★ ★ ★ ★ Dezember ★

2016 ★

★ ★ Vereinigung ehemaliger Mitglieder des Deutschen Bundestages und des Europäischen Parlaments e. V.

Editorial Mitglieder treffen sich in Thüringen Rita Pawelski und Bonn Informationen

Termine © Carmen Pägelow (3) Personalien

Titelthemen

Mitgliederreise nach Thüringen

Berichte / Erlebtes

„Ehemalige“ der Landtage Erfurts Stadtführer in historischen Kostümen Klaus Wiesehügel und Ehefrau im Post Tower in Bonn Europäische Assoziation

Mitgliederveranstaltung in Bonn

Mein Leben danach

Erlesenes

Aktuelles

Die Geschäftsführerin informiert

Jubilare

Vorstand und Geschäftsführung der Vereinigung mit Ashok Shridharan, Oberbürgermeister in Bonn (3. v. l.) Editorial Informationen

Nur noch wenige Wochen trennen uns vom Jahr 2017, Termine

© Carmen Pägelow es ist Zeit, zurückzublicken 16.5.2016 18.00 Uhr, Frühlingsempfang DPG auf das Jahr 2016. Was für eine aufregende Zeit, was 17.5.2016 12.30 Uhr, Mitgliederversammlung DPG für Turbulenzen haben wir 19./20.6.2017 Feier zum 40-jährigen Jubiläum durchlebt, manchmal durch- der Vereinigung in Berlin litten. Aber leben wir nicht in 22.6.2017 18.30 Uhr, Sommerfest DPG einem Land, das mittlerweile weltweit zu den beliebten 27.– 29.9.2017 Mitgliederreise ins Saarland und geachteten Ländern ge- 21./22.11.2017 Mitgliederveranstaltung mit hört? Die Arbeitslosenzahlen gehen stetig zurück, in vielen Jahreshauptversammlung in Bonn Bereichen wird verzweifelt nach Mitarbeitern gesucht. Die Neuverschuldung unseres Haushaltes liegt bei null. Die Familienpolitik scheint endlich zu wirken, denn die Zahl der Kinder steigt. Das ist doch ein guter Indikator! Eigent- Personalien lich… und die Zufriedenheit unserer Mitbürger könnte also sehr hoch sein, ist sie aber nicht! Manchmal frage ich Prof. Dr. Nils Diederich wurde am 11.10.2016 in Lyon von der Europä­ mich verzweifelt: Warum ist das so? Warum protestieren ischen Assoziation ehemaliger Parlamentsabgeordneter aus Mitglieds- manche Menschen so aggressiv gegen die Politik, gegen staaten des Europarates (EA) für sein langjähriges Engagement geehrt. Flüchtlinge, eigentlich gegen alles! Ja, wir haben im letzten Er gehörte in den letzten Jahren dem Vorstand der EA an und nahm mehr- Jahr fast eine Million Menschen bei uns aufgenommen, fach als Delegierter an den europäischen Kolloquien teil. Als Geschäfts- die von Krieg und Terror bedroht waren. Ja, es war nicht führer der Vereinigung der „Ehemaligen“ regte Prof. Dr. Diederich vor zwölf immer einfach, Platz für sie zu schaffen. Und ja, bis zur Jahren an, alle zwei Jahre einen Studientag innerhalb der deutschen Ver- Integration ist es noch ein langer Weg. Aber ist es nicht die einigung zur inhaltlichen Vorbereitung auf die Kolloquien zu veranstalten. vornehmste Aufgabe eines der reichsten Länder der Welt, „Man spürte, dass er die Arbeit der EA mit großem Interesse und Vergnü- denen Hoffnung und Zukunft zu geben, die keine haben? gen begleitet hat – auch als Freund der europäischen Zusammenarbeit Wie kann man angesichts der Bilder aus den Kriegsgebieten und als Freund des Französischen und des ‚süßen Frankreichs‘“, auf die Straßen gehen und schreien „Flüchtlinge raus“. so der EA-Ehrenpräsident Prof. Dr. Uwe Holtz in seiner Laudatio. Wie kann man angesichts unserer Gesamtsituation Galgen auf Demonstrationen herumtragen, auf denen Merkel und Gabriel abgebildet sind. Diese Intoleranz dürfen wir nicht akzeptieren, sie gefährdet unsere Demokratie. Für unsere Rydén © Rune Demokratie, die uns unsere Freiheit garantiert, mit der wir die Menschenrechte achten, in der wir die Gleichstellung der Frau durchgesetzt haben, lohnt es sich zu kämpfen.

Ihnen wünsche ich ein gesegnetes Weihnachtsfest und für 2017 alles erdenklich Gute, bleiben Sie gesund und uns wohl gesonnen.

Ihre

Präsident der EA Lino DeBono (l.) und Prof. Dr. Nils Diederich (r.)

2 nachrichten Dezember 16 Liebe Kolleginnen und Kollegen,

am 12. Februar 2017 tritt die Bundesversammlung zusammen, um den Bundespräsidenten oder auch die Bundespräsidentin zu

wählen. Im Vorfeld wurde heftig über mögliche Kandidaten oder © Carmen Pägelow gemeinsame Vorschläge mehrerer Parteien spekuliert. „The same procedure as eyery year“, sollte man meinen. Nein, die Diskus- sion hat sich im Laufe der Zeit verändert.

