hochschule politisch­ akademisches journal aus ostdeutschland ost Leipzig 3. Quartal 1996

3/96 MEII\Jt HERREN, Ll:ID�� 5. Jahrgang IST DAS 'f'R.OGRAMM HIT l>EM l'P-.C>TOl,(OLL ABGEHÜ�Z T, l-llR. ISSN 0944-7989 11U�.S€N '!>AHE/t DI!: GANZ� 511l.UNG IJll;D€fl.-HOL�N!

Thema & Autoren:

FrauenforschungOst: Geschichte& BIianzdes Neubeginns: Renate Llebsch & Angelika Haas, Monika Stein, lrene Dölllng, Astrid Franzke, Ulrlke Dledrich & Heidi Stecker \iÖ. Weitere Beiträge von Relnhard Slegmund-Schultze, Burchard Brentjes, DieterWittlch,Claudia Salchow, LotharMertens,Wieland Kelnath, Manfred Cartoon: Oswald Huber I Baaue Wölfling, Karin Reiche, Bernd Markert, GOnterWlrthu.a. hochschule politisch- akademisches joumalaus ostdeutschland 0 s t· 3/96

Herausgegeben für den Arbeitskreis Hochschulpolitische Öffentlichkeit beim StuRa der Universität Leipzig von Peer Pasternack Redaktion: Sonja Brentjes, Frank Geißler, Monika Gibas, Matthias Middell, P·eer Pasternack, Georg Schuppener

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Feministische Wissenschaftlerinnen konstatieren für die alte Bundesrepu­ blik seit Beginn der achtzigerJahre eine .Verstaatlichung der Frauenfragen" und eine deutliche .Abnahme feministischer Aktivitäten" in der zivilgesell­ schaftlichenSphäre. Im Bereich der Wissenschaften sei eine .Professionali­ sierung der sogenannten Frauenforschung" feststellbar, die eine .Bedienung der alten Arbeitsteilung - hier Wissenschaft, dortPolitik" einschließe. (Komelia Hauser) Diese kritische Bilanzierung des Einzugs des Feminismus in die etablierte Wissenschaftslandschaft der Bundesrepublik in den letzten anderthalb Jahrzehnten zielt - so nehme ich jedenfalls an - nicht auf eine generelle Ablehnung jeglicher Professionalisierung feministischer Wissenschaft. Eher macht die Autorin wohl auf die Ambivalenz solcher Prozesse der Etablie­ rung von kritischer Wissenschaft ins staatliche Wissenschaftssystem aufmerksam: Der von der westdeutschen Frauenbewegung erstrittene Einbau von Frauen- und Geschlechterforschung in den Fächerkanon der Hochschulen und Universitäten berge auch die Gefahr der Entschärfungdes ursprünglichen radikalen gesellschaftskritischen Ansatzes des Feminismus in sich. Mir scheint diese Gefahr allerdings vernachlässigbar. Denn bis heute kann m.E. nicht die Rede sein von einer der Bedeutung des Feminis­ mus im Rahmen innovativer Gesellschaftsanalyse und -kritik auch nur annähernd entsprechenden strukturellen Verankerung im Wissenschaftssy­ "Ich hoffe, daß die Professorenin ihrer tem der alten Bundesländer. Eher ist auf eine andere Gefahr zu verweisen: wissenschaftlichenArbeit mehr Sorgfalt Es scheint durchaus nicht abwegig, von einer intendierten Ghettoisierung walten lassen als beim Verfassenvon feministischerVY.issenschaftim Zuge der Durchsetzung der konservativen Protestbriefen." Gesellschafts- und Wissenschaftsstrategie auszugehen. Reduziertauf Der sächsische Ministerpräsident Kurt .Frauen- und Geschlechterforschung" und selbst dann noch möglichst auf Biedenkopf, dem aus Zeiten, als alles noch Einzelprofessuren begrenzt, wird sie zwar nicht gänzlich ausgegrenzt. Aber viel besser war, Verdienste um die Mitbe­ es wird versucht, die Etablierung feministischer Wissenschaft mit ihrem stimmung nachgesagt werden, am 3.7.1996 weitergreifenden methodischen Ansatz einer generellen Kritik männlichen zu dem Umstand, daß es Leipziger Profes­ Welt- und Wissenschaftsverständnisses zu behindern. sorinnen drängte, die Absicht des Finanzmi­ nisteriums zu kommentieren, 20% der Die vorläufige Bilanz der Verankerung feministischer Wissenschaft im sächsischen Hochschulpersonalstellen zu Rahmen des Umbaus des ostdeutschen Wissenschaftssystems erhärtet streichen diese Wahrnehmung. Hier war feministische Wissenschaft und ihre struktu-

hochschule ost 3/1996 7 relle Verankerung in Form von Lehrstühlen an den Hochschulen nicht einmal THEMA: Frauenforschung Ost: mehr vorgesehen, auch nicht mit Feigenblatt-Funktion. Nur durch massiven Druck von der Basis, nur mit enormer Frauen-power und etwas Glück war Geschichte & Bilanz des Neubeginns den männlich dominiertenArchitekten-Teams der ostdeutschen Wissen­ schaftsstruktur hier ein Minimalergebnis abzutrotzen. Ganze zwei (!) C4- Professuren für Frauen- und Geschlechterforschung wurden an Ost-Hoch­ schulen installiert. An einen weiteren Ausbau ist offensichtlich nicht ge- , dacht. Mit dem Totschlag-Argument .Finanzmisere", das die verwertungsge­ rechte Zurichtung des gesamten Bildungs- und Kultursektors legitimieren soll, versucht Mann, dem Druck der nach wie vor engagiert und hartnäckig um größere Spielräume für feministische Wissenschaft kämpfenden Frauen „Forschungen zu Frauen, aber keine zu begegnen. Die Abwehr des patriarchalen Wissenschaft.ssystems gegen Frauenforschung?" den weiteren Einzug feministischer Wissenschaft ist deutlich spürbar und (Selbst-)Kritische Reflexionen zweier Wissenschaftlerinnen Ober ein noch immer oder schon wieder sehr erfolgreich.Die verfeinerte Strategie Forschungsgebiet in der DDR. Eine Aufforderung zur Diskussion setzt nicht mehr auf (zumindest zur Zeit noch nicht wieder gesellschaftsfähi­ ge) Denunzierung feministischer Wissenschaft. Sie rechnet auf Zermürbung durch permanente Überforderung der wenigen existenziell gesicherten, weil gezwungenermaßenbesoldeten Akteurinnen innerhalb der etablierten Renate Liebsch (Berlin): Wissenschaft und der in ungesicherten Arbeits- und Existenzverhältnissen (Drittmittelforschung, ABM-Stellen) an der feministischen Front Forschen­ Der folgende Beitrag ist kein Ergebnis nelle Ansätze zur Untersuchung von den. Nach diesem Befund ist wohl eines klar: Eine breit angelegte und vor einer gründlichen und schon abge­ Gewalt gegen Frauen und anderes. allem dezidiert gesellschaftskritische Bearbeitung der nach wie vor als schlossenen Analyse zur DDR-Frau­ Aus eigenen Recherchen und Hinwei­ Herrschaftsverhältnisse existierenden Geschlechterverhältnisse, die das enforschung. Er soll vielmehr dazu an­ sen von Nutzerinnen wissen wir, daß in Projekt der Transformation der derzeitigen bürgerlichen Gesellschaft in eine regen, eine solche in Angriff zu neh­ privaten Forscherinnenkreisen, aber Zivilgesellschaft befördern könnte, ja, ohne die eine solche Transformation men. Er entstand im laufe von Archiv­ auch darüber hinaus Forschungsvor­ nicht gelingen wird, ist offenbar nicht erwünscht, wahrscheinlich sogar arbeiten für .Grauzone·. die Dokumen­ haben diskutiert und auch realisiert gefürchtet. Daher wohl soll solche Forschung gar nicht erst in auch nur tationsstelle zur nichtstaatlichen Frau­ worden sind, die an der tatsächlichen annähernd relevanter Quantität strukturell im Wissenschaftssystem veran­ enbewegung der DDR. Anliegen von Interessenlage der Frauen orientiert kertund als legitimer Zweig intellektueller Anstrengung ausgewiesen und .Grauzone" ist es u.a. auch, ihre Samm­ waren, die realen Geschlechterverhält­ staatlich gefördert werden. lung durch Dokumente zu erweitern, nisse aufdecken sollten und damit die die eigenständige wissenschaftliche DDR-offizielle Sicht mehr oder weniger Auch über zwanzig Jahre nach Beginn der .neuen Frauenbewegung" hat Bestrebungen vonFrauen im Interesse unterliefen. sich dies also nicht geändert. Das gesellschaftliche Klima für eine Akzep­ von Frauen belegen. Die Dokumentati­ tanz oder gar eine großzügigere Unterstützung feministischer Wissenschaft onsstelle bewahrt bereits einige sol­ Das Vorhaben, gezielt nach solchen scheint sich eher zu verschlechtern .• Alles wird besser, aber nichts wird cher Arbeiten aus dem Ende der 80er Arbeiten bzw. Dokumenten für solche gut"I Feministische Gesellschaftsanalyse und -kritik bleibt unverzichtbarer Jahre auf, u.a. Dokumente aus dem Forschungsansätze zu suchen, führte Bestandteil .eingreifenden Denkens·. Ohne die Ermöglichung einer wesentli­ Umkreis der Kirche im Zusammen­ uns zunächst zu der Frage nach den chen Erweiterungihres Potentials wird sich der patriarchal-konservative hang mit der feministischen Theologie, Kriterien dafür und zu der Frage, ob von Umbau der bundesdeutschen Gesellschaft perpetuieren. Arbeiten zur Situation der Lesben in vornherein wissenschaftliche Arbeiten ...______m.g. der DDR und zur Situation Alleinleben­ im Rahmen des staatlichen Wissen­ der und Alleinerziehender, konzeptio- schaftsbetriebes der DDR ausgeklam-

8 hochschule ost 3/1996 hochschule ost 3/1996 . 9 5 mert werden sollten. Das Urteil, das treffendes Bild unserer eigenen For­ Reihe" , die nicht nur Aufschluß gibt sondern auch auf Veränderung der sowohl von westlichen Feministinnen schungsgeschichte machen. Einmal über Forschungsthemen, sondern auch Verhältnisse; als auch von Frauenforscherinnen Ost­ brauchen wir es als Korrektiv zur offizi­ Ober Ergebnisse und Schlußfolgerun­ - feministische Wissenschaftskritik.8 deutschlands zu diesen Forschungen ellen Geschichtsschreibung. - Die Tat­ gen. Wir haben uns zwanzig Jahrgän­ Diese Kriterien werden von der Menge • gefällt worden ist, würde ein solches sache, daß uns heute bei genauerer ge dieser Zeitschrift, von 1971 bis 1990, der Forschungen zu Frauen in der DDR Herangehen nahelegen: Denn es läuft Betrachtung manches aus unserer ei­ also zwanzig mal sechs Hefte, genau­ (auch von den in diesem Papier er­ darauf hinaus, daß es in der offiziellen genen Geschichte schon wieder er­ er angesehen und wollen (nachdem wir wähnten) zweifellos nicht bzw. jeweils Wissenschaftslandschaft der DDR kei­ staunt, hat ja nicht nur mit dem zeitli­ nur einen Bruchteil dessen, was inter­ nur punktuell erfüllt. Vor allem deckten ne wirkliche .Frauenforschung" gege­ chen Abstand und der Unzulänglich­ essant wäre, in Augenschein genom­ sie die patriarchalen Verhältnisse nicht ben hat. Die Forschungen zu den Frau­ keit unseres Gedächtnisses zu tun, men haben) zunächst weiter nichts als als Herrschaftsverhältnisse auf. Den­ !=!n taugten heute .allenfalls als Grab­ sondern auch damit, daß unsere Erin­ einige dieser Forschungen in Erinne­ noch erscheint es uns nach der Sich­ beikiste für den einen oder anderen nerungen mittlerwelte überlagert sind rung zu rufen. Wir legen heute keine tung der .Grünen Reihe" und von Biblio­ 2 empirischen Beleg·. von dem, was andere Ober uns urteilen. Analyse vor. Vielmehr wollen wir dafür grafien zu frauenrelevanten Forschun- ' Dem sollten wir entgegenarbeiten. plädieren, daß dies in team work eines gen wichtig, hier festzustellen: Einen öffentlichen Verständigungspro­ Gleichzeitig brauchen wir den vorur­ größeren Kreises von Forscherinnen in zeß dazu im Sinne einer differenzierten teilslosen Blick auf unsere Forschungs­ Angriff genommen wird. Es hat in der DDR, im staatlichen Prüfung und Auseinandersetzung hat geschichte zum Lernen aus unseren Wissenschaftsbetrieb, nicht nur eine es allerdings bisher nicht bzw. nur in Begrenzungen. Die Beschäftigung mit In der DDR wurde der Begriff der .Frau­ äußerst große Zahl von Forschungsar­ Ansätzen gegeben.3 Wenn lrene DOi­ unseren Defiziten der zurückliegenden enforschung" seit den B0er Jahren für beiten zu Frauen gegeben. Uns hat iing 1992 schrieb, daß Frauenforschung Jahrzehnte könnte uns helfen, heutige alle Forschungen verwendet, die sich auch erstaunt, wieviel wir dank dieser heute .ohne ein Aufarbeiten der Ge­ Forschungen in einem kritischen lich­ im weitesten Sinne mit der Situation Forschungsergebnisse über die reale schichte der DDR und ihrer 'realsozia­ te zu sehen. Unseres Erachtens gibt der Frauen beschäftigten. Im Westen Situation der Frauen in der DDR wuß­ listischen' Form der Geschlechterver­ unser (nach der Wende) neu gewonne­ war der Begriff der .Frauenforschung· ten bzw. hätten wissen können. (Der, hältnisse nicht möglich" sei, so schließt nes Wissen um die patriarchale Unter­ zu dieser Zeit schon von feministischen Konjunktiv bezieht sich darauf, daß der dies auch die Aufarbeitung der Ge­ drückung von Frauen den zahlreichen Wissenschaftlerinnen genauer definiert größte Teil dieser Ergebnisse nicht der schichte der Forschungen zu den Ge­ empirischen Untersuchungen, die un­ und dabei jeweils mit ganz bestimmten breiten Öffentlichkeit zugänglich war. schlechterverhältnissen ein.• Daß in­ ter dem Etikett .Frauenforschung" be­ Maßstäben verbunden worden, denen Aber wir Forscherinnen waren von der zwischen an der Technischen Universi­ trieben wurden und werden (auch de­ sich heute auch ostdeutsche Forsche­ Kenntnisnahme nicht ausgeschlossen.) tät Dresden und am Zentrum für inter­ nen, die heute wieder auf der OSTFEM rinnen anschließen. Bei allen Differen­ So wurde zum Beispiel immer wieder �isziplinäre Frauenforschung der Hum­ vorgestellt wurden) nicht von vornherein zen zwischen den Autorinnen gibt es belegt, daß trotz rechtlicher Gleich­ boldt-Universität zu Berlin Bibliografien eine andere Qualität. heute weitgehend Übereinstimmung in stellung, gleicher Bildungschancen, zu Frauen-bzw. Geschlechterforschun­ einer Reihe von KrJ!erien. Dazu gehört einer gleich hohen beruflichen Qualifi-, gen in der DDR entstanden sind, die Was das Sammlungsvorhaben unse­ - die Handhabung von Geschlecht als kation (zumindest bei den jüngeren eine gute Grundlage für eine Beschäf­ res Archivs angeht, so sind wir zu dem gesellschaftliche Strukturkategorie, die Jahrgängen) und einer fast vollständi­ tigung mit diesen Arbeiten bilden könn­ Standpunkt gelangt, daß wir nicht umhin Ober hierarchische bzw. Unterdrük­ gen Berufstätigkeit der Frauen die ge­ ten, scheint uns ein Beleg dafür zu können, uns zunächst einmal einen kungsverhältnisse unterschiedliche sein, daß das Interesse an einer sol­ wenigstens groben Überblick Ober The­ soziale Chancen und Perspektiven für schlechtsspezifische Arbeitsteilung chen differenzierten Auseinanderset­ men bzw. Ergebnisse staatlich geför­ Männer und Frauen vermittelt; sowohl in der Volkswirtschaft als auch zung existiert. derter Forschungen zu Frauen in der - ein klar formuliertes weibliches For­ im Bereich der reproduktiven Sphäre DDR zu verschaffen. Wir haben dieses schungsinteresse (Frauen als Subjek­ eindeutig zu Lasten der Frauen ging. Mehrere Gründe sprechen dafür, daß versucht (und_in sehr begrenztem Um­ te der Forschung), das nicht nur auf die Es war bekannt, daß dieser sich immer wieder reproduzierende Tatbestand die wir uns selbst ein relativ genaues, zu- fange realisiert) anhand der .Grünen Aufdeckung von Benachteiligung zielt, .

10 hochschule ost 3/ 1996 bochschule ost 3/1996 11 'Bedingungen für die Persönlichkeits­ Gruppen sind, die wiederum klassen­ ßerdem sind sie objektiv geeignet, die Eine Vielzahl von Untersuchungen war entwicklung für Frauen gegenüber de­ und schichtspezifisch gebrochen sind. alte Arbeitsteilung in der Familie zu der relativ hohen Teilzeitarbeit von Frau­ nen der Männer deutlich einschränkte; Außerdem schlugen sie vor, ge­ erhalten und die überlebten Anschau­ en (27 Prozent) gewidmet. Die Tatsa­ daß eklatante Einkommensunterschie­ schlechtsspezifische Arbeitsteilung als ungen dazu sowie die besonderen Pro­ che, daß auch die Einführung der 40- de zwischen Männern und Frauen exi­ politökonomische Kategorie auszuar­ bleme der berufstätigen Mutter immer Stunden-Woche für Mütter mit mehre­ stierten und diese auch sozialpsycho­ beiten. (Es wäre heute interessant zu wieder neu zu reproduzieren. •10 In den ren Kindern diese Quote nicht zu be­ logische Relevanz für die Partnerschaft erkunden, welche Vorstellungen sie 80er Jahren, als erneut Maßnahmen in einflussen vermochte, veranlaßte eini­ erlangten; daß Frauen in weit stärke­ damit verbanden.)7 diesem Sinne beschlossen werden, ge Wissenschaftlerlnnen, die Aufmerk­ rem Maße als Männer Arbeitsplätze Die Einschätzung hinsichtlich der so­ nimmt Anita Grandke wiederholt dazu samkeit auf die in der Familie geleiste­ besetzten, die sie mit monotoner, ein­ zialen Unterschiede zwischen Männern Stellung. te Reproduktionsarbeit zu lenken bzw. seitig belastender und unschöpferischer und Frauen hat 0l?.!:igens auch lnge einige bisher unterbelichtete Gesichts­ Arbeit in ihrer Qualifikation weit unter­ Lange8 auf einer Konferenz 1979 vorge­ An pädagogischen Hochschulen, z. B. punkte stärker in das Bewußtsein zu forderten; daß Frauen vor allem in hö­ tragen. Sinngemäß stellte sie fest, daß in Erfurt, und an der Akademie der rücken (auch wenn insgesamt die Re­ heren Leitungsfunktionen stark unter­ es nicht ausreicht, lediglich die Gleich­ pädagogischen Wissenschaften erga­ produktion als Forschungsgegenstand repräsentiert waren. berechtigung der Frau zu verwirklichen. ben In den 80er Jahren Schulbuchana­ weiterhin ausgespartblieb}. So verwies Diese in zahlreichen Forschungspro­ Es gehe auch um ihre soziale Gleich­ lysen, daß Inhalt und Struktur von Ge­ Renate Dippman von der Sektion Wirt­ jekten belegten Tatbestände veranlaß­ stellung und diese erfordere gleiche schlechtsrollenbildern die alten patriar­ schaftswissenschaften der TH Karl­ 11 ten Wissenschaftlerder Martin-Luther­ Beding"ungen, wie sie der Mann zur chalen Muster reproduzierten. Ingrid Marx-Stadt darauf, daß es auch schöp­ JJniversität und der Akademie der Entfaltung seiner Fähigkeiten und Ta­ Wölfel, Sektion Erziehungswissen­ ferische Elemente in der Hauswirtschaft Wissenschaften 1977, von .sozialer lente hat.9 schaften/Pädagogische Psychologie - Leiten, Planen, Wirtschaften - gibt, Ungleichheit zwischen Männern und der Ernst-Moritz-Arndt-Universität schöpferische produktive Arbeit wie Bereits in den 70er Jahren setzte sich Frauen• zu sprechen. Gericke und Greifswald wies in einer Untersuchung Schneidern, Kochen, Erziehungder Kin­ Anita Grandke (damals Sektion Rechts­ Sauerzapfwandten 1982 die von Grund­ nach, wie Pädagogen und vor allem der.• Für viele Frauen·, so ihre Schluß­ wissenschaften der HUB, später Aka­ Pädagoginnen durch ihre unreflektier­ mann und Lötsch erhobenen Kriterien folgerung, .bietet dazu die Arbeit im demie der Wissenschaften) mit der ten Geschlechtsrollenbilder in ihrer für die Unterscheidung von sozialen Betrieb kein entsprechendes Äquiva­ vielzitierten .Einheit von Frauen- und Arbeit die Selbstbilder von Mädchen lent." Vielmehr nur geringe schöpferi­ Gruppen auf die Geschlechter an und Familienförderung· auseinander und und Jungen im Sinne der Rollenkli­ sche Anforderungen, keine Freizeit und explizierten damit noch einmal, daß machte deutlich, daß damit Männer schees befestigten. 12 dazu niedrige Bezahlung! 14 Männer und Frauen in der DDR sich aus ihrer Verantwortung für die Familie unterscheiden entlassen werden. Zu sozialpolitischen In einer Untersuchung von Rita Wenzel Eine von verschiedenen Forscherinnen - in der Stellung innerhalb des Sy­ Maßnahmen wie der Verkürzung der zur Rechtsverwirklichung in Ehe und mehrfach geäußerte Kritik richtete sich stems der gesellschaftlichen Produkti­ Arbeitszeit sagte sie: .Doch soweit mit Familie an der Sektion Rechtswissen­ dagegen, daß es im Grunde keine dif­ on; den genannten Maßnahmen besonde­ schaften der Humboldt-Universität wur­ ferenzierten geschlechtsspezifischen - in der Art und Höhe des Einkom­ re Rechte der Frau gewährt werden, mit de mit dem Vorurteil aufgeräumt, daß Forschungen gab, bzw. keine Forschun­ mens, des Besitzes; Rücksicht auf 'ihre' familiären Aufga­ die Benachteiligung der Frau unmittel­ gen zu Männern, die einen wirklichen - nach ihren Arbeits- und Lebensbedin­ ben und diese Rechte mit einer Verrin­ bar in der Tatsache ihrer Mutterschaft Vergleich zwischen beiden Geschlech­ gungen und der Lebensweise; gerung ihrer Aktivitäten im Arbeitspro­ begründet sei. Bei der Befragung zeig­ tern ermöglicht hätten. Die Praxis, so - nach ihren Bedürfnissen und Interes­ zeß verbunden sind, sollte man sie ten die Antworten der Männer und Frau­ Herta Kuhrig, bestand vielmehr darin, sen. möglichst nicht weiter ausdehnen. Sie en ohne Kinder, daß die Tendenz einer Forschungsgegenstände, die für Frau­ Sie stellten damit fest, daß Männer könnten die Rolle der Frau im Arbeits­ Einschränkung der gleichberechtigten en und Männer gleichermaßen relevant und Frauen nicht nur demografische kollektiv, vor allem in allen Fragen der Entwicklung der Ehefrau .schon durch waren, nur für Frauen zu untersuchen 13 Gliederungen, sondern große soziale Mitwirkung und Leitung verringern. Au- die Ehe selbst vorhanden ist". und die Ergebnisse dann einfach ge-

