executive Summary tisierung nicht umsetzen. Deutschland ist aufgrund der weiter- 1 Einleitung hin hohen Mietquote auch aus dieser Perspektive nicht von der Immobilien-Finanzkrise betroffen. Eine Erhöhung der Miet- 1.1 Die politische Situation quote ist vielmehr ein Lösungsansatz für die Probleme auf dem 1. 2 Der notwendige Paradigmenwechsel in der betrieblichen US-amerikanischem und dem spanischen Markt. Auch bei der Finanzwirtschaft politischen Ausrichtung auf das selbstgenutzte Wohneigentum 2Wohneigentumsbildung als Ursache der Finanzkrise handelt es sich primär nicht um ein Markt-, sondern um ein Staatsversagen, als die volkswirtschaftlich teurere Finanzierung 3Vehikel zur Immobilienfinanzierung als Ursache des selbstgenutzten Wohneigentums politisch bedingt subven- der Finanzkrise tioniert worden ist bzw. nicht die für einen effizienten Mietmarkt 3.1 Finanzierungstheoretischer Hintergrund notwendigen Rahmenbedingungen geschaffen worden sind. 3. 2 Lektionen aus der Finanzkrise für die Gestaltung von Eine dritte Perspektive betrachtet schlie§lich die Finanzie- Finanzierungsvehikeln und Immobilienanlageprodukten rungsvehikel in den jeweiligen Märkten. Hier zeigen sich ekla- Literatur tante Unterschiede auch im jeweiligen Bankenmarkt. ABS- Strukturen sind offenbar ein gutes Beispiel einer unzureichen- den Konstruktion von Finanzierungsvehikeln, die im Geiste neo- 0 Executive Summary klassischer Finanzierungstheorie erfolgte. Deutschland steht Die Immobilien- und Finanzkrise kann aus drei unterschied- auch diesbezüglich insbesondere mit den Pfandbriefen wesent- lichen Perspektiven betrachtet werden. lich besser da und auch die USA haben derweil mit den Covered Bonds Strukturen dieser Art übernommen. Weil Bankenfinan- Aus einer geldpolitischen Perspektive kann die Ursache der zierungen zukünftig nicht mehr im bisherigen Maße vorhanden Finanzkrise in den zu geringen Zinsen in den USA nach 2001 sein werden und sollen, ist als wesentliche Lektion aus der Im- erkannt werden. Auch in Spanien lagen die Zinsen im Zusam- mobilien- und Finanzkrise die Forderung nach einer Weiter- menhang mit der Einführung des Euros in Bezug auf die inter- entwicklung und Optimierung bestehender Immobilienanlage- ne Preissteigerungsrate auf geringem Niveau. Die zu geringen vehikel zu fordern. Die Diskussionen um die Gestaltungsmög- Zinsen haben in beiden Fällen zu geringen bisweilen negativen lichkeit geschlossener Immobilienfonds, der weiteren Refor- Realzinsen geführt, in deren Folge die Immobilienmärkte preis- men der offenen Immobilienpublikumsfonds auch im Sinne des lich explodieren mussten, weil Vermögensbesitzer Immobilien zwischenzeitlich in der Versenkung befindlichen Ansatzes aus quasi als Geldersatz betrachtet haben. Alternativ kann formu- dem BMF mit der Einführung sicherheitsorientierter Fonds und liert werden, dass sich bei negativen Realzinsen die Verschul- insbesondere die intelligente Weiterentwicklung der Deutschen dung für den Immobilienerwerb lohnt, was wiederum einen sich REITs hin zur Wahlfreiheit zur Börsennotierung und der vollen selbst verstärkenden Prozess der Preisentwicklung auf den Im- Integration von Wohnungsbeständen ist eine notwendige Kon- mobilienmärkten produziert. Ab einem bestimmten Punkt kau- sequenz aus der Finanzkrise. Auf die Besonderheiten der je- fen Vermögensbesitzer dann Immobilien, weil die erwartete weiligen Marktstrukturen im Bankensektor wird nicht einge- Preissteigerung allein bereits eine auskömmliche Verzinsung gangen. des Kapitals verspricht. Nachdem Deutschland im Zuge der Ein- führung des Euros, die ökonomisch auch als Einführung der D- 1 Einleitung Mark in weiteren europäischen Länder interpretiert werden Die Finanzkrise wurde im Frühjahr/Sommer 2007 erstmals kann, eher für die Volkswirtschaft und in Bezug auf die interne spürbar und wurde zunächst in einem Zusammenbruch der Preissteigerungsrate recht hohe Zinsen verzeichnet hat, ist es Märkte für ABS-Strukturen sichtbar. Bei einem Teil der ABS- bei uns nicht zu dem beschriebenen exzessiven Preissteige- Papiere waren Kredite gebündelt, die notleidend werden konn- rungsprozess bei Immobilien gekommen. Weil dieses Papier ten bzw. bereits geworden waren (Subprime). kein primär geldpolitisches ist, wird dieser Aspekt nur peripher In der Zwischenzeit hat sich die Subprime-Krise in eine Fi- behandelt. Erwähnt werden muss jedoch, dass es sich bei der nanzkrise unvorstellbaren Ausma§es entwickelt, die unisono als für die Krise wesentlichen geldpolitischen Dimension nicht um schwerste Krise seit dem Börsenkrach von 1929 mit der an- ein Markt-, sondern um ein Staatsversagen nicht völlig unab- schlie§enden gro§en Depression wahrgenommen wird. Eine hängiger Zentralbanken handelt. mögliche weltweite Rezession scheint die weitere Folge dieser Aus einer zweiten Perspektive können hohe bzw. steigende Krise zu sein. Das amerikanische Repräsentantenhaus hat die Eigentumsquoten als Ursache der Immobilienkrise erkannt wer- größte Rettungsaktion in der Wirtschaftsgeschichte der Verei- den, weil das selbstgenutzte Wohneigentum finanzierungs- nigten Staaten beschlossen, ebenso die Bundesregierung und theoretisch betrachtet eine eigenkapitalähnliche Finanzie- folgend und Bundesrat. rungsform darstellt, die volkswirtschaftlich mit hohen Kosten verbunden ist. Dieser Aspekt ist besonders in den USA augen- 1.1 Die politische Situation scheinlich, wo sich die Eigentumsquote bereits von einem ho- Wenngleich sich dieses Papier auf die immobilienökonomi- hen Niveau ausgehend in den Jahren vor der Krise nochmals schen Fragen beschränkt, muss – gerade weil es auch die mög- signifikant um rund acht Prozentpunkte erhöht hat. Auch in Spa- lichen immobilienökonomischen Lösungen und Lektionen be- nien ist die hohe Eigentumsquote ein Charakteristikum des trifft Ð auch die aktuelle gesellschaftliche und politische Stim- Marktes. Deutschland hat innerhalb Europas nach der Schweiz mung analysiert werden. Die US-amerikanische Zentralbank die höchste Mietquote. Viele Portfolio-Investoren der jüngsten hat in Folge der Anschläge vom 11. September 2001 die Zin- Vergangenheit mussten schmerzlich erfahren, dass es gute öko- sen in dramatischer Weise gesenkt, um einem möglichen nega- nomische Gründe für die hohe Mietquote gibt und konnten ih- tiven Schock der Wirtschaft zuvor zukommen. Die Realzinsen re Business-Pläne bezüglich einer umfangreichen Mieterpriva- waren in den Vereinigten Staaten über Jahre negativ. Steigende

82 Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 Wirtschaft und Verbände

Immobilienpreise sind stets eine natürliche Folge negativer Warren Buffett schreibt zur neoklassischen Finanzierungs- Realzinsen mit der Folge, dass bei Immobilieninvestitionen und theorie, dass er selbst gerne viele Lehrstühle hierzu sponsern damit auch bei Immobilienfinanzierung nicht mehr primär auf möchte, damit die Mehrheit der Kaufleute dieser Theorie wei- die Erträgnisse aus den vermieteten Immobilien oder die Ein- ter folgen und er so ungestört nach den Investitionsprinzipien kommenssituation der Erwerber selbstgenutzter Immobilien ge- des Value Investings Geld verdienen kann. Buffett geht näm- schaut wird, sondern auf die Preisentwicklung der Immobilien, lich anders als die neoklassische Finanzierungstheorie davon die jedoch keine reale, sondern eine monetäre Ursache haben. aus, dass es einen Unterschied zwischen dem Preis für ein Un- Akademischer Ausdruck dieses Wahns war auch, die Messung ternehmen und seinem Wert gibt. von Einkommenszuwächsen infolge steigender Preise für Im- Die neoklassische Finanzierungstheorie hat ihre Annahmen mobilien als positiven und nachhaltig zu pflegenden Faktor ei- nicht selbst erfunden, sondern diese aus der Neoklassischen ner Wirtschaftspolitik zu formulieren. Ökonomie des XIX. Jahrhunderts übernommen. Die Neoklas- Wenn Zentralbanken das Geld preiswerter machen, als es die sik wiederum hat diese Annahmen aus der klassischen Ökono- Vermögensbesitzer haben möchten, sind Banken als Scharnier mie übernommen, als deren Begründer Adam Smith gelten darf. zwischen der Geldpolitik und der sogenannten Realwirtschaft Das Denken von Adam Smith und in Folge jenes der Klassik, quasi gezwungen, Kredite herauszureichen, die sich eigentlich Neoklassik sowie der neoklassischen Finanzierungstheorie ist nicht rechnen können. Wenngleich eine wesentliche makroö- von einer Gleichgewichtsmetapher geprägt. Wenngleich es ins- konomische Ursache der Finanzkrise die Politik der Zentral- besondere die Leistung des frühen Keynes aus der Treatise on banken und damit Ð je nach Währung – mehr oder weniger un- Money war, diese Metapher gerade in Bezug auf Währungs- abhängiger staatlicher Institutionen ist, wird die Ursache der theorie aufzugeben und schlie§lich auch in seiner Allgemeinen Krise medial und von der Öffentlichkeit getragen als ein Markt- Theorie nicht mehr zu verfolgen, hat sie eine Wiederbelebung versagen gesehen, verursacht durch Unprofessionalität und Gier nach dem II. Weltkrieg bei John Richard Hicks und seiner Schu- der handelnden Personen. Diese Fehlinterpretation ist vielleicht le der Equilibrium Economics erfahren. In Deutschland hat ins- in ihrer Auswirkung auf die künftige politische und wirtschaft- besondere Hajo Riese das Konzept des Ungleichgewichts rezi- liche Entwicklung noch gravierender als die Krise selbst. tiert und die Schule des Monetär-Keynesianismus begründet. Von Interesse ist in diesem Zusammenhang die Beobachtung, Auch in einem anderen Bereich der Ökonomie wurden die dass je weiter Eigentum vom Management getrennt ist, desto Annahmen der Informations- und folglich Markteffizienz fal- größer die Probleme sind: So haben private Banken mit per- len gelassen. Mit Ronald Coase, 1937, kann der Beginn der sönlich haftenden Gesellschaftern offenbar wesentlich weniger Schule der Neuen Institutionenökonomik (NIÖ) datiert werden, Abschreibungen aufgrund der Finanzkrise als private Aktien- die in Deutschland insbesondere von Dieter Schneider rekon- banken, diese wiederum weniger als die von Sparkassen und struiert wurde. Im Mittelpunkt dieser aspektorientierten Be- Ländern getragenen öffentlich-rechtlichen Landesbanken. Am trachtung steht die Institution zur Verringerung von Einkom- stärksten hat es die „öffentlichste“ aller Banken, die Kreditan- mensunsicherheiten. Wenngleich die NIÖ einen Siegeszug stalt für Wiederaufbau sowie ihre ehemalige Tochter, die IKG durch die Ökonomie mit Vertretern wie Oliver Williamson, Ar- erwischt. Obgleich also das private Eigentum wesentlich kri- men Alchian, George A. Akerlof, Harold Demsetz und Joseph senresistenter als das öffentliche Eigentum ist, wird der Ein- Stiglitz erlebt hat, blieb doch ein Großteil des ökonomischen druck erweckt, ersteres sei das Problem und letzteres die Lö- Denkens dem neoklassischen Paradigma verhaftet. Die Relati- sung. vität des Erfolgs der NIÖ hat m. E. zwei Ursachen: Einerseits ist mit der Aufgabe der Annahme informationseffizienter Märk- 1. 2 Der notwendige Paradigmenwechsel in der te und rationalen Verhaltens der Akteure nicht ein neues, ho- betrieblichen Finanzwirtschaft mogenes Theoriegebäude entstanden, sondern es bildeten sich eher kleine Theorieinseln, Geschichten die erzählt werden kön- Das finanzierungstheoretische Paradigma, welches für die nen, wie die des Autoverkäufers von Akerlof, etc. Andererseits Konstruktion der in Krise befindlichen Finanzierungsvehikel kommt hinzu, dass diese Theoriebausteine häufig sich einer kla- verantwortlich ist, ist die neoklassische Finanzierungstheorie, ren Falsifizierbarkeit entziehen, als stets ex post das Niveau der die einerseits in der Portfolio-Theorie von Markorwitz und an- notwendigen anzunehmenden beschränkten Rationalität will- dererseits in dem Irrelevanztheorem von Modigliani/Miller kürlich zur Legitimation von Ergebnissen manipuliert werden (MM) zum Ausdruck kommt. Die Neoklassik nimmt an, dass kann. Entscheidend ist aber ein weiterer Punkt: Obgleich die Kapitalmärkte informationstransparent und effizient sind. Ein NIÖ mit dem Prinzipal-Agenten-Ansatz eigentlich ein bahn- weiteres hieraus abzuleitendes Theorem ist das Fisher-Separa- brechendes Konstrukt insoweit formuliert hat, als dieses Mo- tionstheorem, wonach Investitionsentscheidungen von Finan- dell dem Grunde nach die Beziehung zwischen Prinzipal und zierungsentscheidungen separiert werden können. Die Kon- Agent selbst in den Vordergrund der Überlegungen stellen könn- struktion von Asset-Backed-Securities (ABS) insbesondere mit te, verbleibt die Betrachtung bei den Institutionen und stellt ge- dem Wasserfall-Prinzip baut auf diesen Prinzipien auf. Wenn rade nicht die Beziehung in den Vordergrund. Es ist Treppen- Märkte effizient sind, spielt die Konstruktion von Finanzie- witz der jüngsten Wirtschaftsgeschichte, dass der ständige Pa- rungsvehikeln keine besondere Rolle und es können unter- ria jeder ökonomischen Theorie und zugleich einer der erfolg- schiedliche Risiken mit ein und demselben Vehikel finanziert reichsten Kaufleute überhaupt, George Soros, in seinem Werk werden, weil es auf den jeweiligen Sekundärmärkten der Vehi- den Begriff der Reflexivität entwickelt hat und sich damit mit kel dann auch stets eine effiziente Marktbewertung gibt. den Beziehungen selbst befasst. Soros entwickelt damit ein sy- stemisch-kybernetisches Denken, ohne dabei auf die hierzu ein- schlägigen Autoren (Ludwig Wittgenstein, Gregory Bateson, Martin Buber, George Spencer Brown, etc.) einzugehen. Die aktuelle Finanzkrise hat zwei positive Effekte. Einer ist bereits offensichtlich: Fragen der Immobilienfinanzierung ste- Dokumentation, hen im Mittelpunkt der medialen und politischen Aufmerk- Analyse, Entwicklung samkeit. Wir erkennen nun, dass die vom IFO Gutachten fest- gestellte Bedeutung der Immobilienwirtschaft in Deutschland (ca. 88% des Kapitalstocks) keine abstrakte Größe ist, sondern GuT die optimale Refinanzierung dieses Kapitalstocks von eminen- ter Bedeutung für Einkommen und Wohlstand der Gesellschaft Gewerbemiete und Teileigentum ist. Abbildung 1 zeigt die Entwicklung des Anteils der Immo- bilien am Kapitalstock in Deutschland.

Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 83 Wirtschaft und Verbände

Abbildung 1: Anteil von Immobilienbeständen am Kapitalstock interpretiert werden, bei der der Mieter dem Kreditnehmer, der in Deutschland Vermieter dem Kreditgeber, der Wert der Mietsache dem Ka-

  pitalbetrag der Finanzierung und die Miete der Bedienung des Kapitalbetrags entspricht. Da der Vermieter Eigentümer der $ "  ' # " Mietsache bleibt, handelt es sich bei dieser Art der Finanzie- ' " rung im Wesentlichen um eine Objektfinanzierung. Der Anteil ' ! "  der Subjektfinanzierung ergibt sich aus den Risiken der Ver- #' ' " % $ " #% ( " schlechterung der Mietsache sowie der notwendigen Zeit zur  #! " #$ ( "  Inbesitznahme der Mietsache. Mit der Identifikation der Ver-

 #$ % " mietung selbst als Kreditbeziehung wird eine weitere Ebene der    & ! " $ ' " Immobilienfinanzierung erkannt, die sich von der traditionel-  ! $ " len Immobilienfinanzierung dadurch unterscheidet, dass hier- % " ! " bei nicht der Kapitalbetrag in Form finanzieller Mittel, sondern   Ð quasi dem vorgelagert – in Naturalform übergeben wird. Die-

 se Ebene der Finanzierung kann daher auch als 1. Ebene der Im-                     mobilienfinanzierung erkannt werden. Abbildung 3 verdeutlicht

Jahresanfangswerte zu Wiederbeschaffungspreisen den Zusammenhang. Quelle: ifo-Gutachten, nach Stat. Bundesamt

Es ist zum Zweiten zu hoffen und auch zu erwarten, dass in Abbildung 3: Ebenen der Finanzierung der Retrospektive diese Finanzkrise der Wendepunkt des be-                   schriebenen Paradigmenwechsels weg von der neoklassischen               Finanzierungstheorie ist.           2 Wohneigentumsbildung als Ursache der Finanzkrise !"#              Bei der Analyse der US-amerikanischen Immobilien- und Fi-    $        %& #         %   #  '(  nanzkrise ist noch unterbelichtet, dass diese auch Folge einer     %- # -     %/   $)      Politik für eine hohe Eigentumsquote ist. Wenngleich die Ei- )       01 %!   gentumsquote in den U.S.A. traditionell recht hoch war, konn-      -   %*'(    %+, te in den Jahren des Aufbaus des Bubbles eine weitere Erhöhung    %$  beobachtet werden. $    %$-.. # 

Abbildung 2: Steigende Eigentumsquote i den USA

)* + ,-  . Wenn für die Frage der optimalen Finanzierung auf der 1. Ebene auch die Rationalität und Logik der betrieblichen Fi-

 nanzwirtschaft gilt, dann kann in einer ersten Überwindung des  neoklassischen Paradigmas der Finanzierungsirrelevanz auf das  Finanzierungspostulat von Oliver Williamson für die Frage der  optimalen Finanzierung Bezug genommen werden. Demnach  sind drittverwendungsfähige Objekte / Immobilien / Wohnun-  gen mit Fremdkapital und nicht drittverwendungsfähige Ob-  jekte, auch als spezifische Objekte bezeichnet, mit Eigenkapi- tal zu finanzieren. Abbildung 4 veranschaulicht das Finanzie-

                        rungspostulat von Williamson.

Quelle: Census Bureau Abbildung 4: Finanzierungsansatz von Oliver Williamson Die Kausalität der gestiegenen Eigentumsquote kann zunächst einmal anekdotisch erkannt werden. Wenn es politi- $#   /   sches Ziel ist, mittels Subventionen (Institutionen waren auch die derweil wieder verstaatlichten Freddie Mac und Fannie Mae) die Wohneigentumsquote zu erhöhen, dann erwerben auch je- .   '($  #   ne Teile der Bevölkerung Eigentum, die es sich bei marktge- rechten Preisen gar nicht leisten konnten. Hinzu kommt, dass beim Zusammenfallen von Investor und Nutzer Ð nichts ande- & 2   res ist das selbstgenutzte Wohneigentum Ð die Investitionsent- #   ( $ scheidung in die Immobilie selbst nicht mehr von den spezifi- schen Investitionen, beispielsweise in die Ausstattung wie Mö- bel, unterschieden wird. Bedeutend ist auch, dass bei diesem Zusammenfallen von Investor und Nutzer, Käufer Immobilen als Vermögensgegenstand erwerben, dessen Refinanzierung Bezogen auf Wohnformen bedeutet dies, dass drittverwen- nicht die Mieten, sondern die steigenden Preise sind. Dieser mo- dungsfähige Wohnformen in der Form der Vermietung auf der netär bedingte Effekt ist in Märkten mit hohen Eigentumsquo- ersten Ebene refinanziert werden sollten und spezifische Wohn- ten (Paradebeispiel: Spanien) stärker ausgeprägt als in Märkten formen der eigenkapitalähnlichen Refinanzierung in Form des mit hohen Mietquoten (beispielsweise: Deutschland und die selbstgenutzten Wohneigentums bedürfen. Schweiz). Interessanterweise kann empirisch beobachtet werden, dass Wissenschaftlich lässt sich der Zusammenhang – jenseits der Wohlstand und Fremdfinanzierung wirtschaftshistorisch und empirischen Evidenz – auch kausal erklären, wenn man die Ver- wirtschaftsgeographisch betrachtet einher gehen. Länder mit ei- mietung von Wohnungen selbst als eine Fremdfinanzierung der nem hohen BIP gehen daher in statistisch signifikanter Weise Nutzung erfasst. So kann die Vermietung einer Wohnung als ei- mit hohen Mietquoten einher. Abbildung 5 zeigt den Zusam- ne Kreditbeziehung zwischen dem Vermieter und dem Mieter menhang bezüglich einiger europäischer Länder auf.

84 Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 Wirtschaft und Verbände

Abbildung 5: Wohneigentumsquote und BIP in europäischen Ländern Finanzierung mit Eigenkapital ist, desto höher sind die Kapi- talkosten und desto geringer ist damit das Volksvermögen. Deutschland verfügt im internationalen Vergleich über ein recht brauchbares Mietrecht sowie über weitere notwendige Rahmenbedingungen für einen funktionsfähigen Mietmarkt. Si- cherlich könnten einige weitere sinnvolle Reformen insbeson- dere beim Mietpreisrecht erfolgen, doch würden diese Überle- gungen den Rahmen dieser Ausführungen sprengen. Auch wird in Deutschland insbesondere über die Konsumgutlösung des selbstgenutzten Wohneigentums dieses steuerlich privilegiert. Wer in einer Villa von einem Verkehrswert von z. B. 2 Mio. € wohnt, spart gegenüber einem Bürger, der dieses Geld anlegt und zur Miete wohnt, erheblich an Steuern, eine steuerliche Pri- vilegierung, die sich bei der Erbschaftsteuer fortsetzen soll. Es ist geradezu erstaunlich, dass dieser Aspekt der Konsumgutlö- sung vor dem Hintergrund manch anderer aktueller Diskussion in Deutschland noch gar nicht thematisiert wird.

Ergebnis: Projektentwickler für Eigennutzer wird immer unbedeutender. Primat An dieser Stelle soll die Feststellung reichen, dass auch die der Fremdfinanzierung auf der ersten Ebene beinhaltet komplexe Finanzierungs- zivilrechtlichen und steuerlichen Regulierungen sowie Sub- institutionen als Vermieter Quelle: Balchin, 1996 ventionen für das selbstgenutzte Wohneigentum nicht primär eine soziale oder verteilungspolitische Komponente haben, son- Dieser recht stabile Zusammenhang kann auch innerhalb dern Ð wie insbesondere am Beispiel USA und Spanien er- Deutschlands empirisch nachgewiesen werden, wie Abbildung sichtlich ist – entscheidend für die Funktionsweise von Immo- 6 zeigt. Dabei wurden bei dieser Untersuchung an der Junior- bilien- und Finanzmärkten sind, nachdem der auf erster Ebene professur Immobilienökonomie (Bauhaus-Universität Weimar) zu finanzierende Kapitalstock ganz überwiegend aus Immobi- nur die Daten der Alten Länder verwendet, um die Besonder- lien besteht. heiten bezüglich der Neuen Länder und Berlins außer Acht zu 3 Vehikel zur Immobilienfinanzierung als Ursache der lassen. Dabei ergibt sich ein R2 von 26%, was zunächst nicht Finanzkrise besonders hoch erscheint. Differenziert man weiter und be- Im Mittelpunkt der Kritik steht die Struktur der Asset Backed trachtet beispielweise nur Ballungsräume, so erhöht sich der Securities. Die Grundidee dieser Struktur liegt in der Bünde- R2 auf rund 45%, wie Abbildung 7 zeigt. lung und Verbriefung bestimmter Forderungen. Der neoklassi- schen Finanzierungstheorie folgend wird in einem ersten Schritt Abbildung 6: Bruttoinlandsprodukt in jeweiligen Preisen je Erwerbstätigen Ð im Gegenzug zur Konstruktion des Pfandbriefes Ð die Haf- zur Eigentumsquote tung des Emittenten des Briefes von der Bonität der ABS-Struk- tur losgelöst, wie Abbildung 8 verdeutlicht.



 Abbildung 8: Die finanzwirtschaftliche Struktur von ABS

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.,  7   : ;* ; 64 "4 7  ##  8    3*;                   3*;:  = 8  2 # !%   <*4=> .,  %: : <>     28/ -59 <, > 4   "%  Quelle: Eigene Darstellung ; <3 % 5"#% -#<3 % 

Abbildung 7: Relation BIP pro Kopf in Ballungsräumen westdeutscher *   B " Flächenstaaten ?,

#  =  " 4% 2 (

. ; =  ">?  @ "5"#%      A""B ! ".,   .4#4&2"   4"7  4 7)? ,! 0 3 @A /% "%%4 "-5%)=%  %"34  .3$  $%%&-  5 "  Quelle: Christian Friedrich 



 In einem zweiten Schritt kann dann der Pool an Rechten, der jeweils refinanziert wird, weiter aufgespaltet werden. So kann  zunächst, wie Abbildung 9 verdeutlicht, ein Equity-Geber das  Eigenkapital der Finanzierung insoweit darstellen, als es

 nachrangig bedient wird.

 In einem dritten Schritt erfolgt schlie§lich die weitere Risi-                  kodifferenzierung der unterschiedlichen Anleger aus dem Pool heraus. Dieses entspricht dem Prinzip der horizontalen Kredit- +01#2#  syndizierung ohne persönliche Haftung des Kreditnehmers. So Quelle:$%%&. /%% Eigene Darstellung können aus einem Pool von Rechten Investoren nach dem Prin- zip des Wasserfalls bedient werden. Zunächst wird der Senior- Die Bedeutung der Eigentumsquote für das Wohlstandsni- Bereich bedient und danach der jeweils folgende, soweit für veau einer Gesellschaft kann auch aus den Kapitalkosten auf die Bedienung noch etwas verbleibt. Abbildung 10 verdeutlicht der ersten Finanzierungsebene abgeleitet werden: Je höher die das Prinzip des Wasserfalls.

Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 85 Wirtschaft und Verbände

Abbildung 9: ABS mit nachrangig bedienten EK lungsansprüche festgelegt sind. Eine Finanzierung lässt sich alternativ als eine Zahlungsreihe verstehen, die mit einer Ein- .3:.97 zahlung beginnt, auf die hin Auszahlungen erfolgen. Eine In- E= E   vestition ist so gesehen umgekehrt eine Zahlungsreihe, die mit B   . .8B  % F9 <03 5    B, * ;:  einer Auszahlung beginnt, der Einzahlungen folgen. Mit die- 5> . . sem Ansatz wird die Grundlage neoklassischer Finanzierungs- 7  8G 72 @ theorie gelegt. Auf der neoklassischen Investitions- und Finan- <.  . zierungstheorie basieren Investitionsrechnungen (z. B. DCF, VOFI-Rendite) wie auch die Quantifizierung und Transforma- 72 @;: tion des Risikos in Ertrag beim Capital Asset Pricing Modell B, B;8-C (CAPM).   DD E D" F D DD 5   ;$D E !" F ;' %D Die Frage der optimalen Finanzierung einer Investition, die 72 @ B;8- D i. d. R. als Frage der optimalen Finanzierungsstruktur eines Un- .   72 @ D?(D F ((" ternehmens behandelt wird, führt zu einem Grundproblem der

-/G&-%%% !" / G%   C/ %'=DE betrieblichen Finanzwirtschaft, welches an dieser Stelle nur holzschnittartig behandelt werden kann. Die Entwicklung ging B,;B;8-  3   Quelle: Christian Friedrich von der traditionellen goldenen Bankregel, einer horizontalen Finanzierungsregel, gemäß der Fristenkongruenz zwischen Ak- tiva und Passiva herrschen soll, über das Leverage-Theorem, Abbildung 10: Das Wasserfall-Prinzip nach dem aufgrund bestimmter Verhaltensannahmen eine Op- timierung der Kapitalstruktur möglich ist, mit einem Sprung hin

9 G ? zur Irrelevanzthese der Finanzierungsstruktur nach Modiglia- .G0  : :  ?   B   B,;  ni/Miller von (1958). Nach diesem Meilenstein gab es eine Rei- -  he von Weiterentwicklungen im Sinne der Erhöhung des Ge- .  halts der Aussage mittels Reduktion der Annahmen, Modiglia- :  ni/Miller (1963), Stiglitz (1974), Miller (1977) und Fama

-  (1978), als auch im Sinne der Relativierung der Annahmen, ins- .  besondere durch Einbeziehung von Delegationskosten als Trans- : + 2"  A%%%A  ; " 2,4 aktionskosten aus der Agency-Theorie Ð Jensen/Meckling

-  (1976), Meyers (1977) Ð sowie aufgrund des Betonens einer .  asymmetrischen Informationsverteilung zwischen Eigentümern : 333 und Managern Ð Meyers/Majluf (1984).

-  .  / ;5   8 Die „Neue Institutionenökonomik“ ist international seit ei- 1 8 8G .G0 niger Zeit auf dem Vormarsch. Charakteristisch für die „Neue G  72 @ Institutionenökonomik“ ist zunächst, dass es jenseits der grund- Quelle: Christian Friedrich legenden Annahmen, die sich mit den Begriffen ãbounded ra- tionality“ und „moral hazard“ umschreiben lassen, eine Viel- zahl von Theorieansätzen gibt, als da sind: Property-Rights-An- Die Konstruktion der ABS und insbesondere das Wasserfall- satz, Principal-Agent-Ansatz, Theorie relationaler Verträge, Prinzip folgt insoweit neoklassischer Finanzierungstheorie als Transaktionskostenökonomie, neue Institutionenökonomik des unterstellt wird, dass es für die verschiedenen Risikopositionen Staates, etc. Eine fehlende homogene Theorie ist auch eine der keiner unterschiedlichen Finanzierungsstrukturen bedarf, dass Konsequenzen der genannten Annahmen. Dieter Schneider hat also sowohl die Tranche mit einem Rating von AAA mit der in Deutschland eine eigenständige Rekonstruktion der Institu- gleichen Struktur wie eine solche mit einem Rating von BBB tionenökonomik geleistet, indem er den Aspekt der Reduktion an einem Markt gehandelt werden kann, dass also in der Ter- von Einkommensunsicherheit zum Ausgangspunkt der Überle- minologie von Modigliani/Miller die Finanzierungsform selbst gungen gemacht hat und damit zugleich eine Definition des- nicht relevant ist, und sich für die jeweiligen Tranchen am Markt sen, was eine Institution ist, liefert: Eine Institution dient der risikoadäquate Preise bilden werden und Investoren nach den Reduktion von Einkommensunsicherheiten und lässt sich in Re- Prinzipien der Portfolio Selection nach Markowitz dann mit den gelsysteme (Ordnungen) und Handlungssysteme (Organisatio- unterschiedlichen Tranchen Portfolien konstruieren können. nen) unterscheiden, Schneider (1995). Eine Finanzierungsin- Die in der Krise problematischen ABS-Strukturen sind jene, stitution kann in Übereinstimmung mit der Schneiderschen Vor- die entweder bereits auf der Ebene der gepoolten Rechte zwei- stellung als eine konkrete Form der institutionellen Ausgestal- felhafte (subprime) Forderungen beinhalten oder wo aufgrund tung interpretiert werden. des Wasserfall-Prinzips mit Forderungsausfällen zu rechnen ist. Dabei können die verschiedenen Tranchen jeweils eigenstän- dig verbrieft werden. Abbildung 11: Transaktionskosten in Abhängigkeit von der Transaktionsform 3.1 Finanzierungstheoretischer Hintergrund Die Zusammenhänge zwischen der Nutzung und der Finan- 34 4 8329 32  F "B: zierung von Immobilien sind bereits oben dargestellt worden. Die Erfassung von Zusammenhängen der Nutzung und Finan- 32 ?4%: 32   B: zierung impliziert die Überwindung des Modigliani/Miller- Theorems der Irrelevanz der Finanzierung. Wäre die Frage der Finanzierung irrelevant, könnten verschiedene Finanzierungs- formen nicht unterschieden werden; es wäre nicht nur egal, wie hoch der Fremdkapitalanteil an einer Immobilienfinanzierung ist, sondern auch, über welches Vehikel sie finanziert werden; ob Investitionen über geschlossene Immobilienfonds, offene Im- *#! A "4 7 mobilienfonds, Private Equity oder REITs erfolgen. Neoinstitutionalistisch kann eine Finanzierung in Anlehnung nach Alchian / Demsetz als Regelwerk begriffen werden, bei ?4 HF " H   dem Informations- und Mitbestimmungsrechte sowie Zah- Quelle: Williamson, 1991, p. 116

86 Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 Wirtschaft und Verbände

Die Entwicklung der Transaktionskostenökonomie als Teil Wenngleich die Übertragung der transaktionskostenökono- der NIÖ verlief zunächst parallel und unabhängig von jener der mischen Grundüberlegung sich sehr gut und vielseitig in der betrieblichen Finanzwirtschaft. Williamson zählt neben Klein, Immobilienökonomie anwenden lässt, können wir hingegen mit Crawford und Alchian zu den wichtigsten Vertretern der Trans- diesem Konstrukt nicht Finanzierungsformen beschreiben, die aktionskostenökonomie, deren Ursprung mit Coase ,The Natu- sich jenseits bzw. zwischen Eigenkapital und Fremdkapital be- re of the Firm‘ auf das Jahr 1937 datiert werden kann. Die den wegen. Zwar sind wir in der Lage, terminologisch alle weite- Ursprung und die Entwicklung der Transaktionskostenökono- ren Finanzierungsformen, wie die breite Palette der Immobili- mie prägende Frage ist jene nach der optimalen Transaktion, enanlageprodukte (geschlossene Immobilienfonds, offene Im- als Alternative zwischen der Bereitstellung einer Leistung in- mobilienfonds und Immobilienaktiengesellschaften bzw. nerhalb eines Unternehmens oder über den Markt. Abbildung REITs), als Mezzanine-Finanzierungsformen zu erkennen, doch 11 zeigt den Zusammenhang auf. ergeben sich allein aus der Übertragung des williamsonschen Coase postuliert, und dies verdeutlicht die Graphik nach Wil- Finanzierungsansatzes keine Erklärungsmuster, um diese hy- liamson, einen Zusammenhang zwischen der Komplexität ei- briden Ð um den transaktionskostenökonomischen Begriff zu ner Transaktion und den Transaktionskosten in Abhängigkeit verwenden Ð Formen der Finanzierung weiter zu differenzieren von der Transaktionsform (über Markt oder Hierarchie) und be- bzw. zu erklären. Bestehende Erklärungsmuster für Mezzani- gründet damit die Existenz von Firmen als hierarchische Orga- ne-Finanzierungen basieren primär auf der Informationsöko- nisationen. Die Spezifität eines Faktors bedeutet, dass ein Ak- nomie, Rudolph (2004). teur, der einen Faktor anbieten will, für diesen eine geringe Dritt- Finanzierung kann als eine Regulierung der Beziehung zwi- verwendungsfähigkeit hat, so dass bei einer Markttransaktion schen dem Finanzier (Prinzipal) und dem Finanzierten (Agen- gerade auch im Zusammenhang mit der Annahme opportuni- ten) interpretiert werden. Charakteristisch für die P-A-Bezie- stischen Verhaltens ein hohes Risiko besteht, Kosten zu ver- hung ist, dass es eine asymmetrische Informationsverteilung senken, was durch den Anbieter antizipiert zu hohen Transak- zwischen dem Agenten und dem Prinzipalen gibt. Es wird an- tionskosten führt. Unterschiedliche Transaktionsformen rea- genommen, dass der Prinzipal zwar das Ergebnis des Agenten, gieren auf die Faktorspezifität mit verschieden hohen Transak- nicht aber seinen Einsatz beobachten kann. In der Literatur, Jen- tionskosten, so dass die Transaktionsform funktionell zur Fak- sen/Meckling (1983) wird primär die Frage behandelt, mit wel- torspezifität in Relation gesetzt wird. Mit dem Aufsatz von Wil- chen Anreizen der Prinzipal eine weitgehende Konformität der liamson ãCorporate Finance and Corporate Governance“ erfolgt Interessen des Agenten mit den Seinigen bei möglichst gerin- 1988 die Übertragung der transaktionskostenökonomischen gen Kosten erreichen kann. Überlegungen auf die Frage der optimalen Finanzierungs- Obgleich der unter dem Begriff des Prinzipal-Agent bekannte struktur, indem die unterschiedlichen Finanzierungsformen, ins- Ansatz als konstituierender Teil der Neuen Insititutionenöko- besondere die Finanzierung mit Fremd- und Eigenkapital als nomik gilt, geht er doch zugleich deutlich über diese – in der Transaktionsformen bzw. als Herrschaftsformen identifiziert Schneider«schen Interpretation Ð hinaus, insofern der P-A-An- werden. Abbildung 4 zeigt diesen Zusammenhang auf. satz Ð und hier erfolgt der Wechsel der Perspektive Ð nicht nur Williamsons Kernaussage kann an einem Beispiel erläutert die Institutionen betrachtend, welche geeignet sind, im Ver- werden: Erwirbt ein Unternehmer eine Maschine, die für sei- hältnis Prinzipal zu Agent Einkommensunsicherheiten zu re- nen eigenen Bedarf zugeschnitten ist, so wird er keine Bank fin- duzieren, sondern die Herrschaftsbeziehung zwischen Prinzi- den, die diese als Sicherungsobjekt für eine Finanzierung ak- pal und Agent selbst thematisiert. So wird Betriebswirtschafts- zeptiert. Würde nämlich der Unternehmer insolvent, so hätte die lehre zur Sozialwissenschaft der Herrschaftsbeziehungen und finanzierende Bank eine Maschine, mit der kaum ein Dritter et- nicht der Institutionen. In der Sprache von Wittgenstein kann was anfangen könnte. Nicht das Risiko gemessen als Streuung auch formuliert werden: Die Befassung mit den Institutionen des Cash-Flows des Unternehmens ist für die Fremdkapital- entspricht der mit der Befassung mit den Dingen und die mit quote nach Williamson determinierend, sondern die Spezifität den Herrschaftsbeziehungen jener mit den Tatsachen, also den der Aktiva. Verhältnissen zwischen den Dingen. Der Fall der jeweiligen Eigenkapitalquoten im Jahr 2004 in Wir können Finanzierung als eine Form der Beschränkung Deutschland in der Bauindustrie (EK von 7,9%) und Pharma- des Handlungsspielraums des Agenten durch den Prinzipal auf- industrie (EK von 34,4%) ist ein einschlägiges Beispiel: es gibt fassen. Der primäre Unterschied zwischen verschiedenen Fi- – wenn überhaupt – nur wenige Branchen, die derartig stark aus- nanzierungsformen ist folglich der jeweilige Handlungsspiel- geprägte Zyklen und damit auch Risiken in Form von Streuung raum, den sie gewährt. Die weiteren Regulierungen einer Fi- der Erträge aufweisen wie die Bauwirtschaft, und trotzdem kann nanzierungsinstitution, also die der Zahlungsansprüche, Infor- sie aufgrund der hohen Drittverwendungsfähigkeit der Aktiva mations- und Mitbestimmungsrechte ergeben sich bei dieser Be- mit einer sehr niedrigen Eigenkapitalquote auskommen. Dage- trachtungsweise aus dem jeweiligen Handlungsspielraum. An- gen hat die Pharmaindustrie eine recht stabile Nachfrage, weist reize sind Kombinationen aus Zahlungsansprüchen, Informati- jedoch aufgrund der geringen Drittverwendungsfähigkeit der ons- und Mitbestimmungsrechten innerhalb eines bestimmten Aktiva eine relativ hohe Eigenkapitalquote auf. Mit dem von Handlungsspielraums. Indem der Handlungsspielraum in den Williamson postulierten Zusammenhang zwischen der Dritt- Vo rdergrund der Betrachtung einer Finanzierungsinstitution verwendungsfähigkeit der zu finanzierenden Aktiva und der Fra- rückt, wird diese auch eine Institution der Herrschaft und die ge, ob diese mit Fremdkapital finanziert werden können oder P-A-Beziehung zu einer Herrschaftsbeziehung. nicht, gelingt ihm eine plausible Erklärung für das Finanzie- Der im Mittelpunkt stehende Begriff des Handlungsspiel- rungsverhalten von Unternehmen bezogen auf den Einsatz von raumes bedarf einer klaren Definition: Der Handlungsspielraum Fremdkapital, die offensichtlich auch eine empirische Relevanz einer Finanzierungsinstitution umschreibt das Spektrum der Ver- hat. wendungsmöglichkeiten der von den Prinzipalen an die Agen- Der Ansatz von Williamson hat eine weit reichende Bedeu- ten zur Erfüllung der Aufgaben überlassenen finanziellen Mit- tung in der Immobilienökonomie. Einerseits ist damit die Fra- tel. Wenn beispielsweise ein Finanzier dem Agenten einen Kre- ge der Beleihung von Immobilieninvestitionen angesprochen, dit gewährt, so ist der Handlungsspielraum meistens sehr ge- weiter aber auch die Frage der Kategorie der Drittverwen- ring, sofern im Kreditvertrag die Verwendung der finanziellen dungsfähigkeit für Projektentwickler und Investoren, sowie für Mittel klar geregelt ist. In der Immobilienwirtschaft findet sich Nicht-Immobilienunternehmen als Immobiliennutzer. Begreift bei Krediten, etwa bei Ankaufsfinanzierungen, häufig eine Re- man die Vermietung von Flächen als kreditäre Überlassung von gulierung, nach der die Mittelverwendung über einen Notar si- Realkapital, so kann das Williamsonsche Finanzierungspostu- chergestellt wird. Zeichnet ein Anleger einen geschlossenen lat auch zur Klärung der Frage beitragen, ob es beispielsweise Immobilienfonds, so steht bei Zeichnung meist fest, welche Im- günstiger ist, eine Wohnung zu kaufen oder zu mieten. mobilie zu welchem Preis erworben wird oder welcher Mieter

Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 87 Wirtschaft und Verbände

Abbildung 12: Der Handlungsspielraum der Anlagevehikel Abbildung 14: Handlungsspielraum und Kapitalkosten Finanzierung als Herrschaftsform

6-  G   4;;4   1.  /0    

+*' (    1 ! #% 2# %' *# , 4 8(A ' 8%9 9 B"& +* +4" * F =.03 05 %5" +* 05+. 05  0,, %  " (4 %%  ?",:%  05  ! 2"  1.1 7.J F ! A%% .  % 1 "  057+.   -7" +"

4%  H"%# %, I

© Sotelo 2%% =% Quelle: Sotelo, 2006 hier liegt die unbrauchbare Annahme von MM, ob die Agenten das vollziehen, was sie in den Business-Plan schreiben, und die- diese für eine bestimmte Laufzeit mietet, so dass für den Agen- se Unsicherheit aus dem Handlungsspielraum, die zunächst ein- ten nur beschränkte Handlungsmöglichkeiten bestehen, der mal losgelöst vom Risiko gemessen als Streuung des mit dem Handlungsspielraum der Agenten also bereits ausgefüllt ist. Vehikel finanzierten Aktivums ist, führt zu höheren Kapital- Zeichnet ein Anleger einen deutschen offenen Immobilienfonds, verzinsungsansprüchen des Prinzipalen sui generis. Die Re- so regelt das Investmentgesetz (InvG) präzise, welche Investi- duktion des Handlungsspielraumes mittels der Regulierung in- tionen im jeweiligen Umfang zulässig sind. Kauft ein Anleger nerhalb eines Finanzierungsvehikels impliziert eine Reduktion einen U.S.-amerikanischen REIT, so besteht auch hier eine Re- der Unsicherheit des Prinzipals, die er mit geringeren Kapital- gulierung bezüglich möglicher Investitionen, insoweit sich ein kosten beantwortet. hoher Anteil der Erträge aus Immobilien generieren muss und Das neue Finanzierungspostulat lautet also wie folgt: Redu- auch die Immobilienbestände einen bestimmen Anteil am Ge- ziere so weit wie möglich den Handlungsspielraum eines Fi- samtvermögen darstellen. Bei Erwerb eines Anteils (Aktie) an nanzierungsvehikels zur Minimierung der Kapitalkosten. Oder einer Immobilienaktiengesellschaft hingegen ist der Hand- anders: Der vom Vehikel gebotene Handlungsspielraum soll von lungsspielraum wesentlich größer, da es praktisch keine recht- den Agenten voll ausgenutzt werden, bezahlt wird er sowieso. lichen Beschränkungen bei den Investitionen gibt. Abbildung Schlie§lich folgt hieraus auch: Trenne geschäftliche Aktivitä- 13 zeigt schematisch die steigenden Handlungsspielräume von ten, die jeweils einen unterschiedlichen Handlungsspielraum Finanzierungsinstitutionen: benötigen und: Passe den Handlungsspielraum über den Zeit- verlauf stets an die aktuelle Notwendigkeit an. Der Hand- Abbildung 13: Handlungsspielräume unterschiedlicher lungsspielraum ist damit die Kategorie, mit welcher erklärbar Finanzierungsformen wird, wieso Eigenkapital unabhängig von den finanzierten Ak- tiva teurer als Fremdkapital ist. =.03 3. 2 Lektionen aus der Finanzkrise für die Gestaltung von Finanzierungsvehikeln und Immobilienanlageprodukten G 0' " 6-# % Die entscheidende Problematik aus Sicht der zuvor formu- lierten finanzierungstheoretischen Überlegungen ist, dass die 2"  %5" ( 1 7.J F unterschiedlichen Tranchen mit verschiedenen Risiken jeweils mit der gleichen ABS-Struktur mit geringem Handlungsspiel- raum refinanziert werden. (Siehe Abbildung 15). Bei Tranchen 4%  H"%# %, I bzw. refinanzierten Pools, die nur sehr geringe Risiken bein- halten, ist dies möglich, sobald die Risiken aber steigen, ist das Vehikel mit sehr geringem Handlungsspielraum aber nicht adä- Quelle: Eigene Darstellung quat, weil in ihm nicht mehr der hinreichende Handlungsspiel- raum besteht, beispielweise faule Kreditschuldner hinreichend Mit den genannten Finanzierungsvehikeln assoziieren wir un- zu betreuen. Dann muss es zum beobachteten Marktzusam- terschiedliche Kapitalkosten. Kredite sind zu den geringsten menbruch der Papiere kommen. Dieser Marktzusammenbruch Kosten zu erhalten,Venture Capital ist das teuerste Kapital. Neh- kann andererseits nur mittels der formulierten finanzierungs- men wir die Kapitalkosten als eine weitere Dimension auf und theoretischen Überlegungen erklärt werden. In einer Welt, die tragen diese auf der Ordinate ab, so erhalten wir folgende Gra- den Annahmen der neoklassischen Finanzierungstheorie folgt, phik (Abb. 14): würden die Märkte für ABS-Strukturen, die höhere Risiken re- finanzieren, nicht zusammenbrechen, sondern schlichtweg die Bei Abbildung 14 werden wie beim CAPM die Kapitalko- Papiere entsprechend geringer bewerten. sten ins Verhältnis zu einer weiteren Größe gesetzt. Statt des Ri- sikos wird auf der Abszisse der Handlungsspielraum abgebil- Selbstverständlich können diese finanzierungstheoretischen det. Die Kapitalkosten steigen in Abhängigkeit vom gewährten Überlegungen auch auf die Banken insgesamt angewendet wer- Handlungsspielraum zunächst einmal völlig unabhängig von den. Banken benötigen einen beschränkten Handlungsspielraum der Volatilität des finanzierten Aktivums selbst. Ist der Hand- (geregelt durch Gesetze wie z. B. KWG, etc. und überwacht lungsspielraum gro§, sind es auch die Kapitalkosten. Dies ist durch eine effektive Bankenaufsicht), damit Anleger wie ande- materiell die Folge aus der Betrachtung der Finanzierung als P- re Banken bereit sind, Gelder in Form von Depositen anzule- A-Beziehung. Überlässt der Prinzipal dem Agenten einen wei- gen. ten Handlungsspielraum, so bedeutet dies unter den Annahmen Die Lösung der Problematik ist also eine zweifache. Einer- von Bounded Rationality und Moral Hazard eine hohe Unsi- seits ist es gut und sinnvoll und bereits vollzogen, dass auch die cherheit für den Prinzipalen, weil eben nicht klar ist, und genau USA Finanzierungsvehikel einführen, die analog zum deutschen

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Abbildung 15: Das Kernproblem von ABS-Strukturen finanzierung der suboptimal refinanzierten Subprime-ABS- Strukturen mit Mezzaninevehikeln, also Immobilienanlagepro- 9 G ? .G0  : :  ? dukten zu sichern, da diese den richtigen Handlungsspielraum   B   B,;  haben und somit die günstigste Finanzierung darstellen. -  .  Die optimale Gestaltung von Immobilienanlageprodukten ist :     also eine volkswirtschaftlich sehr wichtige Aufgabe, deren Er- +; füllung weit über die Immobilienwirtschaft hinaus wirkt. In      3*; -  .  *      <+.*> Deutschland verfügen wir über eine Reihe von Vehikeln. Recht- : lich klar reguliert sind die offenen Immobilienfonds sowie die ;  / REITs. Weniger gesetzlich reguliert, doch durch Bauherrener-   +    -      = 0   .  lasse strukturiert, sind die geschlossenen Immobilienfonds.     .  0   : 333 Alle diese Vehikel sind dem Grunde nach steuertransparent. Wenngleich die steuerliche Transparenz von Immobilienanla- -   /    .  geprodukten definitorisch als ein konstitutives Merkmal dieser  0  G  +*.  7 Vehikel erkannt werden kann, erscheint es doch sinnvoll, auch 72 @ ökonomische Gründe für die Legitimität der steuerlichen Trans- parenz zu erfassen. So ergibt sich die ökonomische Legitimität der steuerlichen Transparenz von Immobilienanlageprodukten Pfandbrief den Emittenten nicht mehr gegenüber dem Anleger in Deutschland Ð nach der Abschaffung der Anrechenbarkeit der aus der Haftung entlassen. Damit hat dieser einen eigenen An- Körperschaftsteuer auf die Einkommensteuer mit der Steuerre- reiz, die Risiken möglichst gering zu lassen. Wenn die Risiken form von 1999/2000 Ð nicht aus einer vermeintlich notwendi- zu hoch sind, wie z. B. bei ABS-Strukturen mit einem schlech- gen Gleichbehandlung gegenüber Direktanlegern, sondern aus ten Portfolio oder ABS-Strukturen mit einer schlechten Posi- dem mit dem reduzierten Handlungsspielraum von Immobili- tionierung nach dem Wasserfall-Prinzip, dann handelt es sich enanlagevehikeln verbundenen Fremdkapitalcharakter. Schlie§- letztlich nicht mehr um eine Fremdkapital-, sondern um eine lich gilt die Körperschaftsteuer (Ausnahme: Zinsschranke) auch Mezzaninefinanzierung. Dann sind jedoch Vehikel der Fremd- nur für Eigenkapitalverzinsungen, also Gewinne, während Kre- finanzierung aufgrund des damit verbundenen zu geringen ditzinsen als Kosten vom Gewinn abgezogen werden und ãsteu- Handlungsspielraums nicht mehr geeignet, die Refinanzie- ertransparent“ an die Gläubiger ausgezahlt werden, die diese rungsstruktur zu sein. Der zweite Teil der Lösung besteht also letztlich als Haushalte bei der Einkommensteuerveranlagung in einem De-Leveraging auf ein gesundes Ma§. Das Ma§ ist zum individuellen Grenzsteuersatz versteuern. International sind dann gesund, wenn der notwendige dem erforderlichen Hand- Zinseinnahmen aus Fremdkapital oder FK-ähnlichen Finanzie- lungsspielraum entspricht. In der Struktur des ABS bzw. besser rungen stets für den Schuldner steuertransparent, während Ge- des Covered Bond oder des Pfandbriefes können und sollen dann winne (also die Verzinsung des Eigenkapitals) regelmäßig auf jene Rechte verbleiben, die als praktisch risikolos bezeichnet der Gesellschaftsebene versteuert werden. Die steuerliche werden können. Diese Argumentation kann auch bezüglich der Transparenz der Direktanlage steht vielmehr im Zusammenhang früheren Finanzkrise im Zusammenhang mit den sogenannten mit dem Belegenheitsprinzip für Immobilieneinkünfte. Junk-Bonds Anwendung finden. Mit der Einführung der Zinsschranke hat Deutschland einen Für ein volkswirtschaftlich sinnvolles De-Leveraging ist die besonderen Weg eingeschlagen, auf den an dieser Stelle nicht Existenz von adäquaten Mezzanininevehikeln von größter Be- gesondert eingegangen werden kann. Fest steht, dass mit der deutung. In Ermangelung solcher funktionsfähiger Vehikel Zinsschranke die relative Bedeutung von steuertransparenten müsste die Refinanzierung eines Teils der Volumina der ABS- Immobilienanlagevehikeln weiter wachsen wird, ohne die mit Strukturen über Eigenkapital bzw. Private Equity erfolgen (auf- der Zinsschranke verbundenen politisch-fiskalischen Ziele zu steigender Pfeil in Abbildung 16). Dies ist zwar eine Lösung, kontrakarieren. doch keine optimale, weil der Handlungsspielraum des Eigen- kapitals und damit die Kapitalkosten möglicherweise wieder- Offene Immobilienpublikumsfonds um zu hoch wären. Während in den letzten Jahren über die verschiedenen Re- formen des Investmentrechts der Handlungsspielraum der of- Abbildung 16: Finanzwirtschaftliches Lösungskonzept: fenen Immobilienfonds stetig zugenommen hat, war das Bun- Herstellung des adäquaten Handlungsspielraums desministerium der Finanzen zu Beginn des Jahres 2007 bemüht, auf die vorangegangenen krisenhaften Erscheinungen

6- mit einer Reduktion des Handlungsspielraums in Form der Ein-  47  führung der sicherheitsorientierten Fonds zu reagieren. Die       > 1. I  <0  überwiegende Mehrheit der Branchenvertreter hat sich gegen die Bildung von Immobilienpublikumsfonds mit unterschiedli- . chen Risikomerkmalen ausgesprochen, wodurch aus der gro§en +*' 8 ( 2# %'    *# ,     Reform des Investmentgesetzes nunmehr eine kleine geworden 4 0     0   ist. Offene Immobilienpublikumsfonds werden immer stärker 0       im Wettbewerb zu Aktienfonds stehen, die sich in ihren Inve- B"& +* +4"* F stitionen auf Immobilienaktien bzw. REITs fokussieren. Erst =.03 05 %5" +* 05+. 05  0,, %  " mit dem Halten indirekter Immobilienanlagevehikel anstelle der (4 %%  05 2"  1.1 7.J F Immobiliendirektanlage kann steuerlich wegen der damit ver- 1 "  057+. bundenen geringeren Höhe an Transaktionskosten wirksam   -7" +" überhaupt erst Portfoliomanagement betrieben werden. Die An- 4%  H"%# %, I gebotsstruktur der offenen Immobilienpublikumsfonds ist bis- lang jedoch gewillt, die Trennung der immobilien- und portfo- © Sotelo liobezogenen Dienstleistungen nicht mit zu vollziehen. Es ist davon auszugehen, dass im Zuge der aktuellen Liqui- Die zu teuere Refinanzierung mit eigenkapitalähnlichen Ve- ditätskrise der offenen Immobilienfonds sich die Marktstruktur hikeln hätte einen weiteren überhöhten Preisverfall der Under- deutlich verändern wird. Nach der letzten Reform des InvG gibt lying Assets zur Folge, was volkswirtschaftlich einer Vermö- es nun einen recht klaren Mechanismus des Vorgehens nach gensvernichtung gleich kommt. Ziel muss es daher sein, die Re- der zunächst zeitweise beschlossenen Schließung. Wichtig er-

Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 89 Wirtschaft und Verbände scheint es, alternative Finanzierungsvehikel zu etablieren, die im Ausland investieren, sind teilweise insoweit steuergetrieben, die Objekte der offenen Fonds mit vergleichbaren Kapitalko- als bestimmte Regulierungen aus Doppelbesteuerungsabkom- sten refinanzieren können. Gelingt dieses nicht, kann der Pro- men ihre Grundlage bilden. zess der Erosion der offenen Immobilienfonds vermutlich nicht Die steuerlichen Rahmenbedingungen für geschlossene Im- aufgehalten werden. Verlängerte Zeiten der Schließung, weite- mobilienfonds sind in der letzten Dekade sukzessive ver- re Abwertungen der Immobilien und schlie§lich der Verkauf von schlechtert worden. Dies hat zu einer Erhöhung der Kapitalko- Immobilien auch unter den reduzierten Verkehrswerten wären sten und zu einem geringen Wachstum des Neugeschäfts ins- die Folge. Die wichtigste Ma§nahme ist eine Reform der Deut- gesamt und zu einer Schrumpfung im deutschen Markt geführt. schen REITs mit dem Ziel, die Wahlfreiheit zur Börsenzulas- Es wäre sinnvoll, die steuerlichen Rahmenbedingungen so zu sung zu implementieren. gestalten, dass eine Diskriminierung insbesondere bei der Ver- Offene Spezialfonds lustverrechnung mit der Direktanlage vermieden wird. Wenngleich das Wachstum dieser Gattung kurzfristig gesi- Wenngleich Private Equity häufig und berechtigter Weise als chert erscheint, gibt es doch eine Reihe von Stimmen aus dem eigenes Anlagevehikel interpretiert wird, sind Private-Equity- Kreise der Kunden, die – sofern deutsche REITs nicht einer Bör- Fonds häufig nicht nur bezüglich ihrer rechtlichen Ausgestal- senpflicht unterlegen wären – die REITs lieber als Vehikel tung, sondern auch in Bezug auf den ökonomischen Funkti- wählen würden. Dabei scheint nicht nur die mittel- bis langfri- onsmechanismus als geschlossene Immobilienfonds interpre- stige Perspektive der höheren Fungibilität von REITs eine Rol- tierbar. le zu spielen, sondern auch das durchweg interne Management der REITs gegenüber dem externen Management bei offenen Literatur: Spezialfonds. Alchian, A. A./Demsetz, H.: Production, Information Cost, and Immobilienaktiengesellschaften Economic Organization, in: American Economic Review, 1972 Nach den beiden guten Börsenjahren 2005 und 2006 schei- nen sich nicht nur die Kurse börsennotierter Werte in Relation Aleman Laín, Pedro / Sotelo, Ramón: La duración de los con- zu den jeweiligen NAVs zu beruhigen, sondern auch die Auf- tratos y la actualización de la renta en la nueva ley de arren- nahmewilligkeit des Kapitalmarktes für Börsenneulinge ist damientos urbanos: una aproximación crítica desde la eco- zweifelhaft. Eine weitere Differenzierung zwischen immobili- nomia de los costes de transacción, in: La Ley, XVII, Nr. en- oder portfoliobezogenen Dienstleistern einerseits und Be- 4379, 23. 9.1997, S.1Ð5. standshaltern andererseits scheint angebracht und wünschens- Aleman, Pedro / Sotelo, Ramón: La ley y el mercado de los ar- wert. Das Marktvolumen dieser Gattung an Immobilieanlage- rendamientos de vivienda, in: ABC, Inmobiliario, Tribuna, produkten sollte in den nächsten Jahren unterdurchschnittlich S. 5 v. 20.06.2003. wachsen. Allendorf, Georg / Bone-Winkel, Stephan / Ropeter-Ahlers, Deutsche REITs Sven-Eric / Schulte, Karl-Werner / Sotelo, Ramón: Immobi- Die Deutschen REITs sind denkbar schlecht gestartet. Ei- lieninvestitionen, in: Immobilienökonomie, Karl-Werner nerseits fiel die Einführung der REITs mit den teilweise mas- Schulte (Hrsg.), 3. Aufl., München 2004, S. 627Ð710. siven Kursrückgängen bei Immobilienaktiengesellschaften zu- Ambrose, B. W. und P. Linneman: REIT organizational struc- sammen, die von der so genannten Subprime-Krise abgelöst ture and operating wurden, andererseits ist der Deutsche REIT an vielen Stellen Ð von korrigierbaren handwerklichen Fehlern abgesehen Ð trotz characteristics, The Journal of Real Estate Research, 2001, Vol. steuerlicher Unterstützung in Form der so genannten Exit-Tax 21, Nr. 3, S.141Ð162. nicht geeignet, ein im internationalen Vergleich erfolgreicher Bartlsperger, Stephan et. al.: Geschlossene Immobilienfonds, 5. REIT zu werden. So wurden gerade jene Immobilienportfolien Aufl., Stuttgart 2007. aus den REITs ausgeschlossen, die aufgrund der Verwaltungs- intensität der Bestände aber auch wegen der vorhandenen recht Bateson, Gregory: Geist und Natur. Eine notwendige Einheit, homogenen Portfolien heterogener Mieterschaft besonders hier- Frankfurt a. M. 1982. für geeignet sind: Wohnungsbestände. Weiter hat sich Deutsch- Becker, Martin / Bone-Winkel, Stephan / Sotelo, Ramón / Väth, land Ð was auch mit der Dominanz der Finanzwirtschaft im Ent- Arno: Real Estate Investment Truts, in: Handbuch Immobi- stehungsprozess des REITs zu tun haben mag Ð bewusst gegen lien Portfoliomanagement, Karl-Werner Schulte, Matthias die Freizügigkeit hinsichtlich der Frage der Börsennotierung Thomas (Hrsg.), Köln 2007, S. 509Ð524. ausgesprochen. Damit wurden nicht nur die Versicherungen als Anleger vorerst ausgeschlossen, sondern es wurde auch eine In- Becker, Martin / Bone-Winkel, Stephan / Meitner, Matthias / kubationsfunktion des nicht-börsengelisteten REITs verhindert, Schäfer, Anne / Sotelo, Ramón / Väth, Arno / Westerheide, die gerade in einem so kapitalmarktschwachen Land wie Peter: Real Estate Investment Trusts (REITs) Ð Internationa- Deutschland notwendig gewesen wäre. Hinzu kommen prakti- le Erfahrungen und Best Practice für Deutschland, Teil des sche, spieltheoretische Probleme, wobei es nicht zwingend im Abschlussberichts zum Forschungsprojekt 6/04 ãNeue As- Machtbereich des Vorstands eines REITs liegt, ob das Vehikel setklassen im internationalen Vergleich Ð Private Equity und seinen REIT-Status behalten kann. So könnten einzelne Ak- REITs“ für Bundesministeriums der Finanzen, Berlin. Mann- tionäre mittels einer bewussten Verletzung von Streubesitzkri- heim 2005. terien eine Verhandlungsposition gegenüber anderen Mitak- Berry, Jim / McGreal, Stanley / Sieracki, Karen / Sotelo, Ra- tionären aufbauen. Eine Problematik, die ohne Eingehung fis- mon:An assessment of property investment vehicles with par- kalischer Risiken durch die öffentliche Hand nicht lösbar er- ticular reference to German funds, in: Jl. of Property Invest- scheint. ment & Finance, Vol. 17, No. 5 1999, S. 430Ð443. Drukar- Geschlossene Immobilienfonds und Private Equity czyk, J.: Finanzierung, 9. Auflage, 2003. Nachdem der geschlossene Immobilienfonds das einzige Im- Bierbaum, D.: Immobilien in institutionellen Portefeuilles, in: mobilienanlageprodukt ist, welches die Einkunftsart Vermie- Leser, H. und R. Markus (Hrsg.), Handbuch Institutionelles tung und Verpachtung für den Endanleger darstellt, hat diese Asset Management, Wiesbaden 2003 , S. 599Ð606. Anlagegattung eine besondere Bedeutung in jenen Zeiten er- Black, T. J.: The REIT Renaissance Ð The Corporatization of halten, als mittels steuerlicher Anreize eine Angebotsauswei- Income-Producing Real Estate, 1995 Washington D.C. tung insbesondere des Wohnungsbestandes verfolgt wurde. Auch jene geschlossenen Immobilienfonds, die transnational Buber, Martin: Ich und Du, Stuttgart 1995.

90 Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 Wirtschaft und Verbände

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Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 91 Wirtschaft und Verbände

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Sotelo, Ramón: Immobilien-Anlageprodukte im Vergleich, in: Handbuch Real Estate Investment Truts, Stephan Bone-Win- Sonderpreise für zurückliegende Jahrgänge auf Anfrage kel, Wolfgang Schäfers, Karl-Werner Schulte (Hrsg.), Köln 2008, S. 65Ð77. im Direktbezug vom Prewest Verlag Sotelo, Ramón: Lecciones derivadas de la cisis financiera, in: El Mundo, 213, v. 18Ð24 Juli 2008, S. 2. www.prewest.de [email protected] Sotelo, Ramón: Märkte für Immobilienanlagen und Immobili- ennutzungen, in: Immobilienökonomie, Bd. IV, Volkswirt- www.gut-netzwerk.de schaftliche Grundlagen, Karl-Werner Schulte (Hrsg.), Mün- chen 2008, S. 67Ð88. www.gmbbl.de Sotelo, Ramón: Doppelte Nulllösung – Nach der Einführung bleibt vor der Einführung, in: GoingPublic „G-REITs 2008“, Juli 2008, S. 20Ð21. Prewest Verlag Pressedienste Medien und Kultur GmbH Sotelo, Ramón: Zinsschranken und Denkschranken, in: Immo- Postfach 30 13 45, 53193 Bonn, Fax: 02 28 / 47 09 54 bilienmanager 04 Ð 2008, S. 68Ð69.

92 Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 Gewerbemiete

Gewerbemiete

¤¤ 550, 148, 126 BGB de ersichtlichen Annahme bedurft hätte. Zwischen der Unter- Gewerberaummiete; zeichnung des Angebots am 16. März 1992 durch die Beklag- Vermietung vor Gebäudefertigstellung; Schriftform; te und der Annahme durch die Klägerin am 22. April 1992 ha- Angebot und Annahmefristen; be nämlich ein Zeitraum von einem Monat und sieben Tage ge- unbestimmter Beginn der Mietzeit; Schriftform des legen und folglich unter Berücksichtigung einer angemessenen durch Vollzug konkludent abgeschlossenen Mietvertrags Postlaufzeit eine deutlich längere Zeit als ein Monat nach Ab- gabe des Angebots. Die Vertragsurkunde lasse somit offen, ob a) Die Verlängerung der Frist zur Annahme der auf den sie lediglich zwei Angebote oder tatsächlich eine Willensüber- Abschluss eines langfristigen Mietvertrages gerichteten Er- einstimmung der Parteien enthalte. Grundsätzlich genüge es klärung bedarf nicht der Schriftform des ¤ 550 BGB. jedoch für §126 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht, dass eine rechtsge- schäftliche Einigung der Parteien vorliege. Diese müsse sich b) Zur Wahrung der Schriftform des ¤ 550 BGB genügt vielmehr zweifelsfrei aus der Urkunde ergeben. Deshalb sei das es, wenn die Vertragsbedingungen eines konkludent abge- Schriftformerfordernis auch dann nicht eingehalten, wenn von schlossenen Mietvertrages in einer der „äußeren Form“ des einem neuen Angebot der Klägerin und einer konkludenten An- ¤126 Abs. 2 BGB genügenden Urkunde enthalten sind. nahme dieses Angebots durch die Beklagte ausgegangen wer- (BGH, Urteil vom 24. 2. 2010 Ð XII ZR 120/06) de. Etwas anderes ergebe sich nicht daraus, dass die Beklagte Ð I. Instanz LG Nürnberg-Fürth in GuT 2006, 13 Ð die in der Vertragsurkunde gesetzte Annahmefrist mit Schrei- ben vom 13. April 1992 bis zum 22. April 1992 verlängert ha- 1 Zum Sachverhalt: Die Klägerin (Mieterin) verlangt Fest- be. Dieses Schreiben sei nicht Teil des Mietvertrages geworden, stellung, dass der zwischen ihr und der Beklagten (Vermieterin) da es weder mit diesem verbunden noch derart in Bezug ge- bestehende Mietvertrag über Gewerberäume als auf unbe- nommen worden sei, dass im Ergebnis die Urkunden als in ei- stimmte Zeit abgeschlossen gilt. ner Urkunde enthalten anzusehen seien. 2 Im Frühjahr 1992 verhandelten die Rechtsvorgängerin der 9 Auch aus dem Zweck des ¤ 566 BGB a.F. folge nichts an- Klägerin (im Folgenden: Klägerin) und die Beklagte über den deres. Einem Erwerber des Mietobjekts müsse ein schriftlicher Abschluss eines Mietvertrages über noch zu errichtende Ge- Vertrag vorliegen, aus dem sich ergebe, dass die Voraussetzun- werberäume. Am 16. März 1992 unterzeichnete die Beklagte gen der Schriftlichkeit vorlägen. Dem könne nicht entgegenge- eine Vertragsurkunde, die die Bedingungen des abzuschlie§en- halten werden, dass es allein auf die Einhaltung der äußeren den Mietvertrages enthielt. Gemäß § 4 des Vertrages sollte die Form ankomme, da die Unterrichtungsfunktion des ¤ 550 BGB Mietzeit mit der Übernahme des schlüsselfertigen Mietobjekts dann nicht gegeben sei, wenn sich aus dem Vertrag ein wirksa- beginnen und 15 Jahre betragen. mes Zustandekommen nicht ergebe. 3 In ¤14 des Vertrages hei§t es unter anderem: 10 II. Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen ãDie Vertragspartei,die den Vertrag zuerst unterzeichnet,hält Prüfung nicht stand. Entgegen der Ansicht des Berufungsge- sich an das Vertragsangebot einen Monat ab Zugang bei der richts genügt der Mietvertrag der Schriftform und ist wirksam Gegenseite gebunden.“ für die Dauer von fünfzehn Jahren abgeschlossen. Die Klage ist deshalb abzuweisen. 4 Der Zeitpunkt des Zugangs der Urkunde bei der Klägerin ist nicht geklärt. Auf Wunsch der Klägerin verlängerte die Be- 11 1. Zu Recht geht das Berufungsgericht allerdings davon klagte mit Schreiben vom 13. April 1992 die Frist zur Gegen- aus, dass die vertragliche Regelung zum Beginn der Mietzeit zeichnung und Übersendung des Mietvertrages bis zum 22. der Schriftform genügt (§ 550 BGB i.V.m. ¤578 Abs.1 BGB). April 1992. Die Klägerin unterzeichnete den Vertrag am 22. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist die Schriftform April 1992. Zwischen den Parteien ist streitig, ob die gegenge- gewahrt, wenn sich Beginn und Ende der Mietzeit im Zeitpunkt zeichnete Urkunde der Beklagten noch am selben Tag zuging. des Vertragsschlusses in hinreichend bestimmbarer Weise aus der Vertragsurkunde ergeben (Senatsurteile vom 29. April 2009 5 Am 9. November 1993 fand eine gemeinsame Objektbe- - XII ZR 142/07 - NJW 2009, 2195, 2197 [= GuT 2009, 173], gehung statt, über die ein von beiden Parteien unterzeichnetes vom 2. Mai 2007 - XII ZR 178/04 - NJW 2007, 3273, 3274 Abnahmeprotokoll errichtet wurde. Darin ist unter anderem fest- [= GuT 2007, 219] und vom 2. November 2005 - XII ZR 212/03 gehalten, dass an diesem Tag auf der Grundlage des Mietver- - NJW 2006, 139, 140 [= GuT 2006, 11]). Dies ist auch der Fall, trages vom 16. März 1992 die Übergabe der Mietsache im dort wenn die Mietzeit - wie hier - mit der Übernahme des schlüs- vereinbarten Zustand stattgefunden und die Klägerin ab die- selfertigen Mietobjekts beginnen soll. Die Vertragsparteien ha- sem Tag die im Mietvertrag vereinbarte Miete zu zahlen hat. ben dann das, was sie zur zeitlichen Befristung vereinbart ha- 6 Das Landgericht Nürnberg-Fürth [GuT 2006, 13] hat der ben, vollständig und richtig in der Vertragsurkunde niederge- Feststellungsklage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten legt. Unerheblich ist dabei, ob zwischen den Parteien im wei- ist erfolglos geblieben. Mit der von dem Senat zugelassenen Re- teren Verlauf Streit über den Zeitpunkt der Schlüsselfertigkeit vision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung entsteht. Ob eine Urkunde die Schriftform wahrt oder nicht, ist weiter. nämlich grundsätzlich aus der Sicht des Zeitpunkts ihrer Un- terzeichnung zu beurteilen. Spätere tatsächliche Geschehnisse 7 Aus den Gründen: Die Revision hat Erfolg. können die Wahrung der Form nicht mehr in Frage stellen (Se- 8 I. Das Oberlandesgericht [Nürnberg] hält das Schriftform- natsurteil vom 2. Mai 2007 - XII ZR 178/04 - NJW 2007, 3273, erfordernis des ¤ 566 BGB a.F. (= ¤ 550 BGB n.F.) nicht für ge- 3274 f. [= GuT 2007, 219]). wahrt. Zwar sei der Beginn der Mietzeit auf bestimmbare Art 12 2. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht aber angenom- und Weise festgelegt worden. Das Schriftformerfordernis sei men, die Mietvertragsurkunde genüge nicht der Schriftform des aber deshalb nicht erfüllt, weil sich aus der Urkunde nicht zwei- ¤ 550 BGB, weil sich aus ihr nicht zweifelsfrei ergebe, ob die felsfrei ergebe, ob die „Annahme“ des Angebots durch die Klä- Klägerin das schriftliche Angebot der Beklagten vom 16. März gerin am 22. April 1992 noch rechtzeitig innerhalb der in ¤14 1992 rechtzeitig innerhalb der von der Beklagten in ¤14 des des Mietvertrages vorgegebenen Annahmefrist von einem Mo- Mietvertrages eingeräumten Frist angenommen habe. Das Be- nat erfolgt sei und damit zum Vertragsabschluss geführt habe rufungsgericht ist weiter zu Unrecht davon ausgegangen, die oder ob sie verspätet gewesen sei und damit gemäß §150 Abs.1 Verlängerung der Annahmefrist gehöre zu den formbedürfti- BGB als neues Angebot gelte, das erneut einer aus der Urkun- gen Elementen des Mietvertrages.

Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 93 Gewerbemiete

13 a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist es zur de der Beklagten, wie diese behauptet, erst nach dem 22. April Wahrung der Schriftform des ¤ 550 BGB grundsätzlich erfor- 1992 und damit nach Ablauf der Annahmefrist zugegangen ist. derlich, dass sich die für den Abschluss des Vertrages notwen- 18 In diesem Fall gilt die Annahmeerklärung der Klägerin ge- dige Einigung über alle wesentlichen Vertragsbedingungen - mäß §150 Abs.1 BGB als neues Angebot. Dieses neue Ange- insbesondere Mietgegenstand, Mietzins sowie Dauer und Par- bot hat die Beklagte nicht schriftlich angenommen. Der Miet- teien des Mietverhältnisses - aus der Vertragsurkunde ergeben vertrag ist aber spätestens mit der Übergabe der Mietsache, am (vgl. Senatsurteile vom 29. April 2009 - XII ZR 142/07 - NJW 9. November 1993, die ausweislich des von den Vertragspar- 2009, 2195, 2196 [= GuT 2009, 173] und BGHZ 176, 301 = teien unterzeichneten Übergabeprotokolls ãauf der Grundlage NJW 2008, 2178 [= GuT 2008, 284] - Tz.18). Bei der Annah- des Mietvertrages vom 16. 03. 92“ erfolgt ist, konkludent zu- mefrist und deren Einhaltung handelt es sich jedoch nicht um stande gekommen. solche, den Vertragsinhalt bestimmende Bedingungen. Sie be- treffen vielmehr allein das Zustandekommen des Vertrages und 19 a) In Rechtsprechung und Literatur besteht Streit darüber, werden mit dessen Abschluss bedeutungslos. ob die Schriftform des ¤ 550 BGB gewahrt ist, wenn zwar eine von beiden Mietvertragsparteien unterzeichnete Vertragsur- 14 Der von ¤ 550 BGB in erster Linie bezweckte Schutz ei- kunde existiert, jedoch eine Partei das formgerechte Angebot nes späteren Grundstückserwerbers gebietet keine Ausdehnung der anderen Partei verspätet angenommen hat und ein inhalts- des Schriftformerfordernisses auf solche, allein das Zustande- gleicher Vertrag sodann durch Vollzug konkludent abgeschlos- kommen des Vertrages betreffende Regelungen. Durch ¤ 550 sen worden ist. BGB soll vor allem sichergestellt werden, dass ein späterer Grundstückserwerber, der kraft Gesetzes auf Seiten des Ver- 20 Nach einer Auffassung genügt der Vertrag in diesen Fäl- mieters in ein auf mehr als ein Jahr abgeschlossenes Mietver- len nicht der Schriftform des ¤ 550 BGB (KG NZM 2007, 517 hältnis eintritt, dessen Bedingungen aus dem schriftlichen Ver- [= GuT 2007, 87]; KG OLGR 2006, 332, 333 [=WuM 2006, trag ersehen kann. Sinn und Zweck der Schriftform ist es hin- 193]; OLG Rostock OLGR 2005, 697; KG Grundeigentum gegen nicht, ihm Gewissheit darüber zu verschaffen, ob der 2003, 48, 49; OLG Dresden ZMR 1999, 104; Horst MDR 2008, Mietvertrag wirksam zustande gekommen ist oder noch besteht 365, 366; Möller ZfIR 2008, 87, 88; Leo MietRB 2003, 15; (Senatsurteile BGHZ 176, 301 = NJW 2008, 2178 [= GuT 2008, Lindner-Figura/Hartl NZM 2003, 750, 751; Regenfus JA 2008, 284] - Tzn. 13, 14; vom 29. April 2009 - XII ZR 142/07 - NJW 246, 249; Wolf/Eckert/Ball Handbuch des gewerblichen Miet-, 2009, 2195, 2196 [= GuT 2009, 173]; vom 19. September 2007 Pacht- und Leasingrechts 10. Aufl. Rdn. 112). Zur Begründung - XII ZR 121/05 - NJW 2007, 3346, 3347 [= GuT 2007, 353] berufen sich die Vertreter dieser Auffassung darauf, dass nach und BGHZ 160, 97, 104 [= GuT 2004, 185 KL = WuM 2004, ¤ 550 Satz1 BGB der Mietvertrag in schriftlicher Form, somit 534]). Eine solche Gewissheit vermag eine der Schriftform in der Form des ¤126 Abs. 2 BGB geschlossen sein müsse. Zur genügende Mietvertragsurkunde auch nicht zu erbringen. Denn Wahrung der Form genüge folglich nicht die bloße Schriftlich- das Zustandekommen eines Mietvertrages hängt von zahlrei- keit der Erklärungen („äußere Form“). Vielmehr müsse auch der chen Umständen ab, die sich nicht aus der Urkunde ergeben Vertragsschluss selbst formgerecht erfolgt sein. Daran fehle es, müssen. So genügt der Schriftform ein Mietvertrag, der vor- wenn der Mietvertrag nicht durch ein schriftliches Angebot und sieht, dass er erst nach Zustimmung eines Dritten wirksam wer- dessen schriftliche Annahme, sondern erst später konkludent den soll, ohne dass die Zustimmung schriftlich erfolgen muss abgeschlossen worden sei. (¤182 Abs. 2 BGB). Ebenso genügt der Schriftform ein Miet- 21 Die Gegenmeinung lässt demgegenüber in Fällen der ver- vertrag, der vorsieht, dass er nur im Falle des Eintritts einer Be- späteten Annahme eines Mietvertragsangebots für die Wahrung dingung wirksam werden soll, oder der auf Seiten einer Partei der Form nach ¤¤ 550, 126 Abs. 2 BGB die Einhaltung der von einem als solchen bezeichneten vollmachtlosen Vertreter „äußeren Form“ genügen (OLG Jena NZM 2008, 572, 573; unterzeichnet ist (Senatsurteile BGHZ 176, 301 = NJW 2008, OLG Hamm ZMR 2006, 205, 206; Neuhaus, Handbuch der Ge- 2178 [= GuT 2008, 284] - Tz. 15; 160, 97, 105 [=WuM 2004, schäftsraummiete 3. Aufl. Rdn. 304; Pfleister/Ehrich ZMR 534]; 154, 171, 179 [= GuT 2003, 132] und vom 19. September 2009, 818; Lützenkirchen WuM 2008, 119, 130; Schultz NZM 2007 - XII ZR 121/05 - NJW 2007, 3346, 3347 [= GuT 2007, 2007, 509 f.; Stiegele NZM 2004, 606, 607; Wichert ZMR 2005, 353]). Nichts anderes kann gelten, wenn der Erwerber aus der 593, 594 f.; differenzierend: MünchKomm/Bieber BGB 5. Aufl. Urkunde nicht ersehen kann, ob das Angebot auf Abschluss des ¤ 550 Rdn. 10). Zur Begründung wird im Wesentlichen ausge- Mietvertrages von der anderen Vertragspartei rechtzeitig ange- führt, die Anforderungen an die Schriftform des ¤126 Abs. 2 nommen worden ist, etwa weil gesondert eine Annahmefrist ein- BGB könnten schon wegen der unterschiedlichen Rechtsfolgen geräumt oder eine in der Urkunde enthaltene Annahmefrist ver- bei Nichteinhaltung der Form des ¤ 550 BGB - blo§e vorzeiti- längert worden ist (vgl. KG NZM 2007, 86; Palandt/Weiden- ge Kündbarkeit des im Übrigen wirksamen Vertrages - und bei kaff BGB 69. Aufl. ¤ 550 Rdn. 11; Regenfus JA 2008, 246, 249 Nichteinhaltung der Form von anderen Verträgen (§125 BGB) f.). In allen diesen Fällen verschafft die Urkunde selbst dem Er- - Nichtigkeit der Verträge - nicht gleich streng sein. Im Übrigen werber keine Gewissheit darüber, ob der Vertrag besteht, son- könne der mit § 550 BGB in erster Linie verfolgte Zweck, den dern lediglich darüber wie die Vertragsbedingungen lauten, in Grundstückserwerber zu schützen, allein durch die Einhaltung die er eintritt, falls der Vertrag besteht. Das genügt für die der äußeren Form gewahrt werden. Schriftform des ¤ 550 BGB. 22 b) Der Senat schlie§t sich der letztgenannten Auffassung 15 b) Somit scheitert die Schriftform des Mietvertrages hier an, wonach die Einhaltung der äußeren Form zur Wahrung der - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - nicht daran, dass Schriftform des ¤ 550 BGB ausreicht. die Verlängerung der Annahmefrist und der rechtzeitige Zugang der Annahme nicht aus der Urkunde ersichtlich sind. 23 aa) Nach ¤126 Abs. 2 BGB genügt ein Vertrag der ge- setzlichen Schriftform, wenn eine einheitliche Vertragsurkun- 16 3. Die Schriftform des Mietvertrages ist folglich ohne wei- de von beiden Parteien unterzeichnet worden ist. Von der Ein- teres gewahrt, wenn die Klägerin das schriftliche Angebot der haltung dieser äußeren Form zu trennen ist, ob der Vertrag un- Beklagten vom 16. März 1992 innerhalb der von dieser gesetz- ter Einhaltung der gesetzlichen Schriftform wirksam zustande ten Frist am 22. April 1992 schriftlich angenommen hat, wenn gekommen ist. Das richtet sich nach den allgemeinen Regeln also die schriftliche Annahmeerklärung der Beklagten am 22. über den Abschluss von Verträgen (§§145 ff., 130 BGB). Da- April 1992 zugegangen ist (¤130 Abs.1 Satz1 BGB). Denn dann nach kommt ein Vertrag unter Abwesenden, für den die gesetz- enthält die von beiden Mietvertragsparteien unterzeichnete Ver- liche Schriftform vorgeschrieben ist, grundsätzlich nur dann tragsurkunde sowohl das Angebot der Beklagten als auch die rechtswirksam zustande, wenn sowohl der Antrag als auch die rechtzeitige Annahmeerklärung der Klägerin. Annahme (¤¤145 ff. BGB) in der Form des ¤126 BGB erklärt 17 Die Schriftform des ¤ 550 BGB ist allerdings auch dann werden und in dieser Form dem anderen Vertragspartner zuge- gewahrt, wenn die von der Klägerin gegengezeichnete Urkun- gangen sind (¤130 BGB, BGH Urteile vom 18. Dezember 2007

94 Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 Gewerbemiete

- XI ZR 324/06 - NJW-RR 2008, 1436, 1438 f. zu ¤ 4 VerbrKrG 185 KL]) darauf hingewiesen, dass im Hinblick auf die unter- a.F.; vom 30. Juli 1997 - VIII ZR 244/96 - NJW 1997, 3169, schiedlichen Rechtsfolgen im Rahmen des ¤ 550 BGB gerin- 3170). gere Anforderungen an die Schriftform zu stellen sind, als dies 24 bb) Die Auslegung von ¤ 550 BGB führt unter Berück- der Fall ist, wenn das Gesetz die schriftliche Form als Wirk- sichtigung seines Schutzzwecks und seiner Rechtsfolge zu dem samkeitsvoraussetzung vorschreibt. Ergebnis, dass ¤ 550 BGB über die Einhaltung der äußeren Form 32 c) Danach liegen hier auch bei konkludentem Abschluss hinaus nicht voraussetzt, dass der Vertrag durch die schriftlich des Mietvertrages die Voraussetzungen für die Schriftform des abgegebenen Erklärungen zustande gekommen ist. Vielmehr ¤ 550 BGB vor. genügt ein Mietvertrag auch dann der Schriftform des ¤ 550 33 Die Klägerin und die Beklagte haben ausweislich des Ab- BGB, wenn er inhaltsgleich mit den in der äußeren Form des nahmeprotokolls durch ausdrückliche Bezugnahme auf den ¤126 BGB niedergelegten Vertragsbedingungen nur konkludent ãMietvertrag vom 16. 03. 92“ den Mietvertrag zu den dort nie- abgeschlossen worden ist. dergelegten Bedingungen konkludent abgeschlossen. Dabei ist 25 (1) Wie oben (II. 2. a) ausgeführt, dient ¤ 550 BGB in er- es unschädlich, dass sie zur Kennzeichnung des Mietvertrages ster Linie dem Informationsbedürfnis des Erwerbers, dem durch nur das Datum des Angebots der Beklagten genannt haben. die Schriftform die Möglichkeit eingeräumt werden soll, sich Denn es ist nicht ersichtlich, dass es sich um einen anderen Miet- von dem Umfang und Inhalt der auf ihn übergehenden Rechte vertrag gehandelt haben könnte. und Pflichten zuverlässig zu unterrichten. Diesen Schutzzweck 34 Die Mietvertragsurkunde erfüllt auch die Voraussetzun- erfüllt eine nur der äußeren Schriftform genügende Mietver- gen der äußeren Form des ¤126 Abs. 2 BGB. Sie enthält die tragsurkunde, in der die von beiden Parteien unterzeichneten von beiden Parteien unterzeichneten Vertragsbedingungen. Bedingungen des später konkludent abgeschlossenen Vertra- Mitgeteilt von RiBGH Wellner, Karlsruhe ges enthalten sind. Eine solche Urkunde informiert den Erwer- ber über die Bedingungen des Mietvertrages, in die er, wenn der Anmerkung: Mietvertrag mit diesem Inhalt zustande gekommen ist bzw. noch Eine ãSchriftformfalle“1 weniger! Das Urteil beschränkt das besteht, eintritt (vgl. OLG Jena NZM 2008, 572, 573; OLG Schriftformerfordernis für einen langfristigen Mietvertrag auf Hamm ZMR 2006, 205, 206; Schultz NZM 2007, 509; Stiege- den Vertragsinhalt. le NZM 2004, 606, 607; Wichert ZMR 2005, 593, 595). Langfristige Mietverträge über Gewerberäume oder spätere 26 Demgegenüber ist es nicht Zweck der Schriftform, dem Nachtragsvereinbarungen werden in der Praxis häufig nach Erwerber Gewissheit über das Zustandekommen des langfristi- mündlicher Vorbesprechung und schriftlicher Vorbereitung in gen Mietvertrages oder dessen Fortbestand zu verschaffen. Die- der abgesprochenen Fassung vom Vermieter unterschrieben an se Aufgabe könnte die Vertragsurkunde, wie oben ausgeführt den Mieter mit der Bitte um Gegenzeichnung und Rückgabe (II. 2. a), auch nicht erfüllen. übersandt. Die vom Mieter gegengezeichnete Vertragsurkunde 27 (2) Auch die zusätzlich mit der Schriftform des § 550 BGB muss dem Vermieter nach ¤¤148, 147 Abs. 2 BGB bis zu dem verfolgten Zwecke, die Beweisbarkeit langfristiger Abreden si- im Angebot bestimmten Zeitpunkt zugehen oder bei fehlender cherzustellen und die Vertragsparteien vor der unbedachten Ein- Bestimmung einer Annahmefrist in dem Zeitpunkt, wann er den gehung langfristiger Bindungen zu warnen (vgl. BGHZ 176, Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten 301 = NJW 2008, 2178 m.w.N. [= GuT 2008, 284] - Tz.17), darf. Eine verspätete Annahme des Antrags gilt nach ¤150 Abs.1 werden durch die bloße Einhaltung der äußeren Form gewahrt. BGB als neuer Antrag, der unter Abwesenden nur in der Frist 28 Kommt der Vertrag trotz verspäteter Annahme mit dem des ¤147 Abs. 2 BGB angenommen werden kann. Wenn der schriftlich niedergelegten Inhalt konkludent zustande, ist die Mieter den Vertrag erst nach Ablauf der Annahmefrist mit sei- Beweisfunktion erfüllt. Dann sind die Vertragsbedingungen in ner Unterschrift zurückschickt, ist der Vertrag damit noch nicht der von beiden Parteien unterzeichneten Urkunde verkörpert zustande gekommen. Wird der Mietvertrag oder eine spätere und können durch sie in ausreichender Weise bewiesen wer- Vertragsänderung nach verspäteter Annahme und ohne erneute den. schriftliche Vertragserklärung des Vermieters aber tatsächlich 29 Der Warnfunktion ist dadurch Genüge getan, dass beide durchgeführt, so kommt der Mietvertrag mit den schriftlich nie- Parteien die Vertragsurkunde unterzeichnet haben. Insbesonde- dergelegten Bedingungen durch stillschweigende Annahme des re bedarf der Anbietende, der den Vertrag trotz verspäteter An- neuen Antrags des Mieters zustande2. Da die konkludente An- nahme durchführen will, nicht einer nochmaligen Warnung nahmeerklärung des Vermieters aber nicht beurkundet ist, wird durch die gesetzliche Schriftform. Auch wenn der Vertrag erst nach der bisherigen h.M.3 die Schriftform des Vertrages verfehlt längere Zeit nach Erstellung der Mietvertragsurkunde zustan- mit der für den Kündigungsgegner fatalen Folge, dass der lang- de kommt, wird die Warnfunktion erfüllt. Denn die Schriftform fristige Mietvertrag nach ¤¤ 550, 580 a BGB vorzeitig kündbar des Vertrages ist nur gewahrt, wenn die Parteien den Mietver- ist4. trag mit dem in der Urkunde niedergelegten Inhalt abgeschlos- Tatsächlich wahrt dieser Vertragsschluss nicht die strenge sen haben. Dazu bedarf es stets der Äußerung eines entspre- Form des ¤126 BGB5. Aus der Verweisung in ¤550 BGB auf chenden Willens der Parteien. ¤126 BGB folgt jedoch nicht, dass die Schriftform für langfri- 30 (3) Schlie§lich spricht auch die in ¤ 550 BGB bei Nicht- stige Mietverträge in allem den Anforderungen des ¤126 BGB einhaltung der Schriftform angeordnete Rechtsfolge dafür, die genügen muss6. Die Anwendung der Vorschrift (¤126 BGB), Einhaltung der Schriftform nicht davon abhängig zu machen, auf die in der Verweisungsnorm (¤550 BGB) verwiesen wird, dass der Vertrag durch die schriftlichen Erklärungen wirksam kann immer nur eine „entsprechende“ sein7. Der BGH hat in geworden ist. Denn der Mietvertrag wird auch ohne Einhaltung der Schriftform wirksam. Ein Versto§ gegen das Schriftform- 1) Leo, MietRB 2003, 15. erfordernis hat nach ¤ 550 BGB nur zur Folge, dass der Vertrag 2) BGH LM ¤150 BGB Nr.1. als für unbestimmte Zeit geschlossen gilt. Demgegenüber sind 3) Vgl. die Nachweise in BGH GuT 2010, 93 Rz. 20. nach der allgemeinen Regel des ¤125 BGB Rechtsgeschäfte, 4) Zur Gegenansicht vgl. au§er den Nachweisen in BGH (o. Fu§n. 3), Rz. 21, die der durch Gesetz vorgeschriebenen Form ermangeln, nich- noch Schultz, Gewerberaummiete, 3. Aufl., S. 23 f. und Festschr. Bub (PiG 80), 2007, S. 384 ff.; Hannemann, in: Hannemann/Wiegner, Münchener tig. Bei diesen Rechtsgeschäften ist die Einhaltung der Schrift- Anwaltshandbuch Mietrecht, 3. Aufl., ¤ 47 Rdn. 22; Wiek, in: Hanne- form somit Voraussetzung für deren Wirksamkeit. Diese unter- mann/Wiek/Emmert, Handbuch des Mietrechts, 4. Aufl., ¤ 35 Rdn. 40. schiedlichen Rechtsfolgen bei fehlender Schriftform rechtfer- 5) Sternel, Mietrecht aktuell, 4. Aufl., Rdn. I 109a. tigen die unterschiedlichen Anforderungen an der Einhaltung 6) Vgl. BGHZ 160, 97, 103 = WuM 2004, 534, 536 = GuT 2004, 184 KL: der Schriftform. ãzumindest im Rahmen der durch ¤ 566 Satz BGB a.F. vorgeschriebenen Schriftform“; a.A. KG GuT 2007, 87. 31 Der Senat hat bereits in seiner Entscheidung vom 14. Ju- 7) Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft , 3. Aufl., S. 82.

Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 95 Gewerbemiete seinem neuen Urteil bei der Auslegung des ¤ 550 BGB die zu- ¤ 307 BGB treffende Einschränkung gemacht, dass nach Rechtsfolge und Geschäftsraummiete; Gewerbeflächen; Zweck des ¤ 550 BGB das Schriftformerfordernis nur die we- Getränkeshop im SB-Markt; AGB; Transparenzgebot; sentlichen Vertragsbedingungen, nicht aber auch das Zustande- Umlage der Verwaltungskosten als Nebenkosten; kommen des Vertrages umfasst8. Die Wahrung der „äußeren Verwaltungskosten als Kosten des Betriebs Form“ (Urkundeneinheit und eigenhändige Unterschrift) genügt9. Die in einer Formularklausel festgelegte allgemeine Um- Die besonderen Anforderungen des ¤126 BGB sind im Re- lage von Verwaltungskosten auf den Mieter verstößt bei der gelfall vor allem deshalb strikt zu beachten, weil ein Mangel der Gewerbemiete nicht gegen das Transparenzgebot gemäß Form nach ¤125 Abs.1 BGB zur Nichtigkeit des Vertrages ¤ 307 Abs.1 Satz 2 BGB (im Anschluss an Senatsurteil vom führt10. Für einen langfristigen Mietvertrag ist die Beachtung 9. Dezember 2009 Ð XII ZR 109/08 [= GuT 2010, 23] Ð zur der Form aber nicht Wirksamkeitsvoraussetzung. Der Mietver- Veröffentlichung in BGHZ bestimmt). trag ist auch formlos gültig. Lediglich die Abrede der Zeitdau- (BGH, Urteil vom 24. 2. 2010 Ð XII ZR 69/08) er für längere Zeit als ein Jahr ist nach § 550 BGB unwirksam11. Mieter und Vermieter können den formmangelhaften Vertrag Ð Berufungsgericht OLG Rostock in GuT 2008, 200 Ð nach Ablauf eines Jahres vorzeitig, d.h. wie einen auf unbe- stimmte Zeit geschlossenen Vertrag kündigen. Da ein langfri- 1 Zum Sachverhalt: Die Parteien sind Vertragspartner eines stiger Mietvertrag, der nicht in der Form des ¤126 Abs. 2 BGB gewerblichen Mietverhältnisses und streiten über die Erstattung geschlossen wird, nach ¤ 550 BGB im Gegensatz zu der in ¤125 von Verwaltungskosten. Abs.1 BGB angeordneten Rechtsfolge nicht nichtig ist, ist es 2 Die Klägerin ist Vermieterin von Gewerbeflächen in einem im Rahmen des ¤ 550 BGB gerechtfertigt, die Einhaltung der SB-Markt. Die Beklagte mietete noch vom Rechtsvorgänger der Schriftform nicht auf den Abschluss des Vertrages zu er- Klägerin im Jahr 1997 Flächen zum Betrieb eines Getränke- strecken12. shops. Mit der Klage verlangt die Klägerin aufgrund von Ab- Das folgt insbesondere auch aus dem Schutzzweck des ¤ 550 rechnungen für die Jahre 2002 bis 2004 Nachzahlungen auf die Nebenkosten, von denen in der Revision noch die Verwal- BGB. Die Vorschrift bezweckt vor allem den Schutz des Infor- € mationsinteresses eines potenziellen Grundstückerwerbers, der tungskosten von jährlich (brutto) 1299,54 im Streit stehen. nach ¤ 566 BGB in den Mietvertrag eintritt13. Ein Erwerber soll Der Mietvertrag enthält insoweit die formularmäßig vereinbar- nicht an langfristige, ihn belastende Vereinbarungen gebunden te Verpflichtung des Mieters zur Übernahme von Nebenkosten, sein, die er aus der Mietvertragsurkunde nicht ersehen konnte14. bei denen unter den ãKosten des Betriebes“ u. a. ãVerwaltungs- Das RG hat den Schutzzweck der Schriftform dahin beschrie- kosten“ aufgeführt sind. ben, dass der Erwerber in die Lage versetzt werden soll, ãdie 3 Landgericht Neubrandenburg und Berufungsgericht [OLG Mietbelastungen an der Hand der vorhandenen Urkunden zu Rostock] haben die Klage hinsichtlich der Verwaltungskosten prüfen und sich so vor nachträglicher Überraschung durch ihm abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klä- nicht bekannt gegebene langfristige Mietverträge zu schüt- gerin insoweit ihren Zahlungsantrag weiter. zen“15. Die üblicherweise daneben noch genannte Warn- und Beweisfunktion16 hat nur nachrangige Bedeutung17. Hingegen 4 Aus den Gründen: Die Revision führt im Umfang der An- bezweckt die Schriftform nach ¤¤ 550, 126 BGB nicht, dem fechtung zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückver- Erwerber Gewissheit über das Zustandekommen des langfristi- weisung an das Berufungsgericht. 18 gen Mietvertrages oder dessen Fortbestand zu verschaffen . 5 I. Das Berufungsgericht hat in seinem Urteil, das u. a. in Auch bei verspäteter schriftlicher Annahme und nachfol- GuT 2008, 200 veröffentlicht ist, die Auffassung vertreten, dass gendem konkludenten Vertragsschluss liegt eine von beiden die Klausel zur Umlage der Verwaltungskosten nicht transpa- Mietvertragsparteien eigenhändig unterzeichnete Urkunde vor, rent und daher nach ¤ 9 AGBG (¤ 307 Abs.1 Satz 2 BGB) un- aus der ein potenzieller Erwerber die Vereinbarungen ersehen wirksam sei. Eine nähere Beschreibung des Begriffs der Ver- kann. Eine nochmalige Unterzeichnung durch den Vermieter ist waltungskosten fehle ebenso wie eine Begrenzung der Höhe der für das Informationsinteresse eines künftigen Erwerbers an dem Belastung des Mieters. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch Vertragsinhalt belanglos. könne dem Begriff auch durch Auslegung kein hinreichend be- Für die Einhaltung der Schriftform eines langfristigen Miet- stimmter Inhalt beigemessen werden. Der Umfang der Verwal- vertrages kommt es nach alledem nicht auf die Datumsangaben tungstätigkeit richte sich nach den Besonderheiten des Objek- bei den Unterschriftszeilen an, ob diese einen erheblichen zeit- tes und könne vom Mieter nicht beurteilt werden. Neben der lichen Abstand haben oder wann die Unterschriften tatsächlich kaufmännischen Verwaltung könnten auch Aufgaben der tech- geleistet wurden19 und wann die Annahmeerklärung dem Ver- nischen Verwaltung umfasst sein. Letztlich sei ein Verständnis tragspartner zugegangen ist. nicht auszuschlie§en, dass der Begriff ãVerwaltungskosten“ als eine Art Auffangregelung für alle Kosten verstanden ãund miss- Rechtsanwalt Karl Friedrich Wiek, Köln verstanden“ werde, die mit der Objektbewirtschaftung zusam- menhingen und nicht speziell aufgelistet seien. Damit werde dem Mieter ein nicht einschätzbares Risiko aufgebürdet. Eine Konkretisierung könne auch nicht unter Heranziehung von ¤1 8) BGH (o. Fu§n. 3), Rz. 13 ff., 23 ff. 9) Anders wohl noch BGH GuT 2009, 173 Rz. 24. Abs. 2 Nr.1 BetrKV erreicht werden, weil die Vorschrift keine 10) BGHZ 160, 97, 104 = WuM 2004, 534, 536. Anwendung auf Gewerberaummietverhältnisse finde. Wegen 11) Vgl. Niendorff, Miethrecht, 5. Aufl. 1900, S. 51 f. ihrer vom Gewerberaummietrecht verschiedenen Zweckrich- 12) BGH (o. Fu§n. 3), Rz. 30. tung könne die Vorschrift auch nicht als Auslegungshilfe her- 13) BGH (o. Fu§n. 3), Rz. 14 und GuT 2008, 284 Rz. 13 sowie WuM 2007, angezogen werden. Auch ein Rückgriff auf ¤ 27 WEG verbiete 272, 273 Rz. 17. 14) BGHZ 154, 171, 180 = GuT 2003, 132, 135. sich wegen der gänzlich anderen Struktur der Verwaltung nach 15) RGZ 103, 381, 384. dem WEG. 16) BGH (o. Fu§n. 3), Rz. 27 ff. und GuT 2008, 482, 483 Rz. 17. 6 II. Das hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. 17) Vgl. BGHZ 136, 357, 370 = WuM 1997, 667, 670 unter II 7. 18) BGH (o. Fu§n. 3), Rz. 26, 14 und GuT 2008, 284, 285 Rz. 14. 7 Im vorliegenden Fall ist nach Art. 229 ¤ 5 Satz 2 EGBGB 19) Nach der überholten Ansicht des OLG Rostock OLGR 2005, 697, sollte anstelle des ¤ 9 AGBG ¤ 307 Abs.1 Satz 2 BGB anwendbar. Der nur eine falsche Datumsangabe nach den Grundsätzen der falsa demon- Senat hat nach Erlass des angefochtenen Urteils entschieden, stratio unschädlich sein; unklar OLG Hamm ZMR 2006, 205, 207, wo- nach für die Schriftform eine im Mietvertrag dokumentierte rechtzeitige dass eine in einem gewerblichen Mietverhältnis vereinbarte For- Unterschrift ausreicht und ein verspäteter Zugang der Annahme un- mularklausel zur Umlage der ãKosten der kaufmännischen und schädlich ist. technischen Hausverwaltung“ nicht gegen das Transparenzge-

96 Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 Gewerbemiete

bot gemäß § 307 Abs.1 Satz 2 BGB verstößt (Senatsurteil vom 12 III. Der Senat kann in der Sache nicht abschlie§end ent- 9. Dezember 2009 Ð XII ZR 109/08 [= GuT 2010, 23] Ð zur Ver- scheiden. Denn das Berufungsgericht hat zum Anfall und zur öffentlichung in BGHZ bestimmt). Das gilt für die vorliegend Angemessenheit der Kosten, die von der Beklagten bestritten vereinbarte Umlage der ãVerwaltungskosten“ in gleicher Wei- worden sind, aus seiner Sicht folgerichtig noch keine Feststel- se. lungen getroffen. 8 Die Formularklausel ist entgegen der Auffassung des Be- Mitgeteilt von RiBGH Wellner, Karlsruhe rufungsgerichts hinreichend transparent. Nach dem Transpa- renzgebot des ¤ 307 Abs.1 Satz 2 BGB sind Verwender allge- meiner Geschäftsbedingungen nach Treu und Glauben ver- ¤ 307 BGB pflichtet, Rechte und Pflichten der Vertragspartner möglichst Gewerberaummiete; klar und durchschaubar darzustellen. Dazu gehört auch, dass Ladenlokal im Einkaufszentrum EKZ; allgemeine Geschäftsbedingungen wirtschaftliche Nachteile Lebensmitteldiscounter; und Belastungen soweit erkennen lassen, wie dies nach den Um- Betriebspflicht; Offenhaltungspflicht; ständen gefordert werden kann. Abzustellen ist auf die Er- Sortimentsbindung; Sortiments- und Konkurrenzschutz; kenntnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Vertragspart- Leerstände; Wegfall der Geschäftsgrundlage; ners (Senatsurteil vom 16. Mai 2007 Ð XII ZR 13/05 Ð NZM Verwendungsrisiko des Mieters 2007, 516 [= GuT 2007, 205] m.w.N.). Dem genügt die vorlie- gende Klausel. Zur Wirksamkeit einer formularmäßig vereinbarten Be- 9 Der in ¤ 5 des Mietvertrages verwendete Begriff der ãVer- triebs- und Offenhaltungspflicht des Mieters eines Laden- waltungskosten“ ist hinreichend bestimmt im Sinne des § 307 geschäfts in einem Einkaufszentrum, wenn dem Mieter zu- Abs.1 Satz 2 BGB (Senatsurteil vom 9. Dezember 2009 Ð XII gleich eine Sortimentsbindung auferlegt, ihm aber kein Sor- ZR 109/08 [= GuT 2010, 23] Ð zur Veröffentlichung in BGHZ timents- und Konkurrenzschutz gewährt wird. bestimmt m.w.N.). Entgegen dem Berufungsgericht kann zur (BGH, Urteil vom 3. 3. 2010 Ð XII ZR 131/08) Ausfüllung des Begriffs der Verwaltungskosten auf die im We- sentlichen übereinstimmenden Definitionen in ¤1 Abs. 2 Nr.1 1 Zum Sachverhalt: Die Parteien streiten über die Wirksam- BetrKV und ¤ 26 Abs.1 II. Berechnungsverordnung zurückge- keit einer Vereinbarung, nach der sich die Klägerin zum Be- griffen werden. Dass diese Regelungen für die Geschäftsraum- trieb eines von der Beklagten gemieteten Ladenlokals sowie zu miete nicht einschlägig sind, steht ihrer Heranziehung als Hilfs- dessen Offenhaltung nach Ma§gabe der von dieser bestimmten mittel zur näheren Bestimmung der umlegbaren Kosten nicht Öffnungszeiten verpflichtet. im Wege. Auch die Herausnahme der Verwaltungskosten aus den umlegbaren Kosten nach der BetrKV hindert nicht daran, 2 Die Rechtsvorgängerin der Klägerin mietete 1995 von der im Bereich der Geschäftsraummiete zur Ausfüllung des Begriffs Rechtsvorgängerin der Beklagten in deren - damals bau- der Verwaltungskosten auf die vorhandene gesetzliche Defini- behördlich genehmigten, aber noch nicht errichteten - Ein- tion zurückzugreifen (Senatsurteil vom 9. Dezember 2009 Ð XII kaufszentrum N. in H. eine Ladenfläche von über 720 qm für ZR 109/08 [= GuT aaO] Ð zur Veröffentlichung in BGHZ be- die Dauer von 15 Jahren ab Übergabe (September 1996). In ¤1/I stimmt m.w.N.). Es trifft zwar zu, dass bei gewerblichen Miet- Nr. 2 des von der Vermieterin verwandten Formular-Mietver- objekten andere Verwaltungskosten anfallen als bei der Woh- trags hei§t es: nungsmiete. Daraus folgt aber nicht, dass die gesetzliche Defi- ãDie Vermietung erfolgt zur ausschlie§lichen Nutzung als: nition bei der Gewerbemiete nicht sinnvoll anzuwenden wäre. T.-Discount Wenn die im Einzelfall anfallenden Verwaltungskosten auch einschließlich der dazugehörigen Rand- und Nebensorti- weitere als die gesetzlich definierten Positionen erfassen, so mente. Der Mieter verpflichtet sich, das Sortiment entspre- folgt daraus allein, dass die Kosten insoweit bei Heranziehung chend der oben angeführten Beschränkung einzuhalten. Ei- der gesetzlichen Definition nicht umlegbar sind. Die Transpa- ne Änderung der genannten Nutzung oder des Sortiments ist renz des Begriffs der Verwaltungskosten wird dadurch aber nicht dem Mieter ohne vorherige Zustimmung des Vermieters nicht ausgeschlossen. Verbleibende Unklarheiten gehen überdies nach gestattet. Dem Mieter wird keine Sortimentsausschlie§lich- ¤ 305 c Abs. 2 BGB zu Lasten des Klauselverwenders (Senats- keit zugesichert. Konkurrenzschutz ist ausgeschlossen.“ urteil vom 9. Dezember 2009 Ð XII ZR 109/08 [= GuT aaO] Ð zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt). 3 In ¤11/II des Formular-Mietvertrags wird eine ãBetrei- bungs-/ Offenhaltungspflicht“ des Mieters wie folgt geregelt: 10 Schlie§lich werden durch die technische Hausverwaltung auch nicht teilweise Kosten erfasst, die der Instandhaltung und ã1. Der Mieter ist verpflichtet, den Mietgegenstand während Instandsetzung nach ¤1 Abs. 2 Nr. 2 BetrKV zuzuordnen wären. der gesamten Mietzeit seiner Zweckbestimmung entspre- Vielmehr sind die Verwaltungskosten als Gemeinkosten von den chend ununterbrochen zu nutzen. Er wird die Mieträume we- Kosten von Dienst- oder Werkleistungen im Rahmen einer kon- der ganz noch teilweise unbenutzt oder leerstehen lassen. kreten Instandhaltungsma§nahme zu trennen (Senatsurteil vom ... 9. Dezember 2009 Ð XII ZR 109/08 [= GuT aaO] Ð zur Veröf- fentlichung in BGHZ bestimmt). 3. Das Geschäftslokal ist im Rahmen der gesetzlichen Be- stimmungen über die Ladenschlusszeiten an allen Verkaufs- 11 Auch im Hinblick auf die Höhe der entstehenden Kosten bedurfte es keiner näheren Konkretisierung in den allgemeinen tagen zu den vom Vermieter festgelegten Öffnungszeiten of- Geschäftsbedingungen und auch nicht der Festlegung einer fenzuhalten. Aus der bloßen Duldung abweichender Öff- Höchstgrenze. Vielmehr hatte die Klägerin, etwa wegen eines nungszeiten durch den Vermieter kann der Mieter keine Rech- möglichen Verwalterwechsels, ein legitimes Interesse an der va- te herleiten. Zeitweise Schlie§ungen (wie Mittagspause, Ru- riablen Ausgestaltung der Kostenregelung und war die Beklag- hetage, Betriebsferien) sind nicht zulässig, ausgenommen te als Geschäftsraummieterin in der Lage, die entstehenden Ko- sind Inventuren oder Betriebsversammlungen.“ sten wenigstens im Groben abzuschätzen (vgl. Senatsurteil vom 4 Die Geschäftsräume waren zunächst an die T.-Discount 9. Dezember 2009 Ð XII ZR 109/08 [= GuT aaO] Ð zur Veröf- Handels GmbH, später an die N. Lebensmittelhandels GmbH fentlichung in BGHZ bestimmt m.w.N. auch zur Abgrenzung untervermietet, die dort einen Lebensmitteldiscountmarkt be- von der bisherigen Senatsrechtsprechung). Gegen die Umle- trieben und als größtes Ladengeschäft des Einkaufszentrums gung überhöhter oder nicht erforderlicher Kosten ist der Mie- dessen „Publikumsmagnet“ bildeten. Der Leerstand in dem Ein- ter schlie§lich durch das allgemeine Wirtschaftlichkeitsgebot kaufszentrum ist im Laufe des Mietverhältnisses von anfäng- hinreichend geschützt (vgl. Schmid Handbuch der Mietneben- lich 20% auf inzwischen 40% gestiegen. Die N. Lebensmittel- kosten 11. Aufl. Rdn. 1053 ff., 1077 m.w.N.). handels GmbH hat das Ladenlokal 2007 geräumt.

Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 97 Gewerbemiete

5 Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass die in ¤11/II Rdn. 695 m.w.N). Umstände, die im vorliegenden Fall eine ge- Nr.1 und Nr. 3 des Mietvertrags bestimmte Betriebspflicht genteilige Beurteilung rechtfertigen könnten, sind nicht er- ungültig sei und sie berechtigt sei, ihr Ladengeschäft nach ei- sichtlich. genem Belieben zu öffnen oder zu schlie§en. 14 Nicht unangemessen ist - jedenfalls für sich genommen - 6 Das Landgericht Halle/Saale hat die Klage abgewiesen. nach wohl allgemeiner Auffassung auch eine formularmäßige Das Oberlandesgericht Naumburg hat die Berufung der Kläge- Abrede, die den Mieter von Gewerberäumen an ein bestimm- rin zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die - zugelassene - tes Sortiment bindet (vgl. etwa Senatsbeschluss vom 16. Fe- Revision, mit der die Klägerin ihr erstinstanzliches Klageziel bruar 2000 - XII ZR 279/97 - NJW 2000, 1714 [=WuM 2000, weiterverfolgt. 593] und juris Tz. 47) oder den Vermieter von einer Verpflich- tung zum Konkurrenzschutz freistellt (vgl. etwa OLG Hamburg 7 Aus den Gründen: Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg. Die NJW-RR 1987, 403; Wolf/Eckert/Ball Handbuch des gewerb- Klage ist insgesamt nicht begründet. lichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts 10. Aufl. Rdn. 709 m.w.N.). 8 I. Unbegründet ist bereits das Begehren der Klägerin fest- zustellen, die in ¤11/II Nr.1 und Nr. 3 des Mietvertrags getrof- 15 Zweifelhaft ist die Angemessenheit der genannten Abre- fene Regelung über die Betriebspflicht sei ungültig. Denn die den in Formularverträgen dort, wo sie kumulativ vereinbart wer- der Klägerin in den genannten Vertragsbestimmungen aufer- den. So wird es in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte legte Betriebs- und Offenhaltungspflicht ist wirksam vereinbart. zwar für nicht unangemessen angesehen, wenn dem Mieter von Verkaufsräumen in einem Einkaufszentrum eine Betriebspflicht 9 1. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts halten die in auferlegt, zugleich aber die Gewährung von Konkurrenz- und ¤11/II Nr.1 und Nr. 3 des Mietvertrags getroffenen Vereinba- Sortimentsschutz durch den Vermieter ausgeschlossen wird rungen einer Inhaltskontrolle am Ma§stab des ¤ 307 Abs.1 Satz1 (OLG Rostock NZM 2004, 460, 461 und juris Tz. 65; OLG BGB stand. Hamburg ZMR 2003, 254 [= GuT 2003, 57] und juris Tz. 15). 10 Soweit ¤11/II Nr. 3 des Mietvertrags zeitweilige Unterschiedlich beantwortet wird hingegen die Frage, ob in ei- Schlie§ungen ãwie Mittagspause, Ruhetage, Betriebsferien“ un- nem Formularvertrag die Vereinbarung einer Betriebspflicht des tersage, benachteilige dies die Klägerin nicht unangemessen. Mieters - wie nach Auffassung der Revision auch im vorlie- Mittagspausen, Ruhetage und Betriebsferien seien im Wesent- genden Fall geschehen - mit einer Sortimentsbindung kombi- lichen auf die Interessenlage der Betreiber von kleinen, insbe- niert und zusätzlich mit einem Ausschluss von Konkurrenz- und sondere inhabergeführten Geschäften mit keinem weiteren oder Sortimentsschutz wirksam verbunden werden kann (gegen ei- nur geringem Personalbestand zugeschnitten, für Lebensmit- ne Kumulierungsmöglichkeit OLG Schleswig NZM 2000, 1008 teldiscounter in einem Einkaufszentrum aber ebenso untypisch und juris Tz. 3 im Anschluss an Sternel Mietrecht 3. Aufl. 1988 wie unüblich; zudem seien sie mit dem überwiegenden Inter- II Rdn. 273 f. A.A. etwa Wolf/Eckert/Ball Handbuch des ge- esse des Vermieters sowie mit dem Gesamtinteresse der Mieter werblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts 10. Aufl. Rdn. 695, an der vollen Funktionsfähigkeit eines Einkaufszentrums nicht Bub/Treier Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete 3. vereinbar. Aufl. II Rdn. 511; Neuhaus Handbuch der Geschäftsraummie- te 3. Aufl. Rdn. 426; Lindner-Figura/Oprée/Stellmann Ge- 11 Die in ¤11/II Nr.1 und Nr. 3 Satz1 des Mietvertrags fest- schäftsraummiete 2. Aufl. Rdn. 168; jeweils m.w.N.). gelegte Betriebspflicht sei für sich genommen nicht zu bean- standen. Sie sei auch nicht deshalb unwirksam, weil ¤1/I Nr. 2 16 Diese vom Oberlandesgericht bejahte Frage kann hier in- Satz 2 des Mietvertrags der Klägerin zusätzlich eine Sorti- des dahinstehen. Denn der Klägerin ist in §1/I Nr. 2 des Miet- mentsbindung auferlege, Satz 4 dieser Regelung ihr aber ãkei- vertrags keine hinreichend konkretisierbare Sortimentsbindung ne Sortimentsausschlie§lichkeit“ zusichere und Satz 5 ihr zu- auferlegt worden; jedenfalls aber ist es der Beklagten nicht zu- dem ausdrücklich keinen Konkurrenzschutz gewähre. Die Sor- mutbar, der Klägerin im Umfang einer dort - wenn überhaupt - timentsbindung diene - im Interesse aller Mieter - dem Erhalt nur äußerst vage getroffenen Zweck- und Sortimentsbestim- eines für die Attraktivität eines Einkaufszentrums wichtigen mung Sortiments- und Konkurrenzschutz zu gewähren: Nach „Branchenmix“. Bei dem Ausschluss des Konkurrenzschutzes ¤1/I Nr. 2 des Mietvertrags erfolgt die Vermietung ãzur aus- gehe es dem Vermieter regelmäßig darum, sich gegen den häu- schlie§lichen Nutzung als: T.-Discount einschlie§lich der da- figen Einwand von Mietern abzusichern, ihr Geschäft leide in zugehörenden Rand- und Nebensortimente“. „T.-Discount“ ist Teilbereichen ihres Sortiments unter vertragswidrigem Wettbe- aber keine Sortimentsbezeichnung, sondern ein Teil des Fir- werb. Durch das Zusammentreffen mit diesen Klauseln werde mennamens der ersten Untermieterin. Denkbar wäre zwar, in die Betriebspflicht nicht übermäßig verstärkt. Dies gelte je- dieser Regelung eine Beschränkung auf eine Angebotspalette denfalls in dem für die Unangemessenheitsprüfung nach § 307 zu sehen, die dem bei anderen T.-Discount Filialen üblichen Sor- BGB allein ma§gebenden Regelfall. Soweit - wie in der Ent- timent entspräche. Dies setzt allerdings voraus, dass sich - trotz scheidung des Oberlandesgerichts Schleswig (NZM 2000, 1008 der für Discount-Ketten typischen Einbeziehung auch bran- und juris Tz. 4) - hypothetisch unterstellt werde, dass ein Ver- chenfremder, aber gerade besonders preisgünstiger Angebote in mieter von Gewerbeflächen in einem Einkaufszentrum eine un- das jeweils aktuelle Sortiment - eine solche Begrenzung über- mittelbare Konkurrenz zu dem Gewerbebetrieb eines Mieters haupt bestimmen lie§e; ferner, dass die Klägerin bei der Abre- aktiv fördere, zugleich aber auf der Einhaltung der Betriebs- de den Willen gehabt hätte, auch bei einer Untervermietung an pflicht und der Sortimentsbindung dieses Mieters bestehe, han- künftige andere Untermieter eine solche Beschränkung des Sor- dele es sich um eine Ausnahmesituation, der mit ¤ 242 BGB timents auf eine (etwaige und) gerade für die T.-Discount Fi- begegnet werden könne. Der Unangemessenheitsprüfung nach lialen typische Angebotspalette hinzunehmen. Beides kann hier ¤ 307 BGB dürfe eine solche nur theoretische Möglichkeit aber jedoch letztlich offen bleiben. Auch wenn sich aus der Bezug- nicht zugrunde gelegt werden. nahme auf den ãT.-Discount“ auf eine vage abgrenzbare Sorti- mentsbeschränkung schließen ließe, so hätte diese Beschrän- 12 2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprü- kung eine diffuse und - nicht zuletzt durch die ausdrückliche fung stand. Einbeziehung von „Rand- und Nebensortimenten“ - auch um- 13 a) Die formularmäßige Vereinbarung einer Betriebs- und fänglich kaum begrenzbare Reichweite, die eine Sortiments- Offenhaltungspflicht ist im Regelfall nicht als eine im Sinne des bindung jeglicher praktischen Bedeutung entzöge. Ein - als ¤ 307 Abs.1 Satz1 BGB unangemessene Benachteiligung des Kehrseite der Sortimentsbindung vereinbarter - Sortiments- und Mieters zu werten (so für die Offenhaltungspflicht Senatsurteil Konkurrenzschutz würde folglich für die Beklagte ein Risiko vom 29. April 1992 - XII ZR 221/90 - NJW-RR 1992, 1032 und bergen, das die Vermietbarkeit der übrigen Ladengeschäfte im juris Tz. 30; vgl. im Übrigen statt aller Wolf/Eckert/Ball Hand- Einkaufszentrum nachhaltig beeinträchtigen und die Beklagte buch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts 10. Aufl. ihrerseits unangemessen belasten würde (vgl. dazu auch Lind-

98 Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 Gewerbemiete ner-Figura/ Oprée/Stellmann Geschäftsraummiete 2. Aufl. Rdn. gemeinschaft noch aus der Verpflichtung des Mieters zur Mit- 168). Im Ergebnis ist deshalb - jedenfalls im vorliegenden Fall teilung der von ihm erzielten Umsätze, aus der Zustimmungs- - die Kombination der Betriebspflicht mit einer etwa verein- pflichtigkeit von Ausverkäufen oder aus der Erwähnung eines barten Sortimentsbindung und dem Ausschluss jedes Sorti- ãCenter-Managers“ in der Nebenkostenregelung auf ein Ge- ments- und Konkurrenzschutzes unter dem Aspekt des ¤ 307 samtmanagement mit einheitlicher Vermarktungsstrategie Abs.1 Satz1 BGB nicht zu beanstanden. schlie§en; auch insoweit fehlte es mithin an Anhaltspunkten für eine Vereinbarung, mit der die Beklagte eine umfassende 17 b) An dieser Beurteilung ändert auch die in §1/II Nr. 3 Satz1 und 3 des Mietvertrags vereinbarte Verpflichtung der Klä- unternehmerische Verantwortung für die Einzelgeschäfte über- gerin zur Offenhaltung ihres Geschäfts nichts. Die Offenhal- nommen habe. tungspflicht benachteiligt die Klägerin aus den bereits vom 22 b) Diese Ausführungen sind frei von Rechtsirrtum. Oberlandesgericht aufgeführten Gründen nicht unangemessen. 23 Es erscheint bereits zweifelhaft, ob die Parteien bei Ab- Für die Inhaltskontrolle von Formularverträgen, die - wie hier schluss des Mietvertrags von einem im Wesentlichen konstant - gegenüber einem Unternehmer verwendet werden, sind die im bleibenden Einwohnerbestand in H. oder von einer künftigen Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche nach Vollvermietung des Einkaufszentrums als Geschäftsgrundlage ¤ 310 Abs.1 Satz 3 BGB angemessen zu berücksichtigen. Es des Mietvertrags oder der darin vereinbarten Betriebs- und Of- entspricht verbreiteter Übung und den Erwartungen des Publi- fenhaltungspflicht ausgegangen sind. Denn bereits bei Eröff- kums, dass ein Discount-Markt mit der größten Ladenfläche in nung des Einkaufszentrums (1996) standen 20% der Laden- einem Einkaufszentrum während der Öffnungszeiten des Zen- fläche leer. Auch hatte der vom Oberlandesgericht als Ursache trums durchgehend - also ohne Mittagspausen, Ruhetage oder für den in der Folgezeit ansteigenden Leerstand festgestellte Be- Betriebsferien - offengehalten wird. Der Umstand, dass in ¤1/II völkerungsschwund in dem betroffenen Stadtteil von H. bereits Nr. 3 des Mietvertrags - jedenfalls ausdrücklich - (nur) Schlie- 1992 - mithin deutlich vor Abschluss des Mietvertrags (1995) §ungen wegen ãInventuren oder Betriebsversammlungen“ von - eingesetzt. Es ist weder festgestellt noch sonst ersichtlich, dass dieser generellen Offenhaltungspflicht ausgenommen werden, den Parteien diese Entwicklung, die bis 2005 zu einem Ein- begründet keine Unwirksamkeit der mietvertraglichen Rege- wohnerschwund von 40% und bis 2007 zu einem Leerstand im lung. Ebenso wie ãMittagspause, Ruhetage und Betriebsferien“ Einkaufszentrum von 40% führte, nicht bekannt oder - als Mög- nur als Beispiele für eine - vom Mieter gewillkürte, aber ob- lichkeit - nicht ersichtlich gewesen sei. Die Frage kann indes jektiv nicht unerlässliche und deshalb - unzulässige Geschäfts- dahinstehen. Denn die Beklagte hätte sich, auch wenn die Par- schlie§ung genannt werden, sind umgekehrt ãInventur und Be- teien die Möglichkeit einer solchen Bevölkerungs- und Leer- triebsversammlungen“ ersichtlich nur beispielhaft für eine - standsentwicklung bedacht hätten, redlicherweise nicht darauf nach dem Betriebsablauf notwendige und deshalb - zulässige einlassen müssen, den Fortbestand einer bestimmten Einwohn- Ausnahme von der Offenhaltungspflicht erwähnt. Andere - not- erzahl oder die Vollvermietung als Bedingung - sei es des Miet- wendige - Schlie§ungen, wie sie etwa durch die von der Revi- vertrags, sei es der Betriebspflicht der Klägerin - mietvertrag- sion angeführten, dem Mieter obliegenden Schönheitsrepara- lich zu fixieren. turen oder Instandhaltungsma§nahmen erforderlich werden könnten, werden durch diese Beispiele nicht ausgeschlossen. 24 Wie der Senat wiederholt dargelegt hat, fällt es in den Ver- Das ergibt sich bereits aus der Auslegung des Vertrags, der dem antwortungsbereich des Mieters von Gewerberaum, als Unter- Mieter, wenn er ihm Reparatur- oder Instandhaltungsma§nah- nehmer die Erfolgsaussichten eines Geschäfts in der von ihm men auferlegt, die Möglichkeit zu deren Durchführung nicht gewählten Lage abzuschätzen. Das umfasst bei der Anmietung unnötig verstellen darf; es folgt im Übrigen auch aus § 275 eines Ladenlokals in einem erst noch zu errichtenden Ein- Abs.1 BGB. kaufszentrum neben der Chance, in einem später florierenden Zentrum erhöhte Gewinne zu erzielen, auch das Risiko eines 18 II. Die Klage ist auch insoweit unbegründet, als die Klä- Scheiterns des Gesamtobjekts mit entsprechenden negativen gerin die Feststellung begehrt, sie sei berechtigt, ihr von der Be- Folgen für das gemietete Einzelgeschäft (Senatsurteile vom 16. klagten gemietetes Ladengeschäft nach eigenem Belieben zu Februar 2000 - XII ZR 279/97 - NJW 2000, 1714 [=WuM 2000, öffnen und zu schlie§en. 593] Tz. 45 ff. und vom 19. Juli 2000 - XII ZR 252/98 - juris Tz. 17 ff.). Es geht nicht an, einen nach der gesetzlichen La- 19 1. Die Klägerin kann dieses Begehren nicht auf die Un- wirksamkeit der ihr in ¤11/II Nr.1 und Nr. 3 des Mietvertrags stenverteilung in die Risikosphäre des Mieters von Gewerbe- auferlegten Betriebs- und Offenhaltungspflicht stützen. Denn räumen fallenden Umstand als gemeinsame Geschäftsgrundla- diese Verpflichtung der Klägerin ist, wie dargelegt, wirksam ge der Mietvertragsparteien anzusehen und damit das Risiko vereinbart. des Eintritts oder Nichteintritts dieses Umstandes über die Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage ganz oder teil- 20 2. Auch kann sich die Klägerin für ihr Klagebegehren nicht weise auf den Vermieter zu verlagern. auf einen Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen. 25 Allerdings können die Parteien des Mietvertrags die ge- 21 a) Nach Auffassung des Oberlandesgerichts trägt bei der setzliche Risikoverteilung vertraglich ändern und vereinbaren, Vermietung von Gewerberäumen - im Verhältnis zwischen Ver- dass der Vermieter das Geschäftsrisiko des Mieters - ganz oder mieter und Mieter - grundsätzlich der Mieter das Risiko einer zum Teil - übernimmt. Ob das der Fall ist, ist durch Auslegung wirtschaftlich gewinnbringenden Verwendung der gewerblich der getroffenen Vereinbarungen zu ermitteln (Senatsurteile vom genutzten Mietsache. Diese Risikoverteilung ändere sich nicht 16. Februar 2000 - XII ZR 279/97 - NJW 2000, 1714 [=WuM dadurch, dass das vermietete Geschäft in einem Einkaufszen- aaO] Tz. 46 und vom 19. Juli 2000 - XII ZR 252/98 - juris Tz. trum liege und nicht nur der Mieter, sondern auch der Vermie- 22 ff.). Das Oberlandesgericht hat dem Inhalt des von den Pro- ter von einem wirtschaftlichen Erfolg des Gesamtprojekts aus- zessparteien geschlossenen Mietvertrags mit Recht keine sol- gegangen sei. Für die Annahme einer vertraglichen Vereinba- che von der gesetzlichen Risikoverteilung abweichende Ver- rung, nach der ausnahmsweise der Vermieter anstelle des Mie- einbarung entnommen. Entgegen der Auffassung der Revision ters das Verwendungs- und Gewinnerzielungsrisiko für ein ver- lässt sich eine solche Vereinbarung auch nicht in dem Zusam- mietetes Ladengeschäft tragen solle, bedürfe es konkreter An- mentreffen der mietvertraglichen Regelungen über die Betriebs- haltspunkte, die hier jedoch fehlten. Die im Mietvertrag gere- und Offenhaltungspflicht sowie über die Sortimentsbindung des gelten Rechte und Pflichten des Mieters zur Nutzung von Wer- Mieters einerseits und dem Fehlen eines Sortiments- und Kon- beflächen an den Fassaden oder zur Anbringung von Leuchtre- kurrenzschutzes durch den Vermieter andererseits (¤11/II Nr.1 klamen über Schaufenstern und Eingangstür begründeten kei- und Nr. 3 des Mietvertrags i. V. m. ¤1/I Nr. 2 des Mietvertrags) ne einheitliche Gestaltung der Geschäfte, die auf eine solche Ri- erblicken. Schon generell kann aus einer Kumulation von Be- sikoverlagerung schließen lassen könnte. Ebenso ließe sich we- triebs- und Offenhaltungspflicht, Sortimentsbindung sowie Aus- der aus der vereinbarten Pflichtmitgliedschaft in einer Werbe- schluss von Konkurrenz- und Sortimentsschutz noch nicht oh-

Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 99 Gewerbemiete ne weiteres auf einen Willen des Vermieters geschlossen wer- mangels jeglicher Darlegung des wirtschaftlichen Interesses der den, den Mieter von dem Risiko einer wirtschaftlich gewinn- Beklagten am weiteren Betrieb eines Discount-Marktes im Ein- bringenden Nutzung des vom Mieter gemieteten Ladengeschäfts kaufszentrum - nichts ersichtlich. Im Übrigen könnte sich in der zu entlasten. Im vorliegenden Fall erscheint, wie dargelegt, der vorliegenden Fallkonstellation eine Unzumutbarkeit für die Klä- Ausschluss von Konkurrenz- und Sortimentsschutz durch die gerin, das Ladengeschäft weiter zu betreiben, allenfalls aus den Beklagte zudem nur als eine wirtschaftlich naheliegende Folge Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage oder aus der der Klägerin eingeräumten Nutzung des Ladengeschäfts einem Verhalten der Beklagten ergeben, das es rechtsmiss- als ãT.-Discount einschließlich der dazugehörenden Rand- und bräuchlich erscheinen ließe, die Klägerin weiter an ihrer Be- Nebensortimente“. Soweit in dieser Zweckbestimmung über- triebs- und Offenhaltungspflicht festzuhalten. Ein Wegfall der haupt eine Sortimentsbeschränkung zu finden ist, hätte ange- Geschäftsgrundlage kommt, wie dargelegt, bereits angesichts sichts deren kaum verlässlich begrenzbarer Reichweite ein da- der gesetzlichen Verteilung des Nutzungs- und Gewinner- mit korrespondierender Konkurrenz- und Sortimentsschutz für zielungsrisikos und in Ermangelung einer abweichenden Ver- die Beklagte schwer kalkulierbare Risiken bei der Vermietung einbarung nicht in Betracht. Für ein rechtsmissbräuchliches Ver- der übrigen Ladengeschäfte mit sich gebracht. Der Ausschluss halten der Beklagten ist, wie das Oberlandesgericht zu Recht von Konkurrenz- und Sortimentsschutz beugt dem vor; eine Ver- anmerkt, substaniiert nichts vorgetragen. einbarung über die Verlagerung des Nutzungs- und Gewinner- Mitgeteilt von RiBGH Wellner, Karlsruhe zielungsrisikos der Klägerin auf die Beklagte liegt darin nicht. 26 3. Schließlich kann die Klägerin ihr Klagebegehren auch nicht, wie die Revision meint, auf ¤ 242 BGB stützen. ¤¤ 546, 313, 242, 138 BGB 27 a) Nach den Darlegungen des Oberlandesgerichts hat die Gewerberaummiete; Café im Wohn- und Geschäftshaus; Beklagte keine vorvertraglichen Pflichtverletzungen - etwa Geschäftsgrundlage; vorgesehene Mieterstruktur; durch fehlerhafte Angaben zur Konzeption des Einkaufscen- Verwendungsrisiko des Mieters; ters oder zum Mietobjekt - begangen, die es als treuwidrig er- Kündigungsvereinbarung bei Zahlungsverzug scheinen lie§en, wenn die Beklagte die Klägerin weiter an der vereinbarten Betriebs- und Offenhaltungspflicht festhielte. Auch Zur Anwendbarkeit der Grundsätze über den Wegfall der seien für § 242 BGB relevante Vertragsverletzungen der Be- Geschäftsgrundlage bei Änderung der vorgesehenen Mie- klagten - etwa Versäumnisse bei der Vermietung der anderen terstruktur. Ladengeschäfte des Einkaufszentrums - nicht substantiiert vor- (BGH, Urteil vom 17. 3. 2010 Ð XII ZR 108/08) getragen. Der Leerstand im Einkaufszentrum, der von ur- sprünglich 20% auf nunmehr 40% angestiegen sei, sage nichts 1 Zum Sachverhalt: Die Klägerin verlangt von der Beklagten über die Qualität und Quantität der Vermietungsaktivitäten der Räumung und Herausgabe von Gewerbemieträumen. Beklagten aus. Er sei für Ostdeutschland nicht untypisch und 2 Mit Vertrag vom 20. Februar 2005 vermietete die Klägerin auf einen massiven Bevölkerungsrückgang in dem Stadtteil von an die Beklagte Räume im Erdgeschoss eines sechsgeschossi- H., in dem das Einkaufszentrum belegen sei, zurückzuführen gen im Bau befindlichen Gebäudes zum Betrieb eines Cafés (von 1992 bis 2005 um rund 40%). Ein angeblich nicht ausrei- für zehn Jahre mit einmaliger Verlängerungsoption zu Gunsten chend attraktiver „Branchenmix“ im Einkaufszentrum sei nicht der Beklagten. Nachdem sich die von der Klägerin geplante Ver- hinreichend substantiiert vorgetragen und falle - ebenso wie marktung der ersten vier Obergeschosse als Büroraum nicht rea- die Neu-Eröffnung eines Supermarktes sowie eines weiteren lisieren lie§, veranlasste sie im Sommer 2005 den Ausbau die- neuen Einkaufszentrums in der Nachbarschaft - in den wirt- ser Geschosse als Wohnraum. schaftlichen Risikobereich der Klägerin. Die Klägerin könne sich ihrer Betriebspflicht auch nicht unter Hinweis auf ¤ 242 3 Ab September 2006 geriet die Beklagte mit der Zahlung BGB mit der Behauptung entziehen, bei „sich ständig verstär- der monatlich in Höhe von 3114,30 € geschuldeten Miete in kender Mieterflucht“ könne sie die Einrichtung des Geschäfts Rückstand. Sie zahlte im September 2006 nur einen Teilbetrag nicht auf dem ihr im Mietvertrag als Minimum vorgeschriebe- von 1000 € und in den Monaten Oktober bis November 2006 nen mittleren Branchenstandard halten, ohne selbst in erhebli- keine Miete. Am 12. November 2006 schlossen die Parteien che finanzielle Schwierigkeiten zu geraten. Denn dieser Ein- unter Hinweis auf die schwierige wirtschaftliche Situation der wand sei verspätet und im Übrigen auch unsubstantiiert. Beklagten eine Vereinbarung,mit der der Mietzins rückwirkend ab September 2006 für sechs Monate bis zum 28. Februar 2007 28 b) Auch diese Ausführungen halten der rechtlichen Nach- um monatlich 1000 € inklusive Mehrwertsteuer reduziert wur- prüfung stand. de. Weiter stundete die Klägerin den von der Beklagten aner- 29 Soweit die Revision geltend macht, die Klägerin könne kannten Mietzinsrückstand von 4269,21 € zinslos bis Ende Fe- wegen des Leerstandes im Einkaufszentrum das Geschäft nicht bruar 2007. Bei Verzug der Beklagten mit der reduzierten Mie- mehr rentabel betreiben, kann sie damit nicht durchdringen. Das te sollte dieser Rückstand innerhalb von fünf Werktagen zur Oberlandesgericht hat diesen Vortrag mit Recht als verspätet vollen Zahlung fällig sein. Im Gegenzug ließ sich die Klägerin zurückgewiesen. Denn die Klägerin hat in I. Instanz zwar den ein bis zum 28. Februar 2007 bestehendes ordentliches Kündi- zunehmenden Leerstand, nicht aber dessen - erstmals in der Be- gungsrecht mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten ein- rufungsbegründung erwähnte - Auswirkungen auf die Rentabi- räumen. Gestützt auf dieses Kündigungsrecht erklärte sie mit lität des Geschäfts (nach der Berufungsbegründung: auf die wirt- Anwaltsschreiben vom 29. Januar 2007 die ordentliche Kündi- schaftliche Möglichkeit, bei der Geschäftseinrichtung einen zu- gung des Mietvertrages. mindest mittleren Branchenstandard einzuhalten) angesprochen. Zudem ist dieser Vortrag, wie das Oberlandesgericht zu Recht 4 Mit Schreiben vom 23. Juli 2007 und vom 15. Februar 2008 rügt, hinsichtlich der finanziellen Auswirkungen des Leerstan- kündigte die Klägerin den Mietvertrag fristlos wegen Zah- des auf die Klägerin völlig unsubstaniiert. Schließlich greift der lungsverzugs. Einwand auch in der Sache nicht durch: Die Unzumutbarkeit, 5 Das Landgericht München I hat der Klage stattgegeben. eine geschuldete Leistung zu erbringen, hat - für sich genom- Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht men - nur nach Ma§gabe des ¤ 275 Abs. 2 BGB befreiende Wir- München die Klage abgewiesen. Mit der vom Senat zugelasse- kung. Dies setzt voraus, dass die Erbringung der Leistung - hier nen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des der weitere Betrieb des Ladengeschäfts durch die Klägerin - ei- landgerichtlichen Urteils. nen Aufwand erfordert, der zu dem Leistungsinteresse des Gläu- bigers in einem groben Missverhältnis steht. Dafür ist hier - 6 Aus den Gründen: Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur mangels Spezifizierung der sich für die Klägerin aus dem wei- Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Wiederherstel- teren Betrieb des Ladengeschäfts ergebenden Kosten, aber auch lung des landgerichtlichen Urteils.

100 Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 Gewerbemiete

7 I. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die Klägerin 13 1. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts versto§en habe keinen Anspruch auf Räumung und Herausgabe des Miet- die Vereinbarung des Sonderkündigungsrechts und dessen Aus- objekts. übung weder gegen ¤ 242 BGB noch gegen ¤138 Abs.1 BGB. 14 a) Das Berufungsgericht ist bei der Bewertung des Ver- 8 Die ordentliche Kündigung vom 29. Januar 2007 sei un- haltens der Klägerin als treu- bzw. sittenwidrig zu Unrecht da- wirksam, weil das am 12. November 2006 vereinbarte ordent- von ausgegangen, dass die Klägerin wegen Wegfalls der Ge- liche Kündigungsrecht und dessen Ausübung in hohem Ma§e schäftsgrundlage zur Anpassung des Mietvertrages verpflichtet treuwidrig (¤ 242 BGB), wenn nicht gar sittenwidrig (¤138 gewesen sei. Eine solche Verpflichtung der Klägerin bestand Abs.1 BGB) seien. nicht. 9 Geschäftsgrundlage des Mietvertrages sei die gewerbliche 15 Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Nutzung der ersten vier Obergeschosse als Büroraum gewesen. Klägerin der Beklagten nicht zugesichert, dass die über den Das ergebe sich daraus, dass eine solche Nutzung ursprünglich Mieträumen gelegenen vier Stockwerke als Büroraum genutzt von der Klägerin geplant und in der Flächenzusammenstellung werden würden; es handelte sich insoweit lediglich um eine ge- des Bauwerks, die gemäß §15 Nr. 2 des Mietvertrages als An- meinsame Vorstellung der Parteien im Sinne einer Geschäfts- lage 3 dessen wesentlicher Bestandteil geworden sei, auch so grundlage. Das Berufungsgericht verkennt nicht, dass für die ausgewiesen gewesen sei. Für die Klägerin habe sich aus den Berücksichtigung von Störungen der Geschäftsgrundlage Umständen des Vertragsschlusses klar ergeben, dass die Be- grundsätzlich kein Raum ist, soweit es um Erwartungen und klagte besonderen Wert auf die Lage des Cafés in einem Wohn- Umstände geht, die nach den vertraglichen Vereinbarungen in und Geschäftshaus gelegt habe. Dieser Umstand bewirke zwar den Risikobereich einer der Parteien fallen. keine Einstandspflicht der Klägerin nach Gewährleistungsrecht 16 Zu Unrecht meint das Berufungsgericht allerdings, bei der gemäß §§ 537 ff. BGB, auch liege kein Fehler der Mietsache gemeinsamen Vorstellung der Parteien, die vier Stockwerke über vor. Zur Anwendung kämen aber die Grundsätze über den Weg- den Mieträumen würden als Büroraum genutzt, handele es sich fall der Geschäftsgrundlage, ¤ 313 BGB. Zwar trage im Ver- um ein von der Klägerin übernommenes Risiko. hältnis zwischen Vermieter und Mieter der Mieter das Verwen- dungsrisiko bezüglich der Mietsache, zu dem vor allem die 17 Nach ständiger Rechtsprechung des Senats trägt bei der Chance gehöre, mit dem Mietobjekt Gewinne zu erzielen. Die- Gewerberaummiete grundsätzlich der Mieter das Verwen- se Risikoverteilung gelte auch dann, wenn die Lage des Miet- dungsrisiko bezüglich der Mietsache (Senatsurteile vom 29. objekts in einem bestimmten Umfeld maßgeblicher Grund für September 1999 - XII ZR 313/98 - NZM 2000, 36, 40; vom 16. die übereinstimmende Erwartung des Mieters und des Vermie- Februar 2000 - XII ZR 279/97 - NJW 2000, 1714, 1716 [=WuM ters gewesen sei, von dem Umfeld werde eine geschäftsbele- 2000, 593]; vom 19. Juli 2000 - XII ZR 176/98 - NJW-RR 2000, bende Wirkung ausgehen. Unter diese Rechtsprechung lasse 1535, 1536; vom 26. Mai 2004 - XII ZR 149/02 - NJW-RR 2004, sich der vorliegende Fall allerdings nicht subsumieren. Hier fal- 1236 [= GuT 2004, 164] und vom 21. September 2005 - XII ZR le es in den Risikobereich der Klägerin, die geplante Vermark- 66/03 - NJW 2006, 899, 901 [= GuT 2006, 19]). Dazu gehört tung der ersten vier Obergeschosse als Gewerbeeinheiten zu rea- vor allem das Risiko, mit dem Mietobjekt Gewinne erzielen zu lisieren. Dadurch, dass ihr dies nicht gelungen sei, sei eine we- können. Erfüllt sich die Gewinnerwartung des Mieters nicht, so sentliche Veränderung der Geschäftsgrundlage eingetreten. Die verwirklicht sich damit ein typisches Risiko des gewerblichen Beklagte habe deshalb eine Anpassung des Mietvertrages ver- Mieters. Danach fällt es in den Verantwortungsbereich des Mie- langen können. Dies sei der juristisch nicht versierten und an- ters, als Unternehmer die Erfolgsaussichten eines Geschäfts in waltlich nicht vertretenen Beklagten nicht bewusst gewesen, der gewählten Lage abzuschätzen. Das umfasst auch das Risi- wohl aber der Klägerin, die als eine am Markt langjährig täti- ko einer Veränderung der Mieterstruktur im Umfeld des Miet- ge Bauunternehmerin von dem Interessenkonflikt zwischen objekts. künftigen Wohnungseigentümern und Gaststättenbetreibern ge- 18 Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung muss im wusst habe. Deshalb sei davon auszugehen, dass die Klägerin vorliegenden Fall die Klägerin lediglich ihr eigenes Risiko für zum Zeitpunkt der Vereinbarung des Sonderkündigungsrechts die Vermietbarkeit und beabsichtigte Vermarktung der anderen bereits den Vorsatz gehabt habe, es auszuüben. Dieses Verhal- Mieteinheiten tragen. Nicht aber trägt sie ein eigenes unter- ten widerspreche den Grundsätzen von Treu und Glauben, ins- nehmerisches Risiko für die hierauf gestützte Gewinnerwartung besondere der Verpflichtung der Klägerin zu eigener Lei- der Beklagten. Zwar können die Parteien die Risikoverteilung stungstreue, weshalb ihr die Berufung auf das eingeräumte or- vertraglich ändern und vereinbaren, dass der Vermieter das Ge- dentliche Kündigungsrecht zu versagen sei. schäftsrisiko des Mieters - ganz oder zum Teil - übernimmt. Für eine solche Vereinbarung liegen hier keine Anhaltspunkte 10 Vor dem Hintergrund der bewussten Ausnutzung der wirt- vor. Weder aus einer unterstellten Zusage der Klägerin, noch schaftlichen Situation der Beklagten und ihrer juristischen Un- aus der übereinstimmenden Vorstellung der Parteien, dass die kenntnis sei die Einräumung und Ausübung des Kündigungs- über den Mieträumen gelegenen vier Stockwerke als Büroein- rechts darüberhinaus sittenwidrig, ¤138 Abs.1 BGB. heiten genutzt werden, noch aus der Bezeichnung der Einhei- ten als „Büro“ in der Gesamtflächenzusammenstellung, die dem 11 Auch die außerordentlichen Kündigungen wegen Zah- Mietvertrag als Anlage beigefügt war, lässt sich herleiten, dass lungsverzuges vom 23. Juli 2007 und vom 15. Februar 2008 sei- die Klägerin ein eigenes unternehmerisches Risiko für die auf en unwirksam. Die Klägerin habe schon nicht dargetan, für wel- die Vermietung der ersten vier Stockwerke als Büroeinheiten che Zeiträume die Beklagte Zahlungen in welcher Höhe schul- gestützte Gewinnerwartung der Beklagten übernehmen wollte. de. Sie könne aber auch deshalb nach Treu und Glauben nicht fristlos kündigen, weil sie sich selbst nicht vertragstreu verhal- 19 b) Auch die weiteren von dem Berufungsgericht ange- ten habe, indem sie die von ihr geschuldete Mitwirkung an der führten Umstände vermögen ein treu- oder sittenwidriges Ver- Vertragsanpassung abgelehnt habe. halten der Klägerin nicht zu begründen. Weder die besonderen Interessen der Klägerin an einer vorzeitigen Beendigung des be- 12 II. Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen fristet abgeschlossenen Mietvertrages noch die angenommene Überprüfung nicht stand. Die Klägerin hat, wie das Landgericht geschäftliche Unerfahrenheit der beklagten GmbH führen da- zu Recht entschieden hat, gemäß § 546 BGB einen Anspruch zu, dass die Vereinbarung des Sonderkündigungsrechts und des- auf Herausgabe und Räumung des Mietobjekts und Herausga- sen Ausübung treu- oder sittenwidrig sind. Denn die Klägerin be der Schlüssel. Denn die Klägerin hat den Mietvertrag wirk- war zu diesem Zeitpunkt zur fristlosen Kündigung des Miet- sam mit Schreiben vom 29. Januar 2007 gestützt auf das im vertrages gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 3 a BGB berechtigt, weil die Nachtrag vom 12. November 2006 vereinbarte Sonderkündi- Beklagte sich mit mehr als zwei Monatsmieten in Verzug be- gungsrecht ordentlich gekündigt. fand. Die Beklagte hatte sich bis dahin auch weder auf eine Min-

Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 101 Gewerbemiete derung noch auf etwaige Gegenansprüche berufen. Durch die der Flächen erstreckt, hinsichtlich dessen der Beklagte in einem Vereinbarung eines nur ordentlichen Kündigungsrechts mit ei- vorangegangenen Rechtsstreit zwischen den Parteien die Fest- ner Kündigungsfrist von drei Monaten war die Beklagte sogar stellung seines Pachtrechts bis zum 1. Oktober 2025 verlangt besser gestellt. Schon deshalb kann in dieser Vereinbarung kein hat. treu- oder sittenwidriges Verhalten der Klägerin gesehen wer- 7 a) Der Urteilstenor des Vorprozesses lautet auf die Fest- den, auch dann nicht, wenn die Beklagte geschäftlich unerfah- stellung, dass der Beklagte bis zum 30. September 2009 Päch- ren war. ter der Teilfläche ist. Dem liegt die Rechtsauffassung des dort 20 2. Da die ordentliche Kündigung der Klägerin vom 29. Ja- erkennenden Gerichts zugrunde, dass der Grundstücksteil von nuar 2007 wirksam war, kommt es für den Räumungs- und Her- dem Pachtvertrag erfasst, dieser aber durch die Kündigung des ausgabeanspruch nicht darauf an, ob die außerordentlichen Kün- Klägers vom 10. November 2006 beendet worden ist. Durch die digungen vom 23. Juli 2007 und vom 15. Februar 2008 zu Recht Abweisung der zeitlich weitergehenden Klage ist mit Rechts- erfolgt sind. kraftwirkung (¤ 322 Abs.1 ZPO) festgestellt, dass insoweit ein Mitgeteilt von RiBGH Wellner, Karlsruhe Pachtverhältnis zwischen den Parteien nicht (mehr) besteht (vgl. BGH, Urt. v. 1. Dezember 1993,VIII ZR 41/93, NJW 1994, 657, 659 m.w.N.; Musielak, ZPO, 7. Aufl., ¤ 322 Rdn. 58). Der Be- ¤1056 BGB klagte ist daher in Ermangelung eines Besitzrechts zur Räumung Pacht landwirtschaftlicher Flächen vom Nie§braucher; und Herausgabe der Teilfläche verpflichtet (¤¤ 985, 596 Abs.1 Beendigung des Nie§brauchs; BGB). Der Bestimmung eines Leistungszeitpunkts (vgl. ¤ 257 Kündigungsrecht eines Grundstückserwerbers ZPO) bedarf es nicht mehr, nachdem der Anspruch im Laufe des Revisionsverfahrens fällig geworden ist (RGZ 88, 178 f.; Das Kündigungsrecht des Eigentümers, der nach der Be- Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 29. Aufl., ¤ 257 Rdn. 1; Zöller/ endigung des Nie§brauchs in einen von dem Nie§braucher Greger, ZPO, 27. Aufl., ¤ 257 Rdn. 7). abgeschlossenen Pachtvertrag als Verpächter eingetreten ist, 8 b) Keine Bindungswirkung entfaltet die frühere Entschei- geht ohne besondere Vereinbarung nicht auf einen Erwer- dung dagegen, soweit hier über die fortbestehende Berechtigung ber über. des Beklagten zur Nutzung der übrigen Flächen zu befinden (BGH, Urteil vom 27.11. 2009 Ð LwZR 12/08) ist. Denn die Beurteilung der Wirksamkeit der Kündigung be- traf, weil sich der Klageanspruch nicht auf die übrigen Flächen 1 Zum Sachverhalt: Der Kläger ist seit dem 23. September bezog, ein im Vorprozess vorgreifliches Rechtsverhältnis, des- 2003 Eigentümer landwirtschaftlicher Flächen. Einen Teil da- sen Entscheidung nicht in Rechtskraft erwuchs (vgl. BGHZ 123, von pachtete der Vater des Beklagten im Jahr 1971 von dem da- 137, 140; Senat, Urt. v. 14. Juli 1995,V ZR 171/94, NJW 1995, maligen Eigentümer K. D. Das Pachtverhältnis ging zwi- 2993 - jew. m.w.N.). schenzeitlich auf der Pächterseite auf den Beklagten über. Es 9 2. Als zutreffend erweist sich der Ausgangspunkt des Be- wurde mehrfach verlängert, zuletzt mit einer im Jahr 2002 ge- rufungsgerichts, wonach ein von dem Nießbraucher - zulässi- schlossenen Vereinbarung bis zum 1. Oktober 2025. Hierbei gerweise (¤1030 Abs.1 BGB) - eingegangenes Pachtverhältnis handelte auf der Verpächterseite der frühere Eigentümer K. D. nach der Beendigung des Nie§brauchs einem dem Grund- als Nie§braucher, nachdem er das Eigentum im Jahr 1995 un- stückseigentümer zustehenden Kündigungsrecht nach §1056 ter Vorbehalt eines lebenslänglichen Nießbrauchs auf S. D., sei- Abs. 2 BGB unterliegt. Das gilt in gleicher Weise, wenn, wie nen Neffen, übertragen hatte. Im Zusammenhang mit dem Ver- hier, der ursprüngliche Vertragsabschluss durch den Eigentü- kauf der Flächen von S. D. an den Kläger mit Vertrag vom 24. mer erfolgt ist und dieser später das Eigentum unter dem Vor- Juli 2003 verzichtete K. D. auf sein Nie§brauchsrecht. Die Ein- behalt des Nießbrauchs auf einen Dritten überträgt, weil in ei- tragung in das Grundbuch erfolgte ebenfalls am 23. September nem solchen Fall der Nie§brauchsberechtigte (weiterhin) Ver- 2003, jedoch zeitlich vor der Umschreibung des Eigentums auf pächter ist (BGH, Urt. v. 7. September 2005, VIII ZR 24/05, den Kläger. NJW 2006, 51, 52 [=WuM 2005, 769]). Deshalb war auch die 2 K. D. verstarb am 21. Oktober 2006. Gestützt auf die Re- Verlängerung des Pachtvertrags durch K. D. im Jahr 2002 wirk- gelung in ¤1056 Abs. 2 BGB, kündigte der Kläger das Pacht- sam. verhältnis mit Schreiben vom 10. November 2006 sowie noch- mals mit Schreiben vom 2. Oktober 2007. 10 a) Der Nie§brauch endete nicht erst mit dem Tod des Nie§brauchers am 21. Oktober 2006 (vgl. ¤1061 Satz1 BGB), 3 Der auf Räumung und Herausgabe der Flächen zum 1. Ok- sondern bereits mit der Löschung im Grundbuch am 23. Sep- tober 2008, hilfsweise zum 30. September 2009, gerichteten tember 2003. Dem hält die Revisionserwiderung ohne Erfolg Klage hat das Amtsgericht Plön - Landwirtschaftsgericht - im entgegen, das Berufungsgericht habe das Erlöschen des Hilfsantrag stattgegeben. Die Berufung des Beklagten ist er- Nie§brauchs allein auf Grund der Eintragung im Grundbuch als folglos geblieben. Mit der von dem Senat zugelassenen Revi- wirksam erachtet und dabei verkannt, dass es zusätzlich einer sion verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf vollständige Ab- Erklärung des Berechtigten bedürfe, dass er das Recht aufgebe weisung der Klage weiter. Der Kläger beantragt die Zurück- (¤ 875 Abs.1 BGB). Diese Erklärung lag hier vor. Nach den un- weisung des Rechtsmittels. angegriffenen tatbestandlichen Feststellungen des Berufungs- gerichts erfolgte die Löschung aufgrund der Bewilligung von 4 Aus den Gründen: I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts K. D. (¤19 GBO). Diese enthält regelmäßig zugleich die mate- [OLG Schleswig] hat der Kläger ein Sonderkündigungsrecht riell-rechtliche Aufgabeerklärung (Senat, BGHZ 60, 46, 52; nach ¤¤1056 Abs. 2, 1061 BGB. Dieses könne er daraus ablei- BayObLG DNotZ 1975, 685, 686 m.w.N.; MünchKomm- ten, dass der Pachtvertrag auf der Verpächterseite von dem ur- BGB/Kohler, 5. Aufl., ¤ 875 Rdn. 9; Palandt/Bassenge, BGB, sprünglichen Eigentümer K. D. als Nießbraucher geschlossen 68. Aufl., ¤ 875 Rdn. 3). Umstände, die hier ausnahmsweise das worden sei und nach dessen Tod dem späteren Eigentümer S. Fehlen der erforderlichen Willenserklärung nahe legen könn- D. ein solches Kündigungsrecht zugestanden habe, welches bei ten, werden von der Revisionserwiderung nicht aufgezeigt und dem Verkauf der Flächen auf den Kläger entweder kraft Geset- sind im Hinblick darauf, dass das Grundstück nach den ver- zes oder durch Abtretung übergegangen sei. traglichen Bestimmungen lastenfrei veräußert werden sollte 5 II. Das hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Dem (vgl. ¤ 3 des Kaufvertrages), auch nicht ersichtlich. Kläger stand kein Recht zur vorzeitigen Kündigung des Land- 11 b) Im Zeitpunkt der Löschung des Nießbrauchs lagen in- pachtvertrags (¤ 585 Abs.1 BGB) zu. des noch nicht die Voraussetzungen für eine Kündigung des 6 1. Ohne Erfolg bleibt die Revision allerdings insoweit, als Pachtvertrags vor. Da das Erlöschen auf einem Verzicht des Be- sich die Verurteilung des Beklagten auch auf denjenigen Teil rechtigten beruhte, war die Kündigung nach §1056 Abs. 2 Satz 2

102 Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 Gewerbemiete

BGB erst von der Zeit an zulässig, zu welcher der Nie§brauch gentümer zu beachtende gesetzliche Kündigungsfrist (vgl. für ohne den Verzicht erloschen wäre, hier also mit dem Tod des die Landpacht ¤ 594a BGB) erlaubt es ihm, sich rechtzeitig auf (früheren) Nießbrauchers (vgl. Planck/Brodmann, BGB, 5. das bevorstehende Ende seines Besitzrechts einzustellen. Zu- Aufl., ¤1056 Anm. 3b; Wacke, FS Gernhuber, 489, 512). dem wird der Pächter durch die Möglichkeit, den Eigentümer verbindlich zu der Erklärung darüber aufzufordern, ob er von 12 3. Zu Unrecht nimmt das Berufungsgericht jedoch eine Befugnis des Klägers zur Kündigung des Pachtvertrags an. Die- seinem Kündigungsrecht Gebrauch macht (§1056 Abs. 3 BGB), se ergibt sich weder aus eigenem Recht (a) noch aus überge- vor einem ungewissen Schwebezustand geschützt. gangenem Recht des Veräußerers (b). 18 (2) Damit ist die Interessenlage desjenigen, der das Grund- stück nach der Beendigung des Nießbrauchs durch Rechtsge- 13 a) Die Vorschrift des ¤1056 Abs. 2 Satz1 BGB weist das Kündigungsrecht dem Eigentümer zu, ohne zu präzisieren, in schäft erwirbt, nicht vergleichbar. Er kann sich anlässlich der welchem Zeitpunkt das Eigentum bestehen muss. Die Ausle- Kaufverhandlungen regelmäßig über das Bestehen eines Pacht- gung der Norm ergibt, dass ein rechtsgeschäftlicher Erwerber, verhältnisses erkundigen. Ergibt sich, dass das Grundstück ganz der erst nach der Beendigung des Nießbrauchs Eigentümer wird, oder teilweise auf bestimmte Zeit verpachtet ist, kann er seine nicht zu einer Kündigung berechtigt ist. weiteren Dispositionen, insbesondere sein Preisgebot, an die- sem Umstand ausrichten oder ganz von dem Kauf Abstand neh- 14 aa) Schon der Wortlaut des Gesetzes spricht gegen die Ein- men, z. B. weil er das Grundstück selbst nutzen will (vgl. Wacke, beziehung des Erwerbers in den Anwendungsbereich des ¤1056 FS Gernhuber, 489, 498). Einer Möglichkeit, den nach ¤ 566 Abs. 2 BGB. Die Vorschrift in ¤1056 Abs.1 BGB erklärt für den Abs.1 BGB i.V.m. ¤593b BGB übernommenen Pachtvertrag Fall der Beendigung des Nie§brauchs nicht nur die Bestimmung einseitig aufzulösen, bedarf es für den Erwerber, der sich in des ¤ 566 BGB, sondern auch diejenige des ¤ 567b BGB, durch Kenntnis der bestehenden Verpachtung zu dem Kauf ent- die die Rechtsfolgen einer Weiterveräußerung von vermiete- schlossen hat, nicht. Jede andere Beurteilung führte zu einer tem Wohnraum durch den Erwerber geregelt werden, für ent- nicht gerechtfertigten Besserstellung des Erwerbers in den Fäl- sprechend anwendbar. Das Gesetz unterscheidet somit zwischen len, in denen das Grundstück nicht durch den Eigentümer, son- dem Eigentümer zur Zeit der Beendigung des Nießbrauchs und dern durch den Nie§braucher verpachtet worden ist. einem späteren Erwerber. Diese Differenzierung wird in ¤1056 Abs. 2 BGB nicht aufgegriffen. 19 dd) Dieses Auslegungsergebnis gilt in gleicher Weise für die Vorschrift in ¤1056 Abs. 2 Satz 2 BGB, auch wenn dort die 15 bb) Zudem erfahren durch die Vorschriften in ¤1056 Abs.1 Person des Kündigungsberechtigten nicht ausdrücklich benannt BGB lediglich die Rechtsbeziehungen des Pächters zu demje- wird. Denn dort wird lediglich für einen Sonderfall der Been- nigen, der bei der Beendigung des Nießbrauchs Eigentümer ist, digung des Nie§brauchs (Verzicht) eine von ¤1056 Abs. 2 Satz1 sowie zu dem Nie§braucher eine Regelung, nicht aber die BGB abweichende Rechtsfolge begründet, durch die ein Zu- Rechtsbeziehungen zu dem späteren Erwerber. Dieser tritt näm- sammenwirken von Eigentümer und Nießbraucher zu Lasten lich bei einer nach der Beendigung des Nie§brauchs erfolgen- des Pächters verhindert wird (Mugdan, Materialien zum BGB, den Veräußerung des Grundstücks unmittelbar nach §566 Abs.1 Bd. 3, S. 756; MünchKomm-BGB/Pohlmann, 5. Aufl., ¤1056 BGB (i.V.m. ¤593b BGB) in die Verpächterstellung ein; der Ver- Rdn. 1; Soergel/Stürner, aaO, ¤1056 Rdn. 8; Staudinger/Frank, weisung auf diese Bestimmung in ¤1056 Abs.1 BGB sowie in aaO, ¤1056 Rdn. 20). Dafür, dass zusätzlich die Kündigungs- ¤ 567b Satz1 BGB bedarf es insoweit nicht (Soergel/Stürner, berechtigung auf den Erwerber ausgedehnt werden soll, lassen BGB, 13. Aufl., ¤1056 Rdn. 4; Staudinger/Frank, BGB ‹2009›, sich dem Gesetz keine Anhaltspunkte entnehmen, zumal nach ¤1056 Rdn. 14; Erman/Jendrek, BGB, 12. Aufl., ¤ 567b Rdn. 2; dem Wegfall des Nie§brauchs die Gefahr eines kollusiven Ver- MünchKomm-BGB/Häublein, 5. Aufl., ¤ 567b Rdn. 1). Auch haltens nicht mehr besteht. die Vorschrift des ¤567b Satz 2 BGB gewinnt für das Verhält- nis von Pächter und Erwerber keine Bedeutung, weil hierdurch 20 ee) Danach kommt ein eigenes Kündigungsrecht des Klä- lediglich eine fortbestehende Haftung des Nießbrauchers für gers nicht in Betracht. Nach den Feststellungen des Beru- den Fall angeordnet wird, dass der Erwerber die sich aus dem fungsgerichts fanden die Löschung des Nießbrauchs und die Pachtverhältnis ergebenden Pflichten nicht erfüllt. Die aus- Eintragung des Eigentums des Klägers in das Grundbuch zwar schlie§liche Geltung der allgemeinen pachtrechtlichen Vor- an demselben Tag (23. September 2003) statt; die Löschung schriften lässt die Zuerkennung eines Kündigungsrechts nach ging jedoch der Eigentumseintragung zeitlich voraus. Das Ei- ¤1056 Abs. 2 BGB zugunsten des Erwerbers fern liegend er- gentum des Klägers war somit zu keinem Zeitpunkt mit dem scheinen. Nießbrauch belastet. Im Übrigen wäre der Fall, dass die Lö- schung des Nie§brauchs der Eigentumsumschreibung nachge- 16 cc) Auch der Regelungszweck steht diesem Kündigungs- folgt wäre, nicht anders zu beurteilen gewesen, da sich aus dem recht entgegen. Vertrag ergab, dass der Kläger das Grundstück frei von der Be- 17 (1) Vorrangiges Ziel der Bestimmung des ¤1056 BGB ist lastung durch den Nie§brauch erwerben sollte. Unter diesen es, einen Interessenausgleich zwischen Eigentümer und Päch- Umständen kommt der Reihenfolge der Eintragung, die zu dem ter für die Zeit nach der Beendigung des Nießbrauchs herbei- vertragsgemäßen Zustand geführt haben, keine Bedeutung zu. zuführen. Der gesetzliche Eintritt des Eigentümers in die Ver- 21 b) Der Kläger konnte den Pachtvertrag auch nicht aus kraft pächterstellung soll den besitzenden Pächter davor bewahren, Gesetzes oder vertraglich übergegangenem Recht des Veräuße- sofort nach dem Erlöschen des Nießbrauchs einem Herausga- rers S. D. wirksam kündigen. beanspruch ausgesetzt zu sein (vgl. ¤ 986 Abs.1 BGB; dazu Se- nat, BGHZ 109, 111, 114 [=WuM 1990, 29]; a.A. Schubert, JR 22 aa) Ob diesem, wie die Revision meint, kein Kündi- 1990, 419, 420). Dieser wäre für den Pächter, der im Vertrauen gungsrecht zustand, weil er dem von K. D. abgeschlossenen auf das - möglicherweise langfristige - Pachtverhältnis das Pachtvertrag persönlich beigetreten ist (vgl. Senat, BGHZ 109, Grundstück unter Einsatz seines Vermögens bewirtschaftet, re- 111, 117 [=WuM 1990, 29]), kann ebenso offen bleiben wie die gelmäßig mit erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen verbun- Frage, ob S. D. im Jahr 1995 zeitlich vor der Eintragung des den. Andererseits liefen die aus dem Eigentum resultierenden Nießbrauchs als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen wor- Befugnisse (¤ 903 BGB) leer, wenn der Eigentümer auf Dauer den und deshalb nach ¤ 566 Abs.1 BGB i.V.m. ¤593b BGB als an einen die Nutzung des Grundstücks betreffenden schuld- Verpächter in den Vertrag eingetreten ist. Denn selbst wenn S. rechtlichen Vertrag gebunden wäre, auf dessen Zustandekom- D. ein Kündigungsrecht zugestanden hätte, wäre der Kläger mit men und Inhalt er keinen Einfluss hatte. Aus diesem Grund ge- dem Erwerb des Grundstücks nicht in diese Rechtsposition ein- währt ihm §1056 Abs. 2 BGB die Befugnis, auch einen befri- getreten. steten Pachtvertrag vorzeitig durch Kündigung zu beenden (vgl. 23 bb) Ein Übergang des aus ¤1056 Abs. 2 BGB folgenden Staudinger/Frank, aaO, ¤1056 Rdn. 16). Eine unzumutbare Be- Kündigungsrechts nach den allgemeinen pachtrechtlichen Vor- lastung des Pächters ergibt sich hieraus nicht. Die von dem Ei- schriften (¤¤ 593b, 566 Abs.1 BGB) scheidet aus.

Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 103 Gewerbemiete

24 (1) In welche Rechte und Pflichten aus dem Pachtver- sind, kann der Senat die Auslegung selbst vornehmen (BGHZ hältnis der Erwerber eintritt, ist in Rechtsprechung und Litera- 65, 107, 112; 124, 39, 45; Senat, Urt. v. 14. Dezember 1990,V tur umstritten. Während der Bundesgerichtshof - bezogen auf ZR 223/89, NJW 1991, 1180, 1181). Verpflichtungen - einen Grundstücksbezug in dem Sinne for- 29 (2) Durch die Bestimmung in ¤ 5 Abs. 2 des Kaufvertra- dert, dass die Verpflichtung regelmäßig nur von dem jeweiligen ges wird lediglich angeordnet, dass die Nutzungen und Lasten Grundstückseigentümer erfüllt werden kann (BGHZ 141, 160, des Grundstücks mit der Übergabe auf den Erwerber überge- 166 [=WuM 1999, 397]), stellt das Schrifttum überwiegend hen. Eine Aussage dazu, dass darüber hinaus ein bei der Über- darauf ab, ob die Pflicht oder das Recht aus dem Pachtverhält- gabe bereits bestehendes oder erst künftig zur Entstehung ge- nis oder aus einem rechtlich davon getrennten Vertrag zwischen langendes Recht zur Kündigung des Pachtverhältnisses über- den Parteien resultiert (AnwK-BGB/Riecke, ¤ 566 Rdn. 17; tragen werden soll (dazu BGH, Urt. v. 10. Dezember 1997, XII Bamberger/Roth/Herrmann, BGB, 2. Aufl., ¤ 566 Rdn. 23; Er- ZR 119/96, NJW 1998, 896, 897 [=WuM 1998, 99]), wird in man/Jendrek, aaO, ¤ 566 Rdn. 9; Staudinger/Emmerich, BGB der Regelung nicht getroffen; sie würde auch nicht in den Kon- ‹2006›, ¤ 566 Rdn. 40; differenzierend MünchKomm-BGB/ text der vornehmlich die wirtschaftliche Zuordnung des Grund- Häublein, aaO, ¤ 566 Rdn. 33). stücks betreffenden Vertragsklausel passen. Etwas anderes er- 25 (2) Beide Ansichten führen hier zu demselben Ergebnis, gibt sich auch nicht aus ¤ 5 Abs. 7 und 8 des Kaufvertrags. Denn dass nämlich das Kündigungsrecht nach §1056 Abs. 2 BGB diese Bestimmungen erschöpfen sich in der Erklärung des Er- nicht kraft Gesetzes auf einen Erwerber übergeht. Denn dieses werbers, dass ihm die bestehenden schuldrechtlichen Nut- Kündigungsrecht weist weder einen konkreten Bezug zu dem zungsverträge bekannt sind und er über seinen gesetzlichen Ver- Pachtobjekt auf, noch findet es seine Grundlage in der zwischen tragseintritt belehrt worden ist. Eine auf die Übertragung eines dem ursprünglichen Verpächter (Nießbraucher) und dem Päch- Kündigungsrechts gerichtete Willenserklärung ist darin nicht ter getroffenen Vereinbarung. Als ein auf die Fälle der Vermie- enthalten. tung oder Verpachtung des Grundstücks durch den Nießbrau- 30 III. Die Kostenentscheidung beruht auf ¤ 92 Abs. 2 ZPO. cher beschränktes Recht trägt es vielmehr der besonderen Si- Der Umstand, dass der Beklagte in Bezug auf eine Teilfläche tuation Rechnung, die sich im Fall der Beendigung des unterlegen ist, kann angesichts des Größenverhältnisses der Nie§brauchs auf Grund des in ¤1056 Abs.1 BGB angeordne- Teilfläche (ca. 0,8 ha) zu den von dem Pachtverhältnis insge- ten gesetzlichen Vertragsübergangs für den Eigentümer ergibt samt erfassten Flächen (ca. 50 ha) bei der Verteilung der Ko- (vgl. vorstehend unter 3. a. cc. (1)). sten unberücksichtigt bleiben. 26 (3) Ein Übergang des Kündigungsrechts lässt sich auch nicht deshalb bejahen, weil die Kündigung des Pachtvertrags Mitgeteilt von RiBGH Wellner, Karlsruhe nach herrschender Auffassung nicht zu dem nächstmöglichen Termin nach dem Eintritt der Voraussetzungen ausgesprochen ¤133 BGB; VO (EG) 1782/2003 Art. 33 ff. werden muss, sondern auch noch zu einem späteren Zeitpunkt möglich ist (KG OLGE 18, 150, 152; Palandt/Bassenge, aaO, Hofpachtvertrag; Landpachtvertrag; Auslegung von Vereinbarungen im Altvertrag zur Übertragung ¤1056 Rdn. 2; PWW/Eickmann, BGB, 4. Aufl., ¤1056 Rdn. 10; landwirtschaftlicher Beihilfen nach Pachtende; RGRK/Rothe, BGB, 12. Aufl., ¤1056 Rdn. 3; Soergel/Stürner, Veränderungen im System der Beihilfen; GAP-Reform; aaO, ¤1056 Rdn. 7; Staudinger/Frank, aaO, ¤1056 Rdn. 16; Agrarpolitik; Vertragsfreiheit Wolff/Raiser, Sachenrecht, 10. Aufl., ¤118 I 1). Dieser Ansicht liegt die Vorstellung von fortbestehendem Eigentum in der Per- son des ursprünglich zu der Kündigung Berechtigten zugrun- Die Veränderung des Systems der landwirtschaftlichen de. Dass ein noch nicht ausgeübtes Kündigungsrecht bei einer Beihilfen von den produktionsbezogenen Prämien zu den späteren Veräußerung des Grundstücks ohne besondere Abre- von der Bewirtschaftung entkoppelten Zahlungsansprüchen de, sondern kraft Gesetzes auf den Erwerber übergeht, wird, schlie§t es nicht aus, Vereinbarungen zur Übertragung der soweit ersichtlich, nicht vertreten und erscheint angesichts der damaligen Prämien-, Förderungsansprüche und Quoten- dargestellten Interessenlage auch nicht angezeigt. vorrechte auf den Verpächter oder auf einen von diesem be- nannten Betriebsnachfolger in Altpachtverträgen auch auf 27 cc) Das Kündigungsrecht ist schließlich nicht in dem Zahlungsansprüche anzuwenden. Grundstückskaufvertrag vom 24. Juli 2003 auf den Kläger über- tragen worden (¤¤ 413, 398 BGB). (BGH, Urteil vom 24. 4. 2009 Ð LwZR 11/08) 28 (1) Das Berufungsgericht hat angenommen, den Rege- Aus dem Tenor: Es wird festgestellt, dass der Beklagte ver- lungen in ¤ 5 des Kaufvertrages sei zu entnehmen, dass sämtli- pflichtet ist, diejenigen Zahlungsansprüche, die nach der VO che Eigentümerrechte und damit auch das Kündigungsrecht (EG) 1782/2003 des Rates vom 29. September 2003, des Ge- nach ¤1056 Abs. 2 BGB auf den Kläger übergehen sollten. Die- setzes zur Durchführung einer einheitlichen Betriebsprämie in se Auslegung erweist sich als rechtsfehlerhaft und ist daher für der Fassung vom 30. Mai 2006 und der Betriebsprämiendurch- das Revisionsgericht nicht bindend. Zwar ist die tatrichterliche führungsverordnung vom 26. Oktober 2006, die in der Zeit des Auslegung einer Individualvereinbarung revisionsrechtlich nur Hofpachtvertrages vom 26. November 2001 entstanden und dem beschränkt überprüfbar, nämlich darauf, ob gesetzliche Ausle- Beklagten als Betriebsinhaber anteilig nach der Hektarzahl der gungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt sind nach dem Hofpachtvertrag bewirtschafteten Fläche zugeteilt oder wesentlicher Auslegungsstoff au§er Acht gelassen wurde worden sind, bei Beendigung des Vertragsverhältnisses auf den (st. Rspr., siehe nur Senat, BGHZ 111, 110, 115; Urt. v. 23. Ja- Kläger oder nach dessen Wahl auf einen von diesem benannten nuar 2009, V ZR 197/07, NJW 2009, 1810, 1811 [= GuT 2009, Betriebs- oder Pachtnachfolger zu übertragen. 195]). Ein solcher Fehler, der auch ohne ausdrückliche Revisi- onsrüge Berücksichtigung findet (Senat, Urt. v. 8. Dezember 1989, V ZR 53/88, WPM 1990, 423, 424; Urt. v. 14. Oktober 1 Zum Sachverhalt: Mit schriftlichem Vertrag vom 26. No- 1994, V ZR 196/93, WPM 1995, 263, 264), liegt hier vor. Ent- vember 2001 verpachtete der Kläger an den Beklagten einen gegen der Auffassung des Berufungsgerichts lässt bereits der - Hof nebst Acker und Weideland mit einer Gesamtfläche von für die Auslegung in erster Linie ma§gebliche (BGHZ 121, 13, 30,5331 ha mit den Wirtschaftsgebäuden und dem toten und le- 16; BGH, Urt. v. 27. November 1997, IX ZR 141/96, NJW 1998, benden Inventar unter Verwendung eines Vertragsmusters für 900, 901) - objektiv erklärte Parteiwille, wie er in dem Wort- sechs Jahre bis zum 30. Juni 2008. Dieser Vertrag enthält in §24 laut der von dem Berufungsgericht in Bezug genommenen Ver- folgende Bestimmung: tragsbestimmungen zum Ausdruck kommt, nicht den Schluss 2 ã(1) Die Vertragsparteien verpflichten sich, an der Erlan- auf eine Abtretung des Kündigungsrechts an den Kläger zu. Da gung und Sicherung von Prämien- und Förderungsansprüchen weitere Feststellungen nach Lage der Dinge nicht zu erwarten sowie Quotenvorrechten (Referenzmengen) für den Betrieb bzw.