Zunächst schlugen viele, auch Parteivorsitzende, vor, nach überparteilichen Personen zu suchen. Parteilosigkeit wurde als Wert an sich gepriesen und damit die Parteimitgliedschaft diskriminiert. Was bisher rummäkelnden Stammtischbrüdern oder tumben medialen Schlagzeilen vorbehalten war, ist hoffähig geworden: die pauschale Abwertung politischer Parteien und damit auch ihrer Mitglieder. Politikerinnen und Politiker biedern sich immer wieder der wabernden Antiparteienstimmung an und geben indirekt ihren Segen zum Schimpf auf alle etablierten nicht stand. Vielleicht geht es in unserer in die Jahre gekommenen Parteien. Wen wundert es, wenn das Volk die Botschaft versteht, Demokratie auch nur um Verkrustungen und um liebgewonnene diese Parteien meidet und sich dem Protest anschließt. Niemand Machtfülle mit ungestörten Entscheidungen im kleinen Kreis. Dazu wird parteienverdrossen geboren, sondern die Einstellungen zur passen jene Parteitage, die immer häufiger als Jubelparteitage und Parteiendemokratie werden wie andere im Laufe des Lebens nicht als Höhepunkte innerparteilicher Willensbildung organisiert gelernt und unterliegen dem Zeitgeist. werden. Dazu passt ein Bild von Europa, in dem die nationalen Re- gierungen, die Exekutive, in Hinterzimmern tagen und entscheiden Über 60 Jahre hat die Parteiendemokratie Deutschland gut sowie eine EU-Kommission, die als Verwaltungsorgan übermächtig getan, Freiheit, Frieden und Wohlstand gebracht. Seit geraumer erscheint. Dazu passen eingesetzte, scheinbar überparteiliche Zeit scheinen Menschen Vertrauen in die von Parteien gelieferte Expertengremien, die in den Vordergrund rücken. Politik zu verlieren. Dabei geht es nicht nur um Stimmungen, sondern auch um konkrete Abstimmungen: Seit 1990 haben die Parteien und Parlamente, in denen die vom Volk gewählten Abge- etablierten Parteien die Hälfte ihrer Mitglieder verloren, und die ordneten sitzen, sehen politisch ohnmächtig aus. Sie ringen augen- Wahlbeteiligung sinkt. scheinlich nicht mehr um den richtigen Weg fürs Gemeinwohl, son- dern haben häufig bereits Entschiedenes nur noch zu beschließen. Parteien sollen für die ständige Verbindung zwischen dem Volk Wer kommt in diesem politischen Arrangement noch auf die Idee, und den Staatsorganen sorgen, fordert das Parteiengesetz. Wenn dass Demokratie alle zum Mitmachen einlädt? Von Max Webers sie allerdings Vertrauen und Mitglieder verlieren, büßen sie die- drei Qualitäten eines Politikers haben Verantwortung und Augenmaß se Scharnierfunktion ein und sind immer weniger Seismograf für überlebt, die sichtbare Leidenschaft ist auf der Strecke geblieben. Volkes Willen. In der Folge wird defätistischen Haltungen gegen- über Parteien und moralisierender Pauschalkritik immer mehr Es ist passiert: Ein kleiner Kreis gebar einen geeigneten Bundes- Raum gegeben. Der Demokratie könnte die Puste ausgehen. präsidentenkandidaten, Frank Walter Steinmeier. Ich hätte mir eine Bundesversammlung gewünscht, die in einer Abstimmung über Damit es nicht so weit kommt, bedarf es politischer Vorbilder, die ernstzunehmende Alternativen das höchste Staatsamt besetzt hätte. eine pauschale Parteienfeindlichkeit nicht befördern, auch nicht indirekt. Und wer alles auf den Wandel der Gesellschaft und die Ihre Individualisierung schiebt, entzieht sich der Verantwortung und un- terstellt, eine Parteiendemokratie hielte veränderten Bedingungen

nachrichten Dezember 16 3 Titelthema Mitgliederreise nach Thüringen 5.–7.10.2016 Landeshauptstadt Erfurt

Brand führte. Der Domplatz wurde nie mehr bebaut. Heute brechen die darunter liegenden Keller teilweise ein, so wie kurz nach dem Be- © Carmen Pägelow (6) such 1991 durch Papst Benedikt XVI in Erfurt. Bausewein wies auch stolz auf die Krämerbrü- cke als älteste bebaute Brücke und die älteste Synagoge Europas hin. Die Stadt hofft, mit dem Lutherkloster in die Liste des UNESCO Weltkul- turerbes aufgenommen zu werden.

In Ihrem Dankeswort wies die Präsidentin Dr. Edith Niehuis darauf hin, dass die SPD vor 125 Jahren bei ihrem Erfurter Parteitag den Auftaktveranstaltung im Erfurter Rathaus Namen Sozialdemokratische Partei angenommen hat. Bausewein verabschiedete sich mit den Der Oberbürgermeister der Stadt stadt bewirkte, dass Erfurt heute ein begehrter Worten: „Natürlich gibt es Probleme, aber es Erfurt, Andreas Bausewein, be- Wohnort ist. Mit über 100.000 Arbeitsplätzen sind keine Probleme, die man nicht lösen kann. grüßte die Teilnehmer im Festsaal in der Stadt und einer Arbeitslosenquote von Kein Land auf der Welt wäre in der Lage gewe- des Rathauses herzlich. Er erinnerte 2-3 % herrsche Vollbeschäftigung. Auch das sen, das zu leisten, was geleistet wurde. Darauf daran, dass er selbst, vor seiner Zeit neue ICE-Kreuz rückt Erfurt weiter in den Mittel- kann man stolz sein.“ als Oberbürgermeister, Landtags­ punkt. Schnellzüge brauchen nur noch 2,5 Stun- Marion Seib abgeordneter im Thüringer Landtag den nach München und 2 Stunden nach Berlin. war. Wirtschaftlich ist Erfurt breit aufgestellt und es Im Anschluss an den Besuch des Rathauses wur- erfreut sich am wachsenden Tourismus, der – den die „Ehemaligen“ in Gruppen durch die Stadt Er stellte seine Stadt Erfurt mit zusammen mit Weimar – 13 Mio. Touristen geführt. Die Stadtführer begeisterten nicht nur 160.000 Einwohnern vor und wies jährlich nach Erfurt bringt. Nachdem Martin durch ihre Kenntnisse über die Stadt und ihre Ge- auf die Leistungen der letzten 25 Luther auch in Erfurt aktiv war, hoffen die schichte sondern auch durch ihr Erscheinen als Jahre hin. Die Sanierung der Innen- Erfurter auf eine weitere Steigerung der Besu- Ratsherr, Patrizier-Frau und Gräfin von Gleichen. cherzahl im Lutherjahr 2017. Bei seinem Ex- kurs durch die Geschichte wies OB Bausewein darauf hin, dass Erfurt zusammen mit Arnstadt als älteste Stadt Thüringens gilt. Die Stadt wird belebt durch 12.000 Studierende.

Bei der Vorstellung der Wandgemälde kamen die wichtigsten Stationen der Geschichte Er- furts zur Sprache: die Gründung durch Bonifa- tius 742, die Unterwerfung der Stadt unter das Mainzer Rad, die Zeit als Preußische Enklave Andreas Bausewein, Oberbürgermeister in und der Aufenthalt Napoleons sowie der Kampf Erfurt um den Domplatz, der zu einem fürchterlichen Stadtführerin „Gräfin von Gleichen“ und Prof. Dr. Uwe Holtz

4 nachrichten Dezember 16 Titelthema

Landtagspräsident Christian Carius (r.) mit „Ehemaligen“ im Plenarsaal des Thüringer Landtags

Politisch ging es dann am Nachmittag weiter mit einem Besuch im Thüringer Landtag. An dem Ge- spräch mit den „Ehemaligen“ nahmen neben dem Abgeordneten und Landtagspräsidenten Christian Carius, MdL, Dorothea Marx, MdL und Parlamen­ tarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, die stellvertretende Vorsitzende der CDU-Fraktion, Christina Tasch, MdL, sowie der frühere Staats- minister und heutige Vorsitzende der Vereinigung ehemaliger Abgeordneter des Thüringer Landtags e. V., Hartmut Sieckmann, teil. Großes Interesse zeigten die „Ehemaligen“ beim Thema AfD im Thüringer Landtag. So wollten sie Gemütliches Beisammensein im Restaurant „Zum Goldenen Schwan“ bspw. wissen, wie mit parlamentarischen Anfra- gen der AfD umgegangen werde. Weitere Themen, Der Tag endete mit einem Abendessen im tradi- die an diesem Nachmittag zur Sprache kamen, tionellen Restaurant „Zum Goldenen Schwan“. waren die geplante Gebiets- und Verwaltungsre- Ehrengast an diesem Abend war der Minister- form in Thüringen, der Einsatz digitaler Medien präsident von Thüringen, Bodo Ramelow, MdL, in der Politik, aber auch das Problem der Politik- der in seiner Ansprache an die „Ehemaligen“ verdrossenheit. Am Gespräch beteiligten sich der nicht nur über Erfolge seines Bundeslandes be- frühere Oberbürgermeister Dr. Bertold Brecht, richtete, sondern auch über Herausforderungen: Dr. Elisabeth Altmann, Gert Winkelmeier, die Suche nach Facharbeitern oder die Einglie- Dr. Martina Bunge, Ministerin a. D., Ursula Mogg, derung von Langzeitarbeitslosen oder Menschen der frühere Bundestagsvizepräsident und ehemali- mit Behinderung in den Arbeitsmarkt. Ramelow ge Bundesminister Eduard Oswald sowie Roland äußerte auch seine Besorgnis über die Gescheh- Artur Kohn. nisse in Dresden am 3. Oktober. Ministerpräsident Bodo Ramelow