12 hochschule ost 3/1996 hochschule ost 3/1996 13 schlechtsspezifisch zu interpretieren. 15 was wir wußten, gemacht? Welche bereits ein Verdikt. Mit diesem Vorwurf winnt die Hilfe der Töchter sehr an Be­ Uta Bruhm-Schlegel bekräftigte diese Schlüsse haben wir daraus gezogen? wurde ein enormer Normenverstoß an­ deutung und .im Vergleich dazu ist die Erfahrung dahingehend, daß von Ge­ Warum haben wir bestimmte Schlüsse gezeigt. Niemand konnte, ohne sich Beteiligung der Söhne am Haushalt schlechtsbesonderheiten bezeichnen­ im Hinblick auf das Geschlechterver­ zugleich moralisch völlig zu disqualifi­ erschreckend niedrig". (Obwohl sie ver­ derweise nur im Zusammenhang mit hältnis in der DDR nicht gezogen? Wel­ zieren, für das .Kurzhalten· von Frauen bal befürwortet wird.) Als besonders der Frau gesprochen werde, das We­ che Erkenntnisblockierungen gab es - in welcher Hinsicht auch immer - traditionell erwiesen sich in dieser Un­ sen, das Verhalten des Mannes als viel denn? Wie hätten Forschungsfragen plädieren. tersuchung die Einstellungen der Män­ weniger beschreibungs- und erklä­ und Schlußfolgerungen aussehen müs­ ner, allerdings zeigte sich auch hier rungsbedürftig angesehen werde, weil sen, die uns auf dem Weg zur Gleich­ War es vielleicht auch diese .Unerhört­ eine Entwicklung, die auf emanzipato­ es offensichtlich als das Normale gel­ stellung weitergebracht hätten? heit", die uns hinderte, Männerherr­ rische Veränderung (beider Geschlech­ te, das der Frauen dagegen als das schaft und also Frauenunterdrückung ter!) hoffen ließ: Die Haltungen jüngerer Besondere. 18 zu einem Urteil zu erheben, das mehr Ehemänner von berufstätigen Frauen Wir denken, auch künftige wissen­ als Einzelfälle besonders .zurückge­ waren bereits weniger traditionell. Was Die Reihe der Beispiele verdeutlicht schaftliche Arbeiten, die sich einem bliebener" Exemplare von Lehrern, Vä­ auf dem 4. Soziologiekongreß 1995 vielleicht: Es geht bei der Bewertung feministischen Ansatz verpflichtet füh­ tern oder Lehrmeistern betraf? Und konstatiert wurde, war ja von uns auch von Forschungen zu Frauen in der DDR len, könnten davon profitieren, wenn schließlich gehörten ja auch die tat­ subjektiv so wahrgenommen worden: gar nicht allein darum, was wir wußten solchen Fragen anhand konkreter For­ sächlichen Veränderungen zu unseren Die Unterschiede zwischen den Men­ bzw. nicht wußten, sondern vor allem schungsergebnisse aus der Vergan­ Erfahrungen: In einer polnischen Unter­ schen waren in vielen Bereichen gravie­ um die Frage: Was haben wir aus dem, genheit einmal nachgegangen wird. suchung wurde festgestellt: Es gab render durch den Bildungsstand be­ fast keine Unterschiede in der bewäl­ stimmt als durch ihr Geschlecht. Die tigten Menge der Hausarbeiten zwi­ Mädchen Mtten nicht vermutet, sie Angelika Haas (Berlin): schen berufstätigen und nichtberufstä­ seien vielleicht gegenüber ihren männ­ tigen Frauen. (Das heißt, die Frau ar­ lichen Spielkameraden. Mitschülern, Festzuhalten ist nach der Sichtung damit zu tun, daß wir, wie Hanna Beh­ beitete .zusätzlich" im Beruf!) Und es Kommilitonen oder Partnern minder­ schon allein der veröffentlichtenBeiträ­ rend sagt, in unserem vergangenen wurde sogar eine Erweiterungder fami­ wertig oder mit weniger Rechten aus­ ge von Frauenforscherinnen aus DDR­ Patriarchat die .gnädigeren Herren• liären Obliegenheiten der Frauen ge­ gestattet. Zeiten in der .Grünen Reihe" also, daß hatten? Schließlich werden Erlebnisse funden: Mit ihrem Selbstbewußtsein, wir so viele Analysen und theoretische und Erfahrungen immer durch die Brille ihren neuen Kenntnissen aus dem Be­ Natürlich haben wir auf die Frage, wie­ Überlegungen, soziologische .Befun­ des Erwarteten bewertet. Und von dem, rufsleben und ihrer gewachsenen Bil­ so es in der DDR-Frauenforschung trotz de" haben, wie nicht erwartet - sogar was wir - ich spreche von der Genera­ dung übernahm sie auch stärker die der hier knapp skizzierten, insgesamt solche weitgehenden, wie den, daß tion, die nach 1949, also schon in der Verantwortung und Aufsicht über die doch recht weitreichenden empirischen Männer um ihre Arbeitsplätze durch DDR, geboren wurde - im großen und Bildung, die Schularbeiten der Kinder, Befunde, die öffentlich vorgestellt wur­ Frauenkonkurrenz fürchten - und doch ganzen und allgemeinen nach unserer organisierte die Finanzen und die Frei­ den in Publikationen, zumindest im blieb die wesentliche Folgerung ausge­ Kenntnis des Lebens unserer Mütter zeit der ganzen Familie. Aber festge­ wissenschaftlichen Bereich, bei der schlossen - daß es sich um Herr­ und der Geschlechterverhältnisse in stellt wurde eben auch: Die Beteiligung Wertung und den Schlußfolgerungen schaftsverhältnisse handelte, um sich unseren Elternhäusern erwarten durf­ der anderen Farr. itqlieder ist bei dann offensichtlich Erkenntnisbarrie­ reproduzierende sogar. Wo lagen die ten, waren unsere eigenen Erlebnisse den berufstätigen 1 • , r. Das ren hinsichtlich der Qualität der Unter­ Ursachen für solche Erkenntnisblok­ als Mädchen, unsere Ausbildungs­ ließ auf einen vielleicht doch m Gang drückungsverhältnisse von Frauen auch kaden? Waren sie empirischer Natur, chancen, Berufsaussichten und Part­ geratenen Prozeß der Veränderung von in der DDR gab, noch keine uns schon sind sie in der Spezifik der .DDR-So­ nerschaften natürlich von völlig anderer familialer Arbeitsteilung hoffen. Gleich­ befriedigenden Antworten. Deshalb zialisation" zu suchen, lagen erkennt­ Qualität. In der Erfahrungswelt dieser zeitig wurde aber auch das Gegenläu­ suchen wir nach Möglichkeiten weite­ nistheoretische Gründe vor? Hatte es Generationen war Frauenunterdrückung fige gefunden: In älteren Familien ge- ren Nachdenkens, möchten den Aus-

14 hochschule ost 3/1996 hochschule ost 3/ 1996 15 tausch von Gedanken, Erfahrungenund sofort die Relation zum anderen her­ Kinder beim gegebenen Stand der berufstätigen Frau und Mutter beson­ Forschungsergebnissen zu diesen Fra­ zustellen? Rollenzuteilung zwischen den Ge­ dere Bedeutung zu." Die Väter und ihre gen. Von der folgenden Vermutung schlechtern eine wesentliche Voraus­ Verantwortung fielen bei solchem Lob denke ich allerdings schon, daß sie Für Clara Zetkin waren die Frauen Ge­ setzung für die mögliche Frauenberufs­ der Mütter ganz aus dem Bild! 1970 war zutrifft: Eine wichtige Erfahrung haben schlechtswesen, anders als die Män­ tätigkeit ist, wird: Kinderkrippen sind ein Drittel der berufstätigen Frauen wir in der DDR außer acht gelassen: ner und menschliche Wesen, wie es für Frauen I Die Verantwortungder Män­ teilzeitbeschäftigt; in einer soziologi­ Die patriarchalen Traditionen in der auch Männer sind. Die Gleichheit in der ner für die Kinderbetreuung gerät so schen Arbeit wurde 1972 die Teilzeitar­ Arbeiterbewegung waren nicht gerade Ungleichheit gilt es zu erkennen und aus dem Blickfeld. Hätte Hertha Kuhrig beit gesehen als Kompromiß zwischen das meistbehandelte Thema. anzuerkennen. Das ist als Forderung also damals Anfang der 70er Jahre Absicht und Möglichkeit, als eine ob­ wohl auch heute zu erheben und als nicht formulieren dürfen: .Es ist die jektive Notwendigkeit und eine die ge­ Aber hatte nicht schon Flora Tristan Aufgabe immer noch aktuell. Aber ganz Aufgabe der gesamten Gesellschaft, sellschaftliche Entwicklung fördernde festgestellt, daß der unterdrückteste offensichtlich geht es beim Nachden­ diesen Prozeß zu fördern." Erscheinung. Diese Akzentuierung zu und ausgebeutetste Proletarier immer ken Ober das Verhältnis der Geschlech­ vermerken, scheint mir deshalb wich­ noch ein Wesen hat, auf das er herab­ ter auch um erkenntnistheoretische Hätte es heißen müssen: .Es ist die tig, weil heute zumeist nur auf die - sehen und das er unterdrücken kann? Probleme in einer komplizierten Dia­ Aufgabe der Männer .. ."? Aber das hät­ auch zu findende - Sicht der Teilzeit­ Seine Frau! Hatte es nicht stärkste lektik von Gleichheit und Ungleichheit. te ja wiederum bedeutet zu ignorieren, arbeit als etwas das gesellschaftliche Auseinandersetzungen in der Arbeiter­ Und solche dialektischen Formeln, die daß auch die Frauen (als Ehefrauen, Arbeitsvermögen Schmälerndeverwie­ bewegung über die Anerkennung der Widersprüchliches abzubilden, zu er­ Mütter, Schwiegermütter, Vorgesetz­ sen wird. Als Motive für das verkürzte Frauenarbeit gegeben, wobei der pejo­ fassen suchen, sind in diesem Ausba­ te) oft ihr eigenes Hemmnis bezie­ Arbeiten wurde in der erwähntenUnter­ rative Begriff der .Schmutzkonkurren­ lancieren der Widersprüche wohl doch hungsweise das ihrer Geschlechts­ suchung bei den Frauen als 4. in der tin" entstand. In der Weimarer Republik immer nur kurze Zeit und mehr oder we­ genossinnen waren, wo es um die Rangfolge der Wunsch des Eheman­ wurden die .Doppelverdiener" be­ niger .theoretisch" möglich. Wie auch Durchsetzung der Gleichstellung ging. nes gefunden, daß seine Frau verkürzt schimpft. Und die II. Internationale be­ die oft zustimmend zitierte Marx'sche Schließlich war ja soziologisch nach­ arbeiten soll. (Und 99% der verkürzt schloß gar 1928 für die Frauen die Randglosse, wonach das gleiche Recht gewiesen und unser aller Alltagserfah­ Arbeitenden wurden von ihren Männern Losung .Zurück in die Familie!" wirklich gerecht nur als ungleiches für rung, daß es nicht zuletzt die Mütter bestärkt, bzw. dazu angeregt, verkürzt die ungleichen Individuen angewandt waren, die ihre Töchter stärker als ihre zu arbeiten!) Von diesen Befunden aus­ Vielleicht wäre die Bezeichnung .Fa­ werden könne. Söhne in die Hausarbeit einweihten gehend, wurde der Vorschlag begrün­ milienforschung" richtiger gewesen für und einbezogen. Und es waren die det: Als Interimslösung (sie!) eine ge­ das, was wir da hatten in der DDR? Sobald es um die Umsetzung solcher Frauen selbst, die mit der Minderbetei­ setzliche Arbeitszeitverkürzung bei (Aber geht Familienforschung ohne Erkenntnisse in Politik, also um Ein­ ligung ihrer Männer an der Hausarbeit vollem Lohnausgleich für berufstätige Frauenforschung? Und müßten wir uns griffe in menschliche Verhältnisse und lebten, (65% fanden's ausreichend) Mütter mit mehreren Kindern (gestaf­ dann nicht auch konsequenterweise praktisches Verhalten geht, setzt ein oder Männerbeteiligung sogar zu 10% felt nach Zahl und Jahren) einzuführen. vorwerfen, keine Männerforschung ge­ Pendeln zwischen den Polen ein. Deut­ generell ablehnten; 63% sahen in der Ausdrücklich wurde von einer solchen habt zu haben? Und hieße es nicht lich zum Beispiel auch in dem Streit auf Mithilfe ihrer Familienangehörigen gar Regelung erwartet, andererseits, die reale Lage und Ar­ einer Konferenz, ob nun geschlechts­ keine Möglichkeit des Freizeitgewinns - den gegenwärtigen materiellen Le­ beitsteilung zwischen den Geschlech­ neutrale oder geschlechtsspezifische für sich. Auch beim Bemühen, die bensbedingungen vieler kinderreicher tern zu negieren, wenn überall da, wo Erziehung der Kinder zu präferieren Wertigkeit der Frauen darzustellen,wur­ Mütter zu entsprechen, Frauenfragen untersucht werden, die sei. Und vielleicht auch ablesbar an den ihr viele Aufgaben zugeschrieben, - die Leistungen der Mütter mehrerer fehlende Männerfrage moniert würde? den Schwierigkeiten mit Versuchen, die eigentlich Elternaufgaben sind: .Bei Kinder für die Reproduktion des Le­ Kann aber eigentlich in der menschli­ .das Weibliche" oder sein Gegenstück der Schaffung eines günstigen Bildungs­ bens der Gesellschaft mehr anzuer­ chen Gesellschaft überhaupt zu einem zu beschreiben. Oder auch: Aus der klimas kommen der Einsicht, dem Er­ kennen und damit auch die Geburten­ Geschlecht geforscht werden, ohne Erkenntnis, daß eine Betreuung der fahrungsschatz und der Umsicht der freudigkeit positiv zu beeinflussen,

16 hochschule OSI 3/ 1996 hochschule ost 3/1996 17 Angelika Haas, Dr. phil., Philosophin - die kontinuierliche berufliche Weiter­ zu .Haupt"- und .Neben"widersprüchen um die Sammlung und Archivierung und Renate Liebsch, Dr. phil., Journali­ entwicklung und -bildung der Persön­ führen, nur die Vertracktheit des Pro­ von Textmaterial sondern auch darum, stin und Kulturwissenschaftlerin. Beide lichkeiten der Frauen mit Kindern er­ blems verdeutlichen, die sich in ihrer in Interviews die Erinnerungen der an z.Z. arbeitslos. Befaßt mit biographi­ reichbar zu machen ganzen Gemeinheit erst dann zeigt, Frauenforschung (oder an Forschung schen Forschungen zur Sozialisation - zu verhindern, daß das Pro-Kopf­ wenn es um praktische Maßnahmen über Frauen) Beteiligten am wissen­ ostdeutscher Frauen im deutschen schaftlichen Arbeits- und Erkenntnis­ Vereinigungsprozeß. Ehrenamtliche Einkommen in Familien mit mehreren geht, die uns der Lösung eigentlich wissenschaftliche Mitarbeit in der Kindern nicht noch durch die Arbeits­ näherbringen sollten... Oberhaupt prozeß festzuhalten. Um Unterstützung Dokumentationsstelle zur nichtstaatli­ zeitverkürzung der Mütter zusätzlich scheint ebenso groß wie unser Opti­ dieses Anliegens sei zum Schluß ge­ chen Frauenbewegung der DDR herabgesetzt wird. mismus in bezug auf die Kraft .ideolo­ beten. .Grau Zone·. gischer Arbeit" und unsere Überschät­ zung der Macht des Wortes, so riesig Also eine deutliche Konzeption der auch unsere Unterschätzung des Un­ Anmerkungen:

.ausgleichenden Gerechtigkeit", aber bewußten, der zähen Kraft von Traditio­ ' Diskussionsbeiträge, gehalten auf der Tagung .O STFEM IV" am 24. 11. 1995. Für bei diesem Zustand der Reproduktion, nen gewesen zu sein. hochschule ost leicht bearbeitet. Ein Protokoll der Tagung erscheint voraussichtlich im Herbst bei dieser traditionellen Lebensweise 1996. 2 der Geschlechter fiel diese Maßnahme Dieser erste Versuch einer Sichtung Vgl. Hildegard Maria Nickel: Modernisierungsbrüche im Einigungsprozeß - (kein) einig Volk auf einen anscheinend doch falsch ein­ von dokumentierten Ergebnissen der von Schwestern. In: Kulke/Kopp-Degethoff/Ramming (Hrsg.): Wider das schlichte Verges­ sen. Der deutsch-deutsche Einigungsprozeß: Frauen im Dialog, Berlin 1992, S. 40. geschätzten Boden: So wurde schon institutionalisierten DDR-Frauenfor­ 3 bald kritisiert, daß mit dieser Regelung schung am Beispiel der Schriftenreihe Siehe hier zu vor allem lrene DOiiing, u.a.: Marxismus und Frauenfrage in der DDR. In: Argument 177/1989 und: Aufbruch nach der Wende - Frauenforschung in der DDR und in der Haushalt als .Frauensache" sank­ .Informationen des wissenschaftlichen den neuen Bundesländern. In: Helwig/Nickel (Hrsg.): Frauen in Deutschland 1945 - 1992. tioniert würde und männliche Zurück­ Beirats 'Die Frau in der sozialistischen Bundeszentrale für politische Bildung, Schriftenreihe Band 318, Bonn 1993, S. 397 ff. haltung nun ein Argument mehr hätte, Gesellschaft' bei der Akademie der Christei Hartinger: Feministische Attacke oder literaturgeschichtliche Tatsache? Zur Frauen­ kurz die Stimulierung eine bedenkliche Wissenschaften" zeigt, daß rasche und literatur in der DDR. Ein Problemaufriß im lichte meiner Erfahrung und Begrenzung. In:. Was Richtung nähme. Dagegen hieß es, pauschale Urteile über die DDR-Frau­ soll - was will Feminismus heute". Arbeitstagung der sächsischen Frauenforscherinnen vom das sei nun aber ein gründliches enforschung wissenschaftlicher Prüfung 22. bis 24. Januar 1993, S. 8ff. 17 Mißverständnis - und damit war die nicht standhalten und daß es nötig ist, Hildega rd Maria Nickel, ebenda. Auseinandersetzung zu Ende. Was sich intensiver mit der Art und Qualität • Vgl. DOiiing, ebenda, S. 400.