104 Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 Gewerbemiete

Betriebsinhaber wechselseitig mitzuwirken und dafür erforder- 11 II. Das hält rechtlicher Nachprüfung im Wesentlichen nicht liche Erklärungen auch gegenüber Dritten - insbesondere Behör- stand. den - abzugeben. 12 1. Die Auslegung des ¤ 24 des Hofpachtvertrages durch 3 (2) Der Pächter tritt bei Pachtbeginn in bestehende An- das Berufungsgericht ist fehlerhaft. Das Revisionsgericht hat sprüche und Rechte im Sinne des Abs.1 ein, bzw. diese sind auf die tatrichterliche Auslegung rechtsgeschäftlicher Vereinba- ihn zu übertragen, soweit der Eintritt bzw. die Übertragung rungen - unabhängig davon, ob diese eine Individualvereinba- rechtlich möglich und zulässig ist. Unter der gleichen Voraus- rung oder eine vorformulierte Klausel darstellen - stets darauf setzung gehen solche Ansprüche und Rechte bei Pachtende auf zu prüfen, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Ausle- den Verpächter oder nach seiner Wahl auf einen Betriebsnach- gungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt sind folger über, bzw. sind auf den Verpächter oder den Nachfolger (BGHZ 135, 269, 273 [=WuM 1997, 380]). Liegt ein solcher zu übertragen. In den Fällen der Sätze 1 und 2 gilt die wech- Fehler vor, ist es an das Ergebnis der tatrichterlichen Ausle- selseitige Mitwirkungs- und Erklärungspflicht des Absatzes 1 gung nicht gebunden (BGHZ 131, 136, 138; 149, 337, 353; 152, entsprechend.“ 153, 156). 4 Am gleichen Tag schlossen die Parteien einen weiteren 13 2. So ist es hier. Die Auffassung des Berufungsgerichts, Landpachtvertrag über ein Flurstück mit einer Größe von 3,1754 die grundlegenden Änderungen im Recht der landwirtschaftli- ha mit der gleichen Laufzeit unter Verwendung eines anderen chen Beihilfen durch die GAP-Reform verböten es, Vereinba- Musters, das eine dem ¤ 24 des Hofpachtvertrages entspre- rungen in vor der Reform abgeschlossenen Pachtverträgen (Alt- chende Regelung nicht enthält. verträgen) über die damals gewährten Beihilfen auf die nun- mehrigen Zahlungsansprüche anzuwenden, verstößt sowohl ge- 5 Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte die Zah- gen gesetzliche als auch gegen allgemein anerkannte Ausle- lungsansprüche, die diesem im Zuge der GAP-Reform unter gungsgrundsätze. Die Revision rügt mit Recht, dass das Beru- Einbeziehung auch der auf Grund der Pachtverträge bewirt- fungsgericht, indem es ma§gebend auf den veränderten Sub- schafteten Flächen und der für die Bewirtschaftung des ge- ventionszweck abgestellt hat, sich von einem für die Auslegung pachteten Viehbestands zuvor erhaltenen Beihilfen zugewiesen rechtsgeschäftlicher Vereinbarungen nicht relevanten Gesichts- worden sind, bei Beendigung des Pachtverhältnisses auf den punkt hat leiten lassen und dabei den nach ¤133 BGB zu er- Kläger oder einen von diesem benannten Betriebsnachfolger mittelnden Regelungswillen der Vertragsparteien vernachläs- übertragen muss. sigt hat. 6 Der Kläger hat eine Feststellungsklage erhoben, die das 14 a) Das Berufungsgericht hat fehlerhaft die für die Ausle- Amtsgericht Meldorf (Landwirtschaftsgericht) abgewiesen hat. gung von Gesetzen geltenden Grundsätze auf die Ermittlung Die Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben. Mit der des Sinngehalts rechtsgeschäftlicher Vereinbarungen übertra- von dem Oberlandesgericht Schleswig zugelassenen Revision gen. verfolgt der Kläger seinen Feststellungsantrag weiter. 15 Ziel der Auslegung von Gesetzen ist es, den in der Norm zum Ausdruck kommenden objektivierten Willen des Gesetz- 7 Aus den Gründen: I. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, dass der Kläger weder aus § 596 Abs.1 BGB noch aus ¤ 24 gebers zu ermitteln, so wie er sich aus dem Wortlaut der Ge- Abs. 2 des Hofpachtvertrags von dem Beklagten die Übertra- setzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den gung der Zahlungsansprüche verlangen könne. die Norm hineingestellt ist (BGHZ 46, 74, 76; 49, 221, 223). Diese Auslegung muss sich daran orientieren, dass Gesetze in 8 Der weite Wortlaut der formularvertraglichen Regelung las- die Verfassungs- und Rechtsordnung eingebettet sind. Die se zwar eine solche Auslegung zu. Ihr stehe jedoch entgegen, Berücksichtigung des veränderten Zwecks der Beihilfen für die dass die nach Art. 33 ff. VO (EG) 1782/2003 den Bewirtschaf- Landwirtschaft nach der VO (EG) 1782/2003 bei der Auslegung tern zugewiesenen Zahlungsansprüche den früher gewährten des ¤ 596 Abs.1 BGB entspricht dem Gebot zur gemein- Beihilfen nicht gleichartig, sondern in entscheidungserhebli- schaftsrechtskonformeren Auslegung, nach der die Auslegung chen Punkten wesensverschieden seien. Die Zahlungsansprüche nationaler Rechtsvorschriften so weit wie möglich an Wortlaut seien nicht wie die früheren, an eine bestimmte Produktion ge- und Zweck des Gemeinschaftsrechts auszurichten ist, um das knüpften Beihilfen Reflex einer Bewirtschaftung der Pachtsa- mit dem Recht der Europäischen Union angestrebte Ergebnis che. Ihre Geltendmachung (Aktivierung) sei auch nicht mehr zu erreichen (vgl. EuGH NJW 2005, 2839, 2840). an bestimmte Flächen gebunden, vielmehr seien die Zahlungs- 16 Für die Auslegung von Vereinbarungen ist dagegen der er- ansprüche dem Betriebsinhaber zur freien Verfügung zugewie- klärte Wille der Vertragsparteien und nicht der durch die GAP- sen worden. Diese Unterschiede verböten es, die vertragliche Reform veränderte Zweck der Beihilfen maßgebend. Vertragli- Regelung zur Übertragung der Ansprüche die früheren Beihil- che Vereinbarungen sind nämlich nicht so auszulegen, dass sie fen auf die jetzigen Zahlungsansprüche anzuwenden. sich möglichst systemkonform in die gesamte - hier durch die 9 Ein Anspruch des Klägers auf Übertragung der Zahlungs- GAP-Reform für die Gewährung von Beihilfen an die Land- ansprüche ergebe sich auch nicht nach den Grundsätzen über wirtschaft wesentlich veränderte - Rechtsordnung einfügen; die ergänzende Vertragsauslegung; denn es könne nicht ange- denn die Parteien schließen Rechtsgeschäfte nach ihren Inter- nommen werden, dass die Parteien eine Verpflichtung zur Über- essen und nicht zur Verwirklichung eines vom Gesetz- oder Ver- tragung der Zahlungsansprüche vereinbart hätten, wenn sie ordnungsgeber verfolgten Zwecks ab (vgl. Flume, Allgemeiner schon bei Vertragsschluss an die Entkoppelung dieser Ansprüche Teil des BGB, 2. Bd., 3. Aufl., S. 309). gedacht hätten. Der geltend gemachte Anspruch folge auch nicht 17 b) Das Berufungsgericht hat es unterlassen, den in der Ver- aus den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage einbarung zum Ausdruck kommenden Vertragswillen zu ermit- oder von Treu und Glauben (¤242 BGB), weil eine Pflicht zur teln, in der sich die Parteien gegenseitig verpflichtet haben, bei Übertragung des einheitlichen Zahlungsanspruchs dazu führte, Pachtbeginn die Prämien-, Förderungsansprüche und Quoten- dass der Pächter nicht nur den aus der Bewirtschaftung des vorrechte auf den Pächter und bei Pachtende auf den Verpäch- Pachtgegenstands, sondern auch den aus der Bewirtschaftung ter oder den von diesem benannten Betriebsnachfolger zu über- seines Vermögens entstandenen, sog. betriebsindividuellen Teil tragen. Damit hat es gegen ¤133 BGB versto§en, der das Ge- des Zahlungsanspruchs an den Verpächter herausgeben müss- richt bei der Auslegung von Willenserklärungen verpflichtet, te. den erklärten wirklichen Willen zu erforschen (BGHZ 124, 64, 10 Da sich aus dem Hofpachtvertrag der geltend gemachte 68). Die auf den Willen verweisende gesetzliche Auslegungs- Anspruch nicht herleiten lasse, stelle sich die Frage nicht, ob regel in ¤133 BGB verbietet es, eine rechtsgeschäftliche Rege- dessen Regelungen auch für die Zusatzpachtflächen gelten soll- lung gegen den tatsächlichen oder den erklärten Willen einer ten. Partei nach rein objektiven Gesichtspunkten auszulegen (vgl.

Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 105 Gewerbemiete

BGHZ 19, 269, 273; Flume, aaO, S. 308; jurisPK-BGB, geschlossene Landpachtvertrag über Einzelflächen ist ebenfalls Reichold, 4. Aufl., ¤133 Rdn. 9; Soergel/Hefermehl, BGB, 13. ein Formularvertrag; Vortrag der Parteien über Besprechungen Aufl., v. ¤116 Rdn. 9, 10). zum Inhalt dieses Vertrags ist in dem Berufungsurteil nicht wie- 18 3. Die Veränderung des Systems der landwirtschaftlichen dergegeben und von den Parteien im Revisionsverfahren auch Beihilfen von den früheren produktionsbezogenen Prämien zu nicht als übergangen gerügt worden. den jetzigen davon entkoppelten Zahlungsansprüchen schließt 22 1. Der Feststellungsantrag hat in Bezug auf die Zah- es entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts (ebenso aller- lungsansprüche Erfolg, die dem Beklagten auf die nach dem dings OLG Celle RdL 2007, 212 = AUR 2007, 364, 365 m. zu- Hofpachtvertrag bewirtschafteten Flächen zugewiesen worden tr. abl. Anm. von Jeinsen) nicht aus, einem aus Vereinbarungen sind. Der Beklagte ist nach ¤ 24 des Vertrages verpflichtet, die- in Altpachtverträgen, in denen sich der Pächter gegenüber dem se Zahlungsansprüche bei Beendigung des Pachtverhältnisses Verpächter zur (Rück-)Übertragung der Ansprüche auf Beihil- auf den Kläger oder den von diesem benannten Betriebsnach- fen verpflichtet hat, ersichtlichen Vertragswillen Rechnung zu folger zu übertragen. tragen und die vertragliche Regelung auch auf die neuen Zah- lungsansprüche anzuwenden. 23 a) ¤ 24 ist eine vorgedruckte Vertragsbestimmung in ei- nem von den Parteien verwendeten Vertragsmuster. Solche von 19 a) Die Zahlungsansprüche sind derartigen rechtsge- Dritten vorformulierten Vertragsbestimmungen sind - unab- schäftlichen Regelungen nämlich nicht entzogen. Sie sind zwar hängig von der Zahl der Verwendungen durch die Parteien - All- im Grundsatz personenbezogene Beihilfen, die nach den bei- gemeine Geschäftsbedingungen (BGH, Urt. v. 23. Juni 2006, hilfefähigen Hektarzahlen und den im Bezugszeitraum von 2000 VII ZR 277/04, ZIP 2005, 1604, 1605; Urt. v. 24. November bis 2002 erhaltenen Direktzahlungen (dazu BMELV AUR 2006, 2005, VII ZR 87/04, MDR 2006, 510) und als solche einheit- 89, 90) festgestellt und denjenigen, die im ersten Jahr der An- lich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Ver- wendung der Betriebsprämienregelung Betriebsinhaber waren, tragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerwei- zugewiesen worden sind. Vereinbarungen in Pachtverträgen über se beteiligten Kreise verstanden werden (BGH, Urt. v. 25. Juni landwirtschaftliche Betriebe oder Nutzflächen, in denen sich 1992, IX ZR 24/92, NJW 1992, 2629; Urt. v. 9. Mai 2001,VIII der Pächter gegenüber dem Verpächter verpflichtet, bei Pacht- ZR 208/00, NJW 2001, 2165, 2166; Urt. v. 8. November 2002, ende diese Ansprüche auf den Verpächter oder einen anderen V ZR 78/02, VIZ 2003, 240, 241). Gemessen daran ist der An- von diesem ihm benannten Betriebsinhaber zu übertragen, sind spruch auf Übertragung der Zahlungsansprüche begründet. jedoch auch nach der GAP-Reform möglich (vgl. BMELV, Die EU-Agrarreform - Umsetzung in Deutschland ‹2006›, S.17; 24 b) Auszugehen ist auch bei vorformulierten Vertragsbe- Schmitte, MittBayNot 2004, 95, 97; Krämer, NotBZ 2005, 2008, stimmungen von dem Wortlaut der Bestimmung und dem die- 216, 220). Der Umstand, dass die Zahlungsansprüche nach Art. sem zu entnehmenden objektiv erklärten Parteiwillen (vgl. BG- 46 VO (EG) 1782/2003 an andere Betriebsinhaber übertragbar, HZ 121, 14, 16; 124, 39, 44). ¤ 24 Abs.1 enthält zwar eine auf verpfändbar und pfändbar sind (vgl. dazu BGH, Beschl. v. 23. die im Zeitpunkt des Vertragsschlusses gewährten Beihilfen Oktober 2008, VII ZB 92/07, RdL 2009, 52, 53), lässt auch sol- (Prämien- und Förderungsansprüche und Quotenvorrechte) be- che Vereinbarungen zwischen Verpächtern und Pächtern über zogene Vereinbarung,nach der sich die Parteien gegenseitig da- die Übertragung von Zahlungsansprüchen bei Pachtbeginn und zu verpflichteten, an deren Erlangung und Sicherung wechsel- -ende zu. seitig mitzuwirken. Der Wortlaut der für den erhobenen An- spruch einschlägigen Regelung in ¤ 24 Abs. 2 des Vertrages, 20 b) Rechtsgeschäftliche Verpflichtungen des Pächters,Zah- nach der sämtliche Ansprüche und Rechte bei Pachtbeginn auf lungsansprüche bei Beendigung des Pachtverhältnisses auf den den Pächter und bei Pachtende auf den Verpächter oder den Be- Verpächter oder den neuen Pächter zu übertragen, können nicht triebsnachfolger übertragen werden sollten, soweit dieses recht- nur in den nach dem Inkrafttreten der GAP-Reform abge- lich möglich und zulässig sei, spricht jedoch bereits dafür, dass schlossenen Verträgen vereinbart werden oder in den bereits im die Übertragungspflicht nicht von der Ausgestaltung und dem Hinblick auf die GAP-Reform angepassten Pachtverträgen be- Zweck der Beihilfen abhängig sein, sondern der jeweilige Be- gründet worden sein (dazu Schmitte, MittBayNot 2004, 95, 97; triebsinhaber die Beihilfen unabhängig davon erhalten sollte, von Jeinsen, AUR 2007, 367), sondern sich auch aus Altverträ- ob diese - wie vormals - auf die Produktion des verpachteten gen ergeben, die noch vor dem Hintergrund des früheren Rechts Betriebes und die von diesem bewirtschafteten Flächen bezo- über die Beihilfen für die Landwirtschaft abgeschlossen wur- gen waren oder - wie jetzt - als ein davon unabhängiger An- den. Der durch Auslegung zu ermittelnde Vertragswille kann spruch auf eine Beihilfe zum Einkommen ausgestaltet sind. nämlich auch darin bestehen, dass die Parteien im Vertrag ihre Interessen so geregelt haben, dass die Vereinbarung zur Er- 25 c) In die gleiche Richtung weist der wirtschaftliche Zweck leichterung der Fortführung der Bewirtschaftung durch den des Vertrags,der - soweit nicht bereits der Wortlaut klar und ein- Nachfolger des Pächters alle diesem Zweck dienenden An- deutig ist - bei der Auslegung zu berücksichtigen ist (BGHZ sprüche auf Beihilfen - gleich welcher Art sie auch seien - er- 20, 109, 110). Dieser ist in ¤ 6 Abs.1 des Hofpachtvertrages nie- fassen sollte. Eine solche Abrede erstreckt sich auf die neuen dergelegt, in dem sich die Vertragsparteien in einer General- Zahlungsansprüche. Ein solcher Vertragswille ist auch dann zu klausel über die gesetzlichen Vorschriften hinaus wechselseitig berücksichtigen, wenn die Parteien bei Vertragsabschluss den dazu verpflichtet haben, alles zu tun, um bei Pachtbeginn und Inhalt künftiger Gesetzesänderungen nicht vorhersehen konn- Pachtende eine vorübergehende Ertragsminderung zu vermei- ten und gleichwohl Verpflichtungen begründeten, die auch bei den und eine reibungslose Fortführung der Wirtschaft zu er- Änderungen der dem Vertragsabschluss zugrunde liegenden Ge- möglichen. Der Zweck der vertraglichen Regelungen ist danach setzeslage Bestand haben sollten (vgl. Flume, aaO, S. 522; Me- die Sicherung der Fortführung des verpachteten Betriebes. Das dicus, Festschrift für Werner Flume zum 70. Geburtstag ‹1978›, Ziel wäre jedoch gefährdet, wenn auf Grund der Veränderung S. 629, 645; MünchKomm-BGB/Busche, 5. Aufl., ¤133 Rdn. der Ausgestaltung und des Zwecks der Beihilfen während der 22). Pachtzeit der Beklagte die ihm auf Grund der Bewirtschaftung des verpachteten Betriebes zugewiesenen Zahlungsansprüche 21 III. Der Senat kann die von dem Berufungsgericht unter- lassene Auslegung der vertraglichen Vereinbarungen selbst vor- bei Pachtende „mitnehmen“ könnte und der Betriebsnachfol- nehmen, weil weitere tatsächliche Feststellungen hierzu nicht ger seinerseits erst Zahlungsansprüche erwerben müsste, um ei- in Betracht kommen (vgl. BGHZ 65, 107, 112; 109, 19, 22; 121, ne Ertragsminderung zu vermeiden. 284, 289). Für den Hofpachtvertrag ergibt sich das aus den Fest- 26 d) Das Ergebnis wird schließlich bestärkt durch das Ge- stellungen im Berufungsurteil, dass es sich bei der Regelung in bot einer nach beiden Seiten hin interessengerechten Vertrags- ¤ 24 des Vertrags um eine formularvertragliche, in solchen Ver- auslegung (BGHZ 131, 136, 138; 137, 69, 72; 149, 337, 353). trägen übliche Bestimmung handele, die den Parteien geläufig Bei mehreren Auslegungsmöglichkeiten ist danach derjenigen gewesen sei und die sie nicht besprochen hätten. Der gesondert der Vorzug zu geben, die zu einem vernünftigen, wider-

106 Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 Gewerbemiete spruchsfreien und den Interessen beider Vertragsparteien ge- doch für einzelne Pachtgegenstände unterschiedliche, rechtlich recht werdenden Ergebnis führt (BGH, Urt. v. 14. Dezember zulässige und daher wirksame Regelungen vereinbart, so gel- 2005, XII ZR 241/03, NJW-RR 2006, 337, 338 [= GuT 2006, ten diese unabhängig davon, ob die Verträge nach dem Willen 68]). der Parteien zu einer rechtlichen Einheit verbunden werden soll- ten oder nicht. 27 Dem entspricht allein die Auslegung des ¤ 24 des Vertra- ges, nach der der Beklagte die ihm auf Grund der Bewirtschaf- Mitgeteilt von RiBGH Wellner, Karlsruhe tung des verpachteten Betriebes zugewiesenen Zahlungsan- sprüche insgesamt auf den Verpächter zu übertragen hat. Die Revision weist in diesem Zusammenhang zu Recht auf den Um- ¤ 346 BGB; ¤ 5 BetrPrämDurchfG stand hin, dass mit dem Hofpachtvertrag der gesamte Betrieb Ausgleichsleistung; vormaliger Pächter als Erwerber mit den Flächen und dem lebenden und toten Inventar verpachtet landwirtschaftlicher Flächen; Rücktritt des Veräußerers; wurde. Die Zahlungsansprüche, die dem Beklagten zugewiesen Einbehalt erwirtschafteter Betriebsprämien; wurden, weil er bei der ersten Beantragung der Prämie im Jah- GAP-Reform re 2005 Pächter des Betriebes war, beruhen daher sowohl in ihrem flächenbezogenen als auch in dem betriebsindividuellen Bei der Rückabwicklung eines Kaufvertrages über land- Teil nach ¤ 6 Abs.1 BetrPrämDurchfG auf der Nutzung ge- wirtschaftliche Flächen ist der Käufer grundsätzlich nicht pachteten Vermögens. Eine Verpflichtung des Beklagten zur verpflichtet, Zahlungsansprüche nach dem Betriebsprä- Übertragung dieser Zahlungsansprüche stünde somit auch nicht miendurchführungsgesetz, die ihm im Hinblick auf die Be- der vom Berufungsgericht angezogene Umstand entgegen, dass wirtschaftung dieser Flächen zugeteilt worden sind, an den dem Kläger dadurch Beihilfen zugute kämen, die nicht aus der Verkäufer oder einen von diesem zu benennenden Dritten Bewirtschaftung der Pachtsache, sondern des eigenen Vermö- zu übertragen. gens des Pächters entstanden sind. (BGH, Urteil vom 22.1. 2010 Ð V ZR 170/08) 28 Demgegenüber führte die gegenteilige, von den Vorin- stanzen vertretene Ansicht, nach der die Zahlungsansprüche bei 1 Zum Sachverhalt: Der Beklagte erwarb von der mit der Pri- dem Pächter verbleiben, zu einem durch den Systemwechsel vatisierung der ehemals volkseigenen land- und forstwirt- der Beihilfen für die Landwirtschaft bedingten Zufallsgewinn schaftlichen Flächen in den neuen Bundesländern beauftragten des beklagten Pächters. Das Ergebnis entspräche weder dem Klägerin durch notariellen Vertrag vom 26. Februar 2002 land- weit gefassten Wortlaut der in ¤ 24 Abs. 2 vereinbarten Über- wirtschaftliche Flächen in Mecklenburg-Vorpommern zu einem tragungspflicht noch dem aus ¤ 6 Abs.1 ersichtlichen Zweck nach dem Ausgleichsleistungsgesetz ermäßigten Preis. Es wur- der Bestimmung. Entgegen den vertraglichen Vereinbarungen, de ein Rücktrittsrecht der Klägerin für den Fall vereinbart, dass wie sie hier in ¤¤ 6 und 24 getroffen worden sind, sämtliche aus der Abschluss des Vertrages auf falschen Angaben des Beklag- der der Bewirtschaftung der Pachtsache entstandenen Ansprüche ten beruht oder dass der Beklagte seinen für den Erwerb maß- endgültig dem Pächter zuzuweisen, wäre kein vernünftiges, wi- geblichen Wohnsitz nicht in der Nähe der Betriebsstätte bei- derspruchsfreies und den Interessen beider Vertragsparteien ge- behält. recht werdendes Ergebnis. 2 Nachdem die Klägerin auf dieser Grundlage von dem Kauf- 29 2. Keinen Erfolg hat die Revision dagegen in Bezug auf vertrag zurückgetreten ist, verlangt sie Zug um Zug gegen Rück- die Zahlungsansprüche, die dem Beklagten auf das nach dem zahlung des Kaufpreises die Rückübertragung und Herausgabe Landpachtvertrag über Einzelflächen genutzte Flurstück zuge- der landwirtschaftlichen Flächen, die Feststellung, dass sich der teilt worden sind. Beklagte in Annahmeverzug befindet sowie die Feststellung, dass der Beklagte verpflichtet ist, die ihm aus der Bewirtschaf- 30 a) Die Parteien haben hier einen anderen Formularvertrag tung der verkauften Flächen ab Rechtskraft der Entscheidung verwendet, der keine dem ¤ 24 des Hofpachtvertrages entspre- zustehenden Ansprüche nach dem Betriebsprämiendurch- chende Verpflichtung des Pächters zur Übertragung der An- führungsgesetz auf einen von der Klägerin zu benennenden Drit- sprüche auf Beihilfen enthält. Es wird in dem Vertrag - auch in ten zu übertragen. den handschriftlichen Ergänzungen - nicht auf die dazu im Hof- pachtvertrag getroffenen Regelungen verwiesen. Die für die 3 Die Klage ist in den Vorinstanzen [LG Neubrandenburg; Pflichten der Parteien nach der Beendigung des Pachtverhält- OLG Rostock] erfolgreich gewesen. Mit der von dem Senat nisses einschlägige Regelung in ¤15 entspricht vielmehr in (nur) hinsichtlich des die Ansprüche nach dem Betriebsprä- Satz1 der gesetzlichen Bestimmung in ¤ 596 Abs.1 Satz1 BGB. miendurchführungsgesetz betreffenden Feststellungsantrags zu- Sie ist daher nicht anders auszulegen als die gesetzliche Vor- gelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf schrift. Für diese hat der Senat bereits entschieden, dass die dessen Abweisung weiter. Die Klägerin beantragt die Zurück- Pflicht, die Pachtsache in einem fortgesetzter ordnungsgemäßer weisung der Revision. Bewirtschaftung entsprechenden Zustand herauszugeben, sich nicht auf die dem Pächter nach der VO (EG) 1782/2003 zuge- 4 Aus den Gründen: I. Das Berufungsgericht meint, nach wiesenen Zahlungsansprüche erstreckt (Urt. v. 24. November Rückabwicklung des Kaufvertrages sei ein Anspruch des Be- 2006, LwZR 1/06, RdL 2007, 94, 95 [= GuT 2007, 146]). klagten auf Einbehalt der im Zusammenhang mit der Bewirt- schaftung der verkauften Ackerflächen bestehenden Zahlungs- 31 b) Der gegensätzliche Vortrag der Parteien dazu, ob das mit dem Landpachtvertrag überlassene Grünland mit den durch den ansprüche nach dem Betriebsprämiendurchführungsgesetz un- Betriebspachtvertrag zur Nutzung überlassenen Flächen eine ter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ersichtlich. Ob dem Be- nicht nur wirtschaftliche, sondern auch räumliche Betriebsein- klagten die Ansprüche als Pächter zu belassen gewesen wären, heit bildete oder ob der Beklagte diese Weideflächen von sei- könne dahinstehen, weil der früher bestehende Pachtvertrag ner Hofstelle aus mit eigenen Tieren bewirtschaftet hat, ist für durch den notariellen Kaufvertrag aufgehoben worden sei. die Auslegung des Landpachtvertrages in Bezug auf die hier 5 II. Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nach- streitige Pflicht zur Übertragung der Zahlungsansprüche ohne prüfung nicht stand. Entgegen der Ansicht des Berufungsge- Bedeutung. Selbst wenn die Parteien eine rechtliche Einheit richts kommt es nicht darauf an, ob sich ein Recht des Beklag- der Verträge gewollt hätten, änderte das nichts daran, dass sie ten finden lässt, die ihm zugewiesenen Zahlungsansprüche nach für die mit dem Landpachtvertrag dem Beklagten überlassene dem Betriebsprämiendurchführungsgesetz zu behalten. Die Fläche von den Regelungen im Hofpachtvertrag abweichende Feststellung seiner Verpflichtung,diese Ansprüche an einen von vertragliche Verpflichtungen in Bezug auf die Rückgabe der der Klägerin zu benennenden Dritten abzutreten, erfordert viel- Pachtsache und die Übertragung der Ansprüche auf landwirt- mehr einen entsprechenden Anspruch der Klägerin. Hieran fehlt schaftliche Beihilfen getroffen haben. Haben die Parteien je- es.

Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 107 Gewerbemiete

6 1. Die aufgrund der Reform der Gemeinsamen Agrarpoli- klagten nach Rückgabe der Flächen verbleiben, nicht entge- tik der Europäischen Union (GAP-Reform) erlassenen Verord- gen. Jedoch kann es sich bei solchen Vorteilen nicht um Nut- nungen enthalten ebenso wenig wie das zur Umsetzung des Ge- zungen im Rechtssinne (¤100 BGB) handeln. Bestehen sie nach meinschaftsrechts erlassene Betriebsprämiendurchführungsge- Aufgabe des Besitzes fort, belegt dies, dass sie nicht aus der setz Vorschriften, nach der Zahlungsansprüche mit der Beendi- Sache oder deren Gebrauch gezogen werden, sondern (ur- gung des Rechts, bestimmte landwirtschaftliche Flächen zu nut- sprünglich) nur mittels der Sache erlangt worden sind. zen, auf den neuen Eigentümer oder Bewirtschafter übergehen 13 3. Ein Anspruch der Klägerin auf Übertragung der Zah- oder auf diesen zu übertragen sind (vgl. BGH, Urt. v. 24. No- lungsansprüche folgt schließlich nicht aus einer ergänzenden vember 2006, LwZR 1/06, NJW-RR 2007, 1279, 1280 [= GuT Auslegung des zwischen den Parteien geschlossenen Kaufver- 2007, 146] Rdn. 10). trages. 7 2. Aus der Vorschrift des ¤346 Abs.1 BGB, die bestimmt, 14 Es fehlt an der hierfür notwendigen planwidrigen Rege- dass die Vertragsparteien nach einem Rücktritt die empfange- lungslücke. Eine solche kann nur angenommen werden, wenn nen Leistungen zurückzugewähren und die gezogenen Nutzun- die Parteien mit den getroffenen Regelungen ein bestimmtes gen herauszugeben haben, folgt ein solcher Übertragungsan- Ziel erreichen wollten, dies wegen der Lückenhaftigkeit des Ver- spruch ebenfalls nicht. einbarten aber nicht gelungen ist. Hingegen darf die ergänzen- 8 a) Bei den Zahlungsansprüchen nach dem Betriebsprä- de Vertragsauslegung nicht herangezogen werden, um einem miendurchführungsgesetz handelt es sich nicht um eine auf- Vertrag aus Billigkeitsgründen einen zusätzlichen Regelungs- grund des Kaufvertrages empfangene Leistung. Dem Beklag- gehalt zu verschaffen, den die Parteien objektiv nicht verein- ten sind von der Klägerin keine solchen Ansprüche oder ande- baren wollten (vgl. Senat, Urt. v. 13. Februar 2004,V ZR 225/03, re Beihilfen, sondern nur das Eigentum und der Besitz an den WPM 2004, 2125, 2126 m.w.N.). landwirtschaftlichen Flächen übertragen worden. Die Zah- 15 Vorliegend fehlt jeglicher Anhaltspunkt dafür, dass die Par- lungsansprüche sind weder rechtliche Bestandteile dieses Ei- teien eine Verpflichtung des Käufers begründen wollten, im Zu- gentums (¤ 96 BGB) noch bilden sie mit den herauszugeben- sammenhang mit der Bewirtschaftung der verkauften Flächen den landwirtschaftlichen Flächen eine wirtschaftliche Einheit, erlangte staatliche Beihilfen bei einer Rückabwicklung des die nur als Ganzes zurückgewährt werden könnte. Kaufvertrages auf die Klägerin oder einen von ihr zu benen- 9 Wie der Bundesgerichtshof im Zusammenhang mit der Be- nenden Dritten zu übertragen. Der Vertrag enthält keine Ver- endigung von Pachtverträgen ausgeführt hat, handelt es sich bei pflichtungen des Käufers, die sicherstellen sollen, dass die Be- Zahlungsansprüchen nach dem Betriebsprämiendurchführungs- wirtschaftung der verkauften Flächen bei einer Rückabwick- gesetz um eine dem Betriebsinhaber zugewiesene, personen- lung des Kaufvertrages unverändert fortgeführt werden kann, bezogene Beihilfe. Ihre erstmalige Zuweisung erfolgte zwar insbesondere keine Vereinbarung, nach der der Käufer alle die- flächenbezogen und setzte somit die Bewirtschaftung land- sem Zweck dienenden Ansprüche auf Beihilfe an die Klägerin wirtschaftlicher Flächen voraus. In der Folge sind die Zah- oder einen neuen Erwerber der Flächen zu übertragen hat (vgl. lungsansprüche aber nicht an die Bewirtschaftung bestimmter zur Annahme eines solchen Parteiwillens: BGH, Urt. vom 24. Flächen oder an eine konkrete landwirtschaftliche Nutzung ge- April 2009, LwZR 11/08, NJW-RR 2009, 1714, 1715 f. [= GuT bunden, vielmehr kann der Betriebsinhaber über sie (auch oh- 2010, 104] Rdn. 20). ne eine Fläche) verfügen und diese entweder durch Veräuße- 16 Der Einwand der Revisionserwiderung, der Beklagte ha- rung oder durch Aktivierung auf anderen Flächen nutzen (vgl. be kein schutzwürdiges Interesse daran, die ihm letztlich durch näher BGH, Urt. vom 24. November 2006, LwZR 1/06, NJW- falsche Angaben zugeteilten Ansprüche nach dem Betriebsprä- RR 2007, 1279, 1281 f. [= GuT 2007, 146]; Urt. v. 24. April miendurchführungsgesetz zu behalten, ist als reine Billigkeits- 2009, LwZR 11/08, NJW-RR 2009, 1714, 1715 [= GuT 2010, erwägung nicht geeignet, eine planwidrige Regelungslücke auf- 104]). Die Zuordnung auf den Betriebsinhaber hindert eine Ein- zuzeigen. beziehung der Ansprüche in den pachtrechtlichen Herausgabe- anspruch (BGH, Beschl. vom 24. November 2006, LwZR 1/06, Mitgeteilt von RiBGH Wellner, Karlsruhe a. a.O., S.1281 [= GuT 2007, 146] Rdn. 27) ebenso wie in einen landwirtschaftliche Flächen betreffenden Rückgewähranspruch ¤1 FlErwV nach ¤ 346 BGB. Erwerb von Forstwirtschaftsfläche als Ausgleichsleistung; 10 b) Aus der in ¤ 346 Abs.1 BGB enthaltenen Verpflichtung, AusglLeistG; Lebensmittelpunkt nahe der Betriebsstätte; gezogene Nutzungen herauszugeben, folgt der von der Kläge- Ortsansässigkeit; sekundäre Beweislast; MRRG rin geltend gemachte Anspruch ebenfalls nicht. 11 Bei den Zahlungsansprüchen handelt es sich nicht um Nut- a) Der Lebensmittelpunkt des Erwerbers ist nicht allein zungen der verkauften Ackerflächen. Der Begriff der Nutzung anhand formaler Gesichtspunkte wie der polizeilichen Mel- umfasst neben den Früchten zwar auch die Vorteile,welcher der dung, sondern in wertender Gesamtbetrachtung aller rele- Gebrauch der Sache gewährt (§100 BGB). Allerdings fallen vanten Umstände zu bestimmen. Vo rteile, die nicht durch den Gebrauch, sondern nur mittels der b) Dabei müssen sich zwar nicht sämtliche Lebensbezie- Sache gewonnen werden, nicht darunter (vgl. RGRK-Kregel, hungen des Erwerbers auf einen Ort konzentrieren. Sie müs- BGB, 12. Aufl., ¤100 Rdn. 4; Staudinger/Jickeli/Stieper, BGB sen sich aber an einem Ort in der Nähe der Betriebsstätte ‹2004›, ¤100 Rdn. 4). Um einen solchen, nur mittels der Sache so verdichten, dass ein Engagement des Erwerbers vor Ort erzielten Vorteil handelt es bei den Zahlungsansprüchen nach erkennbar wird. dem Betriebsprämiendurchführungsgesetz schon deshalb, weil (BGH, Urteil vom 25. 9. 2009 Ð V ZR 13/09) die Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen nur eine von mehreren Voraussetzungen für deren erstmalige Zuteilung war. 1 Zum Sachverhalt: Der Beklagte bewarb sich bei der Kläge- 12 Im Übrigen haben die Parteien die Verpflichtung des Be- rin unter Vorlage eines Betriebskonzepts um den Erwerb forst- klagten zur Herausgabe von Nutzungen durch die Regelung in wirtschaftlich genutzter Flächen nach § 3 AusglLeistG. In ei- ¤8 des Kaufvertrages (ãRechtsfolgen bei Beendigung des Ver- ner Erklärung vom 28. Juli 2001 verpflichtet er sich dazu, sei- trages“) abbedungen; denn darin hat die Klägerin für den Fall nen Hauptwohnsitz in die Nähe der Betriebsstätte zu verlegen. eines Rücktritts auf die Geltendmachung eines Nutzungsent- Auf dieser Grundlage verkaufte ihm die Klägerin mit notariel- gelts für die Ausübung des Besitzes durch den Käufer nach Ein- lem Vertrag vom 25. Februar 2002 etwa 276 ha forstwirtschaft- gang des Kaufpreises verzichtet. Dieser Verzicht umfasst zwar lich genutzte Flächen im Landkreis Parchim für 264.729,99 €. nur die während der Besitzzeit gezogenen Nutzungen, stünde Sie ist nach dem Vertrag zum Rücktritt berechtigt,wenn der Be- also der Pflicht zur Herausgabe von Vorteilen, die dem Be- klagte seinen Hauptwohnsitz nicht in die Nähe der Betriebs-

108 Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 Gewerbemiete stätte verlegt und dort nicht für die Dauer von 20 Jahren nach LeistG ma§geblichen Fassung zu ermöglichen. Bei dem Ab- Abschluss des Vertrags beibehält. Der Beklagte hat eine Woh- schluss und der Ausgestaltung der dazu nach ¤10 Abs.1 FlErwV nung in Frankfurt am Main, wo er als Jurist bei einer Gro§bank abzuschlie§enden Kaufverträge ist die Klägerin als die von der angestellt und au§erdem als Rechtsanwalt zugelassen ist. Er ist Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben nach seit dem 25. Februar 2004 mit Hauptwohnsitz in dem Ortsteil ¤¤ 7 Satz1 und 14 Satz1 FlErwV beauftragte Privatisierungs- K. des in der Nähe der erworbenen forstwirtschaftlichen Flächen stelle nicht frei, sondern an die Vorgaben des Gesetzes gebun- gelegenen Orts C. gemeldet, wo er separate Wohnräume im den (Senat, Urt. v. 4. Mai 2007, V ZR 162/06, ZOV 2007, 30; Haus seines Bruders hat. Urt. v. 10. Juli 2009 V ZR 72/08, juris). Sie hat deshalb den Be- stand des Erwerbs mit der Rücktrittsklausel, wie nach ¤ 3 Abs. 8 2 Mit Schreiben vom 3. März 2005 trat die Klägerin vom Ver- trag zurück. Sie verlangt dessen Rückabwicklung sowie die Satz1 Buchstabe b AusglLeistG a.F. mit ¤ 4 Abs. 2 Satz1 FlErwV Feststellung, dass sich der Beklagte seit dem 26. Mai 2005 in a.F. geboten, davon abhängig gemacht, dass der Beklagte orts- Verzug mit der Annahme der Rückzahlung des Kaufpreises be- ansässig wird, indem er in der Nähe der Betriebsstätte seinen findet. Sie meint, der Beklagte habe seinen Hauptwohnsitz nur Hauptwohnsitz begründet. Ob der Beklagte seinen Haupt- formal nach K. verlegt, in der Sache aber in Frankfurt am Main wohnsitz in C. begründet hat, bestimmt sich deshalb nach dem belassen. für die Auslegung von ¤ 4 Abs. 2 Satz1 FlErwV a.F. nach ¤ 7 Abs. 2 AusglLeistG ma§geblichen ¤1 Abs. 3 FlErwV. 3 Das Landgericht Schwerin hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht Rostock 9 b) Danach ist Hauptwohnsitz der Lebensmittelpunkt des die Klage abgewiesen. Mit der von dem Oberlandesgericht zu- Berechtigten, hier des Beklagten. gelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter. Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. 10 aa) Wie der Lebensmittelpunkt zu bestimmen ist, wird im Ansatz unterschiedlich beurteilt. Einem Hinweis der Begrün- 4 Aus den Gründen: I. Das Berufungsgericht hält den Rück- dung des Entwurfs der Flächenerwerbsverordnung auf das Mel- tritt für unwirksam. Der Beklagte habe nicht versäumt, seinen derecht (BR-Drucks. 741/95 S. 31) wird teilweise entnommen, Hauptwohnsitz in die Nähe der Betriebsstätte zu verlegen. Der dass von der Regelung in dem heutigen, inhaltlich unverändert Begriff des Hauptwohnsitzes sei so auszulegen wie der gleiche aber auch schon bei Erlass der Flächenerwerbsverordnung gel- Begriff in ¤1 Abs. 3 FlErwV. Der Kaufvertrag der Parteien die- tenden ¤12 Abs. 2 Sätze 1 und 5 MRRG auszugehen und der ne der Umsetzung von ¤ 3 AusglLeistG und sei dem Verwal- Lebensmittelpunkt nach dem Schwerpunkt der Lebensbezie- tungsprivatrecht zuzuordnen. Solche Verträge seien in Über- hungen des Erwerbers zu bestimmen sei (OLG Rostock, Urt. v. einstimmung mit den Vorschriften zu verstehen, die ihnen zu- 6. Dezember 2007, 7 U 57/06, unveröff., Umdruck S. 8 f.; OLG grunde lägen. Nach §1 Abs. 3 FlErwV sei auf den Lebensmit- Dresden, Urt. v. 28. Oktober 2008,9 U 1663/07, unveröff., Um- telpunkt des Käufers abzustellen. Für die Auslegung dieser Vor- druck S. 7, dazu Senatsbeschl. v. 7. Mai 2009,V ZR 222/08, un- schrift wiederum komme es nicht darauf an, wie der Begriff veröff.). Teilweise wird aus der erwähnten Textstelle der Ent- des Lebensmittelpunkts in ¤12 MRRG verstanden werde. Denn wurfsbegründung der Schluss gezogen, dass gerade nicht von der Verordnungsgeber habe sich von dem Melderecht abheben dem Melderecht auszugehen sei. Nach einer Meinung ist der wollen. Neben dem Ort der Wohnung, an dem man sich ãquan- Lebensmittelpunkt stattdessen wie der Wohnsitz nach ¤ 7 BGB titativ“ am meisten aufhalte, seien unter Berücksichtigung von zu ermitteln (in diesem Sinne: OLG Brandenburg, Urt. v. 5. Ju- Sinn und Zweck der Regelung auch Aspekte einzubeziehen, ni 2008, 5 U 61/07, juris, Rdn. 59, dazu Senatsbeschl. v. 8. Ja- die besondere Bindungen zu einem Ort belegen. Dabei spielten nuar 2009, V ZR 122/08, unveröff.; KG, Urt. v. 6. November die Lage der Wohnräume, die hauptsächliche Ausübung des Be- 2008, unveröff. Umdruck S.11 f., anhängig bei dem Senat un- rufs, die gesellschaftliche Verankerung, soziales und politisches ter V ZR 236/08; Witt, Der Flächenerwerb in den neuen Bun- Engagement, familiäre Bindungen und ähnliche Kriterien eine desländern, 1996, S. 31). Nach anderer Ansicht ist er, wie auch Rolle. Diese müssten in einer Gesamtschau miteinander abge- das Berufungsgericht meint, in Anlehnung an die Rechtspre- wogen werden. Dabei ergebe sich hier, dass der Beklagte sei- chung des Senats zu ¤ 5 Abs. 3 SachenRBerG (Urt. v. 13. Mai nen Hauptwohnsitz in K. habe. 2005, V ZR 191/04, NJW-RR 1005, 1256, 1257 [=WuM 2005, 605 KL]) eigenständig zu bestimmen (OLG Rostock, Urt. v. 7. 5 II. Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung im August 2008, 3 U 20/08, unveröff., dazu Senatsbeschl. v. 28. entscheidenden Punkt nicht stand. Mai 2008, V ZR 170/08, unveröff.). 6 1. Die Klägerin kann nach § 346 Abs.1 BGB von dem Be- klagten verlangen, ihr - Zug um Zug gegen Rückzahlung des 11 bb) Diese Frage bedarf keiner Entscheidung. Die unter- Kaufpreises - die verkauften Flächen aufzulassen, ihre Eintra- schiedlichen Ansätze führen nämlich nicht zu unterschiedlichen gung als Eigentümerin zu bewilligen und ihr die Flächen her- Ergebnissen (OLG Naumburg AUR 2005, 334, 335 = AUR auszugeben, weil sie von dem Vertrag auf Grund des darin vor- 2006, 30). Es besteht im Gegenteil Einigkeit darüber, dass der gesehenen Rücktrittsrechts wirksam zurückgetreten ist. Ferner Lebensmittelpunkt des Erwerbers nach ¤ 3 AusglLeistG eben- ist nach ¤ 256 ZPO festzustellen, dass sich der Beklagte seit dem so wie der eines Nutzers im Rahmen von ¤ 5 Abs. 3 SachenR- 26. Mai 2005 gemäß § 293 BGB in Annahmeverzug befindet, BerG (dazu Senat, Urt. v. 13. Mai 2005,V ZR 191/04, aaO) nicht weil er das Rückzahlungsangebot der Klägerin unberechtigt allein anhand formaler Gesichtspunkte wie der polizeilichen zurückgewiesen hat. Meldung, sondern in wertender Gesamtbetrachtung aller rele- vanten Umstände zu bestimmen ist. Einigkeit besteht auch da- 7 2. Der Rücktritt der Klägerin setzt nach § 9 Nr. 2 Buchsta- be e des Kaufvertrags der Parteien voraus, dass es der Beklag- rüber, dass es der Annahme des Lebensmittelpunkts nicht ent- te versäumt, seinen Hauptwohnsitz innerhalb von zwei Jahren gegensteht, wenn sich der Erwerber zeitweilig an anderer Stel- nach Abschluss des Kaufvertrags in die Nähe der Betriebsstät- le aufhält (vgl. dazu den Fall OLG Brandenburg, Urt. v. 5. Juni te zu verlegen. Diese Voraussetzung ist entgegen der Ansicht 2008, 5 U 61/07, juris; hiervon geht auch der zu diesem Urteil des Berufungsgerichts eingetreten. ergangene Senatsbeschl. v. 8. Januar 2009, V ZR 122/08, un- veröff., aus). Entscheidend ist vielmehr, dass sich der Schwer- 8 a) Der in der Rücktrittsklausel verwendete Begriff des punkt seiner Lebensbeziehungen in der Nähe der Betriebsstät- Hauptwohnsitzes ist, was das Berufungsgericht nicht verkennt, te befindet. nicht autonom auszulegen. Der Kaufvertrag der Parteien dient dazu, dem Beklagten den verbilligten Erwerb forstwirtschaft- 12 c) Davon geht auch das Berufungsgericht aus. Seine tat- lich genutzter Flächen unter den Voraussetzungen des ¤3 Abs. 8 richterliche Würdigung ist revisionsrechtlich nur eingeschränkt AusglLeistG in der vor dem Inkrafttreten des Flächenerwerbs- überprüfbar (dazu: BGH, Urt. v. 14. Oktober 2003, VI ZR änderungsgesetzes (vom 3. Juli 2009, BGBl. I S.1688) am 11. 425/02, NJW-RR 2004, 425, 426; Senat, Urt. v 26. November Juli 2009 geltenden, für den vorliegenden Fall nach ¤ 7 Ausgl- 2004, V ZR 119/04, MittBayNot 2005, 395; Urt. v. 5. Mai 2006,

Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 109 Gewerbemiete

V ZR 236/05, NJW-RR 2006, 1242; Urt. v. 16. Januar 2009,V Darlegungslast (dazu: BGHZ 120, 320, 327 f.; 145, 170, 184; ZR 133/08, NJW 2009, 1262, 1264, vorgesehen für BGHZ 179, BGH, Urt. v. 17. Februar 2004,X ZR 108/02, WPM 2005, 571, 238). Sie ist in diesem Rahmen aber zu beanstanden. 573; Urt. v. 27. April 2009, II ZR 253/07, WPM 2009, 1145, 1146) gehalten sein, auf Grund eines erwiderungsfähigen 13 aa) Der Schwerpunkt der Lebensbeziehungen einer Per- son lässt sich zwar nur mit einer wertenden Betrachtung der re- Primärvortrags des Gläubigers seinerseits zu dem Geschehen levanten Umstände feststellen. Diese wertende Betrachtung darf vorzutragen. Voraussetzung dafür ist, dass der Schuldner dazu aber nicht den Zweck aus dem Blick verlieren, zu dem die je- in der Lage und ihm das zuzumuten ist (BGHZ 145, 170, 184). weilige Vorschrift eine Feststellung des Lebensmittelpunkts ver- Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Umstände, anhand langt. Im Rahmen von ¤ 5 Abs. 3 SachenRBerG geht es z. B. derer sein Lebensmittelpunkt zu bestimmen ist, kennt allein der nicht darum, abstrakt den Lebensmittelpunkt des Nutzers zu Beklagte. Nur er kann Auskunft darüber geben, ob und wie er ermitteln. Sie ist nur ein Hilfsmittel, um die eigentlich ent- sich in dem erforderlichen Umfang vor Ort engagiert. Vortrag scheidende Frage zu beantworten, ob dem Nutzer das von ihm dazu ist ihm auch zumutbar. Die Klägerin durfte dem Beklag- auf einem fremden Grundstück errichtete Wohnhaus am 3. Ok- ten die Waldflächen verbilligt nur verkaufen, wenn er nach ¤ 3 tober 1990 als Wohnung gedient hat. Auch ¤ 3 Abs. 8 Ausgl- Abs. 8 AusglLeistG a. F. erwerbsberechtigt war. Das war der LeistG a.F. und ¤ 4 Abs. 2 Satz1 FlErwV a.F. knüpfen nicht ab- Beklagte nach ¤ 8 Abs. 8 Satz1 Buchstabe b AusglLeistG nur, strakt an den Hauptwohnsitz des Erwerbers an. Der verbilligte wenn er in der Nähe der Waldflächen ortsansässig wurde. Die Walderwerb nach ¤ 3 Abs. 8 Satz1 Buchstabe b AusglLeistG Klägerin hat dem Beklagten die Waldflächen nach § 9 Nr.1 des a.F. soll vielmehr nicht jedem offen stehen, sondern nur dem Vertrags auch nur in der Erwartung verkauft, der Beklagte wer- Erwerber, der in der Nähe der Betriebsstätte auch ortsansässig de die gesetzlichen Voraussetzungen seiner Erwerbsberechti- werden will. Das Erfordernis der Ortsansässigkeit soll aus- gung herstellen. Sie kann deshalb von ihm erwarten, dass er sich schlie§en, dass Personen ohne regionalen Bezug Flächen er- hierzu im Streitfall substantiiert äußert. werben und mit einem Betriebsleiter vor Ort bewirtschaften. In 18 (3) Die Klägerin selbst hat substantiierten Primärvortrag Konkurrenz zu den örtlichen Interessenten sollen andere Per- dazu gehalten, dass der Beklagte seinen Wohnsitz nicht nach sonen Flächen nur dann verbilligt pachten und erwerben kön- K. verlegt, sondern in Frankfurt am Main behalten hat. Danach nen, wenn sie sich selbst vor Ort engagieren (Senat, Urt. v. 4. hält sich der Beklagte, quantitativ betrachtet, den deutlich über- Mai 2007, V ZR 162/06, ZOV 2007, 30, 33; Zilch, in Motsch/ wiegenden Teil des Jahres in Frankfurt am Main auf, wo er als Rodenbach/Löffler/Schäfer/Zilch, Kommentar zum Entschädi- Angestellter einer Gro§bank und als Rechtsanwalt arbeitet. Ei- gungs- und Ausgleichsleistungsgesetz, 1995, ¤ 3 AusglLeistG ne eigene Wohnung hat der Beklagte auch nur dort. In K. ste- Rdn. 58 u. 61). Ein solches Engagement setzt zwar nicht vor- hen ihm demgegenüber nur eigene Räume im Hause seines Bru- aus, dass sich sämtliche Lebensbeziehungen des Erwerbers auf ders zur Verfügung. Diese von dem Beklagten eingeräumten einen Ort konzentrieren (Senat, Urt. v. 4. Mai 2007, aaO S. 32 Umstände ergeben nicht, dass sich der Beklagte sichtbar vor Ort f.; diese Sicht liegt auch dem Senatsbeschl. v. 7. Mai 2009, V engagiert und damit seinen Lebensmittelpunkt (auch) in der ZR 222/08, unveröff., zu OLG Dresden, Urt. v. 28. Oktober Nähe seiner Betriebsstätte begründet hat. Es war deshalb Auf- 2008, 9 U 1663/07, zugrunde). Sie müssen sich aber an einem gabe des Beklagten, zusätzliche Umstände vorzutragen, aus de- Ort in der Nähe der Betriebsstätte so verdichten, dass das er- nen sich das ableiten lie§e. Daran fehlt es. Er hat zwar vorge- forderliche Engagement vor Ort erkennbar wird. tragen, seine Betriebsstätte des Öfteren aufgesucht und mit dem Betriebsleiter Einzelheiten besprochen zu haben. Solche Kon- 14 bb) Ein solches Engagement vor Ort lässt sich allerdings nicht, das ist dem Berufungsgericht einzuräumen, an Äußer- takte gehen nicht über das geschäftlich Nötige hinaus. Seinem lichkeiten wie Größe und Komfort der dort eingerichteten Woh- Vo rtrag ist auch sonst kein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, nung festmachen (a. M. OLG Rostock, Urt. v. 7. August 2008, dass und wie sich der Beklagte in seinem Betrieb oder in ande- 3 U 20/08, unveröff., für den Senatsbeschl. v. 28. Mai 2009,V rer Weise vor Ort sozial oder in anderer Weise sichtbar enga- ZR 170/08, zu diesem Urteil kam es hierauf nicht an). Erfor- giert. Seine Kontakte beschränken sich nach den Feststellungen derlich, aber ausreichend ist vielmehr, dass der Erwerber seine des Berufungsgerichts auf die Familie seines Bruders und auf Betriebsstätte nicht nur sporadisch und nur bei Bedarf aufsucht. ein ãgelegentliches Bierchen“ mit (Jagd-) Bekannten. Das ver- Er muss Bindungen an den Ort in der Nähe der Betriebsstätte mag das Erfordernis der Ortsansässigkeit, um dessen Feststel- aufbauen und unterhalten, die über das rein Geschäftliche hin- lung es hier letztlich geht, nicht auszufüllen. ausgehen. So war der Erwerber in dem erwähnten Fall des OLG Mitgeteilt von RiBGH Wellner, Karlsruhe Dresden (Urt. v. 28. Oktober 2008, aaO) in örtlichen Vereini- gungen engagiert; er machte mit seiner Familie Urlaub auf dem Hof und war nach Angaben von Angestellten seines westdeut- ¤¤ 596, 280 BGB schen Hofs im Sommer ãwochenlang“ abwesend, weil er sich Pacht; Landwirtschaftssache; Rückgabe gepachteten auf dem ostdeutschen Hof aufhielt. Ohne ein derartiges über das Weinbergs nach Rodung der Weinstöcke Geschäftliche hinausgehendes Engagement vor Ort hat ein Er- werber keinen für die Zwecke des ¤ 3 AusglLeistG ausreichen- Die Rückgabe eines gepachteten Weinbergs im Zustand den Schwerpunkt seiner Lebensbeziehungen vor Ort. einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung kann nach einer 15 cc) Ein solches Engagement hat der Beklagte nicht sub- Rodung der Rebstöcke die Wiederbepflanzung mit Reb- stantiiert vorgetragen. stöcken erfordern.

16 (1) Das war allerdings zunächst auch nicht seine, sondern (nichtamtlicher Leitsatz) Aufgabe der Klägerin. Sie stützt ihre Ansprüche auf den von (BGH, Versäumnisurteil vom 24. 4. 2009 Ð LwZR 3/08) ihr erklärten Rücktritt und hat deshalb darzulegen und zu be- weisen, dass der Grund für den Rücktritt eingetreten ist und der 1 Zum Sachverhalt: Der Kläger ist Eigentümer eines 18.338 Beklagte seinen Wohnsitz nicht innerhalb der in der Rück- qm gro§en Weinbergs. Seine Rechtsvorgänger verpachteten mit trittsklausel vorgesehenen Zwei-Jahres-Frist nach K. verlegt hat. Vertrag vom 17. Dezember 1973 eine als ãWeinbergsgelände“ Zu berücksichtigen ist indessen, dass die Klägerin außerhalb bezeichnete unbestockte Teilfäche von 5000 qm an den Rechts- dieses für ihr Rücktrittsrecht ausschlaggebenden Geschehens vorgänger der Beklagten. Dieser bepflanzte die Fläche im Jahr steht und die für die Beurteilung der Frage, wo der Beklagte sei- 1975 mit Reben. Das Pachtverhältnis endete am 30. November nen Lebensmittelpunkt hat, relevante Umstände nicht kennt. 1996. Der Rechtsvorgänger der Beklagten gab die Fläche an 17 (2) Bei einem derartigen Informationsdefizit des Gläubi- diesem Tag zurück, nachdem er zuvor die Rebstöcke gerodet gers kann der Schuldner nach den in der Rechtsprechung des hatte. Wiederbepflanzungsrechte wurden ihm auf seinen Antrag Bundesgerichtshofs entwickelten Grundsätzen der sekundären zugebucht; er hat sie weder verbraucht noch mobilisiert.

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2 Mit der Behauptung, die Fläche sei 1996 noch ertragsfähig ¤¤ 6, 29 BJagdG; ¤ 9 NdsJagdG und nicht abgängig gewesen, hat der Kläger Schadensersatz in € Jagdrecht; Jagdpacht; Jagdbezirk; Höhe von 42.743,69 nebst Zinsen, hilfsweise die Verurtei- Ersatzanspruch für Wildschäden; Wildschweine; lung des Rechtsvorgängers der Beklagten zur Übertragung der € Hausgrundstück im befriedeten Bezirk; Wiederbepflanzungsrechte, sowie je 19.096,44 nebst Zinsen Föderalismusreform als entgangenen Gewinn für die Jahre 1998 bis 2003, die Fest- stellung der Verpflichtung des Rechtsvorgängers der Beklagten a) ¤ 29 BJagdG gewährt keinen Ersatzanspruch für Wild- zur Zahlung weiteren Schadensersatzes und schlie§lich dessen schäden, die auf solchen Grundflächen entstehen, die in ei- Verurteilung zur Vorlage der Erntemeldungen für die Jahre 1994 nem so genannten befriedeten Bezirk (hier gemäß § 9 Abs.1 bis 1996 verlangt. Das Amtsgericht Alzey - Landwirtschafts- Nr.2 und 6 NdsJagdG) liegen und auf denen gemäß § 6 gericht - hat den Rechtsvorgänger der Beklagten lediglich zur BJagdG die Jagd ruht. Übertragung der Wiederbepflanzungsrechte auf den Kläger ver- urteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Berufung b) Dies gilt auch dann, wenn das einschlägige Landes- des Klägers ist erfolglos geblieben. jagdgesetz, wie in Niedersachsen - im Unterschied zu den meisten anderen Bundesländern -, keine ausdrückliche Re- 3 Mit der von dem Senat zugelassenen Revision erstrebt der gelung enthält, dass Wildschäden auf solchen Grundstücken Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von je nicht zu erstatten sind. 19.096,44 € nebst Zinsen für die Jahre 1998 bis 2003 sowie die (BGH, Urteil vom 4. 3. 2010 Ð III ZR 233/09) Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz wei- teren Schadens. 1 Zum Sachverhalt: Der Kläger ist in der niedersächsischen Ortschaft B. Eigentümer eines Grundstücks, das nach seiner Darstellung Teil eines gemeinschaftlichen Jagdbezirks im Sin- 4 Aus den Gründen: I. Nach Ansicht des Berufungsgerichts [OLG Koblenz] entsprach die Bepflanzung mit Rebstöcken der ne des ¤ 8 Abs.1 des Bundesjagdgesetzes (BJagdG) ist. Die Be- ordnungsgemäßen Bewirtschaftung der Pachtfläche. Nach der klagte ist Jagdpächterin in diesem Bezirk; in dem mit der Jagd- Beendigung des Pachtverhältnisses sei der Rechtsvorgänger der genossenschaft geschlossenen Pachtvertrag übernahm sie die Beklagten zur Rückgabe der Fläche in dem Zustand verpflich- Verpflichtung, Wildschaden zu ersetzen. tet gewesen, der einer bis dahin fortgesetzten ordnungsgemäßen 2 Am 19. Oktober 2007 lief eine Rotte Wildschweine durch Bewirtschaftung entsprochen habe. Diese Pflicht habe der B. und verursachte an dem das Grundstück des Klägers umge- Rechtsvorgänger der Beklagten nicht verletzt. Denn nach dem benden Zaun einen Schaden, der nach den Feststellungen eines € Ergebnis der vor dem Landwirtschaftsgericht und dem Beru- Wildschadenschätzers etwa 1200 betrug. Einen Ausgleich fungsgericht durchgeführten Beweisaufnahme stehe fest, dass dieses von ihm bei der Samtgemeinde S. am 23. Oktober 2007 die Rebanlage im Jahr 1996 abgängig gewesen sei und somit angemeldeten Schadens lehnte diese mit Bescheid vom 27. No- die Rodung der Rebstöcke ordnungsgemäßer Bewirtschaftung vember 2007 ab. entsprochen habe. Sie stelle deshalb auch keine zum Scha- 3 Der Kläger verlangt von der Beklagten Zahlung von 1200 € densersatz verpflichtende Handlung dar. nebst Zinsen sowie 78,90 € au§ergerichtliche Anwaltskosten. Das Amtsgericht Bremervörde hat seine Klage abgewiesen; auf 5 Das hält der rechtlichen Nachprüfung in dem angefochte- seine Berufung hat das Landgericht Stade die Beklagte an- nen Umfang nicht stand. tragsgemäß verurteilt. Mit ihrer vom Berufungsgericht zuge- lassenen Revision begehrt sie weiterhin die Abweisung der Klage. 13 […] II. 3. Für die neue Verhandlung und Entscheidung weist der Senat auf Folgendes hin: 4 Aus den Gründen: I. Das Berufungsgericht hat die Voraus- setzungen eines Wildschadensersatzanspruchs nach ¤ 29 Abs.1 14 a) Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass Satz1, 3 BJagdG als erfüllt angesehen, eine Haftung unter dem der Pächter seiner Pflicht, die Pachtsache nach Beendigung des Gesichtspunkt einer unerlaubten Handlung dagegen mangels Pachtverhältnisses in dem Zustand zurückzugeben, der einer bis Verschuldens verneint. Es hat seiner Beurteilung zugrunde ge- zur Rückgabe fortgesetzten ordnungsmäßigen Bewirtschaftung legt, dass das Grundstück des Klägers Teil eines gemeinschaft- entspricht (¤ 596 Abs.1 BGB), dann genügt, wenn sich die lichen Jagdbezirks im Sinne des ¤ 8 Abs.1 BJagdG sei. Dies Pachtsache dabei in einem nach landwirtschaftlich fachlichen habe das Amtsgericht als unstreitig festgestellt; die Beklagte ha- Kriterien ordnungsmäßigen Zustand befindet, selbst wenn die- be sich dagegen nicht rechtzeitig gewandt. Darüber hinaus kön- ser Zustand weniger gut ist als bei Vertragsbeginn (Hötzel in ne sie dem Anspruch des Klägers nicht mit Erfolg entgegen Faßbender/Hötzel/Lukanow, Landpachtrecht, 3. Aufl., ¤ 596 halten, dass sich sein Grundstück in einem befriedeten Bezirk BGB Rdn. 4). Ebenfalls zutreffend hat es bei einem Versto§ ge- befinde und dort die Jagd gemäß § 6 Satz1 BJagdG ruhe. Ein gen diese Pflicht eine Schadensersatzpflicht des Pächters we- Ersatzanspruch auch für Wildschäden auf befriedeten Grund- gen positiver Vertragsverletzung (nunmehr ¤ 280 Abs.1 BGB) stücken sei weder in ¤ 29 BJagdG noch - anders als in zahlrei- angenommen, wenn der Pächter die Schlechterfüllung zu ver- chen anderen Bundesländern - durch niedersächsisches Lan- treten hat (Staudinger/von Jeinsen, BGB ‹2005›, ¤ 596 Rdn. desrecht ausdrücklich ausgeschlossen worden; daraus folge im 28; Faßbender/Hötzel/Lukanow, aaO, Rdn. 31; Lange/Wulff/ Umkehrschluss eine entsprechende Schadensersatzverpflich- Lüdtke-Handjery, Landpachtrecht, 4. Aufl., ¤ 596 Rdn. 20). tung der Jagdgenossenschaft beziehungsweise des Jagdpächt- ers. Mit der Zuerkennung eines derartigen Anspruchs werde zu- 15 b) Allerdings hat es das Berufungsgericht jedoch bei der gleich ein Ausgleich dafür geschaffen, dass die Fläche des be- Feststellung bewenden lassen, dass die Rodung der Rebstöcke friedeten Bezirks, auch wenn dort nicht gejagt werden dürfe, je- durch den Beklagten der ordnungsmäßigen Bewirtschaftung der denfalls zum Wert des gemeinschaftlichen Jagdbezirks beitrage. Pachtfläche entsprochen habe. Damit steht jedoch noch nicht fest, ob auch die Rückgabe der gerodeten Fläche den Anforde- 5 II. Diese Beurteilung hält einer rechtlichen Überprüfung rungen des ¤ 596 Abs.1 BGB genügte. Möglich ist, dass die bis nicht stand. zur Rückgabe fortgesetzte ordnungsmäßige Bewirtschaftung 6 Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Voraussetzungen nach der Rodung die Wiederbepflanzung mit Rebstöcken er- für einen Wildschadensersatzanspruch nach ¤ 29 Abs.1 Satz1, forderte. Ob dieser von dem Kläger in der Revisionsinstanz auf- 3 BJagdG vorliegen, insbesondere das Grundstück des Klägers gezeigte Gesichtspunkt bei der neuen Verhandlung und Ent- Teil eines gemeinschaftlichen Jagdbezirks im Sinne des ¤ 8 scheidung zu berücksichtigen ist, und wenn ja, mit welchem Er- Abs.1 BJagdG ist. Auch bei Zugrundelegung dieses - erst in gebnis, muss das Berufungsgericht klären. zweiter Instanz von der Beklagten bestrittenen - Umstands kann der Kläger sein Zahlungsbegehren nicht auf ¤ 29 BJagdG stüt- Mitgeteilt von RiBGH Wellner, Karlsruhe zen. Sein Hausgrundstück mit Garten unterfällt der Vorschrift

Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 111 Gewerbemiete

des ¤ 9 Abs.1 Nr. 2 und 6 des Niedersächsischen Jagdgesetzes 13 Eine solche Konstellation besteht aber für befriedete Be- (NdsJagdG) und stellt damit einen befriedeten Bezirk dar, in zirke gerade nicht. Nach ¤ 6 Satz1 BJagdG ruht dort die Jagd; dem nach ¤ 6 BJagdG die Jagd ruht und damit nicht ausgeübt es besteht im Allgemeinen nur die Möglichkeit, das Wild von werden darf. Wildschäden, die in solchen Bezirken entstehen, dem Grundstück abzuhalten oder es zu verscheuchen (vgl. ¤ 26 unterfallen aber nicht dem Anwendungsbereich des ¤ 29 Abs.1 BJagdG), wobei zu solchen Ma§nahmen faktisch nur die je- BJagdG. weiligen Eigentümer und Besitzer der betroffenen Grundstücke 7 1. Nach dem Wortlaut des ¤ 29 Abs.1 Satz1 BJagdG ist in der Lage sind. Darüber hinaus ist diesem Personenkreis - so- Vo raussetzung für einen Wildschadensersatzanspruch lediglich, gar ohne Jagdschein - aufgrund landesrechtlicher Vorschriften dass ein zu einem gemeinschaftlichen Jagdbezirk gehörendes eine (etwa auf bestimmte Tierarten wie Fuchs, Marder oder oder einem gemeinschaftlichen Jagdbezirk angegliedertes Wildkaninchen, vgl. nur ¤ 9 Abs. 5 NdsJagdG) beschränkte Grundstück durch Schalenwild, Wildkaninchen oder Fasane be- Jagdausübung gestattet (vgl. ¤ 6 Satz 2 BJagdG). schädigt wird; dagegen ist die Ersatzfähigkeit von Wildschä- 14 b) Des Weiteren ist Folge der Befriedung, dass der Ei- den in befriedeten Bezirken nicht ausdrücklich ausgeschlos- gentümer derartiger Grundstücke gemäß § 9 Abs.1 Satz 2 sen. BJagdG der Jagdgenossenschaft nicht angehört. Er nimmt des- 8 In Anlehnung an diesen Wortlaut wird von Teilen der Li- halb einerseits an der Verteilung des Reinertrags aus der Jagd- teratur die Auffassung vertreten, dass zumindest in den Ländern nutzung nicht teil, weil diese gemäß §10 Abs. 3 BJagdG auf den (wie Niedersachsen), in denen der Ersatz von Wildschäden in Kreis der Jagdgenossen beschränkt ist; andererseits ist er aber befriedeten Bezirken nicht durch das jeweilige Landesrecht aus- auch nicht verpflichtet, zu dem aus der Genossenschaftskasse geschlossen ist, derartige Schäden zu ersetzen sind (vgl. Hei- geleisteten Wildschadensersatz beizutragen (vgl. zu den Vor- nichen, Das Jagdrecht in Niedersachsen, 2. Aufl. 1981, ¤ 29 und Nachteilen der Befriedung auch VGH Mannheim, NuR BJagdG, Erl. III, 1; Rose, Jagdrecht in Niedersachsen, 30. Aufl. 1993, 133 f sowie die dazu ergangene Revisionsentscheidung 2008, ¤ 6 BJagdG Erl. 4 und ¤ 29 BJagdG Erl. 2, sowie ders., BVerwG, JE II Nr.125 S. 23 f). Jagdrecht in Nordrhein-Westfalen, 2004, ¤ 29 BJagdG/¤ 32 15 c) Ausgehend von dieser Sach- und Interessenlage ist kein LJagdG, Erl. 2; Mitzschke/Schäfer, Kommentar zum Bundes- Grund dafür ersichtlich, bei der Zuerkennung von Wildscha- jagdgesetz, 4. Aufl. 1982, ¤ 29 Rn. 23, 24, anders noch die Vor- densersatzansprüchen zwischen Grundstücken, die zu keinem aufl. Anm. 13; wohl auch Schulz, Das Jagdrecht in Mecklen- Jagdbezirk gehören und deren Eigentümer keine Ansprüche aus burg-Vorpommern ‹Stand 2005› § 6 BJagdG Erl. 3, der den Aus- ¤ 29 BJagdG herleiten können, und Grundstücken, die zwar ei- schluss der Ersatzpflicht durch das Landesjagdgesetz als ãEr- nem Jagdbezirk angehören, jedoch in einem befriedeten Bezirk weiterung“ ansieht; Belgard, Wildschadensersatz in befriede- liegen, zu differenzieren. In beiden Fällen ruht die Jagd (§ 6 ten Bezirken, RdL 1974, 225 f; unklar Rühling/Selle, Das Bun- BJagdG) und eine Jagdausübung kommt nicht in Betracht; zu- desjagdgesetz 1953, bejahend ¤ 6 Anm. 3, verneinend ¤ 29 Anm. dem sind die Eigentümer derartiger Flächen nicht Mitglieder 2). der Jagdgenossenschaft (¤ 9 Abs.1 BJagdG) mit den sich da- 9 Nach der Gegenmeinung sind Wildschäden, die auf Grund- raus gleicherma§en ergebenden Folgen. flächen entstehen, die in einem befriedeten Bezirk liegen, nach 16 Alle dagegen vorgebrachten Argumente sind nicht stich- ¤ 29 Abs.1 BJagdG nicht zu ersetzen (vgl. AG Mülheim, JE IX haltig. Nr. 77, S. 28; Schuck/Stamp, aaO, ¤ 29 Rn. 9; Leonhardt, Jagd- 17 aa) Entgegen Mitzschke/Schäfer (aaO, ¤ 29 BJG Rn. 24) recht, ‹Stand 2009› § 29 BJagdG Erl. 2; Schandau, Das Jagd- kann keine Rede davon sein, dass der Eigentümer des in einem recht in Nordrhein-Westfalen, 5. Aufl. ‹Stand 4. 2001›) § 29 befriedeten Bezirk gelegenen Grundstücks gegenüber den zu BJG, ¤ 32 LJG, Erl. III; Staudinger/Belling, aaO, ¤ 835 Rn. 6; den Jagdgenossen gehörenden Eigentümern in einem Ausma§ Kümmerle/Nagel, Jagdrecht in Baden-Württemberg, 9. Aufl. schlechter gestellt ist, dass der Ausschluss eines Wildscha- 2003, Erl. zu ¤¤ 29, 30 BJagdG, S.179; Metzger, in: Lorz/Metz- densersatzanspruchs nicht zu rechtfertigen sei. Wie ausgeführt ger/Stöckel, Jagdrecht Fischereirecht, 3. Aufl. 1998, ¤ 6 BJagdG ist der Eigentümer von Grundstücken in befriedeten Bezirken Rn. 2; Drees, aaO, S.11 f). im Allgemeinen - in je nach Landesrecht unterschiedlichem Um- 10 Der Senat schlie§t sich der letzteren Auffassung an. fang - gegenüber einem Eigentümer, dessen Grundstück außer- 11 2. Gegen das Normverständnis des Berufungsgerichts und halb eines befriedeten Bezirks liegt, im Hinblick auf die Beja- der erstgenannten Literaturmeinung sprechen ma§geblich die gung von Wild sogar besser gestellt (vgl. Drees, aaO, S.11; für die Normierung einer verschuldensunabhängigen Wild- Schuck/Stamp, aaO, ¤ 29 Rn. 9). schadenshaftung nach ¤ 29 Abs.1 BJagdG ma§geblichen Ge- 18 bb) Bei der Gewichtung der Vor- und Nachteile für die sichtspunkte und deren Zweckrichtung sowie der erkennbar da- betroffenen Grundstückseigentümer einerseits sowie der Jagd- rauf beruhende gesetzgeberische Wille. genossen und Jagdpächter andererseits ist des Weiteren nicht 12 a) Der Anordnung der Wildschadenshaftung in dieser Be- einzusehen, warum die Zugehörigkeit des befriedeten Bezirks stimmung liegt die Erwägung zugrunde, dass der Grundei- zum gemeinschaftlichen Jagdbezirk den Wert des Bezirks und gentümer aufgrund des gesetzlich begründeten Wegfalls seiner damit den Wert der Jagdpacht positiv beeinflussen soll (so aber Jagdbefugnis zugunsten des Jagdausübungsberechtigten be- Rose, Jagdrecht in Niedersachsen, aaO, ¤ 6 BJagdG Erl. 4). Da stimmte Beeinträchtigungen durch Wild nicht durch Jagd ab- auf diesen Grundflächen die Jagd ruht, sind sie für den Jagd- wehren kann und darf und dadurch entstehende Beschädigun- ausübungsberechtigten und die Jagdgenossenschaft regelmäßig gen hinnehmen muss. Auf den Wildbestand kann er keinen Ein- ebenso ohne Interesse wie die au§erhalb des Jagdbezirks lie- fluss nehmen. Dagegen ist es dem Jagdausübungsberechtigten genden Grundflächen. Der Sonderfall, dass nur wegen des Ein- eher möglich, durch geeignete Ma§nahmen wie Bejagung und schlusses der befriedeten Bezirke ein der gesetzlichen Min- Fütterung Wildschäden zu vermeiden. Die Wildschadenshaf- destgröße entsprechender Jagdbezirk gebildet werden kann, ist tung soll somit einen Ausgleich dafür darstellen, dass dem Grun- bei der gebotenen typisierenden Betrachtung der unterschied- deigentümer ausreichende Abwehrmöglichkeiten gegen das lichen Interessen zu vernachlässigen. Schaden verursachende Wild versagt sind (vgl. Staudinger/Bel- 19 cc) Das Argument, dass die Möglichkeit einer beschränk- ling, BGB, Neubearbeitung 2008, ¤ 835, Rn. 3 m.w.N.; Drees, ten Jagdausübung nichts daran ändere, dass der Grundstücks- Wild- und Jagdschaden, 7. Aufl. 1993, S.11; Mitzschke/Schä- eigentümer, soweit die Wildschadensgefährdung von dem Wild- fer, aaO, ¤ 29 Rn. 6; Rühling/Selle, aaO, ¤ 29 Anm. 2). Diese bestand des angrenzenden Jagdreviers ausgeht, diesen Wildbe- Haftungszurechnung kommt dem bürgerlich-rechtlichen Auf- stand nicht regulieren könne (Mitzschke/Schäfer, aaO), ist zwar opferungsgedanken zumindest sehr nahe (vgl. Schuck/Stamp, richtig. Diese Regulierungsmöglichkeit fehlt aber gleicher- Bundesjagdgesetz, 2010, ¤ 29, Rn. 5; Belling, aaO.; Münch- maßen auch den Eigentümern, deren Grundstücke nicht zu dem KommBGB/Wagner, 5. Aufl. 2009, ¤ 835, Rn.10; Erman/Schie- betreffenden Jagdbezirk gehören. Im Übrigen ist zu berück- mann, BGB, 12. Aufl. 2008, ¤ 835, Rn. 2). sichtigen, dass Eigentümer von in befriedeten Bezirken liegen-

112 Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 Gewerbemiete den Grundstücken (wie Friedhöfen, Hausgärten etc. in oder am spricht Vieles dafür, das materielle Recht über die Verpflichtung Rande geschlossener Ortschaften) regelmäßig die entsprechen- des Jagdpächters gegenüber geschädigten Grundstücksei- den Flächen durch Einzäunung, Ummauerung etc. effektiver gentümern oder -pächtern zum Ersatz des Wild- und Jagdscha- und mit weniger Aufwand schützen können als die Eigentümer dens als Teil des bürgerlichen Rechts anzusehen und damit in- von Grundflächen im Au§enbereich. soweit eine ãVollkompetenz“ des Bundes zu bejahen, zumal bis 20 3. Die Richtigkeit dieses Verständnisses des Haftungs- zum Erlass des Reichsjagdgesetzes der Wildschadensersatz un- umfangs in ¤ 29 Abs.1 BJagdG wird weder durch die Entwick- mittelbar im Bürgerlichen Gesetzbuch (¤ 835 BGB) geregelt lung von Reichs-, Bundes- oder Landesgesetzgebung auf dem war (vgl. Staudinger/Belling, aaO, ¤ 835 Rn.1, Belgard aaO Gebiet des Jagdwesens noch durch den Umstand, dass im Nie- S. 226). Allerdings gab es in der Literatur Tendenzen, den Be- dersächsischen Jagdgesetz die Haftung für Wildschäden in be- griff des Jagdwesens in dem Sinne weit zu verstehen, dass die- friedeten Grundstücken nicht ausdrücklich ausgeschlossen wor- ser Kompetenztitel alle Fragen erfasse, die traditionell im Zu- den ist, in Frage gestellt. sammenhang mit der Jagd stehen, und insoweit Art. 74 GG, so- weit dieser - wie hier: bürgerlich-rechtliche - Aspekte des Jagd- 21 a) Unter der Geltung des Reichsjagdgesetzes (RJagdG) wesens betrifft, restriktiv auszulegen sei (so insbesondere vom 3. Juli 1934 (RGBl. I S. 549) war der Schaden an Grund- Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, ‹Stand: Mai 1986› Art. 75 stücken, auf denen die Jagd ruhte oder nicht ausgeübt werden Rn.120). durfte, nicht zu erstatten und die Eigentümer dieser Grundstücke waren auch nicht zur Tragung des Wildschadens auf anderen 25 Ob sich die Kompetenz des Bundes zum Erlass von ¤ 29 Grundstücken heranzuziehen. Diese Rechtsfolge ergab sich al- BJagdG aus Art. 74 Nr.1 GG a.F. oder aus Art. 75 Nr. 3 GG a.F. lerdings nicht unmittelbar aus der den Wildschadensersatz re- ergab, kann indes dahinstehen. Denn in der Rechtsprechung des gelnden Gesetzesbestimmung (¤ 44 RJagdG) selbst, sondern aus Bundesverfassungsgerichts war anerkannt, dass auch im Be- ¤ 44 Abs.1 der Verordnung zur Ausführung des Reichsjagdge- reich der Rahmengesetzgebung der Bund ungeachtet des Um- setzes vom 27. März 1935 (RGBl. I S. 431). Da in befriedeten stands, dass das Gesetzeswerk als Ganzes gesehen der Ausfül- Bezirken gemäß § 7 RJagdG die Jagd ruhte, wurde somit der lung durch Landesgesetze fähig und ihrer bedürftig sein muss- dort entstehende Wildschaden nicht ersetzt. Das Bundesjagd- te, unmittelbar geltende Rechtssätze sowie partielle Vollrege- gesetz vom 29. November 1952 (BGBl. I S. 780) hat die Wild- lungen schaffen konnte (vgl. nur BVerfGE 43,291, 343 m.w.N.). schadensersatzpflicht in dem bis heute nicht geänderten § 29 26 bb) Da vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung des normiert, die Regelung aus ¤ 44 Abs.1 der Ausführungsverord- Bundesverfassungsgerichts der Bund seine Rahmengesetzge- nung allerdings nicht übernommen. Für befriedete Bezirke be- bungskompetenz häufig sehr intensiv wahrgenommen hatte, stimmt ¤ 6 BJagdG lediglich, dass die Jagd dort ruht. Aus- stärkte der Verfassungsgesetzgeber durch das Gesetz vom 27. führungen zu der Frage, ob sich die Schadensersatzverpflich- Oktober 1994 (BGBl. I S. 3146) die Normsetzungsbefugnisse tung auf Grundstücke in befriedeten Bezirken erstrecken soll, der Länder durch Einfügung eines neuen Absatzes 2 in Art. 75 sind auch der (insgesamt sehr knapp gehaltenen) Begründung GG, wonach Rahmenvorschriften des Bundes nur noch in Aus- des Regierungsentwurfs nicht zu entnehmen. Dafür, dass der nahmefällen in Einzelheiten gehende oder unmittelbar gelten- Bundesgesetzgeber die Haftungsfrage anders als der Reichsge- de Regelungen enthalten durften (vgl. BTDrucks. 12/6633 S. 9). setzgeber entscheiden wollte, fehlt jedoch jeder Anhalt. Aber 27 Der Frage, ob es auch nach dieser Grundgesetzänderung auch ein Wille des Gesetzgebers, bei diesen Grundflächen die noch möglich gewesen wäre, ¤ 29 BJagdG mit gleichem Inhalt Haftungsfrage bewusst offen zu lassen und einer Regelung des (als Rahmenvorschrift) neu zu schaffen, kann indes dahinste- Landesgesetzgebers zu überantworten, lässt sich nicht erken- hen, da nach der durch das Gesetz vom 27. Oktober 1994 in das nen. Dagegen spricht entscheidend, dass der Gesetzgeber die Grundgesetz eingefügten Übergangsbestimmung des Art. 125a nach 1945 in den verschiedenen Ländern entstandene „Rechts- Abs.1 GG auch solches als Bundesrecht erlassenes Recht als verworrenheit“ beseitigen und eine Rechtsvereinheitlichung Bundesrecht fort galt, das infolge der Änderung des Art. 75 GG herbeiführen wollte (BT-Drucks. 1/1813 S.19). nicht mehr als Bundesrecht hätte erlassen werden können. 22 b) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts recht- 28 cc) Einer Auslegung der ¤¤ 29 ff BJagdG dahin, dass sie fertigt der Umstand, dass im niedersächsischen Landesrecht im den Bereich des Wildschadensersatzes mit den in ¤ 29 Abs. 5 Unterschied zu vielen anderen Bundesländern eine Wildscha- BJagdG enthaltenen Ausnahmen vollständig und abschließend densersatzverpflichtung für befriedete Bezirke nicht ausdrück- regeln, steht erst recht nicht der Umstand entgegen, dass durch lich ausgeschlossen ist, nicht den Umkehrschluss, in Nieder- Gesetz vom 28. August 2006 (BGBl. I S. 2034), der so genannten sachsen bestehe eine derartige Schadensersatzpflicht. Dieser Föderalismusreform, die Rahmenkompetenz des Bundes ganz Umkehrschluss könnte nur gezogen werden, wenn ¤ 29 BJagdG abgeschafft und das Jagdwesen der konkurrierenden Gesetzge- insoweit eine durch Landesrecht zu schlie§ende Regelungslücke bung unterstellt wurde (Art. 74 Abs.1 Nr. 28 GG n.F.). Insoweit enthielte. Das ist jedoch nicht der Fall. besteht für den Bereich des Jagdwesens lediglich die Beson- 23 aa) Inhalt und Reichweite der jagdrechtlichen Wildscha- derheit, dass die Länder von Bundesrecht abweichende Rege- densersatzpflicht sind in ¤¤ 29 ff BJagdG im Wesentlichen voll- lungen erlassen können, wenn der Bund von seiner Gesetzge- ständig und abschließend geregelt (so auch BGH, Urteil vom 8. bungszuständigkeit Gebrauch gemacht hat (Art. 72 Abs. 3 Satz1 Mai 1957 - V ZR 150/55 - RdL 1957, 191, 192). Der den Län- Nr.1 n.F.). dern insoweit eröffnete Regelungsspielraum ist durch ¤ 29 29 b) Die in Einklang mit den Gesetzgebungskompetenz- Abs. 5 BJagdG dahin eingegrenzt worden, dass die Länder (nur) vorschriften des Grundgesetzes stehende Auslegung des ¤ 29 bestimmen können, dass die Wildschadensersatzpflicht auch auf BJagdG wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass, wie anderes Wild ausgedehnt und eine Wildschadensausgleichskasse das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, die gro§e Mehr- geschaffen wird. Darüber hinaus können die Länder neben der zahl der Bundesländer (Bayern, Art. 45 Satz1 BayJG; Berlin, Einführung eines behördlichen Vorverfahrens (¤ 35 BJagdG) ¤ 37 Abs.1 Satz1 LJagdG Bln; Brandenburg ¤ 44 Abs.1 Satz1 Sonderregelungen zu der Frage erlassen, inwieweit in be- BbgJagdG; Hamburg, ¤ 24 Abs.1 Satz1 JagdG; Hessen ¤ 33 stimmten Kulturen der Ersatz von Wildschäden vom Vorhan- Satz1 HJagdG, Mecklenburg- Vorpommern, ¤ 28 Abs. 2 Satz1 densein bestimmter Schutzvorrichtungen abhängig ist (§ 32 LJagdG M-V; Rheinland-Pfalz ¤ 32 Satz1 LJG; Saarland ¤ 41 Abs. 2 BJagdG). Abs.1 Satz1 SJG; Sachsen, ¤ 47 Satz1 SächsLJagdG; Schles- 24 Diese Regelung stand bei ihrem Erlass in Einklang mit wig-Holstein ¤ 30 Abs. 2 Satz1 LJagdG und Thüringen, ¤ 45 den Gesetzgebungskompetenzvorschriften des Grundgesetzes. Abs.1 Satz1 ThJG) in ihren Landesjagdgesetzen ausdrücklich Nach Art. 75 Nr. 3 GG a.F. konnte der Bund Rahmenvorschrif- geregelt hat, dass generell Wildschäden an Grundstücken, auf ten für das Jagdwesen erlassen. Nach Art. 74 Nr.1 GG a.F. (jetzt: denen die Jagd ruht oder nicht ausgeübt werden darf, nicht er- Abs.1 Nr.1) erstreckt sich die konkurrierende Gesetzgebung stattet werden. Die Materialien dieser Gesetze, die alle vor dem des Bundes (unter anderem) auf das bürgerliche Recht. Es Inkrafttreten der Grundgesetzänderung durch das Gesetz vom

Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 113 Gewerbemiete

28. August 2006 ergangen sind, gehen nicht näher darauf ein, 2 1. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts [LG Mün- wie sich diese landesrechtlichen Regelungen zu ¤ 29 BJagdG chenI] sind die Voraussetzungen des ¤543 Abs. 2 ZPO nicht verhalten. Insbesondere wurde nicht der Frage nachgegangen, erfüllt. […] ob ¤ 29 Abs.1 BJagdG, bezogen auf den Kreis der von der Wild- 6 2. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg. schadensregelung erfassten Grundstücke, eine bewusst unvoll- ständige, einer näheren Modifizierung durch Landesrecht zu- 7 Das Berufungsgericht hat der Klägerin zu Recht einen An- gängliche Regelung enthielt. Diese Zurückhaltung lässt sich na- spruch gegen die Beklagte auf Auskunft bezüglich der Namen heliegenderweise dadurch erklären, dass diese landesrechtli- und Anschriften ihrer Mitgesellschafter aus ¤ 716 Abs.1 BGB chen Regelungen nur das wiedergeben wollen, was ohnehin dem zugesprochen. tradierten Verständnis (schon) des Reichsjagdgesetzes entsprach 8 a) ¤ 716 BGB gewährt dem einzelnen Gesellschafter das (so ganz besonders deutlich die Begründung zu § 29 des rhein- Recht, sich durch Einsicht in die Bücher und Papiere der Ge- landpfälzischen Landesgesetzes zur Ausführung des Bundes- sellschaft „über deren Angelegenheiten“ zu unterrichten. Bei jagdgesetzes vom 16. November 1954, LT-Drucks. II/894, den Namen und Anschriften der Gesellschafter handelt es sich S. 2996, die auf die Ausführungsverordnung zum Reichsjagd- um eine ãAngelegenheit“ der BGB-Gesellschaft. gesetz Bezug nimmt). Mit den entsprechenden Landesgesetzen sollte also lediglich das zum Ausdruck gebracht werden, was in 9 b) Sind - wie hier - die erforderlichen Informationen in ei- ¤ 29 Abs.1 BJagdG ohnehin angelegt ist, sodass ein wirklicher ner Datenverarbeitungsanlage gespeichert, kann der Gesell- Widerspruch zwischen Bundes- und Landesrecht nicht zu be- schafter zum Zwecke der Unterrichtung einen Ausdruck über fürchten war (vgl. auch die Begründung zu § 24 Abs.1 des Ham- die geforderten Informationen verlangen (MünchKommBGB/ burgischen Jagdgesetzes ‹in der Fassung des Änderungsgeset- Ulmer/Schäfer 5. Aufl. ¤ 716 Rdn. 8). zes vom 27. August 1997›, wo von dem klarstellenden Charakter 10 c) ¤ 28 Abs. 2 Satz 2 des Gesellschaftsvertrages steht dem der Vorschrift die Rede ist, Drucks. 15/7296 S. 6). Auskunftsrecht nicht entgegen. Diese Regelung ist unwirksam. 30 c) Ob nach Inkrafttreten des Änderungsgesetzes vom 28. Sie hält der - auf den Gesellschaftsvertrag einer Publikumsge- August 2006 wegen Art. 72 Abs. 3 Satz1 Nr.1 GG n.F. von den sellschaft anwendbaren (siehe bereits BGHZ 64, 238, 241 f.) - Regelungen der ¤¤ 29 ff BJagdG abweichendes Landesrecht ge- Inhaltskontrolle gemäß § 242 BGB nicht stand. - Auch - bei ei- schaffen werden könnte, oder ob es insoweit wegen der bür- ner Publikumsgesellschaft in Form einer BGB-Gesellschaft han- gerlich-rechtlichen Natur des Wildschadensersatzanspruchs delt es sich um ein ãSchuldverhältnis“, d.h. die jeweiligen Ge- (vgl. Art. 74 Abs.1 Nr.1 GG) mit der bundesrechtlichen Rege- sellschafter schlie§en untereinander einen Vertrag, mit dem sie lung sein Bewenden haben muss, kann offen bleiben. Derarti- sich zur Verwirklichung und Förderung eines gemeinsamen ges Landesrecht ist, jedenfalls was die hier zu entscheidende Zwecks zusammenschlie§en (¤ 705 BGB). Das Recht, seinen Frage angeht, nicht geschaffen worden, insbesondere auch nicht Vertragspartner zu kennen, ist in jedem Vertragsverhältnis der- in Niedersachsen. art selbstverständlich, dass es nicht wirksam ausgeschlossen werden kann. 31 4. Danach konnte das Berufungsurteil keinen Bestand ha- ben. Da die Vorinstanzen, ohne dass dies einen Rechtsfehler er- 11 Hier kommt hinzu, dass ¤ 28 Abs. 2 Satz 2 des Gesell- kennen lie§e, einen Schadenersatzanspruch wegen unerlaubter schaftsvertrages u. a. ein wesentliches Gesellschafterrecht, näm- Handlung verneint haben und der Revisionsbeklagte dem auch lich dasjenige, eine au§erordentliche Gesellschafterversamm- nicht entgegengetreten ist, konnte der Senat in der Sache ent- lung einzuberufen, faktisch beseitigt. Die 5%, die gemäß §13 scheiden und die Berufung des Klägers zurückweisen. Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages für eine solche Einberufung erforderlich sind, kann ein Gesellschafter - soweit er nicht aus- Mitgeteilt von RiBGH Wellner, Karlsruhe nahmsweise schon allein diese Schwelle mit seiner Beteiligung überschreitet - nur erlangen, wenn er sich mit anderen Mitge- Hinw. d. Red.: Zum Wildschaden bei Wildkaninchenverbiss sellschaftern zusammenschlie§t, was zwingend voraussetzt, im Spargel-Anbaugebiet vgl. BGH GuT 2009, 404. dass er deren Namen und Anschriften kennt. 12 Da die Vorschrift des ¤28 schon der Inhaltskontrolle des ¤ 716 BGB ¤ 242 BGB nicht standhält, braucht nicht entschieden zu wer- BGB-Gesellschaft; den, ob nicht auch ¤ 716 Abs. 2 BGB dem gesellschaftsver- Informationsrechte gegenüber Mitgesellschaftern; traglichen Ausschluss des Auskunftsrechts entgegensteht. Datenschutz; Anonymität; Publikumsgesellschaft 13 d) Zu Recht hat das Berufungsgericht den Mitgesell- schaftern auch jegliches berechtigte ãGeheimhaltungsinteres- a) Bei den Namen und Anschriften der Gesellschafter ei- se“ abgesprochen, auf das sich die Beklagte als angebliche Sach- ner BGB-Gesellschaft handelt es sich um eine ãAngelegen- walterin von deren Interessen u. a. zur Begründung ihrer Aus- heit“ der Gesellschaft im Sinne von ¤ 716 Abs.1 BGB. kunftsverweigerung berufen hat. Ein schützenswertes Geheim- b) Sind die Informationen, hinsichtlich derer der Gesell- haltungsinteresse besteht weder allgemein noch unter daten- schafter sich grundsätzlich durch Einsicht in die Bücher un- schutzrechtlichen Gründen (siehe zu letzterem Gola/Schome- terrichten darf, bei der Gesellschaft in einer Datenverar- rius aaO; im Übrigen auch MünchKommHGB/Enzinger 2. Aufl. beitungsanlage gespeichert, kann der Gesellschafter zum ¤118 Rdn. 16). Derjenige, der mit einem anderen einen Vertrag, Zwecke der Unterrichtung einen Ausdruck über die gefor- wie vorliegend den Gesellschaftsvertrag, schlie§t, hat keinen derten Informationen verlangen. schützenswerten Anspruch darauf, dies anonym zu tun, worauf es hinausliefe, wenn er seinem Mitgesellschafter Namen und c) Die Regelung in einem Gesellschaftsvertrag, die das Anschrift verschweigen dürfte. Falls ein Gesellschafter die ihm Recht der Gesellschafter,Auskunft über die Namen und An- mitgeteilten Namen der Mitgesellschafter missbräuchlich ver- schriften ihrer Mitgesellschafter zu verlangen, ausschlie§t, wenden sollte, ist er diesen gegenüber aus dem Gesichtspunkt ist unwirksam. Ein schützenswertes Interesse der Mitge- der Verletzung der gesellschafterlichen Treuepflicht ggf. zur Un- sellschafter untereinander auf Anonymität besteht weder terlassung und zum Schadensersatz verpflichtet. Eine solche ab- allgemein noch unter datenschutzrechtlichen Gesichts- strakte Missbrauchsgefahr rechtfertigt es allein nicht, dem ei- punkten. nen gegenüber dem anderen Vertragspartner das Recht zuzuge- stehen, seinen Namen und seine Anschrift zu verheimlichen. (BGH, Beschluss vom 21. 9. 2009 Ð II ZR 264/08) Mitgeteilt von RiBGH Wellner, Karlsruhe 1 Aus den Gründen: Zulassungsgründe liegen nicht vor; die Hinweis d. Gerichts: Das Revisionsverfahren ist durch Re- Revision der Beklagten hat auch keine Aussicht auf Erfolg. visionsrücknahme erledigt worden.