nachrichten Dezember 16 5 Titelthema

Weimar: Gedenkstätte Buchenwald © Carmen Pägelow (6)

Eingang zur Gedenkstätte Menschenverachtende Inschrift am Haupttor

„Buchenwald-Wetter“ unterstrich die So wurden z. B. Häftlinge von der SS brutal an- Gerichtsurteil. Aus dieser Zeit befinden sich düstere Stimmung der Gedenkstätte, getrieben, die Verbindungsstraße, die sogenannte Massengräber hinter dem ehemaligen Lager- die wir durch das Lagertor mit der „Blutstraße“, von Weimar zum Lager zu bauen, bahnhof. Inschrift „Jedem das Seine“ betraten. parallel dazu eine Bahntrasse für die Rüstungs- Das Konzentrationslager wurde 1937 betriebe sowie die Zufahrtstraße „Carachoweg“ Heute befinden sich viele Gedenk­tafeln und Ge- errichtet. Politische Gegner des Nazi­ vom Bahnhof zum Lager. Weil das städtische denkstätten in Buchenwald. Z. B. der Gedenkstein regimes, Zeugen Jehovas, Sinti und Krematorium die Masse der Leichen nicht mehr für die Opfer des Novemberprogroms 1938 und des Roma, Homosexuelle­ und ab Beginn verbrennen konnte, baute eine Erfurter Firma eine jüdischen Sonderlagers, die Gedenktafel für Ernst Jahreshauptversammlung des 2. Weltkrieges Menschen aus fast industrielle Schnellverbrennungsanlage auf dem Thälmann, der 1933 nach dem Reichstagsbrand allen europäischen Ländern wurden Gelände. verhaftet wurde und 1944 in Buchenwald erschos- 11. Mai 2016 von den Nazis hierher verschleppt. sen wurde, die Erinnerungsstätte an Dietrich Die Häftlinge wurden erbarmungslos 1945 folgten Einheiten der Roten Armee. Bonhoeffer, ermordet in Flossenbürg, und Gedenk- zur Produktion deutscher Kriegs- 28.000 Menschen wurden von 1945 bis 1950 steine für deportierte Kinder und Jugendliche. rüstung gezwungen. Viele wurden in Speziallagern interniert, meist ohne jedes Elisabeth Altmann von den Nazis gezielt ermordet, medizinische Versuche, z. B. in der Fleckfieberversuchsstation, an ihnen ausgeübt oder sie wurden in Vernich- tungstransporten nach Auschwitz überführt. Insgesamt waren 280.000 Menschen aus 50 Nationen von 1937 bis 1945 inhaftiert. Es gab 139 Außenkommandos. Von den Ameri- kanern wurden am 11. März 1945 21.000 Häftlinge befreit.

Wie aus vielen dargestellten Ein- zelheiten klar hervorgeht, waren Nach dem Mittagessen im berühmten Hotel Elephant in Weimar und einer anschließenden Stadtführung empfing der die mörderischen Zustände für die Bürgermeister Peter Kleine (4. v. r.) die „Ehemaligen“ im derzeitigen Sitz des Rathauses. Er brachte royale Unterstützung Bevölkerung im Umkreis offenkundig. mit – die Zwiebelmarkt-Königin Luisa Hoyer

6 nachrichten Dezember 16 Titelthema

Schloss Friedenstein in Gotha

Am letzten Tag der Reise ging es in das knapp 30 km entfernte Gotha. Dort besichtigten die „Ehemaligen“ das von Herzog Ernst I. von Sachsen-Gotha („Ernst der Fromme“) in Auf- trag gegebene Schloss Friedenstein – den größten Schlossbau Deutschlands aus dem 17. Jahrhundert. Heute beherbergt das Schloss eine Vielzahl von Museen und Kunst- sammlungen.

Im Westturm des Schlosses befindet sich mit dem Ekhof-Theater eines der ältesten dau- erhaft bespielten Theater Deutschlands. Das Theater besitzt die einzige vollständige erhal- tene Bühnenmaschinerie des Barock aus dem Jahre 1685. Im Rahmen des Ekhof-Festivals und im Herzoglichen Museum wurden erstmals Der als schwerwiegendste finden jährlich barocke Opern- und Schauspiel- zwischen 1879 und 1890 inventarisiert und Kunstraub in der Geschichte der aufführungen statt. dokumentiert. Während des Zweiten Welt- DDR und als einer der spektaku- krieges waren sie in Schutzorte ausgelagert lärsten der deutschen Nachkriegs- worden. Nach dem Einmarsch der US-Armee geschichte gilt der „Kunstraub von im April 1945 kam es bereits zu Hunderten Gotha“, bei dem in der Nacht vom von Diebstählen. Als die Rote Armee im Juli 13. zum 14. Dezember 1979 fünf 1945 einrückte, wurde der gesamte restliche wertvolle Gemälde (geschätzter Bestand der Gothaer Kunstsammlungen, die Wert heute 50 Mio. Euro) aus dem Bibliothek und das Münzkabinett beschlag- Schloss gestohlen wurden. Bis nahmt und in die Sowjetunion gebracht. Von heute sind die Gemälde verschol- dieser Kriegsbeute kehrte 1958/59 der größte len. „Ehemalige“ lauschen einer Probe im Ekhof-Theater Teil zurück. Carmen Pägelow

Das am Schlosspark südlich gegenüber von Schloss Friedenstein gelegene Herzogliche Museum Gotha ist ein Museumsgebäude im Stil der Neorenaissance aus dem 19. Jahrhundert. Seit der Wiedereröffnung 2013 zeigt es auch Malerei der Renaissance oder ostasiatische Kunst aus China und Japan. Ein Meisterwerk der Ausstellung ist das Gothaer Liebespaar, ein Gemälde von 1480.