gewiß grundfalsch war. Und im übrigen dieser Forschungen, mit unseren Er­ 5 ,Informationen des wissenschaftlichen Beirats 'Die Frau in der sozialistischen Gesell­ auch den Charakter der Maßnahme als kenntnissen wie Erkenntnisschranken schaft' bei der Akademie der Wissenschaften•, herausgegeben vom wissenschaftlichen Zwischenlösung vergessen ließ. (Übri­ und mit unserer Blindheit unseren eige­ Beirat .Die Frau.. .", Berlin - nachfolgend als .Grane Reihe" abgekürzt. gens wiederholt sich heute in der Dis­ nen Ergebnissen gegenüber zu beschäf­ • Vgl. DOiiing ebenda und Sigrid Metz-Gockel: ,Permanenter Vorgriff auf die Gleichheit". kussion um die Bezahlung für die Haus­ tigen. Es könnte doch sein, wir ge­ Frauenforschung in Westdeutschland. In: Helwig/Nickel (Hrsg.); Frauen in Deutschland 1945 - 1992, s. 408 ff. arbeit derselbe Streit.) Beim Aufschrei­ winnen etwas Weitsicht für die Kämpfe 1 Vgl. Hans Jürgen Gericke: Sozialökonomische Probleme der Arbeitsteilung zwischen ben dieser Selbstkritik fiel mir ein, daß im (für uns) neuen Patriarchat. 18 Die Männern und Frauen. In: .Grane Reihe", Heft 6/1977 und derselbe: Geschlechtsspezifische das DDR-Frauenprivileg auf die 40-Stun­ Dokumentierung dieses spezifischen Arbeitsteilung und Entwicklung der Arbeitseinkommen von Männern und Frauen sowie den-Woche eines der ersten von den Stücks der DDR-Wissenschaftsge­ Rudolf Sauerzapf: Zur Problematik sozialer Unterschiede zwischen Frau und Mann beim abgeschafften war. Gibt es eigentlich schichte, die sich .Grauzone" zum gegenwärtig erreichten Entwicklungsstand. In: .Grane Reihe", Heft 5/1982. Untersuchungen darüber, wie nun, seit Anliegen macht, ist eine wichtige Vor­ • Lange, Ingeborg, geb. Rasch. Eine der wenigen Frauen, die in der DDR in die oberste Stufe die DDR-Männer auch die 40-Stunden­ aussetzung dafür. Dazu bedarf es der der politischen Struktur gelangte .• Kandidat" (1) des Politbüros und ZK- .Sekretär" (!). Seit 1961 Leiterin der Abteilung Frauen beim Zentralkomitee der SED. Zur politischen Vita siehe: Woche haben, ihre Beteiligung an der Mithilfe all der Frauen und Männer, die DDR. Wer war wer . Ein biographisches Lexikon, Berlin 1992, S. 268. Hausarbeit gestiegen ist? Aber mit die­ in der DDR auf diesem Gebiet ge­ • Vgl. lnge Lange: Die Verwirklichung der Beschlüsse des IX. Parteitages der SED zur ser Frage will ich uns nicht etwa wieder forscht haben. Dabei geht es nicht nur 19 18 hochschule ost 3/1996 hochschule ost 3/1996 weiteren Förderung der Frau. In: Vorlesungen und Schriften der Parteihochschule, 1979, S. 8. Monika Stein (Potsdam): 10 Anita Grandke: Rechtsfragen der Stellung und Förderung der Frau in der DDR. In: .Grüne Reihe", Heft 2/1976. Frauen-Prisma. Wissenschaftliche Beiträge zur " Vgl. Ellen Vogt: Inhalt und Struktur von Geschlechtsrollenbildern in Schulbüchern der unteren Klassen. Frauenforschung In: .Grüne Reihe", Heft 4/1984 sowie Gabriele Geisler/Erna Scharnhorst: Zur Widerspiegelung der gesellschaftlichen Stellung der Frau in den Lesebüchern der Bericht über die Etablierung dieser Zeitschrift, herausgegeben von Klassen 1 bis 4 in der DDR. In: .Grüne Reihe", Heft 4/1982. der Gleichstellungsbeaufragten der Universität Potsdam 12 Vgl. Ingrid WOife!: Unterschiede im Lehrerurteil bei der Einschätzung der Voraussetzungen beruflichen von Jungen und Mädchen. In: .Grüne Reihe", Heft 6/1985. " Vgl. Rita Wenzel: Erste Auswertung einer soziologischen Untersuchung zum Rechtsverwirklichung Stand der in Ehe und Familie - insbesondere in bezug auf die Durchsetzung Gleichberechtigung der von Mann und Frau. In: .Grüne Reihe", Heft 2/1974. „ Vgl. Renate Dippmann: Ausgewählte Aspekte der Teilzeitarbeit von Frauen. In: .Grane Reihe", Heft 1/1980. 15 Vgl. Herta Kuhrig: Familie, berufstätige Vorgeschichte Frau und sozialistische Lebensweise. In: .Grüne Reihe", Heft 1 /1980. 11 Vgl. Uta Bruhm-Schlegel: Einige 1990 fanden sich politisch interessier­ derungsprozeß an den Hochschulen methodologische Probleme der soziologischen Erfor­ schung weiblicher Jugendlicher te und aktive Frauen der damaligen ließ dann jedoch kaum Raum für die durch die Jugendforschung. In: .Grüne Reihe", Heft2/1980. 11 .Grane Reihe", Heft 1/1973. Brandenburgischen Landeshochschu­ Entwicklung eigener Konzepte zur Frau­ 11 le zu einem Frauengesprächskreis zu­ enpolitik an Hochschulen. Ein in der folgenden Diskussion noch verwendeter Gedanke aus Heft 2/1986 der .Grünen sammen, um aus weiblicher Perspek­ Reihe" soll hier noch angefügt werden: Ziel der Forschung kann nicht sein, Frauen an das Als sich abzeichnete, daß Frauen zu .Leistungsprinzip" anzupassen. Selbstunsicherheit tive an der Umgestaltung der Hoch­ von Frauen im Leistungsbereich ist auch Ablehnung eines von allen anderen schule mitzuwirken. wenig am Neuordnungs- und Umstruk­ Lebensbezügen losgelösten Leistungsdenkens, wie es in der von männlichen Normen geprägten turierungsprozeß beteiligt sind, um Gesellschaft vorherrscht. Als anzustrebendes Ziel wurde in dem Beitrag formuliert: Die frauenpolitische Diskussion in der Veränderung der Normen, so daß für beide Geschlechter positive Akzente für die Frauenförde­ Leistung wieder sinnvoll in die Gesamtheit des Lebens integriert werden kann, so daß damaligen DDR hatte Themenbereiche rung zu setzen, wurde an der Universi­ Selbstverwirklichung durch Leistung ohne eine Verarmung anderer Persönlichkeitsbereiche benannt, die auch handlungsleitend für möglich wird. tät eine Gleichstellungsbeauftragte und unsere Gespräche waren. Erste Kon­ ein sie beratender Gleichstellungsrat takte mit Frauenbeauftragten an Hoch­ gewählt. Neben der Wahrnehmung der schulen der alten Bundesländer regten gesetzlich vorgeschriebenen Aufgaben zur kritischen Auseinandersetzung mit haben sich seinerzeit folgende Ar­ der westdeutschen Frauenförderpolitik beitsschwerpunkte abgezeichnet: an Hochschulen an. Wir waren uns einig, daß die Erfahrungen der west­ 1. Bei der Neugründung der Universität deutschen Kolleginnen nicht ohne wei­ Potsdam Frauenforschung durch die teres auf die Verhältnisse an ostdeut­ Schaffung einer Frauenforschungspro­ schen Hochschulen übertragen wer­ fessur strukturell zu verankern und bei den können. Vielmehr wollten wir die in der Besetzung von Professuren einen der alten Bundesrepublik gewachse­ hohen Frauenanteil zu erreichen. nen Strukturen im Bereich der Frauen­ förderung hinsichtlich deren Tauglich­ 2. Spezielle Veranstaltungen zur Sen­ keit bezogen auf die Situation an unse­ sibilisierung für die Belange der Frau­ rer Hochschule befragen. Der Neuglie- enförderung durchzuführen.

20 hochschule ost 3/1996 hochschule ost 3/ 1996 21 schungsprojekten an der Universität Heft 2, Dezember 1995: Im weiteren werde ich auf unseren zwei­ blizieren, um Einblicke in die vielfälti­ orientieren. Das sind Projekte inner­ ten Arbeitsschwerpunkt näher einge­ gen Themen und Methoden der Frau­ lrene Dölling: .Das Veralten der Frau­ hen, weil er direkt zu unserem .Frauen­ en- und Geschlechterforschung zu ge­ halb der Germanistik, Anglistik/Ameri­ enforschung•, S. 6-40 kanistik, Slavistik und Romanistik, Prisma" führt. Ursprünglich war es als ben. Forschungsschwerpunkte in der Päd­ Gudrun Axeli-Knapp: .Das Seiende als Organ der Gleichstellungsbeauftragten Text seines Werdens lesen: Traditio­ gedacht, in dem semesterbezogene Bisher gab es für die Schriftenreihe agogik, die Mädchenbildung und Mäd­ noch kein klares Profil; wir haben auf chenerziehung zum Gegenstand ha­ nen der Kritik identitätsideologischen und -übergreifende Informationen zur Denkens im Feminismus", S. 41-67 Angebote zurückgegriffen oder Wis­ ben, und natürlich Projekte innerhalb Frauenförderung und Frauenforschung an der Universität veröffentlicht werden senschaftlerinnen direkt angesprochen. der Sozialwissenschaften, hier beson­ Teresa Wobbe: .Umbrüche: Traditions­ sollten. Durch die Etablierung der Frau­ So haben wir für die erste Ausgabe des ders das Lehrforschungsprojekt .Frau­ linien, thematische Felder und theore­ zwei enforschungsprofessur an der Univer­ . Frauen-Prisma" gezielt Nach­ enbilder im Film der 40er, 60er und 90er tische Motive der deutschen Frauenfor­ sität und die Entwicklung von Frauen­ wuchswissenschaftlerinnen gebeten, Jahre". schung", S. 67-84 ihre ersten Forschungsergebnisse im und Geschlechterforschung in den In­ Die Zeitschrift .Frauen-Prisma" kann Rahmen ihrer Dissertation zu veröffent­ stituten bildete sich einerseits ein wis­ (noch) kostenlos bei der Gleichstel­ lichen. Ihr Interesse an Frauen- und Heft 3 erscheint im Oktober 1996 mit senschaftliches Potential heraus, an­ lungsbeauftragten der Universität Pots­ Geschlechterforschung wurde durch ein folgenden Beiträgen: dererseits wurde Unverständnis dar­ dam bezogen werden. Die Herausgabe spezifisches Lehrangebot im Institut über artikuliert, was denn Geschlech­ wurde bisher durch Mittel des Ministe­ Monika Stein: Probleme und Forderun­ terforschung eigentlich sei. Aus dieser für Anglistik/Amerikanistik geweckt. gen zur Frauenpolitik an Hochschulen Ihre gegenwärtige wissenschaftliche riums für Wissenschaft, Forschung und Situation heraus betrachtete es der Kultur realisiert. in Brandenburg Gleichstellungsrat als spezielle Aufga­ Arbeit wird von Professorinnen und wis­ Marianne Kriszio: Erfolge und Grenzen be, ein interdisziplinäres Forum für wis­ senschaftlichen Mitarbeiterinnen der Heft 1, September 1995: der Frauenpolitik an Hochschulen in senschaftliche Arbeiten zu verschiede­ Institute für Anglistik/Amerikanistik und Romanistik fördernd begleitet. lrene DOiiing: .Zur ersten Ausgabe des Berlin nen Themen der Frauen- und Ge­ Frauen-Prisma·, S. 6-12 schlechterforschung zu schaffen. Die zweite Ausgabe dokumentiert die Sigrid Metz-Göckel: Perspektiven ei­ Anja Bandau: .Gloria Anzalduas Bord­ Antrittsvorlesung von Frau Prof. Dr. ner zukunftsweisenden Frauenpolitik Mit einer eigenen Schriftenreihe zu erlands / La Frontera: Auf dem Weg zu lrene Dölling, Lehrstuhlinhaberin für für den Hochschulbereich Ergebnissen geschlechtsspezifischer einer alternativen Identität", S. 13-35 Forschungsarbeiten wollen wir die noch Frauenforschung an der Wirtschafts­ junge Wissenschaftsdisziplin an der und Sozialwissenschaftlichen Fakul­ Astrid Euchler: .Zwischen Konvention Monika Stein, Lehrerin im Hoch­ schuldienst für Fachdidaktik Rus­ Universität Potsdam dokumentieren und tät der Universität Potsdam, sowie und Subversion: Weibliches Schreiben sisch, ist Gleichstellungsbeauftragte eine breite wissenschaftliche Öffent­ Podiumsvorträgedes interdisziplinären im 18. Jahrhundert in England", S. 36- der Universität Potsdam lichkeit ansprechen. Workshop .Perspektiven feministischer 54 Wissenschaft" am 9. und 10. Juni 1995 Durch das .Frauen-Prisma· wird es an unserer Universität. Wissenschaftlerinnen und Wissen­ schaftlern,die Frauen- und Geschlech­ Zur weiteren Profilierung der Zeitschrift terforschung betreiben, möglich, ihre ist vorgesehen, einen wissenschaftli­ Ergebnisse auch außerhalb des eige­ chen Beirat zu gründen, dem 4 Profes­ nen Forschungsbereichs vorzustellen. sorinnen angehören werden - Profes­ Wir sind darum bemüht, Forschungs­ sorinnen, die Frauen- und Geschlech­ arbeiten aus allen Instituten und Fach­ terforschung betreiben. Wir werden bereichen der Universität Potsdam so­ Themenschwerpunkte festlegen, die wie auch anderer Einrichtungen zu pu- sich an den existierenden Frauenfor- 23 hochschule ost 3/1996 22 hochschule ost 3/1996 ,, ... diese Professur ist ein Ergebnis des lieh Potsdam hat noch eine C4-Profes­ einer Frauenforschungsprofessur an der sur für Frauenforschung besetzt und Universität Potsdam nicht die Idee ei­ Druckes von unten!" Greifswald eine C3-Professur ausge­ ner Hochschulstrukturkommission oder Erfahrungen bei der lnstitutlonalislerung von Frauen- und schrieben. eines anderen für Fragen der Struktur­ Geschlechterforschung an ostdeutschen Hochschulen entwicklung verantwortlichen Gremiums Dölling: Da müssen Sie den Wissen­ war. Sie kam vielmehr zustande durch schaftssenator von Berlin fragen. Im Mit der Kulturwissenschaftlerin Prof. Dr. phil. lrene Dölling1 unterhielt sich Druck von unten, auf Initiative der Frau­ Zuge der Umstrukturierungen wurde am am 3. Juni 1996 in Potsdam die Historikerin Monika Gibas en der ehemaligen Pädagogischen Institut für Kulturwissenschaftder HUB Hochschule Potsdam (später dann - ausdrücklich in Würdigung unserer Landeshochschule Brandenburg), die langjährigen Arbeit auf dem Gebiet der seit 1989 frauenpolitisch sehr aktiv Frauen- und Geschlechterforschung - waren. Die erste Gleichstellungsbeauf­ eine Professur mit einer neuen Den­ Frau Dö/ling, Sie sind eine der wenigen haben könnte, da sei schon das We­ tragte hat sich mit einer Gruppe von omination eingerichtet. Übrigens mit ostdeutschen Wissenschaftlerinnen, sentliche gesagt. Und zum dritten muß Frauen stark gemacht für die Etablie­ die im Zuge der Um- und Neustruktu­ ich sagen: Trotzdem ich mich hier an dem direkten Hinweis an mich, mich rung von Frauen- und Geschlechterfor­ rierung der Wissenschaftslandschaft der Universität Potsdam sehr wohlfüh­ darauf unbedingt zu bewerben. Aber schung an der neu gegründeten Univer­ in den NBL mit der Wahrnehmungeiner le und ich ja auch eine der wenigen trotz positiver fachlicher Evaluierung sität Potsdam und die Installation einer Professur betraut wurden. Und Sie sind Wissenschaftlerlnnen aus dem Osten und der Erlangung des ersten Listen­ Professur für dieses Gebiet. Es gab eine von insgesamt nur zwei C4-Pro­ bin, die eine Chance hatten, ihre For­ platzes im entsprechenden Berufungs­ also innerhalb des offiziellen Konzep­ fessorinnen auf dem Gebiet der Frau­ schungen überhaupt und dann noch verfahren um diese Professur war ich tes zur Strukturierung der neugegrün­ en- und Geschlechterforschung in Ost­ auf Professorlnnenstellen weiterzufüh­ nach Aussage der Präsidentin der Hum­ deten Universität Potsdam nicht ganz deutschland. Seit Sommer 1994 ha­ ren - das Ziel meiner Wünsche war boldt-Universität - in Berlin nicht beru­ selbstverständlich auch Vorstellungen ben Sie den Lehrstuhl Frauenforschung nicht Potsdam. Mein Wunsch war, fungsfähig. Also insofernmuß ich schon zur generellen Verankerung feministi­ am Fachbereich Sozialwissenschaften meine Professur an der Humboldt-Uni­ ein wenigdiffe renzieren und sagen: So scher Forschung und Lehre an der der Wirtschafts- und Sozialwissen­ versität Berlin weiter ausfüllen zu kön­ ansprechend diese neue Wirkungsstät­ Universität. Als der Lehrstuhl ausge­ schaftlichen Fakultät der Universität nen. te mit ihren sehr guten Arbeitsbedin­ schrieben wurde, war zunächst nicht Potsdam inne. Sind Sie am Ziel Ihrer gungen hier an der Universität Pots­ einmal klar, an welche Fakultät er an­ Aus welchen Gründen ließ sich diese Wünsche? dam ist - das Ziel meiner Wünsche ist gebunden sein sollte. Der Ausschrei­ Vorstellung nicht realisieren? An der das nicht gewesen. bungstext lautete denn auch ganz all­ lrene Dölling: Also .am Ziel meiner Humboldt-Universität sind doch im gemein .Empirisch ausgerichtete Ge­ Ihre .Berufungsunfähigkeit" ist also in­ Wünsche" - das klingt ein wenig Rahmen der Umstrukturierung bislang schlechterforschung in Theorie und zwischen aufgehoben worden? komisch. Am Ziel meiner Wünsche bin drei Lehrstühle für Frauen- und Ge­ Praxis". Es hat sich dann so ergeben, ich natürlich nicht. Dafür gibt es ver­ schlechterforschung installiert worden. daß er als fünfte Professur mit der Dölling: Nein. Das Land Brandenburg schiedene Gründe. Erstens denke ich, Nach der letzten Recherche eine C4- .Frauenforschung" am hat das nur anders gesehen. Das ist ja Denomination als Wissenschaftlerln kann man ei­ Professur am Institut für Kulturwissen­ Fachbereich Soziologie gelandet ist. offensichtlich eine Auffassungssache. gentlich nie am Ziel seiner Wünsche schaften, eine C3-Professur am Insti­ Also insofern ist diese Professur wirk­ sein, da könnte man ja aufhören zu tut für Sozialwissenschaften und eine Wie ist Ihre Berufung für das Gebiet lich ein Ergebnis des Drucks von un­ arbeiten. Das zunächst grundsätzlich. C3-Professur am lstitut für deutsche der Frauenforschung_ an die Universität ten, auch wenn dieser keine solche Zum zweiten: In der Frauen- und Ge­ Literatur. Die Humboldt-Universität ist Potsdam zustandegekommen? Massenbasis hatte, wie die frauenpol� schlechterforschung sind so viele Pro­ damit die ostdeutsche Uni, in der diese tische Bewegung an den westdeut­ bleme offen und es wird eigentlich eher Gebiete überhaupt in nennenswertem Dölling: Ja, da muß man zunächst schen Universitäten in den siebziger dramatischer, als daß man das Gefühl Umfang berücksichtigt wurden. Ledig- unbedingt sagen, daß die Einrichtung und achtziger Jahren.

hochschule ost 3/1996 25 24 hochschule ost 3/1996 anderem auch mit der Hilfe unserer Ein erfreuliches Ergebis von Frauen­ fessuren, die überhaupt keine Mitarbei­ Diplom- und Magisterstudienganges Gleichstellungsbeauftragten • dieses power! So gut ist das ja nur an wenigen terlnnenstellen mehr haben. Ich bin Soziologie zu verankern. Und wir ha­ Potential zu koordinieren. Das soll über Universitäten im Osten gelaufen, trotz­ also keineswegs sicher, daß die Frau­ ben es immerhin geschafft, daß in bei­ bisherige Angebote wie Ringvorlesun­ dem es viele solcher Initiativen gege­ enforschung die zweite Stelle noch den Studiengängen das Lehrgebiet gen, workshops und eine unieigene ben hat. besetzen kann. Das heißt aber auch, .Soziologie der Geschlechterverhältnis­ Zeitschrift für Frauenforschung3 hinaus­ daß damit unsere Wirkungsmöglich­ se" obligatorisch von allen Studenten gehen. Ein Anstoß dazu waren zum Dölling: Ja, aber über das Ergebnis - keiten eingeschränkt bleiben werden. im Grundstudium belegt werden muß. Beispiel unsere Erfahrungen mit dem es ist ja der einzige Lehrstuhl für dieses Denn neben der Abdeckung der Lehre Daneben gibt es eine Spezialisierungs­ Erasmus-Programm der Europäischen Gebiet geblieben an dieser Universität bei den Sozialwissenschaften müßte möglichkeit im Hauptstudiengang. Also Union. Wir sind jetzt angeschlossen - kann man so oder so denken. Also Frauenforschung ja auch die Verpflich­ das ist schon an ostdeutschen, aber an das Netzwerk .women's interdicipli­ ich sitze auf dieser Professur und könnte tung haben, Forschungen für das Land auch an westdeutschen Universitäten nary network on gender and society•. euphorisch sagen, prima, das ist mein zu machen. Ich möchte zwar nicht nicht so häufig, daß Initiativen in Rich­ Wir haben ein Programm entwickelt, Arbeitsplatz, Ziel erreicht. Wenn man unbedingt in ganz dichter Nähe zur tung Etablierung von Frauenforschung das die Universität Potsdam fächer­ aus dem Osten kommt und beispiels­ dann eben auch tatsächlich in die Ka­ Politik arbeiten, das habe ich vor 1989 übergreifend für ausländische Studen­ weise noch nie eine eigene Sekretärin tegorie der Scheinfähigkeit in Curricula nicht gemacht und möchte das heute tinnen und Studenten, die sich für Frau­ hatte oder ein eigenes Büro, eigene münden. Insofern haben wir diese Neu­ auch nicht. Aber ich denke schon, daß en- und Geschlechterforschung inter­ Mitarbeiterinnen, studentische Hilfs­ strukturierungsphase denke ich ganz es für politische Entscheidungsfindun­ essieren und die ein Semester oder kräfte und eine wirklich sehr gute tech­ gut genutzt. gen mitunter nicht schlecht sein kann, mehr in Potsdam in dieser Richtung nische Ausstattung dazu, also insge­ wenn zu bestimmten zusammenhän­ Natürlich sehe ich den Lehrstuhl auch belegen wollen, anbietet. Umgekehrt samt sehr gute Arbeitsbedingungen, gen Forschungsvorlauf oder einfach gleichzeitig als eine Art Initiator eines können Studierende unserer Universi­ dann ist das schon einfach phanta­ auch nur Daten und Wertungen vorlie­ Netzwerkes, mit dessen Hilfe der wei­ tät ein Semester im Ausland Lehrange­ stisch. Andererseits ist natürlich das gen, die den Blick auf Dinge lenken, die tere Ausbau der Frauen- und Ge­ bote in Frauen- und Geschlechterfor­ Gebiet Frauen- und Geschlechterfor­ sonst vielleicht nicht berücksichtigt schlechterforschung an der Universität schung wahrnehmen. Zur Zeit sind wir schung mit nur einer Professur an einer werden würden. Ich denke, gerade für Potsdam vorangetrieben werden muß. dabei, dieses Programm noch zu ver­ Universität nicht ausreichend repräsen­ solche Dinge muß einfach mehr Mitar­ Da unternehmen wir gerade die ersten feinern und weiter auszubauen. Davon tiert. Ein einzelner Lehrstuhl mit einer beiterinnenkapazität da sein, sonst Schritte. Ich habe ja ein wenig Erfah­ ausgehend stellen wir zur Zeit Überle­ Professorin und einer Mitarbeiterin ist werden wir hiervon den laufenden Lehr­ rung damit. Wir haben 1989 an der gungen an, inwieweit wir mit unseren tendenziell überfordert, das Gebiet auch aufgaben aufgefressen und können nicht Humboldt-Universität das ZiF (Zentrum momentanen Kräften in der Lage sind, nur einigermaßen umfassend in Lehre kontinuierlich an wichtigen Forschungs­ für Interdisziplinäre Frauenforschung) vielleicht soetwas wie ein fächerüber­ und Forschung vertreten zu können. projekten arbeiten. gegründet und ich weiß ja, wie lange es greifendes Nebenfach Frauen- und Zumal z.Z. der Trend zu Stellenstrei­ gedauert hat, bis das einigermaßen Geschlechterforschung zu entwickeln chungen bzw. zu Stellenstop im Hoch­ Sie bemühen sich also energisch dar­ arbeitsfähig war. Die Situation in Pots­ und zu installieren. Wobei natürlich schulbereich seine Wirkung zeigt. Zu um, den Wirkungskreis von Frauenfor­ dam ist einfach so, daß es nicht weni­ gesagt werden muß, daß das nicht diesem Lehrstuhl gehören zum Bei­ schung möglichst auszuweiten, trotz ge Frauen gibt, vor allem im Mittelbau einfacher werden wird, da die gegen­ spiel zwei Mitarbeiterfnnenstellen. Als geringer personeller Ressourcen. Kön­ aber auch unter den neuberufenen Pro­ wärtigen Strukturen an der Universität ich 1994 meine Berufungsverhandlun­ nen Sie eine ersteBilanz dieser Versu­ fessorinnen, die ein wirklich ausge­ mit ihrer Hierarchie und der Autonomie gen führte, hatte ich mich bereit erklärt che ziehen? prägtes Interesse an Frauen- und Ge­ der einzelnen Lehrstühle fächerüber­ die zweite Stelle aus finanztechnische� Dölling: In den letzten Jahren haben schlechterforschung haben, die Lehr­ greifende Initiativen nicht gerade beför­ Gründen erst zum 1.11.1996 zu beset­ wir uns - neben der Arbeit an laufenden 2 angebote dazu machen und die auch in dern helfen. zen. Jetzt heißt es aber Stellenstop. Forschungsprojekten - vor allem dar­ der Forschung in dieser Richtung ar­ Es wird überhaupt nur noch jede zweite auf konzentriert, unsere eigenen Lehr­ beiten. Wir sind jetzt dabei - unter Könnten Sie das etwas erläutern? Wo Stelle besetzt. Wir haben schon Pro- angebote bei der Neukonzipierung des