114 Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 Gewerbemiete

¤ 823 BGB Dezember 1989 - VI ZR 182/89 - VersR 1990,498, 499 [=WuM Verkehrssicherungspflicht; 1990, 120]; vom 4. Dezember 2001 - VI ZR 447/00 - VersR Zugang zum Gebäude einer Bank; Glasschiebetüre; 2002, 247, 248; vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02 - VersR 2003, Geldautomat; Nachrüstung bei verschärfter DIN 1319; vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04 - VersR 2006, 233, 234 und vom 16. Mai 2006 - VI ZR 189/05 - VersR 2006, Zur Frage einer Nachrüstungspflicht des Verkehrssiche- 1083, 1084 [= GuT 2006, 266 KL], jeweils m.w.N.; vgl. auch rungspflichtigen für bestehende technische Anlagen (hier: BGHZ 121, 367, 375 und BGH, Urteil vom 13. Juni 1996 - III halbautomatische Glastüre als Zugang zu einem Geldauto- ZR 40/95 - VersR 1997, 109, 111). Die rechtlich gebotene Ver- maten einer Bank) im Falle einer Verschärfung von DIN- kehrssicherung umfasst diejenigen Ma§nahmen, die ein um- Normen. sichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichti- ger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor (BGH, Urteil vom 2. 3. 2010 Ð VI ZR 223/09) Schäden zu bewahren.

1 Zum Sachverhalt: Die an einer spastischen Behinderung lei- 6 2. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass nicht jeder ab- dende Klägerin nimmt die beklagte Bank auf Schadensersatz strakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann. Ein allge- wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht in Anspruch. meines Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre utopisch. Eine Sie behauptet, sie habe sich am 11. Oktober 2006 au§erhalb Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, ist im prak- der Öffnungszeiten der Beklagten in deren Filiale im Bahnhof tischen Leben nicht erreichbar. Deshalb muss nicht für alle denk- T. begeben, um am dortigen Automaten Geld abzuheben. Beim baren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen Eintreten sei die automatische Glastüre offen gewesen. Auch werden. Es sind vielmehr nur diejenigen Vorkehrungen zu tref- als sie nach dem Geldabheben das Gebäude wieder habe ver- fen, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzu- lassen wollen, habe die Glastür zunächst offen gestanden, sich wenden (vgl. Senatsurteile vom 10. Oktober 1978 - VI ZR 98/77 dann jedoch plötzlich geschlossen, so dass Mittel- und Ring- - und - VI ZR 99/77 - VersR 1978, 1163, 1165, vom 15. Juli finger ihrer rechten Hand eingeklemmt worden seien. Dadurch 2003 - VI ZR 155/02 - aaO, vom 8. November 2005 - VI ZR sei sie verletzt worden. 332/04 - und vom 16. Mai 2006 - VI ZR 189/05 - jeweils aaO). Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (¤ 276 Abs. 2 BGB) ist 2 Das Amtsgericht Traunstein hat die Klage auf Zahlung ei- € genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, nes angemessenen Schmerzensgeldes von mindestens 3000 den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrs- zuzüglich Zinsen, Attest- und Schreibkosten in Höhe von auffassung für erforderlich hält (vgl. Senatsurteile vom 16. Fe- 93,54 € und vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von € bruar 1972 - VI ZR 111/70 - VersR 1972, 559, 560; vom 15. Ju- 191,65 ,jeweils zuzüglich Zinsen, abgewiesen. Die hierge- li 2003 - VI ZR 155/02 - aaO; vom 8. November 2005 - VI ZR gen gerichtete Berufung hat das Landgericht Traunstein zurück- 332/04 - und vom 16. Mai 2006 - VI ZR 189/05 - jeweils aaO). gewiesen und die Revision wegen der Frage einer Nachrüstungs- Daher reicht es anerkannter Ma§en aus, diejenigen Sicher- pflicht für technische Anlagen im Rahmen der Verkehrssiche- heitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichti- rungspflicht zugelassen. ger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffe- nen Verkehrskreise - hier der Banken - für ausreichend halten 3 Aus den Gründen: I. Das Berufungsgericht hat ebenso wie darf, um andere Personen - hier die Kunden - vor Schäden zu das erstinstanzliche Gericht eine Verletzung der Verkehrssiche- bewahren, und die den Umständen nach zuzumuten sind; Vor- rungspflicht durch die Beklagte verneint. Nach den vom Amts- aussetzung für eine Verkehrssicherungspflicht ist, dass sich vor- gericht eingeholten Sachverständigengutachten hätten sich zwar ausschauend für ein sachkundiges Urteil die nahe liegende Ge- an den Hauptschlie§kanten der Türflügel keine Sicherheitsein- fahr ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden können richtungen zum Schutz gegen das Einklemmen bzw. Quetschen (vgl. Senatsurteile vom 12. Februar 1963 - VI ZR 145/62 - VersR befunden. Diese Ausführung habe der zur Zeit des Einbaus der 1963, 532; vom 19. Mai 1967 - VI ZR 162/65 - VersR 1967, Türe im Jahre 1996 geltenden Einrichtungsvorschrift entspro- 801; vom 4. Dezember 2001 - VI ZR 447/00 - aaO; vom 15. Ju- chen. Zum Zeitpunkt des Unfalls am 11. Oktober 2006 habe li 2003 - VI ZR 155/02 - aaO; vom 8. November 2005 - VI ZR demgegenüber eine neue Herstellungsnorm gegolten, die wei- 332/04 - und vom 16. Mai 2006 - VI ZR 189/05 - jeweils aaO). tergehende Schutzma§nahmen zu Gunsten besonders schutz- bedürftiger Personen enthalten habe. Diese Anforderungen sei- 7 Kommt es in Fällen, in denen hiernach keine Schutzma§- en im Streitfall nicht erfüllt gewesen. Gleichwohl falle der Be- nahmen getroffen werden mussten, weil eine Gefährdung an- klagten keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht zur Last. derer zwar nicht völlig ausgeschlossen, aber nur unter beson- Unter den Umständen des Streitfalles und nach dem Ergebnis ders eigenartigen und entfernter liegenden Umständen zu be- der Beweisaufnahme habe die Beklagte nicht damit rechnen fürchten war, ausnahmsweise doch einmal zu einem Schaden, müssen, dass ein Besucher ihrer Filiale von den sich schlie§en- so muss der Geschädigte - so hart dies im Einzelfall sein mag - den Türhälften erfasst und verletzt werde. Der Verkehrssiche- den Schaden selbst tragen. Er hat ein „Unglück“ erlitten und rungspflichtige sei auch generell nicht gehalten, alte Bauwerke kann dem Schädiger kein „Unrecht“ vorhalten (vgl. Senatsur- und Einrichtungen an den jeweils geltenden Standard anzupas- teile vom 15. April 1975 - VI ZR 19/74 - VersR 1975, 812; vom sen. Eine Nachrüstungspflicht sei erst nach Ablauf eines ange- 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02 - aaO; vom 8. November 2005 - messenen Zeitraums und unter Berücksichtigung wirtschaftli- VI ZR 332/04 - und vom 16. Mai 2006 - VI ZR 189/05 - jeweils cher Gesichtspunkte zu bejahen. Hier sei im Zeitpunkt des Un- aaO). falls seit dem Erlass der neuen DIN-Norm noch nicht einmal ein Jahr vergangen gewesen. Damit sei der angemessene Zeit- 8 3. Nach diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht im raum, der dem Verkehrssicherungspflichtigen zur Nachrüstung Ergebnis mit Recht eine Haftung der Beklagten verneint. zugebilligt werden müsse, nicht überschritten. 9 a) Die vom Berufungsgericht als zulassungswürdig ange- 4 II. Die Beurteilung des Berufungsgerichts hält revisions- sehene Frage einer Nachrüstungspflicht für bestehende techni- rechtlicher Überprüfung stand. Das Berufungsgericht hat im Er- sche Anlagen im Falle einer Verschärfung von Sicherheitsbe- gebnis mit Recht einen Versto§ der Beklagten gegen die ihr ob- stimmungen lässt sich nicht generell beantworten, sondern rich- liegende Verkehrssicherungspflicht verneint. tet sich ebenfalls danach, ob sich vorausschauend für ein sach- 5 1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kundiges Urteil die nahe liegende Gefahr ergibt, dass durch die ist derjenige, der eine Gefahrenlage - gleich welcher Art - bestehende technische Anlage - ohne Nachrüstung - Rechtsgü- schafft, grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zu- ter anderer verletzt werden können. Unter den Umständen des mutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung ande- Streitfalles begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, dass das rer möglichst zu verhindern (vgl. etwa Senatsurteile vom 19. Berufungsgericht eine Pflicht der Beklagten verneint hat, die

Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 115 Gewerbemiete

Schließanlage so „nachzurüsten“, dass sie der seit Dezember ¤ 906 BGB 2005 für Neubauten geltenden Herstellungsnorm (DIN 18650/1 Gaststättenmiete; Entschädigung wegen Lärmstörungen und -2) genügte. durch ein Gro§-Bauvorhaben; ãCity-Tunnel Leipzig“; 10 Welche Sicherheit und welcher Gefahrenschutz im Rah- Ma§geblichkeit des Planfeststellungsverfahrens men der Verkehrssicherungspflicht zu gewährleisten sind, rich- tet sich nicht ausschlie§lich nach den modernsten Erkenntnis- Der zivilrechtliche Entschädigungsanspruch nach § 906 sen und nach dem neuesten Stand der Technik. Es kommt viel- Abs. 2 Satz 2 BGB wegen Lärmbelästigungen tritt auch dann mehr ma§geblich auch auf die Art der Gefahrenquelle an. Je hinter die im Planfeststellungsverfahren gegebenen Rechts- größer die Gefahr und je schwerwiegender die im Falle ihrer behelfe zurück, wenn der Vorhabenträger die den Nachbar Verwirklichung drohenden Folgen sind, um so eher wird eine schützenden Planvorgaben nicht einhält (Fortführung von Anpassung an neueste Sicherheitsstandards geboten sein. So- Senat, BGHZ 161, 323). weit es sich um Gefahren handelt, die nicht so schwerwiegend (BGH, Urteil vom 30.10. 2009 Ð V ZR 17/09) und für den Verkehr im Allgemeinen erkennbar und mit zu- mutbarer Sorgfalt und Vorsicht beherrschbar sind, kann dem 1 Zum Sachverhalt: Die Beklagten betreiben das Bauvorha- Verkehrssicherungspflichtigen im Einzelfall jedenfalls - wie das ben ãCity-Tunnel Leipzig“. Dieses sieht die Herstellung einer Berufungsgericht mit Recht angenommen hat - eine angemes- unter der Innenstadt von Leipzig verlaufenden Schienenver- sene Übergangsfrist zuzubilligen sein (vgl. Senatsurteil BGHZ bindung zwischen zwei Bahnhöfen einschließlich der Errich- 103, 338, 342). tung mehrerer unterirdischer Haltepunkte, unter anderem am 11 b) Danach begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, dass Marktplatz, vor. Die Zulässigkeit des Vorhabens ist durch be- das Berufungsgericht eine Nachrüstungspflicht im Hinblick auf standskräftigen Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahn-Bun- die seit Dezember 2005 geltende neue Herstellungsnorm (DIN desamtes vom 19. Mai 2000 festgestellt. 18650/1 und -2) jedenfalls innerhalb des unter einem Jahr lie- 2 Die Klägerin führte an der Ostseite des Marktplatzes zwi- genden Zeitraums bis zum Unfall der Klägerin am 11. Oktober schen 2002 und Oktober 2007 ein Restaurant mit einem 2006 verneint hat. Denn auf der Grundlage der getroffenen Fest- hauptsächlich in den Rathausarkaden gelegenen Au§enbereich. stellungen ergab sich bis dahin vorausschauend für ein sach- kundiges Urteil keine nahe liegende Gefahr, dass durch die be- 3 Am Marktplatz begannen die Bauarbeiten für den City-Tun- stehende technische Anlage - ohne Nachrüstung - Rechtsgüter nel im ersten Quartal 2004. Im Laufe des Jahres 2005 wurde anderer verletzt werden können. für das Projekt auf einer großen Fläche des Marktplatzes eine offene Baugrube ausgehoben. Ausweislich eines von der Klä- 12 Die Glastür entsprach den Sicherheitsanforderungen der gerin im August 2005 eingeholten Privatgutachtens überschrit- zur Zeit ihres Einbaus im Jahre 1996 geltenden Einrichtungs- ten die Messwerte die in der TA Lärm festgesetzten Grenzwer- vorschrift („Richtlinien für kraftbetätigte Fenster, Türen und To- te erheblich. Im zweiten Quartal 2006 wurde die Baugrube mit re“ ZH 1/494 des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsge- Ausnahme des nördlichen Bereichs wieder geschlossen. Die Ar- nossenschaft). Außerhalb der Öffnungszeiten der Filiale erfolgte beiten wurden allerdings nicht nur unterirdisch fortgesetzt. Zu- der Zugang zu dem Vorraum mit dem Geldautomaten mittels dem führte ein Fahrweg zum Abtransport des Erdaushubs un- eines Kartenlesegerätes. Um den Vorraum wieder zu verlassen, mittelbar am Au§enbereich des Restaurants vorbei. musste die Tür von innen mit einem Taster manuell betätigt wer- den und schloss danach automatisch nach Ablauf von ca. 10 4 Die Klägerin verlangt für die von den Bauarbeiten ausge- Sekunden (Halbautomatikbetrieb). Der Schlie§vorgang erfolg- henden Beeinträchtigungen eine - anfangs auf Ertragseinbu§en, te dabei mit einer Bewegungsgeschwindigkeit von ca. 15 cm später (auch) auf den Wertverlust des Restaurants gestützte - pro Sekunde relativ langsam und mit einem Schlie§druck von Entschädigung von 107.349,62 €. Das Landgericht Leipzig hat nur 150 N, der im Regelfall, in dem ein Besucher an den Schul- die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das tern erfasst wird, nicht zu Verletzungen führt. Dass die Kläge- Oberlandesgericht Dresden den Klageanspruch dem Grunde rin verletzt worden ist, resultiert nach den Feststellungen des nach für gerechtfertigt erklärt. Dagegen wenden sich beide Par- Berufungsgerichts aus dem unglücklichen Umstand, dass zwei teien mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision. Finger ihrer rechten Hand von der sich schlie§enden Tür ein- geklemmt worden sind. Nach den weiteren unangegriffenen 5 Aus den Gründen: I. Das Berufungsgericht meint, die Klä- Feststellungen des Berufungsgerichts hatte sich ein solcher Vor- gerin könne von den Beklagten gemäß § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB fall in den vergangenen zehn Jahren bis zu dem von der Kläge- eine Entschädigung in Geld verlangen, soweit diese die Vorga- rin behaupteten Unfall nicht ereignet. Im Übrigen war die Glas- ben des Planfeststellungsbeschlusses nicht eingehalten hätten. tür zum Geldautomaten der Beklagten nach dem Ergebnis der Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs komme ein vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Beweisaufnah- zivilrechtlicher Entschädigungsanspruch zwar nicht in Betracht, me des Amtsgerichts jährlich ein- bis zweimal gewartet wor- wenn die Immissionen verursachende Anlage auf der Grundla- den, ohne dass sich Beanstandungen seitens des Wartungs- ge eines bestandskräftigen Planfeststellungsbeschlusses betrie- dienstes oder seitens eines Kunden ergaben. ben werde. Die Ausschlusswirkung reiche allerdings nur so weit, wie sich der Träger des Vorhabens an die Vorgaben des Plan- 13 Unter diesen Umständen ist nicht ersichtlich, weshalb die feststellungsbeschlusses halte. Bewege er sich au§erhalb die- Beklagte damit rechnen musste, dass ihre Kunden beim Ver- ser Grenzen, bleibe es bei den allgemeinen Rechtsbehelfen. lassen des Raumes mit dem Geldautomaten durch den Schlie§- Nach diesen Grundsätzen seien Ansprüche der Klägerin wegen mechanismus der (halb-)automatischen Glastüre - ohne Nachrü- Zugangsbeschränkungen zum Restaurant, Staubimmissionen, stung - Verletzungen erleiden könnten. Bauzeitverzögerungen sowie Beeinträchtigungen durch den Mitgeteilt von RiBGH Wellner, Karlsruhe Baustellenverkehr ausgeschlossen. Die Klägerin habe jedoch den Nachweis geführt, dass das Restaurant im Zeitraum von April 2005 bis April 2006 an insgesamt 243 Tagen Lärmim- missionen ausgesetzt gewesen sei, die die Grenzwerte der durch den Planfeststellungsbeschluss in Bezug genommenen Allge- meinen Verwaltungsvorschrift zum Schutz gegen Baulärm über- schritten hätten. Für diese Beeinträchtigungen könne sie einen www.prewest.de Ausgleich in Geld verlangen. 6 II. Diese Ausführungen halten den Angriffen der Klägerin, über 345 000 Zugriffe seit Februar 2007 nicht aber der aufgrund der Revision der Beklagten vorzuneh- menden rechtlichen Nachprüfung stand.

116 Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 Gewerbemiete

7 Revision der Klägerin Satz1 AEG zu dem Vorhaben ergangenen Planfeststellungsbe- schlusses grundsätzlich ausgeschlossen ist. Die hiergegen ge- 8 1. Die Revision der Klägerin ist zulässig. Sie wird durch das angefochtene Urteil beschwert, obwohl das Berufungsge- richteten Angriffe der Klägerin bleiben ohne Erfolg. richt den Klageanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt er- 15 aa) Wie der Senat im Anschluss an die Rechtsprechung klärt hat. des III. Zivilsenates zu einem Anspruch wegen enteignenden Eingriffs (BGHZ 140, 285, 293 ff.) entschieden hat, bleibt ne- 9 Bei einem Zwischenurteil über den Grund gemäß § 304 ben den im Planfeststellungsverfahren eröffneten Rechtsbehel- ZPO kann die Beschwer nicht, wie im Regelfall, alleine danach fen (¤ 74 Abs. 2, ¤ 75 Abs. 2 VwVfG; hier i.V.m. ¤18 Satz 3 AEG) bestimmt werden, ob und in welchem Umfang der Tenor der an- für einen Anspruch aus ¤ 906 Abs. 2 Satz 2 BGB grundsätzlich gefochtenen Entscheidung von dem in der Instanz zuletzt ge- kein Raum. Dem Eigentumsschutz des Nachbarn wird dadurch stellten Antrag abweicht (sog. formelle Beschwer, vgl. Senat, Genüge getan, dass die Planfeststellungsbehörde sich mit der Urt. v. 12. März 2004, V ZR 37/03, NJW 2004, 2019, 2020 Frage der erforderlichen aktiven oder passiven Schutzma§nah- m.w.N.). Durch ein Grundurteil beschwert kann der Kläger men (¤ 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG) bezogen auf das benachbarte vielmehr auch dann sein, wenn zwar der Urteilstenor das Kla- Eigentum umfassend auseinandersetzen und solche Ma§nah- gebegehren in vollem Umfang für gerechtfertigt erklärt, in den men oder eine Entschädigungspflicht (§ 74 Abs. 2 Satz 3 Entscheidungsgründen aber bindend festgestellt wird, auf wel- VwVfG) anordnen muss, wenn unzumutbare Beeinträchtigun- cher Grundlage das Betragsverfahren aufzubauen hat und wel- gen zu erwarten sind (vgl. BVerwGE 84, 31, 38 f.; 110, 370, che Umstände abschließend im Grundverfahren geklärt sind, 392; 123, 23, 36). das Urteil also eine für die Partei negative Bindungswirkung aufweist (BGH, Urt. v. 10. Juli 1959,VI ZR 160/58, NJW 1959, 16 Meint der betroffene Nachbar, dass seinem Eigentums- 1918, 1919; Urt. v. 17. Oktober 1985,III ZR 105/84, WPM 1986, recht im Planfeststellungsverfahren nicht ausreichend Rechnung 331; Urt. v. 20. Dezember 2005, XI ZR 66/05, NJW-RR 2007, getragen worden ist, kann er die in diesem Verfahren vorgese- 138, 139). henen Rechtsschutzmöglichkeiten ergreifen. Er kann insbeson- dere im Wege der Verpflichtungsklage Planergänzungen durch- 10 Das ist hier der Fall. Aus den Gründen des angefochtenen setzen oder, sofern sich nach Unanfechtbarkeit des Beschlus- Urteils ergibt sich, dass ein Anspruch der Klägerin gemäß § 906 ses nicht vorhersehbare Wirkungen des Vorhabens zeigen, ge- Abs. 2 Satz 2 BGB nur wegen solcher Immissionen für ge- mäß § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG nachträgliche Anordnungen ver- rechtfertigt erklärt worden ist, die das nach dem Planfeststel- langen. lungsbeschluss zulässige Maß übersteigen. Diese den An- spruchsgrund betreffende Festlegung nimmt als zulässiger In- 17 Ein höheres Schutzniveau wird durch die Vorschrift des halt eines Grundurteils an der innerprozessualen Bindungswir- ¤ 906 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht vermittelt. Sie gewährt ebenfalls kung im Betragsverfahren teil (vgl. BGHZ 10, 361, 362) und nur insoweit einen Ausgleich, als der Nachbar über das zumut- beschwert die Klägerin. bare Maß hinaus in der Benutzung seines Grundstücks beein- trächtigt wird (Senat, BGHZ 62, 361, 372). Da sich die Zu- 11 2. Die Revision der Klägerin ist jedoch unbegründet. mutbarkeit nach den Maßstäben richtet, die für die Beurteilung 12 a) Ohne Erfolg bleibt ihre Rüge, das Grundurteil sei schon einer Einwirkung als wesentliche Beeinträchtigung der Grund- deshalb aufzuheben, weil es mangels teilweiser Abweisung der stücksnutzung im Sinne des § 906 Abs.1 Satz1 BGB gelten (Se- Klage nicht erkennen lasse, über welchen Teil des Klagean- nat, Urt. v. 27. Oktober 2006,V ZR 2/06, VersR 2007, 657, 658 spruchs abschlie§end entschieden worden sei. Einer teilweisen [=WuM 2007, 147 = GuT 2007, 44 KL]), bestimmen das öf- Abweisung der Klage im Urteilstenor hätte es nur dann bedurft, fentliche und das private Immissionsschutzrecht die Grenze der wenn ein quantitativer, zahlenmäßig oder auf sonstige Weise Duldungspflicht gegenüber Immissionen im Ergebnis identisch bestimmter Teil des - teilbaren - Streitgegenstandes abschlie- (Senat, BGHZ 111, 63, 65 f.; BVerwG, NJW 1988, 2396, 2397; §end beschieden worden wäre (vgl. BGHZ 108, 256, 260; Zöl- Krüger, ZfIR 2007, 2). Ein Bedürfnis für die zusätzliche An- ler/Vollkommer, ZPO, 27. Aufl., ¤ 301 Rdn. 7a, m.w.N.). Eine wendung des ¤ 906 Abs. 2 Satz 2 BGB bei planfestgestellten solche Aufspaltung der Klageforderung ist hier jedoch nicht Vorhaben besteht daher nicht. möglich, weil die Klägerin bei deren Bezifferung nicht zwischen 18 bb) Hinter die Rechtsschutzmöglichkeiten im Planfest- den verschiedenen Beeinträchtigungen unterscheidet, sondern stellungsverfahren tritt der Ausgleichsanspruch nach ¤ 906 ihr Zahlungsbegehren auf die Gesamtheit der Einwirkungen Abs. 2 Satz 2 BGB auch dann zurück, wenn die das Nachbar- stützt, denen der Restaurantbetrieb bis zu seiner Schlie§ung aus- grundstück treffenden Einwirkungen nicht auf den Betrieb, son- gesetzt war. Demgemäß ist mit der Festlegung im Grundurteil, dern - wie hier - auf die Errichtung des planfestgestellten Vor- die Klägerin könne eine Entschädigung nur für einen Teil der habens zurückzuführen sind. Die durch den Beschluss begrün- Beeinträchtigungen verlangen, nicht zugleich entschieden, dass dete Duldungspflicht des Nachbarn erfasst bereits die während die auf Zahlung von 107.349,63 € gerichtete Klageforderung der Bauphase entstehenden Immissionen (Senat, BGHZ 54, 384, in einer bestimmten Höhe unbegründet ist. Das Berufungsge- 388). Auch die im Planfeststellungsverfahren zu beachtenden richt stellt lediglich (mit innerprozessualer Bindungswirkung) Vo rschriften über Schutzmaßnahmen unterscheiden nicht nach fest, dass ein Teil des Sachverhalts, auf den die Klage gestützt den einzelnen Abschnitten der Realisierung des Vorhabens. Das worden ist, den geltend gemachten Anspruch nicht zu rechtfer- durch das Fachplanungsrecht zur Verfügung gestellte Instru- tigen vermag; für eine teilweise Klageabweisung ist insoweit mentarium erlaubt es vielmehr, schon bei der Durchführung der kein Raum (vgl. BGH, Urt. v. 26. März 1985,X ZR 28/84, NJW Bauma§nahme auftretende Konflikte einer interessengerechten 1985, 1959 zu 2.). Lösung zuzuführen (vgl. OLG Hamm NVwZ 2004,1148, 1149; 13 Dies gilt auch, soweit sich das Berufungsgericht zu der VGH Mannheim NVwZ-RR 1990, 227 f.; Urt. v. 8. Februar Höhe der aus seiner Sicht in Betracht kommenden Entschädi- 2007, 5 S 2257/05, juris Rdn. 127 ff. sowie BVerwG NVwZ gung (ãnicht mehr als 10% des festzustellenden Wertverlustes“) 1988, 534 f.). äußert. Eine abschließende Entscheidung über einen Teil der 19 Der hier ma§gebliche Planfeststellungsbeschluss regelt Klageforderung ist damit nicht verbunden. Die Ausführungen den sich aus dem Bau des City-Tunnels ergebenden Konflikt entfalten keine Bindungswirkung für das Betragsverfahren, weil zwischen den Interessen der Beklagten und denen der Anlieger. sie ausschließlich die Höhe des Anspruchs betreffen (vgl. BGH, Der Einwand der Revision, der in den Bestimmungen zur Ver- Urt. v. 20. Dezember 2005, XI ZR 66/05, NJW-RR 2007, 138, meidung bauzeitlicher Belastungen (Abschnitt A.V.3. des Plan- 139 m.w.N.). feststellungsbeschlusses) enthaltene Verweis auf die einzuhal- 14 b) In der Sache nimmt das Berufungsgericht im Aus- tenden Immissionsrichtwerte sei mit der Verweisungsklausel gangspunkt zutreffend an, dass ein privatrechtlicher Aus- vergleichbar, die den Bundesgerichtshof in der Entscheidung gleichsanspruch (¤ 906 Abs. 2 Satz 2 BGB) wegen des nach ¤18 BGHZ 97, 114 veranlasst habe, zivilrechtliche Entschädi-

Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 117 Gewerbemiete gungsansprüche als nicht ausgeschlossen anzusehen, ist unbe- nur so weit gelte, wie sich der Vorhabenträger innerhalb der Vor- gründet. In dem dortigen Fall war die klagende Partei wegen gaben des Planfeststellungsbeschlusses bewege, ist rechtsfeh- ihrer Entschädigungsansprüche „in das Entschädigungsverfah- lerhaft. Nach Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens ren verwiesen“ worden (aaO, S.120) und durfte deshalb davon ist für einen zivilrechtlichen Ausgleichsanspruch gemäß § 906 ausgehen, dass ihr die Möglichkeit vorbehalten werden sollte, Abs. 2 Satz 2 BGB auch dann kein Raum, wenn die durch den ihre Ansprüche in einem besonderen administrativen Verfahren Planfeststellungsbeschluss gezogenen Grenzen zulässiger Ein- geltend zu machen. Hiermit ist der Hinweis auf die Pflicht, be- wirkungen auf Anliegergrundstücke überschritten werden. stimmte Richtwerte einzuhalten, nicht vergleichbar. Er verweist 27 1. Mit dem Planfeststellungsverfahren hat der Gesetzge- die Betroffenen nicht in ein anderes Verwaltungsverfahren, son- ber für bestimmte Immissionen im Vorfeld ein spezifisches Ver- dern verkörpert die Auflage, die die Planfeststellungsbehörde fahren zur Vermeidung von Eigentumsbeeinträchtigungen im zum Schutz der Anlieger vor bauzeitlichen Belastungen für an- nachbarlichen Bereich geschaffen. Hinter die sich daraus erge- gemessen erachtet hat. benden Rechtsschutzmöglichkeiten tritt der Anspruch aus ¤ 906 20 cc) Entgegen der Auffassung der Revision liegen hier kei- Abs. 2 Satz 2 BGB unabhängig davon zurück, ob die konkrete ne Besonderheiten des Einzelfalls vor, die durch die im Plan- Planfeststellung ausreichende Schutzvorkehrungen zu Gunsten feststellungsverfahren zu Gebote stehenden Rechtsschutzmög- der betroffenen Grundstückseigentümer und -nutzer enthält; lichkeiten nicht erfasst werden konnten (vgl. hierzu Senat BG- ebenso wenig kommt es darauf an, ob die Vorgaben des Be- HZ 161, 323, 330 f.). schlusses eingehalten werden. Denn der Vorrang des Planfest- 21 (1) Dass Ma§nahmen zum Schutz der durch den Bau des stellungsverfahrens rechtfertigt sich aus seiner generellen Eig- City-Tunnels nachteilig lärmbetroffenen (gewerblichen) Anlie- nung, Beeinträchtigungen des Eigentums zu vermeiden oder je- ger des Marktplatzes keinen Eingang in den Planfeststellungs- denfalls angemessen auszugleichen. Er findet seine Grenze des- beschluss hätten finden können, ist nicht ersichtlich und wird halb erst dort, wo die im Planfeststellungsverfahren zu Gebote von der Klägerin nicht vorgetragen. Gleiches gilt mit Blick auf stehenden Möglichkeiten nicht geeignet sind, dem berechtig- die Bestimmung eines Auflagenvorbehalts (¤ 74 Abs. 3 VwVfG; ten Interesse des benachbarten Grundstückseigentümers aus- vgl. BVerwG NVwZ 1989,147, 148), sofern zum Zeitpunkt der reichend Rechnung zu tragen (vgl. Senat, BGHZ 161, 323, 330). Planfeststellung noch nicht abschlie§end zu ermitteln gewesen Für Beeinträchtigungen, die aus einer Überschreitung der durch sein sollte, ob durch den Baustellenbetrieb unzumutbare Bela- das öffentliche Recht festgesetzten und im Planfeststellungs- stungen der Anlieger zu erwarten waren. beschluss in Bezug genommenen Richtwerte für Immissionen 22 (2) Auch der Umstand, dass die Klägerin die Räumlich- folgen, gilt dies nicht. Die im Planfeststellungsverfahren zur keiten zum Betrieb des Restaurants erst im Jahr 2002 und da- Verfügung stehenden Rechtsbehelfe (§§ 74 Abs. 2 und 75 Abs. 2 mit rund zwei Jahre nach Erlass des Planfeststellungsbeschlus- VwVfG) ermöglichen es dem Betroffenen, auch hierfür Schutz- ses angemietet hat, rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. ma§nahmen oder, wo diese untunlich oder mit dem Vorhaben Zwar knüpft der Ausschluss zivilrechtlicher Ansprüche an die unvereinbar sind, eine Entschädigung in Geld durchzusetzen. Möglichkeit des Anliegers an, seine Rechte in einem förmlichen 28 2. a) Sind Überschreitungen einschlägiger Richtwerte - Verwaltungsverfahren sowie einem sich eventuell anschlie§en- wie sie hier in der auf der Grundlage von ¤ 3 Abs. 2 des Geset- den verwaltungsgerichtlichen Verfahren wahrzunehmen (vgl. zes zum Schutz gegen Baulärm vom 9. September 1965 (BG- Senat, BGHZ 161, 323, 330; Staudinger/Roth, BGB ‹2002›, Bl. I 1214) erlassenen und in dem Planfeststellungsbeschluss ¤ 906 Rdn. 27). Dieses Erfordernis bezieht sich jedoch nur auf in Bezug genommenen AVwV Baulärm enthalten sind - zu er- den zur Zeit der Planung berechtigten Personenkreis. Derjeni- warten, ist vorauszusehen, dass das Vorhaben zu Beeinträchti- ge, der erst später Eigentümer eines von dem Vorhaben betrof- gungen der Anlieger führen wird, die die Grenze des Zumut- fenen Grundstücks wird, kann sich der Wirkung des bestands- baren übersteigen. In einem solchen Fall muss die Planfeststel- kräftigen Planfeststellungsbeschlusses nicht unter Berufung auf lungsbehörde dem Träger des Vorhabens Schutzma§nahmen,et- eine unterbliebene Verfahrensbeteiligung entziehen. Er tritt in wa die Errichtung eines Lärmschutzwalls oder den Einbau von eine durch den Planfeststellungsbeschluss ãvorbelastete“ Rechts- Schallschutzfenstern, auferlegen (¤ 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG; vgl. position ein. Die Entscheidung der Planungsbehörde, ob und in BVerwGE 110, 370, 392 sowie Jarass, DÖV 2004, 633, 634 f.). welchem Umfang Vorkehrungen wegen nachteiliger Auswir- Soweit solche Vorkehrungen untunlich oder mit dem Vorhaben kungen des Vorhabens zu treffen sind, dient dem Schutz des Ei- unvereinbar sind, hat der Betroffene einen Anspruch auf eine gentums (Senat, BGHZ 161, 323, 328), ohne dass es auf den angemessene Entschädigung in Geld (§ 74 Abs. 2 Satz 3 konkreten Inhaber des Rechtsguts ankommt. Dem das Grund- VwVfG); über die Entschädigungspflicht ist zumindest dem stück lediglich aufgrund schuldrechtlicher Vereinbarung nut- Grunde nach bereits in dem Planfeststellungsbeschluss zu ent- zenden Mieter kommt insoweit keine stärkere Rechtsposition scheiden (vgl. Stelkens/ Bonk/Sachs,VwVfG, 7. Aufl., ¤ 74 Rdn. zu. 198). 23 (3) Ohne Bedeutung bliebe es schlie§lich, wenn sich der 29 Dem Betroffenen obliegt es, rechtzeitig zu prüfen, ob der von der Klägerin in den angemieteten Räumen aufgenommene Planfeststellungsbeschluss diesem Gebot genügt. Ist dies nicht Restaurantbetrieb von der früheren Nutzung des Anwesens un- der Fall, kann er zum Schutz seiner Rechte innerhalb der Rechts- terschiede. Die Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlus- mittelfrist gegen den Planfeststellungsbeschluss Klage insbe- ses wäre dadurch nicht infrage gestellt. Diese richtet sich nach sondere mit dem Ziel erheben, den Plan um eine Schutzvor- der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seines Erlasses und kehrung im Sinne des ¤ 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG oder eine Ent- wird durch spätere Änderungen der für die Entscheidung maß- schädigungsregelung gemäß § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG zu er- geblichen Umstände nicht berührt (BVerwG NVwZ 1999, 989, gänzen (vgl. BVerwGE 104, 123, 129; BVerwG NVwZ 1998, 990 m.w.N.). Der Eigentümer oder Mieter, der nach Erlass des 846). Sieht er hiervon ab und wird der Planfeststellungsbe- Planfeststellungsbeschlusses eine neue Nutzung aufnimmt, ist schluss bestandskräftig, sind Ansprüche aus § 74 Abs. 2 VwVfG durch die Möglichkeit nachträglicher Schutzanordnungen für gegen den Träger des Vorhabens verbindlich aberkannt (vgl. nicht voraussehbare Wirkungen des Vorhabens einschlie§lich BVerwGE 77, 295, 296 f.; OVG Lüneburg, NdsRpfl. 2001, 416, der Möglichkeit eines Ausgleichsanspruchs (¤ 75 Abs. 2 Satz 2 417). und 3 VwVfG) hinreichend geschützt. 30 Die Möglichkeit, für eine Aufnahme von Schutzvorkeh- 24 Revision der Beklagten rungen oder Entschädigungsanordnungen in dem Planfeststel- 25 Die Revision der Beklagten, mit der diese eine vollstän- lungsbeschluss zu sorgen, bestand auch hier. In der Regelung dige Klageabweisung erstreben, ist begründet. zur Vermeidung bauzeitlicher Belastungen (Abschnitt A.V.3. 26 Die Annahme des Berufungsgerichts, der Klägerin stün- des Planfeststellungsbeschlusses) kommt die Einschätzung der de trotz der Ausschlusswirkung eines Planfeststellungsverfah- Planfeststellungsbehörde zum Ausdruck, dass dem Schutz des rens ein Anspruch aus ¤ 906 Abs. 2 Satz 2 BGB zu, weil diese Eigentums der Anlieger durch die Verpflichtung der Beklagten,

118 Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 Gewerbemiete die einschlägigen Grenzwerte für Baulärm einzuhalten, und ¤¤ 2, 3, 4, 7, 24 BBodSchG; ¤¤ 3, 5 BImSchG; durch den Hinweis auf die Möglichkeit, gegen übermäßige Lärmimmissionen gemäß Ziffer 4 und 5 AVwV Baulärm behörd- ¤11 ThürOBG lich einzuschreiten, Genüge getan ist. Zugleich wird - durch Grundstücksmiete; Betrieb einer Abfallbeseitigungsanlage; stillschweigendes Übergehen - ein Anspruch der Anlieger auf Abfallrecycling; Weiterbetreiben der Anlage durch den die Anordnung von Schutzmaßnahmen oder einer Entschädi- neuen Mieter nach Vertragskündigung des gung von Geld (¤ 74 Abs. 2 Satz 2 u. 3 VwVfG) verneint (vgl. Zwangsverwalters; Inanspruchnahme des Erstmieters für Kosten der Schadensbeseitigung im Boden; Räumung; BVerwGE 77, 295, 296 f.). Hiergegen hätte sich der damalige Bodenschutz; Immissionsschutz; Altlast; Eigentümer oder der frühere Nutzer der Räume, in denen die Bodenveränderung; Zustandsstörer Klägerin später ihr Restaurant betrieb, auf dem Verwaltungs- rechtsweg wenden können. a) Zu den Voraussetzungen eines Ausgleichsanspruchs 31 b) Im Zeitpunkt der Planung nicht voraussehbare Wir- nach ¤ 24 Abs. 2 BBodSchG. Eine analoge Anwendung die- kungen eines Vorhabens, d.h. nachteilige Entwicklungen, die ser Vorschrift kommt auch dann nicht in Betracht, wenn ei- sich erst später zeigen und mit denen die Beteiligten bei der ne Inanspruchnahme des Störers nach Ma§gabe des Bun- Planfeststellung verständigerweise nicht rechnen konnten, wer- des-Bodenschutzgesetzes nur deshalb ausscheidet, weil ge- den von ¤ 75 Abs. 2 Satz 2 und 4 VwVfG erfasst (vgl. BVerwGE mäß § 3 Abs.1 Nr.11 BBodSchG die Bestimmungen des Bun- 128, 177, 182). Nach dieser Vorschrift kann der Betroffene, auch des-Immissionsschutzgesetzes vorrangig sind. Erst recht nachdem der Planfeststellungsbeschluss unanfechtbar gewor- lässt sich diese Vorschrift nicht als Ma§stab eines allgemei- den ist,Vorkehrungen oder die Errichtung und Unterhaltung von nen Ausgleichs zwischen mehreren Störern im Sinne des Anlagen verlangen, durch welche Einwirkungen, die die Gren- Ordnungsrechts heranziehen. ze des Unzumutbaren überschreiten, ausgeschlossen werden. b) Zur Abgrenzung der Anwendungsbereiche des Bundes- Sind solche Vorkehrungen oder Anlagen untunlich oder mit dem Bodenschutzgesetzes und des Bundes-Immissionsschutz- Vorhaben unvereinbar, kann der Betroffene eine angemessene gesetzes. Entschädigung in Geld verlangen. Dieser, gegen die Planfest- stellungsbehörde gerichtete und im Verwaltungsrechtsweg c) Eine schädliche Bodenveränderung im Sinne des § 2 durchzusetzende (vgl. BGHZ 140, 285, 296 f.), Anspruch stand Abs. 3 BBodSchG liegt nur vor, wenn eine physikalische, der Klägerin zur Verfügung, soweit mit unzumutbaren Beein- chemische oder biologische Veränderung der Beschaffen- trächtigungen des Gewerbebetriebs infolge einer Überschrei- heit des Bodens eingetreten ist. Allein die Gefahr einer Ver- tung der in den Beschluss festgelegten Grenzwerte im Zeitpunkt änderung ist nicht ausreichend. der Planfeststellung nicht gerechnet werden konnte. d) Zu den Voraussetzungen einer Altlast im Sinne des ¤ 2 32 c) Der Betroffene ist schlie§lich nicht schutzlos, wenn Abs. 5 BBodSchG. die in dem Planfeststellungsbeschluss enthaltenen Schutzvor- e) Solange für ein Grundstück die Zwangsverwaltung kehrungen nicht eingehalten werden. Soweit Anordnungen im angeordnet ist, kommt eine ordnungsrechtliche Inanspruch- Sinne des ¤ 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG getroffen worden sind, nahme des Eigentümers als Zustandsstörer nach ¤11 Abs. 2 durch die nachteilige Einwirkungen des Vorhabens auf sein Ei- ThürOBG regelmäßig nicht in Betracht. gentum verhindert oder ausgeglichen werden sollen, steht ihm ein subjektiv-öffentliches Recht auf Vollzug der Anordnung ge- (BGH, Urteil vom 18. 2. 2010 Ð III ZR 295/09) gen den Vorhabenträger zu (vgl. BVerwG Buchholz 316 ¤76 VwVfG Nr.14 Rdn. 11 f.; OVG Lüneburg NuR 1999, 353). 1 Zum Sachverhalt: Die Parteien streiten um die Erstattung von Kosten für die Beseitigung von Reststoffen, die sich auf 33 Verweist der Planfeststellungsbeschluss, wie hier, ledig- dem Grundstück des Beklagten zu 1 befanden, das die Beklagte lich auf eine bestehende Lärmverordnung, liegt dem die - von zu 2 zuvor vom Beklagten zu 1 gemietet hatte und das der dem Betroffenen entweder nicht angegriffene oder aber von den Zwangsverwaltung mit dem Kläger als Zwangsverwalter unter Verwaltungsgerichten bestätigte - Einschätzung der Planfest- lag. stellungsbehörde zugrunde, dass mit unzumutbaren Beein- trächtigungen nicht zu rechnen ist, weil sich die Einhaltung der 2 Die Beklagte zu 2 hatte auf dem vom Beklagten zu 1 ge- maßgeblichen Grenzwerte mit dem dafür vorgesehenen Instru- mieteten Grundstück eine Abfallrecyclinganlage betrieben. Der mentarium - hier durch die in der AVwV Baulärm vorgesehenen Kläger beendete das Mietverhältnis mit der Beklagten zu 2. Bei- Maßnahmen zur Lärmminderung bis hin zur Stilllegung von de Parteien schlossen einen Vergleich, nach dem das Grund- Baumaschinen (vgl. Ziffer 4 und 5 AVwV Baulärm) - sicher- stück von der Beklagten zu 2 Ende August 2006 geräumt her- stellen lässt und deshalb keine die (fachplanerische) Zumut- ausgegeben werden musste. barkeitsschwelle übersteigenden Beeinträchtigungen zu erwar- 3 Da der Kläger das Grundstück bereits ab 1. September 2006 ten sind. Kommt es im Einzelfall zu Überschreitungen der an eine neue Mieterin vermietet hatte und eine vollständige Räu- Grenzwerte, kann der Betroffene den Einsatz dieses Instru- mung seitens der Beklagten zu 2 nicht erfolgt war, lie§ er am mentariums mit den allgemeinen öffentlich-rechtlichen Rechts- 7. September 2006 das Grundstück zwangsräumen. Auch da- behelfen, gerichtet auf ein Einschreiten der Aufsichtsbehörde, nach waren auf dem Grundstück noch Reststoffe verblieben. Im erzwingen (vgl. BVerwG NVwZ 2005, 330, 332 a.E.). Erweist Oktober 2006 wies das Staatliche Umweltamt S. den Kläger da- sich dagegen die Einschätzung der Planfeststellungsbehörde als rauf hin, dass die Lagerung von ca. 400 t (700 m3) nicht ver- unzutreffend - hier also das Instrumentarium der Baulärmver- wertbarer Abfälle auf dem Grundstück, die als Hinterlassen- ordnung als ungeeignet, um unzumutbare Beeinträchtigungen schaft von der zwangsgeräumten Beklagten zu 2 verblieben sei- zu verhindern -, kann der Betroffene gemäß § 75 Abs. 2 Satz 2 en, nicht zulässig sei. Deshalb forderte das staatliche Umwelt- bis 4 VwVfG die nachträgliche Anordnung von Schutzma§nah- amt den Kläger auf, unverzüglich zu veranlassen, dass diese Ab- men oder einer Entschädigung verlangen. Für einen Anspruch fälle von dem Grundstück entfernt und ordnungsgemäß entsorgt nach ¤ 906 Abs. 2 Satz 2 BGB bleibt daher auch in diesen Fäl- werden. len kein Raum. 4 Mit der Beseitigung dieser Abfälle beauftragte der Kläger 34 III. Das Berufungsurteil ist somit aufzuheben (¤ 562 Abs.1 die neue Mieterin, die ihm für ihre Leistungen die Klagesum- ZPO). Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, da die me einschließlich der darin enthaltenen Umsatzsteuer in Höhe Aufhebung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des von 100.955,60 € in Rechnung stellte. Nachdem der Kläger ei- Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letz- nen entsprechenden Vorschuss von dem die Zwangsvoll- terem die Sache im Sinne einer vollständigen Abweisung der streckung in das Grundstück betreibenden Gläubiger angefor- Klage zur Endentscheidung reif ist (¤ 563 Abs. 3 ZPO). dert und erhalten hatte, zahlte der Kläger den Rechnungsbetrag, Mitgeteilt von RiBGH Wellner, Karlsruhe dessen Erstattung er von den Beklagten zu 1 und 2 verlangt.

Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 119 Gewerbemiete

5 Die Klage hat gegen die Beklagten zu 1 und 2 vor dem für eine Inanspruchnahme der Beklagten zu 2 unter dem Blick- Landgericht Meiningen Erfolg gehabt. Die gegen die Beklagte winkel der Verursachung einer schädlichen Bodenveränderung zu 3 - eine frühere Mieterin - erhobene Klage ist abgewiesen ist. worden. Die Berufung der Beklagten zu 1 und 2 hat keinen Er- 16 (2) Eine Verpflichtung des Beklagten zu 2 als Verursacher folg gehabt. einer Altlast scheidet ebenfalls aus, da aufgrund der Feststel- 6 Mit ihrer vom Berufungsgericht [OLG Jena] zugelassenen lungen des Berufungsgerichts die Voraussetzungen einer Altlast Revision verfolgen die Beklagten zu 1 und 2 ihren Klageab- nach ¤ 2 Abs. 5 Nr.1 BBodSchG nicht vorliegen. weisungsantrag weiter. 17 (a) Eine Altlast nach ¤ 2 Abs. 5 Nr.1 1. Alternative BBod- SchG kommt nicht in Betracht, weil hier keine stillgelegte Ab- 7 Aus den Gründen: Die Revision hat Erfolg. fallbeseitigungsanlage vorliegt. Zutreffend geht das Beru- fungsgericht davon aus, dass auch eine Abfallverwertungsanla- 8 I. Das Berufungsgericht (ThürVBl. 2009, 126) hat die ge- ge, wie sie hier betrieben wurde, zu den Abfallbeseitigungsan- gen die Beklagten zu 1 und 2 geltend gemachten Zahlungsan- lagen im Sinne des Gesetzes gehört (vgl. Sondermann/Hejma sprüche für begründet erachtet und als Anspruchsgrundlage in: Versteyl/Sondermann aaO, ¤ 2 Rn. 60). Stillgelegt im Sinne dafür § 24 Abs. 2 Satz1 BBodSchG herangezogen. Sowohl der des Gesetzes ist jedoch eine solche Anlage frühestens mit der Kläger als auch beide Beklagten seien Verpflichtete nach dem Beendigung aller Stilllegungsma§nahmen (vgl. Sondermann/ Bundes-Bodenschutzgesetz. Die von der Beklagten zu 2 be- Hejma aaO Rn. 61; Sanden in: Sanden/Schoeneck, BBodSchG, triebene Abfallbeseitigungsanlage habe eine Altlast dargestellt. ¤2 Rn. 74). Da vorliegend die Abfallverwertungsanlage nach Die vom Beklagten zu 2 hinterlassenen Abfälle seien nach § 7 wie vor betrieben wurde, wenn auch durch den neuen Mieter, BBodSchG zu beseitigen gewesen. Die Beweisaufnahme habe so war die Anlage damit nicht stillgelegt und stellte auch keine im Übrigen ergeben, dass 460 t Abfall - wie abgerechnet - ent- Altlast im Sinne des ¤ 2 Abs. 5 Nr.1 1. Alternative BBodSchG sorgt worden seien. Die Entsorgungskosten seien auch üblich dar. und angemessen und dem Kläger stehe auch die in den Rech- 18 (b) Eine Altlast liegt aber auch nicht nach ¤ 2 Abs. 5 Nr.1 nungen enthaltene Mehrwertsteuer zu. 2. Alternative BBodSchG vor. Bei dem Grundstück des Be- 9 II. Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Nachprüfung klagten zu 1 handelte es sich nicht um ein sonstiges Grundstück, nicht stand. auf dem Abfälle behandelt, gelagert oder abgelagert worden wa- ren. 10 1. Revision der Beklagten zu 2 19 Vo raussetzung ist auch insoweit, dass es sich nicht um ein 11 Die Revision der Beklagten zu 2 ist begründet und führt Grundstück einer noch im Betrieb befindlichen Abfallbeseiti- insoweit zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückver- gungsanlage handelt (vgl. BTDrucks. 13/6701 S. 30; Bickel, weisung der Sache an das Berufungsgericht, da die Sache noch aaO ¤ 2 Rn 26; Erbguth/Stollmann, Bodenschutzrecht, 2001, nicht zur Endentscheidung reif ist. Rn. 210). Im vorliegenden Fall lagerten die Reststoffe der Be- klagten zu 2 auf dem Betriebsgelände der Abfallverwertungs- 12 a) Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Beklagte zu 2 sei nach ¤ 24 Abs. 2 Satz1 BBodSchG zur Zahlung des Kla- anlage und nicht au§erhalb. Gegenteiliges ist weder vorgetra- gebetrages verpflichtet, trifft nicht zu. Nach ¤ 24 Abs. 2 Satz1 gen noch vom Berufungsgericht festgestellt worden. Da die An- BBodSchG haben mehrere Verpflichtete untereinander unab- lage durch den neuen Mieter weiterbetrieben wurde und noch hängig von ihrer Heranziehung einen Ausgleichsanspruch, der nicht stillgelegt worden war, handelt es sich bei den Ablage- sich mangels anderweitiger Vereinbarung danach bemisst, in- rungen nicht um solche auf einem sonstigen Grundstück im Sin- wieweit die Gefahr oder der Schaden vorwiegend von dem ei- ne des ¤ 2 Abs. 5 Nr.1 2. Alternative BBodSchG. nen oder anderen Teil verursacht wurde. 20 Unerheblich ist insoweit, ob die neue Mieterin die Ab- fallbeseitigung in der Anlage umgestellt hatte und ob es sich 13 Im Gegensatz zur Ansicht des Berufungsgerichts ist die bei den beseitigten Reststoffen um solche handelte, die aus- Beklagte zu 2 nicht Verpflichtete im Sinne des ¤24 Abs. 2 Satz1 schließlich im Rahmen der Betriebsabläufe der Vormieterin ent- BBodSchG. standen sein konnten oder nur für Zwecke der Vormieterin 14 aa) Eine Verpflichtung zur Gefahrenabwehr ergibt sich für benötigt wurden. Der Betrieb einer Anlage gilt nur dann als still- die Beklagte zu 2 nicht aus ¤ 4 Abs. 3 Satz1 BBodSchG. Da- gelegt, wenn die Produktion völlig eingestellt wird; kein Fall nach hat der Verursacher einer schädlichen Bodenveränderung der Stilllegung liegt dagegen vor, wenn nach einer Produkti- oder Altlast den Boden und Altlasten sowie durch die schädli- onsänderung lediglich in einer neuen Variante produziert wird. chen Bodenveränderungen oder durch Altlasten verursachte Ver- Im Falle einer weiteren Fortführung kommt eine Stilllegung nur unreinigung von Gewässern zu sanieren, so dass dauerhaft kei- dann in Betracht, wenn sich der Betrieb als ein aliud darstellt ne Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigun- (vgl. Sanden aaO ¤ 2 Rn. 74; Kothe VerwArch 1997, 456, 459). gen für den Einzelnen oder die Allgemeinheit entstehen. Solches ist weder vom Berufungsgericht festgestellt noch von den Parteien vorgetragen worden. 15 (1) Im vorliegenden Fall kann aufgrund der Feststellun- 21 (3) Eine Altlast kann auch nicht nach ¤ 2 Abs. 5 Nr. 2 gen des Berufungsgerichts nicht davon ausgegangen werden, BBodSchG in Form eines Altstandortes bejaht werden. Ein Alt- dass eine schädliche Bodenveränderung verursacht wurde. Nach standort liegt nach der Vorschrift bei Grundstücken stillgeleg- ¤2 Abs. 3 BBodSchG sind schädliche Bodenveränderungen im ter Anlagen oder bei sonstigen Grundstücken vor, auf denen Sinne des Gesetzes Beeinträchtigungen der Bodenfunktion, die mit umweltgefährdenden Stoffen umgegangen worden ist. In- geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche soweit scheiden ebenfalls Grundstücke aus, die - wie hier - zu Belästigungen für den Einzelnen oder die Allgemeinheit her- noch im Betrieb befindlichen Anlagen gehören (BT-Drucks. beizuführen. Eine physikalische, chemische oder biologische 13/6701 S. 30; Bickel aaO ¤ 2 Rn. 29). Veränderung der Beschaffenheit des Bodens muss jedoch be- reits eingetreten sein (BT-Drucks. 13/6701, S.19; Versteyl in: 22 bb) Die Beklagte zu 2 ist auch nicht Verpflichtete im Sin- Sondermann/Versteyl, BBodSchG, 2. Aufl., ¤ 4 Rn. 77; Bickel, ne des ¤ 24 Abs. 2 Satz1 BBodSchG, weil sie vorsorgepflichtig BBodSchG, 4. Aufl., ¤ 2 Rn.12). Nach den Feststellungen des nach ¤ 7 Abs.1 Satz1 BBodSchG war. Die entgegenstehende Berufungsgerichts lagerten zwar Abfälle auf dem Grundstück Annahme des Berufungsgerichts hält der rechtlichen Nachprü- und es bestand die Gefahr, dass durch den Einfluss der Witte- fung ebenfalls nicht stand. rung mit Polyoxymethylen verunreinigter Staub in den Boden 23 Gemäß § 3 Abs.1 Nr.11 BBodSchG ist die Vorschrift im hätte gelangen können. Das Berufungsgericht stellt damit je- vorliegenden Fall nicht auf die Beklagte zu 2 anzuwenden. Nach doch nur die Gefahr von Bodenveränderungen fest, nicht jedoch, ¤3 Abs.1 Nr.11 BBodSchG findet das Bundes-Bodenschutz- dass solche bereits eingetreten sind, was jedoch Voraussetzung gesetz auf schädliche Bodenveränderungen und Altlasten nur

120 Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 Gewerbemiete dann Anwendung, wenn die Vorschriften des Bundes-Immissi- Senatsurteil vom 11. Juni 1981 - III ZR 39/80 - NJW 1981, 2457, onsschutzgesetzes und der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen 2458; BGHZ 158, 354, 360). Vielmehr hat der Gesetzgeber mit Rechtsverordnungen über die Errichtung und den Betrieb von ¤ 24 Abs. 2 BBodSchG auf die ständige Rechtsprechung des Anlagen unter Berücksichtigung von Absatz 3 des ¤ 3 BBod- Bundesgerichtshofs reagiert, wonach gesetzliche Ausgleichs- SchG Einwirkungen auf den Boden nicht regeln. ansprüche zwischen mehreren Störern nicht auf eine analoge Anwendung des ¤ 426 BGB gestützt werden können (vgl. 24 Eine die Vorschriften des Bundes-Bodenschutzgesetzes Senatsurteil vom 11. Juni 1981 - III ZR 39/80 - NJW 1981, 2457, verdrängende Spezialregelung ist hier ¤ 5 Abs.1 BImSchG. 2458; BGHZ 158, 354, 360; BGH, Urteil vom 26. September Nach ¤ 5 Abs.1 Nr.1 BImSchG sind genehmigungsbedürftige 2006 - VI ZR 166/05 - NJW 2006, 3628, 3631 m.w.N.; siehe Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass schädliche Um- auch Kobes NVwZ 1998,786, 796). Dass der Gesetzgeber selbst welteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachtei- davon ausging, mit ¤ 24 Abs. 2 Satz1 BBodSchG nur eine auf le und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die den Anwendungsbereich des Bundes-Bodenschutzgesetzes be- Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können. Der An- schränkte Sonderregelung geschaffen zu haben, zeigt auch der wendungsbereich der Vorschrift ist im vorliegenden Fall erfüllt. Umstand, dass er in ¤ 9 Abs. 2 des (auf den vorliegenden Sach- 25 (1) Die Errichtung und der Betrieb der vorliegenden Ab- verhalt noch nicht anwendbaren) Umweltschadensgesetzes fallverwertungsanlage bedurfte der Genehmigung nach ¤ 4 (USchadG) vom 10. Mai 2007 (BGBl. I S. 666) eine eigenstän- Abs.1 BImSchG. Dies wird von den Beklagten unwiderspro- dige Ausgleichsregelung für erforderlich gehalten hat. Die Be- chen vorgetragen und ergibt sich im Übrigen auch aus dem (An- gründung zum Entwurf des Umweltschadensgesetzes lässt er- hörungs-)Schreiben des Umweltamts S. vom 23. Oktober 2006, kennen, dass dem Gesetzgeber zwar die Vorschrift des ¤24 in dem auf den Genehmigungsbescheid für die Anlage Bezug Abs. 2 BBodSchG vor Augen gestanden hat, er aber gleichwohl genommen wird. einen Regelungsbedarf gesehen und diesen nicht etwa deshalb in Frage gestellt hat, weil eine - unmittelbare oder entsprechende 26 (2) Die vom Berufungsgericht festgestellten Gefahren - der Eintrag von Schadstoffen in den Boden durch Witterungs- - Anwendung des ¤ 24 BBodSchG in Betracht komme (vgl. BT- einflüsse und insbesondere Regen - werden auch von der Sache Drucks. 16/3806 S. 26 f). In diesem Zusammenhang fällt ins her von ¤ 5 Abs.1 Nr.1 BImSchG erfasst. Die Schutzpflicht be- Gewicht, dass das Umweltschadensgesetz, was Anwendungs- zieht sich auch im gewissen Umfang auf schädliche Umwelt- bereich und Regelungszweck angeht, dem Bundes-Boden- einwirkungen in der Zukunft und dient damit auch der vorbeu- schutzgesetz jedenfalls nicht ferner steht als das Bundes-Im- genden Gefahrenabwehr (vgl. BVerwGE 119, 329, 332 f; Ja- missionsschutzgesetz. rass, BImSchG, 7. Aufl., ¤ 5 Rn.14). 33 c) Ob dem Kläger aus anderen Gründen der geltend ge- 27 (3) Bodenveränderungen, deren Eintritt das Berufungs- machte Anspruch zustehen kann, hat das Berufungsgericht von gericht für die Zukunft als möglich angesehen hat, stellen ge- seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig nicht geprüft. Da hier- mäß § 3 Abs. 3 Satz1 BBodSchG schädliche Umwelteinwir- zu weitere Feststellungen zu treffen sind, ist dem Senat eine kungen nach ¤ 3 Abs.1, ¤ 5 Abs.1 Nr.1 BImSchG dar, soweit abschließende Entscheidung in der Sache nicht möglich. sie durch Immissionen verursacht werden. Die Voraussetzung einer Immission ist dabei erfüllt, wenn die Schadstoffe durch 34 Bei der neuen Verhandlung und Entscheidung wird ins- ablaufendes Niederschlagswasser in den Boden eingetragen besondere ein Anspruch auf Schadensersatz nach ¤¤ 280, 281, werden und dort die schädliche Bodenveränderung herbeiführen 546 BGB in Betracht zu ziehen sein. Die der Beklagten zu 2 (vgl. Dietlein in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht ‹Stand: Mai obliegende Pflicht, das Betriebsgrundstück nach dem Ende des 2003› § 5 BImSchG Rn. 75; Kotulla, BImSchG ‹Stand: No- Mietverhältnisses zu räumen, umfasste auch die Verpflichtung, vember 2004› § 5 Rn. 48). Von einer derartigen Gefahrenlage ist etwaige noch auf dem Grundstück befindliche Reststoffe zu das Berufungsgericht ausgegangen. beseitigen. Ob dieser Anspruch scheitert, weil nach dem bishe- rigen Sachvortrag der Parteien die nach ¤ 281 Abs.1 Satz1 BGB 28 (4) Räumlich wird die Umwelteinwirkung auf den Boden erforderliche Fristsetzung zur Erfüllung der Leistung durch den im Einwirkungsbereich der Anlage von ¤ 5 Abs.1 BImSchG Kläger nicht erfolgt ist, kann derzeit nicht abschlie§end beur- erfasst (vgl. Dietlein aaO Rn. 74). Eine darüber hinaus gehen- teilt werden. Eine solche Fristsetzung wäre nach § 281 Abs. 2 de Umweltbeeinträchtigung ist weder vorgetragen noch vom BGB entbehrlich gewesen, wenn die Beklagte zu 2 die Erfül- Berufungsgericht festgestellt worden. lung ihrer Räumungspflicht ernsthaft und endgültig verweigert 29 cc) Eine Verpflichtung der Beklagten im Sinne des ¤24 hätte. An eine solche Weigerung sind zwar im Allgemeinen Abs. 2 Satz1 BBodSchG ergibt sich auch nicht aus ¤ 4 Abs.1 strenge Anforderungen zu stellen, die nur erfüllt sind, wenn der BBodSchG. ¤ 3 Abs.1 Nr.11 BBodSchG steht auch der An- Schuldner eindeutig zum Ausdruck bringt, er werde seinen Ver- wendung dieser Vorschrift entgegen. Die Vorschrift entspricht pflichtungen nicht nachkommen, und es damit ausgeschlossen dem Vorsorgegebot aus ¤ 5 Abs.1 Nr.1 und 2 BImSchG (vgl. erscheint, dass er sich durch eine Aufforderung zur Leistung Versteyl aaO ¤ 4 Rn. 7; Dombert in: Landmann/Rohmer aaO umstimmen lie§e (BGH, Urteil vom 17. Oktober 2008 V ZR ‹Stand: März 2001› § 4 BBodSchG Rn. 4). 31/08 - NJW 2009, 1813, 1816 Rn. 29 m.w.N.). Bei Mietver- hältnissen nimmt der Bundesgerichtshof jedoch eine derartige 30 b) Der geltend gemachte Anspruch des Klägers kann auch ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung bereits dann nicht auf eine analoge Anwendung des ¤ 24 Abs. 2 Satz1 BBod- an, wenn der Mieter ohne die Vornahme der geschuldeten In- SchG gestützt werden. standsetzung auszieht und auch keine Anstalten für die Vorbe- 31 Eine solche analoge Anwendung wird in der Literatur vor reitung oder Ausführung der erforderlichen Maßnahmen ge- allem dann für möglich gehalten, wenn die Inanspruchnahme troffen hat (vgl. BGH, Urteile vom 19. November 1997 - XII des ordnungsrechtlichen Störers wegen ¤ 3 Abs.1 Nr.11 BBod- ZR 281/95 - NJW 1998, 1303, 1304 [=WuM 1998, 155]; vom SchG nicht auf die Vorschriften des Bundes- Bodenschutzge- 10. Juli 1991 - XII ZR 105/90 - NJW 1991, 2416, 2417 [=WuM setzes gestützt werden kann, sondern insbesondere auf ¤ 5 Abs.1 1991, 550]; BGHZ 49, 56, 59 f jeweils für die Durchführung BImSchG (vgl. Wagner ZfIR 2003, 841, 843). von Schönheitsreparaturen nach Mietvertragsende). Die Par- teien haben im weiteren Verfahren Gelegenheit, zu diesem Punkt 32 Eine solche analoge Anwendung scheidet jedoch aus. Be- ergänzend vorzutragen. reits der Wortlaut des ¤ 3 Abs.1 Nr.11 BBodSchG schlie§t die Anwendung des gesamten Bundes-Bodenschutzgesetzes und 35 Das Berufungsgericht wird sich im weiteren Verfahren ge- damit auch dessen ¤ 24 ausdrücklich aus. Darüber hinaus ist zu gebenenfalls auch mit den weiteren Rügen der Beklagten zu 2 beachten, dass es keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz des öf- zur Schadenshöhe auseinanderzusetzen haben, auf die näher fentlichen Rechts gibt, wonach ein Ausgleich zwischen mehre- einzugehen der Senat im derzeitigen Verfahrensstadium keine ren Störern im Sinne des Ordnungsrechts stattzufinden hat (vgl. Veranlassung hat.

Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 121 Gewerbemiete

36 2. Revision des Beklagten zu 1 Diesem ist gemäß §148 Abs. 2 ZVG die Verwaltung und Nut- 37 Die Revision des Beklagten zu 1 ist ebenfalls begründet. zung des Grundstücks entzogen. Er kommt deshalb als Zu- standsstörer während der laufenden Zwangsverwaltung grund- 38 a) Die Ausführungen des Berufungsgerichts, auch gegen sätzlich nicht in Betracht (vgl. Götz, Allgemeines Polizei- und den Beklagten zu 1 bestehe ein Anspruch der Klägerin in Höhe Ordnungsrecht, 14. Aufl., S. 78; Rühle/Suhr, Polizei- und Ord- der Klageforderung nach ¤ 24 Abs. 2 Satz1 BBodSchG, halten nungsbehördengesetz Rheinland- Pfalz, 2000, S. 92; Drews/ einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., 327 f, Dues- 39 Die Feststellungen des Berufungsgerichts tragen keine mann, Die Verantwortlichkeit für schädliche Bodenverände- Verurteilung des Beklagten zu 1 nach ¤ 24 Abs. 2 Satz1 BBod- rungen und Altlasten nach dem Bundes-Bodenschutzgesetz, SchG in seiner Eigenschaft als Eigentümer des mit einer nach S. 77 f). den Bestimmungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes ge- 48 Ob dies deshalb in Frage zu stellen ist, weil möglicher- nehmigten Anlage bebauten Betriebsgrundstücks. Insoweit gilt weise dem Beklagten zu 1 mittels einer Duldungsverfügung ge- das oben zu 1 a Gesagte entsprechend. Ergänzend ist zu be- gen den Kläger als Zwangsverwalter eine Einwirkung auf sein merken, dass der sich aus ¤ 3 Abs.1 Nr.11 BBodSchG erge- Grundstück, von dem die Gefahr ausging, hätte aufgegeben wer- bende Vorrang der Regelungen des Bundes-Immissionsschutz- den können (vgl. VG Würzburg, Urteil vom 23. Mai 2006 - W gesetzes mit Blick auf den Beklagten zu 1 auch nicht deshalb 4 K 05. 592 - juris Rn. 28 ff für einen besonders gelagerten Ein- in Frage gestellt ist, weil ¤ 5 Abs.1 BImSchG nur Pflichten für zelfall), kann hier dahinstehen. Solange nicht erkennbar ist, dass den Anlagenbetreiber und nicht für den davon personenver- die Ordnungsbehörde selbst diesen Weg einschlagen will oder schiedenen Eigentümer begründet (vgl. Jarass, aaO ¤ 5 Rn.10). auch nur für gangbar hält, kann derjenige, der tatsächlich in Ein Rückgriff auf das Bundes-Bodenschutzgesetz hinsichtlich Anspruch genommen wird oder dessen Inanspruchnahme ins der in ¤ 7 Satz1 BBodSchG zusätzlich genannten Adressaten Auge gefasst wird, sich unter dem Blickwinkel einer Ge- wie den Grundstückseigentümer kommt nicht in Betracht (vgl. schäftsführung ohne Auftrag nicht darauf berufen, dass er eine Bickel, aaO ¤ 3 Rn.18; Schäling, Grenzen der Sanierungsver- fremde Verpflichtung durch die Beseitigung der Gefahr erfüllt antwortlichkeit nach dem Bundes-Bodenschutzgesetz, 2008, hat (vgl. Senatsurteil vom 11. Juni 1981 - III ZR 39/80 - NJW S. 80, 82; a.A. Nicklas LKV 2000, 376, 379). Auch aus der Ge- 1981, 2457, 2458). Im vorliegenden Fall hat das Staatliche Um- setzesbegründung ergibt sich kein Anhalt dafür, dass der Ge- weltamt mit seinem Schreiben vom 23. Oktober 2006 den Klä- setzgeber nur hinsichtlich bestimmter Adressaten den Vorrang ger angehört und dessen Inanspruchnahme zur Entsorgung der des Bundes-Immissionsschutzgesetzes begründen und im Übri- Reststoffe in Aussicht gestellt. Der Anhörung ist nicht zu ent- gen eine parallele Anwendung des Bundes-Bodenschutzgeset- nehmen, dass die Behörde beabsichtigte, mit einer Duldungs- zes und des Bundes-Immissionsschutzgesetzes ermöglichen verfügung gegen den Kläger vorzugehen und dann den Be- wollte. Vielmehr sollten anlagebezogene Anforderungen und klagten zu 1 als Eigentümer in Anspruch zu nehmen. Es ver- die Abwehr schädlicher Umwelteinwirkungen einheitlich im bleibt deshalb dabei, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Besei- Bundes- Immissionsschutzgesetz geregelt sein (BT-Drucks. tigung der Reststoffe keine Verpflichtung des Beklagten zu 1 13/6701, S. 33). erfüllt hat, so dass unter diesem Gesichtspunkt eine Geschäfts- 40 b) Das Urteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen führung ohne Auftrag durch den Kläger nicht in Betracht im Ergebnis als richtig dar. kommt. 41 aa) Ein Anspruch des Klägers gegen den Beklagten zu 1 49 bb) Mangels Befreiung des Beklagten zu 1 von einer Ver- lässt sich nicht auf §§ 683, 677, 670 BGB stützen, weil der Klä- pflichtung im Hinblick auf die Entsorgung der Reststoffe schei- ger durch die Beseitigung der Reststoffe auf dem Grundstück den auch Ansprüche des Klägers gegen ihn aus ungerechtfer- eine Verpflichtung des Beklagten zu 1 als dessen Eigentümer tigter Bereicherung aus. nicht erfüllt hat. 50 c) Hinsichtlich der Revision des Beklagten zu 1 kann der 42 (1) Eine Verpflichtung des Beklagten zu 1 zur Abfallbe- Senat selbst entscheiden, da die Sache zur Endentscheidung reif seitigung ergab sich nicht aus dem Bundes-Bodenschutzgesetz, ist (¤ 563 Abs. 3 ZPO). da insoweit die Vorschriften des Bundesimmissionsschutzge- setzes - wie ausgeführt - vorrangig sind. Mitgeteilt von RiBGH Wellner, Karlsruhe 43 (2) Eine Verpflichtung zur Beseitigung ergab sich auch nicht aus ¤ 5 Abs.1 BImSchG, da sich insoweit nur Pflichten ¤180 ZPO für den Anlagenbetreiber ergeben, nicht jedoch für den davon Ersatzzustellung bei aufgegebenen Geschäftsräumen personenverschiedenen Eigentümer. 44 (3) Der Kläger hat auch keine Verpflichtung des Beklag- Bei bereits aufgegebenen Geschäftsräumen kann eine Er- ten zu 1 im Hinblick auf die Gefahrenabwehr nach dem allge- satzzustellung durch Einlegung in den Briefkasten nicht er- meinen Ordnungsrecht erfüllt. folgen. 45 (a) Eine Verpflichtung des Beklagten zu 1 nach ¤10 Abs.1, (BGH, Beschluss vom 22.10. 2009 Ð IX ZB 248/08) 3 ThürOGB scheidet aus. Der Vortrag des Klägers hierzu er- schöpft sich in dem Verweis auf die gesellschaftsrechtliche Stel- 1 Zum Sachverhalt: Der Beklagte begehrt die Fortsetzung ei- lung des Beklagten zu 1 als Gesellschafter und zugleich Vor- nes gegen ihn gerichteten Schadensersatzprozesses wegen be- stand der Beklagten zu 2 und ist nicht hinreichend, um eine haupteter Verletzung seiner Pflichten aus einem Steuerberater- persönliche Inanspruchnahme des Beklagten zu 1 als Verursa- vertrag. Gegen ihn erging Vollstreckungsbescheid. Er macht gel- cher einer ordnungsrechtlichen Gefahr im Sinne des ¤10 tend, dieser sei nicht wirksam zugestellt worden, hilfsweise be- ThürOBG zu begründen. antragt er Wiedereinsetzung in die versäumte Einspruchsfrist. 46 (b) Ebenso wenig kommt eine Inanspruchnahme des Be- 2 Der Beklagte betrieb sein Büro in einem mit der Haus- klagten zu 1 gemäß §11 ThürOBG in Betracht. Nach Absatz 1 nummer 5 gekennzeichneten Anbau des Wohnhauses mit der dieser Vorschrift sind die Ma§nahmen zur Gefahrenabwehr ge- gen den Inhaber der tatsächlichen Gewalt zu richten, sofern die Gefahr von einer Sache ausgeht. Gemäß §11 Abs. 2 ThürOBG können die Maßnahmen auch gegen den Eigentümer gerichtet werden, es sei denn, der Inhaber der tatsächlichen Gewalt übt diese ohne den Willen des Eigentümers aus. 47 Im vorliegenden Fall übt der Kläger als Zwangsverwalter www.gmbbl.de die tatsächliche Gewalt ohne den Willen des Beklagten zu 1 aus.