Die immer noch sehr bedeutenden Herzoglichen Kunstsammlungen auf Schloss Friedenstein Das „Gothaer Liebespaar“ (l.) im Herzoglichen Museum

nachrichten Dezember 16 7 Berichte / Erlebtes Staatsministerin Prof. Monika Grütters zu Gast bei den „Ehemaligen“

Am 23.6.2016 traf sich die Staats- über die Länderebene bis hin zu den Kommunen ministerin für Kultur und Medien, entsprechend Berücksichtigung finden müsste. Prof. Monika Grütters, MdB, mit Diesen Ausgleich zu finden und gleichzeitig immer Vorstandsmitgliedern unserer Ver- wieder gestaltende Impulse zu setzen, sei die gro- Pawelski © VeMdB/Rita einigung sowie den Präsidentinnen ße Herausforderung, die die Kulturpolitik zu einem und Präsidenten der Ehemaligen­ der spannendsten Politikfelder in Deutschland vereinigungen der deutschen mache, so Prof. Monika Grütters. Landtage, um sich über aktuelle Entwicklungen der Kulturpolitik Sie machte auch deutlich, dass Deutschland das auszutauschen. Land mit der höchsten Theaterdichte der Welt In ihrem Impulsreferat ging Prof. (fast 700 Bühnen) sei. Dies gelte ebenso für die Monika Grütters auf die vielfältigen Museen, Orchester, Literaturhäuser, Archive, Staatsministerin Prof. Monika Grütters mit dem Koordinator föderalen Verknüpfungen ein, die Bibliotheken und Festivals. So stehe die Hälfte des Treffens Prof. Dr. Nils Diederich die Kulturpolitik in Deutschland aller Opernhäuser weltweit in Deutschland und auszeichnen. Es sei daher ange- jedes zweite Profiorchester der Welt spiele auf Jahr dauern, bis man die mehr als 50 Theater bracht, von einem regelrechten deutschem Boden. Berlin habe mehr Museen als besucht hätte. Dabei wäre man aber noch in Kulturföderalismus zu sprechen, bei Regentage und mehr Galerien als das Jahr Tage keinem der drei Berliner Opernhäuser gewesen, dem die Interessen und individuellen (rund 400). Wollte man jede Woche ein anderes so die Kulturstaatsministerin des Bundes. Besonderheiten von der Bundes- Theater besuchen, dann würde es etwa ein Simone Thurow

Litauens Wolfskinder

Kinder, die ausgesetzt wurden oder Begegnungen hatten wir in Vilnius mit einigen Wolfskinder kennenlernte, bekannt gemacht wor- in Kriegen ihre Eltern verloren haben ehemaligen Wolfskindern und der Fotografin den. Er arbeitet eng mit Claudia Heinermann und sich allein durchschlagen muss- Claudia Heinermann, die ein berührendes Buch zusammen, in deren Buch ihre wunderbaren ten, werden Wolfskinder genannt. über das Schicksal dieser Menschen verfasst hat. Bilder kontrastiert werden von den wenigen Familienfotos, die es von den Wolfskindern Im Juni besuchte eine Gruppe Als die Rote Armee im Oktober 1944 die ostpreu- gibt, einigen Dokumenten und den Porträts der unserer Vereinigung die baltischen ßische Grenze überschritten hatte, versuchten Menschen, deren Schicksal in einem kurzen Staaten. Eine der interessantesten zweieinhalb Millionen Menschen, sich vor den Bericht beschrieben wird. Die Texte von Sonya vorrückenden sowjetischen Truppen in Sicherheit Winterberg sind sachlich, ohne jedes Pathos. zu bringen. In diesen Wirren wurden viele Kinder Sie gehen gerade deshalb unter die Haut. aus dem Königsberger Gebiet von ihren Müttern getrennt. Tausende elternlose Kinder nach dem Claudia Heinermann stellte ihr Buch in der © Carmen Pägelow Krieg, die in Litauen Zuflucht fanden. Gedenkbibliothek zu Ehren der Opfer des Kom- munismus in Berlin vor. Das Fotobuch „Wolfs­ In Deutschland ist das Schicksal der Wolfskin- kinder A Post-War Story“ kostet 50 Euro und Fotografin Claudia Heinermann, Kurt Palis der durch unseren Kollegen Prof. Dr. Wolfgang kann bestellt werden bei www.wolfskinder.eu und Eva Linde (v. l. n. r.), Vilnius 2016 Freiherr von Stetten, der im Herbst 1992 die Vera Lengsfeld

8 nachrichten Dezember 16 Berichte / Erlebtes Vorstandssitzung und Kolloquium der Europäischen Assoziation in Lyon

Auf Einladung der französischen Ehemaligenver- le eingehalten und entsprechende Änderungs- darüber, wie in den letzten Jahr- einigung tagte der EA-Vorstand am 9.10.2016. oder Streichungsanträge anderer Delegationen hunderten Zuwanderung die Region Neben unseren Delegierten Prof. Dr. Uwe Holtz, zurückgewiesen werden. Die Vorstandssitzung verändert und bereichert hätten. Ingrid Matthäus-Maier und Prof. Dr. Nils wurde beendet durch ein Statement der türki- Diederich nahmen Vertreter und Vertreterinnen schen Delegation, die über den Putsch in der Am zweiten Sitzungstag wurde weiterer 14 Mitgliedstaaten sowie der Ehemali- Türkei berichtete. Es wurde eine Broschüre im Kolloquium der durch die genvereinigung des Europäischen Parlaments teil. verteilt, in der die allseits bekannte Sicht des Vorstandsbeschlüsse veränderte Die Vorstandssitzung wurde in Anspruch ge- Putsches und ihrer mutmaßlichen Urheber Deklarationsentwurf diskutiert nommen von der Vorbereitung des Kolloquiums in der Interpretation von Präsident Erdogan und verabschiedet. Es gab „The challenges of immigration“. Grundlage der und der türkischen Regierung wortreich und kontroverse­ Diskussionen und Diskussion war die von der Berichterstatterin bildreich dargestellt wurde. Präsident Lino Einzelabstimmungen. Alle deut- Ilona Graenitz vorgelegte dritte Version ihres ­DeBono verurteilte im Namen der EA den schen Änderungsanträge wurden Deklarationsentwurfs. Die von der deutschen Putsch, wies aber zugleich daraufhin, dass angenommen, insbesondere auch Vereinigung während des Studientages am die Maßnahmen der türkischen Regierung in der Hinweis beim Absatz über die 10.5.2016 in Berlin erarbeiten Änderungsvor- Ausmaß und Intensität rechtsstaatliches Au- Entwicklung zu einer besseren schläge waren hierin weitestgehend enthalten. genmaß vermissen ließen. Welt, dass die 2030 Agenda ein Insgesamt wurden in der Sitzung über 39 Än- „promising programme for the peo- derungsvorschläge diskutiert und abgestimmt. Am Nachmittag wurde die Vorstandssitzung ple seeking better living conditions Die im Vorstand unserer Vereinigung gezogenen erweitert zu einem offenen Kolloquium, an at home“ beinhaltet. Ebenfalls „roten Linien“ (z. B. Bedeutung europäischer dem für unsere deutsche Vertretung zusätzlich angenommen wurde der Antrag, Werte, Rückführung bei Ablehnung des Bleibe- Dr. Elisabeth Altmann und Roland Artur zu prüfen, ob – basierend auf den rechts, Hinweis auf unerreichbare Erwartungen Kohn teilnahmen. Vorträge vom Anthropologen Beschlüssen der Conference of der Ankommenden, Gefahr für Demokratie und Abdellatif Chaouite und Historiker Philippe the parties to the UN Convention Stabilität in den Aufnahmeländern) konnten al- Hanus gaben einen eindrucksvollen Überblick on Climate Change (COP 21) und dem 5. Bericht des International Panel on Climate Change (IPPC) –

© privat Migranten, die durch die Effekte des Klimawandels berührt seien, der Status eines Flüchtlings nach der Genfer Konvention zuerkannt werden sollte.