hochschule ost 3/ 1996 26 hochschule ost 3/l 996 27 hältnis so gut gelaufen ist, lag wohl konkret sehen Sie da Hindernisse für genheit geworden war. Als wir 1989/90 ren. Allerdings denke ich, die Gefahr daran, daß wir dort schon auf eine interdisziplinäreInitiativen in Forschung unseren Studienplan Kulturwissen­ der Ghettoisierung haben wir versucht entsprechende Infrastruktur zurückgrei­ und Lehre? schaften überarbeiteten, gab es keine abzuwenden durch das Hineinkommen fen konnten, die den Prozeß befördert Diskussionen, das Fachgebiet kam als in die Curricula mit unserem Lehrange­ hat zu einem frühen Zeitpunkt, als noch Dölling: Wenn wir so ein Nebenfach obligatorisch ins Curriculum. Ich erlebe bot. Da bin ich doch auch optimistisch. Chancen für Veränderungen bestan­ anbieten, muß das auf jeden Fall inter­ hier im Zusammenahng mit der Diskus­ Aber die Tatsache, daß es einen Lehr­ den. Wir haben das Zentrum für Inter­ disziplinär sein. Und da kann ich mir sion des Entwurfs von Richtlinien zur stuhl Frauenforschung gibt, führt auch disziplinäre Frauenforschung (ZiF) ja schon eine ganze Reihe Diskussionen Frauenforschung und in diesem Zu­ ein Stück dazu, daß die Bereitschaft, im Dezember 1989 gegründet, hatten vorstellen. Zum Beispiel kommt oft das sammenahng auch der Förderung von das zahlenmäßige Verhältnis von weib­ aber schon im Frühjahr 1989 der Uni­ Argument, daß soetwas nicht fachge­ Frauenforschung jetzt eher wieder, daß lichen und männlichen Lehrstuhlinha­ versitätsleitung ein Konzept für eine recht ist, zu weit ist, zu ungenau usw. doch gemauert wird, wenn es ans Ein­ bem an dieser Fakultät zu ändern, solche Einrichtung vorgelegt. Wir wa­ Da ist sicher noch ein ganzes Stück gemachte geht - das heißt, wenn wirk­ nicht sehr groß ist. An anderen Fakul­ ren also vorbereitet und konnten dann Arbeit zu leisten. Auch das Argument, lich Entscheidungen von Konsequenz täten ist das anders. daß ja eine Professur für Frauenfor­ in den wenigen Monaten vom Herbst getroffen werden müßten, die auch das Ich würde gem den Blick auf das Ge­ schung ausreicht an der Universität, 1989 bis Frühjahr 1990, in denen vieles eigene Fachgebiet tangieren. samtergebnis der Umstrukturierung eine Ausweitung nicht notwendig sei. noch chaotisch lief, eine Struktur fest­ richten. Es gibt nach neuesten Erhe­ Es sind zum Teil sehr rigide Tendenzen TendenzenzurGhettoisierung vonFrau­ klopfen, die dann vom akademischen bungen vom Mai 1996 im ostdeutschen zur Abschottung des eigenen Faches en- und.Geschlechterforschung? Könn­ Senat der Humboldt-Universität als re­ Hochschulwesen ganze zwei C4-Pro­ zu beobachten. Zum Beispiel ist die te man das so benennen? gelrechte Struktureinheit �uch bestä­ fessuren und drei C3-Professuren zur . Promotionsordnung an der Fakultät für tigt worden ist. Ich kann mich ennnen_i, Oölling: Ja, das kann man sagen. Wir Frauen- und Geschlechterforschung, Wirtschafts- und Sozialwissenschaf­ als dann andere Frauen - ich glaube in hatten hier in Potsdam zum Beispiel die schon besetzt wurden. In manchen ten hier in Potsdam absolut kontrapro­ Leipzig etwa im Mai 1990 - ähnlic�es eine Professur ausgeschrieben mit ei­ Bundesländern, so in Sachsen, gibt es duktiv für Dissertationen und Habilita­ versuchten, da ging das schon nicht nem geschlechtsspezifischen Ge­ bislang offenbar keine einzige Aus­ tionen auf dem Gebiet der Frauen- und mehr. Da kam dann die bekannte Argu­ sichtspunkt. Da kam - wenn auch schreibung für diese Gebiete. Die noch Geschlechterforschung.Deren interdis­ mentation: Jetzt, wo massiv umstruk­ mehr unterschwellig, offen wird das ja ausstehenden Ausschreibungen - zum ziplinäre Ausrichtung kollidiert mit der turiert werden muß, Stellen wegfallen nicht so ausgesprochen • das Argu­ Beispiel in Berlin - sind nach Auskunft streng disziplinär ausgerichteten Pro­ werden, Leute entlassen werden müs­ ment, das haben wir doch schon, das wahrscheinlich auf Grund der anste­ motionsordnung. Die verlangt in sol­ sen, können wir nicht etwas ganz Neu­ brauchen wir doch nicht nochmal. Das henden Stellenkürzungen zumindest chem Fall Extravoten, Zusatzgutach­ Vorhandensein des einen Lehrstuhles es, Zusätzliches machen! Und noch in Frage gestellt. Also das Ergebnis dazu so etwas Randständigesl Da war ten. Das ist überhaupt nicht mehr zeit­ für Frauenforschung wird also durch­ der strukturellen Verankerungvon Frau­ die historische Chance schon wieder gemäß. Und noch etwas kommt hinzu: aus benutzt als Argument, um zu sa­ en- und Geschlechterforschung im ost­ vorbei. Also insofern sind viele Frauen Bei aller fehlenden Sensibilität für die gen: wozu soll nun noch jemand einge­ deutschen Hochschulwesen ist insge­ an vielen Orten einfach zu spät gekom­ Geschlechterfrage im Sozialismus hat­ stellt werden mit einem trauen- oder samt eherenttäuschend, vorallemwenn men. Für die meisten Wissenschaftle­ ten wir es an der Humboldt-Universität geschlechtsspezifischen Schwerpunkt. in Rechnung gestellt wird, mit welchem rinnen im Osten war ja 1989 auch erst doch geschafft, daß im laufe der Jahre Dabei ist die Position des Lehrstuhles Engagement sich Frauen in diesem der Einstieg in dieses Themenfeld und das etwas herablassende Lächeln oder Frauenforschung an dieser Fakultät Um- und Neustrukturierungsprozeß da wäre einfach auch Zeit nötig gewe- entsprechende Kommentare von Kolle­ beiweitem nicht so anerkannt, wie das eingesetzt haben für diese Frage. Wo sen sich zu etablieren, inhaltliche und gen aber auch von Kolleginnen hin­ wünschenswertwäre. Wir werden eher sehen Sie Ursachen dafür, daß das so stru,kturelle Konzepte zu entwickeln. sichtlich unserer Anliegen verschwan­ als randständige und keineswegs als unbefriedigend gelaufen ist? Die günstige Gelegenheit war also r s h den. Daß Frauen- und Geschlechter­ wirklich ernstzunehmende Disziplin � � vorbei. Und dann denke ich, daß d1e1e­ forschung - zumindest in unserem eingeordnet. Zudem bin ich die einzige Dölling: Dafür sehe ich mehrere Grün­ nigen, die in den Strukturkommissio- Umkreis - eine akzeptierte Angele- Frau unter fünfundzwanzig Professe- de: zunächst, daß es in Berlin im Ver-

28 hochschule ost 3/ 1996 hochschule ost 3/ 1996 29 nen saßen, ja in der Regel Männer müssen, wo angesetzt werden muß, setzen kann. Und wo gibt es einfach den ausdrücklich für Frauen- und Ge­ waren. Die hatten natürlich kaum einen um auf dem Weg der Etablierung von auch Unterschiede und Interessen von schlechterforschung denominierten Blick für Frauenforschung und sicher trauen- und geschlechtsspezifischer Gruppen von Frauen und Männern, die Lehrstühlen an den Hochschulen nicht auch kein ausgeprägtes Interesse dar­ Forschung und Lehre wenigstens in sich in bestimmter Hinsicht überschnei­ wenige Wissenschaftlerinnen, die sich an, in die neuen Strukturen ausgerech­ kleinen Schritten voranzukommen. Hat den. Da könnten dann Bündnisse ent­ für feministische Ansätze in ihrem Wis­ net Frauenforschung in nennenswer­ das nicht gegriffen? Und wenn, aus stehen, das muß von Fall zu Fall ent­ senschaftsgebiet interessieren und das tem Umfang einzubauen. Wenn nicht welchen Gründen nicht? Oder gab es schieden werden, pauschale Vorstel­ auch zunehmend in ihre Lehre und zufällig jemand in der Strukturkommis­ die nicht? lungen helfen da nicht weiter. Forschung integrieren. Da sehe ich ein sion mit solcher Interessenlage saß Potential zur Ausweitung der Thema­ Sehen Sie Chancen. trotz der Rede oder schon bestimmte Traditionen auf Dölling: Das ist schwer zu sagen. Es tik. Das hängt allerdings auch sehr vom .Sparenmossen· den Prozeß der diesem Lehr- und Forschungsgebiet gab anfangs einfach eine Zeit frustrie­ wesentlich davon ab, inwieweit Studie­ Etablierung von Frauen- und Ge­ vorhanden waren, die nicht so einfach render Erfahrung wechselseitiger rende Bedürfnisse in dieser Richtung schlechterforschung noch weiter vor­ ignoriert werden konnten und vor allem Sprachlosigkeit und Verletztheit, die artikulieren und da auch Druck ma­ anzutreiben? Es gibt ja in den neuen wenn nicht entsprechender Druck vo� diese Kontakte einfach kompliziert chen. Nach einer etwas zurückhalten­ Bundesländern zahlreiche hochenga­ unten vorhanden war, war das schon gemacht haben. Und ich weiß auch deren Phase habe ich den Eindruck, gierte außeruniversitäre Gruppen von sehr schwierig. Sicher gab es kein nicht, wieviele Frauen überhaupt in daß möglicherweiseaus ganz anderen Frauenforscherinnen. als selbständi­ Subjekt, das entschieden hat, auf dem Berufungs- und Strukturkommissionen Anlässen und Motiven, als das bei uns ge, auf Drittmittelbasis arbeitende In­ Gebiet Frauen- und Geschlechterfor­ waren und sich für andere Frauen, ob der Fall war, zunehmend ein Interesse stitute, als Vereine usw. Das ist nach schung keine Strukturen in Form von Ost oder West, auch wirksam einset­ artikuliert wird. Ich kann mir vorstellen, meiner Kenntnis insgesamt ein ziem­ Lehrstühlen zu schaffen, das war si­ zen konnten. Und dann darfman eines daß auch die sogenannten Mainstream­ lich breitesSpektrum. Gibt es da schon cher in dem Sinne kein erklärtes Ziel nicht vergessen: Was heißt denn Soli­ Disziplinen Ansätze von Frauenfor­ soetwas wie Ansätze zu einer Vernet­ dessen Ergebnis wir jetzt haben. Abe� darität! Mal zynisch gesagt, die greift schung aufgreifen. Daß Theorieansät­ zung zwischen staatlich-institutionali­ hier zeigte sich eben wieder deutlich doch nur in dem Umfang, wie ich selbst ze, Ergebnisse rezipiert werden und sierter und nichtetablierter Frauenfor­ eine Form von Vergeschlechtlichung, nicht betroffen bin. Wenn ich in Konku­ von daher ein Stück steigendes Inter­ sc hung? die auch im Wissenschaftsbereich wirk­ renz trete um einen Arbeitsplatz, dann esse entsteht, solche Themen in die mächtig ist. Es ist eben der spezifi­ also spielt Solidarität wohl kaum noch Dölling: Also das ist schwer zu sagen. disziplinären Ausbildungen zu integrie­ sche Blick darauf, was in einer Diszi­ eine Rolle, sie tritt einfach zurück. Am ZiF hatten wir damals die s·trate­ ren. Ich glaube nicht, daß wir mit einer plin für wichtig erachtet, was wahrge­ Solidarität in solcher Lage verlangt ein­ gie, daß es ein Zentrum und Anlauf­ quantitativen Ausweitung von Personal nommen wird und wo ich die entschei­ fach zu viel. Nämlich zu sagen, ich punkt auch für die außeruniversitären für diese Themen rechnen können. Ich denden Strukturen sowohl innerhalb verzichte darauf, mich im Osten zu Projekte sein sollte. Das ist noch im­ würde eher darauf bauen, wirklich durch der Disziplin als auch in der gesamten bewerben, damit die Ostfrauen eine mer so gedacht. Allerdings ist bislang stärkeren Ausbau von Netzwerken zu­ Fächerstruktur einer Hochschule sehe. Chance haben. Wenn ich selbst seit kaum eine echte Kultur von Netzwer­ nächst einmal an den einzelnen Univer­ Da fielen sozusagen ganz beiläufig und Jahren arbeitslos bin oder nur von Pro­ ken und Vernetzung entstanden. Eher sitäten schrittweise interdisziplinäre automatisch Ansätze von Frauen- und jekten gelebt habe, ist das einfach eine scheint es so, daß in diesen Zeiten des Projekte aufzubauen, die Kräfte zu Geschlechterforschung unter den Überforderung. Insofern denke ich ist extremen Sparens die Konkurrenz un­ sammeln und neu zu ordnen und die Tisch. diese Vorstellung, es gäbe eine über­ tereinander auch auf diesem Gebiet, Fragen, die bearbeitet werden, anders greifende Frauensolidarität, wohl doch auch unter Frauen, größer wird. Man und neu zu formulieren. Von daher Was war mit der schwesterlichen Soli­ eher eine der Mythen, die wir hinter uns läßt sich nicht gern in die Karten se­ müßte eine Potentialverstärkung für darität der Westfrauen in dieser Situa­ lassen sollten. Zu fragen ist doch eher hen. Ich sehe zur Zeit also relativ wenig trauen- und geschlechtsspezifische tion. die ja oft thematisierl wird? Dort in welchen zusammenhängen gibt e� Ansätze eines institutionenübergreifen­ Themenstellungen kommen. Auch sehe gab es doch genügend Erfahrungen gemeinsame Interessen, die man dann den Netzwerkes. Allerdings, und das ich Möglichkeiten, mit den eigenen damit, wieviel power Frauenaufbringen auch gemeinsam artikulieren und durch- muß man auch sagen, gibt es ja neben Perspektiven in Projekte zu gehen, die 31 30 hochschule ost 3/ 1996 hochschule ost 3/1996 nicht unbedingt schon von vornherein Osten Deutschlands im Grunde ge­ Astrid Franzke (Leipzig): mit einem feministischen Ansatz ar­ nommen nur ein kleiner Bestandteil. beiten. Zum Beispiel gibt es hier in Viel größere Veränderungen stehen an Frauen- und Geschlechterforschung in Potsdam erste Überlegungen zur Ein­ und die werden alle betreffen. Ich meine richtung eines Sonderforschungsbe­ nicht Revolution, sondern daß doch Sachsen - Wege in die Institution? reichs mit dem Rahmenthema .Bedin­ längst klar ist, daß die alten Strukturen gungen des Aufwachsens Jugendlicher nicht mehr funktionieren. Daß das, was in den neuen Bundesländern·. Die Un­ einmal als Postmoderne diskutiert tersuchungen sollen jeweils von einer wurde, offenbar doch Anzeichen für die ost-und einer westdeutschen Perspek­ zunehmende Dysfunktionalität der al­ tive aus geführt werden. Da könnten ten Strukturen waren. Das wird sich in Seit Anfang der 70er Jahre hat sich im Verhältnisse reproduzierten Ursachen, zum Beispiel Fragen der geschlechts­ den nächsten Jahren auf allen Gebie­ Ergebnis der neueren Frauenbewegung Mechanismen und Erscheinungsformen spezifischen Sozialisation durchaus ten verschärfen. Möglicherweise müs­ in Westeuropa die Anerkennung von des Patriarchats und versucht dar­ eine Rolle spielen und dann im Rah­ sen dann sogar Fragen der Geschlech­ Frauen-und Geschlechterforschungals überhinaus Wege zu dessen Überwin­ men der Zusammenarbeit im gemein­ terverhältnissevöllig neu bedacht wer­ legitimer Forschungsgegenstand ins­ dung aufzuzeigen. Sie hat Ge­ samen Projekt auch Blickwinkel verän­ den, gibt es dann andere, neue Gegen­ besondere in den Geistes- und Sozial­ schlechterverhältnisse als Macht- und dert werden und feministische Frage­ sätze und Grenzziehungen. Diese um­ wissenschaften vollzogen. Hierarchieverhältnisse zum Gegen­ stellungen mehr Normalität gewinnen. stand, beschäftigt sich mit den ge­ fassenden Prozesse aus dem Blick­ Diese Grundtendenz bedeutet jedoch Insofern sehe ich auch schon Möglich­ winkel der Frauen- und Geschlechter­ schlechterspezifischen Sozialisations­ weder, daß deren Etablierung ohne mustern in Geschichte und Gegen­ keiten. Aber man muß auch ganz deut­ forschung aufmerksam zu beobachten Widerstände verläuft und deren Auf­ wart, analysiertTätigkeits- und Lebens­ lich sagen, daß uns der Wind kräftig und zu analysieren, darin sehe die nahme in den Wissenschaftskanon sich zusammenhänge von Frauen und ent­ ins Gesicht bläst. Und nicht nur wegen kommenden Herausforderungen an von selbst vollzieht, noch das Fehlen wickelt dazu spezifische methodische der Einsparungsmaßnahmen. Ich den­ mein Fachgebiet. Und das kann nur in jeglicher Ressentiments auch bei Frau­ Zugänge. ke vielmehr an die generelle Lage, die interdisziplinärer Zusammenarbeit ge­ en. großen Umstrukturierungen, vor denen lingen. Zweck von Frauen-und Geschlechter­ Ebensowenig führt der Nachweis des wir ja wohl unmittelbar stehen in der forschung ist es, ungeachtet der nicht Defizits an Frauen-und Geschlechterfor­ heutigen Gesellschaft, in der wir leben. Frau Dölling, ich bedanke mich für das unerheblichen Nuancierungen (femini­ schungsergebnissen in den neuen Bun­ Da ist der Transformationsprozeß im Interview. stische Forschung, Frauenforschung, desländern, die von o.g. Entwicklung Frauen- und Geschlechterforschung), Anmerkungen: weitestgehend ausgeschlossen waren die grundlegende Differenz der Ge­ 1 und erst nachträglich partizipierenkonn­ Zur wissenschaftlichen Vita: Studium der Bibliothekswissenschaften und der Philosophie schlechter zu thematisieren, nach den an der Humboldt-Universität Berlin mit Staatsexamens- und Diplomabschluß in den beiden ten, zu einem gesetzlich verpflichtenden geschlechtsspezifischen Aspekten der Fächern 1966; 1966 bis 1970 Aspirantur am Institut für Asthetik und Kulturtheorie der HUB; Auftrag zu dessen Beseitigung. Dabei 1970 Promotion zum Dr. phil.; 1975 Habilitation; 1975 bis 1985 Wahrnehmung einer Dozentur sozialen und politischen Prozesse zu kann auf wissenschaftlich durchaus und 1985 Berufung zur Professorin für Kulturtheorie an der HUB. 1991 bis 1994 Direktorin fragen. Sie ergründet die sozialen nicht zu vernachlässigende Ergebnis­ des Instituts für Kulturwissenschaft an der HUB. Seit 1994 Inhaberin des Lehrstuhls Tätigkeiten und Räume, die vorwie­ Frauenforschung am FB Soziologie der Universität Potsdam. se die zu DDR-Zeiten erbracht wurden, gend von Frauen besetzt und bisher 2 Professor lrene DOiiing arbeitete und arbeitet an verschiedenen Projekten zu Aspekten der verwiesenund aufgebaut werden. Transformation des Alltags ostdeutscher Frauen nach der deutschen Vereinigung. Unter­ nicht Gegenstand wissenschaftlicher sucht werden die Auswirkungen des Transformationsprozesses auf Geschlechter­ Frauen- und Geschlechterforschung Untersuchungen gewesen sind. verhältnisse und auf die Chancen und Behinderungen von Frauen. (Wertepräferenzen, thematisiert auf interdisziplinärer Ba­ Sterilisationsverhalten usw.) sis sowohl die historisch-gewachse­ Frauen-und Geschlechterforschung •Frauen-Prisma.Wissenschaftliche Beiträge zur Frauenforschung. Hrsg. von Monika Stein, nen und beständig durch die sozialen kann bezogen auf das Territorium Sach- Gleichstellungsbeauftragte der Universität Potsdam. Erscheint seit 1995 semesterweise. 33 32 hochschule OSI 3/ 1996 hochschule ost 3/ 1996 sen auf eine Tradition verweisen, die in den finanzielle Mittel zu ihrer personel­ dlglich graduell etwas zu ihren Gun­ geprägte Schritte auf dem sicher lan­ die DDR-Zeit zurückführt, wenngleich len und organisatorischen Absicherung, sten verändern, das prinzipielle Pro­ gen Weg zur Institutionalisierung von sie nicht unter dieser spezifischen denen eine gewisse Dauerhaftigkeit be­ blem allerdings mehr verdeckt, denn zu Frauen-und Geschlechterforschung in Bezeichnung zu finden ist. Ansätze scheinigt werden muß. dessen Bewältigung beigetragen wer­ Sachsen setzten 1992 mit Konferen­ dafür waren durchaus vorhanden, eine den. Ungeachtet dieser Argumente ist zen zur Frauenforschung in Dresden Reihe von Vorleistungen sind erbracht Institute bieten gerade wegen ihres aus o.g. Gründen die Etablierung von ein, die 1993, 1994 und 1995, 1996 worden, u.a. auf dem Gebiet der histo­ relativ stabilen Rahmens, der organisa­ Frauen- und Geschlechterforschung auch in Leipzig fortgeführtwurden, die rischen, der literaturwissenschaftlichen torischen und finanziellen Absicherung eine Notwendigkeit, kann aber immer dem wissenschaftlichen Austausch und der soziologischen Frauenfor­ eine solide Basis für wissenschaftliche nur ein Schritt auf dem Wege der Be­ unter interdisziplinärem Aspekt dien­ schung. Forschungsarbeit. Andererseits ist seitigung der strukturellen Benach­ ten (vgl. im folgenden Nagelschmidt nicht zu übersehen, daß Institutionen teiligung von Frauen in der Wissen­ 1996, S. 14). Es wurde ein längerer Die Wege von Frauen- und Geschlech­ immer auch eine Eigendynamik besit­ schaft und der Gesellschaft sein. Prozeß der inhaltlichen Verständigung terforschungin die Institution erweisen zen, einen bestimmten Rahmen vorge­ zum Zwecke der Anliegen von Frauen­ Unter Umgehung der diesbezüglich zu sich auch im Bundesland Sachsen wie ben, nicht nur für die organisatorische und Geschlechterforschung unter den erwartenden Probleme und Gegenar­ in der BRD überhaupt, als nicht ein­ Absicherung, sondern auch für die Prä­ spezifisch ostdeutschen resp. sächsi­ gu mentationen wurde daher in Sach­ fach, sind sie doch immer mit der Bin­ ferierung inhaltlicher Forschungsarbeit. schen Bedingungen eingeleitet. 1992 sen die Institutionalisierung von Frau­ dung an finanzielle Mittel verbunden. Insofern stellen Institutionen nicht nur erschienen erste Publikationen z.B. enforschung immer im Kontext mit der (Vgl. Überblick über die Institutionali­ Möglichkeiten für wissenschaftliche .Einspruch", das dem Nachdenken über Geschlechterforschung diskutiert; wo­ sierung von Frauenforschung an Uni­ Untersuchungen dar, sondern gleicher­ eigene Sozialisation und dem Umgang nach Männer als über Frauen Forschen­ versitäten der BRD von S. Metz-Gockel maßen auch Grenzen, besitzen ambi­ mit der Vergangenheit unter ge­ de nicht prinzipiell ausgeschlossen und 1994, S. 283 ff.) valente Wirkungen. schlechterspezifischen Aspekten neue die Situation von Frauen im Kontext der Impulse gab. Im November 1992 kon­ In den neuen Bundesländern gibt es Thematisiert wird von Frauen und Frau­ Geschlechterverhältnisseals veränder­ stituierte sich der Gesprächskreis bisher insgesamt nur vier Frauenfor­ enforscherinnen inzwischen auch, daß bar angesehen werden. schungsprofessuren, davon befinden die Etablierung von Frauenforschungs­ .Frauenforschung" bei der Staatsmini­ sich drei an der Humboldt-Universität professuren nur ein Ansatz zur Durch­ Zum anderen gab und gibt es einen sterin für die Gleichstellung von Frau zu Berlin im FB Sozialwesen (Hildegard brechung patriarchal geprägter Wissen­ Dialog zwischen der universitäre') und und Mann - Frau de Haas - in Dres­ Maria Nickel), im FB Kulturwissen­ schaftsstrukturen sein kann. Sehr leicht außeruniversitären Frauen- und Ge­ den. An der TU Dresden wurde eine schaften (Christina von Braun), im FB kann diese Forderung dahingehend sc hlechterforschung und gemeinsame Dokumentation zur Frauen- und Ge­ Germanistik (lnge Stephan) (vgl. mißbraucht werden, daß man den Frau­ Initiativen. schlechterforschungin Sachsen erstellt und schrittweise eine Netzwerkstruktur Frauenforschungsprofessuren an deut­ en diese .Spielwiese• zugesteht, sie Seitens der Gleichstellungsbeauftrag­ aufgebaut (vgl. Frauenforschung in schen Universitäten/Gesamthochschu­ aber weiterhin an den .normalen· Be­ ten der Universität Leipzig wurde seit Sachsen 1992, 1993, 1994). An den len und Hochschulen 1994, s. 51 ff.) rufungen und Besetzungen des wis­ 1991 kontinuierlich versucht, zunächst Universitäten Leipzig und Dresden fin­ und eine an der Universität Potsdam im senschaftlichen Personals nur unter­ auf Bundesebene Unterstützung in die­ den Ringvorlesungen statt. FB Sozialwissenschaften (lrene DOi­ repräsentiert teilhaben läßt, sie von ser Frage zu erhalten und die dort iing). dem traditionellen Wissenschaftsdis­ vorhandenen Erfahrungen,unterschied­ Das 1994 vom Senat der Universität kurs ausgeschlossen bleiben. In die­ lichen Wege zur Institutionalisierung Bei der Institutionalisierung von Frau­ Leipzig verabschiedete Gleichstel­ sem Kontext wird diskutiert, daß Frau­ zur Kenntnis zu nehmen. Konkret ge­ en- und Geschlechterforschung sind lungsprogramm enthält das ausgewie­ en mit solchen Forderungen nur ihre schah dies durch Mitarbeit in der .Se­ Widerstände verschiedenster Art zu sene, perspektivische Ziel, ein Zentrum eigene Separierung zementieren, statt natskommission für Frauenforschung überwinden, denn Institutionen stellen für Frauen- und Geschlechterforschung sie aufzubrechen, sich in die Selbst­ der DFG". eine deutliche Festschreibung von Wis­ ghettoisierung bringen und die Selbst­ zu etablieren. Frauenforschungspro­ senschaftsstrukturen dar und sie bin- isolation befördern. So könnte sich le- Erste markante und stärker inhaltlich gramme und frauenspezifische Lehr-