122 Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 Gewerbemiete

Hausnummer 3, in dem er mit seiner Ehefrau lebt. Die Büroräu- eröffnet würden (BGH, Urt. v. 27. Oktober 1987 - VI ZR 268/86, me hatte er bis zur Aufgabe seiner Tätigkeit am 31. Oktober NJW 1988, 713; v. 13. Oktober 1993 - XII ZR 120/92, NJW- 2007 von seiner Ehefrau gemietet. Nach Einstellung der Be- RR 1994, 564, 565; Beschl. v. 19. Juni 1996 - XII ZB 89/96, rufstätigkeit entfernte der Beklagte sein Kanzleischild sowie die NJW 1996, 2581; v. 14. September 2004 aaO). Namensschilder von Klingel und Briefkasten (Briefschlitz in der Eingangstür). Dem für das Gebiet zuständigen Briefträger 19 dd) Das Beschwerdegericht meint, an die Erkennbarkeit teilte er mit, dass er sein Büro geschlossen habe und dass für von Aufgabewillen und Aufgabeakt seien bei einem Geschäfts- ihn bestimmte Post in den Briefkasten der Hausnummer 3 ein- lokal strengere Anforderungen zu stellen, jedenfalls wenn die geworfen werden möge. Die ehemaligen Büroräume blieben in Räume anschließend leer stehen. Der bisherige Inhaber der Ge- der Folge unbenutzt. schäftsräume müsse jedenfalls in diesem Fall sicherstellen, dass an ihn gerichteter Schriftverkehr nicht in den Briefkasten der 3 Der Kläger erwirkte zunächst den Erlass eines Mahnbe- leer stehenden Räume eingelegt werde. Deshalb müsse er nach scheides gegen den Beklagten, der am 9. Januar 2008 in den den Umständen den Briefschlitz zukleben, ein Hinweisschild Briefkasten des Anbaus mit der Hausnummer 5 eingelegt wur- anbringen oder einen Nachsendeauftrag stellen. Unterblieben de. Am 5. Februar 2008 erging ein Vollstreckungsbescheid, der derartige Ma§nahmen, spreche einiges dafür, dass der ehema- laut Aktenausdruck am 7. Februar 2008 in Hausnummer 5 zu- lige Inhaber der Geschäftsräume es geradezu darauf anlege, an gestellt wurde. Auf der Zustellungsurkunde ist vermerkt: ãWeil ihn gerichtete Post nicht zu erhalten. Das blo§e Entfernen des die Übergabe des Schriftstückes in der Wohnung/in dem Ge- Namensschildes genüge nicht, weil nicht davon ausgegangen schäftsraum nicht möglich war, habe ich das Schriftstück in den werden könne, dass der jeweils tätige Zusteller mit den bishe- zur Wohnung gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vor- rigen örtlichen Gegebenheiten vertraut sei. richtung eingelegt.“ 20 ee) Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. 14 Aus den Gründen: II. 2. b) […] Eine wirksame Ersatzzu- stellung gemäß §180 ZPO liegt entgegen der Ansicht der Vorin- 21 Nach der Regelung der ¤¤178 ff ZPO wird für die Er- stanzen nicht vor. Diese setzt bei Geschäftsräumen voraus, dass satzzustellung vorausgesetzt, dass eine Wohnung oder ein Ge- eine Zustellung nach ¤178 Abs.1 Nr. 2 ZPO nicht ausführbar schäftsraum tatsächlich vorhanden ist. In beiden Fällen kann es war. Dann kann ein Schriftstück in einen zu dem Geschäftsraum deshalb bei einer Aufgabe der Wohnung oder des Geschäfts- gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung ein- raums nur darum gehen, möglichen Manipulationen vorzubeu- gelegt werden. Mit der Einlegung gilt das Schriftstück dann als gen. Es muss der Wille, die Geschäftsräume aufzugeben, nach zugestellt, ¤180 Sätze 1 und 2 ZPO. Ein Geschäftsraum in die- au§en erkennbaren Ausdruck gefunden haben. Insoweit gilt sem Sinne lag jedoch bei der Zustellung nicht vor. nichts anderes als bei Wohnräumen. Aus ¤¤178 ff ZPO ergibt sich auch bei Geschäftsräumen keine Verpflichtung des Inha- 15 aa) Zutreffend geht das Beschwerdegericht davon aus, dass bers, bei einer tatsächlichen, nach au§en erkennbaren Aufgabe die Ersatzzustellung nach ¤180 Satz1 ZPO voraussetzt, dass des Geschäftsraums zusätzliche Vorsorge dafür zu treffen, dass die Räume von dem Adressaten tatsächlich als Geschäftsraum Sendungen nicht gleichwohl in den Briefkasten oder Briefschlitz genutzt werden (BGH, Urt. v. 19. März 1998 - VII ZR 172/97, eingeworfen werden. Ebenso wenig besteht eine Verpflichtung, ZIP 1998, 862, 863; v. 2. Juli 2008 - IV ZB 5/08, ZIP 2008, ein Schild anzubringen, auf dem ausdrücklich darauf hinge- 1747, 1748 [= GuT 2008, 446]; für die vergleichbare Rechtsla- wiesen wird, dass die Geschäftsräume aufgegeben sind. Damit ge bei der Wohnung vgl. etwa BGH, Urt. v. 14. September 2004 würde dem Empfänger das Risiko der Wirksamkeit zweifel- - XI ZR 248/03, NJW-RR 2005, 415 [=WuM 2004, 676]). hafter Ersatzzustellungen auferlegt. Dies sieht ¤180 ZPO nicht 16 Ein Geschäftslokal ist vorhanden, wenn ein dafür be- vor. Dem Zustellungsempfänger kann eine ungenaue oder sorg- stimmter Raum - und sei er auch nur zeitweilig besetzt - ge- lose Arbeit des Zustellers ebenso wenig zugerechnet werden schäftlicher Tätigkeit dient und der Empfänger dort erreichbar wie dessen Irrtum über das Vorliegen eines Geschäfts- oder ist (BGH, Urt. v. 19. März 1998, aaO; Beschl. v. 2. Juli 2008 - Wohnraums. IV ZB 5/08, ZIP 2008, 1747, 1748 Rn. 7 [= GuT 2008, 446]; für die vergleichbare Rechtslage bei der Wohnung vgl. z. B. BGH, 22 Im vorliegenden Fall hatte der Beklagte unstreitig alle Urt. v. 14. September 2004 aaO). Kanzlei- und Namensschilder unmittelbar nach dem 31. Okto- ber 2007 entfernt und den Geschäftsraum geräumt. Mehr konn- 17 bb) Ebenfalls noch zutreffend hat das Beschwerdegericht te von ihm nicht verlangt werden. Er hat damit für einen mit den gesehen, dass ein solcher Geschäftsraum nicht mehr vorliegt, Verhältnissen vertrauten Beobachter zweifelsfrei zum Ausdruck wenn der vormalige Inhaber die Räumlichkeiten nicht mehr für gebracht, dass er die Geschäftsräume aufgab. Für einen Zustel- seine Geschäftszwecke nutzt und Aufgabewille und Aufgabe- ler, der mit den Gegebenheiten vor Ort nicht vertraut war, gab akt erkennbar sind. Wann diese Voraussetzungen vorliegen, ist es danach auch keinen Anhaltspunkt mehr dafür, dass die Räu- bislang allerdings bei Geschäftsräumen höchstrichterlich nicht me die Geschäftsräume des Beklagten sein könnten. Der übli- geklärt. cherweise zuständige Briefträger war über die Aufgabe der Ge- 18 cc) Bei der Frage, ob eine Wohnung mit der Folge aufge- schäftsräume ohnehin ausdrücklich unterrichtet. geben worden ist, dass dort eine Zustellung nicht mehr vorge- 23 Dem Beschwerdegericht ist zwar darin zuzustimmen, dass nommen werden kann, ist nach der ständigen Rechtsprechung es dem Beklagten nach den besonderen Umständen des Ein- des Bundesgerichtshofs nicht allein auf die blo§e Absicht des zelfalles wohl möglich gewesen wäre, sich gleichwohl Kennt- bisherigen Inhabers der Wohnung abzustellen, dort künftig nicht nis von der Post zu verschaffen, die bei seinen ehemaligen Kanz- mehr wohnen zu wollen. Dieser Wille muss vielmehr, ähnlich leiräumen eingeworfen wurde. Das ändert aber nichts daran, wie bei der Aufhebung des Wohnsitzes nach ¤ 7 Abs. 3 BGB, in dass die Voraussetzungen einer Ersatzzustellung nicht vorlagen. seinem gesamten Verhalten zum Ausdruck kommen. Der Wil- Auf die Möglichkeit des Zustellungsempfängers, sich Kennt- le des Wohnungsinhabers zur Aufgabe der Wohnung muss also nis von dem Inhalt von Sendungen zu verschaffen, die ohne das nach au§en erkennbar und in seinem Verhalten Ausdruck ge- Vorliegen der Voraussetzungen einer Ersatzzustellung einge- funden haben. Zwar setzt die Aufgabe einer Wohnung nicht vor- worfen wurden, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. aus, dass ihr Inhaber alle Merkmale beseitigt, die den Anschein erwecken könnten, er wohne dort auch weiterhin. Der Aufga- 24 ff) Da die Einspruchsfrist somit nicht versäumt war, kam bewille muss aber, wenn auch nicht gerade für den Absender es auf den nur hilfsweise gestellten Antrag auf Wiedereinset- eines zuzustellenden Schriftstückes oder die mit der Zustellung zung nicht an. Das Landgericht wird nunmehr dem Rechtsstreit betraute Person, so doch jedenfalls für einen mit den Verhält- Fortgang zu geben haben. nissen vertrauten Beobachter erkennbar sein. Hierauf kann nicht verzichtet werden, weil sonst Möglichkeiten zur Manipulation Mitgeteilt von RiBGH Wellner, Karlsruhe

Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 123 Gewerbemiete

¤¤ 233, 184, 168, 178, 180 ZPO; ¤ 8 InsO ¤ 811 ZPO Zustellung durch Aufgabe zur Post; Zwangsvollstreckung; Pfändungsverbot; Ersatzzustellung durch lizensiertes Postunternehmen; Pfändungsschutz; Kfz des Schuldners im Gebrauch Geschäftsanschrift ohne Briefkasten; Postfach des Ehegatten zur Erwerbstätigkeit; Pendlerverkehr zum Arbeitsplatz Erhält ein Verfahrensbeteiligter ein durch Aufgabe zur Post zugestelltes gerichtliches Schriftstück nicht, so ist die a) Unpfändbar sind auch die Gegenstände des Schuld- Wiedereinsetzung in eine durch die Zustellung in Lauf ge- ners, die sein Ehegatte zur Fortsetzung einer Erwerbstätig- setzte Notfrist nicht geboten, wenn ein lizenziertes Postun- keit benötigt. ternehmen eine Ersatzzustellung an der angegebenen Ge- b) Zur Fortsetzung der Erwerbstätigkeit im Sinne des schäftsanschrift, ohne dass dies von der Zustellungsemp- ¤ 811 Abs.1 Nr.5 ZPO erforderliche Gegenstände können fängerin mitgeteilt worden wäre, nicht durch Einlegen in ei- auch Kraftfahrzeuge sein, die ein Arbeitnehmer für die täg- nen Briefkasten vornehmen kann und mangels Angabe des lichen Fahrten von seiner Wohnung zu seinem Arbeitsplatz Zustellungsempfängers auch von einem nicht bei ihm un- und zurück benötigt. terhaltenen Postfach keine Kenntnis haben muss. (BGH, Beschluss vom 21.1. 2010 Ð IX ZB 83/06) (BGH, Beschluss vom 28.1. 2010 Ð VII ZB 16/09)

1 Zum Sachverhalt: Die Gläubigerin betreibt aus drei Voll- 9 Aus den Gründen: II. 3. b) Es mag zwar sein, dass die streckungstiteln wegen einer Forderung von insgesamt Schuldnerin in die versäumte Frist der sofortigen Beschwerde € wiedereinzusetzen gewesen wäre, wenn die zugestellte Ent- 2459,79 die Zwangsvollstreckung gegen die Schuldnerin. scheidungsabschrift auf dem Postwege verloren gegangen wä- 2 Die Schuldnerin ist erwerbsunfähig und bezieht eine Ren- re oder sonstwie ohne ihr Verschulden sie erst nach Ablauf der te in Höhe von etwa 840 € netto. Sie lebt zusammen mit ihrem Notfrist des ¤ 569 ZPO erreicht hätte (vgl. BGH, Beschl. v. 24. Ehemann und drei Kindern im Alter zwischen 14 und 18 Jah- Juli 2000 - II ZB 20/99, NJW 2000, 3284, 3285). Die Gründe, ren in dem Dorf K. Der Ehemann der Schuldnerin ist in der mit denen das Beschwerdegericht die Wiedereinsetzung der Kreisstadt N. beschäftigt mit regelmäßigen Arbeitszeiten von Schuldnerin nach ¤ 233 ZPO abgelehnt hat, sind nach diesem 7.00 Uhr bis 15. 45 Uhr, ab und zu auch bis 17. 30 Uhr. Für die Ausgangspunkt jedoch rechtlich bedenkenfrei. Fahrten zur Arbeitsstelle verwendet er einen Pkw Ford Mon- 10 Die Schuldnerin ist im Verfahren unter ihrer Geschäfts- deo, Baujahr 1994, den er am 29. April 2006 zum Preis von € anschrift aufgetreten, ohne darauf hinzuweisen, dass dort ein 1900 erworben hat. Der Pkw ist auf die Schuldnerin zuge- Briefkasten nicht vorhanden war, so dass Ersatzzustellungen lassen. nach ¤180 ZPO ausschieden und nur während der Geschäfts- 3 Die Gläubigerin hat die Gerichtsvollzieherin beauftragt, zeit gemäß §178 Abs.1 Nr. 2 ZPO in den Geschäftsräumen diesen Pkw zu pfänden. Die Gerichtsvollzieherin hat den Auf- durch Übergabe an eine dort beschäftigte Person vorgenommen trag abgelehnt. Die dagegen eingelegte Erinnerung der Gläubi- werden konnten. Die Schuldnerin durfte nach ¤168 Abs.1 Satz 2 gerin hat das Amtsgericht Nordhausen - Vollstreckungsgericht ZPO, ¤ 33 Abs.1 des Postgesetzes auch nicht davon ausgehen, - zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde gegen diesen Be- dass jedes gerichtlich beauftragte lizensierte Zustellunterneh- schluss ist ohne Erfolg geblieben. Das Beschwerdegericht [LG men Kenntnis von ihrem Postfach, welches sie in diesem Ver- Mühlhausen – 2 T 286/08) hat die Rechtsbeschwerde zugelas- fahren gleichfalls nicht mitgeteilt hatte, besa§ und eine Zustel- sen. Mit dieser begehrt die Gläubigerin, die Gerichtsvollziehe- lung dort bewirken würde. rin anzuweisen, den Vollstreckungsauftrag auszuführen. 11 Die Schuldnerin hat au§erdem die Wiedereinsetzungsfrist des ¤ 234 ZPO versäumt. Ihr Geschäftsführer hatte nach seinem 4 Aus den Gründen: II. Die gemäß § 574 Abs.1 Satz1 Nr. 2 am 25. Januar 2006 beim Insolvenzgericht eingegangenen Ak- ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbe- teneinsichtsgesuch damals bereits Kenntnis davon, dass ein An- schwerde ist unbegründet. trag auf Festsetzung der Verwaltervergütung gestellt worden 5 1. Das Beschwerdegericht, dessen Entscheidung bei juris war. Schon mit diesem Wissensstand war das Hindernis gegen dokumentiert ist, führt aus, der Pkw sei gemäß § 811 Abs.1 Nr. 5 die Wahrung der Beschwerdefrist gemäß § 234 Abs. 2 ZPO be- ZPO nicht pfändbar, da er für die Fortsetzung der Erwerbstä- hoben. Denn es bestand jedenfalls danach für die Schuldnerin tigkeit des Ehemanns der Schuldnerin erforderlich sei. Zwar hinreichender Anlass, nach der öffentlichen Bekanntmachung benötige die Schuldnerin selbst das Fahrzeug nicht für eine Er- eines möglicherweise bereits ergangenen Festsetzungsbe- werbstätigkeit. Doch auch ihr Ehemann gehöre zu dem durch schlusses zu forschen. Diese Nachforschung hätte der Schuld- ¤ 811 Abs.1 Nr. 5 ZPO geschützten Personenkreis. Das Zwangs- nerin die Kenntnis von der Veröffentlichung vom 12. Dezem- vollstreckungsrecht sei dadurch geprägt, dass dem Schuldner ber 2005 verschafft, mit welcher der angefochtene Festset- und seiner Familie zumindest so viel verbleiben müsse, dass, zungsbeschluss vom 9. Dezember 2005 öffentlich bekannt ge- wenn auch in bescheidenem Umfang, davon gelebt werden kön- macht worden war. Ergänzend hätte die Schuldnerin dann in- ne. Dem Schuldner müsse daher auch das belassen werden, was nerhalb der Nachholungsfrist Akteneinsicht nehmen und die so- dazu diene, die für den notwendigen Lebensunterhalt erforder- fortige Beschwerde, wie geschehen notfalls gemäß § 569 Abs. 3 lichen Mittel zu erzielen. Dabei könne es keinen Unterschied ZPO zu Protokoll der Geschäftsstelle, für eine Wiedereinset- machen, ob der Schuldner selbst mittels eines Fahrzeugs Er- zung in den vorigen Stand rechtzeitig erheben können. werbseinkommen erziele oder ob er dieses seinem Ehegatten Mitgeteilt von RiBGH Wellner, Karlsruhe zur Verfügung stelle,damit dieser für den Familienunterhalt sor- gen könne. Bleibe dem Ehemann der Schuldnerin der Pkw er- halten, könne er weiterhin seine Unterhaltsverpflichtungen aus www.gut-netzwerk.de ¤1360 BGB erfüllen. Eine weite Auslegung von ¤ 811 Abs.1 Nr. 5 ZPO sei daher auch durch Art. 6 GG geboten. Der Ge- Fachleute auf den Gebieten Recht, Wirtschaft, genmeinung, die vor allem aus dem Wortlaut schlie§e, dass Wettbewerb, Steuern, Miete, Leasing, Immobilien, ¤ 811 Abs.1 Nr. 5 ZPO nur für den Schuldner gelte, könne aus Stadtentwicklung, Architektur, Politik und Kultur diesen Gründen nicht gefolgt werden. Der Pkw sei auch zur Aus- übung der Erwerbstätigkeit des Ehemanns der Schuldnerin er- im Netzwerk Gewerbemiete und Teileigentum forderlich. Es werde heute als selbstverständlich angesehen, dass der Arbeitnehmer mit dem Fahrzeug zur Arbeitsstelle fah- Erleichtern Sie Ratsuchenden die Kontaktaufnahme über re. Es sei dem Ehemann der Schuldnerin nicht zuzumuten, ge- das GuT-Netzwerk! gebenenfalls stundenlang auf ein öffentliches Verkehrsmittel zu

124 Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 Gewerbemiete warten, wenn es in der ländlichen Region, in der die Familie DGVZ 1984, 138, 140; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., wohne, überhaupt noch verkehre. Unbestritten hei§e es in dem ¤ 811 Rdn. 55). Dieses Ergebnis ist mit Sinn und Zweck des angefochtenen Beschluss des Amtsgerichts, es sei gerichtsbe- ¤ 811 ZPO nicht in Übereinstimmung zu bringen. kannt, dass öffentliche Verkehrsmittel zur Realisierung der Ar- 14 (2) Der Wortlaut von ¤ 811 Abs.1 ZPO zwingt nicht zu ei- beitszeiten des Ehemanns der Schuldnerin nicht zur Verfügung ner anderen Auslegung. Zwar ist es richtig, dass die Familie stünden. des Schuldners in den Nummern 1, 2, 3, 4, 4 a, 10 und 11 aus- 6 2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand. drücklich genannt ist, während in Nummer 5 nur vom Schuld- 7 a) Zutreffend ist die Ansicht des Beschwerdegerichts, die ner die Rede ist. Daraus folgt jedoch nicht, dass der Gesetzge- Schuldnerin könne sich auf § 811 Abs.1 Nr. 5 ZPO berufen, ob- ber eine erweiternde Auslegung dieser Vorschrift nicht zulas- wohl ihr Ehemann den Pkw für die Fahrten zu seiner Arbeits- sen wollte, die sich am Schutz der Familie und am Sozial- stelle benutze. Denn der Schutzbereich der Vorschrift erstreckt staatsprinzip orientiert. Eine solche Wertung kann weder - wie sich auch auf ihn. die Rechtsbeschwerde meint - direkt aus ¤1362 BGB noch da- raus abgeleitet werden, dass gemäß § 739 ZPO für den Fall der 8 aa) Nach der überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung Eigentumsvermutung des ¤1362 BGB unbeschadet der Rech- und Literatur greift ¤ 811 Abs.1 Nr. 5 ZPO auch dann ein, wenn te Dritter für die Durchführung der Zwangsvollstreckung nur der beim Schuldner zu pfändende Gegenstand von seinem Ehe- der Schuldner als Gewahrsamsinhaber und Besitzer gilt. Diese gatten für eine eigene Erwerbstätigkeit benötigt wird (OLG Regelungen erleichtern den Gläubigern eines Ehegatten den Zu- Hamm, DGVZ 1984, 138; LG Nürnberg-Fürth, DGVZ 1963, griff auf dessen Vermögen (BGH, Urteil vom 26. November 101; Zöller/Stöber, ZPO, 28. Aufl., ¤ 811 Rdn. 24; Stein/Jo- 1975 - VIII ZR 112/74, NJW 1976, 238, 239) und die Zwangs- nas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., ¤ 811 Rdn. 55; Schuschke/Wal- vollstreckung gegen den schuldenden Ehegatten. Sie schalten ker/Walker, ZPO, 4. Aufl., ¤ 811 Rdn. 32; MünchKomm- jedoch nicht die sozialpolitisch motivierten Regelungen des ZPO/Gruber, 3. Aufl., ¤ 811 Rdn. 39; Musielak/Becker, ZPO, ¤ 811 ZPO aus (LG Nürnberg-Fürth, DGVZ 1963, 101 mit Anm. 7. Aufl., ¤ 811 Rdn. 17; PG/Flury, ZPO, ¤ 811 Rdn. 27; Wiec- Mümmler). Mit der Anwendung des ¤ 811 ZPO wird ¤ 739 ZPO zorek/Schütze/Lüke, ZPO, 3. Auf., ¤ 811 Rdn. 34). entgegen der Auffassung des OLG Stuttgart (DGVZ 1963, 152, 9 Nach anderer, vor allem am Wortlaut der Norm orientier- 153) nicht sinnentleert. Diese Regelung kommt in vollem Um- ter Ansicht soll ¤ 811 Abs.1 Nr. 5 ZPO allein für den Schuldner fang zur Geltung. Die Pfändungsmöglichkeit wird lediglich un- gelten (OLG Stuttgart, DGVZ 1963, 152; LG Augsburg, Rpfle- ter mit dem Gewahrsam nicht zusammenhängenden Gesichts- ger 2003, 203; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 30. Aufl., ¤ 811 punkten eingeschränkt. Unerheblich ist entgegen der Auffas- Rdn. 25; HK-ZPO/Kemper, 3. Aufl., ¤ 811 Rdn. 23; Müller, sung der Rechtsbeschwerde, aus welchen Gründen nicht derje- Zwangsvollstreckung gegen Ehegatten, S. 40 ff.). nige Eigentümer ist, der den Gegenstand zur Fortsetzung sei- 10 bb) Die erstgenannte Meinung trifft zu. ner Erwerbstätigkeit nutzt. Selbst wenn die Schuldnerin deshalb Eigentümerin des Fahrzeugs sein sollte, weil ihr Ehemann sich 11 (1) Dafür spricht der Gesetzeszweck. Die Pfändungsver- bote des ¤ 811 Abs.1 ZPO dienen dem Schutz des Schuldners in einem Insolvenzverfahren befand und noch Kraftfahrzeug- aus sozialen Gründen im öffentlichen Interesse und beschrän- steuerrückstände hatte, ändert das nichts daran, dass er das Fahr- ken die Durchsetzbarkeit von Ansprüchen mit Hilfe staatlicher zeug zur Fortsetzung seiner Erwerbstätigkeit benutzt. Zwangsvollstreckungsma§nahmen. Sie sind Ausfluss der in 15 b) Zu Unrecht meint die Rechtsbeschwerde, die Feststel- Art.1 GG und Art. 2 GG garantierten Menschenwürde bzw. all- lung des Beschwerdegerichts, das Fahrzeug sei für den Ehe- gemeinen Handlungsfreiheit und enthalten eine Konkretisierung mann der Schuldnerin zur Fortsetzung seiner Erwerbstätigkeit des verfassungsrechtlichen Sozialstaatsprinzips (Art. 20 Abs.1, erforderlich, sei rechtsfehlerhaft erfolgt. Art. 28 Abs.1 GG). Dem Schuldner und seinen Familienan- 16 aa) Zur Fortsetzung der Erwerbstätigkeit im Sinne des gehörigen soll durch sie die wirtschaftliche Existenz erhalten ¤ 811 Abs.1 Nr. 5 ZPO erforderliche Gegenstände können auch werden, um - unabhängig von Sozialhilfe - ein bescheidenes, Kraftfahrzeuge sein, die ein Arbeitnehmer für die täglichen der Würde des Menschen entsprechendes Leben führen zu kön- Fahrten von seiner Wohnung zu seinem Arbeitsplatz und zurück nen (BGH, Beschluss vom 19. März 2004 - IXa ZB 321/03, benötigt (OLG Hamm, DGVZ 1984, 138, 140). Voraussetzung NJW-RR 2004, 789 = FamRZ 2004, 870). ist jedoch, dass das Kraftfahrzeug für die Beförderung erfor- 12 Innerhalb dieses allgemeinen Rahmens soll durch ¤ 811 derlich ist. Das ist nicht der Fall, wenn der Arbeitnehmer in zu- Abs.1 Nr. 5 ZPO erreicht werden, dass der Schuldner seine Ar- mutbarer Weise öffentliche Verkehrsmittel benutzen kann beitskraft für sich und seine Familienangehörigen einsetzen (MünchKommZPO/Gruber, 3. Aufl., ¤ 811 Rdn. 62). Inwieweit kann; er soll auch künftig den Unterhalt für sich und seine Fa- die Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln zumutbar ist, ist milienangehörigen aus eigenen Kräften erwirtschaften können eine Frage des Einzelfalles, die unter Berücksichtigung der Ver- (MünchKommZPO/Gruber, 3. Aufl., ¤ 811 Rdn. 34; Wieczo- hältnisse des Schuldners, der öffentlichen Verkehrsanbindung rek/Schütze/Lüke, ZPO, 3. Aufl., ¤ 811 Rdn. 30; Musielak/ und des Arbeitsverhältnisses zu entscheiden ist. Dabei kann auch Becker, ZPO, 7. Aufl., ¤ 811 Rdn. 17). Letztlich schützt § 811 eine Rolle spielen, dass es dem Schuldner nach Beendigung Abs.1 Nr. 5 ZPO daher auch den Unterhalt der Familie (Zöl- der Arbeit in der Regel nicht zuzumuten ist, ungewöhnlich lan- ler/Stöber, ZPO, 28. Aufl., ¤ 811 Rdn. 24; Stein/Jonas/Münz- ge auf Bus oder Bahn für den Weg nach Hause zu warten berg, ZPO, 22. Aufl., ¤ 811 Rdn. 55; Schuschke/Walker/Wal- (Schuschke/Walker/Walker, ZPO, 4. Aufl., ¤ 811 Rdn. 34 m.w.N.). ker, ZPO, 4. Aufl., ¤ 811 Rdn. 32 m.w.N.). 17 bb) Ohne Verfahrensfehler hat das Beschwerdegericht die- 13 Dieser Schutz der Familie wäre unvollkommen, wenn auch se Voraussetzungen als gegeben angesehen. Es ist dabei davon die Gegenstände gepfändet werden könnten, die der Ehegatte ausgegangen, dass der Ehemann gelegentlich nicht nur eine Bus- des Schuldners für eine Erwerbstätigkeit benötigt, die den Fa- verbindung zu seinem normalen Arbeitszeitende um 15:45 Uhr, milienunterhalt sichert. Ihm würde es dadurch unmöglich ge- sondern auch um 17:30 Uhr benötige und es ihm nicht zuzu- macht oder doch wesentlich erschwert, seiner Unterhaltsver- muten sei, zu dieser Zeit stundenlang auf ein öffentliches Ver- pflichtung aus ¤1360 BGB nachzukommen. Die wirtschaftli- kehrsmittel zu warten, wenn es überhaupt noch verkehre. Wei- che Existenz der Familie wäre in gleicher Weise gefährdet wie ter ist es aufgrund der Ausführungen des Amtsgerichts davon bei einer Pfändung beim erwerbstätigen Schuldner. Welcher ausgegangen, dass öffentliche Verkehrsmittel zur Realisierung Ehegatte den zu pfändenden Gegenstand für seine Erwerbstä- der Arbeitszeit des Ehemanns der Schuldnerin nicht zur Verfü- tigkeit benötigt, kann daher im Rahmen des ¤ 811 Abs.1 Nr. 5 gung stünden. Daraus kann ohne weiteres entnommen werden, ZPO nicht entscheidend sein. Zu Recht wird darauf hingewie- dass es dem Ehemann der Schuldnerin, so er denn um 17:30 sen, dass ansonsten der Schuldner gesetzlich besser geschützt Uhr seinen Heimweg antreten muss, nicht zuzumuten ist, öf- wäre als der nicht schuldende Ehegatte, der den Gegenstand fentliche Verkehrsmittel in Anspruch zu nehmen. Die genauen zur Fortsetzung seiner Erwerbstätigkeit benötigt (OLG Hamm, Abfahrzeiten der öffentlichen Verkehrsmittel sind zwar nicht

Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 125 Gewerbemiete mitgeteilt, jedoch ergibt sich aus den Ausführungen der Vorin- b) Der Zessionar von Zahlungsansprüchen aus einem solchen stanzen, dass der Ehemann der Schuldnerin entweder stunden- Mietvertrag braucht die zwischen Zedent und Mieter verein- lang warten muss oder überhaupt keine Busse mehr fahren. Die- barte vorzeitige Aufhebung des Mietvertrages nicht gegen sich se Feststellungen sind verfahrensfehlerfrei getroffen. Ihnen gelten zu lassen, wenn der Mieter bei Abschluss der Aufhe- steht, anders als die Rechtsbeschwerde meint, nicht entgegen, bungsvereinbarung die Abtretung kennt. dass das Amtsgericht in seinem Nichtabhilfebeschluss von ei- (BGH, Urteil vom 4.11. 2009 Ð XII ZR 170/07) ner ländlich schwachen Verkehrsanbindung gesprochen hat. Es ist nicht ersichtlich, dass das Amtsgericht damit seine Feststel- ¤¤166, 177, 181, 242, 421, 426 BGB Ð Mietermehrheit; lung, dass dem Ehemann der Schuldnerin öffentliche Ver- kehrsmittel zur Realisierung der Arbeitszeit nicht zur Verfügung Inanspruchnahme der Gesamtschuldner stünden, in Frage stellen wollte. Vielmehr ist das eine Bestäti- a) Bei der Prüfung, ob das nur von einem der beiden ge- gung dieser Darstellung. samtvertretungsberechtigten Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts Ð entgegen ¤181 BGB Ð vorgenommene 18 Ein Verfahrensfehler des Landgerichts liegt auch nicht da- Rechtsgeschäft von dem anderen konkludent genehmigt wur- rin, dass es seine Entscheidung ohne Kenntnis der genauen Fahr- de, ist allein auf dessen Kenntnisstand abzustellen. zeiten der öffentlichen Verkehrsmittel getroffen hat. Die Be- schwerde hat zwar „die ländlich schwache Verkehrsanbindung b) Gemäß § 421 Satz1 BGB kann der Gläubiger frei wählen, an N.“ bestritten. Auch kann die Beschwerde auf neue Vertei- welchen der Gesamtschuldner er in Anspruch nehmen will, so- digungsmittel gestützt werden, ¤ 571 Abs. 2 Satz1 ZPO. Gleich- weit sich sein Vorgehen nicht als rechtsmissbräuchlich erweist. wohl musste dieses Bestreiten dem Landgericht keinen Anlass Dabei ist er grundsätzlich dem von ihm in Anspruch genom- geben, weitere Aufklärung zu betreiben. Es wäre Sache des Be- menen Gesamtschuldner gegenüber nicht verpflichtet, auf aus- schwerdeführers gewesen, die Ausführungen des Amtsgerichts bleibende Zahlungen des anderen Gesamtschuldners hinzu- zur unzureichenden Verkehrsanbindung konkret anzugreifen. weisen. Dies ist nicht geschehen. Das pauschale Bestreiten mit Nicht- (BGH, Urteil vom 16.12. 2009 Ð XII ZR 146/07) wissen reichte nicht aus. Soweit mit der Rechtsbeschwerde nun- mehr Daten aus dem Fahrplan behauptet werden, die die An- ¤ 256 ZPO; ¤ 535 BGB Ð Feststellungsinteresse nahme des Amtsgerichts erschüttern sollen, eine zumutbare Ver- des Mieters hinsichtlich der Unwirksamkeit einer kehrsverbindung stünde nicht zur Verfügung, sind das neue Tat- Schönheitsreparaturklausel sachen, die im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht mehr berück- sichtigt werden können und die der Beschwerdeführer im übri- Zur Frage des Feststellungsinteresses des Mieters hinsicht- gen ohne weiteres bereits im Beschwerdeverfahren hätte vorle- lich der Unwirksamkeit einer im Mietvertrag enthaltenen For- gen können. mularklausel über die Verpflichtung des Mieters zur Durch- führung von Schönheitsreparaturen. Mitgeteilt von RiBGH Wellner, Karlsruhe (BGH, urteil vom 13.1. 2010 Ð VIII ZR 351/08) Hinw. d. Red.: Veröffentlichung in WuM 2010, 143 mit Anm. Lohmann. Kurzfassungen/Leitsätze (KL) Gewerbemiete etc. ¤¤ 535, 199 BGB Ð Unverjährbarkeit des Mängel- beseitigungsanspruchs während der Mietzeit ¤¤ 305, 310 BGB Ð Stellen Allgemeiner Geschäfts- Der Anspruch des Mieters auf Mangelbeseitigung ist wäh- bedingungen AGB; einvernehmliche Verwendung rend der Mietzeit unverjährbar. eines bestimmten Formulartextes; Kaufvertrag (BGH, Urteil vom 17. 2. 2010 Ð VIII ZR 104/09) a) Ein Stellen von Vertragsbedingungen liegt nicht vor, wenn Hinw. d. Red.: Veröffentlichung in WuM 2010, 238. die Einbeziehung vorformulierter Vertragsbedingungen in ei- Die Pressemeldung Nr. 37/2010 des BGH vom 17. 2. 2010 zu nen Vertrag auf einer freien Entscheidung desjenigen beruht, diesem Urteil VIII ZR 104/09 lautet auszugsweise: der vom anderen Vertragsteil mit dem Verwendungsvorschlag „Anspruch des Mieters auf Mangelbeseitigung während der konfrontiert wird. Dazu ist es erforderlich, dass er in der Aus- Mietzeit unverjährbar wahl der in Betracht kommenden Vertragstexte frei ist und ins- Der Bundesgerichtshof hat heute entschieden, dass der An- besondere Gelegenheit erhält, alternativ eigene Textvorschläge spruch eines Mieters gegen den Vermieter auf Beseitigung von mit der effektiven Möglichkeit ihrer Durchsetzung in die Ver- Mängeln während der Mietzeit unverjährbar ist. handlungen einzubringen. Die Klägerin ist seit 1959 Mieterin einer Wohnung in einem b) Sind Vertragsbedingungen bei einvernehmlicher Verwen- Mehrfamilienhaus der Beklagten. Das über der Wohnung der dung eines bestimmten Formulartextes nicht im Sinne von ¤ 305 Klägerin liegende Dachgeschoss war im Jahr 1990 zu Wohn- Abs.1 Satz1 BGB gestellt, finden die ¤¤ 305 ff. BGB auf die zwecken ausgebaut worden. Im Oktober 2006 verlangte die Klä- Vertragsbeziehung keine Anwendung. gerin von den Beklagten schriftlich die Herstellung einer aus- (BGH, Urteil vom 17. 2. 2010 Ð VIII ZR 67/09) reichenden Schallschutzisolierung der Dachgeschosswohnung. Sie lie§ im Jahr 2007 ein Beweissicherungsverfahren durch- führen, bei dem festgestellt wurde, dass der Schallschutz un- ¤¤ 398, 407 BGB Ð Befristeter Mietvertrag über von zureichend ist. Mit der Klage hat die Mieterin eine Verbesse- dem Vermieter geleaste Kopiergeräte; Mietzins- rung des Trittschallschutzes in der Dachgeschosswohnung ver- anspruch als betagte Forderung; Schutz des langt. Die beklagten Vermieter haben Verjährung geltend ge- Zessionars bei Abtretung des Mietzinsanspruchs macht. Vor dem Amtsgericht [Düren] ist die Klage erfolglos a) Ist ein befristeter Mietvertrag über bewegliche Sachen so geblieben. Das Landgericht [Aachen] hat ihr auf die Berufung ausgestaltet, dass der Vermieter die wesentlichen Gegenlei- der Klägerin stattgegeben. stungspflichten für die monatlich fällig werdenden Mietzinsen Die dagegen gerichtete Revision der Beklagten hatte keinen bereits zu Beginn des Mietvertrages erbracht hat, entsteht der Erfolg. Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zustän- Anspruch auf Zahlung sämtlicher Mietzinsen als betagte For- dige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, derung bereits zu Beginn des Mietvertrages. Die Ansprüche auf dass der Mietgebrauch der Klägerin durch den unzureichenden künftigen Mietzins sind in diesem besonderen Fall keine befri- Schallschutz beeinträchtigt wird und sie deshalb gemäß § 535 steten Forderungen. Abs. 1 Satz 2 BGB Herstellung des erforderlichen Schall-

126 Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 Gewerbemiete schutzes verlangen kann. Dieser Anspruch ist nicht verjährt. Der ¤ 20 SchuldRAnpG; ¤ 5 NutzEV – Neue Bundesländer; Anspruch des Mieters auf Beseitigung eines Mangels als Teil Schuldrechtsanpassung; Erhöhung der Garagenmiete; des Gebrauchserhaltungsanspruchs ist während der Mietzeit un- Ermittlung des ortsüblichen Nutzungsentgelts verjährbar. Bei der Hauptleistungspflicht des Vermieters aus ¤ 535 Abs.1 Satz 2 BGB handelt es sich um eine in die Zukunft Bei der Ermittlung des ortsüblichen Nuungsentgelts für Ga- gerichtete Dauerverpflichtung. Diese Pflicht erschöpft sich nicht ragenflächen in den neuen Ländern (§ 5 Abs.1 Nutzungsent- in einer einmaligen Handlung des Überlassens, sondern geht geltverordnung) müssen zwar Einzelfälle außer Betracht blei- dahin, die Mietsache während der gesamten Mietzeit in einem ben, in denen es einem Nutzungsgeber gelungen ist, ein völlig gebrauchstauglichen Zustand zu erhalten. Eine solche vertrag- außerhalb des gängigen Preisspektrums liegendes Nutzungs- liche Dauerverpflichtung kann während des Bestehens des Ver- entgelt zu erzielen. Die Frage, ob ein solcher Extremfall vor- tragsverhältnisses schon begrifflich nicht verjähren, denn sie liegt, kann aber nicht ohne Berücksichtigung der Besonderhei- entsteht während dieses Zeitraums gleichsam ständig neu.“ ten des jeweiligen Marktes beantwortet werden. Werden Garagenflächen in 80% bis 90% aller Fälle von Kom- ¤ 307 BGB Ð Tankstellenverwaltervertrag; munen oder kommunalen Gesellschaften angeboten, so kann unwirksame Klauseln; Teilnahmepflicht am das ortsübliche Entgelt nicht allein durch die Preisgestaltung Lastschriftverfahren in Form des Abbuchungs- dieser Anbieter bestimmt und dabei eine nicht unbeachtliche Anzahl privater Nutzungsverträge mit deutlich höheren Ent- auftragsverfahrens gelten als „Ausreißer“ außer Betracht gelassen werden. Eine in einem Tankstellenverwaltervertrag enthaltene Klau- Zur Ermittlung des ortsüblichen Entgelts bei erheblich di- sel, die den Tankstellenverwalter wegen der Ansprüche aus der vergierenden Nutzungsvereinbarungen. laufenden Geschäftsverbindung mit dem Mineralölunterneh- men, insbesondere der Abrechnungen aus Kraftstoffverkaufs- (BGH, Urteil vom 7.10. 2009 Ð XII ZR 175/07) erlösen sowie Schmierstofflieferungen aus dem Agenturgeschäft Hinw. d. Red.: Veröffentlichung in WuM 2010, 38. und Lieferungen von Shopware, zur Teilnahme am Lastschrift- verfahren in Form des Abbuchungsauftragsverfahrens ver- ¤ 675 BGB Ð Anlageberatung; pflichtet, benachteiligt den Tankstellenverwalter unangemessen Informationspflichten des Anlageberaters und ist deshalb gemäß § 307 Abs.1 Satz1 BGB unwirksam. Zur Pflicht des Anlageberaters, die Wirtschaftspresse im Hin- (BGH, Urteil vom 14.10. 2009 Ð VIII ZR 96/07) blick auf für die von ihm vertriebenen Anlageprodukte relevante Pressemitteilungen zeitnah durchzusehen. ¤¤ 249, 254 BGB; ¤ 287 ZPO Ð Kfz-Miete; (BGH, Urteil vom 5.11. 2009 Ð III ZR 302/08) Unfallersatztarif; Schätzung des Aufschlags zum Normaltarif Hinw. d. Red.: Zur Unterrichtungspflicht des Steuerbera- ters über Rechtsänderungen nach Berichten in der Tages- oder Zur Schätzung eines Aufschlags zum Normaltarif bei einem Fachpresse vgl. BGH GuT 2004, 245. sogenannten Unfallersatztarif. (BGH, Urteil vom 19.1. 2010 Ð VI ZR 112/09) ¤¤ 27, 205 AktG Ð Verdeckte Sacheinlage; Eigenkapitalersatz; Dienstleistungen des ¤¤ 249, 254 BGB; ¤ 287 ZPO Ð Kfz-Miete; Inferenten, Beziehers neuer Aktien; ãEUROBIKE“ Unfallersatztarif; Schadensminderungspflicht; a) Die Grundsätze der verdeckten Sacheinlage finden auf zugänglicher günstigerer Tarif Dienstleistungen, die der Bezieher neuer Aktien im zeitlichen a) Für die Frage, ob ein günstigerer Tarif als der sogenannte Zusammenhang mit einer Kapitalerhöhung entgeltlich für die Unfallersatztarif „ohne weiteres“ zugänglich war, kommt es da- Aktiengesellschaft erbracht hat oder durch eine von ihm ab- rauf an, ob dem Geschädigten in seiner konkreten Situation ãoh- hängige Gesellschaft hat erbringen lassen, keine Anwendung ne weiteres“ ein günstigeres Angebot eines bestimmten Auto- (Fortführung von BGHZ 180, 38 [= GuT 2009, 131 KL] ãQivive“). vermieters zur Verfügung stand. Entgeltliche Dienstverträge zwischen der Gesellschaft und dem Inferenten sind im Aktienrecht nicht verboten. b) Es obliegt dem Schädiger, der einen Versto§ gegen die Schadensminderungspflicht (¤ 254 Abs. 2 BGB) geltend macht, b) Die Bezahlung von Beratungsleistungen vor Leistung der darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass dem Ge- Einlage ist keine verdeckte Finanzierung durch die Gesellschaft schädigten ein günstigerer Tarif nach den konkreten Umstän- im Sinn eines rechtlich dem Hin- und Herzahlen gleichstehen- den „ohne weiteres“ zugänglich gewesen ist. den Her- und Hinzahlens, wenn eine tatsächlich erbrachte Lei- stung entgolten wird, die dafür gezahlte Vergütung einem Dritt- (BGH, Urteil vom 2. 2. 2010 Ð VI ZR 139/08) vergleich standhält und die objektiv werthaltige Leistung nicht aus der Sicht der Gesellschaft für sie unbrauchbar und damit ¤¤ 249, 254 BGB; ¤ 287 ZPO Ð Kfz-Miete; wertlos ist. Unfallersatztarif; Normaltarif; Schätzung (BGH, Urteil vom 1. 2. 2010 Ð II ZR 173/08) angemessenen Tarifs Zur Schätzung von Mietwagenkosten. ¤15a EGZPO; ¤ 37a Saarl. AGJusG Ð (BGH, Urteil vom 2. 2. 2010 Ð VI ZR 7/09) Obligatorisches Schiedsverfahren vor der Klage; Formelle Prüfung der Prozessvoraussetzung durch ¤ 307 BGB; ¤ 7 V 4 AKB Ð Kfz-Miete; Haftungs- das Prozessgericht; Saarland; Prozessrecht freistellung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen; Eine Klage, der ein obligatorisches Schiedsverfahren vor- Polizeihinzuziehung als Obliegenheit bei Unfällen auszugehen hat (¤15a Abs.1 Satz1 EGZPO Ð hier i. V. m. ¤ 37a Wird in AGB die dem Mieter eines Kraftfahrzeugs gegen Zah- Abs.1 Saarl. AGJusG), ist zulässig, wenn der Kläger mit der lung eines zusätzlichen Entgelts gewährte Haftungsfreistellung Klageschrift eine von der Gütestelle ausgestellte Bescheinigung davon abhängig gemacht, dass er bei Unfällen die Polizei hin- über einen erfolglosen Einigungsversuch einreicht. Das Pro- zuzieht, liegt darin keine unangemessene Benachteiligung im zessgericht ist bei der Prüfung dieser Prozessvoraussetzung an Sinne des ¤ 307 BGB (im Anschluss an BGH, Urteil vom 11. die ihm vorgelegte Bescheinigung gebunden. November 1981 Ð VIII ZR 271/80 Ð NJW 1982, 167). (BGH, Urteil vom 20.11. 2009 Ð V ZR 94/09) (BGH, Versäumnisurteil vom 10. 6. 2009 Ð XII ZR 19/08) Hinw. d. Red.: Veröffentlichung in WuM 2010, 43.

Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 127 Gewerbemiete

¤ 26 EGZPO; ¤ 3 ZPO Ð Nichtzulassungsbeschwerde; ¤¤114, 115 ZPO Ð Prozesskostenhilfe PKH für den Streitwert; Klage auf Unterlassung der Zuführung Beklagten; Bewilligung nach Klagerücknahme; von Gerüchen aus einem Viehstall; Geruchsimmis- Miete und Betriebskosten für eine Gewerbeeinheit sionen; Verkehrswertminderung des Grundstücks Dem Beklagten ist Prozesskostenhilfe auch nach Kla- 1 Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, da die mit gerücknahme zu bewilligen, wenn Rechtsverteidigung und Pro- der Revision geltend zu machende Beschwer 20.000 € nicht zesskostenhilfeantragstellung bereits zuvor erfolgt waren und übersteigt, ¤ 26 Nr. 8 EGZPO. die Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hatte. 2 Der Kläger nimmt die Beklagten auf Unterlassung der Zu- (BGH, Beschluss vom 18.11. 2009 Ð XII ZB 152/09) führung von Gerüchen aus einem Viehstall in Anspruch. Den Wert des Streitgegenstands, der vorliegend zugleich die Be- schwer des unterlegenen Klägers bestimmt, hat dieser erstin- ¤¤ 533, 531 ZPO; ¤¤133, 157 BGB Ð Pacht; stanzlich mit - vorläufig - 7500 € angegeben. Das Landgericht Forderung; Klageänderung in der Berufungs- [Lüneburg] hat den Streitwert zunächst in dieser Höhe festge- instanz; Auslegung eines Mediationsvergleichs setzt und ihn dann - auf eine Beschwerde der Beklagten hin - zur Neuregelung des Pachtverhältnisses auf 15.000 € heraufgesetzt. Auf diesen Betrag hat ihn auch das Oberlandesgericht [Celle], vom Kläger unbeanstandet, festge- a) Zur Zulässigkeit einer Klageänderung in der Berufungs- setzt. instanz, wenn die dieser zugrunde liegenden Tatsachen aufgrund der vom erstinstanzlichen Gericht vertretenen Rechtsansicht 3 Der Streitwert ist gemäß § 3 ZPO nach freiem Ermessen festzusetzen. Einen Anhaltspunkt bietet, von den Vorinstanzen unerheblich waren. zu Recht zugrunde gelegt, die Wertminderung, die das Grund- b) Zur Auslegung eines Vergleichs, durch den die Parteien stück des Klägers infolge der behaupteten Immissionen erlei- eines langjährigen Pachtverhältnisses dessen „Eckpunkte“ neu det. festlegen und zugleich den Abschluss eines neuen Pachtvertra- 4 Dass die Festsetzung des Streitwerts durch die Vorinstan- ges vereinbaren. zen ermessensfehlerhaft wäre, macht der Kläger nicht geltend (BGH, Urteil vom 27.1. 2010 Ð XII ZR 148/07) und ist auch nicht ersichtlich. Er behauptet vielmehr, in Wahr- heit sei mit weit höheren Abschlägen gegenüber dem Ver- kehrswert eines nicht durch Geruchsimmissionen beeinträch- ¤ 41 GKG – Räumung; Streitwertbemessung am tigten Grundstücks zu rechnen. Dazu beruft er sich auf ein Wert- Streitgegenstand; Streitwertbemessung nach gutachten, das ein Sachverständiger über ein anderes in der Nähe Kopfteilen gelegenes Grundstück des Klägers erstellt hat. Der Verkehrs- wert dieses Grundstücks sei mit 210.000 € ermittelt worden. Auf die als Gegenvorstellung zu wertende Eingabe der Be- Gleichwohl habe er, der Kläger, es nur für 120.000 € verkau- klagten zu 3 wird unter Zurückweisung im Übrigen der Be- fen können, wobei nur 90.000 € auf den Grund und Boden ent- schluss des Senats vom 23. September 2009 abgeändert: Der falle. Der Abschlag vom Verkehrswert betrage also rund 57%, Streitwert des Beschwerdeverfahrens beträgt 50.437 €. Im Ver- womit die Grenze des ¤ 26 Nr. 8 EGZPO überschritten sei. Zur hältnis zur Beklagten zu 3 beträgt er nur 18.595 €. Glaubhaftmachung hat er Kopien des Gutachtens und des Kauf- Die nach ¤ 63 Abs. 3 GKG zulässige Gegenvorstellung der vertrages vorgelegt. Beklagten zu 3 ist nur zum Teil begründet. Zu Recht weist die 5 Damit ist eine Beschwer von über 20.000 € weder darge- Beklagte zu 3 darauf hin, dass sie am Rechtsstreit nur beteiligt legt noch glaubhaft gemacht. Auch wenn man davon ausgeht, ist, soweit die Räumung der streitgegenständlichen Räume in dass die Wertangaben hinsichtlich des anderen Grundstücks des Rede steht, also lediglich in Höhe von 18.595 €. Für eine wei- Klägers zutreffen, ist nicht gesagt, dass die Differenz zwischen tere Herabsetzung des Streitwerts ist demgegenüber kein Raum. gutachtlich ermitteltem Verkehrswert und erzieltem Kaufpreis Entgegen der Auffassung der Beklagten zu 3 kommt eine Be- seinen Grund in den behaupteten Geruchsimmissionen hat. Aus- messung des Streitwerts gemäß § 41 GKG nach Kopfteilen nicht drücklich behauptet hat es nicht einmal der Kläger. Wie es zu in Betracht. der Einigung über den konkreten Kaufpreis gekommen ist, legt er nicht dar. Die Gründe können vielfältig sein. Auffallend ist (BGH, Beschluss vom 27.1. 2010 Ð XII ZR 110/07) ohnehin, dass der Sachverständige den Wert der mitverkauften Gebäude mit über 170.000 € und den Bodenwert mit nur rd. ¤¤ 21, 169 InsO Ð Insolvenz; Miete von 35.000 € angegeben hat, während im Kaufvertrag für Gebäu- Baumaschinen und Baugerät; Fortführung des de und Grund und Boden zusammen 90.000 € veranschlagt wer- € Unternehmens des Schuldners; Mietzinsanspruch; den. Dass die Gebäude, etwa der im Gutachten mit 134.800 Anspruch auf Nutzungsentschädigung bewertete und mitverkaufte Kuhstall, infolge der Geruchsbe- einträchtigung an Wert, zumal in dieser exorbitanten Größen- 1. a) Das Insolvenzgericht kann ein Verwertungs- und Ein- ordnung, verloren haben könnte, liegt fern und wird von dem ziehungsverbot für künftige Aus- und Absonderungsrechte so- Kläger nicht plausibel dargelegt. wie eine Anordnung, dass davon betroffene Gegenstände zur 6 Es ist daher davon auszugehen, dass die Beschwer, ent- Fortführung des Unternehmens eingesetzt werden können, nur sprechend den Angaben von Kläger und Beklagten in den Tat- durch eine individualisierende Anordnung treffen. Unzulässig sacheninstanzen zum Streitwert, nur 15.000 € beträgt. und unwirksam sind formularmäßige Pauschalanordnungen, die auf die erforderliche Prüfung der gesetzlichen Voraussetzun- (BGH, Beschluss vom 2. 7. 2009 Ð V ZR 251/08) gen verzichten. ¤ 91 ZPO Ð Auswärtiger Rechtsanwalt VIII b) Aus einer Anordnung nach ¤ 21 Abs. 2 Satz1 Nr. 5 InsO kann der betroffene Rechteinhaber die dort zuerkannten Aus- Die für die Notwendigkeit der Beauftragung eines auswärti- gleichsansprüche geltend machen, auch wenn die Anordnung gen Rechtsanwalts erforderlichen besonderen Umstände setzen, wegen Unbestimmtheit unwirksam ist. wenn sie nicht aus der Natur des Streitfalls folgen, jedenfalls voraus, dass die au§ergerichtliche Bearbeitung der Sache auf- 2. Ein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung in der grund einer allgemeinen Ma§nahme der Betriebsorganisation Form von Zinsen nach ¤169 Satz 2 InsO kommt auch bei einer und nicht nur im Einzelfall für die Partei an dem Ort erfolgt, an Anordnung nach ¤ 21 Abs. 2 Satz1 Nr. 5 InsO nur für einen Zeit- dem der auswärtige Rechtsanwalt seine Kanzlei hat. raum in Betracht, der drei Monate nach dieser Anordnung liegt. (BGH, Beschluss vom 12.11. 2009 Ð I ZB 101/08) (BGH, Urteil vom 3.12. 2009 Ð IX ZR 7/09)

128 Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 Gewerbemiete / Teileigentum

¤¤129, 140 InsO; ¤¤163, 535, 1123, 1124, 1192 ¤¤ 290, 97 InsO Ð Insolvenzverfahren; Restschuld- BGB; ¤¤ 829, 865 ZPO Ð Insolvenzanfechtung des befreiung; Auskunfts- und Mitteilungspflichten des Pfändungspfandrechts bei künftigen Mietforde- Schuldners; Sportgeschäft; Abverkauf an eigenes, rungen des Insolvenzschuldners gegen Dritten neugegründetes Unternehmen a) Pfändet ein Gläubiger eine künftige Mietforderung des a) Die Verpflichtung des Schuldners, im Insolvenzverfahren Schuldners gegen einen Dritten, richtet sich der für die An- über alle das Verfahren betreffende Verhältnisse Auskunft zu ge- fechtung des Pfändungspfandrechts ma§gebliche Zeitpunkt ben, ist nicht davon abhängig, dass an den Schuldner entspre- nach dem Beginn des Nutzungszeitraums, für den die Mietrate chende Fragen gerichtet werden. Der Schuldner muss vielmehr geschuldet war (Bestätigung von BGH, Urt. v. 30. Januar 1997 die betroffenen Umstände von sich aus, ohne besondere Nach- – IX ZR 89/96 für den Aufwendungsbereich der InsO). frage, offen legen, soweit sie offensichtlich für das Insolvenz- b) Ist das durch Pfändung der Mietforderung entstandene verfahren von Bedeutung sein können und nicht klar zu Tage Pfandrecht anfechtbar, weil der Nutzungszeitraum, für den die liegen. Mieten geschuldet sind, in der anfechtungsrelevanten Zeit be- b) Zu den Umständen, die für das Insolvenzverfahren von Be- gonnen hat, führt es nicht zur Annahme eines masseneutralen deutung sein können und deshalb offen gelegt werden müssen, Sicherheitentauschs, dass die Mietforderung zugleich in den zählen auch solche, die eine Insolvenzanfechtung begründen Haftungsverband einer Grundschuld fällt. können. (BGH, Urteil vom 17. 9. 2009 Ð IX ZR 106/08) (BGH, Beschluss vom 11. 2. 2010 Ð IX ZB 126/08)

T eileigentum

¤¤ 7, 10 WEG erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des Urteils des Vermietetes Teileigentum; Nutzung als Gaststätte; Amtsgerichts und verfolgt die von dem Landgericht zurückge- Zweckbestimmung; Gebrauchsregelung; wiesenen Hilfsanträge weiter. Auslegung der Teilungserklärung; Nutzungsvorschläge des Architekten in den Plänen 3 Aus den Gründen: I. Das Berufungsgericht meint, die Be- zeichnung der im Sondereigentum des Beklagten stehenden Eintragungen des planenden Architekten in den Geneh- Räume als „Café“ bedeute eine Nutzungsbeschränkung mit Ver- migungsplänen kommt in der Regel nicht dadurch die Be- einbarungscharakter, die einer Nutzung der Räume zu anderen deutung einer Zweckbestimmung mit Vereinbarungscha- Zwecken als zum Betrieb eines Cafés grundsätzlich entgegen- rakter zu, dass diese Pläne für den Aufteilungsplan genutzt stehe. Trotzdem könne die Klägerin von dem Beklagten nicht werden. verlangen, es zu unterlassen, die Räume als Speisegaststätte zu (BGH, Urteil vom 15.1. 2010 Ð V ZR 40/09) nutzen, weil von einer solchen Nutzung typischerweise keine größeren Beeinträchtigungen ausgingen als von einer heutigem 1 Zum Sachverhalt: Das Grundstück ist durch Erklärung vom Verständnis entsprechenden Nutzung von Räumen als Café. 30. August 1994 gem. ¤ 8 WEG geteilt. Der Klägerin gehört die Wohnungseigentumseinheit Nr. 4102, dem Beklagten die unter 4 II. Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nur im Er- der Wohnung der Klägerin gelegene Teileigentumseinheit gebnis stand. Die von der Klägerin aus §15 Abs. 3 WEG, ¤1004 Nr. 4002. Diese besteht nach der Teilungserklärung aus einem Abs.1 BGB abgeleiteten Ansprüche bestehen nicht, weil es an Miteigentumsanteil an dem Grundstück „und den nicht zu einer Beschränkung der Befugnis zur Nutzung des Sonder- Wohnzwecken dienenden Räumlichkeiten im Erdgeschoss und eigentums des Beklagten fehlt, gegen die er durch die Vermie- Kellerraum im Kellergeschoss, … im Aufteilungsplan mit tung seiner Räume zum Betrieb einer Speisegaststätte versto§en Nr. 4002 bezeichnet“. Der Aufteilungsplan beruht auf einer würde. Grundrisszeichnung des Architekten des Gebäudes, die Be- 5 1. Jeder Wohnungs- und Teileigentümer ist berechtigt, mit standteil der Genehmigungsplanung war. Der größte der Teil- den in seinem Sondereigentum stehenden Gebäudeteilen nach eigentumseinheit Nr. 4002 zugeordnete Raum ist als „Café“ be- Belieben zu verfahren, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Drit- zeichnet. ter entgegenstehen, ¤13 Abs.1 WEG. Derartige Rechte können 2 Der Beklagte hat sein Sondereigentum vermietet. Der Mie- sich namentlich aus Gebrauchsregelungen der Eigentümer i.S.v. ter nutzt die Räume als Speiselokal. Mit der Klage verlangt die ¤15 Abs.1 WEG ergeben. Insoweit kommen Vereinbarungen Klägerin unter anderem, dem Beklagten die Nutzung seines gem. ¤10 Abs. 2 Satz 2 WEG und damit auch in der Teilungs- Sondereigentums zu anderen Zwecken als zum Betrieb eines erklärung getroffene Regelungen, ¤ 8 Abs. 2, ¤ 5 Abs. 4 Satz1 Cafés zu untersagen und dort keine Schank- und Speisewirt- WEG, in Betracht. So liegt es mit Nutzungsbeschränkungen in schaft zu betreiben. Das Amtsgericht Leipzig hat der Klage in- der Teilungserklärung, denen der Charakter einer Vereinbarung soweit stattgegeben. Das Landgericht Dresden hat sie auf die zukommt. Berufung des Beklagten abgewiesen und im Berufungsrechts- zug von der Klägerin hilfsweise gestellte Anträge zurückge- 6 Ob es sich so verhält, ist durch Auslegung der Teilungser- wiesen, die die Klägerin aus einer Unzulässigkeit der Nutzung klärung festzustellen. Da die Teilungserklärung Bestandteil der der Räume zu anderen Zwecken als zum Betrieb eines Cafés Eintragung in das Grundbuch ist, hat die Auslegung nach ob- herleitet. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision jektiven Gesichtspunkten zu erfolgen; die Auslegung ist in vol-

Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 129 Teileigentum lem Umfang der Prüfung durch den Senat zugänglich (st. Rspr., ¤¤18, 21 WEG; ¤ 242 BGB vgl. Senat, BGHZ 139, 288, 292 [=WuM 1998, 738]; 160, 354, Teileigentum; Verweigerung der erforderlichen 361 f. [=WuM 2004, 681]). Instandsetzung einer Au§entreppe; Wohngeldrückstand; 7 Bei der Auslegung der Teilungserklärung ist von deren Veräußerungsklage; Entziehung des Wohnungseigentums Wortlaut auszugehen. Angaben in dem Aufteilungsplan kommt allenfalls nachrangige Bedeutung zu. Aufgabe des Auftei- Der Anspruch auf Veräußerung des Wohnungseigentums lungsplans ist es nach ¤ 7 Abs. 4 Nr.1 WEG, die Aufteilung des scheidet aus, wenn der klagende Eigentümer ebenso wie der Gebäudes sowie die Lage und Größe des Sondereigentums und beklagte Eigentümer gegen seine Pflichten verstößt (hier: der im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Gebäudeteile Wohngeldrückstände). Treuwidrig ist die Veräußerungs- ersichtlich zu machen (BayObLG ZfIR 2000, 554, 555 [= GuT klage auch, wenn der Kläger durch pflichtwidriges Verhal- 2002, 121 KL]), und nicht, die Rechte der Wohnungs- und Teil- ten (hier: Verweigerung der ordnungsgemäßen Instandset- eigentümer über die Bestimmung der Grenzen des jeweiligen zung von Gemeinschaftseigentum) das dem Beklagten vor- Eigentums hinaus zu erweitern oder zu beschränken (Wenzel geworfene Verhalten provoziert hat. in Bärmann, WEG, 10. Aufl., ¤15 Rdn. 9; Jenni§en/Weise, WEG, ¤15 Rdn. 7). (nichtamtlicher Leitsatz)

8 a) Werden Genehmigungspläne als Grundlage der Dar- (BGH, Urteil vom 22.1. 2010 Ð V ZR 75/09) stellung der Aufteilung des Gebäudes benutzt, kommt Eintra- gungen des planenden Architekten in diese Pläne daher grund- 1 Zum Sachverhalt: Das Grundstück ist mit einem Wohn- und sätzlich nicht die Bedeutung einer Nutzungsbeschränkung zu Geschäftshaus bebaut. Es ist nach dem Wohnungseigentums- (st. Rechtspr., vgl. OLG Schleswig NZM 1999, 79, 80 [=WuM gesetz in vier Einheiten geteilt. Der Klägerin gehören die Woh- 1999, 229]; BayObLG ZfIR 2000, 554, 555 [= GuT 2002, 121 nungen Nr. 2 bis 4, der Beklagten die Teileigentumseinheit Nr.1. KL]; OLG Düsseldorf NJW-RR 2000, 1400, 1401 [=WuM Zu dieser gehört das Sondereigentum an Ladenräumen im Erd- 2000, 498]; OLG Hamburg ZMR 2003, 446; OLG Zweibrücken, geschoss und weiteren Räumen im ersten Obergeschoss des Ge- NJW-RR 2005, 1540 [= GuT 2005, 262]; OLG Hamm NZM bäudes, die über eine Au§entreppe zu erreichen waren. Nach 2007, 294, 295). Das wird im vorliegen Fall schon dadurch of- der Teilungserklärung stehen der Klägerin in der Wohnungs- fensichtlich, dass in der zur Anfertigung des Aufteilungsplans eigentümerversammlung drei Stimmen, der Beklagten zwei benutzten Grundrisszeichnung die zu der Teileigentumseinheit Stimmen zu. Nr. 4002 gehörenden Räume nicht sämtlich als „Café“ be- zeichnet sind, sondern sich diese Bezeichnung nur in der Dar- 2 Verwalter der Wohnungseigentümergemeinschaft war stellung des größten zu der Teileigentumseinheit gehörenden zunächst der Ehemann der Beklagten. Später wurde es die Klä- Raumes befindet und die übrigen zu der Teileigentumseinheit gerin. Um das Jahr 1997 riss der Ehemann der Beklagten die gehörenden Räume mit den Eintragungen „WC H(erren), WC Au§entreppe ab, weil diese, wie die Beklagte behauptet, baufäl- D(amen), Umkl(eideraum)“ und „Küche“ bezeichnet sind. Für lig war. Seither sind die Räume im Obergeschoss der Teileigen- die Räume der angrenzenden Wohnungseigentumseinheit tumseinheit der Beklagten nur noch mit Hilfe eines von dem Nr. 4003 finden sich die Bezeichnungen ãGard(erobe), Bad, Nachbarhaus, das dem Ehemann der Beklagten gehört, geschaf- Küche, Wohnen Schlafen“. Entsprechend verhält es sich mit den fenen Durchbruchs erreichbar. Anträge der Beklagten, die Neu- Wohnungseigentumseinheiten Nr. 4001, 4003 und 4004. Die- errichtung der Treppe auf die Tagesordnung der Eigentümer- sen Angaben zu entnehmen, die Nutzung der Räume sei auf versammlung zu setzen oder die Neuerrichtung zu beschlie§en, den jeweils eingetragenen Zweck beschränkt, ist offenbar ver- blieben ohne Erfolg. fehlt. 3 Mit der Zahlung des laufenden Hausgelds geriet die Be- € 9 b) In die zeichnerische Darstellung des als „Café“ be- klagte bis zum Frühjahr 2007 mit einem Betrag von 5631,05 zeichneten Raumes des Teileigentums des Beklagten sind eine in Rückstand. Die rückständigen Beträge sind in Höhe von Bar mit zehn Hockern, sechs rechteckige und vier runde Tische 5092,81 € tituliert. Der titulierte Betrag übersteigt 3% des Ein- mit jeweils vier Stühlen eingezeichnet. In dem Grundriss der heitswerts des Teileigentums der Beklagten. Vollstreckungs- Wohnungen finden sich die Aufstellungsorte von Betten, Ses- versuche verliefen erfolglos. Mit Schreiben vom 24. März 2007 seln und Schränken. Das hat mit der Frage der Abgrenzung des drohte die Klägerin der Beklagten an, in der Eigentümerver- jeweiligen Sondereigentums nichts zu tun und macht offen- sammlung den Ausschluss der Beklagten aus der Gemeinschaft sichtlich, dass es sich bei den über die Darstellung der Wände gemäß §18 WEG zu beantragen. Am 26. Juni 2007 beschlos- hinausgehenden Eintragungen des planenden Architekten um sen die Wohnungseigentümer mit den drei Stimmen der Klä- Vorschläge handelt, denen für die Auslegung der Teilungser- gerin gegen die beiden Stimmen der Beklagten, der Beklagten klärung keine Bedeutung zukommt. Das wird im vorliegenden ihr Teileigentum wegen der Rückstände auf das Hausgeld zu Fall auch dadurch deutlich, dass in der Gemeinschaftsordnung entziehen. das „Café“ nicht erwähnt ist. 4 Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, 10 c) Etwas anderes folgt entgegen den Feststellungen des ihr Teileigentum zu veräußern. Die Beklagte hat eingewandt, Amtsgerichts, auf die das Berufungsgericht Bezug genommen auch die Klägerin versto§e gegen ihre Pflichten als Wohnungs- hat, auch nicht daraus, dass die auf dem Grundstück errichte- eigentümerin. Das Amtsgericht Borna hat der Klage stattgege- ten Gebäude einen „Wohn- und Büropark“ bilden. Dem ent- ben. Das Landgericht Dresden hat sie abgewiesen. Mit der von spricht oder widerspricht die Nutzung einer Teileigentumsein- dem Landgericht zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin heit als Speisegaststätte nicht anders als die Nutzung als Café. die Wiederherstellung der Entscheidung des Amtsgerichts.

11 2. Ob die Teileigentumseinheit des Beklagten die zum Be- trieb einer Gaststätte oder eines Cafés bauordnungsrechtlich 5 Aus den Gründen: I. Das Berufungsgericht meint, die Vor- notwendige Absauganlage aufweist, ist für die Auslegung der aussetzungen eines Anspruchs auf Veräußerung des Teileigen- Teilungserklärung schon deshalb ohne Bedeutung, weil es sich tums der Beklagten nach ¤18 Abs.1 WEG seien grundsätzlich bei dieser Anlage um einen Umstand au§erhalb der Teilungs- gegeben. Trotzdem könne die Klägerin die Veräußerung nicht erklärung handelt, der nicht für jeden ohne weiteres erkennbar verlangen, weil auch sie gegen ihre Pflichten als Wohnungsei- ist (vgl. Senat, BGHZ 113, 374, 378 [=WuM 1991, 361]; 121, gentümerin grob versto§en habe. Zur Wiederherstellung der 236, 239 [=WuM 1993, 285]; 139, 288, 292 [=WuM 1998, Treppe zu den Räumen der Beklagten im Obergeschoss bedür- 738]). fe es eines Beschlusses der Wohnungseigentümer. Diesen habe die Klägerin pflichtwidrig verhindert, indem sie einen entspre- Mitgeteilt von RiBGH Wellner, Karlsruhe chenden Antrag der Beklagten zunächst nicht in die Tagesord-

130 Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 Teileigentum / Wettbewerb nung der Wohnungseigentümerversammlung aufgenommen und Obergeschoss des Hauses notwendigen Treppe und verstößt so später einen entsprechenden Beschlussantrag mit der Mehrheit in grober Weise gegen ihre Pflichten als Wohnungseigentüme- ihrer Stimmen abgelehnt habe. rin. Auch wenn die Treppe nur dazu dient, das Sondereigentum der Beklagten zu erreichen und, wie die Klägerin behauptet, in 6 II. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand. Ein durchsetz- barer Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Veräuße- der Teilungserklärung dem Eigentum der Beklagten zugewie- rung ihres Teilseigentums gemäß §18 WEG besteht derzeit sen ist, handelt es sich bei der Treppe nach ¤5 Abs.1 letzte Al- nicht. ternative WEG zwingend um gemeinschaftliches Eigentum. Gleichgültig aus welchem Grund die Treppe abgerissen worden 7 1. Die Voraussetzungen eines Anspruchs der Klägerin ge- ist und ob die Räume im Obergeschoss derzeit von dem Nach- gen die Beklagte auf Veräußerung deren Teileigentums nach ¤18 barhaus aus betreten werden können, gehört es zur ordnungs- Abs.1, Abs. 2 WEG sind gegeben. Eines wirksamen Beschlus- gemäßen Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums, die ses gemäß §18 Abs. 3 WEG bedarf es bei einer aus nur zwei Treppe wiederherzustellen. Hierzu bedarf es nach ¤ 22 Abs.1 Mitgliedern bestehenden Eigentümergemeinschaft nicht, weil WEG eines entsprechenden Beschlusses der Wohnungseigen- die für einen solchen Beschluss erforderliche, nach Köpfen zu tümer. Im Übrigen wird auf die zutreffenden Ausführungen des bestimmende absolute Mehrheit nicht erreicht werden kann. An Berufungsgerichts verwiesen. die Stelle des Beschlusses tritt gemäß §18 Abs.1 Satz 2 WEG die Klage des anderen Wohnungseigentümers gegen den Störer Mitgeteilt von RiBGH Wellner, Karlsruhe auf Veräußerung (LG Aachen ZMR 1993, 233; LG Köln ZMR 2002, 227; Jenni§en/Heinemann, WEG, Rdn. 5; Riecke in Riecke/Schmid, WEG, 2. Aufl., ¤18 Rdn. 39). Kurzfassungen/Leitsätze (KL) 8 2. Bei der Entscheidung der Frage, ob die Pflichtverletzung T eileigentum etc. des Störers zu einem Anspruch auf Veräußerung des Woh- nungseigentums führt, darf das Verhalten des Störers nicht iso- liert bewertet werden. Es sind vielmehr alle Umstände des Ein- ¤¤ 28, 21 WEG Ð Darstellung der Zahlungen auf zelfalles zu berücksichtigen und die Interessen der Beteiligten die Instandsetzungsrücklage in der insgesamt gegeneinander abzuwägen (Jennißen/Heinemann, Jahresabrechnung; fehlerhafte Entlastung aaO, Rdn. 13; Riecke, aaO, Rdn. 25 f.). Danach scheidet ein An- des Verwaltungsbeirats spruch auf Veräußerung aus, wenn der klagende Wohnungs- a) Tatsächliche und geschuldete Zahlungen der Wohnungs- eigentümer ebenso gegen seine Pflichten wie der beklagte Ei- eigentümer auf die Instandhaltungsrücklage sind in der Jahres- gentümer verstößt und der Anspruch auf Veräußerung mit um- gesamt- und -einzelabrechnung weder als Ausgabe noch als son- gekehrten Parteirollen rechtshängig gemacht werden könnte stige Kosten zu buchen. In der Darstellung der Entwicklung (Kreuzer in Anwaltshandbuch Wohnungseigentumsrecht, 2. der Instandhaltungsrücklage, die in die Abrechnung aufzuneh- Aufl., Teil 10 Rdn. 15). men ist, sind die tatsächlichen Zahlungen der Wohnungseigen- 9 So liegt es, soweit die Beklagte behauptet, auch die Klä- tümer auf die Rücklage als Einnahmen darzustellen und zu- gerin habe das von ihr der Wohnungseigentümergemeinschaft sätzlich auch die geschuldeten Zahlungen anzugeben. geschuldete Hausgeld in erheblichem Ma§e nicht geleistet oder b) Die Entlastung des Verwaltungsbeirats widerspricht einer veruntreut. Feststellungen hierzu sind indessen nicht getroffen. ordnungsgemäßen Verwaltung und ist nach ¤ 21 Abs. 4 WEG 10 3. Die Veräußerungsklage scheitert aber auch dann, wenn rechtswidrig, wenn Ansprüche gegen den Verwaltungsbeirat in das dem beklagten Wohnungseigentümer vorgeworfene Ver- Betracht kommen und kein Grund ersichtlich ist, auf diese An- halten von dem Kläger provoziert ist (Kreuzer, aaO) oder sich sprüche zu verzichten. Dieser Fall ist insbesondere dann anzu- sonst als treuwidrig darstellt (Vandenhouten in Niedenführ/ nehmen, wenn die von dem Beirat geprüfte Abrechnung feh- Kümmel/Vandenhouten, WEG, 8. Aufl., ¤18 Rdn. 22). lerhaft ist und geändert werden muss (Fortführung von Senat, BGHZ 156, 19 [= WuM 2003, 650]). 11 So liegt der Fall hier. Die Klägerin verhindert durch ihr Verhalten die Wie- derherstellung der zur ordnungsmäßigen (BGH, Urteil vom 4.12. 2009 Ð V ZR 44/09) Nutzung der im Eigentum der Beklagten stehenden Räume im Hinw. d. Red.: Veröffentlichung in WuM 2010, 178.

Wettbewerb

Munde sind, die Klick- und Traffic-Raten verschlechtern. Nut- Internet – Umschau März 2010 zer werden sich solche Applikationen auf ihr mobiles Gerät la- Rechtsanwalt Daniel Dingeldey, Berlin den und nicht mehr via Browser auf die Suche nach Inhalten ge- hen, sondern mit Hilfe der durch die Diensteanbieter erstellten iPad Ð Ende des Domain Name System in Sicht? Programm direkt zum Anbieter surfen. Das iPad könnte, so Al- lemann, an den Revenuen der Domainer kratzen, und er erhält Auch domain-recht.de kommt nicht umhin, über das iPad zu in den Kommentaren seines Artikels reichlich Zustimmung. schreiben, ein neues Produkt aus dem Hause Apple, das bereits im Vorfeld für Wirbel gesorgt hat. Und das nach dessen Vor- Doch weitere Überlegungen und Aspekte der neuen Techno- stellung in der vergangenen Woche nun auch Domainer ins Grü- logiekombination, die Apple da auf den Markt bringt, hat Alle- beln bringt: zu Recht. mann nicht angesprochen. Das iPad wird von vielen als Com- Andrew Allemann erklärte auf seinem Weblog domainna- puter ohne Computer bezeichnet, der Menschen, die bisher vor mewire.com, warum das iPad schlecht für die Domainer-Bran- komplexen Rechnern zurückschreckten und deshalb nicht in das che ist. Allemann geht davon aus, dass das geschlossene System Internet gingen, endlich an die neue digitale Wirklichkeit her- von iPad in Verbindung mit Applikationen von Anbietern, wie anführt. Mit einem Rechner arbeiten wird unkompliziert und sie für Zeitungen beispielsweise bereits für das iPhone in aller für jedermann möglich. Das dürfte zur Folge haben, dass sich

Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 131 Wettbewerb deutlich mehr Menschen ins Internet bewegen, was auch die andersetzungen, die im Grunde das wahrnehmbare Nord-Süd- Domain-Branche positiv zu spüren bekommen könnte. Wie vie- Gefälle der Internetrechtsprechung nochmals unterstreicht. In le neue Internetnutzer wird das iPad aktivieren, wenn man kei- Hamburg wäre eine solche Entscheidung kaum denkbar. ne komplizierten Einstellungen, Updates, Serviceleistungen vor- Die Entscheidung findet man unter: nehmen muss? Es werden, wenn das iPad nicht floppt, sehr sehr http://www.aufrecht.de/6274.html viele sein. Aber gehen wir einen Schritt weiter: Es könnte auch das En- nTLDs Ð was tun, wenn neue Endungen kommen? de der Domain-Industrie, wie wir sie kennen, bedeuten. Bisher Wie berichtet, naht eine Entscheidung ICANNs über den „ex- stellt sich das iPad als mehr oder weniger geschlossenes System pression of interest“-Prozess (EOI) und den Starttermin für das dar, zu dem man als Anbieter am besten über den App-Shop vorgeschaltete Bewerbungsverfahren um neue generische Top Zugriff haben wird: man bietet seine Internetdienstleistung über Level Domains. Worauf kann man als Unternehmen jetzt ach- so ein kleines Programm an, die im App-Shop bereitgestellt ten, um von den Prozessen nicht überrascht zu werden? wird. Wozu braucht man dann noch eine besondere Domain? Der Nutzer findet einen direkt mit der installierten Software. Zunächst ist es sinnvoll, sich klar darüber zu werden, welche Und weiter? Wozu braucht es neue Domain-Endungen, wenn Kennzeichenstrategie man hat, ob diese noch aktuell ist oder man dem Nutzer mit der Applikation „dotBerlin“ alle berlinre- ob sie an aktuelle Änderungen und Entwicklungen angepasst levanten Angebote direkt über einen speziellen Internetbrow- werden muss. Es fragt sich, inwieweit generische TLDs in die ser aus dem App-Shop zur Verfügung stellt, wobei alle Ange- eigene Kennzeichenstrategie passen. Die eigene Marke oder der bote überprüft und garantiert Spam und phishingfrei sind? Ver- eigene Name als mögliche Domain-Endung ist sicher die we- rückt? Ja, aber nicht neu: man erinnert sich noch an Portale wie sentliche Überlegung im Hinblick auf nTLDs. Hier ist darauf AOL und CompuServe. Beide Internetangebote boten, AOL zu achten, inwieweit es bereits andere Marken gibt und inwie- noch immer, eigene Angebote für alleine die Nutzer deren Soft- weit mögliche Konkurrenten auf den Plan treten. Die hohen Ko- ware an. Freilich, die Entwicklungen des Internets haben sie sten des Anmeldeprozesses und die nicht zu unterschätzenden marginalisiert; anders könnte das - zumindest in den nächsten Folgekosten sind sicher ein Merkmal, das viele von einer Be- Jahren – für iPad-Angebote werden. Aber auch die würden nur werbung um eine eigene Top Level Domain abhalten wird. Doch begrenzte Zeit Relevanz haben, bis eine neue Entwicklung sich gibt es auch die andere Seite: wie geht die Konkurrenz damit Bahn bricht. um, und wenn sie auf eine eigene Top Level Domain optiert, in- wieweit muss und kann man vernünftigerweise handeln. OLG München – Sedo haftet nicht als Störer Dabei ergibt sich ein weiterer Aspekt: warum eigentlich soll- Das Oberlandesgericht München hat sich in einer bereits im te sich die Konkurrenz auf eigene Kennzeichen beschränken, August letzten Jahres gefällten und jetzt erst öffentlich ge- sie könnte ja nach einer Branchen-Domain greifen. Zum Bei- machten Entscheidung deutlich gegen eine Haftung von Sedo spiel: was bedeutet es für einen Sportwarenhersteller, wenn Adi- wegen Parkens rechtsverletzender Domains ausgesprochen (Ur- das oder Nike sich um die Domain .sports bewerben würden? teil vom 13. 08. 2009, Az.: 6 U 5869/07). Hier muss man vorbereitet und sich bewusst sein, dass es die Ein Kunde von Sedo hatte die Domain tatonka.eu bei Sedo, Pre-Launch Dispute Resolution Procedures gibt, die Konkur- der weltweit größten Domain-Handelsbörse, über die mehrere renten und der entsprechenden „Community“ einen Rechtsweg Millionen Domains angeboten werden, geparkt und zum Ver- eröffnen, bevor eine neue Endung dem Bewerber zugesprochen kauf angeboten. Die Klägerin sah dadurch ihre Marke und wurde. Kennzeichnungsrechte in Form des Firmenschlagwortes ver- Dieses Beispiel deutet darauf hin, worum es derzeit bei den letzt und mahnte Sedo ab. Sedo nahm die Domain von der Han- Vorbereitungen der Einführung neuer generischer Top Level Do- delsplattform, setzte den Domain-Namen auf eine Blacklist und mains im Wesentlichen geht: Unternehmen, die ihre Rechte und gab die Unterlassungserklärung ab, verweigerte aber die Zah- zukünftigen Märkte schützen wollen, müssen zumindest den lung von Abmahnkosten. Die Klägerin erhob Klage vor dem Überblick bewahren und gewappnet sein. Die Entwicklung der Landgericht München und berief sich darauf, dass die Beklag- neuen Top Level Domains sollte nicht nur beobachtet und ana- te ihrem Kunden Keywords eingetragen habe, so dass unter der lysiert werden, sondern bereits jetzt ist es sinnvoll, Handlungs- Domain Links zu Konkurrenten der Klägerin eingeblendet wur- strategien zu entwickeln, um fach- und sachgerecht eingreifen den. Im Rahmen einer Beweisaufnahme wurde deutlich, dass zu können, wenn eigene Belange betroffen sind. Das erfordert, die Keywords vom Nutzer ausgesucht wurden, woraufhin das gerade weil die aktuellen Vorgänge komplex und nicht leicht LG München die Klage abwies. Gegen die Entscheidung legte verständlich sind, zeitaufwändige Beschäftigung mit diesem die Klägerin Berufung ein. Thema. Wenn man selbst keine Ressourcen für diesen Prozess Das OLG München bestätigte in seinem Urteil vom 13. 08. zur Verfügung hat, kann es sinnvoll sein, professionelle Anbie- 2009 die Entscheidung des Landgerichts und wies die Berufung ter mit Expertise zu beauftragen. Deren gibt es nicht viele, aber zurück. Es führte aus, der gegen die Beklagte geltend gemach- Investitionen in deren Kompetenzen scheint das Mindeste zu te Unterlassungsanspruch der Klägerin stand ihr nicht zu, wes- sein, was man angesichts der anstehenden Marktverschiebun- halb sie die Erstattung der Kosten nicht verlangen könne. Die gen tun kann, um handlungsfähig zu bleiben. Beklagte könne nicht für die von Dritten begangenen Marken- stadtwerke-uetersen.de Ð Domainer, werdet aktiv rechtsverletzungen in Anspruch genommen werden. Erst mit Kenntnis der Rechtsverletzung komme eine Haftung in Betracht. Das OLG Hamburg hat sich im namensrechtlichen Streit um Weder sei die Beklagte Täterin oder Teilnehmerin, da der Kun- die Domain stadtwerke-uetersen.de der Rechtsprechung des de die Keywords ausgesucht habe, noch sei sie Störerin. Sie Bundesgerichtshofs angeschlossen: Der Inhaber des Domain- unterliege keiner vorgeschalteten Prüfpflicht, da das bei der An- Namens musste diesen gegenüber dem Inhaber des erst später zahl von mehreren Millionen geparkten Domains nicht möglich entstandenen Namensrechts freigeben (Urteil vom 24.09. 2009, ist: eine Aufteilung in unterscheidungskräftige und nicht unter- Az.: 3 U 43/09). scheidungskräftige Bezeichnungen der geparkten Domains an- Die Beklagte registrierte die Domain stadtwerke-uetersen.de hand gängiger Lexika bei vierzehn Sprachen, in denen die am 06. Oktober 2007, die sie zunächst nicht, dann aber privat Dienstleistung angeboten wird, sei nicht möglich und unter dem nutzte, indem auf ihr Gebäude in Uetersen gezeigt wurden. Die Gesichtspunkt, dass selbst allgemeine Begriffe Markenschutz Klägerin, die unter anderem die Stadtwerke Uetersen GmbH genießen können, stoße man auf unlösbare Probleme, weshalb betreibt, ist seit dem 07. Juli 2008 in das Handelsregister ein- eine Vorabprüfung unzumutbar sei. getragen. Sie verhandelte mit der Beklagten über die Übertra- Das OLG München und schon die Vorinstanz zeigen in ihren gung der Domain; da aber keine Einigung erzielt wurde, mahn- Urteilen das praktische Gespür für domainrechtliche Ausein- te sie sie ab und erhob später Klage auf Löschung der Domain

132 Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 Wettbewerb und Schadensersatz. Das Landgericht Hamburg gab der Klage raus generierte Edelman eine Liste potentieller Vertipper wie statt (Urteil vom 24. 2. 2009, Az.: 312 O 656/08); die Beklagte faceboolk, facebok oder faceboik und verglich sie mit den da- ging daraufhin in Berufung. mals fast 81 Mio. registrierten .com-Domains. Heraus kamen Das OLG Hamburg bestätigte die Entscheidung der Vorin- 1.910.738 Vertippervarianten der ursprünglich 3.264 Adressen. stanz: es bestehe ein Löschungsanspruch der Klägerin wegen Mittels statistischer Berechnungen reduzierte sich die Zahl der Verletzung des Namensrechts aus ¤ 12 Abs. 1 S. 2 BGB, das potentiellen Typosquatting-Domains auf etwa 938.000; auf je- hier zur Anwendung kommt, da die Beklagte die Domain nicht de einzelne der beliebten .com-Domains kamen somit 281 Ver- im geschäftlichen Verkehr verwendete und ein Bezug zu kom- tipper, an der Spitze google.com, für die Edelman 2.537 Vari- merziellem Handeln nicht ersichtlich war. Mit dem Gebrauch anten ermittelte. Sie werden vorrangig zu zwei Zwecken ein- des Namens verletzte die Beklagte schutzfähige Interessen der gesetzt: etwa 80 Prozent dienen der Schaltung von Werbung, Klägerin. Das Vorliegen der Namensrechtsverletzung klärte das weitere 20 Prozent zur Weiterleitung auf (oft konkurrierende) Gericht durch eine umfassende Abwägung der schutzwürdigen Internetangebote. Daraus leitet sich auch der Schaden von Ty- Interessen der klagenden Namens trägerin gegen die der unbe- posquatting ab: zum einen verwirrt es Internetnutzer bei der Su- fugt nutzenden Beklagten. Problematisch an der Konstellation che, zum anderen müssen die Betreiber der originären Ange- war, dass das Namensrecht erst nach Registrierung der Domain bote viel Geld an Werbeplattformen wie Google AdWords zah- entstanden ist. Diesen Fall hatte der Bundesgerichtshof bereits len, um trotz des Typosquattings gefunden zu werden. Edel- mehrmals zu entscheiden. Das Gericht in Hamburg lehnte sich man schätzt, dass Google US$ 497 Mio. jährlich an den Ver- an die BGH-Rechtsprechung an und kam zu dem Ergebnis, dass tipperdomains verdient. die Beklagte die Domain löschen müsse: Die Registrierung der Besonders bitter dürfte vielen aufstoßen, dass Google dem Domain stadtwerke-uetersen.de diente nach Überzeugung des Missbrauch nicht wehrlos gegenübersteht. Von den Vertipper- OLG Hamburg lediglich dem Ziel, die Domain später zu ver- Domains, die über Google Werbung schalten, weisen laut Edel- kaufen; der von der Beklagten vorgetragene Nutzungszweck man 63 Prozent auf nur fünf verschiedene Google-IDs, so dass ist nach der Überzeugung des Senats lediglich ein vorgescho- sich die aktivsten Typosquatter auf fünf Benutzerkonten kon- benes Argument. ãStadtwerke“ sind, so das Gericht, kommu- zentrieren. Solange Werbekunden und -netzwerke allerdings nale Versorgungseinrichtungen, der Begriff bezeichne hingegen untätig bleiben, brennt die Typosquatting-Flamme weiter. Nach nicht die Bauwerke einer Stadt. Über die Gründung der Stadt- Ansicht von Edelman sollte man sich also nicht täuschen las- werke wurde bereits am 19. September 2007, also einige Tage sen: die Flamme kann gelöscht werden - wenn man nur will. vor Registrierung der Domain durch die Beklagten, öffentlich Weitere Informationen finden Sie unter: berichtet. Zudem ergebe sich aus der vorgerichtlichen Korre- > http://www.benedelman.org/typosquatting/ spondenz der Parteien das ausschlie§lich Erwerbsinteresse der Beklagten. Die gesamte Studie finden Sie unter: http://www.benedelman.org/typosquatting/typosquatting.pdf Diese Entscheidung macht nochmals deutlich, dass sich Do- mainer und Grabber, die Domains registrieren, um diese später ud.com Ð neuer Namecheck-Service gestartet! gegebenenfalls gewinnbringend zu verkaufen, auf dünnem Eis Der Starnberger Domain-Registrar united-domains AG hat befinden. Die Beklagte hatte hier die Domain nicht weiter ge- einen innovativen Namecheck-Service gestartet: unter ud.com nutzt, bis klar wurde, dass jemand möglicherweise berechtigte steht ab sofort eine kostenlose Suchmaschine für Domain-Na- Ansprüche stellen würde. Ob diese Entscheidung anders aus- men, Usernamen in sozialen Netzwerken und eingetragene Mar- gefallen wäre, wenn die Beklagte die Domain zuvor ordentlich ken zur Verfügung. und nachvollziehbar genutzt hätte, lässt sich nur vermuten: der „Check & protect your online identity“ - unter diesem Mot- Name stadtwerke-uetersen.de spricht deutlich dagegen. Die Ent- to kann jedermann bei ud.com auf einen Blick prüfen, ob ein scheidung ist nachvollziehbar und gut begründet; ganz glück- bestimmter Begriff oder Name noch verfügbar ist. Im Gegen- lich ist man mit dieser Rechtsprechung gleichwohl nicht, da sie satz zu den klassischen Domain-Suchmaschinen, deren Prüfung faktisch eine aktive Nutzung einer vielleicht nur auf Vorrat re- sich darauf beschränkt, ob ein Begriff unter einer oder mehre- gistrierten Webadresse verlangt. ren Top Level Domains noch registriert werden kann, schlie§t Das Urteil des OLG Hamburg findet man unter: die Prüfung bei ud.com nicht nur die wichtigsten generischen http://openjur.de/u/31967-3_u_43-09_.html Top Level Domains wie .com, .net, .info und .tv sowie die Die afilias.de-Entscheidung des BGH findet man unter: führenden country code Top Level Domains wie .de, .cn oder http://www.domain-recht.de/verweis/243 .eu ein, sondern auch die Verfügbarkeit in Social Networks wie Facebook, Twitter oder Flickr, und den Markendatenbanken der Studie Ð Google kassiert dank Typosquatting Bundesrepublik, der EU und der WIPO. Mit dem Namecheck Ben Edelman, Professor an der Harvard Business School, kann also geprüft werden, ob ein bestimmter Username bei Fa- sorgt mit einer neuen Domain-Studie für weltweites Aufsehen: cebook oder Twitter schon genutzt wird; darüber hinaus liest nach seinen Recherchen zählt der Suchmaschinenbetreiber Goo- ud.com die wichtigsten Markendatenbanken aus und prüft, ob gle zu den größten Profiteuren von Typosquatting. eine bestimmte Zeichenfolge beispielsweise schon als interna- Seit über einem Jahrzehnt ist das Phänomen Typosquatting, tionale IR-Marke (WIPO) eingetragen worden ist. Neben der also das bewusste Registrieren von Tippfehlervarianten po- reinen Verfügbarkeit kann man so gleichzeitig feststellen, ob pulärer Domains zu geschäftlichen Zwecken, bekannt. Trotz der Name unberechtigt von einem Dritten verwendet wird und aller Bemühungen, diesem Unwesen durch Rechtsprechung und ein Namensmissbrauch vorliegt. neue Regelungen wie die UDRP ein Ende zu bereiten, ist es Das Suchergebnis des Namechecks wird übersichtlich auf ei- auch heute noch weit verbreitet. Doch was macht Typosquat- ner einzigen Seite präsentiert und durch eine klare Optik rasch ting so attraktiv? Zusammen mit dem Postdoktoranden Tyler verdeutlicht. Ein Klick auf das jeweilige Suchergebnis, und man Moore hat sich Edelman, der bereits im Jahr 2002 erste Domain- wird beispielsweise bei Domain-Namen auf die Registrie- Studien veröffentlicht hat, auf die Suche nach den Ursachen rungsseite von united-domains.de weitergeleitet, wo man er- gemacht. Die Ergebnisse hat er nun in einer Studie mit dem Ti- gänzende Informationen findet. Bei den sozialen Netzwerken tel ãMeasuring the Perpetrators and Funders of Typosquatting“ leitet ein Klick weiter zur Anmeldeseite. Das Suchergebnis kann auf 15 Seiten zusammengefasst und anlässlich der „Financial man zudem in Kürze als .pdf-Datei ausdrucken und speichern, Cryptography and Data Security“-Konferenz auf Teneriffa ver- so dass man die Daten weiterverwenden oder eventuell archi- öffentlicht. vieren kann. Ganz perfekt ist ud.com aber noch nicht; wie CEO Basierend auf dem Alexa-Ranking im Juni 2009 nahm Edel- Florian Huber mitteilt, arbeitet man ständig daran, die Nutzer- man die 3.264 beliebtesten .com-Domains mit mindestens fünf freundlichkeit und die Qualität der Suchergebnisse weiter zu Zeichen Länge als Grundlage für seine Untersuchungen. Da- verbessern.

Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 133 Wettbewerb

Die Domain ud.com hatte die united-domains AG erst vor gut kau, bei dem sie sich nach 15 Jahren erstmals wieder begegne- einem Jahr zum Preis von US$ 99.000,- über die Handelsplatt- ten, berichtete die in USA lebende Beklagte auf einer Internet- form Sedo ersteigert. Doch nicht schnödes Parking, sondern ein seite über ihre mehrtägige Reise nach Moskau, wobei sie dort innovativer Suchservice soll der attraktiven Domain neues Le- auch den in Deutschland lebenden Kläger und seine Wohnung ben einhauchen und sie damit zum nützliche Tool nicht nur für in Moskau erwähnte. Der Kläger sah sich durch einige von der Domainer werden. Beklagten verwandte Formulierungen und Beschreibungen in Den UD-Namecheck finden Sie unter: http://www.ud.com seinem Persönlichkeitsrechten verletzt und verlangte von ihr Ein Video-Portrait finden Sie unter: Unterlassung. Da er seinen Wohnsitz in Deutschland hat, wand- http://www.youtube.com/watch?v=zfIiri40lGE te er sich an die deutsche Gerichtsbarkeit. Das Landgericht in Köln prüfte aufgrund der gegebenen Kon- UDRP – Prager Gericht senkt den Gebührendruck stellation die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte Das Schiedsgericht der Wirtschafts- und Landwirtschafts- und lehnte sie ab. Das Gericht geht davon aus, dass die Rechts- kammer der Tschechischen Republik mit Sitz in Prag hat an- verletzung nicht in Deutschland begangen wurde und deshalb gekündigt, die Gebühren für ein UDRP-Verfahren auf bis zu das LG Köln nicht zuständig ist. Das Gericht zieht Parallelen EUR 500,00 zu senken. Damit wächst der Druck auf die ande- zu Persönlichkeitsrechtsverletzungen bei Presseerzeugnissen ren Schiedsgerichte, auch ihre Verfahren kostengünstiger und und bei Urheberrechtsverletzungen im Internet und verwies da- effizienter zu gestalten. bei auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Ma§ge- Erst seit November 2009 bietet das international als ãCzech bend für die internationale Zuständigkeit ist da der Erschei- Arbitration Court“ (CAC) bekannte Gericht Verfahren nach der nungsort und der Verbreitungsort, nicht aber der Wohn- oder Uniform Domain Name Dispute Resolution Policy (UDRP) an, Aufenthaltsort des Geschädigten. Bei Internetseiten reiche es hat seither jedoch durch einige Detailverbesserungen wie der für Wettbewerbsverletzungen nach BGH-Rechtsprechung nicht, Umstellung auf ein papierloses Verfahren wiederholt von sich allgemein auf den Ort der Abrufbarkeit der Rechtsverletzung Reden gemacht. Im Herbst 2009 hat man weitere Diskussionen als Erfolgsort zu verweisen; erst wenn sich der Internetauftritt um Änderungen der UDRP angestoßen, und einen der wichtig- bestimmungsgemäß im Inland auswirkt, ist das Inland auch Er- sten Vorschläge nun mit Wirkung ab dem 15. März 2010 um- folgsort. gesetzt: in allen Fällen, in denen der Antragsgegner keine Stel- Dass die beanstandete Internetseite irgendeinen Inlandsbe- lungnahme abgibt und für das Gericht keine eingehende Ur- zug haben könnte, war nicht ersichtlich. Der umstrittene, in rus- teilsbegründung notwendig wird, reduzieren sich die Gebühren sisch abgefasste Text war von der in den USA lebenden Be- für das Verfahren auf EUR 500,-, nach derzeitigem Kurs um- klagten dort online gestellt worden und handelt von einem pri- gerechnet also etwa US$ 700,-. Bisher lagen die Mindestge- vaten Ereignis, das in Moskau stattgefunden hat. Auch wenn bühren bei EUR 800,-, umgerechnet also etwa US$ 1.100,-. Das der Text in Deutschland abrufbar war, so befand sich dort nicht Gericht erhält bei solchen vereinfachten Entscheidungen, die der Empfängerkreis: das Gericht ging davon aus, dass der rus- sich in etwa mit einem Versäumnisurteil nach § 331 der deut- sische Text sich nicht an den durchschnittlichen Rezipient in schen Zivilprozessordnung vergleichen lassen, einen Anteil von Deutschland wende, da der den Text nicht lesen und verstehen EUR 250,-. könne. Auch leitete das Gericht über den Wohnsitz des Klägers Der CAC hat damit eine Art Preisrunde unter den insgesamt keinen Inlandsbezug her. Der Erfolgsort ergebe sich auch nicht vier UDRP-Schiedsgerichten ausgelöst. Zum Vergleich: bei der über den Standort des Name-Servers, über den die Domain, un- Genfer WIPO beginnt die Gebührentabelle bei US$ 1.500,- für ter der sich die Inhalte fanden, konnektiert ist, da weltweit auf Streitigkeiten vor dem Einzelrichter um bis zu fünf Domains; Name-Server zugegriffen werden kann und dann über das In- mit der Zahl der Richter und der Domains steigen sodann die ternet die Verbreitung weltweit erfolgt, ganz unabhängig vom Gebühren. Etwas günstiger sind Verfahren vor dem National Ar- Standort des Servers. Mithin sah sich das Landgericht Köln als bitration Forum (NAF), aber auch hier sind mindestens US$ unzuständig und wies die Klage als unzulässig ab. 1.300,- fällig. Bliebe noch das in UDRP-Streitigkeiten selten gefragte Asian Domain Name Dispute Resolution Centre (AD- Die Entscheidung des Landgerichts Köln fügt der Recht- NDRC), bei dem man ab einer Gebühr von US$ 1.000,- vor- sprechung zum Gerichtsstand einen weiteren Mosaikstein hin- stellig werden kann. Die WIPO hatte bereits im November des zu. Insbesondere ist die Erwägung, der Standort des Name-Ser- letzten Jahres angekündigt, an einer Art Schnellverfahren ar- vers nehme keinen Einfluss auf die örtliche Zuständigkeit, in- beiten zu wollen. teressant und wird sicher zu Diskussionen führen. Zusammen mit der hier nicht besprochenen Entscheidung des AG Frank- Ebenfalls mit Wirkung ab 15. März 2010 ändern sich die vom furt/M (Beschluss vom 21. 08. 2009, Az.: 31 C 1141/09) sollte CAC verwendeten Standardformulare für UDRP-Schriftsätze. es mit dem leichtfertigen Griff zum fliegenden Gerichtsstand Sie sollen sowohl Klageanträge als auch -erwiderungen noch bei Internetrechtsstreiten vorbei sein. verständlicher machen, und werden durch online abrufbare Er- läuterungen ergänzt. Selbst für das Urteil gibt es einen Vordruck, Die Entscheidung des LG Köln findet man unter: der eine formelle Einheitlichkeit des Verfahrens gewährleisten http://www.domain-recht.de/verweis/257 soll. Die Entscheidung des AG Frankfurt findet man unter: Das Prager Schiedsgericht finden Sie unter: http://www.domain-recht.de/verweis/196 http://www.arbcourt.cz/ Buchtipp Ð Neuauflage des Skriptum Internetrecht Die UDRP finden Sie hier: Das Standardwerk zum Internetrecht von Prof. Dr. Thomas http://www.icann.org/dndr/udrp/policy.htm Hoeren, Leiter des Instituts für Informations-, Telekommuni- LG Köln – mit fliegendem Gerichtsstand abgestürzt kations und Medienrecht der Universität Münster, das ãSkrip- Das Landgericht Köln hat in einem Rechtsstreit über die Ver- tum Internetrecht“, ist vor wenigen Tagen in neuer Auflage er- letzung von Persönlichkeitsrechten aufgrund im Internet auf- schienen und steht zum Gratisdownload bereit. gestellter Behauptungen in russischer Sprache die Zuständig- Auf nun 522 Seiten gibt Prof. Dr. Thomas Hoeren in be- keit der deutschen Gerichtsbarkeit verneint. Ma§gebend ist nicht kannter Struktur einen grundsätzlichen Überblick über das In- der Wohnsitz des Betroffenen und der Umstand, dass die Inter- ternetrecht. Inhaltlich ist das Werk auf dem Stand Februar 2010, netseite in Deutschland abrufbar ist, sondern - neben weiteren aktuelle Entscheidungen und Meinungen wurden hinzugefügt. Kriterien - auch die Sprache, in der die vermeintliche Rechts- Einige kleine Änderungen sind nach einem ersten Blick in das verletzung abgefasst ist (Urteil vom 26.08. 2009, Az.: 28 O Kompendium zu verzeichnen; so ist das Kapitel 3 neu betitelt. 478/08). Ausführungen zum Patentrecht gibt es nun keine mehr; die über Die Parteien sind beide russische Staatsangehörige und gin- wettbewerbsrechtliche Regeln des Online-Marketings wurden gen gemeinsam zur Schule. Nach einem Klassentreffen in Mos- gekürzt. Wie Thomas Hoeren im Vorwort schreibt, überfordert

134 Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 Wettbewerb die Dynamik des Internets die klassischen Buchverleger, wes- BGB unwirksam, die Klägerin habe die von ihr geschuldeten halb ein Skript zum Herunterladen bei dem schnellen Wandel Leistungen nicht wie geschuldet erbracht und er, der Beklagte, angemessener ist. Dass dies nicht immer ausreicht, zeigt die habe den Vertrag wirksam gekündigt. Vo rratsdatenspeicherung, die erst vor wenigen Tagen vom Bun- 4 Das Amtsgericht Düsseldorf hat der Klage im Wesentli- desverfassungsgericht gekippt wurde, aber nach wie vor über- chen - bis auf einen Teil der Zinsforderung - stattgegeben. Auf sichtlich und nachvollziehbar in der aktuellen Ausgabe darge- die Berufung des Beklagten hat das Landgericht Düsseldorf die stellt wird. Klage insgesamt abgewiesen. Hiergegen wendet sich die Klä- Das Manuskript steht zum kostenlosen Download zur Verfü- gerin mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision. gung. Damit mag es zwar gratis sein, umsonst sollten die Bemühungen aber nicht sein: wem der Inhalt zusagt und wer 5 Aus den Gründen: Die zulässige Revision der Klägerin ist auch die künftige Arbeit des Instituts unterstützen will, sollte begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils die Möglichkeit einer freiwilligen Spende in beliebiger Höhe und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz. auf das angegebene Konto nutzen. 6 I. Das Berufungsgericht (MMR 2009, 867) hat ausgeführt: Das Skriptum Internetrecht finden Sie in der Rubrik 7 Der Klägerin stehe kein fälliger Anspruch auf die verlang- „Materialien“ zum Herunterladen unter: ten Entgelte zu. Ein solcher ergebe sich nicht aus der in ¤1 Abs.1 http://www.uni-muenster.de/Jura.itm/Hoeren Satz 2 der AGB vereinbarten Vorleistungspflicht, da diese Re- gelung wegen der Abweichung von den gesetzlichen Vor- mailto: [email protected] schriften der ¤¤ 641, 632a BGB und erheblicher Benachteili- mailto: [email protected] gung der Vertragspartner der Klägerin nichtig sei. Bei dem „In- ternet-System-Vertrag“ überwiege der werkvertragliche Cha- rakter, denn der Schwerpunkt des Vertrages liege in der Ge- ¤¤ 307, 611, 631 BGB staltung und Programmierung der individuellen Internetpräsenz ãInternet-System-Vertrag“; und nicht in der Zurverfügungstellung von Software und Spei- rechtliche Einordnung; Vorleistungsklausel cherkapazitäten auf den Servern der Klägerin. Etwaige An- sprüche aus § 649, ¤ 632a BGB oder ¤ 642 BGB habe die Klä- Zur rechtlichen Einordnung eines ãInternet-System-Ver- gerin nicht hinreichend dargelegt. trags“, der die Erstellung und Betreuung einer Internet- 8 II. Diese Begründung hält der rechtlichen Überprüfung in präsentation (Website) des Kunden sowie die Gewährlei- einem entscheidenden Punkt nicht stand. stung der Abrufbarkeit dieser Website im Internet für ei- nen festgelegten Zeitraum zum Gegenstand hat. 9 1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts erweist sich ¤1 Abs.1 Satz 2 der AGB nach Ma§gabe des revisions- Zur Frage der Wirksamkeit einer Klausel, die in einem rechtlich zu Grunde zu legenden Sachverhalts nicht als un- ãInternet-System-Vertrag“ eine Vorleistungspflicht des Kun- wirksam. den begründet. 10 a) Die Regelung in ¤1 Abs.1 Satz 2 der AGB kann der er- (BGH, Urteil vom 4. 3. 2010 Ð III ZR 79/09) kennende Senat selbständig auslegen, weil eine unterschiedli- che Auslegung durch verschiedene Berufungsgerichte in Be- 1 Zum Sachverhalt: Die Parteien schlossen am 14. Juni 2005 tracht kommt (BGHZ 163, 321, 323 f [=WuM 2005, 589]; Se- einen ãInternet-System-Vertrag“ des Typs 〠Premium Plus“ nat, Urteil vom 17. September 2009 - III ZR 207/08 - NJW 2010, mit „Editorfunktion“ und „Full Service“. Nach der vertragli- 57 Rn.16; BGH, Urteil vom 16. Juni 2009 - XI ZR 145/08 - chen Leistungsbeschreibung schuldete die Klägerin dem Be- NJW 2009, 3422, 3423 Rn. 20). Im Rahmen der Wirksam- klagten, der ein einzelkaufmännisches Unternehmen („B. Ab- keitskontrolle ist gemäß § 305c Abs. 2 BGB in Zweifelsfällen bruchsprengungen, Beton-, Bohr- und Sägearbeiten, Gro§feu- die „kundenfeindlichste“ Auslegung geboten, wenn diese zur erwerke“) betreibt, die Recherche und Registrierung einer In- Unwirksamkeit der Klausel führt und damit für den Kunden im ternet-Domain („Domainservice“), die Zusammenstellung der Ergebnis am günstigsten ist (Senatsurteil BGHZ 175, 76, 80 f Webdokumentation - Bild- und Textmaterial - durch einen Web- Rn. 9 m.w.N.; BGHZ 176, 244, 250 f [=WuM 2008, 606] Rn.19 designer (ãVor-Ort-Beratung“), die Gestaltung und Program- m.w.N.; BGH, Urteil vom 16. Juni 2009 aaO Rn. 21). mierung einer individuellen Internetpräsenz nach bestimmten 11 ¤1 Abs.1 Satz 2 der AGB begründet hiernach eine Vorlei- einzeln aufgeführten Vorgaben, das „Hosting“ der Websites und stungspflicht des Vertragspartners der Klägerin (Kunde bzw. Mailboxen auf den Servern der Klägerin sowie die weitere Be- ãPartnerunternehmen“). Denn ihm wird aufgegeben, das ver- ratung und Betreuung über eine Hotline. Neben Anschlussko- tragliche Entgelt jährlich im Voraus zu entrichten,und zwar un- sten von 99 € zuzüglich Umsatzsteuer, die bei Vertragsabschluss abhängig davon, ob und inwieweit die Klägerin die ihr (für den zahlbar waren, hatte der Beklagte für die vereinbarte Vertrags- jeweiligen Zeitabschnitt) obliegenden Leistungen - überhaupt laufzeit von insgesamt 36 Monaten ein Entgelt von monatlich oder ordnungsgemäß - erbringt. 120 € zuzüglich Umsatzsteuer zu entrichten. Zur Zahlung die- 12 b) Die Überprüfung der Wirksamkeit einer Allgemeinen ses Entgelts trifft ¤1 Abs.1 der im Vertrag in Bezug genomme- Geschäftsbedingung, die eine Vorleistungspflicht des Kunden nen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Klägerin begründet, richtet sich in aller Regel - so auch hier - nach den folgende Regelung: Ma§gaben des ¤ 307 BGB. Danach ist eine Klausel, die den ãDer Berechnungszeitraum beginnt mit dem Datum der Un- Kunden abweichend von der gesetzlichen Regelung zur Vorlei- terschrift unter diesem Vertrag. Das nach diesem Vertrag zu stung verpflichtet, nur dann zulässig, wenn für sie ein sachlich zahlende Entgelt ist am Tag des Vertragsabschlusses und je- rechtfertigender Grund gegeben ist und den berechtigten Inter- weils am selben Tage des folgenden Jahres jährlich im Vor- essen des Kunden hinreichend Rechnung getragen wird, insbe- aus fällig. Abweichend von Satzzwei ist im ersten Vertrags- sondere keine überwiegenden Belange des Kunden entgegen- jahr das Entgelt drei§ig Tage nach Vertragsabschluss jähr- stehen (BGHZ 100, 157, 161 ff; 141, 108, 114; 145, 203, 211; lich im Voraus fällig.“ BGH, Urteile vom 23. Mai 1984 - VIII ZR 27/83 - NJW 1985, 850, 851, vom 24. September 2002 - KZR 38/99 - NJW-RR 2 Der Beklagte zahlte die Anschlusskosten und das Entgelt 2003, 834, 836 und vom 20. Juni 2006 - X ZR 59/05 - NJW für das erste Vertragsjahr (2005/2006). Mit ihrer Klage begehrt 2006, 3134 Rn. 6, 10; Palandt/Grüneberg, BGB, 69. Aufl., ¤ 309 die Klägerin die Zahlung der Entgelte für das zweite und drit- Rn.13; MünchKommBGB/Kieninger, 5. Aufl., ¤ 309 Nr. 2 te Vertragsjahr (2006/2007 und 2007/2008) nebst Zinsen und Rn.14; Staudinger/Coester-Waltjen, BGB ‹2006›, ¤ 309 Nr. 2 vorgerichtlicher Kosten. Rn. 7; Dammann, in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, 5. 3 Der Beklagte hat eingewandt, die Bestimmung einer Vor- Aufl., Rn.V 505 ff; Hensen, in: Ulmer/ Brandner/Hensen,AGB- leistungspflicht in ¤1 Abs.1 Satz 2 der AGB sei gemäß § 307 Recht, 10. Aufl., ¤ 309 Nr. 2 BGB Rn.11 f). Diese Maßstäbe

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gelten auch dann, wenn die Vorleistungsklausel, wie im vorlie- 18 (a) Bei dem ãAccess-Provider-Vertrag“ geht es um die genden Fall, gegenüber einem Unternehmer verwendet wird Pflicht des Anbieters, dem Kunden den Zugang zum Internet (¤14 Abs.1, ¤ 310 Abs.1 Satz1 und 2 BGB), wobei den Be- zu verschaffen; hierbei schuldet der Provider - nur - die Bereit- sonderheiten des unternehmerischen Verkehrs im Rahmen der haltung des Anschlusses und das sachgerechte Bemühen um die nötigen Interessenabwägung Rechnung getragen werden kann Herstellung der Verbindung in das Internet, so dass dieser Ver- und muss (s. auch Dammann aaO Rn.V 508). Der Grundsatz trag im Allgemeinen als Dienstvertrag im Sinne der ¤¤ 611 ff der Leistung Zug um Zug (¤¤ 320, 322 BGB) gehört zu den BGB anzusehen ist (Senat, Beschluss vom 23. März 2005 - III wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung (¤ 307 ZR 338/04 - NJW 2005, 2076 [= GuT 2005, 175] m.w.N.; Abs. 2 Nr.1 BGB), weil er eine gleichmäßige Sicherheit für bei- Klett/Pohle aaO S.199; für die Annahme eines Werkvertrags de Vertragsparteien gewährleistet. Durch die ihm auferlegte Vor- hingegen Redeker, IT-Recht, 4. Aufl., Rn. 968). leistungspflicht wird dem Kunden das Druckmittel der Einre- 19 (b) Gegenstand des ãApplication-Service-Providing de des nicht erfüllten Vertrages (¤320 BGB) für die Durchset- (ASP)“-Vertrags ist die Bereitstellung von Softwareanwendun- zung seines Anspruchs auf vertragsrechte Erfüllung (ohne Er- gen für den Kunden zur Online-Nutzung über das Internet oder fordernis einer Prozessführung) genommen und das Risiko der andere Netze. Im Vordergrund dieses Vertrages steht die (Onli- Leistungsunfähigkeit seines Vertragspartners, des Verwenders, ne-)Nutzung fremder (Standard-)Software, die in aller Regel aufgebürdet. Vor diesem Hintergrund bedarf es im Rahmen der nicht nur einem, sondern einer Vielzahl von Kunden zur Verfü- bei der Überprüfung nach § 307 BGB anzustellenden umfas- gung gestellt wird, und somit der Gesichtspunkt der (entgeltli- senden Interessenabwägung (vgl. etwa Senat, BGHZ 175, 102, chen) Gebrauchsüberlassung, weshalb dieser Vertrag von der 107 f Rn.19 sowie Urteile vom 12. Februar 2009 - III ZR 179/08 Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als Mietvertrag im Sin- - NJW 2009, 1334, 1337 Rn. 29 [= GuT 2009, 42 KL] und vom ne der ¤¤ 535 ff BGB eingeordnet worden ist (BGH, Urteil vom 17. September 2009 aaO S. 58 Rn.18) eines sachlichen Grun- 15. November 2006 - XII ZR 120/04 - NJW 2007, 2394 f [= GuT des für die Verwendung einer Vorleistungsklausel regelmäßig 2007, 10] Rn.11 ff; Klett/Pohle aaO S. 203; für die Einordnung auch dann, wenn der Kunde Unternehmer ist (so auch Dam- als Dienstvertrag hingegen Redeker aaO Rn. 987 ff). mann aaO; offen gelassen in BGH, Urteil vom 24. September 2002 aaO; offen gelassen wohl auch bei Hensen aaO Rn.17; 20 (c) Beim ãWeb-Hosting“-Vertrag (bzw. ãWebsite-Hosting“- a.A. OLG Frankfurt am Main, NJW-RR 1988, 1458, 1459; Kie- Vertrag) stellt der Anbieter auf seinem eigenen Server dem Kun- ninger aaO Rn. 21). den Speicherplatz und einen entsprechenden Internet-Zugang zur Verfügung, wobei es Sache des Kunden ist, diesen Spei- 13 Eine solche Interessenabwägung ist auch und gerade dann cherplatz (durch eine eigene Website) zu nutzen und zu ver- vorzunehmen, wenn die gesetzliche Regelung wie beim Werk- walten. Dieser Vertrag weist dienst-, miet- und werkvertragli- vertragsrecht abweichend vom Grundsatz der Leistung Zug um che Aspekte auf (s. dazu etwa MünchKommBGB/Busche, 5. Zug sogar eine Vorleistungspflicht des die Allgemeinen Ge- Aufl., ¤ 631 Rn. 279; Klett/Pohle aaO S. 202 f; Schuppert, in: schäftsbedingungen verwendenden (Werk-)Unternehmers vor- Spindler, Vertragsrecht der Internet-Provider, 2. Aufl., Teil II sieht. Rz. 48 f = S.15 f und Teil V Rz. 3 ff = S. 513 ff). Findet der Ver- tragszweck seinen Schwerpunkt in der Gewährleistung der Ab- 14 c) Nach diesen Maßgaben hält die Regelung in ¤1 Abs.1 Satz 2 der AGB der Wirksamkeitskontrolle stand. rufbarkeit der Website des Kunden im Internet, so liegt es al- lerdings nahe, insgesamt einen Werkvertrag im Sinne der ¤¤ 631 15 aa) Dem Berufungsgericht ist freilich darin beizupflich- ff BGB anzunehmen (so OLG Düsseldorf, MMR 2003, 474 f; ten, dass die in ¤1 Abs.1 Satz 2 der AGB niedergelegte Vorlei- Redeker aaO Rn. 980). stungspflicht des Kunden vom Leitbild der gesetzlichen Rege- 21 (d) Im ãWebdesign-Vertrag“ verpflichtet sich der Anbieter, lung abweicht. Bei dem zwischen den Parteien abgeschlosse- für den Kunden eine individuelle Website zu erstellen. Ein sol- nen ãInternet-System-Vertrag“ handelt es sich nach den rechts- cher Vertrag dürfte - ebenso wie ein Vertrag über die Erstellung fehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts insgesamt um oder Bearbeitung einer speziellen, auf die Bedürfnisse des Auf- einen Werkvertrag im Sinne der ¤¤ 631 ff BGB, und gemäß traggebers abgestimmten Software (s. BGHZ 102, 135, 140 f; ¤ 641 Abs.1, ¤¤ 632a, 646 BGB hat nicht der Besteller, sondern BGH, Urteile vom 15. Mai 1990 - X ZR 128/88 - NJW 1990, der Werkunternehmer vorzuleisten. 3008, vom 3. November 1992 - X ZR 83/90 - NJW 1993, 1063, 16 Die Qualifizierung des ãInternet-System-Vertrags“ als vom 9. Oktober 2001 - X ZR 58/00 - CR 2002, 93, 95 und vom Werkvertrag im Sinne der ¤¤ 631 ff BGB steht im Einklang mit 16. Dezember 2003 - X ZR 129/01 - NJW-RR 2004, 782, 783) der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Zuordnung von - regelmäßig als Werkvertrag im Sinne der ¤¤ 631 ff BGB, un- Internet-Verträgen zu den Vertragstypen des Bürgerlichen Ge- ter Umständen auch als Werklieferungsvertrag im Sinne von setzbuchs. Sie findet ihre ma§gebliche Grundlage in dem von ¤ 651 BGB, anzusehen sein (s. dazu etwa Busche aaO m.w.N.; den Parteien vereinbarten Vertragszweck, wie er in der ver- Klett/Pohle aaO S. 201; Redeker aaO Rn. 980; Schneider, in: traglichen Leistungsbeschreibung und dem hieran anknüpfen- Handbuch des EDV-Rechts, 4. Aufl., Teil O Rz. 342 f = S. 2066; den Parteiwillen, insbesondere auch in der verobjektivierten Schmidt, in: Spindler, Vertragsrecht der Internet- Provider, 2. Kundenerwartung, zum Ausdruck kommt, und rechtfertigt sich Aufl., Teil VIII Rz. 4 = S. 659 ff; Cichon, Internet-Verträge, 2. letztlich auch aus einem Vergleich mit Verträgen, die ähnliche Aufl., S.117 ff; Härting, Internetrecht, 3. Aufl., Rn. 334 ff = S. 83 Gegenstände betreffen und als Werkverträge anerkannt sind. ff).

17 (1) Der ãInternet-System-Vertrag“ gehört zum Kreis der 22 (e) Beschränkt sich die Leistungspflicht des Anbieters auf Internet-Provider- Verträge; unter diesem Oberbegriff wird ei- die Beschaffung und Registrierung einer vom Kunden ge- ne Vielzahl unterschiedlicher Vertragstypen zusammengefasst, wünschten Internet-Domain, so stellt sich der Vertrag in der Re- bei denen es sich zumeist um atypische oder gemischte Verträ- gel als ein Werkvertrag dar, der eine entgeltliche Geschäftsbe- ge handelt (s. etwa Spindler, CR 2004, 203 f; ders., in: Spind- sorgung (¤ 675 Abs.1, ¤¤ 631 ff BGB) zum Gegenstand hat (s. ler, Vertragsrecht der Internet-Provider, 2. Aufl., Teil IV Rz. 4 OLG Köln, MMR 2003, 191; Klett/Pohle aaO S. 200 m.w.N.; f = S. 240 ff; Klett/Pohle, DRiZ 2007, 198). Unbeschadet des- Redeker aaO Rn.1085; Schuppert aaO Teil VI Rz. 11 = S. 600). sen lassen sich einzelne Vertragsgestaltungen im Rahmen der 23 (f) Verträge über die „Wartung“ oder „Pflege“ von Soft- gebotenen Schwerpunktbetrachtung (BGHZ 2, 331, 333; Pa- ware, EDV-Programmen oder Websites sind als Werkverträge landt/Grüneberg aaO vor ¤ 311 Rn. 26) - unter besonderer einzuordnen, soweit sie auf die Aufrechterhaltung der Funkti- Berücksichtigung der unter dem Blickwinkel des Auftraggebers onsfähigkeit und die Beseitigung von Störungen (und somit: auf gewählten Zielrichtung (Senat, Urteil vom 7. März 2002 - III einen Tätigkeitserfolg) gerichtet sind, wohingegen ihre Quali- ZR 12/01 - NJW 2002, 1571, 1573; BGHZ 54, 106, 107) - ei- fizierung als Dienstvertrag nahe liegt, wenn es an einer solchen nem der im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelten Vertragstypen Erfolgsausrichtung fehlt und die laufende Serviceleistung zuordnen. (Tätigkeit) als solche geschuldet ist (s. dazu BGHZ 91, 316,

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317; BGH; Urteil vom 8. April 1997 - X ZR 62/95 - NJW-RR rufbarkeit der Website des Kunden im Internet zu gewährleisten 1997, 942, 943; ferner: OLG München, CR 1989, 283, 284 und und in diesem Sinne einen „Erfolg“ herbeizuführen, somit we- CR 1992, 401, 402; Palandt/Sprau aaO vor ¤ 631 Rn. 22; Bu- der als ein blo§es Tätigwerden noch lediglich als die Ge- sche aaO ¤ 631 Rn. 284; Redeker aaO Rn. 648 ff m.w.N.; brauchsüberlassung von Speicherplatz angesehen werden kann. Klett/Pohle aaO S. 201). Im Lichte dieser prägenden Zweckrichtung ist schließlich auch die vertraglich vereinbarte Beratungs- und Betreuungspflicht 24 (2) Der hier zu beurteilende ãInternet-System-Vertrag“ weist in einzelnen Elementen Bezüge zu einigen der vorer- der Klägerin zu würdigen; auch diese zielt auf die Gewährlei- wähnten Vertragstypen auf, ist indes keinem dieser Vertragsty- stung der Abrufbarkeit einer von der Klägerin erstellten und pen vollständig zuzuordnen, sondern als eigener Vertragstypus betreuten „Internetpräsentation“ des Kunden. anzusehen, der sich insgesamt als Werkvertrag im Sinne der 27 (3) Der Einordnung des ãInternet-System-Vertrags“ als ¤¤ 631 ff BGB darstellt. Werkvertrag im Sinne der ¤¤ 631 ff BGB steht es nicht entge- 25 Nach dem vereinbarten Zweck des ãInternet-System-Ver- gen, dass der Kunde ein monatliches pauschales Entgelt zu ent- trags“, wie er in der ãLeistungsbeschreibung“ in der Anlage zum richten hat, dass der Vertrag auf eine bestimmte Zeitdauer an- Vertrag sowie in dem daran anknüpfenden Willen der Vertrags- gelegt ist und somit Züge eines „Dauerschuldverhältnisses“ auf- parteien, insbesondere auch in der verobjektivierten Kundener- weist und dass dem Kunden kein körperlicher Gegenstand als wartung, zum Ausdruck kommt, hat die Klägerin auf ihren ei- ãWerkleistung“ übereignet wird. Angesichts des auf einen Er- genen Servern für den Kunden unter der von ihm gewünschten folg bezogenen Vertragszwecks kommt diesen Umständen kein Domain eine Website (Homepage; Internetpräsentation) einzu- entscheidendes Gewicht zu. Sie finden sich insbesondere auch richten, diese Website für den vereinbarten Zeitraum zu unter- bei Werbeverträgen, die einen ähnlichen Zweck und Gegenstand halten und sie über das Internet Dritten zugänglich zu machen. wie der hier zu beurteilende ãInternet-System-Vertrag“ aufwei- Auf diesen Leistungszweck beziehen sich sämtliche der in der sen und von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als ãLeistungsbeschreibung“ aufgeführten einzelnen Leistungs- Werkverträge angesehen worden sind, wie etwa Verträge über pflichten, nämlich die Recherche und Registrierung einer (den die Präsentation von Werbespots/Videoclips auf einem öffent- Kundenwünschen entsprechenden) Internet-Domain („Do- lichen Videoboard (BGH, Urteil vom 26. März 2008 - X ZR mainservice“), die Zusammenstellung der Webdokumentation 70/06 - NJW-RR 2008, 1155), über die Anbringung von Wer- - Bild- und Textmaterial - durch einen Webdesigner (ãVor-Ort- beplakaten auf bestimmten Flächen für eine festgelegte Zeit- Beratung“), die Gestaltung und Programmierung einer indivi- spanne (BGH, Urteil vom 19. Juni 1984 aaO) oder über Wer- duellen Internetpräsenz nach bestimmten einzeln aufgeführten beanzeigen im Telefonbuch (s. BGH, Urteil vom 24. Septem- Vo rgaben, das „Hosting“ der Websites und Mailboxen auf den ber 2002 aaO m.w.N.). Servern der Klägerin sowie die (diesbezügliche) weitere Bera- 28 bb) Die in ¤1 Abs.1 Satz 2 der AGB bestimmte, vom Leit- tung und Betreuung des Kunden über eine Hotline der Kläge- bild der gesetzlichen Regelung abweichende Vorleistungspflicht rin. des Kunden kann sich indes auf sachliche Gründe stützen und 26 Gegenstand des ãInternet-System-Vertrags“ ist demnach trägt den berechtigten Interessen des Kunden hinreichend Rech- die auf einen bestimmten Zeitraum festgelegte Gewährleistung nung. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Klausel (wie hier) ge- der Abrufbarkeit einer von der Klägerin für ihren Kunden er- genüber einem Unternehmer (§§14, 310 Abs.1 BGB) verwen- stellten und betreuten Website (Homepage) im Internet und so- det wird. Die hierfür maßgeblichen Erwägungen hat das Beru- mit nicht das schlichte Tätigwerden der Klägerin als solches, fungsgericht nicht berücksichtigt. sondern die Herbeiführung eines Erfolgs als Ergebnis der Tätig- 29 (1) Sachlich rechtfertigende Gründe findet die Vorlei- keit der Klägerin. Die „Abrufbarkeit“ der Website ist in diesem stungspflicht des Kunden zunächst darin, dass der Anbieter bei Zusammenhang nicht als eine Garantie für den jederzeitigen dem hier vorliegenden ãInternet- System-Vertrag“ bereits zu Be- Zugriff über das Internet - die der Webhostbetreiber wegen der ginn der Vertragslaufzeit die Website zu erstellen und einzu- technischen Gestaltung des Internet nicht übernehmen kann - richten sowie die Abrufbarkeit dieser Website im Internet her- zu verstehen, sondern dahin, dass die Website so bereitzustel- beizuführen hat. Auf der Grundlage der vertraglichen Lei- len ist, dass sie für Internetnutzer abgerufen werden kann, wenn stungsbeschreibung sind beide Vorinstanzen - im Einklang mit das Internet im üblichen Rahmen den Zugriff ermöglicht (Re- dem Vorbringen der Klägerin, dem der Beklagte nicht mit Sub- deker aaO Rn. 980). Dementsprechend ist dieser Vertrag - an- stanz entgegengetreten ist - davon ausgegangen, dass damit die ders als der lediglich auf die Verschaffung des Zugangs zum In- Klägerin typischerweise den überwiegenden Teil des von ihr zur ternet angelegte ãAccess-Provider-Vertrag“ - nicht als Dienst- Erfüllung ihrer Vertragspflichten zu erbringenden Gesamtauf- vertrag im Sinne der ¤¤ 611 ff BGB, sondern als Werkvertrag wands bei Vertragsbeginn tragen muss. Der Anbieter (hier: die im Sinne der ¤¤ 631 ff BGB einzuordnen (zur allgemeinen Ab- Klägerin) hat daher ein berechtigtes Interesse daran, mit der Be- grenzung von Dienst- und Werkvertrag s. etwa Senat, Urteil vom zahlung jeglichen Entgelts nicht lange Zeit, etwa gar bis zum 7. März 2002 aaO S.1572; ferner BGHZ 31, 224, 226 ff; 54, Ende der Vertragslaufzeit - also: bis zur vollständigen Erbrin- 106, 107; BGH, Urteile vom 19. Juni 1984 - X ZR 93/83 - NJW gung der von ihm geschuldeten Werkleistung -, warten zu müs- 1984, 2406 f und vom 16. Juli 2002 - X ZR 27/01 - NJW 2002, sen. Ferner kann dem Anbieter die Zahlung monatlicher Ra- 3323, 3324; Palandt/Sprau aaO vor ¤ 631 Rn. 8; Busche aaO tenbeträge in dem hier in Rede stehenden Umfang von - ledig- ¤ 631 Rn.14). Im Gegensatz zum ãASP-Vertrag“ geht es bei dem lich - 120 € zuzüglich Umsatzsteuer einen nicht unerheblichen ãInternet-System-Vertrag“ nicht - jedenfalls: nicht primär - um buchhalterischen Aufwand bereiten und sich eine monatliche die Bereitstellung (Gebrauchsüberlassung) von Softwarean- Ratenzahlung aus seiner nachvollziehbaren Sicht deshalb als wendungen zur Online-Nutzung für den Kunden. Soweit die unpraktikabel erweisen. Klägerin dem Kunden nach dem ãInternet-System-Vertrag“ „Domainservice“ und „Webdesign“ schuldet, stellen diese Lei- 30 (2) Dem berechtigten Interesse des Anbieters an einer dem stungen jeweils schon für sich genommen werkvertragliche Lei- jeweils erbrachten bzw. noch zu erbringenden Aufwand ent- stungen dar, denn dabei geht es um die Beschaffung und Regi- sprechenden, praktikablen und zeitnahen Entgeltzahlung steht strierung einer vom Kunden gewünschten Internet-Domain und das ebenso berechtigte Interesse des Kunden gegenüber, das um die Herstellung einer individuellen Website (Homepage), Druckmittel der Einrede des nicht erfüllten Vertrages (¤320 die - anders als beim Werklieferungsvertrag - nicht als beweg- BGB) für die Durchsetzung seines Anspruchs auf vertragsge- liche Sache an den Kunden „geliefert“ wird, sondern auf den rechte Erfüllung (ohne Erfordernis einer Prozessführung) zu be- Servern und in der Verfügung der Klägerin verbleibt. Auch das halten und nicht mit dem Risiko der Leistungsunfähigkeit sei- von der Klägerin zu erbringende „Website- Hosting“ steht einer nes Vertragspartners belastet zu werden. Durch die Vorlei- werkvertraglichen Leistung näher als einer dienst- oder miet- stungspflicht läuft der Kunde Gefahr, das von ihm geschuldete vertraglichen Leistung, da es in erster Linie dazu dient, die Ab- Entgelt auch dann entrichten zu müssen, wenn der Anbieter die

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ihm obliegende (Werk-)Leistung überhaupt nicht oder nicht ord- 35 2. Demnach durfte das Berufungsgericht die Klage nicht nungsgemäß erbringt. mit der Begründung abweisen, ¤1 Abs.1 Satz 2 der AGB sei un- 31 Dem vorerwähnten Interesse des Kunden muss die Vor- wirksam. Da wegen der weiteren gegen die Entgeltforderung leistungsklausel auch dann Rechnung tragen, wenn der Kunde der Klägerin vorgebrachten Einwände des Beklagten (keine ver- ein Unternehmer ist. Denn auch einem Unternehmer gegen- tragsgerechte Leistung der Klägerin; Kündigung des Vertrags) über wäre es nicht angemessen, wenn diesem das wesentliche noch ergänzende Feststellungen erforderlich sind, ist der Rechts- Sicherungs- und Druckmittel der Einrede des nicht erfüllten Ver- streit nicht zur Endentscheidung reif, so dass die Sache zur neu- trages vollumfänglich und kompensationslos genommen wür- en Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht de. Dem Verwender einer formularmäßigen Vertragsbestim- zurückzuverweisen ist (¤ 563 Abs.1 Satz1 und Abs. 3 ZPO). mung ist es gemäß § 307 Abs.1 Satz1 BGB - auch bei Verwen- Mitgeteilt von RiBGH Wellner, Karlsruhe dung der Klausel gegenüber einem Unternehmer (s. § 310 Abs.1 Satz1 und 2 BGB) - verwehrt, durch eine einseitige Vertrags- gestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines ¤12 UWG; ¤¤ 683, 677, 670 BGB Vertragspartners durchzusetzen, ohne von vornherein auch des- Wettbewerb; Abmahnung durch einen sen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen an- Wettbewerbsverband; Kosten der zweiten Abmahnung gemessenen Ausgleich zu gewähren, da hierin eine unange- durch einen Rechtsanwalt; Kräutertee messene Benachteiligung des Vertragspartners entgegen den Ge- boten von Treu und Glauben läge (s. dazu etwa Senat, BGHZ Ein Wettbewerbsverband, der den Schuldner nach einer 175, 102, 107 f Rn.19 sowie Urteile vom 12. Februar 2009 aaO selbst ausgesprochenen, ohne Reaktion gebliebenen ersten und 17. September 2009 aaO). Abmahnung ein zweites Mal von einem Rechtsanwalt ab- 32 (3) Im Ergebnis der sonach gebotenen Interessenabwä- mahnen lässt, kann die Kosten dieser zweiten Abmahnung gung wird ¤1 Abs.1 Satz 2 der AGB den berücksichtigungs- nicht erstattet verlangen (Abgrenzung von BGHZ 52, 393, fähigen Interessen des Kunden - jedenfalls im unternehmeri- 400 Ð Fotowettbewerb). schen Verkehr - ausreichend gerecht. (BGH, Urteil vom 21.1. 2010 Ð I ZR 47/09) 33 Vor dem Hintergrund, dass die Klägerin in aller Regel den Schwerpunkt ihrer Tätigkeit und ganz überwiegenden Teil der 1 Zum Sachverhalt: Der Kläger ist der Verein gegen Unwe- von ihr geschuldeten Leistung am Beginn der Vertragslaufzeit sen in Handel und Gewerbe Köln. Er mahnte die Beklagte mit erbringt und demgegenüber auf die noch verbleibenden, in der Schreiben vom 31. Juli 2007 wegen einer wettbewerbswidri- nachfolgenden Vertragslaufzeit anstehenden Leistungen kein gen Werbung für Kräutertee ab, ohne dass hierauf eine Reakti- größerer Aufwand entfällt, ist es nicht unangemessen, wenn on erfolgte. Auch eine zweite, nunmehr von den Rechtsanwäl- der Kunde (etwa) ein Drittel der von ihm zu zahlenden Ge- ten des Klägers ausgesprochene Abmahnung blieb ohne Reak- samtvergütung (Werklohn) im Voraus zu entrichten hat. Diese tion. Daraufhin nahm der Kläger die Beklagte gerichtlich auf Vo rleistung, die zudem erst 30 Tage nach Vertragsabschluss fäl- Unterlassung in Anspruch. Zugleich verlangte er für die eige- lig wird, belastet den Kunden vor allem deshalb nicht unver- ne Abmahnung einen Pauschalbetrag von 181,13 € sowie die hältnismäßig, weil der Anteil des für das erste Jahr der Ver- Erstattung der durch die zweite Abmahnung entstandenen An- tragslaufzeit im Voraus zu zahlenden Entgelts an der verein- waltskosten in Höhe von 899,14 €. Nachdem die Beklagte ei- barten Gesamtvergütung deutlich hinter dem Anteil am Ge- ne strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben hatte, ha- samtaufwand zurückbleibt, den die Klägerin zur Erfüllung ih- ben die Parteien den Rechtsstreit insoweit in der Hauptsache für rer Leistungspflichten in diesem Zeitraum aufzubringen hat. erledigt erklärt. Unter dem Blickwinkel dieser vergleichenden Betrachtung stellt die Zahlungsregelung in ¤1 Abs.1 Satz 2 der AGB keine ein- 2 Das Landgericht Hamburg hat die Beklagte zur Zahlung seitige, unangemessene Benachteiligung des Kunden dar. der Kostenpauschale für die erste Abmahnung verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist 34 Hinzu tritt, dass die Vorauszahlung etwa eines Drittels der ohne Erfolg geblieben (OLG Hamburg WRP 2009, 1569). vereinbarten Gesamtvergütung die Druckmittel des Kunden für 3 Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision ver- die Durchsetzung seines Anspruchs auf vertragsgerechte Er- € füllung (ohne Erfordernis einer Prozessführung) nur in einem folgt der Kläger den Zahlungsantrag in Höhe von 899,14 wei- verhältnismäßig geringen Umfang beeinträchtigt. Leistet die ter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. Klägerin im ersten Vertragsjahr nicht oder nicht wie vereinbart, so kann der Kunde die für die beiden Folgejahre geschuldeten 4 Aus den Gründen: I. Das Berufungsgericht hat dem Kläger Entgeltbeträge zurückbehalten und Erfüllungs- oder Gewähr- keinen Anspruch auf Kostenerstattung für die zweite, von sei- leistungsansprüche geltend machen und den (Werk-)Vertrag ge- nen Anwälten ausgesprochene Abmahnung zugebilligt. Zur Be- gebenenfalls auch kündigen. Um den Anspruch auf den auf das gründung hat es ausgeführt: zweite und dritte Vertragsjahr entfallenden Entgeltanteil - ins- 5 Berechtigt im Sinne von ¤12 Abs.1 Satz 2 UWG sei le- gesamt also (etwa) zwei Drittel der vereinbarten Gesamtvergü- diglich die erste Abmahnung. Zwar habe auch der zweiten Ab- tung - nicht zu verlieren, wird die Klägerin bestrebt sein, das mahnung ein Unterlassungsanspruch des Klägers zugrunde ge- Schwergewicht der von ihr geschuldeten Leistung - nämlich die legen, so dass es sich um eine begründete Abmahnung gehan- Erstellung und Einrichtung der Website sowie die Gewährlei- delt habe. Berechtigt sei eine Abmahnung aber nur, wenn sie er- stung der Abrufbarkeit dieser Website im Internet - rechtzeitig forderlich sei, um dem Schuldner einen Weg zu weisen, den und ordnungsgemäß zu erbringen und ihren Kunden auf diese Gläubiger ohne Inanspruchnahme der Gerichte klaglos zu stel- Weise zufrieden zu stellen. Geben die Leistungen der Klägerin len. Ob Aufwendungen erforderlich seien, richte sich nach den - erst - im Verlauf des zweiten Vertragsjahres berechtigten An- Verhältnissen des Gläubigers. Nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG an- lass für Beanstandungen des Kunden, so kann dieser mit der spruchsberechtigte Wettbewerbsvereine wie der Kläger müss- Einbehaltung des für das dritte Vertragsjahr zu zahlenden letz- ten in der Lage sein, durchschnittlich schwierige Abmahnun- ten Entgeltdrittels immer noch einen wirkungsvollen Druck auf gen selbst auszusprechen. Neben der Erstattung der Kosten die- die Klägerin ausüben und sie hierdurch zur ordnungsgemäßen ser Abmahnung, die dem Kläger vom Landgericht zugespro- Erfüllung ihrer Pflichten anhalten. Erst mit der Zahlung des zu chen worden seien, sei für die Erstattung der Kosten einer wei- Beginn des dritten Vertragsjahres zu entrichtenden Entgeltbe- teren, nunmehr anwaltlichen Abmahnung kein Raum. Der Um- trages verliert der Kunde das Druckmittel der Einrede des nicht stand, dass sich die im gerichtlichen Verfahren entstandenen An- erfüllten Vertrages. Zu diesem Zeitpunkt aber hat die Klägerin waltskosten des Klägers infolge der hälftigen Anrechnung der den für die von ihr geschuldete Vertragserfüllung erforderlichen vorgerichtlich entstandenen Geschäftsgebühr auf die Verfah- Gesamtaufwand regelmäßig schon nahezu vollständig erbracht. rensgebühr verringert hätten, ändere daran nichts.

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6 Ein Anspruch auf Erstattung der Kosten der anwaltlichen UWG grundsätzlich in der Lage sein muss, typische und durch- Abmahnung ergebe sich auch nicht aus Geschäftsführung oh- schnittlich schwer zu verfolgende Wettbewerbsverstöße auch ne Auftrag. Es entspreche nicht dem Interesse und mutma§li- ohne anwaltlichen Rat zu erkennen und abzumahnen (st. Rspr., chen Willen des Schuldners, zweimal auf denselben Rechts- vgl. nur BGHZ 126, 145, 147 Ð Verbandsausstattung II), dient versto§ hingewiesen zu werden. dazu, den Anreiz einer durch Kosteninteressen begründeten Ab- 7 II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der mahntätigkeit eines mit einem Verband zusammenarbeitenden Revision haben keinen Erfolg. Mit Recht hat das Berufungsge- Rechtsanwalts von vornherein zu unterbinden. Dabei spielt es richt einen Anspruch des Klägers auf Erstattung der Kosten der keine Rolle, dass im Streitfall nichts dafür spricht, dass mit der zweiten, anwaltlichen Abmahnung verneint. zweiten (anwaltlichen) Abmahnung derartige Kosteninteres- 8 1. Der geltend gemachte Anspruch ergibt sich nicht aus ¤12 sen verfolgt worden wären. Abs.1 Satz 2 UWG. Mit Recht hat das Berufungsgericht darauf 10 2. Der Anspruch auf Erstattung der Kosten der zweiten abgestellt, dass es Sinn der vorgerichtlichen Abmahnung nach Abmahnung ergibt sich auch nicht aus Geschäftsführung ohne ¤12 Abs.1 Satz1 UWG ist, dem Schuldner Gelegenheit zu ge- Auftrag (¤ 683 Satz1, ¤¤ 677, 670 BGB). Wie bereits darge- ben, den Streit durch Abgabe einer mit einer angemessenen Ver- legt, entsprach die zweite Abmahnung nicht dem Interesse und tragsstrafe bewehrten Unterlassungserklärung beizulegen mutma§lichen Willen der Beklagten, die bereits durch die erste (BGH, Urt. v. 7.10. 2009 Ð I ZR 216/07 Tz. 9 [= GuT 2010, 49] Abmahnung auf den Wettbewerbsverstoß und auf die Mög- Ð Schubladenverfügung). Die Abmahnung soll dem Schuldner lichkeit der Streitbeilegung durch eine strafbewehrte Unterlas- den Weg weisen, wie er den Gläubiger klaglos stellen kann, oh- sungserklärung hingewiesen worden war. ne dass die Kosten eines Gerichtsverfahrens anfallen (vgl. BG- Mitgeteilt von RiBGH Wellner, Karlsruhe HZ 149, 371, 374 – Missbräuchliche Mehrfachabmahnung). Nur wenn die Abmahnung diese Funktion erfüllt, handelt es sich um eine berechtigte Abmahnung im Sinne von ¤12 Abs.1 Satz 2 UWG (vgl. Bornkamm in Köhler/Bornkamm, UWG, 28. Aufl., Kurzfassungen/Leitsätze (KL) ¤12 Rdn. 1. 80 f.). Denn der gesetzliche Kostenerstattungsan- Wettbewerb etc. spruch rechtfertigt sich daraus, dass die Abmahnung auch im Interesse des Schuldners liegt. Hat der Gläubiger den Schuld- ¤ 809 BGB; ¤140c PatG Ð Wettbewerb; Geheimhal- ner bereits auf die Möglichkeit der Streitbeilegung durch Ab- tungsinteresse an Geschäftsgeheimnissen; Einsicht gabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung hingewiesen, in das Gutachten des selbständigen Beweisverfah- kann eine zweite Abmahnung diese Aufgabe nicht mehr erfül- len. rens; Patentverletzung; Lichtbogenschnürung Ist über den Vorwurf der Patentverletzung im selbständigen 9 Allerdings hat der Senat in der Entscheidung ãFotowett- bewerb“ eine zweite (anwaltliche) Abmahnung als notwendige Beweisverfahren ein Sachverständigengutachten erstellt wor- Folge einer ohne Reaktion gebliebenen ersten Abmahnung ei- den, können möglicherweise berührte Geheimhaltungsinteres- nes Wettbewerbsverbandes angesehen und dem dort klagenden sen des vermeintlichen Verletzers in aller Regel in der Weise ge- Verband einen Anspruch auf Erstattung dieser Kosten unter dem wahrt werden, dass der Schutzrechtsinhaber die Einsicht in das Gesichtspunkt einer Geschäftsführung ohne Auftrag zugebilligt Gutachten (zunächst) auf namentlich benannte rechts- bzw. pa- (BGHZ 52, 393, 400; so auch OLG Köln, Urt. v. 30.3. 2007 Ð tentanwaltliche Vertreter beschränkt und diese insoweit umfas- 6 U 207/06, juris Tz. 11; OLG Brandenburg WPM 2008, 418; send zur Verschwiegenheit verpflichtet werden. OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11. 2008 Ð 29 U 3592/08; OLG Zur Einsicht durch den Schutzrechtsinhaber persönlich darf München, Urt. v. 16.12. 2008 Ð 20 U 36/08; a.A. OLG Hamm, ein solches Gutachten nicht freigegeben werden, bevor der ver- Urt. v. 17.1. 2008 Ð 4 U 159/07, juris Tz. 24; vgl. ferner Münch- meintliche Schutzrechtsverletzer Gelegenheit hatte, seine Ge- Komm.UWG/Ottofülling, ¤12 Rdn. 164; Hess in Ullmann, ju- heimhaltungsinteressen geltend zu machen. Er hat insoweit im risPK-UWG, 2. Aufl., ¤12 Rdn. 39). Mit Recht hat das Beru- Einzelnen darzulegen, welche Informationen im Gutachten Ge- fungsgericht aber darauf hingewiesen, dass diese aus dem Jah- heimhaltungswürdiges, namentlich Geschäftsgeheimnisse, of- re 1969 stammende Entscheidung, mit der erstmals ein An- fenbaren und welche Nachteile ihm aus der Offenbarung dro- spruch auf Erstattung der Abmahnkosten aus Geschäftsführung hen. ohne Auftrag begründet worden ist, am Anfang einer umfang- (BGH, Beschluss vom 16.11. 2009 Ð X ZB 37/08) reichen Rechtsprechung steht, bei der es nicht zuletzt darum Hinw. d. Red.: Zum verfassungsrechtlichen Schutz von Be- geht, eine missbräuchliche Geltendmachung des Kostenerstat- triebsgeheimnissen im gerichtlichen Verfahren vgl. BVerfG PM tungsanspruchs sowie eine unbillige Belastung des Schuldners GuT 2006, 174. Vgl. weiter BGH X ZR 117/04 GuT 2007, 100 mit Kosten zu vermeiden, die zur Erreichung des Ziels einer KL; BGH III ZR 148/06 GuT 2007, 235 KL; BGH KRB 59/07 Streitbeilegung ohne Inanspruchnahme der Gerichte nicht er- GuT 2007, 399; BGH I ZR 71/05 GuT 2008, 461 KL; BGH IX forderlich sind (vgl. nur BGHZ 149, 371, 374 f. – Missbräuch- ZB 138/07 GuT 2008, 453 KL; BGH I ZB 118/07 GuT 2009, liche Mehrfachabmahnung). So hat der Senat Ð ebenfalls noch 346 KL; BGH I ZR 56/07 GuT 2009, 340; BGH VI ZR 287/08 zum Kostenerstattungsanspruch aus Geschäftsführung ohne GuT 2009, 329 KL. Auftrag Ð darauf hingewiesen, dass ein Kostenerstattungsan- spruch im Allgemeinen nur hinsichtlich der ersten Abmahnung ¤4 UWG; ¤ 57a StBerG; ¤10 BOStB Ð Wettbewerb; in Betracht kommt, weil nur die erste Abmahnung dem Inter- Werbeschreiben eines Steuerberaters; esse und mutma§lichen Willen des Schuldners entspricht Herabsetzung der Leistung von Wettbewerbern; (BGHZ 149, 371, 375 – Missbräuchliche Mehrfachabmahnung). EKW-Steuerberater Auch der Grundsatz, dass ein Verband nach ¤8 Abs. 3 Nr. 2 a) Mittel der Aufmerksamkeitswerbung sind einem Steuer- berater in einem Werbeschreiben, das insgesamt sachlicher Un- Korrekturhinweis: terrichtung über die berufliche Tätigkeit dient, nur dann verbo- BGH, Beschluss vom 25. 2. 2010 Ð I ZR 216/07: ten, wenn sie Gemeinwohlbelange beeinträchtigen. ãDas Urteil vom 7. Oktober 2009 [GuT 2010, 49] wird ge- b) Es überschreitet den berufsrechtlich zulässigen Rahmen mäß § 319 Abs.1 ZPO in der Weise berichtigt, dass es in sachbezogener Werbung und verstößt gegen ¤ 4 Nr.11 UWG i.V. Textziffer 13 statt ãaus ¤ 683 Satz1, ¤¤ 677, 667 BGB“ „aus mit ¤ 57a StBerG, wenn in der Werbung eines Steuerberaters ¤683 Satz1, ¤¤ 677, 670 BGB“ heißt.“ die Preiswürdigkeit und die fachliche Qualität der Leistung von Entsprechend verändert ist die Paragraphenkette über dem Wettbewerbern in unlauterer Weise pauschal herabgesetzt wer- Leitsatz zu lesen, Red. den. (BGH, Urteil vom 29. 7. 2009 Ð I ZR 77/07)

Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 139 Besteuerung

Besteuerung

Zinsen und anderen Ausgaben entsprachen. Die Eigentümer bo- Steuern – Umschau März 2010 ten ab Januar 2000 bis Juni 2001 das Objekt zur Vermietung und RiFG i.R. Karl-Christian Callsen, Erftstadt-Liblar zum Verkauf an. Die Kl verpachtete das Objekt teilweise ab 15. 3. 2004 bis Grundstückshandel bei eingebrachtem Grundstück in 31. 5. 2005 für 0,00 EUR wegen der Reparaturbedürftigkeit und Personengesellschaft? danach für 4 Jahre für 250,00 EUR / mtl. Ein weiterer Teil des Objekts wurde ebenfalls ab August 2004 für 2 Jahre zu 0,00 Der Kläger (Kl) hat im Streitjahr 2002 insgesamt 12 Grund- EUR, danach für mtl. 200,00 EUR verpachtet. Die Kl erklärte stücke aus seinem Privatvermögen in das Vermögen einer KG, für die Streitjahre 1999 bis 2005 jeweils negative Einkünfte aus an der er bereits mehrheitlich beteiligt ist, jeweils zum Ver- V+V von insges. 108.448,00 EUR. Das FA setzte jedoch mit kehrswert gegen Gewährung weiterer Gesellschaftsrechte ein- geänderten Feststellungsbescheiden die Einkünfte der Kl für die gelegt. Zuvor hatte der Kl zwei weitere von ihm am 1.11. 2001 Streitjahre mit jeweils 0,00 EUR fest. Nach ablehnender Ein- angeschaffte und ein am 1. 8.1998 angeschafftes Grundstück spruchsentscheidung wies auch das FG Nürnberg mit Urteil vom auch jeweils zum Verkehrswert eingelegt. Dies führte beim Kl 2. 6. 2009 (in Steuer-Telex 2009,790; Nichtzulassungsbeschwerde zu einem Veräußerungsgewinn von 3.159.231,20 EUR. Durch zum BFH unter IX B 159/09) die Klage ab. die Grundstückseinlagen erhöhte sich die Beteiligung des Kl an der KG, an der noch seine Ehefrau beteiligt war, auf 90%. Ist der Vermieter nicht Eigentümer, sondern nur Zwi- Gegenstand der KG ist die Verwaltung eigenen Grundbesitzes schenmieter und damit nicht berechtigt,AfA geltend zu machen, und grundstücksgleicher Rechte. dann gilt die typisierende Annahme der Einkünfteerzielungs- absicht nicht. Wie bei der Verpachtung von unbebautem Grund- Der Kl gab für 2003 nach Veräußerung von zwei Immobili- besitz ist auch bei einer Zwischenvermietung nicht davon aus- en eine Gewerbesteuererklärung für einen gewerblichen Grund- zugehen, dass die Vermietungstätigkeit bereits strukturell defi- stückshandel ab. Nach Durchführung einer Außenprüfung für zitär ist. Gilt diese typisierende Annahme nicht, hat der Stpfl. die Jahre 2000 bis 2002 vertrat das FA die Auffassung, dass auch anhand einer Prognose darzulegen, dass er in der Lage ist, auf bei Einbringung eines Grundstücks in eine Personengesellschaft Dauer gesehen nachhaltig Überschüsse zu erzielen bzw. die ver- durch einen mehrheitlich beteiligten Gesellschafter gegen Ge- fallenen Gebäude umzugestalten. Dies konnte die Kl hier nicht. währung von Gesellschaftsrechten eine Grundstücksveräuße- rung i.S. eines gewerblichen Grundstückshandels gegeben sei. Erstes BFH-Urteil zu anschaffungsnahem Aufwand und Mit den Einbringungen von 1 Grundstück in 1998, 2 weiteren Schönheitsreparaturen in 2001 und insbes. 12 in 2002 sei die Drei-Objekt-Grenze über- Der Kläger (Kl) erwarb im Streitjahr 2004 ein Grundstück, schritten. Dementsprechend setzte es einen Gewerbesteuer- bebaut mit einem in 1935 errichteten, nach dem Krieg in 1955 messbetrag von 6.425,00 EUR mit Bescheid vom 17. 9. 2007 wieder aufgebauten, voll funktionsfähigen, vermieteten Zwei- fest. Der Kl trug im Einspruchsverfahren vor, er habe in 2002 familienhaus für 195.000,- EUR zuzüglich Anschaffungsne- noch keinen Grundstückshandel begonnen, weil er sich nicht benkosten (205.263,- EUR). Im Streitjahr führte der Kl Mo- am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr beteiligt habe. Er ha- dernisierungs- und Instandsetzungsarbeiten durch. Er tauschte be die Grundstücke in „seine“ Personengesellschaft eingebracht einzelne Fenster, Fensterbänke und Rolladenkästen aus, setzte und niemandem gegenüber eine Verkaufsabsicht kundgetan. neue Zargen und Türen ein, verlegte in mehreren Zimmern La- Über das Schicksal der Grundstücke habe nur er entscheiden minat, schlug Wand- und Bodenfliesen in Küchen und Bädern können. Das FG Hamburg folgte der Auffassung des FA mit Ur- ab und brachte neue Fliesen an, entfernte Holzdecken und in- teil vom 27. 5. 2009 (rkr., EFG 2009,1934). stallierte Rigipsplatten, verputzte Wände und tapezierte sie neu, versah Decken mit Rauhputz und strich sie neu, tauschte Ba- Die Einbringungen der Grundstücke in 1998 und 2001 sind dewanne, Toilettenschüssel und Waschbecken aus und erneuer- zusammen mit den Einbringungen in 2002 Grundstücksver- te vergilbte Steckdosen. Die hierfür vom Kl als Werbungsko- äußerungen i.S.d. Drei-Objekt-Grenze. Denn auch die Einbrin- sten bei seinen im Streitjahr erzielten Einkünften aus V+V gel- gung von Grundstücken ist eine selbständige, nachhaltige Tätig- tend gemachten Aufwendungen von 31.462,- EUR erkannte das keit mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, die sich als Beteili- FA nicht als Erhaltungsaufwand an, sondern berücksichtigte sie gung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt und als anschaffungsnahe Herstellungskosten i.S. von ¤ 6 Abs. 1 nicht mehr der privaten Vermögensverwaltung zuzurechnen ist. Nr. 1a EStG nur mit 2%. Nach erfolglosem Einspruchsverfah- ren wies auch das FG Baden-Württemberg mit Urteil vom Das Urteil des FG muss den Kl überzeugt haben, weil er es 14. 4. 2008 (EFG 2008,1541) die Klage ab. Jährlich üblicher- rkr. werden lie§. Es zeigt aber wieder einmal mehr, dass eine weise anfallende Erhaltungsarbeiten, zu denen insbesondere vorherige, kompetente steuerliche Beratung derartig gravieren- Schönheitsreparaturen zählen, sind zwar gem. ¤ 6 Abs. 1 Nr. 1a de steuerliche Nachteile vermieden hätte. Satz 2 EStG auszunehmen von den anschaffungsnahen Her- stellungskosten. Hier stehen jedoch auch diese in einem un- Zwischenmieter ohne typisierte trennbaren Zusammenhang mit dem anschaffungsnahen Auf- Einkünfteerzielungsabsicht? wand. Die seit 1.1.1999 gegründete GbRmbH (= Klägerin = Kl) be- Auch der BFH kam mit Urteil vom 25. 8. 2009 (DB 2009, treibt die Verwaltung und Vermietung eines näher bezeichneten 2638) dazu, Schönheitsreparaturen im Streitfall nicht isoliert zu Grundstücks. Beteiligt sind an ihr die Rechtsanwälte A mit 70%, behandeln und damit gflls. auch die übrigen Aufwendungen, so- B mit 25% und C mit 5%. Eigentümer jenes Grundstücks sind fern sie unter der 15%-Grenze (Aufwand netto innerhalb von 3 seit Januar 1996 - bei Anschaffungskosten von 300.000,00 DM Jahren nach Anschaffung unter 15% der Gebäudeanschaf- und 1.820 qm - der A mit 50%, der B und C mit jeweils 25%. fungskosten) blieben, in voller Höhe als sofort abzugsfähige Es ist bebaut mit einer in 1927 bis 1945 errichteten Werkhalle WK zu behandeln. Schönheitsreparaturen beseitigen Mängel, von 900 qm sowie einem viergeschossigen Büro- und Verwal- die durch vertragsmäßigen Gebrauch entstanden sind. Darun- tungsgebäude. Die Eigentümer überließen das seit 1995 leer- ter fallen nur das Tapezieren,Anstreichen oder Kalken der Wän- stehende Anwesen der Kl mit Nutzungsüberlassungsvertrag zur de und Decken, das Streichen der Fußböden, Heizkörper ein- weiteren Vermietung und Verpachtung am 2.1.1099 für mtl. schlie§lich Heizrohre, der Innentüren sowie der Fenster und 2.500,00 DM, die in etwa der Belastung der Eigentümer mit Außentüren von innen. Diese Schönheitsreparaturen können je-

140 Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 Besteuerung doch nicht isoliert gem. ¤ 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2 EStG beurteilt Vom Vorbehaltsnie§braucher vertraglich übernommener werden, wenn auch sie im Rahmen einer umfassenden In- Reparaturaufwand standsetzung und Modernisierung wie hier angefallen sind. Sie Die Kläger sind Eheleute. Der Kläger (Kl) erzielte in den sind dann auch als anschaffungsnahe Herstellungskosten i.S.v. Streitjahren 1998 bis 2000 Einkünfte aus einem landwirt- ¤ 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG zu behandeln, wenn sie in engem schaftlichen Betrieb. Das Eigentum an dem Hof hatte er 1995 räumlichen, zeitlichen und sachlichen Zusammenhang zuein- unter Nie§brauchsvorbehalt auf seinen Sohn übertragen. Die- ander stehen und eine einheitliche Bauma§nahme bilden. ser konnte vom Vater unter bestimmten Voraussetzungen des- Jeder Stpfl., der ein Haus oder eine Wohnung kauft, sollte sen Verzicht auf den Nie§brauch verlangen. Ab 1. 7. 2000 übte wissen, dass umfangreiche Reparaturen etc. erst 3 Jahre nach der Kl dementsprechend den Nie§brauch nicht mehr aus, und Kauf, d.i. ab Besitzübergang, durchgeführt werden sollten. Erst bewirtschaftete der Sohn den Hof. Zum landwirtschaftlichen dann gilt der unbegrenzte Sofortabzug für jegliche Reparatu- Betriebsvermögen gehört u. a. ein sog. Melkerhaus. Wegen er- ren. heblichen Reparaturbedarfs hatten seinerzeit der Kl und sein Sohn mündlich vereinbart, dass der Kl das Haus reparieren las- Vergnügungssteuer für Begleitservice und sexuelle sen sollte und ihm kein Ersatzanspruch gem. ¤ 1049 BGB zu- Dienstleistungen? stehen sollte. Für die Reparatur wendete der Kl insgesamt 301.453,- DM auf, wovon 256.356,- DM auf das Wirtschafts- Die in 1948 geborene Klägerin (Kl) wendet sich gegen die jahr 1998/1999 und 45.097,- DM auf 1999/2000 entfielen. Das Heranziehung zur Vergnügungssteuer für sexuelle Handlungen. Haus war bis April 1997 an fremde Dritte vermietet, der Sohn Sie bot nach eigenen Angaben gelegentlich Begleitservicelei- mietete es mit seiner Ehefrau von Juli 1999 bis Mai 2000, und stungen und Massagen au§erhalb ihrer Wohnung an. Nach Er- ab August 2000 vermietete der Sohn es an fremde Dritte. mittlungen der Bekl, der Stadt H, soll unter der Wohnungsan- Nach einer Außenprüfung kam das FA zu der Auffassung, schrift der Kl im Internet für einen Club geworben worden sein. dass der Reparaturaufwand zwar Erhaltungsaufwand sei, aber Mit Bescheid vom 18. 7. 2003 setzte die Bekl gegen die Kl ei- eine nach ¤ 12 Nr. 2 EStG nicht abziehbare Zuwendung an den ne Vergnügungssteuer von 10.220,- EUR für das Jahr 2003 fest. Sohn darstelle. Auch das FG Münster wies mit Urteil vom Er ging dabei von einer Raumgröße von 50 qm und einem Steu- 4. 5. 2006 (EFG 2007,1418) die Klage ab. Wenn der Vater als ersatz von 5,60 EUR je angefangene 10 qm aus. Die Steuerer- Nie§braucher auf jeden Aufwendungsersatz verzichte, sei dies hebung erfolgte nach der Vergnügungssteuersatzung (VSS) der eine Zuwendung an den Sohn. Die Revision der Kl zum BFH Bekl vom 19.12. 2002. Nach ¤ 1VSS unterliegen im Gebiet der hatte vollen Erfolg. Mit Urteil vom 24. 6. 2009 (BFH/NV 2010, Bekl aufgeführte Vergnügungen (Veranstaltungen) der Be- 20) erkannte er den Erhaltungsaufwand als Betriebsausgaben steuerung. Unter ¤ 1 S. 1 Nr. 4 VSS sind aufgeführt sexuelle beim Gewinn des Kl aus Land- und Forstwirtschaft an. Vergnügungen jeder Art in Bars, Bordellen, Swinger-Clubs oder ähnlichen Einrichtungen. Nach § 8 VSS wird in diesem Fall ei- Der Kl hatte sich als Nießbraucher zur Übernahme auch von ne Pauschsteuer nach der Größe des benutzten Raums erhoben, au§ergewöhnlichen Unterhaltungsmaßnahmen ohne Ersatzan- und zwar je Tag und je angefangene 10 qm Veranstaltungsfläche spruch vertraglich verpflichtet. Trägt der Vorbehaltsnie§brau- 10,00 EUR. cher Aufwendungen auf Wirtschaftsgüter, die er weiterhin be- trieblich nutzt, handelt es sich deshalb um Betriebsausgaben Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhob die Kl Kla- und nicht um nach ¤ 12 Nr. 2 EStG nicht abziehbare Zuwen- ge zum VG. Letzteres fragte beim Innen- und Finanzministeri- dungen. Der vertraglich vereinbarte Wegfall eines Ersatzan- um an, ob die Satzung ministeriell genehmigt worden sei. Nach spruchs ändert daran nichts. ¤2 Abs. 2 KAG NW nämlich bedarf eine Satzung, mit der eine im Land nicht erhobene Steuer erstmalig oder erneut einge- Der BFH hielt der Vorinstanz vor, die einschlägige Recht- führt wird, zur Wirksamkeit deren Genehmigung. Da diese Ge- sprechung nicht richtig verstanden zu haben. Die Kl hatten des- nehmigung fehlte, hatte die Klage beim VG Erfolg. halb erst beim BFH vollen Erfolg mit ihrer Klage. Auch die Berufung der Bekl zum OVG Münster blieb er- Erhöhte Steuerermäßigung für Renovierung folglos (Urteil vom 18. 6. 2009 in NJW 2010, 102). Nach Auf- gem. ¤ 35a EStG erst ab 2009 hebung des Vergnügungssteuergesetzes in NRW durch Gesetz Der 10.Senat des FG Münster entschied mit Beschluss betr. vom 26.11. 2002 konnte jede Gemeinde selbst entscheiden über Vollziehungsaussetzung vom 11.12. 2009 (10 V 4132/09 E in die Erhebung einer Vergnügungssteuer. Angesichts der Vielfalt DB 2010 vom 22.1. 2010, M12), dass der von 600,- EUR auf subjektiven Empfindens dessen, was als Vergnügung betrach- 1.200,- EUR heraufgesetzte Ermäßigungshöchstbetrag erst ab tet werden kann (vgl. das Sprichwort: Was dem einen seine Eu- 2009 gelte. Im Streitfall hatte ein Ehepaar (Antragsteller = Ast) le, ist dem anderen seine Nachtigall), wären einer Besteuerung in 2008 von Handwerkern Renovierungen durchführen lassen. kaum Grenzen gesetzt. Deshalb hat der Landesgesetzgeber ei- Von den hierfür in 2008 gezahlten Beträgen entfielen 4.120,- ne Satzungsprüfung den beiden Ministerien übertragen. Im Kern EUR auf Handwerkerlöhne. In ihrer EStE 2008 machten die Ast handelt es sich hier um die Besteuerung des Aufwands für die eine Steuermäßigung von 824,- EUR (20%) gem. ¤ 35a EStG Inanspruchnahme geschlechtsbezogener Handlungen und se- geltend. Sie seien der Auffassung, die gesetzliche Neuregelung xueller Dienstleistungen, also von Prostitution. Die Besteue- sei ein Tag nach der Verkündung am 30.12. 2008 in Kraft ge- rung sexueller Vergnügungen wird in der Öffentlichkeit denn treten. Das FA gewährte jedoch nur eine Steuerermäßigung von auch nicht als Unterfall der Vergnügungssteuer wahrgenommen 600,- EUR. Dem folgte auch das FG Münster. Die gesetzliche (Tagesspiegel v.19. 12. 2007: „Köln stößt sich an Sex-Steuer ge- Neuregelung sei zwar in Bezug auf den Zeitpunkt der erstma- sund“). Nach § 1 Nr. 4 VSS, deren Wirksamkeit unterstellt, un- ligen Anwendung des aufgestockten Höchstbetrags bereits in terliegen sexuelle Vergnügungen jeder Art in Bars, Bordellen, sich widersprüchlich und daher auszulegen. Insbesondere aus Swingerclubs oder ähnlichen Einrichtungen der Besteuerung. der Begründung des Gesetzes ergebe sich aber, dass die Auf- Die Kl hat jedoch wiederholt vorgetragen, sie habe gelegentli- stockung des Höchstbetrags erst ab dem Jahr 2009 gelte. chen Begleitservice angeboten und hierbei au§erhalb ihrer Woh- Die Ast hätten die Rechnung lt. Vereinbarung mit dem Hand- nung sexuelle Dienstleistungen erbracht. Selbst wenn es, wie werker nur mit einem Teilbetrag von 3.000,- EUR in 2008 über- von der Bekl behauptet, auch in ihrer Wohnung zu sexuellen weisen sollen, den Restbetrag Anfang 2009. Ma§gebend ist gem. Vergnügungen gekommen sei, erfüllt dies nicht den Steuertat- ¤ 11 Abs. 2 EStG das Jahr der Zahlung. bestand. Eine ihrem eigentlichen Zweck entsprechend genutz- te Wohnung ist keine Einrichtung, die Bars, Bordellen oder Abzug von Werbungskosten bei Einkünften Swingerclubs ähnelt. Wohnungsprostitution, wie sie etwa in der aus Kapitalvermögen Vergnügungssteuersatzung der Stadt Köln geregelt ist, wird von Ab dem 1.1. 2009 ist als Werbungskosten grundsätzlich nur der VSS nicht erfasst. noch der Sparer-Pauschbetrag von € 801,- zu berücksichtigen;

Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 141 Besteuerung der Abzug tatsächlicher WK ist ausgeschlossen (¤ 20 Abs. 9 Für den Rest des Jahres 2007 lässt sich der Kläger 5 % als er- EStG). Regelmäßig wiederkehrende Aufwendungen für Konto- sparte Aufwendungen anrechnen und verlangt aus der pau- und Depotführung werden i.d.R. kurz nach Beendigung des sie schalierten Vergütungsabrede noch 17.071,74 €. betreffenden Kalenderjahres geleistet. Nach ¤ 11 Abs. 2 Satz 2 4 Das Landgericht Kleve hat der Klage unter Anrechnung der i.V.m. Abs.1 Satz 2 EStG sind diese Ausgaben dann für das be- Gutschrift in Höhe von 16.229,35 € stattgegeben. Auf die Be- treffende Jahr abzusetzen. rufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht Düsseldorf die Teilweise wurde die Empfehlung gegeben, bestehende Kre- Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelasse- dite für Kapitalanlagen z. B. auf Vermietungsobjekte umzu- nen Revision begehrt der Kläger die Zurückweisung der Beru- schulden, um auch zukünftig eine steuerliche Abzugsfähigkeit fung der Beklagten. der Zinsen zu gewährleisten. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass die BFH-Rechtsprechung an die steuerliche Anerkennung 5 Aus den Gründen: Die Revision ist unbegründet. […] der Umschuldung strenge Anforderungen stellt (z. B. BFH-Ur- 26 2. c) ee) (2) (2.1) Die herrschende Meinung in der Recht- teil vom 24. 4.1997 in BStBl II1997, 682; BFH-Urteil vom sprechung und Literatur vertritt den Standpunkt, dass durch All- 7. 3.1995 in BStBl II 1995, 697). So können Stpfl. Finanzie- gemeine Geschäftsbedingungen das außerordentliche Kündi- rungskosten, die sie bislang bei den Einkünften aus Kapital- gungsrecht des ¤ 627 Abs.1 BGB grundsätzlich nicht ausge- vermögen geltend gemacht haben, nur als WK bzw. Betriebs- schlossen werden kann (BGHZ 106, 341, 346; BGH, Urt. v. 5. ausgaben bei einer anderen Einkunftsart berücksichtigen, wenn November 1998 - III ZR 226/97, NJW 1999, 276, 278; v. 9. Ju- die ursprüngliche Darlehnszuordnung eindeutig beendet wor- ni 2005 - III ZR 436/04, WPM 2005, 1667, 1669; MünchKomm- den ist. Die Beweislast für die Umwidmung liegt beim Steuer- BGB/Henssler, aaO ¤ 627 Rn. 36, 38; Staudinger/Preis, aaO pflichtigen. ¤ 627 Rn. 8; Palandt/Weidenkaff, aaO ¤ 627 Rn. 5; Lingemann in Prütting/Wegen/Weinreich, BGB 4. Aufl. ¤ 627 Rn. 3; BGB- ¤¤ 307, 627 BGB RGRK/Corts, aaO ¤ 627 Rn.13), und zwar auch im Verkehr mit Steuerberatervertrag; Kündigung des Teilbereichs der Kaufleuten (OLG Koblenz, NJW 1990, 3153, 3154; BB 1993, Finanz- und Lohnbuchführung; Apotheke 2183, 2184 jeweils zum Steuerberater; Münch-Komm-BGB/ Henssler, aaO Rn. 38). Ein einheitlicher Steuerberatervertrag kann nach ¤ 627 27 (2.2) Der Bundesgerichtshof hatte bisher offengelassen, BGB gekündigt werden, auch wenn für einen Teilbereich ob und inwieweit Ausnahmen in Betracht kommen können (BG- der Tätigkeit dauerhaft feste Bezüge vereinbart sind. HZ 106, 341, 346; BGH, Urt. v. 9. Juni 2005 aaO). Bei der ganz (BGH, Urteil vom 11. 2. 2010 Ð IX ZR 114/09) auf persönliches Vertrauen gestellten Vertragsbeziehung zwi- schen Steuerberater und Mandanten muss die Freiheit der per- 1 Zum Sachverhalt: Der Kläger verlangt von der Beklagten, sönlichen Entschließung eines jeden Teils im weitesten Ausma§ die eine Apotheke betreibt, die Zahlung von weiterem Steuer- gewahrt werden (BGH, Urt. v. 9. Juni 2005 aaO; OLG Koblenz beraterhonorar für Lohn- und Finanzbuchführung für das Jahr NJW 1990, 3153, 3154; BB 1993, 2183, 2184). Es mag sein, 2007. Er war seit 1980 umfassend als steuerlicher Berater der dass die Kündigungsmöglichkeit des Steuerberatervertrages Beklagten tätig. Mit schriftlichem Vertrag vom 5. Mai 1999 ver- nach ¤ 627 Abs.1 BGB in gewissem Umfang eingeschränkt wer- einbarte er mit ihr, dass sie für die Finanz- und Lohnbuchführung den kann, wenn der Steuerberater einen überwiegenden Teil sei- jährlich eine Pauschale von 29.520 DM und 480 DM Ausla- ner Dienstleistungen auf Dauer gegen feste Bezüge zu erbrin- genpauschale, zusammen 30.000 DM zuzüglich Umsatzsteuer gen hat und dafür Betriebseinrichtungen und Personal in er- zahlt. Der Gesamtbetrag sollte in monatlichen Raten von 2500 heblichem Umfang vorhalten muss. Durch die Beschränkung DM zuzüglich Umsatzsteuer fällig werden. auf lediglich eine Kündigungsmöglichkeit im Jahr erhält jedoch das Interesse des Steuerberaters gegenüber dem Mandanten zu 2 Hinsichtlich der Geltungsdauer dieser Pauschalvereinba- starkes Gewicht, so dass dieser unangemessen benachteiligt rung wurde bestimmt: wird. Ein derartiger Ausschluss des Kündigungsrechts verstößt ãC. Vertragsdauer, Kündigung gegen ¤ 307 Abs. 2 Nr.1 BGB. Denn der Mandant wäre im Ex- Diese Vereinbarung gilt ab 01.01.1999 und läuft ein Vertrags- tremfall gezwungen, noch fast ein Jahr und drei Monate an dem jahr, also bis 31.12. 2000. Sie verlängert sich jeweils um ein Steuerberater festzuhalten, obwohl er das Vertrauen in ihn ver- weiteres Jahr, wenn sie nicht mit einer Frist von drei Monaten loren hat. Das benachteiligte den Mandanten unangemessen und vor Vertragsende schriftlich gekündigt wird. Wird diese Ver- ist mit den wesentlichen Grundgedanken des ¤ 627 Abs.1 BGB einbarung gekündigt ohne dass das Steuerberatungsverhältnis jedenfalls dann nicht mehr zu vereinbaren (vgl. OLG Koblenz erlischt, so treten an die Stelle dieser Gebührenvereinbarung die je aaO), wenn die Umstände, die eine Beschränkung des Kün- allgemeinen Vorschriften der StBGebV (¤¤16 ff) in der jeweils digungsrechts nach ¤ 627 BGB möglicherweise rechtfertigen geltenden Fassung.“ könnten, lediglich Teilleistungen des einheitlichen Steuerbera- tervertrages betreffen (vgl. BGH, Urt. v. 11. Mai 2006 aaO) und 3 Eine von ihr behauptete Kündigung vom 4. September 2006 die anderen Teilleistungen - wie vom Berufungsgericht festge- hat die Beklagte nicht bewiesen. Anfang Februar 2007 kündig- stellt - erheblich sind. te sie das Steuerberaterverhältnis fristlos. Der Kläger erbrach- te keine Leistungen mehr. Die bis Januar 2007 erbrachten Lei- 28 (2.3) Die Annahme der Revision, die Pauschalvereinba- stungen auf Finanz- und Lohnbuchführung rechnete er mit rung versto§e nicht gegen ¤ 309 Nr. 9 BGB und damit erst recht 1.957,55 € ab. Da die Beklagte eine Vorschussleistung von nicht gegen ¤ 307 Abs. 2 Nr.1 BGB, bei dem ein geringeres 2.800 € erbracht hatte, ergab sich eine Gutschrift von 842,45 €. Schutzniveau gelte, trifft nicht zu. Die ¤¤ 308 und 309 BGB fin- den im Verhältnis zur Beklagten, die gemäß §14 Abs.1 BGB Unternehmerin ist, keine Anwendung, ¤ 310 Abs.1 Satz1 BGB. 29 Ob die vereinbarte Kündigungsklausel dem Maßstab des ¤ 309 Nr. 9 BGB standhalten würde, ist entgegen der Auffas- sung der Revision unerheblich; diese Bestimmung berührt die Kündigungsmöglichkeit nach ¤ 627 BGB - ebenso wie diejeni- ge nach ¤ 626 BGB - ohnehin nicht (vgl. BGH, Urt. v. 9. Juni 2005 aaO; MünchKomm-BGB/Kieninger, aaO ¤ 309 Nr. 9 Rn.19; Christensen in Ulmer/Brandner/Hensen,AGB-Recht 10. Prewest Verlag Pressedienste Medien und Kultur GmbH Aufl. ¤ 309 Nr. 9 BGB Rn.18). Postfach 30 13 45 á 53193 Bonn Mitgeteilt von RiBGH Wellner, Karlsruhe

142 Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 BesteuerungBesteuerung / Magazin

Kurzfassungen/Leitsätze (KL) ¤ 823 BGB; ¤ 266a StGB – Nichtabführen von Arbeitnehmeranteilen zur Sozialversicherung im Steuerrecht etc. Stadium der Insolvenzreife der GmbH ¤ 68 StBerG a. F.; ¤233a AO Ð Steuernachzahlung Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats führt das des Kommanditisten; Erwerb, Vermietung, Ver- Nichtabführen von Arbeitnehmeranteilen zur Sozialversiche- pachtung eines Büro- und Geschäftsgebäudes rung im Stadium der Insolvenzreife einer GmbH zu einem Scha- durch die KG; Schadensersatzanspruch gegen densersatzanspruch der Einzugsstelle gegen den Geschäftsfüh- steuerlichen Berater; Verjährung rer aus ¤ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. ¤266a StGB, wenn dieser an Hat ein Kommanditist Steuernachzahlungen infolge verrin- andere Gesellschaftsgläubiger trotz der Insolvenzreife Zahlun- gerter Verlustzuweisungen zu verzinsen, beginnt die Verjährung gen geleistet hat, die nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen eines Ersatzanspruchs gegen den steuerlichen Berater wegen Geschäftsmanns vereinbar waren. In einem solchen Fall konn- verspäteten Hinweises auf dieses Risiko mit dem ersten Be- te sich der Geschäftsführer schon nach der früheren und kann scheid, welcher die Verluste der KG in dementsprechend ver- er sich auch nach der neueren Senatsrechtsprechung nicht auf mindertem Umfang feststellt, selbst wenn es gelingt, durch Vor- eine Pflichtenkollision berufen (siehe nur Sen.Urt. v. 29. Sep- ziehung von Sonderabschreibungen die Gewinnerhöhung in spä- tember 2008 Ð II ZR 162/07, ZIP 2008, 2220 Tz. 6 ff.) tere Veranlagungszeiträume zu verschieben und dadurch den (BGH, Beschluss vom 18.1. 2010 Ð II ZA 4/09) Zinsschaden zu mindern. (BGH, Urteil vom 12.11. 2009 Ð IX ZR 218/08) Hinw. d. Red.: Vgl. BGH Ð II ZR 108/05 Ð GuT 2007, 56 KL.