Dass das Papier den verbindlichen Namen „Declaration“ statt des we- niger verbindlichen „Report“ erhielt, ist vor allem der Verdienst von Uwe Holtz. Die monatelange Vorarbeit von Berichterstatter und Leiter der Arbeitsgruppe Nils Diederich war sehr wirksam. Deutsche Delegation in Lyon Ingrid Matthäus-Maier

nachrichten Dezember 16 9 Berichte / Erlebtes

Unser Mitglied Walter Scheel verstarb am der Wegbereiter für die deutsche Wiederver- © privat 24.8.2016 im Alter von 97 Jahren. Er hat in seiner einigung. 1973 wurde Scheel Präsident der politischen Laufbahn bedeutende Weichenstellun- Bundesrepublik Deutschland und gelangte gen vorgenommen. Nach Jahren als Abgeordneter insbesondere durch das vom ihm gesungene im Landtag von Nordrhein-Westfalen wurde er Volkslied „Hoch auf dem gelben Wagen“ zu 1961 der erste deutsche Entwicklungsminister besonderer Popularität. Die Einnahmen aus überhaupt. Als FDP-Bundesvorsitzender führte er dem Verkauf der Platte gingen an die „Aktion die FDP in eine sozialliberale Koalition und war Sorgenkind“ (heute „Aktion Mensch“). unter Bundeskanzler Willi Brandt Vizekanzler Auch nach Ausscheiden aus dem Amt des und Bundesaußenminister. Gemeinsam mit Bundespräsidenten engagierte sich Walter Brandt engagierte er sich für eine Entspan- Scheel sowohl politisch als auch gesellschaft- nungspolitik gegenüber Osteuropa und für eine lich. Seine letzten Lebensjahre verbrachter er neue Deutschlandpolitik und wurde damit einer in der Nähe des Schwarzwaldes.

Gedenkveranstaltung für zivile Kriegstote

In Neumark (Stare Czarnowo, hatte der Volksbund anlässlich des zehnjähri- Polen) wurden am 22.10.2016 ins- gen Bestehens der Kriegsgräberstätte zu einer © Volksbund gesamt 292 Kriegsopfer zur letzten Gedenkveranstaltung geladen. Der frühere Bür- Ruhe gebettet. Ihre sterblichen germeister und Justizsenator Berlins Wolfgang Überreste hatte der Volksbund- Wieland engagiert sich seit vielen Jahren als Umbettungsdienst in den Monaten Vorstandsmitglied für den Volksbund. „Wir ken- zuvor aus unterschiedlichen nen das Gefühl des inneren Friedens, das sich Grabanlagen, darunter einem am endlich gefundenen Grab eines schmerzlich Massengrab nahe Bromberg/Byd- vermissten Menschen einstellen kann“, so goszcz, geborgen. Gemeinsam mit Wieland anlässlich der Gedenkveranstaltung in Wolfgang Wieland bei Einbettung ziviler Kriegstoter auf der dem Bund der Vertriebenen (BdV) Neumark. deutschen Kriegsgräberstätte in Stare Czarnowo, Polen 2009 Mitgliederveranstaltung in Bonn Empfang beim Oberbürgermeister und Besichtigung des Post Tower

Bonn war regelmäßig Ort vieler Mit- empfangen wurde. Durch die jüngste Diskussion im darzulegen. „Die große Befürchtung, dass alles den gliederveranstaltungen in den zurück- Haushaltsausschuss zum Hauptstadtbeschluss gab Bach runtergeht, hat sich nicht bewahrheitet,“ so liegenden Jahren. Deshalb haben wir es zudem ein zentrales Thema für unseren Besuch. Sridharan. Bonn habe den Strukturwandel sehr gut es sehr begrüßt, dass die Vereinigung Oberbürgermeister Ashok Sridharan nutzte des- geschafft. Das neue Zeichen des Strukturwandels am 15.11.2016 einmal wieder vom halb gern die Gelegenheit, vor ehemaligen „Tätern“ sei der „Post Tower“, er habe den „Langen Eugen“ Oberbürgermeister der Stadt Bonn des Beschlusses die Bonner Position nachdrücklich als Wahrzeichen abgelöst. Durch die verbindliche

10 nachrichten Dezember 16 Berichte / Erlebtes

Logistik­unternehmen, das uns Rainer Wend vorstellte. Mit ca. 60 Milliarden Euro Umsatz und einem Gewinn von

© Carmen Pägelow (3) (zuletzt) 2,4 Milliarden Euro hat sich das Logistikunternehmen nach der Postprivatisierung eindrucksvoll an die Weltspitze geschoben. Die vier wesentlichen Säulen des Unterneh- mens sind: die traditionelle Post mit Paketdienst und E-Commerce, der Expressversand (Weltmarktführer), Empfang beim Oberbürgermeister in Bonn das Speditionsgeschäft und die Kontraktlogistik (inclusive eigener Festlegung der Firmensitze von Post und Telekom Diskussion, einstimmig vom 45-köpfigen Gremium Produktionsstätten wie etwa der in Bonn und auch durch den Sitz des Klimasekre- verabschiedet, sei noch einmal überzeugend Sinn Elektroproduktion). Die Deutsche tariats der UN sei die positive Entwicklung Bonns und Effizienz der Arbeitsteilung zwischen Bonn und Post/DHL hat in Deutschland 207.000 eingeleitet. Bonn habe heute höchstqualifizierte Berlin dargelegt worden. Wegen der mangelnden Zeit Mitarbeiter (150.000 bei der Post), Arbeitnehmer (25% Akademiker) in 16.000 Unter- fand eine – sicherlich auch kontroverse – Diskussi- die alle nach Tarif bezahlt werden. nehmen und blicke hoffnungsvoll in die Zukunft. on nicht statt. Es wurde die sich anbahnende Metro- Wir waren beeindruckt von diesem Das heiße aber nicht, dass ein zweites Abziehen polregion Rheinland, die auch von Bonn unterstützt Firmenporträt! von Regierungsdienststellen verkraftbar sei. Viele wird, begrüßt und noch einmal die sehr positive Dietmar Schütz der Firmen, Institute und wissenschaftlichen Veränderung der alten Wirkungsstätte betont. Einrichtungen hätten sich nur im Vertrauen auf das „Was heißt DHL?“ wusste keiner zu weitere Bestehen der Regierungsstellen für Bonn Am Nachmittag war dann das „neue Wahrzeichen“ beantworten. Die Antwort ist: DHL, entschieden. Dies gelte insbesondere für Einrich- der Stadt Bonn, nämlich der Post Tower, Ziel unse- 2002 von der Deutschen Post ge- tungen des internationalen Bereichs. res Besuchs mit einem anschließenden Gespräch kauft, wurde 1969 in San Francisco mit unserem ehemaligen Kollegen Dr. Rainer gegründet und mit den Anfangsbuch- Im Positionspapier der Stadt Bonn, des Rhein-Sieg- Wend, dem jetzigen Zentralbereichsleiter Politik staben der Nachnamen der Gründer Kreises und des Kreises Ahrweiler zur Bonn-Berlin- und Regulierungsmanagement bei der Deutschen Dalsey, Hillblom und Lynn benannt. Post. Der von der Deutschen Postbau, einer damals noch staatlichen Postfirma, in nur zwei Jahren er- richtete Post Tower ist ein eindrucksvolles Beispiel energieeffizienter Bauweise. Mit einer Doppelglas- fassade und einem Wasserkühl- bzw. Wasserwär- mesystem schafft der von Helmuth Jahn als Ar- chitekt ersonnene Post Tower eine Energieersparnis von 35% im Vergleich zu konventionellen Hochhäu- sern. Er hat deshalb zu Recht den internationalen Dr. Rainer Wend mit Präsidentin Dr. Edith Niehuis, Parl. Nachhaltigkeitspreis Ten-years-Award gewonnen. Staatssekretärin a. D. (Mitte), Geschäftsführerin Rita Pawelski (l.), Schatzmeisterin Ingrid Matthäus-Maier (r.) Dieser überwältigende Post Tower ist die Konzern- und Beisitzerin Irmingard Schewe-Gerigk (2. v. l.) zentrale der Deutschen Post/DHL, dem weltgrößten Stahlverbundstützen zwischen Turmhälften