35 34 hochschule ost 3/1996 hochschule ost 3/1996 Quantitativ ist eine deutliche Zunahme ben, daß an insgesamt 7 Fakultäten inhalte sollen in den Fakultäten und Mann erstmals außerhalb der Staats­ von Lehrangeboten, die explizit ge­ derartige Forschungsvorhaben laufen, Forschungseinrichtungen etabliert und kanzlei an der Universität Leipzig und schlechterspezifische Problemstellun­ was die insgesamt größer gewordene in der Lehre umgesetzt werden. lang­ debattierte Wege der Institutionalisie­ gen (Frauen-Familienbezug ausweisen) interdisziplinäre Basis von Frauenfor­ fristig wird die Einrichtung eines Lehr­ rung von Frauen- und Geschlechter­ thematisieren, nachweisbar. (Bsp. S S schung belegt. Sie ist auch an der Uni­ stuhls für Frauen- und Geschlechter­ forschung in Sachsen. Dazu waren ne­ 1991 5 Lehrangebote, WS 95/96 17 versität Leipzig nicht nur in den Sozial­ forschung angestrebt (vgl. Universi­ ben Leipziger und Dresdener Frauen­ Lehrangebote) wissenschaften als Forschungszweig tätsjournal 1/1995). e e e e forscherinn n Wiss nschaftl rinn n vertreten, sondern in vielen Wissen­ aus den westlichen Bundesländern e e e e e Gemäß dieser Zielstellung wurden von Ein br it r s Fäch rsp ktrum, eine schaftsdisziplinen wie: Geschichte, geladen, die über entsprechende Grün­ größere Präferenz der Verteilung der der Gleichstellungsbeauftragten der Uni­ Kunst-und Orientwissenschaften, Lite­ dungserfahrungen bereits verfügen. e e e e be versität erste Überlegungen zu den L hrangebote mit G schl cht r zug raturwissenschaft,S prachwissenschaf­ e e e e e e Aufgaben und Inhalten eines Zentrums üb rv rschi d n Fakultät n wird sicht­ ten, Erziehungswissenschaften, Sport­ N e e e e e e achfolg g spräch im kl in r n Kreis be be e für Frauen-und Geschlechterforschung bar, wo i da i ein eindeutige Kon­ wissenschaften, Psychologie und Me­ e e e e e e hab n s itd m stattg fund n, mit d r e e formuliert, ähnlich dem Zentrum für in­ zentration auf di Philologisch Fakul­ dizin. e e e S e be Int ntion, konkr t re chritt zu ra­ tät, e terdisziplinäre Frauenforschung der Fakultät für G schichte-, Kunst­ ten und anzugehen, mit der Zielstel­ Zahlreiche Publikationen von Wissen­ Humboldt-Universität Berlin (vgl. Na­ und Orientwissenschaften, Erziehungs­ lung noch im Sommer 1996 einen näch­ schaftlerinnen und Wissenschaftlern gelschmidt 1996, S. 15 f.)Anliegen die­ wissenschaftliche Fakultät, Fakultät für sten Weg abzuklären. e ses Zentrums ist es, geschlechtsspe­ Sozialwissenschaften und Philosophie, d r Universität Leipzig und auch die zifische Ansätze in die Forschung ein­ Eine unter dem Gesichtspunkt vorge­ Fakultät für Biowissenschaften, Phar­ Vergabe von Qualifizierungsarbeiten mit zubeziehen, um so differenziertereAna­ nommene Analyse zu den Vorausset­ mazie und Psychologie sowie die Me­ einem Geschlechteraspekt (Diplom-, Promotions- und Habilitationsarbeiten) lysen des patriarchalen Kulturbetriebs zungen für die Umsetzung dieser Ziel­ dizinische Fakultät zu verzeichnen ist. b e e e b e S leisten u können und eine entspre­ e e be b e el g n in eachtlich s pektrum vor­ � st llung z igt reits eachtlich Re­ Eine Besonderheit ostdeutscher Ver­ chende Uberführung in die Lehre vorzu­ handener Kompetenz. sultate auf dem Gebiet der Frauen- und hältnisse wird darin sichtbar, daß im nehmen. e e e e G schl cht rforschung an der Univ r­ Unterschied zu den Altbundesländern Es ist zu vermuten, daß diese Analyse sität Leipzig, die von Wissenschaftle­ Im Ergebnis einer Gesprächsrunde mit zwar der größte Teil, nämlich 64 % aller noch nicht vollständig ist, da der Rück­ rinnen und Wissenschaftlern quasi als dem Ministerpräsidenten vom 25.04.95 Lehrangebote mit Geschlechterbezug lauf nicht immer vollständig gewährlei­ . Nebenprodukt" ihrer eigentlichen Tä­ hat eine Gruppe von Leipziger Frauen von Frauen, aber immerhin auch '35 % stet war. tigkeit erbracht wurden, obwohl dafür aus dem universitären und außeruni­ von Männern unterbreitet wurden. keine spezielle materielle und finanzi­ 3. Ringvorlesungen zu Frauen- und versitären Bereich dessen Vorschlag elle Förderung/Absicherung erfolgte. 2. Auswertung der Erhebung zu den Geschlechterforschungsthemen seit aufgegriffen und einen ersten Entwurf Zielstellung ist es, dieses Potential aktuellen Geschlechterforschungsthe­ ss 1994 für ein .Sächsisches Institut für Frau­ weiter zu entwickeln. men en- und Geschlechterforschung· erar­ Im Rahmen des Studiums universale, beitet, der im Juni 1995 übergeben 1. Geschlechterspezifische Analyse In Vorbereitung auf den Gesprächs­ das ein Programm für Studierende aller wurde. der Lehrangebote der Vorlesungsver­ kreis .Frauenforschung" der Staatsmi­ Studiengänge und Hochschulen sowie nisterin für die Gleichstellung von Frau für Mitarbeiterinnen der Universität und Weiterer Profilierungsbedarf der Kon­ zeichnisse seit SS 1991 und Mann vom 29.11.95 an der Univer­ für Bürger der Stadt Leipzig darstellt, zeption wurde signalisiert und ein län­ Eine Analyse der Vorlesungsverzeich­ sität Leipzig, wurde von der Gleichstel­ werden seit SS 1994 zunächst vier­ e e g rer Diskussionsproz ß kündigte sich e e e e nisse vom SS 1991 bis zum WS 95/96 lungsb auftragt n d r Universität ine zehntägig Ringvorlesungen zu Frauen­ an. e e e e e unter dem Geschlechteraspekt zeigt in Umfrag zu d n d rzeitig n Frau n­ und Geschlechterforschungsthemen und Geschlechterforschungsprojekten Am 29.11.95 tagte der Gesprächskreis dreifacher Hinsicht eine interessante angeboten . an den einzelnen Fakultäten vorge­ • Frauenforschung· der Staatsministerin und in ihren Ergebnissen beachtliche Anliegen dieser Vorlesungen ist es, für die Gleichstellung von Frau und Entwicklung: nommen. Die Auswertung hat erge- 37 36 hochschule ost 3/ 1996 hochschule ost 3/ l 996 men aus dem medizinisch-psychologi­ ner finanzieller Unterstützung durch die insbesondere weibliche Forschungsan­ Im SS 1995 wurde die Ringvorlesung schen Bereich. Universität. sätze aufzuzeigen, Frauen aus ver­ (Teil 3) wöchentlich mit insgesamt 11 schiedenen Wissenschaftsdisziplinen Themen aus verschiedenen Wissen­ Es ist vorgesehen, alle Beiträge der Astrid Franzke, Dr.phil., Philosophin, die Möglichkeit zu geben, ihre ge­ schaftsdisziplinen (6 Referentinnen aus Ringvorlesungen im Universitätsverlag ist Referentin der Gleichstellungsbe­ auftragten der Universität Leipzig schlechterspezifischen Forschungser­ der Universität/5 aus außeruniversitären zu publizieren, bei wie bisher vorhande- gebnisse vorzustellen. Auf dieser in­ Forschungseinrichtungen) und 134 Teil­ terdisziplinären Basis wurde ein brei­ nehmerinnen (ca. 12 je Veranstaltung) tes Spektrum an Themen angeboten weitergeführt. Literatur: und eine Zusammenführung von univer­ Frauenforschungsprofessuren an deutschen Universitäten/Gesamthochschulen und Hoch­ sitärer und außeruniversitärer Frauen­ Ab WS 95/96 erfolgte eine konzeptio­ schulen. Zweite ergänzte und aktualisierte Auflage. Extra-Info 15. Zentraleinrichtung zur Förderung von Frauenstudien und Frauenforschung an der FU Berlin. Berlin 1994. forschung praktiziert. Die Resonanz nelle Veränderung der Ringvorlesung. auf das erste derartige Angebot von Erstmals wurde eine thematische Frauenforschung in Sachsen. Auswahlbibliographie. Hrsg. Koordinierungsstelle Frauen­ forschung und Frauenstudien im Referat Gleichstellung an der TU Dresden. Teil I Dresden 105 Teilnehmerinnen in 8 Veranstal­ Grundorientierung für alle Veranstal­ 1992, Teil II Dresden 1993, Teil III Dresden 1994. tungen formuliert. Die insgesamt 14 tungen (ca. 13 je Veranstaltung) beleg­ Hildebrandt, K.; Voth, H.: Waltenberg, Ch.: Frauen an Hochschulen und wissenschaftlichen te das vorhandene Interesse an dem Veranstaltungen standen unter der The­ Einrichtungen im ehemaligen DDR-Gebiet. S. 23-25 In: Neusel, A.: Voth, H.: Utopia ist (k) ein Grundanliegen. Von den 8 Referentin­ matik .Patriarchat und Gewalt" (6 Refe­ Ausweg. Frankfurt a. M. 1992. nen kamen 3 aus der Universität und 5 rentln.nen kamen aus der Universität, 8 Metz-Göckel, S.: Sozialwissenschaftliche Frauenforschung in der BRD. Senatskommission aus außeruniversitären F orschungsein­ aus außeruniversitären Forschungsein­ für Frauenforschung. Mitteilung 1. Berlin 1994. richtungen. Mit Unterstützung der Uni­ richtungen). Mit einem starken Anstieg Nagelschmidt, 1.: Frauenforschung in den neuen Bundesländern. In: Frauenforscherinnen versität war es möglich, die entspre­ der Teilnehmerlnnenanzahl auf insge­ stellen sich vor (Hrsg. 1. Nagelschmidt). Leipzig 1996. chenden Beiträge im Universitätsverlag samt 387 (ca. 28 je Veranstaltung) hat Nagelschmidt, 1.: Frauenforschung in Sachsen - zwischen allen Stühlen?! In: Gleichstellung unter dem Titel .Frauenforscherinnen sich eine thematische Ausrichtung of­ der Frau - herausforderung der Einheit! Dokumentation zur 5. Landeskonferenz der Gleichstel­ stellen sich vor" (Teil 1) zu veröffentli­ fensichtlich bewährt. Auf diese Weise lungsbeauftragten an Hochschulen im Freistaat Sachsen. Dresden 1993. chen (erschienen 1995). bildete sich ein Zuhörerinnenstamm Universitätsjournal. Leipzig 1/1995. heraus, der vorwiegendaus Studentin­ Die Fortsetzung der Ringvorlesungs­ nen der geistes- und sozialwissen­ reihe unter dem gleichnamigen Titel schaftlichen Studienrichtungen be­ erfolgte im WS 94/95, erstmals auf stand. Aber auch Mitarbeiterinnen und Grund der Nachfrage und entsprechen­ Frauen aus außeruniversitären For­ der Angebote von Referentinnen (7 aus schungseinrichtungen nahmen dieses der Universität und 6 aus dem außer­ Angebot an. universitären Bereich) wöchentlich. Ge­ schlechterforschungsergebnisse vor Zur Zeit läuft im SS 96 die Ringvorle­ allem aus historischer, literaturwissen­ sungsreihe unter der Thematik .Ge­ schaftlicher, soziologischer, medizini­ schlechterhierarchien im Wandel" mit scher und psychologischer Wissen­ insgesamt 11 Veranstaltungen. schaftssicht wurden in den 13 Veran­ staltungen vorgestellt und von 258 Teil­ Konzipiertist bereits die Ringvorlesung nehmerinnen (ca. 20 je Veranstaltung) für das WS 96/97 zum Rahmenthema besucht. Der Teil 2 der Ringvorlesung .Geschlechterrollen im interdisziplinä­ ist im März 1996 im Universitätsverlag ren Diskurs" mit insgesamt 14 Themen unter o.g. Titel erschienen. und einer stärkeren Präsenz von The- hochschule ost 3/1996 39 38 hochschule ost 3/1996 Ulrike Diedrich & Heidi Stecker (Leipzig): welche die wahrhaft großen Fragen der nen schon Jahre vorher in harten Kämp­ Menschheit nie erreichten. fen erobert hatten. Der angeblich ob­ jektive und unaufhaltsame gesellschaft­ Wissenschaft umging Bezüge auf of­ liche Fortschritt wurde mit geschönten Von der alma mater zu a/ma fensichtliche oder verdeckte politische Zur Etablierung von Frauenforschung aus der Perspektive Interpretationen hergestellt, wie das Vorgänge. Die zugelassene, notwendi­ exemplarisch Ulrich Kuhirt(1982, 1983) außeruniversitärer Forschungseinrichtungen gerweise sanfte Kritik in den Arbeiten und Lothar Lang (1983) in ihren Arbei­ der späteren DDR-Zeit wurde meist auf ten zur Kunst der DDR vorführen. den Abstand zwischen den Zeilen ver­ lagert und erschöpfte sich im allgemei­ nen in Andeutungen statt in konkreten Ulrike Diedrich Fakten und Diskussionen. So verweist die umfangreiche Arbeit zur Kunst in Wissenschaft, so wie ich sie im Studi­ 1. literatur und -gesprächen schlicht über­ der SBZ bzw. DDR von 1945 bis 1949 um kennenlernte, schien mit den poli­ von Karl Max Kober ( 1989) nur auf sehr tischen, sozialen und geistigen Proble­ Wir sind gebeten worden, für hoch­ sehen wurden, statt kritisch als Dis­ verschwommene Weise auf die politi­ men des Landes kaum etwas zu tun zu schule ost aus der Perspektive von kussionsstoff thematisiert zu werden. schen Debatten der Nachkriegszeit, haben und natürlich auch nicht mit Forscherinnen, die außerhalb der Uni­ Wissenschaftliche Werke wurden will­ die damit endeten, daß große künstle­ Frauenfragen. Wo in meiner studenti­ versität wissenschaftlicharbeiten, eini­ kürlich zum Beleg der feststehenden rische Potentiale unterdrückt wurden, schen Arbeit derartige Bezüge offen­ ge Thesen zum Stand der Etablierung Thesen herangezogen und für die Bear­ sichtlich wurden, habe ich sie lieber von Frauenforschung in der ostdeut­ beiter unbrauchbare Kapitel einfach um mit repressiven Mitteln das stalini­ übersehen. So denke Ich mit einigem schen Wissenschaftslandschaft vorzu­ nicht zur Kenntnis genommen. So wurde stische Kunstdogma durchzusetzen. Unbehagen an meine Diplomarbeit zu­ stellen. Wir verstehen das Thema als mir von meinem Betreuer als funda­ Kober schreibt, als wären diese Fragen schon längst abgeklärt, ohne daß tat­ rück, in der ich Formen der Konfliktbe­ Frage von Organisation und For­ mentales Werk für meine Dissertation sächlich ein öffentlicher Streit stattge­ wältigung bei Erziehern, die sämtlich schungsinhalten. Wir beginnen mit Re­ zur Begabungsproblematik das Buch funden hätte. Die nicht ausgesproche­ Erzieherinnen waren, beschreiben und flexionen darüber, wie wir Wissenschaft .Lebensbild des Talents" von Kart Scheff­ ne, wiewohl stets präsente Dominanz analysieren wollte. Daß die Sichtweise in der DDR in ihrem Bezug zu Ge­ ler (1944) empfohlen. Daß Scheffler in der Partei- und Staatsideologie sollte auf Konflikte im Erziehungsalltag die schlechterfragen erlebten. Gleichzei­ diesem Werk allen Ernstes meint, nur die Realität bestimmen und nicht etwa Geschlechtszugehörigkeit berücksich­ tig beschreiben wir, welche Blockie­ Männer hätten Talent, Frauen hinge­ umgekehrt. Staatliche Institutionen ent­ tigen sollte, blieb damals ausgeschlos­ rungen dieses Erbe für Wissenschaft­ gen nie und nimmer, sie würden be­ wickelten politische Losungen, nach sen. Die Tatsache, daß alle meine ln­ lerinnen bereit hält, und dehnen unsere stenfalls geschickt nachahmen, was denen sich die Wirklichkeit richten soll­ terviewpartnerinnen Frauen waren, ist Sicht auf Ergebnisse der Frauen- und Künstler kreieren, sollte ich großzügig te, während de facto - das machen mir als bedeutungshaltiges Moment Geschlechterforschung aus. Kurz stel­ übersehen. z.B. die kulturpolitischen Diskussio­ ebensowenig aufgefallen wie den Be­ len wir unser außeruniversitär arbeiten­ nen um den Begriff des sozialistischen treuern der Arbeit. Als hauptsächlich des Projekt .alma - Frauen in der Wis­ In Kunstwissenschaft und Kunsttheo­ Realismus deutlich - die Politik ver­ konfliktträchtige Bereiche in der Erzie­ senschaft" vor. rie wurde nicht nach den deutlich vor­ hung wurden von den Interviewten The­ handenen geschlechtsspezifischen suchte, den tatsächlichen Entwicklun­ gen hinterher zu hecheln und sie ideo­ men wie Politik und Sexualität erwähnt, Mustern gefragt. Daß es so wenige logisch zu legitimieren. Die (Kultur-) die ich ängstlich aus der Analyse aus­ 2. Künstlerinnen gab, war selbstverständ­ Politiker rechtfertigten im Nachhinein klammerte, indem ich entweder im In­ lich; die bekannten wurden den vorwie­ Heidi Stecker mit dem Slogan von der Weite und terview nicht nach Beispielen fragte gend weiblichen Studierenden als Be­ Vielfalt des sozialistischen Realismus oder sie, wenn welche genannt wur­ Ich habe Wissenschaft häufig so er­ bilderinnen und Beschreiberinnen von die Freiräume, die sich die Künstlerin- den, in der Inhaltsanalyse sehr formal lebt, daß misogyne Attacken in Fach- nebensächlichen Themen vorgestellt,