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Politik und Recht Hinterhalt zu geraten oder unter gezieltes Feuer zu kommen, der denkt nicht in juristischen Begrifflichkeiten, der sieht die Welt verständlicherweise mit anderen Augen. Rede von Bundeskanzlerin Dr. Ja, es ist wieder und wieder wichtig, dass wir uns klar ma- bei der Trauerfeier für die drei am 2. April 2010 chen, warum wir junge Frauen und Männer in ein fernes Land in Kundus gefallenen Bundeswehrsoldaten schicken, wo ihre Gesundheit an Leib und Seele und ihr Leben am 9. April 2010 in Selsingen immer wieder in Gefahr sind. Die Antwort darauf ist nicht selbst- verständlich - und bequem ist sie auch nicht. Sehr geehrte, liebe Familie Augustyniak, sehr geehrte, liebe Familie Bruns, Und noch einmal Ja. Es gibt wohl keinen Abgeordneten und sehr geehrte, liebe Familie Hartert, auch kein Regierungsmitglied, das nicht schon einmal mensch- Soldatinnen und Soldaten des Fallschirmjägerbataillons 373, liche Zweifel gehabt hätte, ob dieser Kampfeinsatz in Afghani- sehr geehrte Trauergemeinde, stan tatsächlich unabweisbar ist. Mir geht es dabei so: Erst, wenn wir auf der einen Seite diese menschlichen Zweifel zulassen, am letzten Samstag habe ich mit dem afghanischen Präsi- wenn wir ihnen nicht ausweichen, dann können wir auf der an- denten Karzai telefoniert. Wir haben über drei deutsche und deren Seite die politische Notwendigkeit unseres Einsatzes in sechs afghanische Soldaten gesprochen. Sie waren wenige Stun- Afghanistan auch tatsächlich glaubhaft verantworten. den zuvor gestorben. Sie waren gestorben, weil sie Afghanistan zu einem Land ohne Terror und Angst machen wollten. Dabei So kann ich sagen: Ich stehe sehr bewusst hinter dem Ein- lie§en sie ihr Leben. satz unserer Soldatinnen und Soldaten sowie der Polizisten und zivilen Helfer in Afghanistan, weil er der Sicherheit unseres Heute nehmen wir Abschied von unseren drei Soldaten, die Landes dient. am Karfreitag in Afghanistan gefallen sind. Wir nehmen Ab- Dieser Einsatz in Afghanistan - aber auch das ist wahr - er- schied von Martin Augustyniak, Nils Bruns und Robert Har- fordert einen langen Atem. Viele fragen sich, warum wir über- tert. haupt dort sind. Afghanistan ist weit weg von Deutschland, ge- Ihnen, liebe Angehörige, spreche ich in dieser schweren Stun- trennt von uns durch viele Kilometer und fremde Kulturkreise. de mein tief empfundenes Mitgefühl aus. Ich tue dies als Bun- Doch was auf dem Spiel steht, ist ganz und gar nicht weit deskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland im Namen der weg. Denn erinnern wir uns an die Umstände, die Deutschland ganzen Bundesregierung und für die Bürgerinnen und Bürger Ende 2001 dazu bewogen haben, deutsche Soldaten im Rahmen unseres Landes. des internationalen NATO-Einsatzes nach Afghanistan zu ent- Martin Augustyniak, Nils Bruns und Robert Hartert sind nicht senden: Afghanistan soll nie wieder von Al-Qaida-Terroristen die ersten Toten, die wir beklagen müssen. Aber sie sind die er- und von Talibankämpfern beherrscht werden, die das Land zum sten Toten, die wir betrauern, nachdem wir das Umfeld unseres Planungs- und Rückzugsraum für die Terroristen des 11. Sep- Einsatzes in Afghanistan neu bestimmen mussten. Unser Ein- tember 2001 und zur Brutstätte weltweiten Terrors gemacht ha- satz in Afghanistan verlangt von uns Politikern, den Tatsachen ben. ins Auge zu sehen und sie klar zu benennen. Die blutigen Anschläge in Madrid und London haben uns Im Völkerrecht nennt man das, was in Afghanistan in weiten schmerzlich vor Augen geführt, dass der Terror auch vor Euro- Teilen herrscht, einen nicht internationalen bewaffneten Kon- pa nicht haltmacht. Er nimmt die gesamte freiheitliche Welt ins flikt. Die meisten Soldatinnen und Soldaten nennen es Bürger- Visier. krieg oder einfach nur Krieg. Und ich verstehe das gut. Denn Deshalb galt damals und gilt auch heute: Der Einsatz der Bun- wer auf den Stra§en vor sich täglich neue Minen vermuten muss deswehr im Rahmen der internationalen Schutztruppe unter oder wer auf Patrouille immer damit rechnen muss, in einen Führung der NATO mit insgesamt 42 beteiligten Nationen liegt

Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 143 Magazin auch im dringenden Interesse der Sicherheit unseres eigenen nen niemals den Verlust auch nur annähernd ausgleichen, aber Landes. Unsere Soldaten versehen ihren Dienst und kämpfen sie können helfen. Diesen Trost, liebe Angehörige, wünsche in Afghanistan, weil wir verhindern wollen, dass Terroristen uns ich Ihnen von Herzen. auch hier in Deutschland treffen. Martin Augustyniak, Nils Bruns, Robert Hartert, die in ihrem Dieser Einsatz in Afghanistan ist schwierig. Er ist vor allem Einsatz am Karfreitag in Afghanistan für Deutschland ihr Le- weitaus schwieriger, als wir zu Beginn vor gut acht Jahren ge- ben verloren haben, haben den höchsten Preis gezahlt, den ein dacht haben. Unser Einsatz in Afghanistan wird nicht einen Tag Soldat zahlen kann. Ihnen gebührt unsere und meine tiefe Hoch- länger dauern als unbedingt erforderlich. Aber wir können uns achtung. Ihnen gebührt unser und mein Dank. genauso wenig von heute auf morgen aus unserer politischen Ich verneige mich vor ihnen. Deutschland verneigt sich vor Verantwortung für ein stabiles Afghanistan einfach so verab- ihnen. schieden. Unter meinem Amtsvorgänger begann der Afghanistanein- Regierungserklärung von Bundeskanzlerin satz der Bundeswehr, und zwar mit breiter Unterstützung des Dr. Angela Merkel zum Einsatz der Bundeswehr Deutschen Bundestages, auch der damaligen Opposition, der ich seinerzeit angehörte. Seitdem gab es manche Fortschritte, in Afghanistan vor dem Deutschen Bundestag aber auch - das sage ich ganz ehrlich - zu viele Rückschläge. am 22. April 2010 in Berlin Dennoch steht auch heute die gro§e Mehrheit der Abgeordne- Herr Präsident! ten des Deutschen Bundestages hinter diesem Einsatz. Darauf Meine Damen und Herren! können unsere Soldatinnen und Soldaten setzen. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unter der Verantwortung der jetzigen Bundesregierung wird Übermorgen nehmen wir Abschied von vier deutschen Sol- nun die Übergabe in Verantwortung eingeleitet. Wir können kein daten, die am letzten Donnerstag in Afghanistan gefallen sind. Abzugsdatum nennen. Das jetzt zu tun, wäre verantwortungs- Wir nehmen Abschied von Thomas Broer, Marius Dubnicki, Jo- los. Aber die internationale Gemeinschaft kann und wird die sef Kronawitter und Jörn Radloff. Schon vor zwei Wochen muss- im Januar dieses Jahres beschlossene Übergabe in Verantwor- ten wir Abschied nehmen von Martin Augustyniak, Nils Bruns tung erfolgreich vollziehen. und Robert Hartert. Sie waren am Karfreitag in Afghanistan gefallen, ebenso wie sechs afghanische Soldaten. Wir wollen in und für Afghanistan ganz konkrete Ziele er- reichen: Chancen auf Einkommen und Beschäftigung, den Bau Sie alle sind gestorben, weil sie Afghanistan zu einem Land weiterer Stra§en, die Ausbildung neuer Lehrer, Schulbesuch für ohne Terror und Angst machen wollten. Ich spreche den An- noch mehr Kinder. Dazu erfordert unser Einsatz in Afghanistan gehörigen, den Kameraden und Freunden mein tief empfunde- Sicherheit. Denn ohne Sicherheit gibt es keinen Wiederaufbau. nes Mitgefühl aus. Ich tue dies im Namen der ganzen Bundes- Und ohne Wiederaufbau wird es keine dauerhafte Sicherheit regierung und der Mitglieder dieses Hohen Hauses und für die und Stabilität geben. Beides muss Hand in Hand gehen. Bürgerinnen und Bürger unseres Landes. Auch an die Verwun- deten denken wir. Auch bei ihnen sind meine und unsere Ge- Wir arbeiten deshalb daran, die afghanischen Sicherheits- danken und Sorgen. Wir wünschen ihnen baldige und vollstän- kräfte in die Lage zu versetzen, selbst die Verantwortung für dige Genesung. die Sicherheit in ihrem Land zu übernehmen. Dazu haben wir unsere Anstrengungen für die Ausbildung afghanischer Solda- Anlässlich des Gelöbnisses von jungen Bundeswehrrekru- ten und Polizisten weiter verstärkt. ten am Jahrestag des Stauffenberg-Attentats hat Altbundes- kanzler Helmut Schmidt am 20. Juli 2008 vor dem Reichstag Noch aber gibt es vielerorts in Afghanistan genügende Si- gesagt: cherheit nur dank des Einsatzes unserer Soldatinnen und Sol- „Liebe junge Soldaten! Ihr habt das große Glück …, einer daten. Wenn wir das sagen, dann dürfen wir nie vergessen: Vie- heute friedfertigen Nation und ihrem ... rechtlich geordneten le Soldatinnen und Soldaten haben bei diesem Einsatz Verlet- Staat zu dienen. Ihr müsst wissen: Euer Dienst kann auch Risi- zungen an Körper und Seele davongetragen - darunter auch die ken und Gefahren umfassen. Aber ihr könnt euch darauf ver- am Karfreitag schwer verwundeten Kameraden, die in Koblenz lassen: Dieser Staat wird euch nicht missbrauchen.“ behandelt werden. Auch bei ihnen und ihren Familien sind mei- ne Gedanken in dieser Stunde. Ja, dieser Staat, der im letzten Jahr 60 Jahre alt wurde und der in diesem Jahr 20 Jahre Wiedervereinigung feiern kann, ver- Oft verblasst in der öffentlichen Wahrnehmung das Leid, das langt von seinen Soldatinnen und Soldaten viel, sehr viel, wie der Einsatz bei unseren Soldaten und ihren Familien hinterläs- wir gerade in diesen Tagen schmerzhaft erfahren müssen. Aber st. Kein Denkmal und keine Feier kann hier unser ganz per- niemals wird er sie missbrauchen. Er stellt sie in den Dienst der sönliches Mitgefühl ersetzen. freiheitlichen und demokratischen Werte dieses Landes. 39 deutsche Soldaten haben seit Beginn unseres Einsatzes ihr Die im Einsatz in Afghanistan gefallenen Soldaten haben wie Leben in Afghanistan verloren. 20 von ihnen sind durch so ge- alle ihre Kameraden, die als Berufssoldaten oder Soldaten auf nannte Feindeinwirkung und im Kampf gefallen. Jeder Tod be- Zeit tätig sind, einen Eid geleistet, diesen Eid: endet nicht nur ihr Leben - das Leben des Sohnes, des Enkels, „Ich schwöre, der Bundesrepublik Deutschland treu zu die- des Ehemanns, des Vaters, des Bruders, des Lebensgefährten, nen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer des Freundes, des Kameraden. Es trifft immer auch gelebte zwi- zu verteidigen.“ schenmenschliche Nähe, Zuneigung, Liebe, Hoffnungen, Träu- Ja, die im Einsatz gefallenen Soldaten, derer wir heute ge- me. Diese Lücken kann niemand schlie§en, sie bleiben für im- denken, haben der Bundesrepublik Deutschland treu gedient, mer. Genauso für immer aber bleiben die Erinnerungen - die Er- indem sie einem Mandat folgten, das der Deutsche Bundestag innerungen an gute Zeiten, die miteinander verbracht wurden, in den letzten acht Jahren mit unterschiedlichen Mehrheitsver- an das große oder kleine Glück. hältnissen auf Antrag von Bundesregierungen in unterschiedli- Mir ist erzählt worden, dass Martin Augustyniak, Nils Bruns cher Zusammensetzung immer wieder beschlossen hat. Dieses und Robert Hartert begeisterte Sportler waren: Mountainbiking, Mandat ist über jeden vernünftigen völkerrechtlichen oder ver- Kampf- und Kraftsport, Fu§ball. Und Sie, liebe Angehörige, ha- fassungsrechtlichen Zweifel erhaben. Es ruht auf den Resolu- ben von der Freundschaft berichtet, die unsere drei Soldaten tionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen. Es ist un- verband. Sie haben erzählt, mit welcher Begeisterung sie Sol- verändert gültig. daten waren. Die Erinnerungen bleiben. Die Erinnerungen an Unsere im Einsatz gefallenen Soldaten waren tapfer, weil sie das große oder kleine Glück kann niemand nehmen. Sie kön- ihren Auftrag, unser Recht und unsere Freiheit zu verteidigen,

144 Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 Magazin in vollem Bewusstsein der Gefahren für Leib und Leben aus- Respekt für ihn und alle Soldaten, die in Extremsituationen ih- geführt haben. Tapferkeit - das haben zuerst sie und ihre An- res Lebens kommen, die wir uns in Deutschland kaum oder gar gehörigen, aber dann auch wir alle schmerzhaft erfahren müs- nicht vorstellen können. sen - ist ohne Verletzbarkeit nicht denkbar. Anlässlich der Verleihung des Friedensnobelpreises am 10. Jeder einzelne gefallene Soldat verpflichtet deshalb uns alle, Dezember des letzten Jahres hat der amerikanische Präsident sorgsam mit seinem Andenken umzugehen. Unser Entwick- Barack Obama gesagt: lungshilfeminister hat die drei Toten Karfreitag ãJa, die Mittel des Krieges spielen eine Rolle in der Erhal- zurück nach Deutschland begleitet. Unser Verteidigungsmini- tung des Friedens. Und doch muss diese Wahrheit neben einer ster Karl-Theodor zu Guttenberg ist unmittelbar nach dem Ge- anderen bestehen, nämlich der, dass Kriege menschliche Tragö- fecht der vergangenen Woche zurück nach Masar-i-Scharif ge- dien bedeuten, wie gerechtfertigt sie auch immer sein mögen. flogen. Ich bin vor zwei Wochen nach Selsingen zur Trauerfei- Der Mut des Soldaten ist ruhmreich, ein Ausdruck der Aufop- er gefahren, und ich werde am Samstag gemeinsam mit dem ferung für sein Land, für die Sache und für seine Waffenbrüder. Bundesau§enminister und dem Bundesverteidigungsminister in Doch der Krieg selbst ist niemals ruhmreich, und wir dürfen ihn Ingolstadt sein. Wir alle haben das nicht allein als Regierungs- niemals so nennen.“ mitglieder getan, wir tun es auch - wie viele andere aus diesem Hohen Hause - als Abgeordnete des Deutschen Bundestages. In anderen Worten: Wir müssen das Leid beim Namen nen- Denn auch als Abgeordnete haben wir diesen Einsatz be- nen. 43 deutsche Soldaten haben seit Beginn unseres Einsatzes schlossen und damit die Verantwortung dafür übernommen, was ihr Leben in Afghanistan verloren. 24 von ihnen sind durch so mit unseren Soldatinnen und Soldaten geschieht. Das, was un- genannte Feindeinwirkung und im Kampf gefallen. Unbetei- sere toten Soldaten für uns getan haben, hat im Mittelpunkt un- ligte Menschen haben ihr Leben verloren - auch infolge deut- seres öffentlichen Andenkens zu stehen. schen Handelns, wie beim Luftschlag in Kunduz am 4. Sep- tember vergangenen Jahres. Ich habe es in den letzten Tagen und Wochen häufiger gesagt und wiederhole es heute: Dass die meisten Soldatinnen und Sol- Jeder Tod beendet nicht nur ihr Leben, er trifft auch immer daten das, was sie in Afghanistan täglich erleben, Bürgerkrieg gelebte zwischenmenschliche Nähe, Liebe, Hoffnungen und oder einfach nur Krieg nennen, das verstehe ich gut. Wer täg- Träume. Deshalb ist es wieder und wieder wichtig, dass wir uns lich fürchten muss, in einen Hinterhalt zu geraten oder unter ge- klarmachen, warum wir junge Frauen und Männer in ein fernes zieltes Feuer zu kommen, der denkt nicht in juristischen Be- Land schicken, wo ihre Gesundheit an Körper und Seele und grifflichkeiten. Wer so etwas erlebt, der fürchtet vielmehr, dass ihr Leben immer wieder in Gefahr sind. Es ist wieder und wie- derjenige, der völkerrechtlich korrekt vom nicht internationa- der wichtig, dass wir Politiker die Tatsachen klar benennen. Es len bewaffneten Konflikt spricht, die Situation zu verharmlo- ist wieder und wieder wichtig, sich auch als Mitglieder der Bun- sen versucht. Deshalb sage ich ganz deutlich: Niemand von uns desregierung und als Abgeordnete zu den menschlichen Zwei- verharmlost; niemand von uns - ob er im Deutschen Bundestag feln zu bekennen, die jeder von uns schon hatte oder hat: die für oder gegen diesen Einsatz gestimmt hat - verharmlost das Zweifel, ob dieser Kampfeinsatz in Afghanistan tatsächlich un- Leid, das dieser Einsatz bei unseren Soldaten und ihren Fami- abweisbar ist. Erst wenn wir uns diesen Zweifeln stellen, kön- lien, aber auch bei Angehörigen unschuldiger ziviler afghani- nen wir den Einsatz glaubhaft verantworten. So jedenfalls geht scher Opfer hinterlässt. es mir. Dennoch - und so stehe ich wie die gro§e Mehrheit die- ses Hauses hinter diesem Einsatz. Am 10. Februar dieses Jahres hat Bundesau§enminister Gui- Dass afghanische Frauen heute mehr Rechte als früher ha- do Westerwelle für die Bundesregierung vor diesem Hohen Haus ben, dass Mädchen zur Schule gehen dürfen, dass Stra§en ge- erklärt: baut werden und dass vieles, vieles mehr geschafft wurde, ist „Die Intensität der mit Waffengewalt ausgetragenen Ausein- das Ergebnis unseres Einsatzes in Afghanistan. Das lohnt sich, andersetzung mit Aufständischen und deren militärischer Or- und das ist mancher Mühe wert. ganisation führt uns zu der Bewertung, die Einsatzsituation von Dadurch alleine könnte der Einsatz unserer Soldaten dort aber ISAF auch im Norden Afghanistans als bewaffneten Konflikt nicht gerechtfertigt werden. In so vielen anderen Ländern die- im Sinne des humanitären Völkerrechts zu qualifizieren.“ ser Welt werden die Menschenrechte missachtet, werden Aus- Das ist das, was landläufig als kriegerische Handlung oder bildungswege verhindert, sind Lebensbedingungen katastrophal Krieg bezeichnet wird. - und trotzdem entsendet die internationale Gemeinschaft kei- ne Truppen, um sich dort militärisch zu engagieren. Nein, in Af- Jedem Mitglied dieses Hauses, das sich ernsthaft mit dieser ghanistan geht es noch um etwas anderes. Frage beschäftigt hat - und das unterstelle ich jedem von uns -, Der berühmte Satz unseres früheren Verteidigungsministers war dies vor der Abstimmung über das aktuelle Mandat bewusst. Peter Struck bringt das für mich auf den Punkt. Er sagte vor Jah- Wir können von unseren Soldaten nicht Tapferkeit erwarten, ren: wenn uns selbst der Mut fehlt, uns zu dem zu bekennen, was wir beschlossen haben. ãDie Sicherheit Deutschlands wird auch am Hindukusch ver- teidigt.“ In einem Interview, das am letzten Sonntag in der Frankfur- ter Allgemeinen Sonntagszeitung erschienen ist, hat Haupt- Bis heute hat niemand klarer, präziser und treffender aus- feldwebel Daniel Seibert minutiös ein Gefecht beschrieben, in drücken können, worum es in Afghanistan geht. Bislang ist die- das er am 4. Juni des letzten Jahres geriet. Auf die Frage, ob er sem Satz aber vielleicht noch nicht eine ausreichende Debatte selbst in diesem Gefecht geschossen und einen Menschen getö- darüber gefolgt, was genau es bedeutet, wenn wir sagen: tet hat, antwortet er: Deutschlands Sicherheit wird auch am Hindukusch verteidigt. ãIch habe ihn erschossen. Er oder ich, darum ging es in die- Unsere Sicherheit, in einem freien Rechtsstaat leben zu kön- sem Fall.“ nen, wird heute von Entwicklungen gefährdet, die weit au§er- halb unserer Grenzen entstehen können. Das ist an sich keine Daniel Seiberts Handeln während des Gefechts war es zu ver- neue Entwicklung, aber in Zeiten der Globalisierung hat es ei- danken, dass ein Spähtrupp aus einem Hinterhalt der Taliban ne neue Qualität erlangt. Der internationale Terrorismus und die befreit werden konnte. Hauptfeldwebel Seibert wurde für Tap- von ihm ausgehende so genannte asymmetrische Bedrohung ferkeit ausgezeichnet. Das bedeutet ihm, wie er in dem Inter- durch Menschen, denen ihr eigenes Leben nichts bedeutet - dies view weiter ausführt, nicht viel. Wichtiger seien ihm Anerken- ist eine der gro§en Schattenseiten der Globalisierung. Doch so nung und Respekt für die Härte seines Einsatzes, Anerkennung wenig man die Globalisierung abschaffen kann - was ich nicht und Respekt von uns allen, von allen Bürgerinnen und Bürgern, will, was aber auch gar nicht ginge, selbst wenn man es wollte -,

Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 145 Magazin so wenig dürfen wir in unseren Anstrengungen nachlassen, den War es unter den Bedingungen des Kalten Krieges noch völ- Gefahren für das Recht, die Sicherheit und die Freiheit unseres lig undenkbar, so stand die Bundeswehr wenige Jahre nach der Landes dort zu begegnen, wo sie entstehen. deutschen Einheit bereits als Teil von Friedenstruppen in So- malia oder auf dem Balkan. 1999 erfolgte die Beteiligung Es ist müßig und an dieser Stelle auch völlig unnötig, darü- Deutschlands am Einsatz im Kosovo. Ohne Zweifel, es sind die- ber zu diskutieren, in welchem Zusammenhang die historischen se Einsätze im Ausland, die heute den Auftrag, die Struktur und Ereignisse der Jahre 1989 und 1990, die zum Ende des Kalten den Alltag der Bundeswehr wesentlich bestimmen. Krieges geführt haben, auch mit dem ebenfalls 1989 abge- schlossenen Abzug der sowjetischen Soldaten aus Afghanistan Zurzeit beteiligt sich Deutschland mit rund 6.600 Soldatin- stehen könnten. Diese Diskussion kann und will ich hier nicht nen und Soldaten an elf Missionen. Deutsche Soldatinnen und führen, aber etwas anderes steht fest, und zwar, dass Afghani- Soldaten sind in Bosnien-Herzegowina, im Kosovo, im Sudan, stan durch den Sieg der Taliban Jahre später zur Heimstatt in- vor der Küste des Libanon, im Mittelmeer und in Afghanistan ternationaler Terrororganisationen wie al-Qaida gemacht wur- im Einsatz. Die rechtliche Absicherung dieser Auslandseinsät- de. ze ist in mehreren Entscheidungen des Bundesverfassungsge- richts erfolgt. Sie finden statt auf dem Boden von Mandaten Die Terrorangriffe des 11. September hatten ihre Wurzeln in des Deutschen Bundestages. Mit ihnen wird über die Abgeord- den Ausbildungslagern der al-Qaida im von den Taliban be- neten ein wichtiges Zeichen für die Verbindung der Bürgerin- herrschten Afghanistan. Aus ihnen sind die Attentäter von New nen und Bürger unseres Landes mit unseren Soldatinnen und York und Washington und später die von London und Madrid Soldaten gesetzt. Dies ist wichtiger denn je. Denn die Bundes- unerkannt hervorgegangen. Viele dieser Gruppen haben uner- wehr wird ihren Auftrag nur dann erfüllen können, wenn sie kannt unter uns gelebt. Ja, sie haben inzwischen auch bei uns sich auf den nötigen Rückhalt in der Gesellschaft verlassen kann in Deutschland verheerende Anschläge geplant. Wir hatten bis- und wenn dieser Rückhalt auch sichtbar wird. her lediglich das Glück, sie noch rechtzeitig verhindern zu kön- nen. Auf der Grundlage dieses rechtlichen Rahmens für unsere Bundeswehr sage ich unmissverständlich: Zum Einsatz der Bun- Es wäre jedoch ein Trugschluss, zu glauben, Deutschland wä- deswehr im multilateralen Rahmen wie den Vereinten Natio- re nicht im Visier des internationalen Terrorismus. Die An- nen, der Europäischen Union und der Nato sind wir bereit, wenn schläge des 11. September haben uns ahnen lassen, was sich er dem Schutz unserer Bevölkerung oder dem unserer Verbün- mittlerweile bestätigt hat: dass sich unter den Bedingungen der deten dient. Wer deshalb heute den sofortigen, womöglich so- Globalisierung die Herausforderungen an unsere Sicherheits- gar alleinigen Rückzug Deutschlands unabhängig von seinen politik nach dem Ende des Kalten Krieges drastisch gewandelt Bündnispartnern aus Afghanistan fordert, der handelt unver- haben. Es wird in Zukunft weit weniger als bisher um Konflik- antwortlich. Nicht nur würde Afghanistan in Chaos und Anar- te zwischen Staaten gehen. Es sind die asymmetrischen Kon- chie versinken, auch die Folgen für die internationale Gemein- flikte, die unsere sicherheitspolitische Zukunft dominieren wer- schaft und ihre Bündnisse, in denen wir Verantwortung über- den. nommen haben, und für unsere eigene Sicherheit wären unab- Es sind Taliban und ihre Verbündeten in Afghanistan, die sich sehbar. Die internationale Gemeinschaft ist gemeinsam hinein- hinter Stammes- und Dorfstrukturen unerkannt verstecken und gegangen; die internationale Gemeinschaft wird auch gemein- damit selbst hinter Frauen und Kindern, um dann mit militäri- sam hinausgehen. Handelte sie anders, wären die Folgen - das schen Mitteln zuzuschlagen. Es sind Piraten vor der Küste So- ist meine Überzeugung - weit verheerender als die Folgen der malias, die mit räuberischen Attacken unsere Handelswege in Anschläge vom 11. September 2001. Gefahr bringen. Es sind die Gefahren, die nicht dem klassischen, dem gewohnten Muster von Konflikten und Kriegen entspre- Dies zeigt allein ein Blick auf die Landkarte:Afghanistan hat chen, die auch aus weiter Entfernung in Windeseile direkt zu in seiner unmittelbaren Nachbarschaft die Nuklearmacht Paki- uns gelangen können. stan. Wir müssen davon ausgehen, dass ein weiterer unmittel- barer Nachbar Afghanistans, der Iran, alles unternimmt, um Nu- Dennoch: Es ist und bleibt zunächst nicht eine militärische klearmacht zu werden. Vor einigen Tagen habe ich zusammen Aufgabe, dieser Bedrohung zu begegnen, ganz im Gegenteil: mit vielen Staats- und Regierungschefs auf Einladung des ame- Der Einsatz der Bundeswehr ist und bleibt nur Ultima Ratio. Er rikanischen Präsidenten Barack Obama am Nukleargipfel in kann stets nur das äußerste Mittel sein, streng gebunden an Völ- Washington teilgenommen. Wir waren uns einig: Der Atomter- ker- und Verfassungsrecht. rorismus gehört zu den größten Bedrohungen für die Sicherheit der Welt. Organisationen wie al-Qaida versuchen, in den Besitz Deutschland übt sich auch aufgrund seiner Geschichte nicht von Nuklearwaffen zu kommen oder nukleares Material zu er- nur in Afghanistan in militärischer Zurückhaltung. Ich sage: langen, um damit als so genannte „schmutzige“ Bomben nu- Deutschland übt sich aus gutem Grund in militärischer Zurück- klear angereicherte konventionelle Waffen zu bauen. Besonders haltung. Militärische Zurückhaltung und der Einsatz militäri- gefährlich ist die Situation in Pakistan, Afghanistans östlichem scher Mittel als Ultima Ratio - das ist Staatsräson der Bundes- Nachbarn. Die Lage dort ist heute schon sehr fragil. Gingen republik Deutschland, und zwar verbunden mit der politischen wir nicht ganz konsequent die nukleare Abrüstung an, wie wir Verantwortung, die wir aufgrund unserer wirtschaftlichen Stär- es uns in Washington vorgenommen haben, und verlie§en wir ke, unserer geografischen Lage im Herzen Europas wie auch als planlos Afghanistan, würde die Gefahr erheblich steigen, dass Mitglied unserer Bündnisse wahrnehmen. Nuklearwaffen und Nuklearmaterial in die Hände von extremi- Wir sind eingebunden in die Partnerschaft mit den Verbün- stischen Gruppen gelangen könnten. Dies muss verhindert wer- deten in der Europäischen Union und der NATO. Alleine ver- den. mögen wir wenig bis nichts auszurichten. In Partnerschaften da- Wir dürfen niemals vergessen, worum es für uns in Afgha- gegen schaffen wir Vieles. nistan geht: Es geht nicht um einen Konflikt zwischen so ge- Seit 1990, also seit der Wiedervereinigung und dem Ende des nanntem Abendland und Morgenland, es geht nicht um eine Aus- Kalten Krieges, ist unser Land einen beachtlichen Weg gegan- einandersetzung zwischen Christentum und Islam. Ein Im- gen. Im Rahmen der Wiedervereinigung haben wir den Aufbau Stich-Lassen der moderaten muslimischen Kräfte in Afghani- einer Bundeswehr geschafft, die seit 1990 das gesamte Bun- stan durch einen überstürzten oder gar alleinigen Abzug wäre desgebiet umfasst, also auch das Gebiet der früheren DDR. nur Eines: eine Ermutigung für alle Extremisten, die weit über Schritt für Schritt hat Deutschland international Verantwortung Afghanistan und seine Nachbarn hinausginge. Deshalb kann gar gemeinsam mit unseren Verbündeten in der NATO, in der eu- nicht oft genug gesagt werden: Es geht um die Sicherheit ropäischen Sicherheitspolitik und im Auftrag der Vereinten Na- Deutschlands, die Sicherheit Europas, die Sicherheit unserer tionen auch außerhalb des Bündnisgebietes übernommen. Partner in der Welt, die auch am Hindukusch verteidigt wird.

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Die Partner der internationalen Gemeinschaft wissen, dass Europa und der Welt bedrohen können. Das eine ist die Vor- wir Afghanistan nicht zu einer Demokratie nach westlichem aussetzung des anderen. Die internationale Gemeinschaft wird Vorbild machen können. Darum hat es auch gar nicht zu gehen. ihre militärische Präsenz so lange aufrechterhalten, wie es nötig Etwas mehr als acht Jahre nach Beginn des Einsatzes müssen ist, nicht länger, aber auch nicht kürzer. Unser Einsatz ist nicht wir feststellen - ich sage dies durchaus auch selbstkritisch und auf Dauer angelegt, aber auf Verlässlichkeit. Das ist der Kern ohne jede Schuldzuweisung gegen irgendjemanden -: Es gab der Übergabe in Verantwortung, die wir in London eingeleitet manche Fortschritte, es gab zu viele Rückschritte, und unsere haben und die wir erfolgreich beenden werden. Ziele waren zum Teil unrealistisch hoch oder sogar falsch. Es Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, die 43 Sol- ist deshalb in seiner Bedeutung gar nicht hoch genug einzu- daten, die in ihrem Einsatz für Deutschland in Afghanistan ihr schätzen, dass auf der Londoner Afghanistan-Konferenz vor gut Leben verloren haben, haben den höchsten Preis gezahlt, den drei Monaten gemeinsam mit der neuen afghanischen Regie- ein Soldat zahlen kann. Sie haben uns Deutsche mit davor be- rung wichtige neue Weichenstellungen unseres bisherigen Vor- schützt, dass wir in Zeiten der globalen Dimension unserer Si- gehens in Afghanistan vorgenommen wurden. Es wurde die cherheit im eigenen Land Opfer von Terroranschlägen werden. Strategie der vernetzten Sicherheit verabschiedet, in der die Si- Alle Soldaten, die in Afghanistan Dienst tun, verdienen unsere cherheitspolitik und die Entwicklungspolitik eng miteinander Solidarität und unser Mitgefühl. Sie leben ständig in Angst, ver- verbunden sind. Die Londoner Strategie schlie§t alle politischen letzt oder getötet zu werden. Sie leben in dieser Angst, damit Kräfte Afghanistans ein. Ja, es ist ein Angebot auch an diejeni- wir zu Hause in Deutschland nicht Angst haben müssen. Dafür gen unter den Taliban und den Aufständischen, die bereit sind, gebühren ihnen unser Dank, unsere Hochachtung und unsere Gewalt und Terror abzuschwören. Es ist ein Angebot an alle, die Unterstützung. sich am Aufbau einer guten Zukunft ihres Landes beteiligen wollen. Die Londoner Strategie sieht vor, die afghanischen Sicher- heitskräfte so auszubilden, dass sie schnellstmöglich in die La- CDU/CSU-Bundestagsfraktion ge versetzt werden, für die Sicherheit und Stabilität ihres Lan- Pressemitteilung vom 21. 4. 2010 des selbst zu sorgen. Bereits 2011 wollen wir mit der Überga- Starke Stimme in der Welt – Öffentliche Anhörung zum be in Verantwortung beginnen. Europäischen Auswärtigen Dienst Die Londoner Strategie stimmt unsere Aufbau- und Ausbil- Europas Diplomaten werden im Ausland für 450 Mio. dungsleistung mit den Entwicklungsma§nahmen unserer Part- Bürger Europas sprechen und unsere Werte und Ziele ner genau ab. Die Londoner Strategie hat ausdrücklich eine re- weltweit vertreten gelmäßige Überprüfung von Benchmarks, Zielen und Ma§- Anlässlich der Anhörung zum Europäischen Auswärtigen nahmen festgelegt. Eine erste Bilanz wird die nächste Konfe- Dienst erklären der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU- renz am 20. Juli in Kabul ziehen, an der der Bundesau§enmi- Bundestagsfraktion Philipp Mißfelder MdB und der zuständi- nister teilnehmen wird. ge Berichterstatter MdB: In einem Wort: Die Londoner Strategie schafft die Voraus- Der Europäische Auswärtige Dienst (EAD) wird die starke setzungen für eine Übergabe in Verantwortung. Darum, um ei- Stimme Europas in der Welt sein. Das ist bei der öffentlichen ne Übergabe in Verantwortung, hat es der internationalen Staa- Anhörung des Auswärtigen Ausschusses, die auch Bürgern die tengemeinschaft zu gehen, nicht um einen Abzug in Verant- Gelegenheit gab, sich gemeinsam mit den Parlamentariern zu wortungslosigkeit wie auch nicht um den Versuch,Afghanistan informieren, klar geworden. zu einer Demokratie nach westlichem Vorbild zu machen. Das Die Europäische Union garantiert den Menschen in Europa missachtete entweder unsere eigenen Sicherheitsinteressen, oder seit ihrer Gründung Frieden und Wohlstand. Die Union baut auf es wäre zum Scheitern verurteilt, weil es die kulturellen, histo- Demokratie, Menschenrechte und die Grundsätze der sozialen rischen und religiösen Traditionen der afghanischen Gesellschaft Marktwirtschaft. Weltweit können wir diese Werte nur vertei- unberücksichtigt ließe. Es ist wahr: Die Traditionen der Stam- digen und verbreiten, wenn die Staaten Europas nach au§en als mesversammlungen und der Loya Jirga in Afghanistan sind uns echte Union auftreten. nicht vertraut, sondern fremd. Aber wahr ist auch: Sie sind ei- ne eigene afghanische Tradition der konsensorientierten Ent- Darum will die CDU/CSU-Bundestagsfraktion einen demo- scheidungsfindung, die auf ihre Weise Prinzipien von Rechts- kratisch durch das Europäische Parlament kontrollierten EAD. staatlichkeit ermöglichen kann. Europas Diplomaten werden im Ausland für 450 Mio. Bürger Nicht nur aufgrund meiner eigenen Erfahrung in der DDR Europas sprechen und unsere Werte und Ziele weltweit vertre- halte ich den Rechtsstaat für die größte zivilisatorische Errun- ten. genschaft der Menschheit. Rechtsstaatlichkeit - das meint nicht Als Experte der CDU/CSU-Fraktion war das Mitglied des nur, aber zunächst die Freiheit der Menschen von Willkür und Europäischen Parlaments Elmar Brok aus Brüssel angereist. Unterdrückung, von Anarchie und Chaos, von einer Situation, in der jeder in der ständigen Angst leben muss, verfolgt oder getötet zu werden. Erst wenn den Menschen diese permanente Angst genommen wird, erst wenn der Staat in der Lage ist, das BMJ-Newsletter vom 11. 2. 2010 elementare Bedürfnis seiner Bevölkerung nach Sicherheit zu er- Bundesjustizministerin zu der SWIFT-Entscheidung des füllen, erst dann gewinnen Menschen auch den Freiraum, ja die Europäischen Parlamentes Freiheit, sich dem Aufbau ihres Landes zu widmen, ihrer Bil- Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger zu dung, ihrer Wirtschaft, ihrem sozialen Ausgleich. der Entscheidung des Europäischen Parlamentes, dem SWIFT- Es ist die vornehme Aufgabe der internationalen Staatenge- Interimsabkommen die Zustimmung zu verweigern: meinschaft, Afghanistan beim Aufbau einer solchen Ordnung Die Bürgerinnen und Bürger in Europa haben heute gewon- zu unterstützen, und zwar weil das unserer eigenen Sicherheit nen. Das Europäische Parlament stärkt mit seiner Entscheidung dient. Das ist der Auftrag, den die NATO und ihre Verbündeten, nicht nur den Datenschutz, sondern die Demokratie in Europa also auch die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr, dort insgesamt. erfüllen. Es ist richtig: Sicherheit kann es auf Dauer nicht oh- ne Entwicklung geben; aber genauso richtig ist: Sicherheit ist Das SWIFT-Interimsabkommen enthält erhebliche Lücken die Voraussetzung jeder Entwicklung und die Voraussetzung beim Datenschutz und den zugehörigen Rechtsschutzmöglich- dafür, dass sich in einem Land wie Afghanistan nicht wieder keiten. Diese falsche Weichenstellung wird heute korrigiert. Das Brutstätten des internationalen Terrorismus bilden, die uns in Europäische Parlament misst dem Datenschutz eine hohe Be-

Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 147 Magazin deutung zu. Die heutige Entscheidung des Europäischen Parla- Das SWIFT-Abkommen ist ein wichtiges Instrument im mentes ist eine hohe Messlatte für den Datenschutz in Europa, Kampf gegen die Finanzierung des internationalen Terrorismus. auch für die Bundesregierung. Auch Deutschland hat in der Vergangenheit erheblich von die- Mit der Entscheidung des Europäischen Parlamentes wird sem Datenaustausch profitiert. Es ist deswegen unerlässlich, die deutlich, dass das Europäische Parlament seine neue Stärke ver- Vorbehalte der Abgeordneten des Europäischen Parlaments ernst antwortungsvoll nutzt. Der heutige Tag ist ein Signal, dass sich zu nehmen und bei den nächsten SWIFT-Verhandlungen zu die Gewichte zwischen nationalen Regierungen, EU-Kommis- berücksichtigen. Nur so kann ein angemessener Ausgleich zwi- sion und Europäischem Parlament verschoben haben. Künftig schen Sicherheitsbedürfnis und Datenschutz gewährleistet wer- muss sich auch die deutsche Politik viel stärker im Vorfeld po- den. litischer Entscheidungen mit dem Europäischen Parlament ab- stimmen. CDU/CSU-Bundestagsfraktion Pressemitteilung vom 4. 3. 2010 Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen Die Union hält, was sie verspricht Pressemitteilung vom 11. 2. 2010 Anlegerschutz wird weiter gestärkt Schallende Ohrfeige für Rat und Bundesregierung Anlässlich der Ankündigung von Bundesfinanzminister Wolf- bei SWIFT gang Schäuble, noch im April einen Gesetzentwurf zur Stär- Zur heutigen Entscheidung des Europäischen Parlaments, das kung des Anlegerschutzes und der Verbesserung der Funkti- SWIFT-Abkommen abzulehnen, erklärt Dr. Konstantin von onsfähigkeit des Kapitalmarktes vorzulegen, erklärt die ver- Notz, Sprecher für Netzpolitik: braucherpolitische Berichterstatterin der CDU/CSU-Bundes- Wir begrüßen die heutige Entscheidung des Europäischen tagsfraktion, Lucia Puttrich MdB: Parlaments ausdrücklich. Sie ist konsequent und in der Sache Die immense Bedeutung des finanziellen Verbraucher- richtig. schutzes ist vor allem den vielen Betroffenen der Lehman-Plei- Richtig, da nicht hingenommen werden konnte, dass die te schmerzhaft vor Augen geführt worden. Die Bundesregie- Bankdaten von 500 Millionen Europäerinnen und Europäern rung hat mit der Verlängerung der Verjährungsfristen, der Ein- ohne ausreichenden Rechtsschutz und unter Umgehung der führung des Beratungsprotokolls und schlie§lich mit dem Pro- mühsam erkämpften europäischen Datenschutzstandards will- duktinformationsblatt wesentliche Bausteine zur Verbesserung fährig an die USA weitergegeben werden. des Anlegerschutzes auf den Weg gebracht. Richtig auch, da der Rat mit tatkräftiger Unterstützung der Wir begrüßen sehr, dass diese Ma§nahmen von Seiten des Bundesregierung versucht hat, die Rechte des Europäischen Par- Bundesfinanzministeriums durch eine bessere Regulierung des laments auszuhebeln und das Abkommen nur einen Tag vor In- Kapitalmarktes flankiert werden. Die Eckpunkte des Entwurfs krafttreten des Lissabon-Vertrags durchzuwinken. geben die richtigen Antworten. Auch ungeregelte Produkte des grauen Kapitalmarktes sind künftig in die Pflichten einer anle- Deshalb ist die heutige Entscheidung des Parlaments auch ei- gergerechten Beratung einzubeziehen. Hierzu gehört zum Bei- ne schallende Ohrfeige für Rat und Bundesregierung. Dass es spiel, dass der Berater mit der erforderlichen Sachkenntnis, nur der Courage des Unternehmens SWIFT zu verdanken war, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit im Interesse seiner Kunde be- dass unsere Bankdaten nicht an US-Behörden weitergegeben raten muss. wurden, ist ein Armutszeugnis für Rat und nationale Regierun- gen. Deren Aufgabe wäre es gewesen, unsere Bankdaten zu Auch das Beratungsprotokoll muss auf Produkte des grauen schützen – nicht die des Unternehmens SWIFT. Kapitalmarktes ausgeweitet werden. Das Vorgehen von Rat und nationalen Regierungen in Sachen Gerade im grauen Kapitalmarkt tummeln sich aufgrund der SWIFT hat letztendlich auch etwas Gutes: Es hat eindrucksvoll bislang fehlenden staatlichen Finanzaufsicht viele unseriöse An- bewiesen, warum es so wichtig ist, dass das Europäische Par- bieter befinden. Schlechte Beratung war hier leider oftmals die lament – nicht nur in datenschutzrechtlichen Belangen – zukünf- Regel. Insofern macht es hier auch Sinn, für diese Anlagepro- tig entscheidend ist. Die heutige Abstimmung ist ein histori- dukte ein Produktinformationsblatt zu verlangen. scher Schritt auf dem Weg der weiteren Demokratisierung Eu- Ebenso unterstützen wir Bundesfinanzminister Schäuble bei ropas. der Einführung eines Registrierungs- und Sanktionsregimes bei der Aufsichtsbehörde für Anlageberater, in dem auch Angaben zur Qualifikation und Weiterbildung enthalten sein sollen. Dies CDU/CSU-Bundestagsfraktion deckt sich mit unserer Forderung, von Anlageberatern Ð insbe- Pressemitteilung vom 11. 2. 2010 sondere den freien Finanzvermittlern Ð einen Qualifikations- nachweis zu verlangen. Bislang kann sich in Deutschland jeder SWIFT – Sicherheit und Datenschutz gewährleisten ohne entsprechende Ausbildung zum Finanzberater aufschwin- Ablehnung des SWIFT-Abkommens durch das gen. Europäische Parlament Die Pläne des Bundesfinanzministeriums unterstreichen die Anlässlich der Ablehnung des SWIFT-Abkommens durch das wachsende Bedeutung des Verbraucherschutzes im Finanzsek- Europäische Parlament erklärt der Innenpolitische Sprecher der tor. CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Dr. Hans-Peter Uhl MdB: Die heutige Ablehnung des vorläufigen SWIFT-Abkommens ist ein deutliches Zeichen, dass die Bedenken der Abgeordne- ten des Europäischen Parlaments bei den Verhandlungen für das CDU/CSU-Bundestagsfraktion nächste SWIFT-Abkommen Berücksichtigung finden müssen. Pressemitteilung vom 4. 3. 2010 Insbesondere betrifft das Verbesserungen bezüglich des ab- Hasardeuren am Finanzmarkt Leitplanken setzen fragbaren Datenumfangs sowie praxisnahe Rechtsschutzmög- Neue Spielregeln für Leerverkäufe mit einem Verbot des lichkeiten und Verfahrensgarantien für Betroffene. Handels ungedeckter Wertpapiere Zu den Vorschlägen von Bundesfinanzminister Schäuble zur Stärkung des Anlegerschutzes und zur Verbesserung der Funk- tionsfähigkeit des Kapitalmarktes erklärt der finanzpolitische www.gut-netzwerk.de Sprecher der CDU/CUS-Bundestagsfraktion, Leo Dautzenberg MdB:

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Hasardeuren am Finanzmarkt, die in Glücksrittermanier auf SPD-Bundestagsfraktion Kurse wetten, sind Leitplanken zu setzen. Eine weitere Fi- Pressemitteilung vom 19. 4. 2010 nanzkrise mit den erheblichen Kosten für den Steuerzahler ist Finanzkrise: Betrugsbekaempfung ist erforderlich, unter allen Umständen in Zukunft zu vermeiden. Die von Bun- reicht aber allein nicht aus desfinanzminister Schäuble vorgestellten Eckpunkte zur Stär- kung des Anlegerschutzes und zur Verbesserung der Funkti- Zur Anklage der US-Boersenaufsicht SEC gegen die Invest- onsfähigkeit des Kapitalmarktes bieten hierzu die richtigen An- mentbank Goldman Sachs erklaert der stellvertretende Vorsit- satzpunkte. zende der SPD-Bundestagsfraktion Joachim Poss: Neue Spielregeln für Leerverkäufe mit einem Verbot des Han- Dass kriminelles, mindestens aber unethisches Verhalten von dels ungedeckter Wertpapiere geben dem Markt ebenso klare Banken und Investmenthaeusern eine wesentliche Begleiter- Leitlinien wie eine reformierte Transparenz bei Übernahmen. scheinung der Finanzkrise war, ist an sich nichts Neues. Der Die Verbesserung des Verbraucherschutzes im Finanzdienstlei- Milliardenbetrueger Madoff oder Banken, die ungesicherte stungssektor ist der Union ein Herzensanliegen. Anbieter und Lehman-Zertifikate ahnungslosen Anlegern als vermeintlich si- Verbraucher müssen auf gleicher Augenhöhe miteinander um- chere Anlage verkaufen, all dies und anderes mehr ist bekannt gehen. Eine Verlängerung der Haltefristen bei offenen Immo- und war bereits Gegenstand von Gerichtsverfahren. bilienfonds begrüßen wir. Die derzeitige Unsicherheit in die- Und nun also die Klage der US-Boersenaufsicht gegen Gold- sem Markt muss durch klare Vorgaben beseitigt werden, und man Sachs wegen betruegerischen Zusammenwirkens mit ei- zwar gerade zum Schutz der Anleger. nem Hedge-Fonds zum Schaden der Anleger. Keine Frage:Auch Dass Bundesfinanzminister Schäuble jetzt auf nationaler Ebe- dieser Fall muss aufgeklaert werden und gegebenenfalls mues- ne eine durchdachte Initiative ergreift, ist der richtige Schritt. sen angemessene Strafen und Schadenersatzansprueche folgen. Jetzt bedarf es noch der Schaffung eines eigenen Insolvenz- und Soweit die IKB-Bank betroffen sein sollte, sind auch Ansprue- Restrukturierungsgesetzes für den Bankenmarkt. Zudem ist die che des deutschen Fiskus zu pruefen, der diese Bank mit gros- Aufsicht neu zu regeln Ð unsere Vorschläge einer Integration der sem finanziellen Aufwand gerettet hat. gesamten Finanzaufsicht bei der Bundebank liegen auf dem Tisch. Aber: Ueber all dem darf nicht in Vergessenheit geraten, dass die Betruegereien eben nur eine Begleiterscheinung der Fi- nanzkrise, ein Ausnutzen der vielfach blinden Renditegier von Investoren und Bankern war, nicht aber die Ursache der Krise Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen selbst. Diese lag tiefer, in einem systemischen Versagen der de- Pressemitteilung vom 8. 4. 2010 regulierten Finanzmaerkte, auf denen eine immer wildere Spe- Aufarbeitung der Finanzkrise steht in Deutschland noch aus kulation mit billig geliehenem Geld und ganz legalen Produk- Zur Forderung von IG-Metall-Chef Berthold Huber, die Fi- ten statt fand. nanzkrise in Deutschland mit einer ãWahrheitskommission“ auf- Deswegen kann die gebotene Strafverfolgung in aufgedeck- zuarbeiten, erklärt Dr. , Sprecher für Finanzpo- ten Betrugsfaellen auch keinesfalls die dringend erforderlichen litik: rechtlichen Schlussfolgerungen der Krise ersetzen: Bessere Auf- Berthold Huber legt den Finger in die offene Wunde und for- sicht und wirksamere Regulierung auf den Finanzmaerkten, die dert eine umfassende Aufarbeitung der Finanzkrise in Deutsch- Beendigung der auf den extremen Kurzfristerfolg ausgerichte- land. Recht hat er, denn diese Aufarbeitung steht hier zu Lande ten Verguetungsexzesse sowie umfassendere Massnahmen zur noch ganz am Anfang. Der Untersuchungsausschuss, der Ende Daempfung der Spekulationsanreize, wie eine umfassende Fi- der vergangenen Legislaturperiode die Rettung der Hypo Real nanztransaktionssteuer, muessen weiterhin mit allem Nachdruck Estate aufklären sollte, war nur ein erster kleiner Schritt. Ob das verfolgt werden. Instrument der ãWahrheitskommission“ das beste Vorbild ist,sei dahingestellt. Richtig ist aber, dass es nur dann möglich ist, Leh- ren zu ziehen, wenn man der Wahrheit auf den Grund geht und SPD-Bundestagsfraktion in jedem einzelnen Fall das Zustandekommen dieser Finanz- Pressemitteilung vom 21. 4. 2010 krise nachvollzieht. Nur dann kann eine Neuausrichtung der Finanzmärkte gelingen. Fall Goldman-Sachs: Strenge Regulierung fuer alle Die mangelnde Aufarbeitung in Deutschland steht im kras- Finanzmarktakteure dringend erforderlich sen Gegensatz zu anderen Ländern: In den USA arbeiten De- Zur Affaere um die Investmentbank Goldman-Sachs erklaert mokraten und Republikaner seit Mai 2009 gemeinsam in ei- der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion nem Untersuchungsausschuss die Krise auf - nach dem Vorbild Joachim Poss: der legendären Pecora-Kommission, die den Crash an der Wall Der Fall Goldman-Sachs wirft ein grelles Licht auf die nach Street im Jahr 1929 untersuchte und zu etlichen Reformen wie wie vor enge Verquickung von Banken und Hedge-Fonds. Das der Gründung der US-Börsenaufsicht SEC oder der US-Einla- Zusammenwirken von Investmentbankern und Fondsverwaltern gensicherung FDIC führte. Ferner investierten die US-Behör- und die daraus resultierenden Interessenkonflikte sind dabei kei- den 30 Millionen US-Dollar in eine juristische Analyse zu den nesfalls auf diesen Einzelfall beschraenkt, sondern sind syste- Hintergründen der Lehman-Pleite: Aufgedeckt wurden Bilanz- matisch in den Geschaeftsmodellen dieser Finanzmarktakteure manipulationen, Aufsichtsversagen und Fehlverhalten der Ma- angelegt. Insofern duerfte dieser nun bekannt gewordene Fall nager. Auch scheuten die US-Behörden - wie im Übrigen auch eher die Spitze eines Eisbergs als ein singulaeres Ereignis sein. die Schweizer Aufsicht - keine selbstkritischen Berichte zu ge- machten Fehlern. Auch in Island wird die Krise gründlich auf- Das macht deutlich, wie wichtig es ist, nicht nur die Regu- gearbeitet: durch eine Parlamentskommission, eine Sonderein- lierung von Banken zu verschaerfen - es muss endlich auch da- heit der Strafverfolgungsbehörden und die Finanzaufsicht. fuer gesorgt werden, dass die Hedge-Fonds keine regulie- Immerhin geht die Zivilgesellschaft in Deutschland voran: rungsfreie Zone mehr sind. Unter Beteiligung der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grü- Die enge Beziehung zwischen Banken und Hedge-Fonds er- nen veranstalten am kommenden Samstag, 10. April, Attac weist sich auch in diesem Fall als systematischer Nachteil der Deutschland und die Berliner Volksbühne ein „Bankentribunal“. „normalen“ Kunden der Bank, die hinsichtlich der Gestaltung Nach Anklageerhebung und Beweisführung soll ein Urteil über der von ihnen erworbenen Produkte stets einen Informations- die Schuldigen der Finanzkrise gefällt werden - um anschlie- nachteil haben. Ein solch systematisches Informationsgefaelle §end im ãForum der Alternativen“ die Transformation der Fi- fuehrt - ohne wirksame Regulierung als Gegengewicht - stets nanzmärkte in Angriff zu nehmen. zu ineffizienten Marktergebnissen.

Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 149 Magazin

Das Thema Hedge-Fonds-Regulierung ist bereits vor Jahren Die heutige Entscheidung strahlt auch auf Europa aus. Das vom damaligen Bundesfinanzminister Peer Steinbrueck auf die Bundesverfassungsgericht macht mit seiner Entscheidung deut- internationale Agenda gesetzt worden - passiert ist bisher nichts. lich, dass sich Deutschland für die Freiheitsrechte seiner Bür- Bundeskanzlerin Angela Merkel, die auch jetzt wieder mit gerinnen und Bürger auch in europäischen und internationalen scharfen Worten schnell zur Stelle ist, hat hier - wie insgesamt Zusammenhängen einsetzen muss. beim Thema Finanzmarktregulierung - trotz aller Bekundungen Das Datenschutzbewusstsein in der Europäischen Union hat noch immer keine Ergebnisse vorzuweisen. sich erkennbar gewandelt, nicht zuletzt im neuen Europäischen Wenn sich das nicht schleunigst aendert, werden weiterhin Parlament. Nach den jüngsten Äußerungen der neuen EU-Ju- voellig intransparente Produkte an den Finanzmaerkten verkauft stizkommissarin Viviane Reding bin ich optimistisch, dass auf werden, bei denen die Kaeufer ausgenommen werden. Fi- europäischer Ebene zügig an eine Überarbeitung der Richtlinie nanzminister Schaeuble und Bundeskanzlerin Merkel sind in gearbeitet werden wird. Daran werde ich konstruktiv und nach- der Pflicht, jetzt endlich das Reden einzustellen und zu Taten drücklich mitwirken. zu kommen. Nach der heutigen Entscheidung kann und wird es keinen na- tionalen Schnellschuss geben. Das weitere Vorgehen muss eu- ropäisch eingebettet sein. Der Gesetzgeber kann es sich nicht SPD-Bundestagsfraktion erlauben, erneut in Karlsruhe zu scheitern. Pressemitteilung vom 21. 4. 2010 Politisch stärkt die heutige Entscheidung der Koalition den Goldman Sachs: Bundesregierung muss Rolle der Rücken bei datenschutzrechtlichen Vorhaben, wie wir sie im deutschen Banken klaeren Koalitionsvertrag verabredet haben. Zum Verfahren der US-Boersenaufsicht gegen die amerika- Das Urteil ist Maßstab und Richtlinie für zukünftige Ge- nische Bank Goldman Sachs und eine Ausweitung der Affaere setzgebungsvorhaben im Bereich der Innen- und Rechtspolitik. auf deutsche Banken erklaert der zustaendige Berichterstatter Es ist uns Auftrag und Verpflichtung zugleich. der SPD-Bundestagsfraktion Manfred Zoellmer: Die US-Boersenaufsicht SEC hat gegen die amerikanische Bank Goldman Sachs ein Betrugsverfahren in Milliardenhoe- SPD-Bundestagsfraktion he eingeleitet. Die US-Bank soll Anleger mit Finanzprodukten Pressemitteilung vom 2. 3. 2010 getaeuscht haben und nicht alle notwendigen Informationen ue- Bundesverfassungsgericht stellt Weiche fuer das digitale ber das Produkt an die Kunden uebermittelt haben. Folge war Zeitalter ein Totalverlust, den auch die deutsche Mittelstandsbank IKB Zu der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Vor- erlitt, die dieses Produkt erwarb und fast 150 Millionen Euro ratsdatenspeicherung erklaert der stellvertretende Fraktions- Verlust verbuchen musste. Die IKB wird seit Sommer 2007 von vorsitzende : der staatseigenen KfW gestuetzt. Das Bundesverfassungsgericht misst dem Schutz der Daten Im Rahmen dieses Verfahrens koennten sich auch Ver- unserer Buergerinnen und Buerger erneut eine ueberragende dachtsmomente gegen deutsche Banken ergeben, die wie Gold- Bedeutung zu. Am Beginn des digitalen Zeitalters stellt das Ge- man Sachs Finanzmarktpapiere aufgelegt haben, mit denen An- richt die Weiche. Ein Gefuehl des Beobachtetseins darf in einer leger von den hohen Immobilienpreisen in Amerika profitieren freiheitlichen Gesellschaft die unbefangene Wahrnehmung der sollten. Gleichzeitig sind offenbar Ausfallversicherungen an Grundrechte nicht beeintraechtigen. Das Urteil stellt den Ge- Hedge-Fonds verkauft worden, die auf das Gegenteil - also das setzgeber allerdings auch nicht vor unloesbare Aufgaben. Es Platzen der Immobilienblase - setzten. Dabei geht es um die wird anerkannt, dass Telekommunikationsverbindungsdaten Taeuschung der Kunden durch willentliche Vorenthaltung von fuer eine effektive Strafverfolgung und Gefahrenabwehr von Informationen ueber das jeweilige Finanzprodukt. besonderer Bedeutung sind. Was dazu noetig ist, kann auch in Es gibt eine Reihe von Hinweisen darauf, dass diese Ge- Zukunft getan werden. schaeftspraktiken auch von deutschen Banken angewandt wur- den. Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesfinanz- DStV Ð Pressemitteilung vom 3. 3. 2010 minister sind jetzt aufgefordert diesen Verdachtsmomenten Vorratsdatenspeicherung beschränkt – ELENA vor dem Aus? nachzugehen und sich nicht darauf zu verlassen, dass amerika- nische Behoerden dies tun oder im Rahmen von US-Gerichts- Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 2. März 2010 verfahren sich solche Verdachtsmomente womoeglich erhaer- zur Vorratsdatenspeicherung im Rahmen der Telekommunika- ten. tionsüberwachung verstärkt nach Ansicht des Deutschen Steu- erberaterverbandes e.V. (DStV) die verfassungsrechtlichen Zweifel an das im Jahr 2010 eingeführte Verfahren zum elek- tronischen Entgeltnachweis (ELENA). BMJ-Newsletter vom 2. 3. 2010 Hiernach haben Arbeitgeber - monatlich - umfangreiche Da- Herausragender Tag für Grundrechte und Datenschutz tensätze an eine zentrale Speicherstelle zu übermitteln. Hierzu Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger zu gehören sowohl die Stammdaten der Arbeitnehmer und das ge- der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Vorrats- zahlte Entgelt als auch persönliche Angaben wie die Fehlzei- datenspeicherung: ten, etwa wegen Elternzeit oder Krankheit, oder sämtliche De- tails einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Heute ist ein herausragender Tag für die Grundrechte und den Datenschutz. Dem einseitigen Stakkato an Sicherheitsgesetzen Demgegenüber hat das Bundesverfassungsgericht nunmehr der vergangenen Jahre wurde mit dem heutigen Urteil des Bun- ausdrücklich den Grundsatz der Datensparsamkeit betont. Ei- desverfassungsgerichts erneut eine Absage erteilt. Das Urteil ne umfangreiche Datenspeicherung ãauf Vorrat“ komme nur reiht sich nahtlos in eine Reihe Aufsehen erregender Verfas- zum Schutz für überragend wichtige Rechtsgüter in Betracht. sungsgerichtsentscheidungen ein, die seit dem Urteil zum Dies sei beispielsweise bei der Verfolgung von schwerwiegen- Gro§en Lauschangriff 2004 ergangen sind. In dieser Tradition den Straftaten oder der Abwehr von Gefahren für Leib, Leben stehen die Entscheidungen zur Telefonüberwachung, zur Ra- oder Freiheit von Menschen der Fall. sterfahndung, zur Pressefreiheit und zur Online-Durchsuchung. Vom Schutz „überragend wichtiger Rechtsgüter“ kann bei Diese Rechtsprechung ist zugleich Auftrag für eine grund- ELENA freilich nicht die Rede sein. Ziel des Gesetzes soll ein- rechtsschonende Innenpolitik. mal mehr ãder Abbau von Bürokratie“ sein. So soll, im Falle

150 Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 Magazin der Inanspruchnahme von Ersatzleistungen eines (ehemalig) schutzaufsicht noch immer in ein Ministerium integriert haben, Beschäftigten, der Arbeitgeber keine Entgeltbescheinigung ãauf muessen nun schnell unabhaengige Stellen schaffen. Dazu ge- Papier“ mehr ausstellen müssen. Wenn jedoch stattdessen peri- hoert auch, dass diese Stellen keiner staatlichen Aufsicht un- odisch und - ohne konkreten Anlass - stetig Daten übermittelt terstellt sein duerfen. Sie sind nur Recht und Gesetz unterwor- werden, stellt sich schon die Frage nach der Erforderlichkeit der fen. Dies muss auch Konsequenzen haben fuer die Unabhaen- Ma§nahme, da es an der behaupteten Erleichterung für den Un- gigkeit des Bundesbeauftragten fuer den Datenschutz. Die ternehmer fehlt. Zudem lehrt die Erfahrung, dass gro§e Daten- Rechtsaufsicht des Bundesministeriums des Inneren muss ge- speicher weitere Begehrlichkeiten wecken und darüber hinaus strichen werden. keineswegs sicher gegen Missbrauch sind. Der DStV hat daher bereits im Gesetzgebungsverfahren von ELENA dafür plädiert, anstelle des Aufwands und der Kosten Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen für dieses bürokratische Monstrum es dem Arbeitgeber zu er- Pressemitteilung vom 9. 3. 2010 möglichen, etwaig benötigte Daten anlassbezogen elektronisch an die öffentliche Stelle zu übermitteln. EuGH stärkt Datenschutz in der Privatwirtschaft Zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zur man- Hinw. d. Red.: Pressemeldung, Urteil, Abweichende Mei- gelnden Unabhängigkeit der für Datenschutz zuständigen Kon- nungen der Entscheidung des BVerfG zur Vorratsdatenspeiche- trollstellen erklärt Dr. , Sprecher für In- rung können für eine Übergangszeit bei der Redaktion GuT nenpolitik: ([email protected]) als Datei angefordert werden. Das heutige Urteil des Europäischen Gerichtshofs stärkt den Datenschutz in der Privatwirtschaft. Zugleich macht es deut- lich, wo noch Verbesserungsbedarf besteht. DStV Ð Pressemitteilung vom 7. 4. 2010 Die Kontrollpraxis der Bundesländer steht schon seit lan- Steuerberater begrüßen Umdenken bei ELENA gem in der Kritik. Die Rüge des Europäischen Gerichtshofs Der Deutsche Steuerberaterverband e.V. (DStV) begrüßt aus- kommt demnach nicht überraschend. Sie ist das Resultat der drücklich die Überlegungen des Bundeswirtschaftsministers fehlenden Unabhängigkeit der für den Datenschutz bei Privat- Rainer Brüderle, das Verfahren zum elektronischen Entgelt- unternehmen zuständigen Kontrollstellen der Bundesländer. Die nachweis gründlich auf den Prüfstand zu stellen. Unterstützung entsprechende EU-Richtlinie ist seit 1995 geltendes Recht. Dass verdient nach Ansicht des Verbandes vor allem der Ansatz, klei- viele Bundesländer es bis heute nicht geschafft haben, die dies- ne und mittlere Unternehmen von den zusätzlichen monatlichen bezüglichen Regelungen umzusetzen, zeigt, wie sträflich viele Mitteilungspflichten zu befreien. Länder die Datenschutzkontrolle vernachlässigt haben. So sehr allerdings der DStV eine Mittelstandskomponente Die Skandale der letzten Jahre, ob bei LIDL, der Deutschen willkommen hei§t, kann diese Ausnahme aber nicht über die Bahn oder anderen Unternehmen konnten auch deshalb ge- verfassungsrechtlichen Bedenken und die mangelnde Praktika- schehen, weil die Aufsicht hier nicht funktioniert hat. Die bis- bilität von ELENA hinwegtäuschen. „Insofern wäre jetzt der lang mangelnde Unabhängigkeit ist dabei nur eines der Pro- richtige Zeitpunkt für den Einstieg in den Ausstieg“, plädiert bleme. Noch immer sind die Kontrollstellen viel zu schlecht stattdessen DStV-Präsident Hans-Christoph Seewald für eine ausgestattet, um wirksam tätig werden zu können. Jetzt sind generelle Revision. die Länder gefordert, eine gründliche Reform mit dem Ziel ei- Der DStV hatte sich - als eine von wenigen Stimmen - be- ner Stärkung der Datenschutz-Kontrollstellen in die Wege zu reits im Gesetzgebungsverfahren eindeutig gegen ELENA aus- leiten. gesprochen, auch im Vorgriff auf die sich anbahnende Ent- scheidung des Bundesverfassungsgerichts zur ãVorratsdaten- speicherung“. Das alleinige Motiv, Arbeitgeber im Bedarfsfal- SPD-Bundestagsfraktion le von der Ausstellung einer Papierbescheinigung zu befreien, Pressemitteilung vom 25. 2. 2010 kann nach unveränderter Ansicht des DStV nicht den Aufbau eines millionenfachen Datenspeichers rechtfertigen. Ministerin Aigner ohne Macht in Sachen Gentechnik Der Verband plädiert stattdessen dafür, es den Arbeitgebern Anlaesslich einer Befragung der Bundesregierung zum Ru- zu ermöglichen, auf Nachfrage ausgewählte Daten elektronisch henlassen des Gerichtsverfahrens gegen das Genmais-Anbau- an die Träger der Sozialversicherung zu übermitteln. Hierdurch verbot erklaert die verbraucherpolitische Sprecherin der SPD- könnte weitaus einfacher und zudem auf verfassungsrechtlich Bundestagsfraktion Elvira Drobinski-Weiss: sicherem Boden der Gesetzeszweck erreicht werden. Verhandelt das Bundesamt fuer Verbraucherschutz und Le- bensmittelsicherheit (BVL) ohne Wissen des Verbrauchermini- steriums mit dem Agrarkonzern Monsanto ueber eine Aufhe- bung des Anbauverbotes fuer genveraenderten Mais? Die Ant- SPD-Bundestagsfraktion wort der Bundesregierung auf unsere konkreten Nachfragen gibt Pressemitteilung vom 9. 3. 2010 neue Raetsel auf. Der Sprecher von Monsanto behauptet, Ge- Datenschutzaufsicht muss unabhaengig sein spraeche mit dem BVL zu fuehren, in denen eine ãWuerdigung Zu der Entscheidung des Europaeischen Gerichtshofs der positiven Stellungnahmen“ zum MON 810-Mais erreicht (EuGH) zur notwendigen Unabhaengigkeit der Datenschutz- werden solle. Die im Bundesministerium zustaendige parla- behoerden erklaert der stellvertretende Vorsitzende der SPD- mentarische Staatssekretaerin dagegen erklaert, es gebe keine Bundestagsfraktion Olaf Scholz: Gespraeche. Was laeuft wirklich in Sachen MON 810? Es ist gut, dass der Europaeische Gerichtshof mit seiner Ent- Derzeit beteuert man seitens des Ministeriums zwar, das am scheidung klargestellt hat, dass die europaeischen Datenschutz- Anbauverbot festgehalten werde - aber was geschieht kom- Richtlinie nicht nur ãvoellige Unabhaengigkeit“ besagt, son- mendes Jahr? Zu befuerchten ist, dass nach einer moeglichen dern auch ãvoellige Unabhaengigkeit“ meint. Zu den notwen- Neuzulassung von MON 810 auf EU-Ebene der gentechnisch digen Reaktionen auf die Datenschutzskandale in der Privat- veraenderte Mais dann auch in Deutschland wieder angebaut wirtschaft, die uns in den vergangenen Jahren beschaeftigt ha- wird. ben, gehoert die Staerkung der Datenschutzaufsicht in der Pri- Zu Recht hatte Ministerin Aigner im April 2009 wegen moeg- vatwirtschaft. licher negativer Auswirkungen auf die Umwelt das Anbauver- Der Europaeische Gerichtshof hat dies mit seiner Entschei- bot fuer den MON 810-Mais verhaengt. Mit einer Klage dage- dung unterstrichen. Diejenigen Bundeslaender, die die Daten- gen war Monsanto im Eilverfahren unterlegen. Vieles deutet da-

Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 151 Magazin rauf hin, dass diese Entscheidung im Hauptverfahren besiegelt stammen aus Deutschland. Nach den USA stellt damit Deutsch- worden waere. Bis zuletzt soll Monsanto nicht einmal eine Kla- land weltweit den zweitgrößten und bei weitem den größten An- gebegruendung eingereicht haben. teil an Patentanmeldungen aus Europa. Die Niederlage wurde Monsanto nun erspart. Dabei waere Bisherige Präsidenten des Europäischen Patentamts waren: die Gerichtsentscheidung bei der Diskussion um die Neuzulas- ¥ 1977Ð1985 : Johannes Bob van Benthem (NL) sung von MON 810 und bei der Verteidigung des Anbauver- bots hilfreich gewesen. ¥ 1985Ð1995 : Paul Braendli (CH) Bei der fuer diese Bundesregierung wegweisenden Ent- ¥ 1996Ð2004 : Ingo Kober (DE) scheidung fuer den Umgang mit der Gruenen Gentechnik hat ¥ 2004Ð2007 : Alain Pompidou (FR) das zustaendige Bundesamt die Ministerin wohl einfach ueber- ¥ 2007Ð2010 : Alison Brimelow (GB) gangen. Die Einigung zwischen BVL und Monsanto, das Ge- richtsverfahren zu MON 810 ruhen zu lassen, soll ohne vorhe- rige Absprache mit ihr zustande gekommen sein. SPD-Bundestagsfraktion Das muss Konsequenzen haben. Die Ministerin muss ein Pressemitteilung vom 2. 3. 2010 Machtwort sprechen. Sie muss dafuer sorgen, dass das Anbau- verbot auch ueber 2010 hinaus gilt, und sie muss sich dafuer Amflora-Kartoffel mit der Lizenz zum Verschmutzen einsetzen, dass eine Neuzulassung von MON 810 verhindert zugelassen wird. Aber sie muss auch der Frage nachgehen, ob das eigen- Zur EU-Zulassung der genveraenderten Industriekartoffel maechtige Vorgehen der Verantwortlichen im zustaendigen Bun- „Amflora“ erklaert die verbraucherpolitische Sprecherin der desamt und die anscheinend eilfertig gegenueber Monsanto sig- SPD-Bundestagsfraktion Elvira Drobinski-Weiss: nalisierte Bereitschaft zur ãaussergerichtlichen Loesung“ moeg- Wir fordern Ministerin Aigner auf, den kommerziellen An- licherweise auf Interessensvermengungen zurueckzufuehren bau von Amflora-Kartoffeln in Deutschland zu untersagen. Trotz sind. gentechnikfreier Alternativen hat die EU-Kommission die gen- veraenderte Industriekartoffel Amflora zugelassen. Das ist schlimm genug, denn damit werden Ablehnung der Verbrau- BMJ-Newsletter vom 1. 3. 2010 cherinnen und Verbraucher ignoriert. Und auch die Bedenken der Weltgesundheitsorganisation und der EU-Arzneimittelbe- Neuer Präsident des Europäischen Patentamts in hoerde wegen des in der Kartoffel enthaltenen Antibiotika-Re- München gewählt sistenzgens werden uebergangen. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger zur Wahl von Benoît Battistelli zum Präsidenten des Europäi- Ein wirklich starkes Stueck ist aber: Die zur industriellen Ver- schen Patentamts (EPA) in München: wertung entwickelte gentechnisch veraenderte Kartoffel darf an Tiere verfuettert werden und sogar bis zu einem Anteil von 0,9 Die heutige Wahl ist ein erfreuliches Zeichen für die Stabi- Prozent in die Lebensmittelkette gelangen. Und dies, ohne zu lität des Europäischen Patentamts - gerade, nachdem auf EU- Lebensmittelzwecken zugelassen zu sein. Das ist ein eklatan- Ebene bereits wesentliche Fortschritte bei der Schaffung eines ter Verstoss gegen das Vorsorgeprinzip, welches den Schutz von europäischen Patents erzielt werden konnten. Der neue Amts- Mensch und Umwelt gewaehrleisten soll. Die deutsche Dele- präsident und das EPA werden bei der Umsetzung eines eu- gation hatte ihre Zustimmung zur Zulassung in einer Protokoll- ropäischen Patents eine wesentliche Rolle spielen. Dies ist für notiz vom 16. 7. 2007 davon abhaengig gemacht, dass eine Ver- Deutschland und den Standort München besonders wichtig. Aus mischung mit Lebensmitteln und Futtermitteln verhindert wird. Deutschland stammt der weitaus größte Anteil europäischer Pa- Der Toleranzwert fuer Verunreinigungen in der Lebensmittel- tentanmeldungen des EPA. Die heutige Wahl ist nicht nur ein kette zeigt: Eine Vermischung ist offensichtlich nicht zu ver- guter Tag für die enge deutsch-französische Zusammenarbeit, hindern. sondern auch für den Schutz des geistigen Eigentums in Euro- pa. Zum Hintergrund: SPD-Bundestagsfraktion Auf seiner Sondersitzung am 1. März 2010 hat der Verwal- Pressemitteilung vom 3. 3. 2010 tungsrat der Europäischen Patentorganisation seinen bisherigen Bundesamt einigte sich mit Monsanto ohne Wissen Aigners Vo rsitzenden, Benoît Battistelli, zum sechsten Präsidenten des Europäischen Patentamts für eine Amtszeit von fünf Jahren ge- Anlaesslich der erneuten Befragung der Bundesregierung wählt. Er wird damit Nachfolger der bisherigen Amtsinhabe- zum Ruhenlassen des Gerichtsverfahrens gegen das Genmais- rin, Frau Alison Brimelow, und sein Amt am 1. Juli 2010 an- Anbauverbot erklaert die verbraucherpolitische Sprecherin der treten. SPD-Bundestagsfraktion Elvira Drobinski-Weiss: Benoît Battistelli ist seit 2004 Generaldirektor des französi- Nun ist die Katze aus dem Sack: Bereits am 5. Februar 2010 schen Patentamts, dem Institut National de la Propriété Indu- hat des Bundesamt fuer Verbraucherschutz und Lebensmittel- strielle. Von Dezember 2006 bis März 2009 war er stellvertre- sicherheit BVL zugestimmt, das Gerichtsverfahren zum An- tender Vorsitzender und seitdem Vorsitzender des Verwaltungs- bauverbot fuer den genveraenderten MON 810-Mais ruhen zu rats der Europäischen Patentorganisation. lassen. Aber erst am 18. Februar 2010 ist Ministerin Aigner in- formiert worden. Das darf sich Aigner nicht bieten lassen. Das Europäische Patentamt bietet Einzelerfindern und Un- ternehmen, die Patentschutz begehren, ein einheitliches An- Und was vom immer wieder beteuerten Festhalten am MON meldeverfahren für bis zu 39 europäische Staaten. Das EPA ist 810-Anbauverbot zu halten ist, machte die ausweichende Ant- das Exekutivorgan der Europäischen Patentorganisation mit Sitz wort des Parlamentarischen Staatssekretaers auf die Frage nach in München, einer Zweigstelle in Den Haag sowie Dienststel- dem Abstimmungsverhalten der Bundesregierung zur Neuzu- len in Berlin und Wien. Die Europäische Patentorganisation ist lassung von MON 810 deutlich. eine zwischenstaatliche Organisation, die am 7. Oktober 1977 Selbst wenn Ministerin Aigner tatsaechlich am Anbauverbot auf der Grundlage des am 5. Oktober 1973 in München unter- festhalten moechte: Sie wird es schwer haben, wenn hinter ihrem zeichneten Europäischen Patentübereinkommens gegründet Ruecken Fakten geschaffen werden. Auch der Verdacht, dass wurde. Die Europäische Patentorganisation hat gegenwärtig 36 Gespraeche zwischen Monsanto und BVL stattfinden, in denen Mitgliedstaaten, darunter alle 27 Mitgliedstaaten der EU. 2008 Monsanto die Beendigung des Anbauverbots erreichen will, wurden rund 146.500 Anmeldungen nach dem Europäischen laesst sich nicht ausraeumen. Das eigenmaechtige Verhalten des Patentübereinkommen eingereicht. 18% der Anmeldungen BVL muss Konsequenzen haben.