nachrichten Dezember 16 11 Berichte / Erlebtes Das ganz andere Leben nach der Politik Dr. Marliese Dobberthien

Pferden. Das alles ist eine kleine Nische der Pferde-

© privat (3) zucht. Dank Internet kann ich mich über mangelnden Absatz nicht beklagen. Aus meiner Zucht sind gekör- te Hengste und Prämien- und Staatsprämienstuten, Elite-Auktionsfohlen, Bundeschampionatspferde und viele sportlich erfolgreiche Pferde hervorgegangen.

Auch nach bald 18 Jahren ist es spannend wie am ersten Tag. Beglückend sind immer wieder, erste Gehversuche und die unterschiedlichen Charaktere der Fohlen beobachten zu dürfen. Nach den hekti- schen Berufszeiten bietet ein Leben auf dem Lande Rhythmus und Harmonie im Wechsel der Jahreszei- Dr. Marliese Dobberthien mit Cremello Hengst Qaside MD ten. Frühere Reisen durch die Welt sind heute solche ins Innere der Seele. Wenn morgens Nebel aus den Weiden steigt und nur die Silhouetten der Pferde Es begann mit 12 Jahren bei einem für die Seele. Mit jedem Galoppsprung durch den erkennbar sind, wenn nachts die Sterne funkeln, Schüleraustausch. Bei Christel in Hamburger Klövensteen fielen die Anspannungen ganz ohne Sichtbehinderung durch Großstadtsmog – Pech lernte ich töltende Islandpferde des Alltags ab und der Kopf wurde wieder frei. dann entstehen Gefühle der Kreatürlichkeit … und kennen und erlebte das Vergnügen Nach dem Kauf der ersten eigenen Stute folgte die ich verspüre ein kleines Glück in bewegten Zeiten. erster Reitversuche. Dem Pferdevirus zweite, die dritte… Das Pferdevirus hatte wieder verfallen beschloß ich, das Reiten zu voll zugeschlagen. lernen. In einem Reitstall auf dem Travemünder Priwall verbrachte ich Nach dem Ende meiner Bundestagstätigkeit kaufte eine glückliche Kindheit und Jugend. ich einen Hof in der Altmark. Mit 11 ha Land, einem Reitstunden musste ich mir verdie- großen Stall und jeder Menge Wohnfläche. Hart war nen. der Anfang. Ohne jegliche Kenntnisse und mit jeder Menge Sanierungsbedarf ging’s los. Doch es gab Mit Beginn des Studiums war der hilfreiche Nachbarn und alte Freunde, die mit gutem weitgehende Abschied von den Pfer- Rat und Maschinen aushalfen. Heute gehören zum Deutsche IPU-Delegation: Ulla Schmidt, Dr. Marliese den angesagt. Es waren die wilden Hof 22 ha arrondierte Koppeln, eine Bewegungshalle, Dobberthien, Dr. Edith Niehuis 68er Jahre, die mich politisierten u. a. Laufställe, Boxen und was man noch für Pferde mit ihrem § 218 und der Frauenfrage. braucht. Ein Angestellter ist für den Stall und die Es folgten berufliche Stationen bei Tiere verantwortlich. Ich selber schwinge mich nicht Gewerkschaften, im Hamburgischen mehr auf den Rücken der Pferde. Senat und im . Zunächst züchtete ich Trakehner, später experimen- Der Wunsch nach einem sportlichen tierte ich mit Pferden mit seltenen Fellfarben. Mit Ausgleich führte mich wieder zur bestmöglicher Genetik. Nachgefragt waren vor allem Reiterei. Nach anstrengenden Bonner meine Isabellen und Buckskins. Derzeit expere- 1992 in Syrien mit Bundesminister a. D. (l.) Wochen waren flotte Ausritte Balsam mentiere ich mit silver- und champagne-farbenen und Dr. Wolfgang von Geldern, Parl. Staatssekretär a. D. (r.)

12 nachrichten Dezember 16 Berichte / Erlebtes Mein Leben nach der Politik Heribert Scharrenbroich

als Vorsitzender des Kuratoriums. Jetzt ging es 1-plus – CARE für Kinder in Slums“ darum, konkret Menschen in der sog. Dritten Welt gegründet, deren Vorsitzender ich © privat (3) zu helfen: für sie Hilfe nach Naturkatastrophen bin. „Sport für Entwicklung“ steht oder auf der Flucht vor Krieg und Verfolgung im Mittelpunkt der Projekte dieser zu organisieren und ihre Widerstands- oder Stiftung. Denn beim Training wer- Selbsthilfekräfte durch Entwicklungszusammen- den die Kinder und Jugendlichen arbeit zu stärken. Da Bildung und Gesundheit motiviert, ihre Persönlichkeit zu entscheidend für die Überwindung von Armut und entfalten, sich gegen die Gefahren Not sind und dafür die Grundlagen in Kindheit im Slum zu wappnen und die Schule Empfang bei Papst Johannes Paul II 1991 in Castel Gandolfo und Jugend gelegt werden, habe ich 2009 mit an- zu besuchen (weitere Infos unter deren Freunden bei CARE die Stiftung „Hoffnung www.care.de/hoffnung1plus).