hochschule ost 3/1996 41 40 hochschule ost 3/ 1996 bearbeitete. Beziehungen zur Gegen­ sem Dilemma konkurrierender Anfor­ Als Normen erlebten und erleben wir, xis anstehenden bzw. durch sie ausge­ wart waren nach der Beendigung der derungen wollte ich in jenen Tagen her­ daß Fragestellungen theoretisch .ab­ lösten Fragen zu stellen. Der Effekt ist, Abstraktion nicht mehr bzw. nur ver­ ausfinden. Inzwischen sehe ich das geleitet", bestenfalls bedarfsorientiert daß Subjektivität auf schwer faßbare deckt sichtbar. Konflikte beschrieb ich Dilemma als Konstruktion. Die Gleich­ zu sein hatten und keineswegs in der Weise in den Ergebnissen steckt: in als innere Konflikte und vernachlässig­ stellung von Frauen ist keine Frage des Reflexion eigener Erfahrungen und den Gliederungen, als zwischen den te deren strukturelle Bedingtheit. Auf Zeitfonds, jedenfalls nicht so aus­ Überlegungen reiften. Verbindungen Zeilen verpackter Standpunkt, als Ab­ diese Weise war es nicht möglich, den schließlich, wie uns damals zu glau­ zwischen theoretischem Denken und wertung von Lebensformen und Haltun­ durch die Erzieherinnen im Ergebnis ben nahegelegt wurde. vorhandenen Interessen bzw. Lebens­ gen der Beforschten. ihrer Konfliktbearbeitung permanent fragen, auch wenn sie, was selten ge­ Das mir vorgeschlagene Forschungs­ produzierten Rechtfertigungsdruck zu nug der Fall war, als ertaubt galten, wa­ Um nicht mißverstanden zu werden: thema .Akzentuierung von Information Wir argumentieren nicht gegen die problematisieren. ren nicht Gegenstand erkenntnistheo­ als Mittel der Konfliktbewältigung· wur­ retischer oder methodischer Reflexion. Forderung, sich von starken Projektio­ Sich von einem Thema persönlich be­ de mit den gesellschaftlichen Umwäl­ Die Produktion wissenschaftlicher Fra­ nen den Blick nicht verstellen zu las­ rührt zu fühlen, brach .störend" in ln­ zungen bedeutungslos. Der politische sen. Allerdings waren wir oft genug mit gen und Ergebnisse sollte als unab­ terviewsituationen ein und brachte das Druck des zerfallenden sozialistischen den Konsequenzen von Anforderungen hängig von Individualität und Subjektivi­ Setting durcheinander, denn hier hat­ Systems, der die klare Artikulation von tät entstanden dargestellt werden. konfrontiert, die eine geradezu klinisch ten eigentlich andere die Fragen zu be­ Interessen und die öffentliche Verhand­ rein anmutende Forschungspraxis ver­ antworten. Obwohl ich als Studentin in lung sozialer Konflikte verhinderte, hör­ Wissenschaftlerinnen, die ihre Gefühle langen. einer Forschungsgruppe arbeitete, die te auf zu existieren. Es war ange­ zeigen, werden verdächtigt, nicht ge­ eine Neutralität wissenschaftlicher Pro­ bracht, die eigene Stimme laut werden nug an nötiger Distanz zum For­ duktion grundsätzlich anzweifelte und zu lassen, da Selbstverständlichkeiten schungsgegenstand zu haben. Das 4. ihre theoretische Arbeit in der Reibung wie Arbeitsplatz, Wohnung und Welt­ Verdikt, sich nicht zu Subjektivität be­ Selbstklärung war auch unter dem mit diesen Zweifeln entwickelte, blie­ sicht bedroht waren. kennen zu dürfen, wird produziert, wenn ben in meiner Ausbildung etliche Nor­ Aspekt geschlechtsspezifischer Zuwei­ Die Annahme, daß wissenschaftliche die Konfrontation mit den eigenen Er­ men von Forschung unhinterfragt. sung notwendig geworden. Politische Ergebnisse etwas mit der sozialen Stel­ fahrungen aus dem Forschungsprozeß Veränderungen vollzogen sich in ra­ Mit der Wende konnte ich die Sterilität lung ihrer Produzentinnen zu tun ha­ ausgeklammert wird. Subjektive Be­ sender Schnelligkeit. Bisher verdeckt dieser Arbeitsweise nicht mehr durch­ ben, bestätigte sich praktisch. Ich be­ findlichkeit nicht als Bestandteil des gehaltene Interessen durften öffentlich halten. In den Verteilungskämpfen an gann, andere Fragen zum Gegenstand Lern- und Denkprozesses anzusehen, ausgehandelt werden. Die Prämissen behindert Kreativität und die Kritikfä­ der Universität waren die Weichen für meiner Arbeit zu machen: Warum lie­ wissenschaftlicher Arbeit änderten sich. higkeit der eigenen Arbeit gegenüber. Frauen schnell gestellt. Die forcierte ßen sich viele Frauen ohne nennens­ Forschungsarbeit, wie wir sie kennen­ Zunächst verbanden wir unsere schon Behauptung, ein Arbeitstag von 12 bis werten Protest aus der Öffentlichkeit lernten, funktioniert über die Abspal­ in der Bearbeitung befindlichen The­ 16 Stunden sei für die Entwicklung von des neuen Staatswesens verdrängen? tung von persönlichen Klärungsprozes­ men mit der Geschlechterproblematik: Fachkompetenz produktiv sowie unab­ Welche Strategien erwiesen und er­ sen, die gefälligst vorher erledigt wer­ Was geschah mit der jeweils gestell­ dingbar notwendig und daher von Müt­ weisen sich als praktikabel, das Inter­ den sollten. So ist dann der Mythos ten Frage, wenn wir sie an Frauen ternnicht zu leisten, verunsichertemich esse an der Unabhängigkeit unserer richteten? Es zeigte sich, daß sich die zunächst. Wissenschaftlerinnen, vor materiellen, emotionalen und geistigen perfekt: Wissenschaft sei reine, geisti­ alten Aufgabenstellungen zu sehr an allem die mit kleinen Kindern, mußten Existenz zu verwirklichen? ge Betätigung, die zu objektiven Er­ automatisch Schwierigkeiten haben, kenntnissen führe und nichts mit kon­ den Begrenzungen der bisherigen Pa­ mit der Konkurrenz .mitzuhalten·. Po­ kreten Personen zu tun habe. Er funk­ radigmen orientierten, als das wir sie in litik wurde jetzt interessant. Für unan­ 3. tioniert als Denkverbot und enthebt dieser Form weiter bearbeiten konn­ tastbar gehaltene Zustände konnten Wissenschaftlichkeit von Arbeit ist mit Forscherinnen der Notwendigkeit, sich ten. Die bisherigen Themen aufzuge­ bewegt und verändert werden. Aus die- bestimmten Anforderungen verbunden. innerhalb der eigenen Forschungspra- ben bedeutete indes, nicht mehr inner-

hochschule ost 3/1996 42 hochschule ost 3/1996 43 halb der vorhandenen Normen zu funk­ Studentinnen, Aspirantinnen, Dokto­ kommunale Fördergelder die Zahlung gen, Workshops und Konferenzen, tionieren. Der Verlust an Unterstüt­ randinnen, Assistentinnen, Dozentin­ von Telefon- und Portokostensowie die halten Seminare an den entsprechen­ 2 zung durch die etablierte scientific com­ nen etc. Berufliche Entscheidungen Miete eines 11 m großen Raumes. den Fachbereichen und publizieren, so beispielsweise das Buch .EigenArtige munity hieß, sich anderswo Hilfe zu waren im Wendechaos noch nicht ge­ Bis Ende 1995 mußte der Verein über Ostfrauen· ( 1994 ). holen. fällt bzw. standen zur Disposition. Vie­ ehrenamtliche Arbeit aufrechterhalten le Frauen interessierten sich für femini­ Wir suchten sie im Kontext feministi­ werden, denn erst zu diesem Zeitpunkt Noch in der Wende erfolgten ersteson­ stische Forschung, ohne sie sofort zu scher Wissenschaft. Es schien uns wurden uns ABM-Stellen genehmigt. dierende Gespräche, um ein Frauen­ hier auf wohltuende Art erlaubt, Sub­ ihrer Arbeitsperspektive zu machen. Von den beantragten Projekten wurden forschungszentrum, -institut oder ei­ jekt zu sein. Aus der Tatsache resultie­ Erstmals wurde öffentlich in den heili­ einige mit low-budget-Finanzierungen nen Lehrstuhl für Frauen- und Ge­ schlechterforschung zu etablieren. rend, dem weiblichen Geschlecht an­ gen universitären Hallen davon gespro­ verwirklicht. Die Förderrichtlinien des zugehören und einen spezifischen Blick chen, daß wissenschaftliche Ergeb­ Sächsischen Ministeriums für Wissen­ Während für die Etablierung anderer auf die Welt zu besitzen, durftenFrage­ nisse nicht unabhängig vom Geschlecht schaft und Kunst enthalten keinen Institute die Tatsache, daß in der DDR stellungen und Methoden entwickelt ihrer - in der Regel männlichen - Schwerpunkt .Frauen" oder ,Ge­ entsprechende Fachrichtungen kaum werden, welche die Arbeit an und mit Produzenten entstünden. Sie ermutig­ schlechterrollen". Das Sächsische Mi­ oder gar nicht existierten, offenbar Be­ eigenen Erfahrungen nicht ausschlie­ ten zu der Frage, ob unsere Schwierig­ nisterium für die Gleichstellung von gründung genug war, um Gelder bereit­ ßen. Frauen, die diese Fragen reflek­ keiten, die vorgeschlagenen For­ Frau und Mann fördertebisher nur Stu­ zustellen, galt dies für Frauen- und Ge­ tieren, müssen sich allerdings zusam­ schu_ngsthemen stringent, d.h. den dien geringen Finanzierungsumfangs. schlechterforschung keinesfalls. .Le­ menfinden, um sich gegenseitig in ihrer Wünschen unserer Betreuer gemäß, Dazu gehörtu.a. die von a/ma in Koope­ gen Sie erst mal was vor", lautete die Sichtweise zu bestärken und zu unter­ zu verfolgen, nicht dort eine Erklärung ration mit der Gesellschaft für Jugend­ Bedingung für die Gewährung von Un­ stützen. Dafür sind schon allein aus haben. und Sozialforschung, Forschungsstel­ terstützung. Mit welchem Geld die vor­ praktischen Gründen geistige und kon­ le Frauenforschung, realisierte Begleit­ zulegenden Forschungsergebnisse fi­ Als Ziel formulierten wir in unserer Sat­ krete Räume nötig, die den .Besitzern" forschung von.Wildwasser e. V." Chem­ nanziert werden sollten, wo Forschung zung, .Der Verein will insbesondere abgerungen werden müssen, denn die­ nitz. Das Referat für die Gleichstellung stattfinden sollte und wie, interessierte Frauenforschung und Frauenstudien se geben sie selten freiwillig her. Ein von Frau und Mann der Stadt Leipzig niemanden. Es wurde eine kosten- und fördern ... Er tritt aktiv gegen Diskrimi­ Einzelkämpferinnenstandpunkt er­ kann keine Forschungsprojekte finan­ ortlose Forschung vorausgesetzt, die nierung von Frauen auf und wirkt für die schöpft zu schnell die Kraft der Einzel­ zieren, bei größeren Institutionen wie später vielleicht belohnt werden könn­ Gleichstellung von Frauen in der Wis­ nen im alltäglichen Kleinkrieg und trägt der DFG und der KSPW beantragte te, nachdem die Produzentinnen ihre senschaft.• in seiner Isolation dazu bei, lieber de­ Projekte konnten wir bisher nicht durch­ Tüchtigkeit unter Beweis gestellt hät­ nen zu folgen, die von verwerflichem a/ma verfügte zuerst über kostenlose setzen. Unserer außeruniversitären ten. (Die Belohnung blieb erwartungs­ feministischem Tun abraten. Räume an der Universität. Ein Verwal­ Gruppe fehlt momentan die prominente gemäß aus.) Lobby, um als glaubwürdige Antrag­ tungsentscheid, die Büroräume unmit­ An dem Ziel, einmal in Sachsen ein stellerin akzeptiert zu werden. telbar universitären Struktureinheiten Institut für Frauen- und Geschlechter­ 5. zur Verfügung zu stellen, drückte das Unsere gegenwärtigen Themen wie forschung o.ä. einzurichten, halten wir deutliche Desinteresse der Universität Seit 1990 arbeiteten wir an der Etablie­ ,Frauenbild in der Kunst aus der DDR" fest, können uns aber seine Verwirkli­ an einem Projekt wie unserem aus. rung entsprechender Räume. Halma - oder .Sexuelle Mißhandlung in der DDR chung in nächster Zukunft nicht vorstel­ a/ma wurde aus der Universität ver­ Frauen in der Wissenschaft e.V." wur­ - Verdrängung eines Themas aus der len. Als neuestes Argument gegen de dann 1991 an der Universität Leipzig drängt. Öffentlichkeit" erarbeiten wir über Sti­ seine Etablierung wird neben drasti­ gegründet. Zunächst war der Kreis der Eine Anschubfinanzierung des Bun­ pendien. Wir beteiligen uns an den schen Budgetkürzungen die Starrheit Interessentinnen und Aktiven sehr groß desministeriums für Frauen und Ju­ Ringvorlesungen zu Frauen- und Ge­ der überlieferten Universitätsstrukturen und setzte sich ausschließlich aus gend ermöglichte die Anschaffung von schlechterforschungsthemen der Leip­ angeführt. Das Gliederungsprinzip der Universitätsangehörigen zusammen: Büromöbeln und eines Computers, ziger Universität, referieren auf Tagun- von Ordinarien besetzten Lehrstühle 45 44 hochschule OSI 3/1996 hochschule osl 3/ 1996 erhoffen uns Anregungen und inspirie­ - Mit der deutsch-deutschen Vereini­ sei .starr und fortschrittsfeindlich". Die stehen. In der Kommunikation mit ost­ gung scheint sich eine Erfahrung, die durch die strukturelle Festschreibung deutschen Hochschulfrauen wird uns rende Auseinandersetzungen. Gar manche Frau dort nötigt uns großen Frauen häufig machen mußten, fortzu­ der Abhängigkeit von Autoritäten ge­ der Statusunterschied hingegen oft sehr setzen. Die Macht, zu definieren, was kennzeichnete Ordnung halten wir schnell bewußt bzw. bewußt gemacht: Respekt ab, weil sie es geschafft hat, sich durchzusetzen und mutige Fragen ihr eigenes Leben in Geschichte und selbst nicht für eine produktive Struk­ Forschung wird eher an die herkömm­ zu stellen. Wir brauchen Ansprech­ Gegenwartwar und ist, wird ihnen selbst tur. Allerdings ist diese Argumentation lichen Instanzen abdelegiert. Es wird in partnerinnen und Interessentinnen für kaum zugestanden. Selbst wenn es besonders perfide. Leipziger Frauen­ der Regel davon ausgegangen, daß Seminare und Vorlesungen. Im Kampf ihnen gelingt, den Anteil der Frauen an forscherinnen sind väterlich vor den Wissenschaft ausschließlich dort statt­ um erfolgreiche Antragstellung, die den Leistungen der Menschheit in das Gefahren einer unflexiblen und veralte­ findet. Wer von außerhalb der Universi­ Anerkennung unserer Arbeitsergebnis­ rechte Licht zu rücken, bleibt es bei ten Einrichtung behütet. Diese verdeck­ tät an sie herantritt und verkündet, wis­ se sowie deren Veröffentlichung brau­ einzelnen Versuchen, Geschichte um te, abwertende und abwartende Hal­ senschaftlich zu arbeiten, erlebt des­ chen wir diejenigen, die Erfahrungen fehlende Puzzleteile zu ergänzen, die tung sucht mittlerweile ihresgleichen. halb oft Gleichgültigkeit, Vorurteile und besitzen, die passende List auspro­ Männer unbeschadet ihrer wissen­ Nach unserem Eindruck leisten sich Mißtrauen, vor allem wenn die For­ bierten und Siege erringen konnten. schaftlichen Reputation nicht zur Kennt­ westdeutsche Hochschulen feministi­ schung über ABM finanziert wird. Die Dabei sind wir leider auch mit einigen nis nehmen müssen. Die mühselige sche Wissenschaft zumindest als pre­ Kommunikation ist daher häufig eine Zwängen konfrontiert: Benötigte Gut­ Spurensuche nach vergessenen oder stigeträchtigen Toleranznachweis, Einbahnstraße. Teilweise wird die Be­ achten, z.B. für Stipendien, schreiben unterbewerteten Frauen wird durch die wenn der Druck durch engagierte Frau­ rührung einfach gemieden. Diese Hal­ Hochschulangestellte dafür vor. Mit ei­ .große" Wissenschaft nach wie vor ver­ en groß genug war, auch wenn sie im tung ist sicher ein Ergebnis der Traditi­ nem Hochschulstatus im Rücken nöti­ nachlässigt. Politische Konsequenzen etabliertenWissenschaftssystem nach on, daß Universitäten als Ort geistigen gen wir (potentiellen) Geld- und Auf­ tragen kaum zur Entlastung der schwie­ wie vor als unwichtig und randständig Fortschritts gelten. Sie verweist auch traggebern mehr Achtung ab. Aber wir rigen Situation von Frauen bei. Wie angesehen wird. Vorerst soll sie hier darauf, daß in der DDR in der Tat For­ möchten, daß die Zusammenarbeit dar­ diese Lage für die Zukunft verändert von Frauen, die darauf bestehen, am schung nur an etablierten Hochschul­ überhinaus geht, daß Hochschulange­ werden kann, ist aus der gegenwärti­ heimischen Schreibtisch (oder besser einrichtungen und Instituten stattfand, stellte uns ihren Status leihen. Zwi­ gen Perspektive schwer zu erkennen. gar nicht) geleistet werden. auf festen Stellen und für DDR-Verhält­ schen Frauenforscherinnen sind mehr nisse einigermaßen bezahlt. Außer­ - Bei solchen Konflikten für Frauen Daraus ergibt sich für Hartnäckige, die Verbindungen und mehr Solid_arität universitäre Forschung hat keine Tradi­ einzugreifen, ist einst feministische dennoch forschen wollen, der schon nötig, um politische Veränderungen zu tion in Ostdeutschland. Sie wird auch Wissenschaft angetreten. Sie wollte allein pragmatische Zwang, sich au­ erreichen und sich gegenseitig in der jetzt zu selten wahrgenommen und gar an notwendigen politischen Verände­ ßeruniversitär zu organisieren, um eine beruflichen Entwicklung zu unterstüt­ als innovativ oder gleichwertig akzep­ rungen arbeiten. Die Erfahrungen von Minimum an Geldern, Kontakten, Aus­ zen. tiert. tausch und Logistik zu sichern. Das ist Frauen sollten Eingang in die Theorie­ wie­ ein ständiger, langwieriger und zäher bildung finden, deren Ergebnisse Es ist bedauerlich, daß es zu wenig derum auf die Praxis von Frauen zu­ Kampf. 6. Kontakte zwischen außeruniversitär rück bezogen werden und sie positiv Kontakte mit westdeutschen Wissen­ und universitär Forschenden gibt, die Welche Ziele verbinden wir mit Frauen­ ändern. Welche Versuche, diese Si­ schaftlerinnen vermitteln uns oft die Kommunikation suchen in der Regel forschung? Ist sie Politikberatung, soll tuation zu definieren, unternimmt femi­ Erfahrung, daß es für sie weniger von die Frauen von außerhalb der Universi­ sie Utopien entwickeln oder ist sie eine nistische Wissenschaft? Werden Denk­ Bedeutung ist, wo Forschung gemacht tät. Zu selten ist das umgekehrt der Möglichkeit zur Selbstverwirklichung? möglichkeiten entwickelt, die Frauen wird. Sie erlebten häufig selbst. daß Fall. Wir gehen dennoch aus verschie­ Welche Probleme sehen wir bei der zu mehr Definitionsmacht und Hand­ berufliche Entwicklungen nicht immer denen Gründen auf sie zu. Wir hegen aktuellen Frauenforschung? Wir möch­ lungsalternativen verhelfen? Welche geradlinig verlaufen und gerade für un­ den Universitätswissenschaftlerinnen ten unsere Sicht anhand einiger The­ Entwürfe zu diesen gesellschaftlichen liebsame Themen nicht gleich (bezahl­ gegenüber die Erwartungen an nutz­ sen und Fragen veranschaulichen. Prozessen bietet die Frauenforschung te) Stellen an den Hochschulen bereit- bringende theoretische Diskussionen,