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CDU/CSU-Bundestagsfraktion hingegen allein auf Massenproduktion für den Weltmarkt setzt Pressemitteilung vom 12. 4. 2010 und sich nicht um die ökologischen und sozialen Folgen schert, Verlängerung des Branntweinmonopols sinnvoll kann keinen Anspruch mehr auf staatliche Förderung haben. Kreislaufwirtschaft durch die Schlempe- und Die Bundesregierung erteilt einer solchen Qualifizierung der Düngerverwertung hat sich bestens bewährt Agrarzahlungen nun eine Absage und setzt weiterhin auf die Zu Äußerungen von Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse einseitige Förderung der Industriealisierung der Landwirtschaft. Aigner zu einer möglichen Verlängerung des Branntweinmo- Insbesondere Bundesumweltminister Röttgen und der Minister nopols erklärt der Vorsitzende der Arbeitsgruppe Ernährung, für Wirtschaftliche Zusammenarbeit, Niebel, müssen sich fra- Landwirtschaft und Verbraucherschutz der CDU/CSU-Bun- gen lassen, warum sie auf jegliche umwelt- und entwicklungs- destagsfraktion, MdB: politischen Akzente verzichtet haben. Mit diesem Positionspa- pier hat sich allein der Deutsche Bauernverband auf ganzer Li- Das Branntweinmonopol hat für Deutschland weiterhin eine nie durchgesetzt. Schwarz-gelbe Agrarpolitik bleibt damit Kli- herausragende Bedeutung, sowohl für die Pflege der Kultur- entelpolitik und ignoriert alle anderen gesellschaftlichen Grup- landschaft als auch aus wirtschaftlichen Gründen. Deshalb be- pen, statt diese in einen Dialog über die Zukunft der Gemein- grüßen wir die heutige Erklärung von Bundeslandwirtschafts- samen Agrarpolitik einzubinden. ministerin au§erordentlich, dass eine Einigung auf europäischer Ebene möglich ist und danken ihr für ihre inten- siven Bemühungen. Auch die Arbeitsgruppe für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz hat in Gesprächen mit Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen Vertretern der EU-Kommission Anfang März 2010 auf die Be- Pressemitteilung vom 23. 4. 2010 deutung einer Verlängerung des Branntweinmonopols bis zum Signalurteil zum Schweinepatent: Jahr 2017 hingewiesen. Jetzt EU-Biopatentrichtlinie ändern Dass mit der letztmaligen Verlängerung bis 2017 schmerz- Zum Widerruf des sogenannten ãSchweine-Patents“ durch hafte Einschnitte verbunden sein werden, scheint klar. Dies ist das Europäische Patentamt (EPA) erklärt Ulrike Höfken, Spre- aber die einzige Möglichkeit, eine nochmalige Verlängerung des cherin für Ernährungspolitik und Agrogentechnik: Branntweinmonopols zu ermöglichen. Der Widerruf des Schweine-Patents ist ein gro§er Sieg für Viele Streuobstwiesen werden heute nur noch gepflegt und Greenpeace, Misereor, den Deutschen Bauernverband, die Bäu- genutzt, weil Alkohol in kleinen und mittleren landwirtschaft- erliche Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall und andere Klä- lichen Brennereien dezentral produziert wird. Die Art der Kreis- ger. laufwirtschaft durch die Schlempe- und Düngerverwertung hat Die jetzige Entscheidung darf aber keine Ausrede für Mini- sich bestens bewährt. Au§erdem liefern die Brennereien Wert- sterin Aigner sein, sich zurückzulehnen und auf die mangelhafte schöpfung und Arbeitsplätze im gesamten ländlichen Raum, Selbstkontrolle des EPA zu vertrauen. Es kann nicht sein, dass nicht nur in den Brennereien selbst, sondern auch in den Zulie- Rechtssicherheit für Landwirte und Züchter erst durch Klagen ferbetrieben (Apparatebauer, Landhandel und örtliches Hand- gegen bereits erteilte Patente geschaffen wird. Wir fordern da- werk). rum die Bundesregierung auf, endlich ihr Versprechen aus dem Koalitionsvertrag einzulösen und sich mit Nachdruck in Brüs- sel für eine Reform des EU-Patenrechtes einzusetzen. Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen Dass die Selbstkontrolle des EPA nicht funktioniert zeigt sich Pressemitteilung vom 13. 4. 2010 daran, dass zu weit reichende Patentansprüche wie die beim Bundesregierung verspielt die Zukunft der Gemeinsamen Schweine-Patent oftmals erst von Dritten aufgedeckt werden. Agrarpolitik Sie verursachen hohe Kosten, steigern die Abhängigkeit von Landwirtschaft und mittelständischen Züchtern und beein- Zur Position der Bundesregierung zur Weiterentwicklung der trächtigen die wissenschaftliche Forschungsfreiheit. Die zu- Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) nach 2013 erklärt Friedrich nehmende Kontrolle der gesamten Lebensmittelkette durch Ostendorff, Sprecher für Agrarpolitik: Konzerne bedroht zudem die Sortenvielfalt bei Kulturpflanzen Die Bundesregierung hat es erneut versäumt, in der Agrar- und damit die globale Ernährungssicherheit. politik Antworten auf die gro§en Herausforderungen wie Kli- maschutz, Schutz der Biodiversität und weltweite Ernährungs- souveränität zu geben. Statt der notwendigen ökologischen und sozialen Reform der EU-Agrarpolitik in der Finanzperiode nach BVerfG-Pressemitteilung Nr. 12/2010 vom 4. 3. 2010 2013 hat sich die Bundesregierung dafür entschieden, alles so Mindesthebesatz von 200% für Gewerbesteuer zu lassen wie es ist. Damit trägt sie zur Verschärfung der Krise verfassungsgemäß der bäuerlichen Landwirtschaft weltweit bei, verspielt Mittel, Seit dem 1. Januar 2004 sind Gemeinden nach ¤ 1, ¤ 16 Abs. die für eine ökologische Modernisierung der europäischen 4 Satz 2 GewStG verpflichtet, Gewerbesteuern zu einem Min- Landwirtschaft dringend benötigt werden und ruiniert die Zu- desthebesatz von 200 % zu erheben. Zuvor stand es den Ge- kunft der Gemeinsamen Agrarpolitik. Ministerin Aigner ver- meinden frei, jeden beliebigen Hebesatz festzusetzen und durch säumt es, das GAP-Budget gesellschaftlich zu legitimieren und eine Festsetzung des Hebesatzes auf Null von der Erhebung öffnet damit Begehrlichkeiten anderer Ressorts Tür und Tor. der Gewerbesteuer gänzlich abzusehen. Die bisherige GAP begünstigt einseitig Betriebe, die keine Die Beschwerdeführerinnen, zwei Gemeinden in Branden- oder kaum gesellschaftliche Leistungen erbringen. 85 Prozent burg, wenden sich mit Kommunalverfassungsbeschwerden ge- der Zahlungen gehen an die 20 Prozent der Betriebe, die oh- gen die Neuregelung. Sie wollen weiterhin die Möglichkeit ha- nehin schon begünstigt sind. Landwirte, die ökologische und ben, wie in der Vergangenheit niedrigere Hebesätze zu bestim- gesellschaftliche Leistungen erbringen, werden hingegen be- men oder keine Gewerbesteuer zu erheben. nachteiligt. Die Mittel für eine ausreichende Honorierung von Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat die Ver- Gemeinwohlleistungen fehlen, weil das Geld an die Falschen fassungsbeschwerden zurückgewiesen (Beschluss vom 27.1. ausgezahlt wird. 2010 Ð 2 BvR 2185/04 und 2 BvR 2189/04). Der gesetzlich vor- Wir fordern eine klare Qualifizierung von Agrarzahlungen: geschriebene Mindesthebesatz von 200 % für die Gewerbesteuer Wer Zusatzleistungen beim Klima-, Boden- und Tierschutz, bei ist verfassungskonform. Die Neuregelung verstößt nicht gegen der Kulturlandschaftspflege oder zum Erhalt der Artenvielfalt die grundgesetzlich gewährleistete kommunale Finanzhoheit erbringt, muss leistungsgerecht dafür honoriert werden. Wer und die von ihr umfasste Hebesatzautonomie. Art. 28 Abs. 2 in

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Verbindung mit Art. 106 Abs. 6 GG gewährleisten nicht, dass SPD-Bundestagsfraktion den Gemeinden das Recht zur Festsetzung des Hebesatzes der Pressemitteilung vom 24. 2. 2010 Gewerbesteuer ohne gesetzliche Einschränkungen eingeräumt Keine Beerdigung der Gewerbesteuer wird. Die mit dem gesetzlichen Mindesthebesatz von 200 % Zur geplanten Abschaffung der Gewerbesteuer erklaert der verbundene Beschränkung des Hebesatzrechts berührt die Fi- kommunalpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion nanzautonomie der Gemeinde nicht in ihrem Kernbereich, weil Bernd Scheelen: den Gemeinden ein erheblicher Gestaltungspielraum erhalten bleibt. Nach dem heute bei der schwarz-gelben Regierungskoaliti- Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwä- on auf der Tagesordnung stehenden Kabinettsbeschluss zur Ein- gungen zu Grunde: setzung einer ãKommission zur Erarbeitung von Vorschlaegen zur Neuordnung der Gemeindefinanzierung“ steht fest: die Ge- Die Neuregelung ist durch die Gesetzgebungskompetenz des werbesteuer soll abgeschafft werden. Bundes nach Art. 105 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 72 Abs. 2 GG gedeckt. Sie ist zur Wahrung der Rechts- und Wirtschafts- Diesen Angriff auf die vom Deutschen Staedtetag, Deutschen einheit im gesamtstaatlichen Interesse erforderlich. Staedte- und Gemeindebund und Deutschen Landkreistag glei- chermassen verteidigte selbstaendige Einnahmequelle konnten Die Vorschriften versto§en nicht gegen die im Grundgesetz wir in der Vergangenheit erfolgreich abwehren. Es ist uns so- als Bestandteil der allgemeinen Selbstverwaltungsgarantie (Art. 28 gar gelungen, die Gewerbesteuer fuer die Kommunen bere- Abs. 2 Satz 1 GG) gewährleistete und konstitutiv durch Art.106 chenbarer zu machen. Wir werden uns auch weiterhin erneut Abs. 6 Satz 2 und Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG verstärkte kommu- mit allen Mitteln gegen diesen Politstreich zur Wehr setzen. nale Finanzhoheit. Die besondere Ironie besteht darin, dass alle kommunalen Art. 28 Abs. 2 Satz 3 und Art. 106 Abs. 6 Satz 2 GG ge- Spitzenverbaende zu dieser Beerdigung erster Klasse eingela- währleisten nicht, dass den Gemeinden das Recht zur Festset- den werden sollen. zung des Hebesatzes der Gewerbesteuer ohne gesetzliche Ein- schränkungen eingeräumt wird. Die gemeindliche Hebesatzau- tonomie verlangt insbesondere keine unentziehbare Befugnis der Gemeinden, auf die Erhebung der Gewerbesteuer ganz zu DStGB Ð Pressemitteilung vom 25. 3. 2010 verzichten. Das Grundgesetz fußt weder in seiner ursprüngli- EuGH stärkt Gestaltungsfreiheit der Städte und chen Fassung noch in seinen späteren Änderungen auf einer ein- Gemeinden: Kommunale Immobiliengeschäfte nicht fachgesetzlichen Tradition uneingeschränkter Gestaltungsfrei- ausschreibungspflichtig heit der Gemeinden bei den Hebesätzen. Mit der wettbewerb- Der Deutsche Städte- und Gemeindebund sieht in dem heu- lichen Funktion der Gewährleistung eines Hebesatzrechts kön- tigen Urteil des Europäischen Gerichtshofs, wonach die Ver- nen auch gesetzliche Bestimmungen vereinbar sein, die die Frei- äußerung kommunaler Grundstücke an private Investoren nicht heit des Wettbewerbsverhaltens begrenzen, um den Wettbewerb ausschreibungspflichtig ist, ein eindeutiges Signal für ein Mehr in gemeinwohlverträglichen Bahnen zu halten. Den Gemeinden an kommunalem Gestaltungsspielraum. ist weder eine bestimmte Aufkommenshöhe noch die Gewer- besteuer als solche von Verfassungs wegen garantiert. „Mit der Entscheidung hat der Europäische Gerichtshof das durch ein Miteinander von Kommunen und Investoren gepräg- Die verfassungsrechtliche Gewährleistung des gemeindlichen te deutsche Städtebaurecht gestärkt. Weiter hat der EuGH der Hebesatzrechts lässt allerdings keine beliebigen Einschränkun- von deutschen Oberlandesgerichten, insbesondere vom OLG gen zu. Der „Rahmen der Gesetze“, an den Art. 106 Abs. 6 Satz Düsseldorf („Ahlhorn-Rechtsprechung“), vertretenen Auffas- 2 GG das Hebesatzrecht bindet, darf nicht beliebig eng gezo- sung nach Anwendung des formalisierten Vergaberechts bei gen werden. Die Finanzhoheit muss den Gemeinden im Kern kommunalen Immobiliengeschäften eine Absage erteilt“, kom- erhalten bleiben. Das Hebesatzrecht darf nicht unverhältnis- mentierte das Geschäftsführende Präsidialmitglied des Deut- mäßig beschränkt werden. schen Städte- und Gemeindebundes, Dr. Gerd Landsberg, das Diesen Anforderungen wird der gesetzliche Mindesthebesatz Urteil. von 200 % für die Gewerbesteuer gerecht. Die Regelung dient dem legitimen Ziel, die Bildung von „Steueroasen“ zu verhin- „Mit der Entscheidung wird nach einem über zweijährigen dern und die Streuung von Gewerbebetrieben über das ganze Rechtsstreit eindeutig festgestellt, dass die Städte und Ge- Land hinweg zu fördern sowie der Sicherung der verfassungs- meinden beim Verkauf kommunaler Grundstücke und bei der rechtlich vorgesehenen Gewerbesteuer-Umlage. Da die Be- Suche nach einem geeigneten Investor im Rahmen eines trans- rechnung der Umlage vom Ist-Aufkommen der Gewerbesteuer parenten Verfahrens große Handlungsspielräume haben. Auch abhängt, kann sich eine Gemeinde durch Festsetzung des He- ist mit dieser Entscheidung endgültig klargestellt, dass das im besatzes auf Null der Abführung der Umlage entziehen. Die April letzten Jahres in Kraft getretene neue Bundesgesetz zur Festlegung eines Mindesthebesatzes verhindert, dass Gemein- Modernisierung des Vergaberechts, wonach ein Bauauftrag stets den einen Anteil an der Einkommensteuer erhalten, ohne sich eine der Kommune unmittelbar wirtschaftliche zugute kom- an der Gegenfinanzierung durch die Gewerbesteuerumlage zu mende Bauleistung durch Dritte beinhalten muss, dem EU- beteiligen. Ein Mindesthebesatz von 200 % wahrt auch die Recht standhält“, hob Landsberg positiv hervor. Grenzen der Zumutbarkeit. Das Hebesatzrecht als solches bleibt den Gemeinden weiter erhalten. Bei dem ma§vollen, weit un- ter dem Durchschnitt liegenden Mindesthebesatz von 200 % ist CDU/CSU-Bundestagsfraktion es ihnen weiterhin möglich, Standortnachteile auszugleichen Pressemitteilung vom 20. 4. 2010 und am interkommunalen Wettbewerb um Gewerbeansiedlun- Keine Schlechterstellung von Kommunen bei der gen teilzunehmen. Ihnen bleibt ein erheblicher Gestaltungs- EU-Neuregelung von Zahlungsverzug spielraum erhalten. Einführung eines Sonderprivatrechts für öffentliche Stellen begegnet grundlegenden verfassungs- und rechtspolitischen Bedenken Die EU-Kommission plant die Neufassung einer Richtlinie, die die Folgen des Zahlungsverzugs grundlegend ändern wür- de. Dazu erklären der rechtspolitische Sprecher der CDU/CSU- Bundestagsfraktion, Michael Grosse-Brömer MdB, und der zu- ständige Berichterstatter im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages, Dr. MdB:

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Die Initiative der Europäischen Kommission zur Bekämp- frastruktur gestärkt werden. Ziel ist es, die Menschen in dünn fung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr ist grundsätz- besiedelten Landstrichen stärker zu unterstützen. Städte und Ge- lich begrüßenswert. Insbesondere die Kommunen dürfen dabei meinden im ländlichen Raum müssen gezielter gefördert wer- aber nicht unangemessen benachteiligt werden. den. Wir begrüßen die Initiative des Verkehrsministers für die Klar ist, dass wegen der derzeit herrschenden restriktiven Kre- ländliche Infrastruktur, die noch in diesem Jahr beginnen soll. ditvergabe Schuldner gezwungen werden müssen, fällige Rech- Dafür sind 20 bis 30 Millionen Euro vorgesehen. Zudem kön- nungen umgehend zu begleichen. Für das Funktionieren unse- nen mit dem Programm „Stadtumbau Ost“ die Innenstädte wei- rer Sozialen Marktwirtschaft ist es unabdingbar, dass den Un- ter aufgewertet und Altbausubstanz saniert werden. Mit dem ternehmen Ð insbesondere den kleinen und mittleren Unter- ãStadtumbau West“ wird Kommunen in den alten Bundeslän- nehmen (KMU) – ausreichende Liquidität zur Verfügung steht. dern bei der Bewältigung des demografischen und des wirt- schaftlichen Strukturwandels geholfen. Beide Programme sind Das angestrebte Ziel, Zahlungsverzug noch wirksamer zu langfristig angelegt und bis zum Jahr 2016 mit finanziellen Mit- bekämpfen, darf indes nicht zu Lasten der Vertragsfreiheit ge- teln ausgestattet. hen. Diese ist als Ausdruck der allgemeinen Handlungsfreiheit grundgesetzlich geschützt. So muss die individualvertragliche Vereinbarung von Zahlungsfristen nach wie vor möglich blei- ben. CDU/CSU-Bundestagsfraktion Pressemitteilung vom 17. 3. 2010 Auch die von der Kommission geplante Einführung eines Sonderprivatrechts für öffentliche Stellen begegnet grundle- Insolvenzrecht zügig modernisieren genden verfassungs- und rechtspolitischen Bedenken. So dür- Unternehmensgründer nach einem Fehlstart eine zweite fen Kommunen und andere öffentliche Stellen nicht durch be- Chance geben sonders strenge Sanktionen im Falle des Zahlungsverzugs ge- Der rechtspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestags- genüber privaten Unternehmen unangemessen benachteiligt fraktion Michael Grosse-Brömer MdB und die zuständige Be- werden. Der Kommissionsentwurf schie§t hier an einigen Stel- richterstatterin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Rechts- len weit über das Ziel hinaus. ausschuss, Elisabeth Winkelmeier-Becker MdB erklären zum an diesem Mittwoch in Berlin beginnenden 7. Deutschen In- So ist nicht nachvollziehbar, weshalb öffentliche Stellen ne- solvenzrechtstag: ben den ohnehin schon nach geltendem Recht zu zahlenden Ver- zugszinsen auch noch eine Pauschalentschädigung in Höhe von Die weitere Modernisierung der seit 1999 geltenden Insol- fünf Prozent der Gesamtsumme leisten sollen. Und das unab- venzordnung duldet angesichts der krisenbedingt angespannten hängig davon, ob sie einen Tag oder eine lange Zeit im Verzug Lage vieler kleiner und mittlerer Unternehmen keinen Aufschub. sind. Eine solche Pauschalentschädigung ist abzulehnen. Sie Es ist daher zu begrüßen, dass das zuständige Bundesministe- ist nicht nur unangemessen, sondern wäre auch eine nicht zu rium der Justiz auf Drängen der Koalitionsfraktionen angekün- rechtfertigende Zusatzbelastung für die Steuerzahler. Steuer- digt hat, in den nächsten Monaten einen ersten Gesetzentwurf gelder sollten verantwortungsbewusst und zukunftsorientiert vorzulegen. eingesetzt und nicht für übertriebene Strafzahlungen vergeudet Die Voraussetzungen für den Erhalt von möglichst vielen Ar- werden. beitsplätzen müssen verbessert werden, indem die Restruktu- Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion wird sich daher im In- rierung und Fortführung von sanierungsfähigen Unternehmen teresse der kleinen und mittleren Unternehmen und der Steuer- erleichtert wird. Hierfür ist es besonders wichtig, bereits beste- zahler für Verbesserungen des Kommissionsentwurfs einsetzen. hende Sanierungsmöglichkeiten Ð u. a. das sogenannte Insol- venzplanverfahren Ð effektiver zu gestalten und noch stärker auf die Frühsanierung von Unternehmen auszurichten. Damit soll CDU/CSU-Bundestagsfraktion Unternehmern das Signal gegeben werden, dass sich frühzeitig Pressemitteilung vom 25. 2. 2010 ergriffene Sanierungsschritte lohnen, um eine angeschlagene Neue Länder werden nicht zurückstehen Gesellschaft dauerhaft zu erhalten. Gesamtdeutsches Interesse an der Erschlie§ung der Zudem wäre es hilfreich, mit einer Neufassung des Insol- Wirtschaftsräume in Ostdeutschland venzstatistikgesetzes klarere Erkenntnisse über tatsächliche Ver- Zum verkehrs- und baupolitischen Dialog des Bundesmini- läufe und Ergebnisse von Insolvenzverfahren zu gewinnen. sters für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Dr. Denn die mediale Wahrnehmung von Unternehmensinsolven- mit den CDU-Bundestagsabgeordneten der neuen Länder er- zen ist meist einseitig auf Fälle beschränkt, in denen ein Un- klärt der für den Aufbau Ost zuständige stellvertretende Vorsit- ternehmen zerschlagen und aufgelöst wird. Mit Hilfe von ziel- zende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, MdB: genauem statistischem Material können dagegen Sanierungs- erfolge und Unternehmensrettungen in Zukunft besser sichtbar Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur sind Investitionen gemacht werden. Dies kann langfristig dabei helfen, der Stig- in die Zukunft unseres Landes insgesamt. Deutschland ist als matisierung von Unternehmen entgegenzuwirken, die in Insol- Industrieland auf ein leistungsfähiges Verkehrsnetz angewiesen. venz gehen mussten. Dieses Netz muss weiter ausgebaut und erhalten werden. Da- her ist es erforderlich, weiterhin auf hohem Niveau Investitio- Schließlich sollten Unternehmensgründer nach einem Fehl- nen zu tätigen. Die ostdeutschen Unionsabgeordneten werden start eine zweite Chance erhalten. Der Zeitraum der Rest- darauf drängen, dass es bei den Mitteln für die Verkehrsinfra- schuldbefreiung sollte Ð auch angesichts der Regelungen eu- struktur nicht zu Einschnitten kommt. Es gibt keinen Anlass, ropäischer Nachbarländer – auf drei Jahre verkürzt werden. Ob Ost und West gegeneinander auszuspielen. Die Unionsfraktion hat Deutschland als Ganzes im Blick. Es gibt ein gesamtdeut- Zu ãGewerbemiete und Teileigentum" (GuT) Ausgabe sches Interesse an der Erschlie§ung der Wirtschaftsräume in September/Oktober 2009 erschien die Beilage 50a Ostdeutschland. Für Ostdeutschland ist vor allem wichtig, dass zu Heft 50: der Bundesverkehrsminister den Bau einer leistungsfähigen Claudia R. Cymutta, Schienenverbindung von den deutschen Ostseehäfen über Ber- Miete und Insolvenz lin und Dresden nach Südosteuropa vorantreiben wird. Einzelstücke der Beilage 50a, Umfang 96 Seiten, DIN A5, Bei dem Treffen wurde auch über die Folgen des demografi- können zum Preis von 16,00 EUR inkl. 7% MwSt zzgl. schen Wandel diskutiert, der sich besonders in den ostdeutschen Porto bei der Prewest Verlag Pressedienste Medien und Ländern bemerkbar macht. Angesichts gravierender Verände- Kultur GmbH, Fax 0228/470954, [email protected], rungen wie Alterung der Gesellschaft, Bevölkerungsrückgang bezogen werden. Preis bei Mehrbezug auf Anfrage. und Wanderungsbewegungen muss vor allem die ländliche In-

Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 155 Magazin diese Wohlverhaltensphase genauso bei Verbraucherinsolven- DStV Ð Pressemitteilung vom 26. 4. 2010 zen verkürzt werden kann, wird angesichts der damit verbun- DStV gegen Selbstentmachtung des Europäischen denen schwierigen Fragen in den parlamentarischen Beratun- Parlaments im Bilanzrecht gen zu klären sein. ãMit Sorge begleiten wir die derzeitigen Überlegungen in Brüssel, die internationalen Rechnungslegungsstandards IFRS DStV Ð Pressemitteilung vom 2. 3. 2010 for SMEs zu übernehmen, anstatt die europäischen Richtlinien weiterzuentwickeln“, erklärt StB/WP Hans-Christoph Seewald, Deutscher Steuerberaterverband e.V. verlangt Präsident des Deutschen Steuerberaterverbands e.V. (DStV). praxisgerechtes Umsatzsteuerrecht „Das europäische Parlament muss auf die Rechtsentwicklung Bürokratieabbau und Steuervereinfachung sind die prägen- der Rechnungslegung in Europa Einfluss nehmen können und den Begriffe des Koalitionsvertrags. Mit der bevorstehenden darf dies nicht einem privaten Gremium überlassen.“ Umsetzung der EUMehrwertsteuer-Richtlinie in nationales Zum Hintergrund: Recht droht der Praxis allerdings eine erhebliche Fristverkür- zung, die diesen Zielen gänzlich entgegen steht. Die Europäische Kommission plant, das europäische Bi- Unternehmer müssen seit dem Jahr 2010 nicht nur grenz- lanzrecht, das bisher in der vierten EG-Richtlinie geregelt ist, überschreitende Lieferungen, sondern nunmehr auch sonstige zu überarbeiten. Die gemeinschaftsrechtlichen Regeln geben Leistungen wie Dienstleistungen in den EU-Mitgliedstaaten in auch für Deutschland den Gestaltungsrahmen für die nationa- einer ãZusammenfassenden Meldung“ deklarieren - künftig oh- len Bilanzierungsvorschriften vor. Mehrere europäische Länder ne Möglichkeit einer Dauerfristverlängerung. Die Mitglied- drängen zu einer Einführung der internationalen Rechnungsle- staaten dürfen dieses Manko wenigstens teilweise ausgleichen, gungsstandards IFRS for SMEs (International Financial Re- indem sie die Regelabgabefrist für alle Unternehmer bis zu ei- porting Standards for Small and Medium-Sized Entities) für nen Monat verlängern. Unverständlicherweise will der deutsche kleine und mittelständische Unternehmen. Gesetzgeber aber diesen Rahmen zu Gunsten der Steuerpflich- Grund für die neue Initiative ist die bislang in Europa sehr tigen nicht ausschöpfen. Abgabetermin für die „ZM“ soll be- uneinheitliche Bilanzierung, welche eine Vergleichbarkeit der reits der 25. Tag nach Ablauf des Meldungszeitraums sein. Die Jahresabschlüsse von Gesellschaften verschiedener Länder er- Argumentation, wonach der Unternehmer damit 15 Tage ge- schwert. Zwar hat die Europäische Kommission bereits in der genüber dem status quo gewinne, geht meist fehl. Derzeit steht Vergangenheit den Versuch einer Annäherung unternommen; dem Großteil der Steuerpflichtigen ein zusätzlicher Monat mit Widerstände in verschiedenen Mitgliedstaaten haben jedoch zu der Dauerfristverlängerung zur Verfügung. Würde der vorlie- zahlreichen Wahlrechten in der europäischen Richtlinie geführt, gende Gesetzesvorschlag umgesetzt, träten für diese Fälle zur so dass eine Angleichung weitgehend ausblieb. Fristverkürzung von zehn Tagen durch EU-Recht noch fünf Ta- Der DStV begrüßt grundsätzlich die Absicht, das europäische ge hinzu. Regelwerk zu überarbeiten, um für grenzüberschreitend tätige Beispiel: Für den Monat Februar musste bisher der Unter- Unternehmen den Verwaltungsaufwand zu verringern. Dies darf nehmer im Falle einer Dauerfristverlängerung die ZM späte- jedoch nach Auffassung des DStV keinesfalls durch eine direkte stens am 10. April abgeben. Nach EU-Recht wäre dies der 30. Übernahme der von dem privaten International Accounting März, nach den Plänen der Bundesregierung sogar der 25. März. Standards Board (IASB) in England erarbeiteten Standards er- Eine derartige Fristverkürzung hätte zur Folge, dass Um- folgen. satzsteuervoranmeldungen und Zusammenfassende Meldungen Auch inhaltlich können die IFRS for SMEs nicht überzeu- nicht mehr gemeinsam abgegeben werden können. Dies be- gen. Sie betonen zu stark den Informationszweck der Rech- deutete doppelten Aufwand und Kosten für die Steuerpflichti- nungslegung für Investoren. Dieser darf aber gerade bei mittel- gen. Neben seiner Kritik im Finanzausschuss hat sich der DStV ständischen Unternehmen nicht überbewertet werden. Neben daher nochmals an die drei im Deutschen Bundestag vertrete- dem Informationszweck bildet die Bilanz die Grundlage der nen Steuerberater gewandt, um auf eine praxisgerechte Umset- Ausschüttungsbemessung und ist so unmittelbar mit der Kapi- zung der europäischen Vorgaben zu drängen. talerhaltung bei haftungsbeschränkten Gesellschaftsformen ver- bunden. Ferner wird sie als Grundlage für die Besteuerung her- angezogen. Diese Zwecke müssen durch ein einziges Rechen- Weniger Bürokratie für Kleinstbetriebe werk erfüllt werden, da sonst gerade der mittelständischen Wirt- Mitgliedsstaaten sollen Ausnahmen von der schaft enorme Zusatzkosten aufgebürdet werden. Diese Anfor- Bilanzierungspflicht zulassen derungen erfüllt eine IFRS-Bilanz jedoch nicht. Beschluss des Europäischen Parlamentes voraussichtlich Ein wesentlicher Kritikpunkt ist, dass die IFRS for SMEs für Ende Februar viele Fälle eine Bilanzierung zu Zeitwerten vorsehen. Dieses Für Kleinbetriebe in der Europäischen Union soll es künftig sog. Fair Value-Konzept hat sich in den Ländern, welche es be- weniger Bürokratie geben. Der Rechtsausschuss des Europäi- reits anwenden, in der Finanzmarktkrise als ãBrandbeschleuni- schen Parlamentes verabschiedete am 28. 01. 2010 entspre- ger“ erwiesen, da noch nicht am Markt realisierte Wertsteige- chende Änderungen einer EU-Richtlinie, die jetzt noch vom rungen von Beteiligungen und Finanzanlagen bereits gewin- Plenum des Europäischen Parlamentes (voraussichtlich Ende nerhöhend bilanziert wurden. Au§erdem bieten die IFRS for Februar) angenommen werden müssen. Danach können die Mit- SMEs keine abschließende Lösung für den Ausweis des Ei- gliedsstaaten künftig Kleinstbetriebe von der Verpflichtung zu genkapitals der in Deutschland weit verbreiteten Rechtsform Jahresabschlüssen ausnehmen. Die Pflicht zur Aufzeichnung der Personengesellschaft. der geschäftlichen Transaktionen und zur Dokumentation der Nach langjährigen Beratungen, in die der DStV eng einge- finanziellen Situation soll indes erhalten bleiben. Voraussetzung bunden war, ist im Jahre 2009 mit dem Bilanzrechtsmoderni- für die Qualifizierung als Kleinstbetrieb ist, dass der Betriebe sierungsgesetz (BilMoG) in Deutschland eine grundlegende zwei der nachfolgenden drei Kriterien erfüllt: maximal 10 Be- Überarbeitung der handelsrechtlichen Bilanzregeln erfolgt. schäftigte im Durchschnitt des Geschäftsjahres, 1 Mio. EUR Durch eine wohlüberlegte Annäherung an internationale Rech- Jahresumsatz und 500.000 EUR Bilanzsumme. Der Vorschlag nungslegungsstandards ist die Aussagekraft der Jahresab- zur Entlastung der Kleinstbetriebe entstammt einem Vorschlag schlüsse auch für Informationszwecke deutlich gesteigert wor- der so genannten ÈStoiber-GruppeÇ, die sich um Bürokratieab- den, ohne grundlegende Prinzipien wie das Verbot des Aus- bau bei der EU-Gesetzgebung kümmert. weises nicht realisierter Gewinne aufzugeben. Einer Einführung Quelle: Woche in Brüssel (wib) vom 1. 2. 2010, hrsgg. vom der Fair Value-Bewertung in der von den IFRS vorgesehenen Sachsen-Verbindungsbüro Brüssel Breite wurde nach gründlicher Diskussion in Deutschland eine

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Absage erteilt. Ein wichtiges Argument gegen eine weitrei- Die Beschwerdeführerin rügt mit ihrer Verfassungsbe- chende Fair Value-Bewertung war die dafür notwendige kost- schwerde insbesondere eine Verletzung ihres Grundrechts aus spielige und aufwendige Bestimmung des Verkehrswertes, die Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. Die Bundesrepublik Deutschland sei häufig nur schätzweise möglich ist. wegen ihrer Beteiligung an „CERN“ von Verfassungs wegen Der DStV und seine Landesverbände haben im Rahmen der verpflichtet, auf diese Organisation einzuwirken, um die bei der Konsultation der Europäischen Kommission zur möglichen Ein- Versuchsreihe eingesetzte Energie auf ein unbedenkliches Ma§ führung von IFRS for SMEs ihre Haltung klar dargelegt und ei- zu beschränken. Dies gelte jedenfalls solange, wie die Warnung, gene Vorschläge für eine sinnvolle europaweite Harmonisierung die Erde könne zerstört werden, nicht empirisch widerlegt sei. der Rechnungslegung erläutert. Sie treten für eine Weiterent- Die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungs- wicklung der bestehenden europäischen Richtlinie zu einem gerichts hat diese Verfassungsbeschwerde nicht zur Entschei- eigenen Rechnungslegungssystem ein, das durch die Streichung dung angenommen (Beschluss vom 18. 2. 2010 Ð 2 BvR einer Vielzahl von Wahlrechten zu einer einheitlichen Bilan- 2502/08). Sie ist unzulässig, weil die Beschwerdeführerin nicht zierung in Europa führt. Dieses Vorgehen würde das Europäi- substantiiert darlegt, dass sie durch die ablehnenden Gerichts- sche Parlament auch in die Lage versetzen, die Normen dieses entscheidungen in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 wichtigen Rechtsgebiets in Zukunft selbst zu setzen. GG verletzt ist. Ein schlüssiger Vortrag der Beschwerdeführe- Der DStV würde es begrüßen, wenn sich die Bundesregie- rin, der von ihr befürchtete Schaden werde eintreten, fehlt. Für rung auch auf europäischer Ebene dafür einsetzt, dass Vor- die Darlegung der Möglichkeit eines solchen Schadenseintritts schriften zur Rechnungslegung in Europa weiterhin von demo- genügt es insbesondere nicht, Warnungen auf ein generelles kratisch legitimierten Gremien verabschiedet werden. Misstrauen gegenüber physikalischen Gesetzen, also gegenüber theoretischen Aussagen der modernen Naturwissenschaft zu stützen. Praktisch vernünftige Zweifel setzen - wenigstens - die Auseinandersetzung mit Gegenbeispielen, also Widerle- CDU/CSU-Bundestagsfraktion gungsversuchen der jeweiligen Aussagen voraus. Namentlich Pressemitteilung vom 31. 3. 2010 im Bereich der theoretisch weit fortgeschrittenen Naturwissen- Deutschkenntnisse vor Einreise für nachziehende schaften erfordern vernünftige Zweifel zudem ein hinreichen- Ehegatten verfassungsgemäß des fachliches Argumentationsniveau. Dabei kann man sich Beherrschen der deutschen Sprache ist unbestritten der nicht wie die Beschwerdeführerin auf solche Hilfserwägungen Schlüssel zu einer erfolgreichen Integration beschränken, die ihrerseits mit dem bewährten, anerkannten Zum heutigen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts erklärt Hintergrundwissen des jeweiligen Faches in Widerspruch ste- der Stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestags- hen und nach ihrem eigenen Vortrag bislang weder wissen- fraktion, Dr. Günter Krings MdB: schaftlich publiziert, noch auch nur in Umrissen theoretisch aus- gearbeitet sind. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach die seit 2007 erforderlichen einfachen Deutschkenntnisse beim Ebensowenig reicht es für einen schlüssigen Vortrag aus,dass Ehegattennachzug im Einklang mit Grundgesetz und Europa- die Beschwerdeführerin Schadensereignisse als mögliche Fol- recht stehen, ist au§erordentlich zu begrüßen. Die Bundesrich- ge der Versuchsreihe ankündigt und diese Ankündigung damit ter schaffen damit die überfällige Klarheit, dass die seinerzeit zu begründen sucht, dass sich die Gefährlichkeit der Versuchs- gegen umfangreiche Widerstände geschaffene Regelung im Ein- reihe eben in den von ihr für möglich gehaltenen Schadenser- klang mit dem Grundrecht von Ehe und Familie steht. Die ent- eignissen manifestiere. Ein solches Vorgehen hinzunehmen sprechende Regelung des Aufenthaltsgesetzes soll Zwangsehen hie§e, Strategien zu ermöglichen, beliebige Forschungsanlie- verhindern, weil Frauen durch den Erwerb von Sprachkennt- gen durch entsprechend projektspezifische Warnungen zu Fall nissen vor der Einreise in ihrer sprachlichen und sozialen Kom- zu bringen. petenz gestärkt werden. Allen ausländischen Familien wird das Die Größe eines vermeintlichen Schadens - hier die Ver- unmissverständliche Signal gesendet, dass es ohne Deutsch nichtung der Erde - erlaubt keinen Verzicht auf die Darlegung, nicht geht. Denn das Beherrschen der deutschen Sprache ist dass ein wenigstens hypothetisch denkbarer Zusammenhang unbestritten der Schlüssel zu einer erfolgreichen Integration in zwischen der Versuchsreihe und dem Schadensereignis besteht. Deutschland schlechthin. Besonders erfreulich ist der an Deut- Ob und inwiefern eine staatliche Schutzpflicht zugunsten lichkeit nicht zu überbietende Hinweis des Gerichts, dass der Grundrechtsberechtigter auch in den Fällen besteht, in denen - klagenden Analphabetin und Mutter von fünf Kindern aus der wie vorliegend - die behauptete Gefahr von einer Internatio- Türkei sowohl die Alphabetisierung als auch der Erwerb einfa- nalen Organisation ausgeht, an der Deutschland beteiligt ist, be- cher deutscher Sprachkenntnisse vor der Einreise nach Deutsch- darf danach keiner Entscheidung. land zumutbar ist. Das Oberverwaltungsgericht konnte sich hier darauf be- schränken, die von der Bundesregierung vorgenommene Ein- schätzung des Gefährdungspotentials zu kontrollieren. Für die- BVerfG-Pressemitteilung Nr. 14/2010 vom 9. 3. 2010 se Bewertung obliegt der Exekutive im Rahmen ihrer jeweili- Verfassungsbeschwerde gegen Versuchsreihen am gen Zuständigkeit eine gesteigerte Verantwortung für Ent- „CERN“ unzulässig scheidungen, die auf ungewissen Folgenabschätzungen beru- Die Beschwerdeführerin ist eine deutsche Staatsangehörige hen. Das gilt insbesondere dann, wenn wissenschaftlich und mit Wohnsitz im Ausland. Mit einem Eilantrag zum Verwal- praktisch noch unerschlossenes Neuland betreten wird. Es ist tungsgericht Köln versuchte sie vergeblich, die Bundesrepublik nicht Sache der gerichtlichen Kontrolle, die der Exekutive zu- Deutschland zu verpflichten, gegen die Versuchsreihen der Eu- gewiesene Wertung wissenschaftlicher Streitfragen einschlie§- ropäischen Organisation für kernphysikalische Forschung (Or- lich der daraus folgenden Risikoabschätzung durch eine eige- ganisation Européenne pour la Recherche Nucléaire - CERN) ne Bewertung zu ersetzen. einzuschreiten. In dieser Forschungseinrichtung können nach Die danach durch die Exekutive pflichtgemäß vorzuneh- einer in der kernphysikalischen Wissenschaft diskutierten Theo- mende Bewertung ist vorliegend erfolgt. Der wissenschaftliche rie sogenannte Miniatur-Schwarze-Löcher erzeugt werden. Meinungsstand zur Gefährlichkeit der von der Organisation be- Nach überwiegender wissenschaftlicher Meinung birgt dieser triebenen Versuche lässt sich - soweit aus den vorgelegten Un- Versuchsaufbau am CERN kein Gefahrenpotential. Die Be- terlagen ersichtlich - dahingehend zusammenfassen, dass selbst schwerdeführerin befürchtet allerdings eine Zerstörung der Er- die Vertreter der Minderheit,die ein Schadensszenario für mög- de durch die geplante Versuchsreihe. Mit ihrem Antrag hatte lich halten, lediglich behaupten, dass die von ihnen aufgezeig- sie auch in der Rechtsmittelinstanz keinen Erfolg. ten theoretischen Denkmodelle, die von einer Vielzahl unwäg-

Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 157 Magazin barer Prämissen abhängen, bisher nicht widerlegt worden sei- Richters befürchtet wird. Davon unabhängig könnte die für den en. Demgegenüber schließt die Mehrheit der mit dieser Frage Erlass einer einstweiligen Anordnung durch das Bundesverfas- befassten Wissenschaftler schon die Möglichkeit des Eintritts sungsgericht erforderliche Folgenabwägung eine Terminsver- dieser Prämissen aus. Entsprechende Szenarien sehen sie sogar schiebung nicht rechtfertigen. Es ist regelmäßig nicht Aufgabe als widerlegt an. des Bundesverfassungsgerichts, auf dem Wege des einstweili- gen Rechtsschutzes prozessleitende Verfügungen eines Fach- gerichts im laufenden Verfahren aufzuheben. Der Grundrechts- schutz kann ausreichend durch eine verfassungsgerichtliche BVerfG-Pressemitteilung Nr. 26/2010 vom 23. 4. 2010 Kontrolle der fachgerichtlichen Endentscheidung gesichert wer- Beschwerden gegen Zurückweisung eines Ablehnungs- den. gesuchs und gegen eine Terminsbestimmung im sozial- gerichtlichen Prozess nicht zur Entscheidung angenommen Der Beschwerdeführer zu 1) machte erfolglos Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung geltend, weil er während sei- BVerfG-Pressemitteilung Nr.143/2009 vom 23.12. 2009 nes Grundwehrdienstes in der NVA ionisierenden Strahlen aus- Verfassungsbeschwerde gegen Versagung von gesetzt gewesen sei. In seinem sozialgerichtlichen Verfahren Prozesskostenhilfe bei Ablehnung von SGB II-Leistungen hatte er einen Richter des Bundessozialgerichts wegen der Be- für Schönheitsreparaturen nicht zur Entscheidung sorgnis der Befangenheit abgelehnt, weil dieser sich im Jahr angenommen 2004 in einem Workshop eines berufsgenossenschaftlichen In- stituts zum Bericht der sogenannten Radarkommission geäußert Die Beschwerdeführer machen in einem sozialgerichtlichen hatte. Der Ablehnungsantrag war vom Bundessozialgericht Klageverfahren die Gewährung von Leistungen der Grundsi- zurückgewiesen worden. cherung für Arbeitsuchende zur Renovierung der Küche in ih- rer Mietwohnung geltend. Das Sozialgericht lehnte die Bewil- Der Beschwerdeführer zu 2) ist ein eingetragener Verein, der ligung von Prozesskostenhilfe mit der Begründung ab, die Be- sich die gemeinschaftliche Vertretung von Interessen Strahlen- schwerdeführer seien nach dem Mietvertrag nicht zur Durch- geschädigter zur Aufgabe gemacht hat. führung der Renovierungsarbeiten verpflichtet, da die entspre- Beide Beschwerdeführer richten sich mit ihrer Verfassungs- chende Klausel im Mietvertrag über die Durchführung von beschwerde gegen die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs. Schönheitsreparaturen nach der Rechtsprechung des Bundes- Darüber hinaus beantragt der Beschwerdeführer zu 2) den Er- gerichtshofs unwirksam sei. Die Wohnung sei nach dem Vor- lass einer einstweiligen Anordnung, den vom Bundessozialge- trag der Beschwerdeführer auch nicht unbewohnbar. richt angesetzten Termin zur mündlichen Verhandlung, an dem der erfolglos abgelehnte Richter teilnehmen werde, aufzuheben Die gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe in der Sa- und den Rechtsstreit erst nach der Entscheidung des Bundes- che gerichtete Verfassungsbeschwerde hat die 2. Kammer des verfassungsgerichts fortzuführen. Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts nicht zur Ent- scheidung angenommen (Beschluss vom 25.11. 2009 Ð 1 BvR Die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungs- 2515/09). Sie ist ohne Aussicht auf Erfolg, weil die Beschwer- gerichts hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung deführer nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG iVm angenommen (Beschluss vom 19. 4. 2010 Ð 1 BvR 626/10). Die Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 20 Abs. 3 GG verletzt sind. Das So- Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 1) ist unbe- zialgericht hat die Anforderungen an die Erfolgsaussichten der gründet, diejenige des Beschwerdeführers zu 2) unzulässig. beabsichtigten Rechtsverfolgung nicht überspannt und dadurch Eine Entziehung des gesetzlichen Richters im Sinne von Art. den Zweck der Prozesskostenhilfe, dem Unbemittelten den weit- 101 Abs. 1 Satz 2 GG liegt nicht vor, weil wissenschaftliche gehend gleichen Zugang zu Gericht wie den Bemittelten zu er- Äußerungen zu einer für das Verfahren bedeutsamen Rechts- möglichen, verfehlt. Es hat nicht über eine schwierige, bislang frage alleine noch kein Befangenheitsgrund sind. Zweifel an der ungeklärte Rechtsfrage im Prozesskostenhilfeverfahren ent- Unvoreingenommenheit eines Richters können erst dann auf- schieden. Ausgehend von der Rechtsprechung des Bundesge- treten, wenn die Nähe der Äußerungen zu der von einem Be- richtshofs und des Bundessozialgerichts durfte das Gericht be- teiligten in einem konkreten Prozess vertretenen Rechtsauffas- reits im Prozesskostenhilfeverfahren feststellen, dass die von sung bei einer Gesamtbetrachtung nicht zu übersehen ist, und den Beschwerdeführern geltend gemachten Kosten nicht nach die wissenschaftliche Tätigkeit des Richters vom Standpunkt ¤ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu übernehmen sind. anderer Prozessbeteiligter aus die Unterstützung dieses Betei- ligten bezweckt. Die Erheblichkeit der Äußerungen für ein Rechtsgebiet sowie die Möglichkeit, dass die im Diskurs ver- tretene Meinung eines Richters von anderen aufgegriffen wer- BVerfG-Pressemitteilung Nr.141/2009 vom 22.12. 2009 den kann, stellen noch keine Besonderheiten in der rechtswis- Verfassungsbeschwerde gegen Versagung von senschaftlichen Auseinandersetzung dar. Eine subjektive Partei- Prozesskostenhilfe wegen Kürzung einer nahme des Richters in seinem Vortrag oder eine Bezugnahme Erwerbsminderungsrente erfolglos Ð Abwarten paralleler auf einen konkreten Sachverhalt wird nicht behauptet. Die zi- Revisionsverfahren zumutbar tierten Äußerungen des Richters betreffen abstrakte Kausa- litätsfragen und nehmen grundsätzlich auf gesetzliche Erfor- Die Beschwerdeführerin bezieht eine Rente wegen Er- dernisse Bezug. werbsminderung. Der Rentenversicherungsträger legte bei der Berechnung dieser vor Vollendung des 60. Lebensjahres ge- Der Beschwerdeführer zu 2), der nicht als Partei an dem Ver- währten Rente einen gekürzten Zugangsfaktor zugrunde. Die fahren vor dem Bundessozialgericht beteiligt war, ist durch die Beschwerdeführerin erhob gegen diese Kürzung Klage beim Zurückweisung des Befangenheitsgesuchs nicht in eigenen Sozialgericht und beantragte Prozesskostenhilfe. Zu diesem Rechten betroffen. Eine bloße Berührung von Vereinsinteres- Zeitpunkt waren bereits verschiedene Revisionsverfahren zur sen begründet noch keine Verletzung von Grundrechten. gleichen Rechtsfrage beim Bundessozialgericht anhängig. Den Der Antrag des Beschwerdeführers zu 2) auf einstweiligen Vo rschlag des Gerichts, das Klageverfahren bis zum Abschluss Rechtsschutz bleibt aus mehreren Gründen ohne Erfolg. Man- dieser Revisionsverfahren ruhend zu stellen, lehnte die Be- gels Beteiligung am Verfahren vor dem Bundessozialgericht schwerdeführerin ab. Das Sozialgericht und das Landessozial- fehlt ihm die Antragsbefugnis für den Erlass einer einstweili- gericht lehnten daraufhin die Gewährung von Prozesskosten- gen Anordnung, die in untrennbarem Zusammenhang mit der hilfe ab. Das Landessozialgericht stellte darauf ab, dass die Wei- Ablehnung des Befangenheitsantrags durch das Bundessozial- terbetreibung des Klageverfahrens mutwillig sei, solange die gericht steht, weil die Mitwirkung eines angeblich befangenen Revisionsverfahren beim Bundessozialgericht anhängig seien.

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Die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungs- vom 16. März 2006 entschiedenen Musterfällen habe sich der gerichts hat die gegen die Versagung der Prozesskostenhilfe er- Verkehrswert ihres Grundstücks zwischen 1996 und 2004 nicht hobene Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung ange- nur um 20 %, sondern um 50 bis 60 % gemindert. nommen (Beschluss vom 18.11. 2009 Ð 1 BvR 2455/08). Sie Die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungs- hat keine Aussicht auf Erfolg, weil die Fachgerichte die sich aus gerichts hat den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip 2. Juli 2008 aufgehoben und die Sache an das Bundesverwal- (Art. 20 Abs. 3 GG) ergebenden Anforderungen beachtet ha- tungsgericht zurückverwiesen (Beschluss vom 23. 2. 2010 Ð 1 ben. Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG BvR 2736/08). Der Beschluss verletzt die Beschwerdeführer in steht einer Besserstellung desjenigen, der seine Prozessführung ihrem Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG. Eine Verletzung von nicht aus eigenen Mitteln bestreiten muss und daher im vorlie- Art. 103 Abs. 1 GG kann dagegen nicht festgestellt werden. Den genden, sozialgerichtlichen Ausgangsverfahren kein Kostenri- Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. August siko trägt, gegenüber dem Bemittelten, der sein Kostenrisiko 2008 über die Anhörungsrüge hat das Bundesverfassungsge- abwägen muss, entgegen. Ein sein Kostenrisiko vernünftig ab- richt für gegenstandslos erklärt. wägender Bürger, der die Prozesskosten aus eigenen Mitteln fi- nanzieren muss, wird ein Verfahren nicht (weiter) betreiben, so- Der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. Juli lange dieselbe Rechtsfrage bereits in anderen Verfahren in der 2008 verletzt das in Art. 14 Abs. 1 GG verankerte Verhältnis- Revisionsinstanz als unechtes Musterverfahren anhängig ist. Im mäßigkeitsprinzip, weil er die Interessen der Beschwerdefüh- Fall einer für ihn positiven Entscheidung des Revisionsgerichts rer und die Gemeinwohlinteressen fehlerhaft gewichtet und da- profitiert er ohne eigenes, weiteres Kostenrisiko vom Ausgang her in keinen angemessenen Ausgleich gebracht hat. Zwar dieser Verfahren. Bei negativem Prozessausgang der Revisi- schützt Art. 14 Abs. 1 GG das Grundeigentum der Anwohner onsverfahren kann er sein eigenes Verfahren weiter verfolgen. des geplanten Flughafens nicht vor jedem Wertverlust durch Es reicht aus verfassungsrechtlicher Sicht aus, wenn dem Be- Planungen. Eine Minderung der Wirtschaftlichkeit ist grund- troffenen nach Ergehen der Musterentscheidung noch alle pro- sätzlich ebenso hinzunehmen wie eine Verschlechterung der zessualen Möglichkeiten offenstehen, umfassenden gerichtli- Verwertungsaussichten. Jedoch übersieht der angegriffene Be- chen Schutz zu erlangen. Solange aber ein Betreiben des eige- schluss, dass der Eigentumsgarantie bei der Bestimmung von nen Verfahrens in zumutbarer Weise zurückgestellt oder ruhend Inhalt und Schranken besonderes Gewicht zukommt, soweit das gestellt werden kann, ist es nicht zu beanstanden, wenn die Fach- Eigentum die persönliche Freiheit des Einzelnen im vermö- gerichte davon ausgehen, dass eine anwaltliche Vertretung nicht gensrechtlichen Bereich sichert. Dies gilt insbesondere dann, erforderlich ist. Waren Ð wie hier Ð die unechten Musterver- wenn ein Grundstück den wesentlichen Teil des Vermögens des fahren zum Zeitpunkt der Klageerhebung bereits beim Revisi- Pflichtigen bildet und die Grundlage seiner privaten Lebens- onsgericht anhängig, gilt dies regelmäßig auch für die Klage- führung einschließlich seiner Familie darstellt. In solchen Fäl- erhebung selbst. len tritt die Aufgabe der Eigentumsgarantie, dem Träger des Grundrechts einen Freiraum im vermögensrechtlichen Bereich zu sichern und ihm damit eine eigenverantwortliche Gestaltung des Lebens zu ermöglichen, in den Vordergrund. BVerfG-Pressemitteilung Nr. 16/2010 vom 11. 3. 2010 Demgegenüber müssen die ebenfalls von Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Interessen der Vorhabenträger an der Nutzung des Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über Flughafens zurücktreten, wenn die Betroffenen aufgrund der Entschädigungsregelung für Flughafen Berlin-Schönefeld Festlegung des Stichtags für die zu zahlende Entschädigung verletzt Art. 14 GG nicht mehr in der Lage sind, sich ein adäquates Wohngrund- Die Verfassungsbeschwerde betrifft Gerichtsentscheidungen, stück für sich und ihre Familie leisten zu können. Dabei mag die die im Planfeststellungsbeschluss für den Ausbau des Ver- zwar - je nach den Umständen des Einzelfalls - ein gewisser kehrsflughafens Berlin-Schönefeld festgesetzte Entschädigung Grundstückswertverlust aufgrund des geplanten Flughafens als bei der fluglärmbedingten Übernahme eines Grundstücks zum Ausdruck der Sozialbindung des Eigentums hinzunehmen sein. Gegenstand haben. Die Beschwerdeführer bewohnen ein in Die Beschwerdeführer machen hier jedoch eine Verkehrswert- ihrem Eigentum stehendes Hausgrundstück auf der Gemarkung minderung im Ausma§ von 50 bis 60 % geltend. Von diesem von M., das unmittelbar am Flughafenumgriff und im Zentrum Ausma§ der Verkehrswertminderung ist im vorliegenden Ver- der Einflugschneise der neuen Startbahn Süd des geplanten fassungsbeschwerdeverfahren auszugehen, weil sie so vom Bun- Flughafens liegt. Wegen der prognostizierten starken Lärmbe- desverwaltungsgericht, das diesbezüglich auf eine Beweisauf- lastung haben sie nach den Entschädigungsregelungen des Plan- nahme verzichtet hat, im angegriffenen Beschluss unterstellt feststellungsbeschlusses Anspruch auf Übernahme des Grund- worden ist. Eine solche Verkehrswertminderung würde hier die stücks durch den Vorhabenträger zum Verkehrswert. Der Ver- wegen der Sozialbindung der Eigentumsgarantie hinzuneh- kehrswert ist nach diesen Regelungen zum Stichtag der Gel- mende Verkehrswertminderung übersteigen. Den Eigentümern tendmachung des Anspruchs zu ermitteln. Die von den Be- von Grundstücken, die mit einem Anspruch auf Übernahme des schwerdeführern erhobene Klage wurde vom Bundesverwal- Grundstücks zum Verkehrswert entschädigt werden sollen, tungsgericht - nach Abschluss von Musterverfahren durch Ur- bleibt nämlich aufgrund der Unzumutbarkeit der Lärmbelastung teile vom 16. März 2006 - ohne mündliche Verhandlung durch faktisch gar nichts anderes übrig, als ihr Eigentum aufzugeben Beschluss vom 2. Juli 2008 abgewiesen. und sich eine Ersatzwohnung zu beschaffen. Dieser Zwang zur Ersatzbeschaffung wird nicht dadurch genommen, dass das Gegen diesen Beschluss sowie einen nachfolgenden An- Hausgrundstück möglicherweise zu anderen als zu Wohn- hörungsrügenbeschluss vom 19. August 2008 erhoben die Be- zwecken noch genutzt werden könnte. schwerdeführer Verfassungsbeschwerde. Sie rügen die Verlet- zung der Eigentumsgarantie aus Art. 14 GG sowie des An- www.gut-netzwerk.de spruchs auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG. Die Ei- gentumsgarantie verlange, dass die Höhe der Entschädigung ih- Fachleute auf den Gebieten Recht, Wirtschaft, res Grundstücks entgegen der Stichtagsregelung des Planfest- Wettbewerb, Steuern, Miete, Leasing, Immobilien, stellungsbeschlusses nach dem Verkehrswert ihres Grundstücks Stadtentwicklung, Architektur, Politik und Kultur zu einem Zeitpunkt vor Erlass des Planfeststellungsbeschlusses am 13. August 2004 zu bemessen sei. Die bereits zu diesem im Netzwerk Gewerbemiete und Teileigentum Zeitpunkt eingetretene erhebliche Wertminderung, die ursäch- lich auf den geplanten Flughafenausbau zurückzuführen sei, Erleichtern Sie Ratsuchenden die Kontaktaufnahme über müsse berücksichtigt werden. Anders als in den mit Urteilen das GuT-Netzwerk!

Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 159 Magazin

Ob der verhältnismäßige Ausgleich zwischen dem Eigen- beschwerde rügt der Beschwerdeführer eine von ¤ 97a Abs. 2 tumsgrundrecht der Beschwerdeführer und dem allgemeinen UrhG ausgehende Verletzung seines Grundrechts am geistigen Wohl dadurch hergestellt wird, dass - wie die Beschwerdefüh- Eigentum und eine unzulässige Rückwirkung, weil er nicht mehr rer fordern - die Grundsätze der enteignungsrechtlichen Vor- die vollen Anwaltskosten für die Abmahnung vom Gegner er- wirkungen zumindest im vorliegenden Fall auf den Übernah- stattet erhält. Die Ansprüche von Urhebern bei Verletzung ih- meanspruch angewendet werden oder der erforderliche Inter- rer Rechte würden dadurch praktisch wertlos. essenausgleich auf andere Weise gewährleistet wird, kann vor- Die 3. Kammer des Ersten Senats hat die Verfassungsbe- liegend offen bleiben. Bei der Anwendung der Grundsätze der schwerde nicht zur Entscheidung angenommen (Beschluss vom enteignungsrechtlichen Vorwirkung bliebe der Anspruch ein 20.1. 2010 – 1 BvR 2062/09). Sie ist unzulässig, weil der Be- Kompensationsanspruch für eine Inhalts- und Schrankenbe- schwerdeführer nicht geltend machen konnte, unmittelbar durch stimmung im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Daher könn- die angegriffene Vorschrift beeinträchtigt zu sein. Er nennt nicht te auch in diesem Fall in Übereinstimmung mit Art. 14 Abs. 1 einen konkreten Fall, in dem er unter Geltung des neuen ¤ 97a GG die aufgrund der Sozialbindung zumutbare Belastung auf- Abs. 2 UrhG nicht die vollen, von ihm aufgewendeten An- grund einer entsprechenden Regelung im Planfeststellungsbe- waltsgebühren erstattet erhalten hat, und er beziffert auch nicht schluss in Abzug gebracht werden. den ihm entstandenen oder voraussichtlich künftig entstehen- Eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG konnte das Bun- den Schaden. desverfassungsgericht dagegen nicht feststellen. Dies gilt Vor einer Anrufung des Bundesverfassungsgerichts muss ein zunächst soweit die Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. Beschwerdeführer außerdem grundsätzlich die Fachgerichte mit 103 Abs.1 GG damit begründen, dass das Bundesverwaltungs- seinem Anliegen befassen. Die fachgerichtliche Entscheidung gericht nach ¤ 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO ohne mündliche Ver- verschiedener, durch die Neuregelung aufgeworfener Zwei- handlung entschieden hat. Denn die Beschwerdeführer haben felsfragen ist geeignet, die verfassungsrechtliche Bewertung der nicht hinreichend dargetan, dass die angegriffene Entscheidung Norm zu beeinflussen. Dabei macht der Beschwerdeführer nicht auf dem behaupteten Gehörsversto§ beruht. Sie haben nicht auf- geltend, dass schon das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel illegi- gezeigt, was sie im Rahmen einer mündlichen Verhandlung wei- tim wäre, nämlich zu verhindern, dass die Verletzer von Urhe- ter vorgetragen oder welchen zusätzlichen, bislang nicht ange- berrechten in Bagatellfällen überzogene Anwaltshonorare be- brachten Beweisantrag sie gestellt hätten. zahlen müssen. Dem Gesetzgeber muss Zeit gegeben werden, Der Anspruch auf rechtliches Gehör wird ferner nicht dadurch das mit der Neuregelung verfolgte Konzept auf seine Tauglich- verletzt, dass das Bundesverwaltungsgericht den Beweisantrag keit und Angemessenheit hin zu beobachten. Dabei befinden der Beschwerdeführer, zu ihrer Behauptung einer 50%igen Min- sich auch die Honorarpraxis der Rechtsanwälte und mögliche, derung des Verkehrswertes des streitbefangenen Grundstücks an der Neuregelung ausgerichtete Honorarmodelle noch in der zwischen 1996 und 2004 Beweis durch Einholung eines Sach- Entwicklung. verständigengutachtens zu erheben, abgelehnt hat. Nach der vor- Auch im Hinblick auf die gerügte „Rückwirkung“ der Norm liegend zwar gemäß Art. 14 Abs. 1 GG zu beanstandenden, im ist derzeit eine Sachentscheidung des Bundesverfassungsge- Rahmen der Prüfung einer Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG richts nicht geboten. Denn in „Altfällen“ (Abmahnvorgänge, die jedoch ma§geblichen materiellrechtlichen Auffassung des Bun- vor Inkrafttreten des neuen ¤ 97a UrhG in Gang gesetzt, jedoch desverwaltungsgerichts war dieser Beweisantrag nicht erheb- mangels Zahlung der Anwaltskosten durch den Verletzer nicht lich. Art.103 Abs.1 GG gewährt keinen Schutz dagegen, dass abgeschlossen wurden) dürfte eine Auslegung des ¤ 97a Abs. 2 Vorbringen eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder UrhG möglich sein, welche die Urheber nicht ihres einmal ent- materiellen Rechts unberücksichtigt bleibt. standenen und somit als grundrechtliches Eigentum geschütz- ten Aufwendungserstattungsanspruchs weitgehend beraubt.

BVerfG-Pressemitteilung Nr. 6/2010 vom 12. 2. 2010 Verfassungsbeschwerde gegen ¤ 97a Abs. 2 UrhG BVerfG-Pressemitteilung Nr. 23/2010 vom 9. 4. 2010 (Deckelung der Abmahnkosten) unzulässig Verfassungsbeschwerde wegen Auferlegung von Der am 1. September 2008 in Kraft getretene ¤ 97a Abs. 2 Gutachterkosten im Kartellbu§geldverfahren erfolgreich Urheberrechtsgesetz (UrhG) beschränkt den Kostenerstat- tungsanspruch des Urhebers für eine anwaltliche Abmahnung Gegen die Beschwerdeführerin und andere Betroffene wa- wegen der Verletzung von im Urheberrechtsgesetz geregelten ren beim Oberlandesgericht Düsseldorf Kartellbu§geldverfah- Rechten in einfach gelagerten Fällen auf 100,– €. Vor dieser ren wegen unerlaubter Absprachen über die Festsetzung von Gesetzesänderung konnten bei einer begründeten anwaltlichen Prämienzahlungen und Bedingungsangleichungen im Bereich Abmahnung die vollen Gebühren, die sich am Streitwert ori- der industriellen Sachversicherung anhängig. In diesem Ver- entierten, vom Verletzer ersetzt verlangt werden. fahren wollte der zuständige Senat des Oberlandesgerichts Düs- seldorf mehrere Sachverständige bestellen. Da deren Vergütung Der Beschwerdeführer veräußert bei eBay und in einem den gesetzlichen Höchstsatz überschreiten sollte, teilte das Ge- eBay-Shop gebrauchte Hifi-Geräte. Die dabei verwendeten Pro- richt den Nebenbetroffenen mit, dass sie sich gem. ¤ 13 Abs. 1 duktfotos stellt er mit erheblichem Aufwand selbst her. Weil die- JVEG damit einverstanden erklären könnten, und bat im Falle se Fotos von anderen eBay-Mitgliedern kopiert und im Rahmen ihrer Zustimmung um Einzahlung eines Kostenvorschusses eigener Auktionen verwendet wurden, beauftragte er einen An- i.H.v. 3.000 €. Nach ¤ 13 Abs. 1 JVEG können Sachverständi- walt mit Abmahnungen. Die Abmahnungen waren teilweise ge herangezogen werden, wenn die Gerichtskosten den Betei- au§ergerichtlich erfolgreich, teilweise musste der Beschwer- ligten aufzuerlegen sind, die Beteiligten sich dem Gericht ge- deführer seinen Unterlassungs- und Schadensersatzanspruch genüber mit der höheren Vergütung einverstanden erklärt ha- (¤ 97 UrhG) gerichtlich durchsetzen. Mit seiner Verfassungs- ben, und ein ausreichender Betrag für die gesamte Vergütung an die Staatskasse gezahlt worden ist. Als einzige der Beteilig- ten erklärte sich die Beschwerdeführerin ausdrücklich mit dem Dokumentation, Vo rschlag des Senats einverstanden. Sie kündigte an, den ge- Analyse, Entwicklung nannten Vorschuss einzuzahlen,und bat um Mitteilung, wie sich die Gutachtenskosten auf die Verfahrensbeteiligten verteilten. Nach Bestellung der Sachverständigen durch den Senat beton- GuT te sie, dass sie die Mehrkosten nicht alleine übernehmen wol- le. Sie sei davon ausgegangen, dass die Kosten auf die Verfah- Gewerbemiete und Teileigentum rensbeteiligten insgesamt verteilt werden. Das Gericht forder-

160 Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 Magazin te anschlie§end mehrfach von der Beschwerdeführerin weitere Staat - profitieren vom niedrigeren Mehrwertsteuersatz. Die Kostenvorschüsse sowie Zahlung der Sachverständigenkosten Steuersenkung ist ein wichtiger Impuls für den heimischen Tou- von insgesamt mehr als 60.000 €. Zur Begründung führte es rismus.“ Über die Investitionen der Hoteliers in Häuser und Mit- aus, die Beschwerdeführerin habe sich mit ihrem Schreiben un- arbeiter werde die Wettbewerbsfähigkeit der Hotels in Deutsch- widerruflich zur Übernahme der Mehrkosten gem. ¤ 13 Abs. 6 land gestärkt. JVEG bereit erklärt. Zudem sorge der reduzierte Mehrwertsteuersatz für die längst Die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungs- überfällige Steuergerechtigkeit in Europa. ãIn 21 von 27 EU- gerichts hat die angegriffenen Gerichtsentscheidungen aufge- Mitgliedstaaten galten bereits seit vielen Jahren reduzierte Sät- hoben (Beschluss vom 24. 3. 2010 Ð 2 BvR 1257/09 und 2 BvR ze für die Hotellerie, darunter bei allen touristischen Mitbe- 1607/09). Die Anwendung des ¤ 13 Abs. 6 JVEG durch das werbern“, berichtete Fischer. Gericht war unter keinem rechtlichen Aspekt vertretbar und so- mit willkürlich i.S.d. Art. 3 Abs. 1 GG. Die für eine Anwen- Mit Blick auf die massive Benachteiligung der Hoteliers in dung dieser Vorschrift erforderliche Erklärung der Beschwer- Deutschland mit ihren europäischen Kollegen hatte die Bun- deführerin lag offensichtlich nicht vor und ihr Schreiben an das desregierung zum 1. Januar 2010 den Mehrwertsteuersatz für Gericht kann auch nicht als Zustimmung zur alleinigen Über- Übernachtungen von 19 auf sieben Prozent gesenkt. Für Fischer nahme der entsprechenden Mehrkosten nach ¤ 13 Abs. 6 JVEG hat die Politik mit ihrer Entscheidung auch die besondere volks- ausgelegt werden. Vielmehr hatte sie ausdrücklich die Frage zur wirtschaftliche Bedeutung der Hotellerie anerkannt: ãDie Ho- Verteilung der Kosten gestellt. teliers verlagern ihre Betriebe nicht ins Ausland. Sie zahlen hier ihre Steuern und stehen fest zum Standort Deutschland“, so der Auch das Schreiben, in dem der Senat speziell auf ¤ 13 Abs. DEHOGA-Präsident. 1 JVEG hinwies, konnte nicht so verstanden werden, dass eine Erklärung des Einzelnen erwartet werde, die Mehrkosten nach Anteil der Befragten, die die Mehrwertsteuersenkung für fol- ¤ 13 Abs. 6 JVEG tragen zu wollen. Die Beschwerdeführerin gende Ma§nahmen verwenden: durfte vielmehr entsprechend dem Wortlaut des ¤ 13 Abs. 1 Investitionsma§nahmen 90,6% JVEG damit rechnen, dass das Gericht keinen Gutachtensauf- Lohnerhöhungen 39,6% trag erteilt, bevor ein ausreichender Betrag eingezahlt ist und Einstellung von Vollzeit-Mitarbeitern 36,6% dass ihr Einverständnis sich allein auf die höhere Vergütung und Qualifikationsma§nahmen 34,1% ein vorgeschlagenes Vorgehen nach ¤ 13 Abs. 1 JVEG bezieht. Einstellung von Teilzeit-Mitarbeitern 33,7% Preissenkungen 33,6% Einstellung von Azubis 33,5% Deutscher Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA Verbesserung des Betriebsergebnisses 25,7% Bundesverband) Ð Pressemitteilung vom 30. 3. 2010 Einstellung zusätzlicher Mitarbeiter und Auszubildender: Zwischenbilanz zur Mehrwertsteuersenkung DEHOGA-Umfrage: Hoteliers schaffen neue Jobs und Neue Vollzeit-Mitarbeiter 1488 investieren Neue Teilzeit-Mitarbeiter 1187 „Die Mehrwertsteuersenkung wirkt“, erklärte der Deutsche Zusätzliche Azubis 1335 Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA Bundesverband) am Vo rläufiges Volumen auf der Basis von 2. 791 Antworten: Dienstag in Berlin und verwies auf die ersten Ergebnisse seiner bundesweiten Befragung, an der sich bislang rund 2.800 Hote- Investitionen: 507,0 Millionen Euro liers beteiligten. Drei Monate nach Einführung des reduzierten Lohnerhöhungen: 24,7 Millionen Euro Mehrwertsteuersatzes planen diese Hotels Investitionen in Höhe Verbesserung Betriebsergebnis: 14,5 Millionen Euro von insgesamt einer halben Milliarde Euro (507,0 Millionen Eu- Qualifikationsma§nahmen: 11,5 Millionen Euro ro) für Neuanschaffungen, Modernisierungen und Umbauten. Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA Darüber hinaus schafft die Hotellerie neue Jobs in konjunktu- Bundesverband) ist der Branchenverband der Hoteliers und Ga- rell schwierigen Zeiten. Mehr als jeder dritte Unternehmer stellt stronomen in Deutschland. Hinter dem DEHOGA steht mit dem zusätzliche Mitarbeiter und Auszubildende ein. Zusammenge- Gastgewerbe ein starkes Stück mittelständischer Wirtschaft: rechnet ergeben sich daraus 2.675 neue Vollzeit- und Teilzeit- Über eine Million Beschäftigte und mehr als 100.000 Auszu- stellen sowie 1.335 neue Ausbildungsplätze. Zehntausende auf- bildende in 240.000 Betrieben erwirtschaften einen Jahresnet- grund der Krise akut gefährdete Jobs konnten gesichert werden. toumsatz von 57,2 Milliarden Euro. Ein beträchtlicher Teil der ersparten Mehrwertsteuer flie§t laut der DEHOGA-Erhebung zudem in höhere Löhne und Qua- lifizierungen der Mitarbeiter. 24,7 Millionen Euro werden für Schwartz Public Relations Ð Pressemitteilung vom 23. 4. 2010 Lohnsteigerungen verwandt, für 11,5 Millionen Euro werden Schulungsmaßnahmen durchgeführt. Neben einem noch at- Kommunikation durch die Wolke: Regus verzeichnet 290 traktiveren Preis-Leistungs-Verhältnis können sich die Gäste Prozent Steigerung der Videokonferenzen in Deutschland über niedrigere Preise freuen. 33,6 Prozent der befragten Un- Millionen gestrandete Passagiere weltweit Ð so lautete das ternehmer haben ihre Zimmerpreise um durchschnittlich 6,5 Resultat der Unterbrechungen des Flugverkehrs der letzten Wo- Prozent gesenkt. che durch den Vulkanausbruch auf Island. Dies hat auch für Wir- Mit gro§er Sorge verfolgt der Verband die Überlegungen ein- bel in der internationalen Geschäftswelt gesorgt: Geschäftsrei- zelner Kommunen, ãKulturförderabgaben“, auch ãBettensteu- sende waren blockiert, Meetings mussten ausfallen oder ver- er“ genannt, einzuführen. „Diese kommunalen Steuergesetzge- schoben werden. Allerdings nicht immer: Regus, Anbieter von bungen konterkarieren die Ziele des vom Bund und den Län- innovativen Arbeitsplatzlösungen und Business Centern, da- dern beschlossenen Wachstumsbeschleunigungsgesetzes“, runter Meetingräume und das weltweit größte Netzwerk an Vi- machte Ernst Fischer, Präsident des DEHOGA Bundesverban- deokonferenzstudios (www.regus. de), hat eine Zunahme an Vi- des, deutlich. Ein vom DEHOGA und dem Hotelverband deokonferenzen in Deutschland seit Donnerstag, 15. April, um Deutschland (IHA) in Auftrag gegebenes juristisches Gutach- 290 Prozent verzeichnet. Viele Firmen nutzten diese Alternati- ten bestätige die Rechtsauffassung des DEHOGA, wonach die ve für eine unterbrechungsfreie Fortführung ihres Geschäfts- geplante Bettensteuer verfassungswidrig sei. Investitionen setz- betriebs. ten verlässliche Rahmenbedingungen voraus. In Europa stieg die Nachfrage nach virtuellen Meetings im „Die Branche indes hält Wort“, betonte Fischer. „Gäste, Mit- gleichen Zeitraum um beispiellose 180 Prozent. Am Montag, arbeiter, Handwerker und Zulieferer - und letztlich auch der 19.04., lag die Anzahl der eingehenden Anrufe in den Regus

Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 161 Magazin

Call-Centern um 450 Prozent über der üblichen täglichen An- Bücher und Veröffentlichungen fragezahl. Auch die Webseite wurde mit Anfragen über- schwemmt. Praxis der Insolvenz Ð Ein Handbuch für die Beteiligten Mark Dixon, CEO von Regus, kommentiert: ãDiese Krise hat und ihre Berater. Herausgegeben von Dr. Siegried Beck/Peter Videokommunikation bei Firmen stärker ins Blickfeld gerückt Depré, 2. Auflage, München 2010. 1693 S., 174,Ð Euro. Verlag als kostengünstige Alternative zu internationalen Geschäftsrei- Franz Vahlen, München. sen. Mehr als 80 Prozent der Anfragen kamen von Unterneh- men, die keine bestehenden Regus-Kunden waren und für die Das Insolvenzrecht ist ein sehr komplexes Rechtsgebiet, das auch Videokommunikation ganz neu war. Für sie werden Ge- sich seit Inkrafttreten der Insolvenzordnung im Jahr 1999 ra- schäftsreisen in Zukunft der Griff zur Videokonferenz-Fernbe- sant fortentwickelt hat. Beratern und Unternehmen, die von der dienung statt zum Reisepass sein. Diese Krise hat Unternehmen Insolvenz eines Lieferanten oder Kunden betroffen sind und die einmal mehr die Abhängigkeit von Reisetätigkeiten ins Be- nur selten mit dem Insolvenzrecht zu tun haben, stellt sich häu- wusstsein gerufen, die kostspielig, zeitaufwändig und umwelt- fig die Schwierigkeit, zunächst überhaupt die anwendbaren Nor- schädlich sind. Nach unseren Berechnungen kann die Video- men zu finden. Diesen Einstieg will das besprochene Handbuch konferenz die Reisekosten um bis zu 75 Prozent senken, der erleichtern. Gleichzeitig sollen auch Insolvenzrechtlern und In- CO2-Aussto§ dabei ist verschwindend gering.“ solvenzverwaltern Fragestellungen in Gebieten beantwortet Unternehmen auf der ganzen Welt profitieren von der Flexi- werden, mit denen sie nicht täglich befasst sind. Das Handbuch bilität der Videokonferenz. Steve Delity, Präsident und CEO von bietet dazu einen umfassenden Überblick über das Insolvenz- Rapid Micro Biosystems Inc. aus Bedford in Massachusetts, verfahren und die bei dessen Abwicklung relevanten Rechts- USA, dazu: „Für ein international operierendes Unternehmen themen. Neben den Verfahrensschritten des vorläufigen und ist die Unterbrechung des Flugverkehrs für eine so lange Zeit eröffneten Insolvenzverfahrens, den Rechten und Pflichten der enorm geschäftslähmend. Wir haben, statt unsere geschäftskri- Beteiligten und den Rechten von Gläubigern in der Insolvenz tischen Meetings abzusagen, diese per Videokonferenz durch- (z. B. Aussonderung, Absonderung, Aufrechnung, Insolvenz- geführt. Das gab uns die Chance, den Kontakt zu Kunden und anfechtung), die man in einem Insolvenzrechtshandbuch er- Partnern aufrecht zu erhalten. Für uns war es also ãBusiness as warten kann, werden auch die sonstigen Rechtsbeziehungen des usual’.“ Insolvenzschuldners und ihre rechtlichen Grundlagen darge- Über Regus stellt. Regus ist der weltweit führende Anbieter von innovativen Ar- beitsplatzlösungen. Die Produkte und Dienstleistungen von Re- Bei den Vertragsbeziehungen des Schuldners in der Insolvenz gus reichen von komplett ausgestatteten Büros über professio- wird zunächst die Grundnorm des § 103 InsO erläutert, nach nelle Konferenzräume und Business Lounges bis hin zum größ- der der Insolvenzverwalter entweder die Erfüllung oder die ten Netzwerk von Videokonferenzstudios. Regus ermöglicht ei- Nichterfüllung eines gegenseitigen, von beiden Seiten noch ne ganz neue Art des Arbeitens Ð egal ob im Home-Office, un- nicht vollständig erfüllten Vertrags (bspw. Mietvertrag über be- terwegs oder im Büro. wegliche Gegenstände, Kaufvertrag) verlangen kann. Daran schließt sich die Erörterung der Sonderfälle, wie z. B. der Kauf Kunden wie Google, GlaxoSmithKline und Nokia sowie Tau- unter Eigentumsvorbehalt oder die Sicherung des Anspruchs sende von aufstrebenden kleinen und mittelständischen Unter- durch eine Vormerkung, an. Ein deutlicher Vorteil des Hand- nehmen setzen auf Regus. Sie profitieren vom Outsourcing ih- buchs gegenüber einem Kommentar zeigt sich bei der gut ge- rer Büro- und Arbeitsplatzanforderungen an Regus und können lungenen Darstellung des Mietvertrags über Räume, da das Zu- sich so auf ihr Kerngeschäft konzentrieren. sammenspiel der ¤¤ 108-112, 119 InsO sehr verständlich und Über 500.000 Kunden nehmen täglich die Regus-Services in umfassend erläutert wird, ohne dass die Baustücke aus mehre- Anspruch. Regus ist an 1.000 Standorten in 80 Ländern und 450 ren Teilkommentierungen zusammengesucht werden müssen. Städten präsent und erlaubt Einzelpersonen und Unternehmen Behandelt werden sowohl Mietverträge über Gewerberäume als zu arbeiten, wo, wie oder wann sie möchten. In Deutschland be- auch über die Privatwohnung des Schuldners sowie die Insol- treibt Regus 29 Business Center in 11 Städten. venz des Vermieters mit ihren jeweiligen Besonderheiten.

Impressum Herausgeber und Redaktion (verantwortlich): Ulrich von Schoenebeck M. A., Die mit Namen gekennzeichneten Beiträge geben die Meinung des Verfassers, Wolkenburgweg 1, 53227 Bonn. nicht unbedingt die der Redaktion oder des Herausgebers wieder. Beiträge und Verlag: Prewest Verlag Pressedienste Medien und Kultur GmbH, Wolkenburg- Gerichtsentscheidungen sind an den Verlag zu senden, dem an Bearbeitungen weg 1, 53227 Bonn; Postfach 30 13 45, 53193 Bonn. Telefon 02 28 / 47 63 78, der Einsender die Verwertungsrechte bis zum Ablauf des Urheberrechts über- Telefax 02 28 / 47 09 54 tragen werden, eingeschlossen die Befugnis zur Einspeicherung in Datenban- Internet: http://www.prewest.de, e-mail: [email protected] ken und zur Digitalisierung sowie das Recht weiterer Vervielfältigung und Ver- arbeitung zu gewerblichen Zwecken. Anzeigenverwaltung: Verlag; Anzeigenpreisliste 5/2009. Die persönlichen Beiträge werden nur unter der Voraussetzung angenommen, Satz: Herbert Kluth Digitale Druckvorlagenherstellung, Neusser Stra§e 6, dass sie keiner weiteren Stelle zur Veröffentlichung angeboten werden. Nach 41542 Dormagen, Telefon 0 21 33 / 7 02 08, Mobil 01 51 / 58 83 28 38, Telefax Ablauf von zwei Jahren seit Veröffentlichung kann der Autor anderen Verlagen 0 21 33 / 22 04 29, ISDN 0 21 33 / 22 04 32 eine einfache Abdruckgenehmigung für Printmedien erteilen, ein Honorar hier- Internet: www.kluth-dtp.de, e-mail: [email protected] aus steht dem Autor zu. Die Abdruckgenehmigung ist auch dem Verlag mitzu- Druck: Koch Druckerei & Verlags GmbH, Kaarster Stra§e 153, 41462 Neuss, teilen. Telefon 0 21 31 / 1 24 74-0, Telefax 0 21 31 / 1 24 74-20 Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte wird keine Haftung übernommen. e-mail: [email protected] Sie werden nur auf Anforderung des Einsenders, die spätestens bis zum Ablauf Erscheinungsweise: monatlich, darin 2-Monats-Doppelhefte nach Bedarf. Prei- von 6 Monaten schriftlich beim Herausgeber eingegangen sein muss, auf Ko- se (unverbindlich empfohlen): Einzelheft 16,00 €, Doppelheft 25,00 €,jew. sten und Gefahr des Einsenders zurückgesandt. Nachdruck, fotomechanische inkl. 7% MwSt. zzgl. Porto. Jahresabonnement (Neuabonnements) ab 1.1. 2008: Wiedergabe, Mikroverfilmung und Aufnahme in Datenbanken, ähnliche Ein- 159,43 € einschl. 9,Ð € Versand und 10,43 € MwSt, zahlbar zu Beginn des richtungen und auf Datenträger aller nicht amtlichen, geschützten Werke sind Abonnementszeitraumes. Auslandsabonnement: 174,80 € (inkl. Versand und nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung des Verlages gestattet. ggf. MwSt). Bei Neueinrichtung eines Abonnements wird eine anteilige Jah- Anschriftenänderungen und Umbestellungen können nur berücksichtigt wer- resrechnung erstellt. Abonnementskündigungen mit ordentlicher Frist: 10 Wo- den, wenn sie dem Verlag unmittelbar mitgeteilt werden. Allein Adressummel- chen zum Ende des Kalenderjahres. dung oder Nachsendeantrag bei der Post sind seit 1. 7. 2005 nicht ausreichend. Bankverbindung: Sparkasse KölnBonn (BLZ 370 501 98), Konto 36 207 645. Nicht eingegangene Exemplare können nur innerhalb von 6 Wochen nach dem IBAN: DE84 3705 0198 0036 2076 45 SWIFT-BIC.: COLSDE33 Erscheinungstermin reklamiert werden.

162 Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 53 · 2–3/10 · Februar/März 2010 MagazinTitel

Interessant sind die Querschnittsbereiche, in denen die Aus- womöglich auf einer Form global organisierter Kriminalität be- wirkungen anderer Rechtsgebiete im Insolvenzverfahren ge- ruht, ist das Ziel dieses Buches, das aus einem internationalen schildert werden. So gibt es jeweils Kapitel zur Betriebsfort- strafrechtswissenschaftlichen Symposium hervorgegangen ist.Ç führung und zu Bankgeschäften in der Insolvenz sowie zum Ar- Soweit ein Auszug aus dem Umschlagtext des überaus emp- beits- und Sozialrecht, Gesellschaftsrecht, Steuerrecht, Öffent- fehlenswerten Bandes, dessen Gesamt-Lektüre dazu verhilft, lichen Recht und Strafrecht im Insolvenzverfahren. Die ar- die Geschehnisse der „Finanzkrise“ bzw. der „Krise“ einem beitsrechtlichen Kapitel behandeln z. B. das Individual- und kol- menschlichen Verhalten zuzuordnen. Und zwar einem strafba- lektive Arbeitsrecht, das Insolvenzgeld und die betriebliche Al- ren Handeln zuzuordnen, dessen Ungeheuerlichkeit sicherlich tersversorgung. Die Kapitel zum Gesellschaftsrecht schildern nicht erst in unseren Tagen als Novum erwachsen ist, das aber sehr aktuell die Auswirkungen des ãGesetzes zur Modernisie- in seiner weltweiten Verbreitung gänzlich neue Prozesse kultu- rung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräu- reller Aufarbeitung erfordern dürfte. Gleichwohl soll hier ein chen“ (MoMiG) auf das Insolvenzverfahren. Insbesondere das Auszug aus dem Kapitel ãErgebnis“ des titelgebenden Beitrags neue Eigenkapitalersatzrecht, das jetzt in der Insolvenzordnung von Schünemann nicht vorenthalten werden: verankert ist, und die darin (neu gestaltete) Gebrauchsüberlas- sung werden mit Beispielsfällen und Schaubildern anschaulich „(…) die sog. Finanzkrise stellt nicht ein bloßes Systemver- vermittelt. Auch unabhängig von der Einleitung eines Insol- sagen dar, sondern ist mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit venzverfahrens ist das Kapitel zur Haftung von Geschäftsfüh- durch massenhaft zumindest objektiv straftatbestandsmäßiges rern und Gesellschaftern der GmbH oder anderer Kapitalge- Verhalten der verantwortlichen Personen im Bankensektor ver- sellschaften bedeutsam, in das u. a. das MoMiG und die neue- ursacht worden, wobei staatliche Instanzen grob fahrlässig mit- ste Rechtsprechung des BGH zur Existenzvernichtungshaftung geholfen haben. (...) Von den Fällen abgesehen, in denen das eingearbeitet wurden. Handeln durch Desinformation oder puren Unverstand der Ak- teure erklärbar ist, dürften die insgesamt in Milliardenhöhe vor- Abgerundet wird das Handbuch durch Themen wie etwa das eilig gezahlten Boni das treibende Motiv gewesen sein. (…) Die internationale Insolvenzrecht, die Insolvenz natürlicher Perso- rechtliche Aufarbeitung dieser Verhältnisse im Bankenbereich nen (Verbraucherinsolvenzverfahren, Restschuldbefreiung, In- kann nur in staatlichen Ermittlungsverfahren geleistet werden solvenz von Freiberuflern), der Insolvenzplan, die Eigenver- und liegt im Interesse des Finanzsystems selbst, um den An- waltung, die Haftung und Vergütung der Beteiligten und die schein einer Funktionärskleptokratie zu beseitigen.“ (vS) Rechtsmittel im Insolvenzverfahren.

Den Herausgebern ist es gelungen, ein in wesentlichen Tei- Handbuch Immobilien-Portfoliomanagement. Hrsg.: Prof. len sehr aktuelles und anschauliches Nachschlagewerk für den Dr. Karl-Werner Schulte, Prof. Dr. Matthias Thomas. Köln 2007. täglichen Gebrauch zu schaffen. Die Autoren der einzelnen Ka- 17 24 cm. Gebunden. 576 Seiten. Euro 129,Ð. ISBN 978-3- pitel sind in der Mehrzahl Insolvenzverwalter oder Richter, die 89984-136-7. Verlagsgesellschaft Rudolf Müller, Immobilien ihre tägliche Erfahrung mit dem Insolvenzrecht in die prakti- Manager Verlag IMV GmbH & Co. KG, Köln. schen Hinweise und Schilderungen eingebracht haben. In dem Handbuch von Beck/Depré können sich so von einer Insolvenz Das gesamte private Anlagevermögen in Deutschland betrug Betroffene schnell und grundlegend über die Zusammenhänge 2007 schätzungsweise 9 Bio. Euro. Das Immobilienvermögen vor und im Insolvenzverfahren informieren. Es ist ein nützli- insititutioneller Kapitalanleger in Deutschland belief sich auf ches Werk, das für den nicht im Insolvenzrecht tätigen Juristen rund 380 Mrd Euro. Diese beeindruckenden Werte verdeutli- sogar die zusätzliche Anschaffung eines Kommentars entbehr- chen das Erfordernis eines adäquaten Immobilien-Portfo- lich machen kann. liomanagements. Das vor der gro§en Finanzkrise erschienene ãHandbuch Im- Rechtsanwältin Dr. Claudia R. Cymutta, Mannheim mobilien-Portfoliomanagement“ stellt alle Instrumente für ein professionelles Portfoliomanagement von Immobilien dar, mit Die sogenannte Finanzkrise - Systemversagen oder glo- deren Hilfe auch weiterhin große Potenziale für Immobilien er- bal organisierte Kriminalität? Hrsgg. von Prof. Dr. Bernd schlossen werden können. Das Handbuch vereint Beiträge aus Schünemann, Berlin 2010. 109 Seiten, kartoniert, ISBN 978-3- den Federn der führenden Immobilienökonomen und einschlä- 8305-1771-9. 19,00 EUR. BWV Berliner Wissenschafts-Ver- giger Spezialisten unterschiedlicher Disziplinen. Ein gro§arti- lag GmbH, Berlin. ges Werk! Die Autoren betrachten die mit dem Portfoliomanagement ÈDie sog. Finanz- oder Bankenkrise, die weltweit zu einer von Immobilien verbundenen Aufgabenfelder. Dabei ist das Kapitalvernichtung von Billionen Dollar und in Deutschland Handbuch in vier Abschnitte gegliedert. Nach einem Grundla- zum Beinahe-Zusammenbruch des gesamten Bankensystems genteil, der insbesondere das theoretische und konzeptionelle geführt hat, war keine unvermeidbare Naturkatastrophe, son- Basiswissen darstellt, erfolgt im Teil B eine Darstellung und dern Menschenwerk, nämlich das voraussehbare Ergebnis gi- Diskussion der Instrumente des Portfoliomanagements. Damit gantischer Finanztransaktionen mit auf minderwertige ameri- verbundene Rahmenaufgaben, wie beispielsweise Controlling, kanische Hypotheken ausgegebenen Wertpapieren. Obwohl ein Zins- und Währungsmanagement oder Immobilienbewertung, durch die Rettungsaktion von Regierung und Parlament dem sind auch mit einbezogen. Teil C ãAspekte des Immobilien-Port- deutschen Steuerzahler überbürdeter Schaden in astronomischer foliomanagements“ geht insbesondere auf steuerliche Gestal- Höhe (jedenfalls von dreistelligen Milliardenbeträgen) verur- tungsmöglichkeiten, Aspekte der Finanzierung wie auch auf sacht worden ist, obwohl die Bankmanager (die bis zum Zu- internationale Investments und Immobilienzyklen ein. Teil D ist sammenbruch des Systems hohe Erfolgsprämien vergütet er- ein anwenderbezogener Praxis-Teil, der das Portfoliomanage- hielten) durch ausgeklügelte Konstruktionen die Bankenauf- ment verschiedener Investorenkatagorien sowie verschiedene sicht umgangen hatten und obwohl die in die Spekulationen Dienstleistungsaspekte vorstellt. Diese zahlreichen Fallstudien tief verwickelten Landesbanken dabei außerhalb ihrer öffentli- bieten interessante Praxiserfahrungen, die in der Krise gele- chen Aufgaben gehandelt haben, ist die Frage einer strafrecht- gentlich zusätzliche Orientierung erfahren haben dürften. (vS) lichen Verantwortlichkeit (vor allem nach dem Straftatbestand der Untreue, ¤ 266 StGB) bis heute nur selten gestellt und kaum Das Vermieter-Praxishandbuch Von Rechtsanwalt Rudolf näher untersucht worden. Diesem schwer begreiflichen Übel- Stürzer, Vo rsitzender Haus + Grund München, Rechtsanwalt stand abzuhelfen und den Startschuss für eine breite und ergie- Michael Koch, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigen- bige Diskussion der Frage zu geben, ob die bisher größte je er- tumsrecht, Rechtsanwältin Birgit Noack, Rechtsanwältin Mar- lebte Finanzkatastrophe auf einem Systemversagen oder tina Westner, 5. Auflage, Freiburg, Berlin, München 2010. 464

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Seiten, DIN A5, EUR 29,80 einschl. MwSt und CD-ROM gen als gut gelungen gelten. Den Schwerpunkt bildet die zzgl. Versandkosten. Haufe-Lexware GmbH Co. KG, Frei- Wohnraummiete, aber auch die Geschäftsraummiete findet burg. häufig Beachtung. (vS) Zahlreiche Ratgeber, die den Vermieter über seine Rechte Handbuch Energieberatung Recht und Technik in der und Pflichten informieren, helfen häufig nicht weiter, wenn Praxis. Von Dipl.- Ing. Architekt Ulrich Jung (Hrsg.), der Vermieter schriftlich an den Mieter herantreten muss,z. B. Köln2009. ISBN 978-3-89817-735-1. 690 Seiten, 16,5 24,4 bei Betriebskostenabrechnungen, Mieterhöhungen, Abmah- cm, Hardcover. 79,Ð €. Bundesanzeiger Verlag, Köln. nungen, Fristsetzungen, Kündigungen etc. Oftmals bestehen Ab Januar 2009 benötigt man für jeden Verkauf und jede Schwierigkeiten, die richtigen Formulierungen zu finden. Zu- Vermietung eines Gebäudes, einer Nutzungseinheit oder ei- dem stellen Gesetzgebung und Rechtsprechung immer höhe- ner Wohnung den Energieausweis. Dieser wird nach dem er- re Anforderungen an die Form und den Inhalt solcher Schrei- rechneten Energiebedarf oder nach dem tatsächlichen Ener- ben, Bereits kleine Formfehler können zum Rechtsverlust gieverbrauch erstellt. führen, z. B. zum Ausschluss von Betriebskostennachforde- rungen oder zur Unwirksamkeit einer Kündigung. Das aktuelle Handbuch bietet Antworten auf alle Fragen rund um das Berufsbild der Energieberater, die Anforderun- Das Vermieter-Praxishandbuch informiert den Vermieter gen, die Verfahren und die Leistungen der Energieberatung. nicht nur über die Rechtslage, sondern hilft ihm in jeder Pha- Als weiterführende Themen werden zum Beispiel Manage- se des Mietverhältnisses – vom Vertragsabschluss bis zur Kün- ment, Kosten und Finanzierung der energetischen Verbesse- digung und Kautionsabrechnung Ð, die richtigen Formulie- rung oder der energieeffiziente Betrieb von Gebäuden behan- rungen zu finden und die zulässigen Gestaltungsspielräume delt. auszuschöpfen. Dieses Werk bietet umfassende Erläuterungen, zahlreiche Hierzu finden sich in dem Buch mehr als 50 Musterbriefe, praktische Tipps und Arbeitshilfen. Formulare und Vertragsmuster, die auch auf der beiliegenden Vo rteile des Werkes CD-Rom enthalten sind und in die Textverarbeitung über- nommen werden können. Ferner enthält die CD die neue Heiz- ¥ Alles, was man zur EnEV wissen muss kosten- und Energieeinspar-Verordnung sowie die Betriebs- • Neue Chancen für Aufträge kosten- und Wohnflächenverordnung. ¥ Zahlreiche Arbeitshilfen, Checklisten und Fallbeispiele Die 8. Auflage 2004 des Praxishandbuchs haben wir in GuT 2006, 55 kurz dargestellt. Diese 10. Auflage berücksichtigt so- ¥ Viele Praxishinweise, Übersichten und Praxishinweise gar Rechtsprechung von Januar 2010 und darf auch im Übri- • Interdisziplinäres Autorenteam mit anerkannten Fachleuten Zielgruppen Energieberater, Bausachverständige, qualifizierte Hand- Zu ãGewerbemiete und Teileigentum" (GuT) Ausgabe werker, Baugewerbe, Planer, die gesamte Immobilienwirt- November/Dezember 2009 erschien die Beilage 51a zu schaft Heft 51: Dipl.-Ing. Architekt Ulrich Jung ist Energieberater und Vor- Mario H. Kraus, stand der Archinea AG. Er ist Herausgeber des Informations- Konfrontation, Kooperation, Kommunalmediation? dienstes Bauen und Energie und einschlägig bekannt durch zahlreiche Vorträgen, Seminare und Fachbeiträge. Stellenwert einvernehmlicher Streitbeilegung in städtischen Siedlungsräumen Die Beilage 51a wurde den Abonnenten mit Heft 51 ausgeliefert. Beilagen zu ãGewerbemiete und Teileigentum" (GuT) werden nur im Rahmen eines Abonnements ohne Aufpreis ausgeliefert. Im Einzelbezug der GuT sind Beilagen nicht enthalten. Einzelstücke der Beilage 51a, Umfang 134 Seiten, DIN A4, können zum Preis von 20,00 EUR inkl. 7% MwSt zzgl. Porto bei der Prewest Verlag Pressedienste Medien und Kultur GmbH, Fax 0228/470954, [email protected], Prewest Verlag Pressedienste Medien und Kultur GmbH bezogen werden. Preis bei Mehrbezug auf Anfrage. Postfach 30 13 45 á 53193 Bonn

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