Aufräumen Im Netz
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Thema: Hass in sozialen Netzwerken PARTEIEN AUSZEICHNUNG Firmen müssen Strafbares löschen Extreme Gruppierungen sollen keine Der Bundestags-Wissenschaftspreis SEITE 1-3 Staatsgelder mehr bekommen SEITE 4 geht an Jelena von Achenbach SEITE 13 Berlin, Montag 22. Mai 2017 www.das-parlament.de 67. Jahrgang | Nr. 21-22 | Preis 1 € | A 5544 KOPF DER WOCHE Ministerin unter Druck Nun eben mit der Keule Ursula von der Leyen „In schwerer See“, so würde man in der Marinesprache die Lage der Ver- teidigungsministerin beschreiben. In den vergan- RECHT Die Hasstiraden im Internet sollen wirksamer bekämpft werden. Kein simples Unterfangen genen Wochen hatte der Fall des rechtsex- tremen Bundeswehr- un ist der Bundesregie- offiziers Franco A. mit rung also der Geduldsfa- dem Doppelleben ei- den gerissen. Weil im In- nes Asylbewerbers ternet wüste Hassbot- und das Krisenma- schaften bis hin zu Mord- nagement von Ursula drohungen immer mehr von der Leyen (CDU) Num sich griffen und die Plattformbetreiber auch den Bundestag ihrer gesetzlichen Pflicht kaum nachka- erreicht. Zweimal de- men, gemeldete rechtswidrige Inhalte zu © picture-alliance/dpa battierte der Verteidi- löschen, setzen Regierung und Koalitions- gungsausschuss und fraktionen auf die Gesetzeskeule. Sie trägt dann das Plenum über Fehlverhalten. Von der Ley- den Namen „Entwurf eines Gesetzes zur en musste zurückrudern: Ihr sei es „nie um einen Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in Generalverdacht“ gegen die Truppe gegangen. sozialen Netzwerken“ oder kurz Netzwerk- Anfangs hatte sie der Bundeswehr ein „Führungs- durchsetzungsgesetz (18/12356) und wur- und Haltungsproblem“ unterstellt, was Entsetzen de vergangenen Freitag erstmals im Bun- bei vielen Soldaten auslöste. Dann kündigte sie destag beraten. Bereits Ende 2015 hatte noch mehr Entdeckungen aus dem rechten Dun- sich das Bundesjustizministerium mit Ver- kelfeld an. Schließlich leitete die Ministerin Durch- tretern der Internetwirtschaft zusammen- suchungen („Säuberungen“) in Kasernen nach gesetzt, um die Probleme anzugehen, doch Wehrmachtsutensilien ein. (Seite 9) kru T eine Selbstverpflichtung zeigte insbesonde- re bei Twitter und Facebook wenig Wir- kung (siehe auch Hintergrund auf Seite 3). ZAHL DER WOCHE Der Gesetzentwurf ist aber alles andere als einvernehmlich. Die Opposition kritisierte die geplanten Regelungen sowie, dass auf- 227 grund der späten Vorlage nur wenig Zeit für eine ausgiebige Beratung bleibe. Redner rechtsextreme Verdachtsfälle gab es in der Koalitionsfraktionen sagten zu, die ver- der Bundeswehr im vergangenen Jahr nach bleibende Beratungszeit bis zum Ende der Erkenntnissen des Militärischen Abschirm- Legislaturperiode für Nachbesserungen zu Auch fragwürdige und rechtswidrige Botschaften lassen sich leicht im Schutz der Anonymität des Internets unter die Leute bringen. © picture-alliance/dpa/Collage: Stephan Roters dienstes (MAD). Derartige Vorfälle sind seit nutzen. Jahren rückläufig: So gab es 2010 noch 585 Fälle. In diesem Jahr registrierte der MAD Wüste Beschimpfungen Bundesjustizmi- den überantwortet. Regierung und Koaliti- sondern viele neue Probleme schaffe. „Wir