hochschule ost 3/1996 47 46 hochschule ost 3/1996 der neuen und der alten Bundesländer ökonomische Unabhängigkeit durch die die seltener reflektiertwerden. Der öko­ die Verschärfung sozialer Konflikte in­ im Jahre 6 nach der Wende an? Dies Berufstätigkeit der Frauen. Steht aber nomischen Unabhängigkeit der Frauen folge der Deindustrialisierung Ost­ sind Fragen, die uns gegenwärtig be­ bei solchen Rechnungsbilanzen DDR­ wird in diesen Untersuchungen meist deutschlands interpretiert. schäftigen und auf die wir Antworten Errungenschaften contra BRD-Verlu­ unbedingte Priorität eingeräumt, die - Wovon ist die Auswahl der Aspekte finden wollen. ste nicht von vornherein das Ergebnis aus der Höherbewertung ausgewählter und Bewertungshintergründe geprägt? fest? Was erfahren wir z.B. über die Aspekte der DDR resultiert. Bisherige - Schon vor 1989 haben einige Wissen­ Welche Rolle spielen dabei die biogra­ Rolle von Frauen in den verschiedenen Einschätzungen werten auf diesem schaftlerinnen in der DDR wahrgenom­ phischen Hintergründe der Forscherin­ zusammenhängen politischer Macht in Weg eine vermeintliche ostdeutsche men und teilweise öffentlich machen nen, die zum Teil selbst einen wichti­ der DDR? Es scheint, als -.vürde Ge­ Identität auf, die sich offensichtlich erst können, daß die Gleichberechtigung gen Abschnitt ihres Lebens in der DDR schichte auf die Punkte reduziert, die nach dem Ableben der DDR, aus den der Frauen weniger gesellschaftliche verbrachten einschließlich erster be­ jeweils am leichtesten auszuhalten sortierten verwertbaren Bruchstücken Realität als vielmehr ein weiteres Dog­ ruflicher Erfolge? Welche Differenzen sind. Können wir es uns nicht inzwi­ dessen, was im Nachhinein wichtig ma der Partei- und Staatsführung war. existieren im Blick verschiedener Ge­ schen leisten, mehr als bisher hinter und lohnend erschien, konstruiert. Doch Seit 1990 intensivierten sich die Bemü­ nerationen, die unterschiedlich an der Oberflächen zu schauen und damit der ist eine Identität fragwürdig, die vorher hungen, über die Geschichte der Frau­ Entwicklung der DDR partizipierten? en in Ostdeutschland nachzudenken. allgemeinen Verunsicherung von Iden­ weitgehend im Herstellen von Distanz bestand. Politische Großveranstaltun­ Alte Denk- und Wahrnehmungsmuster tität wirksamer begegnen? - Weltweit sprechen Feministinnen gen wurden vielfach als Pflichtübung werden hinterfragt. In der Auseinander­ von einem Roll-Back in den Geschlech­ - Ausgeblendet wird in vielen Fällen, absolviert, nach der Wende wollte dort setzung mit dieser Vergangenheit se­ terverhältnissen. Die Übernahme die­ daß .Errungenschaften" nur zum Teil niemand gejubelt haben. Unabhängig hen wir jedoch bestimmte Schwierig­ ser These durch Frauenforscherinnen von Frauen erkämpft, sondern vielmehr davon, ob sich die DDR das .Bewah­ keiten. der neuen Bundesländer setzt, bezo­ vom DDR-Staat verliehen wurden, um renswerte" leisten konnte bzw. welche gen auf die DDR, voraus, daß dort - Die ostdeutsche Frauenforschung die Mitarbeit der Frauen in der maroden Absichten sie bei ihrer Sozial- und Frauenbefreiung stattfand. Wozu wird orientiertsich über weite Strecken nach DDR-Wirtschaft abzusichern. .Eman­ Kulturpolitik leiteten, konzentrieren sich dieses Bild gebraucht? Müßten wir nicht wie vor an den ideologisch geprägten zipation" folgte weniger einem Befrei­ inzwischen vor allem Frauen auf positi­ auch nach den Kontinuitäten der Unter­ Dogmen der staatssozialistischen Füh­ ungsideal als wirtschaftlichem Kalkül. ve Aspekte der DDR. drückung von Frauen fragen? rung. Dabei setzt sie diese unhinter­ Die Kindergärten, oft genug wie die fragt als Prämissen ihrer wissenschaft­ zerbröckelnden Schulen und Horte in - Frauen werden häufig als die Verlie­ - Frauenforschung schafft oftmals idea­ lichen Arbeit und greift für deren Aus­ schauderhaftem Zustand, konnte sich rerinnen der deutschen Einheit bezeich­ lisierte Bilder vom Leben der Frauen in net. Dies liegt angesichts von weibli­ der DDR. Ihre Geschichte wird vielfach druck auf die Sprache der DDR zurück. die DDR-Wirtschaft eigentlich gar nicht cher Massen- und Langzeitarbeitslo­ zur Projektionsfläche von Sehnsüch­ Wir schätzen diesen Vorgang als leisten, tat es aber dennoch, auch um sigkeit, ABM-Berufsperspektiven und ten gemacht. Bisher wurde vor allem Selbsteingrenzung ein. Mit DDR-Vo­ eine Erziehung der Heranwachsenden sozialer Verunsicherung nahe. Jedoch westdeutschen Feministinnen vorge­ kabular werden Errungenschaften von im gewünschten Geist zu gewährlei­ gehen beim selektiven Vergleich mit worfen,unreflektiert die eigenen Sozia­ damals gegen Verluste heute aufge­ sten. Weiter drängt sich die Frage auf, lisationshintergründe auf Lebenszu­ rechnet, Vor- gegen Nachteile der ak­ wenn die DDR so kinder- und mütter­ der DDR-Vergangenheit zusammen­ tuellen politischen Veränderungen ab­ freundlich war, warum sich trotzdem hänge zwischen einzelnen Dimensio­ sammenhänge ostdeutscher Frauen zu gewogen. Diese Gewinn- und Verlust­ sehr viele Frauen zu einem Schwan­ nen der Lebensgestaltung verloren. projizieren. Einige würden durch die rechnungen zerlegen und reduzieren gerschaftsabbruch entschlossen. War Wichtige Themen wie Gewalt in der Verabsolutierung diktatorischer Herr­ das Leben von Frauen in der DDR auf ihre Entscheidung wirklich so frei? Ehe und sexualisierte Gewalt gegen­ schaftsmechanismen das Leben in der Aspekte wie eine sexuelle Selbstbe­ über Frauen und Kindern bleiben wei­ DDR einseitig abwerten.Andere produ­ stimmung durch das Recht auf Schwan­ - Das weitgehende Fehlen einer auto­ terhin tabuisiert. Sie werden entweder zierten unkritisch ein positives DDR­ gerschaftsabbruch, den kostenlosen nomen Frauenkultur und von Frauen­ völlig ausgeblendet oder als Ergebnis Bild mit emanzipierten ostdeutschen Bezug von Verhütungsmitteln und die netzwerken in der DDR sind Facetten, gestiegener Gewaltbereitschaft durch Frauen, um die eigenen Ideale auf-

48 hochschule osr 3/ 1996 hochschule ost 3/1996 49 rechtzuerhalten und auf Vorbilder für se bliebe abgegeben, wenn sich Frau­ die Frauenpolitik in Westdeutschland en einem vergangenen vermeintlich Gol­ Dokumentation verweisen zu können. Ist dies nicht denen Zeitalter zukehren statt sich von auch ein Problem ostdeutscher Frau­ einer kritischen Position aus aktiv der enforschung? Gegenwart und der Zukunft zuzuwen­ - Individuelle und kollektive Wurzelnzu den. Frauenforschungsprofessuren suchen und zu finden, muß mehr be­ an Hochschulen in Ostdeutschland* deuten als die Etikettierung schlechter Heidi Stecker ist Diplompädagogin für und guter Seiten der DDR, unter denen Deutsche Sprache/Literatur undKunst� wir litten oder die wir bequem als Bür­ erziehung und arbeitet zum Frauenbild A. Bereits besetzte Professuren gerinnen der DDR in der Kunst der DDR. in Anspruch nehmen 1. Berlin konnten. Ein derartiges Ulrike Diedrich studierte Psychologie, selektives Vor­ aktuelles Forschungsthema: Sexuelle gehen käme einem Geschichtsverlust Humboldt-Universität: Mißhan?lung in der DDR. Verdrängung gleich. Die Verfahrensweise der DDR­ e!nes Themas und deren Folgen. Philosophische Fakultät III Politiker, die Frauen als passive Objek­ Be,de Autorinnen sind gegenwärtig te zu handhaben, würde weitergeführt, über eine AB-Maßnahme bei F akultätsinstitut Kulturwissenschaften: Staatspolitik zur Geschichte der ost­ alme - Frauen in der Wissenschaft - Lehrstuhl Kulturtheorie mit Schwerpunkt Geschlecht und Geschichte C4, V., Leipzig, angestellt und deutschen Frauen gemacht. Die politi­ e.. besetzt zum Sommersemester 1994, Inhaberin: Christina von Braun Stipendiatinnen der sche Verantwortung für die ab 1.4.1997 Verhältnis- Heinrich-Böll-Stiftung Fakultätsinstitut Sozialwissenschaften: - Lehrstuhl für Soziologie der Familien-, Jugend- und Geschlechterverhältnisse C3, besetzt zum Wintersemester 1992/93, Inhaberin: Hildegard Maria Nickel Philosophische Fakultät II Institut für Deutsche Literatur: - Lehrstuhl Neuere deutsche Literaturgeschichte mit Schwerpunkt Geschlechter­ problematik im literarischen Prqzeß unter feministischer Fragestellung C3, besetzt zum Sommersemester 1994, Inhaberin: lnge Stephan 2. Land Brandenburg Universität Potsdam Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Sozialwissenschaften: - Lehrstuhl Frauenforschung C4, besetzt zum Sommersemester 1994, Inhaberin: lrene Dölling

* Erkenntnisstand Mal 1996. Die Zusammenstellung dieser neuen Daten war möglich durch freundliche Unterstützung von Frau Johanna Kootz (Zentraleinrichtung zur Förderung von Frauenstudien und Frauenforschung der freien Universität Berlin), die uns die Daten aus der demnächst erscheinenden Publikation .Frauenforschungsprofessuren in Deutschland", Hrsg. ZE Frauenstudien/Frauenforschung der FU Berlin, 3. Auflage, Berlin 1996 zur Verfü­ gung stellte, von Frau Prof. Dr.-lng. Brigitte Mack (Hochschule für Technik und Wirtschaft Zwickau) und Frau Dr.-lng. Schade (Technische Universität Ilmenau). 50 hochschule ost 3/ I 996 hochschule ost 3/1996 51 B. Ausgeschriebene Stellen Gelesen .---L======::J 1. Berlin Humboldt-Universität Juristische Fakultät: - Lehrstuhl Feministische Rechtswissenschaft in Verbindung mit einem dogma­ tischen Fach (deutsches oder ausländisches Zivilrecht, Öffentliches Recht oder Strafrecht) C3, ausgeschrieben zum Februar 1996 (Auskunft 2/96) Frauenforschung in Sachsen. Aus­ gen wissenschaftlicher Analysen, ab­ Theologische Fakultät: wahlbibliographie in drei Teilen. lesbar zumindest an einer für den Staat Hrsg. von der Koordinierungsstel­ genehmen und aushaltbaren Di�tion, - Lehrstuhl Feministische Theologie C3, geplant (Auskunft 2/96) le Frauenforschung/Frauenstudi­ wenn nicht gar ideologische Barrieren Landwirlschaftlich-Gärtnerische Fakultät: en im Referat Gleichstellung an von vornherein den Blick der Forsche­ der Technischen Universität Dres­ rinnen für Kritikwürdiges verstellten, Institut für Agrarpolitik, Marktlehre und Agrarentwicklung: - Lehrstuhl den. Die Gleichstellungsbeauftrag­ Forschungsergebnisse so zur Apolo­ Ruale Frauenforschung C3, geplant, vom Akademischen Senat und te. Dresden 1993-1994. 707 S. gie staatlicher Frauenpolitik verkam n Kuratorium beschlossen, noch nicht �_ ausgeschrieben; Beginn der lehre im und damit emanzipatorische Aufbru­ Sommersemester 1996 durch Gastprofessorin Elisabeth Meyer-Renschhausen (Auskunft 2/96) che ver- oder zumindest behinderten. So oder ähnlich lauteten die Urteile. Frauenforschung? Forschungen zu 2. Mecklenburg-Vorpommern DDR-Frauenforschung also als unin­ Frauen? Familienforschung? Wissen­ teressant oder sogar als .belastet• zu Unh,ersltät Greifswald schaftliche Zuarbeiten zur staatlichen den vielzitierten .Akten"? Offenbar Frauenpolitik? Oder wie ist zu beschr i­ Philosophische Fakultät: � macht es sich frau so leicht nicht. Denn ben und begrifflich zu verorten, was in zu konstatieren ist ein zunehmendes - Lehrstuhl Neuere deutsche der DDR-Zeit an wissenschaftlicher Literatur mit Schwerpunkt Frauen- und Geschlech­ Interesse an einer gründlicheren Be­ terstudien C3, Besetzungsverfahren Arbeit unter solchen und ähnlichen bis zur Stellenausschreibung gelaufen, standsaufnahme nach dieser ersten danach (WS 94/95) gestoppt; Termini geleistet wurde? Frauenfor­ seit WS 95/96 besetzt mit einem eingeklagten Grobsichtung. Frau ist wohl doch nicht Kollegen, der den Schwerpunkt scherinnen suchten 1989/90 im Umfeld Deutsche Literatur und Regionalliteratur des 20. so rasch fertig mit ihrer eigenen Wis­ Jahrhunderts vertritt, Regelung der aufbrechenden Frauenemanzipati­ bis zum Jahre 2002 (Auskunft 4/96) senschaftsbiographie, sogar um den onsbewegung der vergehenden DD 3. Sachsen-Anhalt � Preis vielleicht sehr schmerzhafter sehr selbstkritisch nach einer mögli­ Selbsterkenntnis. Allerdings ist eben Fachhochschule Merseburg chen Antwort auf die Frage nach der wohl nur so, mit neuem, nach dem Einordnung dieses Teilgebietes der Fachbereich Sozialwesen: Ableben der DDR geschärftenBlick auf DDR-Wissenschaftsgeschichte. Ge­ eigene Denkmuster und ideologische - Lehrstuhl Frauensozialarbeit/Frauenforschung messen an westlichen Maßstäben für C2/C3, Besetzungsverfahren Barrieren, auch die damit verbundene läuft gesellschaftskritische femin stische � Chance zu erkenntnisbefördernder Wissenschaft schien es allerdings zu­ 4. Thüringen Selbstbefreiung des weiblichen wissen­ nächst _ zumindest im ersten raschen schaftlichen Denkens zu haben. Pädagogische Hochschule Erfurt Rückblick _ wenig lohnend, bei dieser Bereich Soziologie: Frage länger zu verweilen. Reglemen­ Voraussetzung solch tieferlotender kri­ tierung der Themenwahl, kritikgebrem­ tischer Selbstbefragung der zu DDR­ - Lehrstuhl Frauenforschung und Geschlechterdifferenz, geplant ste Angepaßtheit der Schlußfolgerun- Zeiten mit Forschungen zu Frauen

52 hochschule ost 3/ 1 996 53 hochschule ost 3/ 1996 Beschäftigten ist eine akribische Do­ schaftlichen Arbeiten eine nicht hoch FORUM kumentation der Ergebnisse. Dazu lie­ genug zu schätzende Handreichung gen erfreuliche erste Resultate vor. für die Nutzerinnen . • Frauenforschung in Sachsen" ist eine Schon eine oberflächlicheSichtung der dreiteili e Auswahlbibliographie beti­ _ _ � hier dokumentiertenArbeiten zeigt eine telt, die im Rahmen eines ABM-Projek­ Reinhard Siegmund-Schultze(Berlin): doch erstaunliche und _ zumindest für t s am Referat Gleichstellung der Tech­ � bislang noch Uneingeweihte - in dieser nischen Universität Dresden in fast Quantität für DDR-Verhältnisse nicht Zu den ost-westdeutschen mathematischen zweijähriger Recherchearbeit erstellt erwartete Hinwendung zum Themen­ wurde. Sie dokumentiert - übersicht­ Beziehungen bis zur Gründung der Mathematischen feld Frauen. Da hier nur Arbeiten des lich gegliedert nach Einzelwissenschaf­ Gesellschaft der DDR 1962 letzten Jahrzehnts Existenz der ten (Geschichte, Kunst und Kulturwis­ der DDR dokumentiert sind, kann man/frau senschafen, Linguistik, Journalistik Pä­ zumindest ahnen, daß eine sorgfältige d ogik, Psychologie, Theologie, 'Me­ �� Gesamtschau für das gesamte Gebiet Vorbemerkung dizin, Naturwissenschaften, Technik, DDR eine stattliche empirische Rech swissenschaftenund Soziologie) der ! Basis. für eine gründliche wissenschafts­ durch die herrschenden ideologischen - und in benutzerlnnenfreundlicher Aus­ Die Mathematik der ehemaligen DDR geschichtliche Aufarbeitung der The­ und wirtschaftlichen Bedingungen be­ stattung (Schlagwortregister,Personen­ ist relativ gut Ober die politische .Wen­ matik .Frauen- und Geschlechterfor­ einträchtigt wurde, wenn man von eini­ und Autorlnn nverzeichnis) auf insge­ de" von 1989 gekommen. Anders als in � sc ung in der DDR" erbringen würde. gen ihrer Randgebiete (Logik,2 Kyber­ samt 707 Seiten Ergebnisse der trau­ � vielen Geistes- und Sozialwissenschaf­ Wissenschaftshistorikerinnen und netik, Informatik) absieht. Es gab be­ en-, familien- und geschlechtsspezifi­ ten, ja selbst anders als in einigen Frauen- und Geschlechterforscherln­ kanntlich sogar eine offizielle, staatlich schen Forschung im Raum Sachsen anwendungsnäheren Naturwissen­ nen wissen das Arbeitsresultat der geförderte Hochschätzung der Ratio­ vom Ende der siebziger Jahre bis zum schaften, wie der Physik, hat zumin­ Autorinnen der Dokumentation sicher dest die große Mehrzahl der Professo­ nalität der Grundlagenwissenschaft Jahr 1993. Ergänzend dazu enthält Teil auf ihre zu schätzen. Zumal - und das sei nicht ren1 ihre Positionen erhalten können. Mathematik, soweit sie sich 1 ein Verzeichnisder sächsischen Frau­ und sich nur in Parenthese vermerkt • wissen­ Infolge der positiven .Evaluierung· der Problemfelder beschränkte enforscherinnen und Vereine nebst nicht als Konkur­ sch�ft!ich _hochqualifizierteFrauen ( die ostdeutschen Mathematik ist es hier als Bündnispartner, Beschreibung ihrer Arbeitsschwerpunk­ Weltan­ Med1z1�erin_ Bettina Kreißig, die Psy­ auch zu einer der wenigen .Innovatio­ rent der .wissenschaftlichen te und Adressen. Arbeiterklasse" begriff. chologin Kirn-Astrid Bachmann, die nen• in der deutschen Forschungs­ schauung der die Mathema­ Kulturwissenschaftlerin Dr. Heidrun landschaft gekommen, die mit der Ver­ In dieser Funktion wurde Geliefert werden mit dieser Dokumen­ Nachwuchsbil­ Pretzschner, die Pädagoginnen Dr. einigung verbunden sind. Es sind näm­ tik, insbesondere ihre tation nicht nur Informationen über be­ gefördert, was Marina Jakubowski und Angelika Al­ lich große Teile eines Forschungsinsti­ dung, in der DDR stark arbeitete Themen und deren Autorin­ Beschluß des tenburger, die Journalistin Maria Grün­ tuts übernommen worden (in das jetzi­ sich sogar in einem nen. Die Verfasserinnen haben sich Dezember 1962 ler, die Lehererin Karin Hausmann und ge Weierstraß-Institut für Angewandte Politbüros der SED vom auch der - bei der Masse der aufgeli­ .Mathematikbe­ d�e �he inkerin Annett Gerold-Fathi) Analysis und Stochastik in Berlin), (dem sogenannten steten Arbeiten nicht geringen - Mühe � _ 3 hier in eigentlich qualifikationsfremder obwohl es in der Altbundesrepublik schluß") niederschlug. �nterzogen, die Publikationen inhalt­ lich zu sichten und den Leser mittels und dazu z.T. noch nicht einmal nach dazu kein Pendant gab. Die angedeutete Spezifik der Mathe­ ihrer tatsächlichen wissenschaftlichen ersten Blick Kurzreferaten zumindest grob über Die Mathematik war zweifellos eine matik scheint auf den Qualifikation bezahlter ABM-Arbeit eine Mathemati­ Schv,:erpunktsetzungen der jeweiligen de�enigen Wissenschaften der DDR, geeignet, Illusionen unter akribische wissenschaftliche Dokumen­ Rolle in der Arbeit und ihre wissenschaftlichen die auf Grund ihrer Spezifik in ihrem kern Ober ihre politische tation erstellten. Gesellschaft Hypothesen zu orientieren. Bei insge­ Hauptinhalt vergleichsweise weniger DDR und in der modernen samt 1.104 dokumentierten wissen- Monika Gibas (Leipzig) 55 hochschule ost 3/1996 54 hochschule ost 3/1996 Oberhaupt zu erzeugen bzw. zu verfe­ Fach zu lockern. Der in Westberlin die wissenschaftlichen Beziehungen Gefahr begibt, da gerade sie mehr noch stigen. Insbesondere bestätigen die wohnende Mathematiker der Ostberli­ zwischen Ost und West immer schwie­ als andere Wissenschaften darauf an­ neuen Erfahrungender. Wende" schein­ ner Humboldt-Universität, Erhard riger. Von staatlicher Seite wurde die gewiesen ist, ihre Relevanz durch Kon­ bar das Ideal der .apolitischen Wissen­ Schmidt (1876-1959), sah deshalb ins­ Pflege der wissenschaftlichen Bezie­ taktaufnahme mit den verschiedensten schaft", das unter den deutschen Ma­ besondere in der 1890 gegründeten hungen immer mehr von ihrer Nützlich­ gesellschaftlichen Gruppen zu demon­ Deutschen Mathematikervereinigung keit bei der Durchsetzungder Anerken­ thematikern spätestens seit der Zeit strieren. des NS-Regimes viele Anhänger hat. (DMV) .eine der Klammern... , welche nung der DDR abhängig gemacht. Der 5 Dies hat nicht zuletzt von seiten einiger die deutsche Kultur zusammenhalten." Ostberliner Mathematiker Heinrich Grell Mathematiker zu manchen oberflächli­ Die folgenden historischen Anmerkun­ Auch der einflußreiche westdeutsche ( 1903-1974) berichtete auf der Präsidi­ chen historischen Vergleichen zwi­ gen zu einem Teilproblem der Geschich­ Mathematiker Erich Kamke ( 1890- umssitzung der DMV am 8.September schen der Lage der Mathematik in der te der Mathematik in der DDR sollen 1961) sagte später, als die DMV 1959 1957 in Dresden über eine Beratung im unter anderem zeigen, daß auch die a a aa a �DR und in Hitlerdeutschland geführt, am Zerf llen war, .d ß ihm bei seiner DDR-St tssekretari t für Hochschul­ die schon wegen der oben angedeute­ ostdeutschen Mathematiker nicht um­ ganzen Tätigkeit in der Nachkriegszeit wesen. Der Staatssekretär hatte zuge­ ten offiziellen Förderung der Mathema­ hin kamen, für ihre Wissenschaft poli­ für die DMV das Wichtigste gewesen sagt, daß die Zusammenarbeit zwi­ tik in der DDR fragwürdig sind.◄ tisch zu handeln, und daß eine reine sei, eine gesamtdeutsche Mathemati­ schen Ost und West gefördert werden • Verweigerungshaltunggegenüber dem kervereinigung zu begründen und auf­ solle. Das Staatssekretariat sei bereit, Es ist meine Auffassung, daß sich die Regime· weder der Mathematik diente recht zu erhalten. •e künftig zum Mitgliedsbeitrag der DDR­ Mathematik durch Kultivierung ihres noch von vornherein eine .moralische Mathematiker (in westlicher Währung) .apolitischen Charakters" in der moder­ Höherwertigkeit" für sich beanspruchen Neben der DMV, deren Vorstand im beizutragen. Allerdings wolle man auch nen Gesellschaft letztlich selbst in konnte. allgemeinen drei westdeutsche und ein die Frage der Vertretungder DDR in der ostdeutscher Mathematiker angehör­ Internationalen Mathematischen Uni­ * * * ten, und der Gesellschaft für Ange­ on (IMU) anschneiden. Das Staatsse­ Die ost-westdeutsche mathematische dernisse (Notwendigkeit von Interzo­ wandte Mathematik und Mechanik kretariat sei an einer Zusammenkunft Kommunikation ist vielleicht das The­ nenpässen, Mangel an Westgeld auf (GAMM) waren in der Mathematik die mit dem gesamten Präsidium der DMV ma, an dem sich die komplizierten östlicher Seite) und schließlich auch gesamtdeutschen Zeitschriften (Zen­ interessiert. Die (westdeutsche) Mehr­ Beziehungen zwischen offizieller Poli­ durch willkürliche Entscheidungen ein­ tralblatt, ZAMM) die bedeutend,sten heit des DMV-Präsidiums war entschie­ tik der DDR und Mathematikerschaft in zelner Behörden belastet. Besonders .Kulturklammern". Beispielsweise ist den gegen diesen letztgenannten Vor­ ihrem Miteinander und Gegeneinander vor 1961 war die Möglichkeit der Emi­ bis 1977 die Zusammenarbeit in der schlag. Im Protokoll der Dresdener am besten demonstrieren lassen. Die gration in den Westen natürlich eine Referatezeitschrift .Zentralblatt für Ma­ Präsidiumssitzung heißt es: wissenschaftlichen Beziehungen zwi­ ständige Existenzbedrohung für das thematik und ihre Grenzgebiete· fort­ schen ostdeutschen und westdeut­ Wissenschaftssystem der DDR. Für gesetzt worden, was auch von der west­ .Es wurde darauf hingewiesen, daß die schen Mathematikern können zu kei­ die ostdeutschen Mathematiker war lichen Seite lange als Chance der Kom­ von dem Staatssekretariat gewünsch­ nem Zeitpunkt zwischen1945 und 1989 der Kontakt zu Westdeutschland ein munikation mit dem Osten, insbeson­ te Besprechung mit dem gleichen Recht in irgend einem Sinne als .normal" unmittelbares Erfordernis mathemati­ dere mit dem russischsprachigen einen entsprechenden Wunsch von bezeichnet werden. Das waren sie auch scher Kommunikation, das umso drin­ Raum, begriffen wurde. Bonner Regierungsstellen auslösen nicht in den 50er Jahren, als die .Ein­ gender war, als in der Zeit des Kalten könne. Damit wäre dann die DMV in heit Deutschlands" auch auf östlicher Krieges Beziehungen zu anderen west­ Spätestens seit Mitte der 50er Jahre, einen Streit zwischen Regierungsstel­ Seite noch als politisches Ziel prokla­ lichen Ländern, die im Weltkrieg weit­ nach der Bildung von NATO und War­ len hineingezogen, aus dem sie ent­ miert wurde. Jene Beziehungen waren gehend abgebrochen waren, kaum an­ schauer Pakt, mit der Verhärtung des sprechend ihrer wissenschaftlichen stets durch die häufig wechselnde geknüpft werden konnten. Zugleich dien­ westdeutschen Anspruchs auf interna­ Aufgaben sich bisher erfolgreich her­ deutsch-deutsche politische Lage, ten den Mathematikern jene Beziehun­ tionale Alleinvertretung Deutschlands ausgehalten hätte. Diese apolitische durch rein administrativ-technische Hin- gen dazu, den politischen Druck auf ihr (Hallstein-Doktrin), wurden jedoch auch Haltung der DMV sei um so nötiger, als