Nationale und internationale Sozialpolitik sowie Menschenrechte und Entwicklungszusammenar- beit/Humanitäre Hilfe waren zweifelsohne meine Schwerpunktthemen im Bundestag als Vorsitzen- der der Arbeitnehmergruppe der Unionsfraktion, als Mitglied des Auswärtigen Ausschusses, als Staatssekretär im Familienministerium (BMFSFJ) und als Regionaldirektor der Internationalen Ar- beitsorganisation (ILO) – aber auch schon vorher als Entwicklungsexperte in Lateinamerika (5 Jah- re) und Hauptgeschäftsführer der CDA (8 Jahre).

Ende 2000 wollte Rot/Grün den Christdemokra- ten bei der ILO durch einen Sozialdemokraten Besuch einer Grundschule im Korogocho-Slum, Nairobi 2015 ersetzen. Dank der wirklich ausreichenden Ruhestandsbezüge beschloss ich, kein Geld mehr verdienen zu wollen und nur noch das zu machen, was mir sinnvoll erscheine und Spaß mache. Ich glaube, dass ich das weitgehend geschafft habe und mich von dieser Maxime weiter leiten lasse: zunehmend Zeit für meine große Familie und Freunde zu finden und mich ehrenamtlich in der Entwicklungszusammenar- beit/Humanitären Hilfe zu engagieren.

Nach meinem Ausscheiden bei der ILO im Alter von 61 engagierte ich mich bei der Hilfsorgani- sation CARE Deutschland und agierte 2005 bis 2013 als ehrenamtlicher Vorsitzender, seitdem Besprechung mit dem Ehepaar Christo (l.) und Jeanne Claude sowie dem Kollegen Claus-Peter Grotz (r.), 1993

nachrichten Dezember 16 13 Erlesenes

Heide Simonis Cornelia Schmalz- Gunter Heringstage Jacobsen Weißgerber Ein Schleswig- Russensommer Die DDR – ein Unrechtsstatt Holstein-Krimi Meine Erinnerungen an die Be- von Geburt an Borbyer Werkstatt freiung vom NS-Regime OsirisDruck, Verlag GmbH, C. Bertelsmann Verlag, 2016 Leipzig 2009, geheftet, Eckernförde 2016 gebunden, 224 Seiten, 19,99 E 56 Seiten, 10,00 E kartoniert, 184 Seiten, 14,90 E ISBN 978-3-570103-11-1 ISBN 978-3-9413-9454-4 ISBN 978-3-940586-10-0 Der Sommer 1945 hat sich der Autorin tief ins Der Verfasser weist nach, dass die staatsrecht- Eine deutsch-dänische Sonder- Gedächtnis gebrannt. Sie erlebte das Kriegsen- lich organisierten Anfänge der DDR von Unrecht kommission der Polizei soll den de als zehnjähriges Mädchen bei Verwandten und Unfreiheit und keineswegs von Freiheit und Mord von drei Frauen aufklären. an der Ostsee. Ihre Freundschaft zu drei jungen Demokratie gekennzeichnet waren. Angereichert Die Suche entwickelt sich zu einer Rotarmisten­ machte diesen Jahrhundertsom- ist die Broschüre mit Quellen der SPD-Gründung komplexen gesellschaftlichen Cha- mer für sie unvergesslich. 1945, dem Protokoll einer SPD-Versammlung rakterstudie. von 1961 sowie der gemeinsamen Erklärung von RotRotGrün in Thüringen 2014. *** *** *** Personalien

Die Wahl in Mecklenburg- nicht, so Rüttgers. Der Beitrag ist online abruf- Vorpommern war für Prof. Dr. bar in der Mediathek des Senders. Jürgen Rüttgers, Bundesminis- ter a. D. und früherer Minister- Wahlprogrammkino für die Ohren gab es in präsident in Nordrhein-Westfa- Vorbereitung auf die diesjährige Wahl zum Unter der Rubrik „Ein Billenbürger berichtet…“ len, keine Überraschung. Über Abgeordnenthaus in Berlin beim Radiosender erscheinen im Hahnheider Landboten, einem das Verhalten der Wähler und die FluxFM. Wahlexperten stellten den Hörern die ­Anzeigenblatt für Trittau und Umgebung regel­ Rolle der Parteien schrieb Rütt- Wahlprogramme der Parteien vor. Politikwissen- mäßig Essays von Uwe Looft über politische gers in „Wer nicht kämpft, hat schaftlicher Prof. Dr. Nils Diederich informierte aber auch alltägliche Geschichten. schon verloren“ in The Huffington am 13.9.2016 über das Wahlprogramm der SPD. *** Post vom 5.9.2016. Die Studiogäste bei hart aber fair, darunter Im politischen Feuilleton „Zu- der frühere Bundesminister Gerhart Baum, Vertrauensverhältnisse kunft statt Biedermeier“ des diskutierten am 17.10.2016 über den Fern- Autobiografie Deutschlandradio Kultur vom sehfilm „Terror“. Der Fernsehfilm zeigt den Herder Verlag, 2016 4.10.2016 sagte Rüttgers, die Prozess gegen einen Bundeswehrpiloten, der gebunden, 304 Seiten, 24,99 E Christdemokraten müssten die ein entführtes Flugzeug abschießt: 164 Men- ISBN 978-3-451-34968-3 Widersprüche zwischen Partei- schen werden getötet, um 70.000 Menschen programmen und konkreter Poli- zu retten. Die Gäste diskutierten neben dem Die Stationen seines Lebens­weges eröffnen ein tik beseitigen. Mobilität predigen Fall und die rechtliche Situation in Deutsch- Panorama der späten deutschen Nachkriegs- und gleichzeitig das hohe Lied land auch das Urteil des Publikums. Schuldig gesellschaft voller unbekannter Hintergrundge- von Heimat singen, das gehe oder nicht schuldig? schichten, amüsanter Anekdoten und Einblicke in entscheidende Phasen deutscher Geschichte. Mit einem Vorwort von Dr. Wolfgang Schäuble.

14 nachrichten Dezember 16 Die Geschäftsführerin informiert

© Carmen Pägelow Wir begrüßen als neue Mitglieder:

Gerhard Bauer (SPD) Erika Reinhardt (CDU) MdB 1998 MdB 1990-2002

Georg Fahrenschon (CSU) Steffen Kampeter (CDU) Staatsminister a. D. Parl. Staatssekretär a. D. Präsident Deutscher Hauptgeschäftsführer Bundesvereinigung der Sparkassen- und Giroverband Deutschen Arbeitgeberverbände MdB 2002-2007 MdB 1990-2016

Peer Steinbrück (SPD) Bodo Ramelow, MdL (DIE LINKE) Bundesminister a. D. Ministerpräsident des Freistaates Thüringen Staatssekretär a. D. MdB 2005-2009 Minister a. D. Ministerpräsident a. D. Dr. Horst Schnellhardt (CDU) MdB 2009-2016 MdEP 1994-2014