Zusammensetzung die Initiative ergriffen bislang 104 rechtsextreme Verdachtsfälle. nister Heiko Maas (SPD) wies darauf hin, onsfraktionen warf sie vor, den Gesetzent- müssen die großen Anbieter hart in die hätten, das Gesetz sogar „weiter zu ver- EDITORIAL welch üble Beschimpfungen und Bedro- wurf „mit heißer Nadel gestrickt“ und „auf Pflicht nehmen“, stimmte Notz der Inten- schärfen“. Ihre Fraktion sei offen für Ver- hungen im Netz um sich greifen und fol- den letzten Metern der Wahlperiode einge- tion des Gesetzes zu, „aber wir dürfen sie besserungen des Gesetzentwurfs im Sinne ZITAT DER WOCHE gerte: „Hasskriminalität beschädigt unser bracht“ zu haben. Unter Verweis auf ein eben nicht in die Richterrolle drängen“. seiner Kritiker, sagte sie. So könne sie sich Aufräumen Zusammenleben, unsere Debattenkultur Bündnis von Organisationen, das sich be- Zu der Kritik daran, dass die Löschent- die Einschaltung einer pluralistisch organi- und letztlich auch die Meinungsfreiheit.“ reits gegen den Gesetzentwurf gebildet hat, scheidung in die Hände der Plattformbe- sierten Kontrolle nach dem Vorbild der »Das Schlimmste Derartige Äußerungen seien „kein Aus- rief sie die Koalition dazu treiber gelegt werden soll, Freiwilligen Selbstkontrolle (FSK) beim im Netz druck der Meinungsfreiheit, sondern sind auf, sich „auf eine breite merkte Elisabeth Winkel- Film vorstellen, um die Rechtsmäßigkeit ist der Verdacht im Gegenteil Angriffe auf die Meinungs- Diskussion einzulassen“ meier-Becker (CDU) an, von Einträgen zu klären. Ihr Fraktionskol- VON JÖRG BIALLAS freiheit“. Damit sollten „Andersdenkende und in der nächsten Legisla- »Der jetzt Facebook lösche auch jetzt lege Stefan Heck (CDU) betonte: „Gründ- gegen ganze eingeschüchtert und mundtot gemacht turperiode Zeit für die Erar- eingebrachte Einträge. Als Beispiele lichkeit geht vor Schnelligkeit“. Ziel sei „Soziale Netzwerke“ – kein anderer Begriff werden“. Auch online sei nicht erlaubt, was beitung eines besseren Ge- nannte sie den Eintrag ei- aber ein Abschluss bis zur Sommerpause. aus der Medienwelt ist dermaßen deplatziert. Berufsgruppen.« offline verboten ist. Das Gesetz soll die setzentwurfes zu nehmen. Gesetzentwurf nes früheren Radiomode- Johannes Fechner (SPD) erklärte: „Wenn Denn das, was uns auf Facebook, Twitter, You- Plattformbetreiber zum Aufbau eines wirk- Wie alle Redner prangerte wird neue rators, der sich kritisch zur Unternehmen Milliardengewinne machen tube und Co. erreicht, ist oft alles andere als Martin Schulz, SPD-Kanzlerkandidat, zum samen Beschwerdemanagements und zur auch Konstantin von Notz katholischen Kirche geäu- können, können wir ihnen auch zumuten, sozial. Die Netzwerke werden missbraucht, um Vorgehen von Verteidigungsministerin Ursula kurzfristigen Löschung gemeldeter strafba- (Grüne) an, dass im Netz Probleme ßert habe, und die ganze dass sie eine juristische Abteilung aufbau- zu beleidigen, zu hetzen und zu verleumden; von der Leyen (CDU) im Fall des terrorverdäch- rer Inhalte verpflichten. Bei Verstößen dro- „täglich viele Menschen im schaffen.