Versorgungsfreibetrag bei Einkommenssteuererklärung geltend machen

Das 2004 beschlossene Alterseinkünftegesetz, nach Um den Versorgungsfreibetrag beim Finanzamt setzt. Ab sofort wird die Verwaltung dem Renten zunehmend besteuert werden, führte geltend zu machen, bedarf es einer Bescheini- des Deutschen Bundestages, Referat zu weiteren gesetzlichen Anpassungen. So können gung des Arbeitgebers. Die Bescheinigung, die die PM 1, in den Bescheinigungen zur Pensionäre, deren Pensionen voll versteuert werden, Verwaltung des Deutschen Bundestages bisher Vorlage beim Finanzamt die Daten zum Ausgleich einen Versorgungsfreibetrag und hinsichtlich der Altersentschädigung zur Vorlage für den Versorgungsfreibetrag auf- -zuschlag geltend machen. Auch für ehemalige beim Finanzamt ausstellt, weist die Bemessungs- nehmen. Wer bisher versäumt hat, Abgeordnete gilt, dass sie bei der Besteuerung grundlage für den Versorgungsfreibetrag und den den Versorgungsfreibetrag geltend ihrer Altersentschädigung einen Versorgungs- Versorgungsbeginn nicht aus. Darum hat sich die zu machen, sollte über Einspruch freibetrag ansetzen können. Maßgeblich für die Präsidentin der „Ehemaligen“, Dr. Edith Niehuis, die vergangenen Steuerbescheide Bemessung des jeweiligen Versorgungsfreibetrages Parl. Staatssekretärin a. D., mit der Verwaltung anfechten und eine Neufestsetzung ist das Kalenderjahr des Vorsorgungsbeginns. des Deutschen Bundestages in Verbindung ge- beantragen.

***

Beim Bild in der Ausgabe Juli 2016 auf Seite 12 von Dr. Martina Bunge und ihrem damaligen Staats- Mit Aufregung – und sekretär wurde versehentlich Prof. Dr. Axel Azzola auch mit Wehmut – († 6.11.2007) nicht mit abgebildet. schaue ich auf die bevor-

stehende Wahl des deut- © Stadtverwaltung Erfurt schen Bundestages. Den Kandidaten wünsche ich einen fairen Wahlkampf und uns allen erholsame und festliche Feier­tage. Kommen Sie gut in das Dr. Martina Bunge als Vorsitzende der Gesundheits­ ministerkonferenz mit ihrem damaligen Staatssekretär Neue Jahr! Weihnachtsmarkt in Erfurt Prof. Dr. Axel Azzola (r.)

nachrichten Dezember 16 15 Jubilare 1. Halbjahr 2017 Beendigung der Mitgliedschaft 95 Jahre 85 Jahre 75 Jahre 13.01. Marie-Elisabeth Klee 05.06. Johannes Ganz 06.01. Bernd Neumann Franz Heinrich Krey 67240 Bobenheim- 66606 St. Wendel Staatsminister a. D. Roxheim 28759 Bremen Dorothea Szwed 10.06. Dr. 01.05. Dr. Hermann Schwörer Bundestagspräsident a. D. 20.01. Heinz-Günter Bargfrede Hans-Günther Toetemeyer 72488 Sigmaringen 70191 Stuttgart 27356 Rotenburg Stadtrat a. D. 23.06. Hansheinz Hauser 27.06. Ferdinand Tillmann 13.02. Otto Bernhardt 59846 Sundern Oberbürgermeister a. D. Parl. Staatssekretär a. D. 47803 Krefeld 80 Jahre 12203 Berlin Sigrid Folz-Steinacker 90 Jahre 17.02. Konrad Weiß 20.01. Regina Schmidt-Zadel 13187 Berlin 28.01. Hans Stefan Seifriz 50996 Köln Senator a. D. 10.03. Peter Friedrich 28357 Bremen 29.01. Mechthild von Alemann Wir gedenken 04600 Altenburg 3080 Tervuren, Belgien 23.03. Frank Hofmann 18.03. Alfred Hartenbach (SPD) 97332 Volkach 17.02. Prof. Dr. Rita Süssmuth 66129 Saarbrücken Parl. Staatssekretär a. D. Bundestags-­ † 25.06.2016 26.04. Roswitha Verhülsdonk präsidentin a. D. 04.04. Horst Schild Parl. Staatssekretärin a. D. 11011 Berlin 56068 Koblenz 30890 Barsinghausen Dr. Josef Hofmann (CDU) 24.02. Gunter Huonker Bürgermeister a. D. 15.05. Harry Liehr Staatsminister a. D. 05.04. Dr. Irmgard Schwaetzer † 13.08.2016 Senator a. D. 53173 Bonn Bundesministerin a. D. 12249 Berlin 14193 Berlin Manfred Schmidt (SPD) 04.03. Georg Pfannenstein † 21.08.2016 03.06. Dr. Oscar Schneider 92536 Pfreimd 13.04. Dr. Walter Hitschler Ministerialrat a. D. Bundesminister a. D. Dr. h. c. Engelbert Nelle (CDU) 11.03. Antje-Marie Steen 66482 Zweibrücken 90491 Nürnberg 23743 Grömitz † 22.08.2016 29.06. 17.04. Lisa Seuster 24.03. Johannes Nitsch Walter Scheel (FDP) Bundesminister a. D. 59515 Lüdenscheid Parl. Staatssekretär a. D. Bundespräsident a. D. 30455 Hannover 01309 Dresden 02.05. Udo Ehrbar Bundesminister a. D. 85 Jahre 30.03. Detlev von Larcher 69181 Leimen † 24.08.2016 26.01. Dr. Willibald Jacob 28844 Weyhe 12.05. Dr. Heinz Köhler Dr. Manfred Geßner (SPD) 13086 Berlin 13.04. Werner Ringkamp 96268 Mitwitz † 31.10.2016 48151 Münster 30.01. Erika Reinhardt 14.05. Jörg-Otto Spiller Dr. Konrad Kraske (CDU) 70327 Stuttgart Bezirksbürger- 21.05. Hans Peter Schmitz † 16.11.2016 meister a. D. 06.03. Dr. Hansjörg Häfele 52499 Baesweiler 14169 Berlin Parl. Staatssekretär a. D. 14.06. Hans-Ulrich Klose 78073 Bad Dürrheim Bundestagsvize- 22.05. Eva-Maria Kors 15.05. Prof. Dr. Winfried Pinger präsident a. D. 49377 Vechta 51107 Köln 14059 Berlin 15.06. Friedhelm Ost 22.05. Werner Broll 19.06. Hans-Wilhelm Pesch Staatssekretär a. D. 26129 Oldenburg 41239 Mönchengladbach 53604 Bad Honnef

Herausgeber: Redaktion: Realisierung: Vereinigung ehemaliger Mitglieder des Deutschen Rita Pawelski, Geschäftsführerin Konzeption, Layout: Holger Ebeling ­Bundestages und des Europäischen Parlaments e. V. der ­Vereinigung ­ehemaliger Mitglieder des Deutschen Druck: MOTIV OFFSET GbR Unter den Linden 71 · 10117 Berlin ­Bundestages und des Europäischen Parlaments e. V. Telefon 030 / 22 79 20 28 · Fax 030 / 22 79 20 29 (verantwortlich) E-Mail: [email protected] Carmen Pägelow, Simone Thurow www.ehemalige-abgeordnete.de, www.vemdb.de Redaktionsschluss: 25.11.2016