« Seite eines Islam-Kritikers. en“, um Inhalte selbst auf ihre Rechtmä- es finden sich pornografische und terroristi- tigen Bundeswehr-Oberleutnants Franco A. hen erhebliche Bußgelder (siehe auch Bei- Land unerträglich beleidigt, Im Übrigen ändere das ge- ßigkeit zu überprüfen. Fechner versicherte, sche Inhalte jeder Couleur. trag unten). bedroht und verleumdet“ Petra Sitte (Linke) plante Gesetz nichts an die SPD-Fraktion habe eine ganze Reihe All das dürfte nicht sein. Verantwortlich für Petra Sitte (Linke) kritisierte das bisherige würden. „Solche krassen der materiellen Rechtsla- der Kritikpunkte in der Öffentlichkeit saubere Netzwerke sind deren Betreiber. Die Verhalten von „Facebook, Twitter und Co.“ Rechtsverletzungen“ seien, ge. Schon jetzt sei „klar, schon aufgenommen und werde sie im räumen die Probleme ein, haben aber bisher IN DIESER WOCHE scharf. „Aber der jetzt eingebrachte Gesetz- „hunderttausendfach ausgesprochen, ge- dass die Meinungsfreiheit Grenzen hat“. weiteren Gesetzgebungsverfahren berück- nicht effektiv gegensteuern können. Wohl entwurf wird neue Probleme schaffen“, postet und geteilt auch eine gravierende Schon jetzt seien Plattformen mitverant- sichtigen. Der Kritik an der späten Vorlage auch, weil erst allmählich deutlich wird, dass INNENPOLITIK sagte sie voraus. Und zwar deshalb, weil er Gefahr für unsere freiheitliche Demokratie, wortlich, so wie auch beispielsweise Zei- des Gesetzentwurfs hielt Fechner entgegen, gesetzwidrige Posts nicht mit einem automati- Verbraucher Bundesregierung legt Bericht „die Durchsetzung am Ende doch wieder- wenn sie folgenlos bleiben“. Notz warf tungen verpflichtet seien, Leserbriefe vor die Grünen hätten auch erst im April 2017 sierten Verfahren zu erkennen und entfernen für 2016 vor Seite 5 um in Hände legt, in die sie nicht gehö- Maas vor, er komme „in der letzten Kurve Veröffentlichung rechtlich zu prüfen. Sie einen zudem unspezifischen Antrag zur sind. Handarbeit ist also gefragt. Und die kos- ren“. Denn die Plattformen selbst bekämen der Legislatur mit einem wüsten Gesetz verwies darauf, dass im Bundesrat Landes- Bekämpfung von Strafrechtsverstößen im tet Geld. Immerhin hat Facebook inzwischen EUROPA UND DIE WELT die rechtliche Einordnung von Beschwer- um die Ecke“, das nicht die Probleme löse, regierungen unterschiedlichster politischer Netz eingebracht. Peter Stützle T angekündigt, tausende Mitarbeiter im Be- Frankreich Bundestag debattiert über schwerde-Management einzustellen. Macrons Ideen zur EU-Finanzpolitik Seite 7 Die Initiative von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) zum „Gesetz zur besseren Rechts- WIRTSCHAFT UND FINANZEN durchsetzung in sozialen Netzwerken“ ist also Sozialer Wohnungsbau Opposition will nur folgerichtig. Mit Zensur oder einer Be- Zusatzmaßnahmen für Mieter Seite 10 Das »Netzwerkdurchsetzungsgesetz« schneidung der Meinungsfreiheit, wie Kritiker ENTWURF Die Zielrichtung ist klar, der Regelungsinhalt komplex. Und die Zeit zur Beratung ist knapp behaupten, hat das nichts zu tun. Denn das KEHRSEITE Prinzip, dass Betreiber publizistischer Angebo- Stipendiaten Die US-Austauschschüler in Gesetz, das dazu dient, ein an- Eingebracht haben den Gesetzentwurf die te, egal ob digital oder gedruckt, rechtlich für treffen sich zum Berlin-Tag Seite 14 deres Gesetz durchzusetzen, ist Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD. Inhalte verantwortlich sind,