hochschule ost 3/ 1996 57 56 hochschule ost 3/1996 politische Meinungen sich gar zu leicht schusses für die IMU (Behnke, Görtler, Auf der Präsidiumstagung der DMV .In geschickter Weise wurden an die 1 änderten.• Köthe, Schröder) wegen des Antrages vom 18.Oktober 1959 in Münster wies Professoren und anderen Gäste die von Taiwan auf Mitgliedschaft in der Schröder dann auch darauf hin, daß an politischen Fragen herangetragen, so Diese .apolitische" Haltung konnten IMU antwortete Schröder, das Natio­ der Akademie der Wissenschaften ein daß sich die ausländischen und ande­ nun jedenfalls die DDR-Mathematiker nalkomitee der DDR habe beschlos­ Forschungsinstitut für Mathematik be­ ren Gäste in keiner Weise gegängelt die z.B. ständig auf finanzielle Unter� a reits existiere. 15 fühlten und trotzdem in einer Reihe von stützung durch ihre Regierung bei Aus­ sen, mit .Nein" zu stimmen, d die .DDR mit der Volksrepublik China ... Problemen informiert und zum Nach­ landsreisen angewiesen waren und "18 freundschaftlich verbunden ist und ihre In der .,Abteilung Wissenschaft" des denken angeregt wurden. auch sonst in viel stärkerem Maße von Ansicht teilt, daß nur sie das 600 Zentralkomitees der SED in Ostberlin, politischen Entscheidungen abhingen, Millionen Volk der Chinesen repräsen­ die dem Staatssekretariat politisch Völlig neue politische Verhältnisse wa­ nicht so leicht einnehmen. Die soziale tieren kann."11 vorgeordnet war, wurde 1959 erstmals ren nun allerdings anderthalb Jahre Bindung an das ostdeutsche Wissen­ die Notwendigkeit der Gründung einer später eingetreten, als im September schaftssystem erzeugte Loyalitäten, Daraufhin mußte der DMV-Vorsitzen­ mathematischen Gesellschaft der DDR 1961 die letzte gesamtdeutsche DMV­ die einigen ostdeutschen Mathemati­ de G.Köthe dem Sekretär der IMU, diskutiert. In einer Sitzungdes .Beirats Tagung in Halle an der Saale stattfand. kern das Streben ihres Staates nach B.Eckmann (Zürich), mitteilen, daß sich für Mathematik" im Staatssekretariat Inzwischen war die Berliner Mauer am a a a intern tion ler Anerkennung g nz na­ der deutsche Unionsausschuß der 13. August 1961 errichtet worden. Die 8 am 1.April 1960 gab es unter den An­ türlich erscheinen lassen mußte. Stimme enthalte, da Einstimmigkeit neunseitige Ansprache des Vertreters 12 wesenden .allgemeine Zustimmung mit nicht iu erzielen sei. des Staatssekretariats ließ dann auch Entscheidender Wendepunkt in der dem Vorbehalt, kein Konkurrenzunter­ 18 jeden politischen Takt vermissen, wie Frage der internationalen Anerkennung Abgesehen von dem unvermeidbaren nehmen zur DMV und GAMM." Ganz er noch an der GAMM-Tagung in Frei­ der DDR-Mathematik als selbständige politischen Auseinanderdriften der Wis­ so einhellig scheint jedoch die Zustim­ berg gerühmt worden war. Man kann Größe und damit zugleich Vorbote ei­ senschaftssysteme in Ost und West mung unter den anwesenden Mathe­ matikern nicht gewesen zu sein, denn sich die Verlegenheit nicht nur der ner Spaltung der DMV wurde der Inter­ konnte auch sachlich von einer einheit­ Gäste sondern auch des Gastgebers lichen Interessenlage der ost- und west­ über den Hallenser Otto-Heinrich Kel­ nationale Mathematikerkongreß in Keller vorstellen bei politischen Bemer­ Edinburgh 1958 und in seinem Umfeld deutschen Mathematiker bald nicht ler (1906-1990) wird an derselben Stel­ le gesagt: kungen wie den folgenden: die Frage der Aufnahme Taiwans in die mehr die Rede sein. Besonders deut­ Internationale Mathematische Union. lich wurde das auf der Präsidiumssit­ .Stimmte erst zu, lehnte dann jedoch .Doch niemand auch nicht Sie Der Ostberliner Mathematiker Kurt zung der DMV in Würzburg im März ab mit der Bemerkung, Prof. Dr. Schrö­ meine Damen und Herren, die Sie als Schröder (1909-1978), der damals 1959, wo die Errichtung eines mathe­ der wolle sich damit eine eigene Ma­ Mathematiker einen Teil der deutschen obwohl nicht Mitglied der SED - eine matischen Forschungsinstituts in Ober­ thematische Gesellschaft schaffen." Wissenschaftler repräsentieren... wolfach (Schwarzwald) nach dem Vor­ offizielle Persönlichkeit der DDR-Wis­ kommt umhin, sich seines Platzes, bild des Institute for Advanced Study senschaft zu werden begann,9 hatte In demselben Monat April 1960 fand die seiner Rolle und Verantwortung be­ seinen westdeutschen Kollegen bereits (JAS) in Princeton (USA) gefordertwur­ wissenschaftliche Jahrestagung der wußt zu werden, wenn er vor unserem am 12.April 1958 auf der DMV-Vor­ de.13 Begründet hatte dies schon Kam­ GAMM in Freiberg (Sachsen) statt, wo Volke und vor den künftigen Generatio­ standssitzung in Heidelberg mitgeteilt, ke im Juni 1959 mit der .unerträglich von der ostdeutschen Politik noch ein­ nen der Wissenschaftler bestehen will... • daß sich die auf der Tagung in Edin­ gewordenen Belastung der Hochschul­ 1 mal auf die gesamtdeutsche Karte ge­ Es ist eine Tatsache, daß im Westen burgh vertretenen Mathematiker der lehrer der Mathematik" ◄ vor allem durch setzt wurde. Der Gastgeber A. Knesch­ unserer Heimat dieselben unheilvollen DD R geschlossen als Nationalkomitee die Lehraufgaben. Eine zu große Lehr­ ke bedankte sich am 26.4. beim Staats­ Kräfte, die Deutschland und die Welt in der DDR für den Kongreß anmelden belastung war nun aber gewiß nicht sekretär für die .großzügige wirtschaft­ zwei grausame Kriege geführt haben, werden."10 das Hauptproblem der ostdeutschen a 17 a wieder die Machtpositionen inneha­ Mathematik mit ihrem viel günstigeren liche Unterstützung" der T gung. D s ben ... deshalb wurde von unserer Re­ Auf Kamkes Brief vom 22.10.58 an die Verhältnis in der Zahl von Wissen­ Staatssekretariat berichtete daraufhin vier Mitglieder des deutschen Aus- schaftlern zu Studenten. der Abteilung Wissenschaft: gierung am 13. August gehandelt und 59 58 hochschule ost 3/1996 hochschule ost 3/1996 zwar vorher, ehe es wieder zu spät sondere also Besuche unserer Repu­ Aufgabe der Deutschen Demokrati­ me in die IMU gestimmt hatte, wurde er 19 o ist." blik". 22 Schließlich wird der Einfluß der schen Republik und die Zukunft v m Staatsekretär nach Berlin zitiert Kirche und des Monopolkapitals auf Deutschlands" ging auf einen .Vor­ und in einer Besprechung am 28. März Am 22. März 1962 übergab die Abtei­ die DMV hervorgehoben und dies an schlag" des Staatsrates der DDR vom 1963 auf sein widersprüchliches Ver­ lung Wissenschaft dem ZK-Sekretär 25 einigen Namen von Mathematikern fest­ 4. Dezember 1961 zurück, der sich auf halten aufmerksam gemacht. Er Hager eine 26seitige Ausarbeitung des gemacht. Abschließend wird die Posi­ den Abschluß eines .Friedensvertra­ schrieb daraufhin am 28. März 1963 neuen Sekretärs des Beirats Mathe­ tion von 37 DDR-Mathematikern zur ges· zwischen beiden deutschen Staa­ einen Brief an den DMV-Vorsitzenden matik beim Staatssekretariat mit dem Gründung einer mathematischen Ge­ ten und auf die .Lösung der Westberlin­ W. Haack, in dem unter anderem steht: Titel .Information Ober die Lage in der sellschaft im einzelnen und namentlich frage" bezog. Das .Nationale Doku­ Mathematik und die Probleme bei der Wir können versichern, daß der Aka­ untersucht. Im großen und ganzen wird ment" wurde den Riten der sozialisti­ Gründung einer Mathematischen Ge­ demie, ihrem Präsidenten und dem dabei - trotz der eingangs konstatier­ schen Demokratie gemäß in den fol­ sellschaft der DDR" (ausgearbeitet auf Nationalkomitee eine unsachgemäße ten .gesamtdeutschen Illusionen· der genden Monaten in die .öffentliche Dis­ Initiative der Abteilung Wissenschaft Koppelung von Politik und Wissen­ Wissenschaftler - eine aus der Sicht kussion• gebracht und schließlich am unter Leitung des Genossen K. schaft ... völlig fern liegen. ... Wir hätten der SED-Politiker optimistische Dar­ 17. Juni 1962 auf dem sogenannten Schmidt, Staatssekretariat für das zwar eine einheitliche Vertretung durch stellung gegeben, wenn auch der größ­ .Nationalkongreß" in Berlin angenom­ Hoch- und Fachschulwesen)".20 die DMV sehr gern gesehen, müssen i o i te Teil (näml ch 17) der Namen nur un­ men. überall in der DDR und s auch n aber... einsehen, daß eine offizielle In dem Material wird über die ostdeut­ ter der Rubrik .gewinnen lassen sich der .mathematischen Öffentlichkeit" zog Mitarbeit der Mathematiker der DDR schen Mathematiker zunächst festge­ dafür" erscheint. o o jenes D kument F lgeinitiativen nach bei der IMU ohne eigene Vertretung stellt: .Bis auf wenige Ausnahmen sich. An der Humboldt-Universität wur­ durch unsere Akademie nicht möglich Am 3. Mai 1962 tagte dann im Staats­ schweben alle Professoren in der Illusi­ i de beispielswe se am 21. Mai 1962 o sekretariat ein .lnitiativkomitee für die ist. Wir stehen als zu dem Antrag des on gesamtdeutscher, einheitlicher Wis­ eine .Entschließung der Fachrichtung • 1 Gründung der Mathematischen Gesell­ Nationalkomitees auf Aufnahme in die senschaft. 2 Mathematik zum Nati onalen Doku­ schaft der DDR" unter der Leitung von IMU."ze ment"2◄ verabschiedet, in der unter an­ Einen erheblichen Anteil des Materials Kurt Schröder.23 An dieser Sitzung derem die .reaktionäre Politik der Bon­ Ob man nun das Verhalten des .offizi­ nimmt die Analyse der politischen Si­ nahmen weitere 14 Mathematiker teil, ner Ultras• dafür verantwortlich gemacht ellen DDR-Mathematikers" Schröder tuation in der westdeutschen Mathe­ von denen 5 .Vertreter der Praxis" wa­ wird, daß es .für längere Zeit zwei.völlig oder das des .oppositionellen DDR­ matik ein. Die meisten westdeutschen ren. Außer Schröder, Grell und Knesch­ unabhängige deutsche Staaten" geben Mathematikers" Keller betrachtet, In Mathematikprofessoren werden na­ ke befanden sich keine prominenten werde. Die Gründung einer Mathemati­ beiden Fällen gilt: Letzten Endes sieg­ mentlich mit einer kurzen Charakteri­ Mathematiker der älteren Generation i o schen Gesellschaft der DDR sei somit te d e nationale L yalität zur DDR, die stik ihrer politischen Position genannt, unter den Anwesenden. In dieser Sit­ o i ein logischer Schritt. s ziale B ndung an das eigene Wis­ wobei Attribute wie .stark jesuitisch", zung wurden der Entwurf des Statuts senschaftssystem. Die westdeutschen .gefährlicher Gegner", .Faschist", .Na­ der Mathematischen Gesellschaft der Diese Gründung, die im Juni 1962 er­ Mathematiker hätten sich wohl nicht tionalpreisträger" [der DDR l; R.S.], "vor DDR diskutiert und der genaue Ablauf folgte, vollzog sich in dem geschilder­ anders verhalten, wenn es ihr Land 1945 aktiver Offizier", aber auch (selte­ der Gründungsversammlung am 8. Juni ten politischen Klima dann auch nahe­ gewesen wäre, das damals, um 1960, ner) solche Einschätzungen wie .tritt 1962 in der Humboldt-Universität in zu zwangsläufig. Auch Mathematiker noch nach der internationalen Aner­ sehr positiv für uns aur oder .Atomwaf­ Ostberlin festgelegt. Laut Protokoll wie der Hallenser Keller wurden letzt­ kennung gestrebt hätte. fengegner" vorkommen.Über den west­ hatte Schröder in der Sitzung am 3. lich zum Einlenken gezwungen. Nach­ deutschen mathematischen Nach­ Mai die Notwendigkeit der Mathemati­ dem er 1962 als DMV-Vertreter gegen Reinhard Siegmund-Schultze, wuchs wird gesagt, daß er mehrheit­ schen Gesellschaft anhand des soge­ die Aufnahme des DDR-Nationalkomi­ Dr. SC., Dipl.-Math., ist Wissen­ lich nach den USA strebe und alles nannten .Nationalen Dokuments" be­ tees in die Internationale Mathemati­ schaftshistoriker und innerhalb eines unterlasse, .was einem Studium in gründet. Dieses Dokument mit dem sche Union, jedoch innerhalb des DDR­ DFG-Projekts an der Humboldt­ Amerika hinderlich sein könnte, insbe- eigentlichen Titel .Die geschichtliche Nationalkomitees für dessen Aufnah- Universität zu Berlin beschäftigt

60 hochschule ost 3/ 1996 hochschule ost 3/1996 61 Anmerkungen: (21) Ebd. Bl.155.

(1) Im akademischen Mittelbau sind natürlich ähnliche Reduzierungen vorgenommen worden (22) Ebd. Bl.165. wie in anderen Fächern. (23) Ebd. SAPMO IV 2/904, Nr.284, B1.52/53 (Protokoll).

(2) Vgl. hierzu G. Schenk: Zur Logikentwicklung in der DDR; Modem Logic 5 (1995), 248- t e nat Nr.200, .Entschließung ..." (24) Archiv Humboldt-Universität Berlin, Math.-Na .Fak. D ka 269. (5 Seiten, o.D.) (3) Dazu und zu einigen anderen Aspekten der politischen Entwicklung der Mathematik der enschaften, Akademieleitung Nr.531, (25) Archiv Bertin-Brandenburgische Akademie der Wiss DDR bis 1962 vgl. R. Siegmund-Schultze: Dealing with the Political Past of East German Teil 2, B1.5-6. Mathematics: The Mathematica/ lntelligencer 15 (1993), No.4, 27-36. (26) Ebd. B1.7. (4) Man vgl. z.B. den Artikelvo n R. Kühnau: Zur Situation der Mathematik und der Mathematiker in der ehemaligen DDR; Mitteilungen der Deutschen Mathematikervereinigung 1992, No.2, 57- 63. Dagegen polemisiere ich in: The Shadow of National Socialism: Political and Psychological Aftershocks on East German Mathematics: in: D. Hoffmann/K. Macrakis (eds.), Science under Socialism; Cambridge, Mass.: Harvard University Press 1996 (erscheint demnächst). Der Autor hat jene .apolitische" Grundhaltung z.B. daran erkennen müssen, daß ihm Mathematiker Interviews Ober ihre Erfahrungen in der DDR verweigerten und daß sich der ,Jahresbericht" der DMV seiner Verantwortung für historische Reflexion dadurch zu entledigen versucht hat. daß er mehrfache Publikationsangebote mit Schweigen überging.

(5) .Ansprachen anläßlich der Feier des 75. Geburtstages von Erhard Schmidt durch seine Fachgenossen (mit Erwiderungen Schmidts)", Bertin, Manuskriptdruck 1951, S.9.

(6) Archiv Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften , Nachlaß Kurt Schröder, Nr.256, Protokoll der Präsidiumssitzung der DMV in Münster, 18.10.59, S.4.

(7) Ebd., Protokoll der Präsidiumssitzung der DMV in Dresden, 8.9.57, 3 Seiten. Hier spielten zweifellos auch die Erfahrungen der westdeutschen Mathematiker unter dem NS eine Rolle. Vgl. Anmerkung (4).

(8) Man denke auch an die parallel laufende Entwicklung in Richtung auf den .Mathematik­ beschluß". Vgl. Anmerkung (3).

(9) Schröder war seit 1957 Mitglied des Forschungsrates, 1958 Ehrengast auf dem V. Parteitag der SED, ab 1959 Rektor der Humboldt-Universität.

(10) Schröder an E. Kamke, o.D., in Beantwortungvon Kamkes Brief vom 22.10.58. In Nachlaß Schröder, Nr.256. A.a.O. Anmerkung (6).

(11) Ebd.

(12) Ebd. Köthe an Eckmann, 5.11.58.

(13) Ebd. Protokoll der Präsidiumssitzung der DMV in Würzburg, 31.3.59, 7 Seiten.

(14) Ebd. Rundschreiben Kamke, o.D. Juni 1959, 2 Seiten.

(15) Ebd. a.a. 0. Anm. 6, S.3. Bei dem von Schröder erwähnten Akademieinstitut handelte es sich um jenes, das, wie eingangs erwähnt, nach der Wende von 1989 eine sehr positive Bewertung durch den Wissenschaftsrat erhielt.

(16) Bundesarchiv Berlin, Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR (SAPMO) IV 2/904, Nr.280, BI. 110. (17) Ebd. SAPMO IV 2/904, Nr.285, Bl.92.

(18) Ebd. 81.95. Götzke an Tschersich, 12.5.60.

(19) Ebd. Bl.99-107, Zitat auf Bl.99/100.

(20) Ebd. SAPMO IV 2/904, Nr.280, Bl.154-179.

hochschule ost 3/1996 63 62 hochschule ost 3/ 1996 vom Konsistorium und von der Kirchen­ Wort des ersten Rektors der Schule Hans-JoachimKittel (Ringgau): leitung bestätigt und anerkannt, daß Erich Reusche - .schlichte Prediger für sogenannte .Spätberufene" auf dem des Wortes, ganze Pastoren·, nicht Die Ausbildung an der Evangelischen Predigerschule der zweiten Bildungsweg ein Zugang zum .halbe Theologen". Pfarramt eröffnet werden soll. Voraus­ Kirchenprovinz Sachsen in Wittenberg und Erfurt 1948 - 1993 Das theologische Fundament der Schu­ setzung ist eine abgeschlossenen Be­ le wird von Männern der Bekennenden als Beispiel für den Zugang zum Pfarramt auf dem zweiten rufsausbildung und die erkennbare Eig­ Kirche gelegt. Das ist kein Zufall, denn Bildungsweg nung der Bewerber für den Zweitberuf. in dieser sind .in ganz eigentümlicher Anfangs handelt es sich häufig um Weise Gemeinde und Theologie einan­ ehemalige Kriegsteilnehmer oder auch der ganz nahe gekommen· (E. Wolf in Heimatvertriebene, die einen neuen RGG). So steht mit der stillen Zeit am Die Geschichte der Predigerschule delns der acht evangelischen Landes­ Anfang machen und den Beruf wech­ Morgen und der ersten Arbeitseinheit spiegelt die Zeitgeschichte und Kir­ kirchen - auch im Blick auf die Ausbil­ seln möchten. Viele von ihnen haben .Bibelarbeit" die Beschäftigung mit der chengeschichte im Deutschland der dung. Denn der real-existierende So­ Familie. 1951 nehmen die ersten Predi­ Schrift an Jedem Unterrichtstag im Vor­ Nachkriegszeit in der Sowjetischen Be­ zialismus verlangt ein gegenüber den ger nach bestandenem Examen ihre dergrund und im Mittelpunkt der Aus­ satzungszone und späteren DDR. Jahren nach dem Krieg verändertes pfarramtliche Tätigkeit auf. Aber erst bildung. Die kleine Zahl der Teilnehmer Leben der Kirchen, auf das vorzuberei­ Die Gründung der Schule Im Juni 1948 nach dreißig Jahren sind sie denen - in der Regel zwölf in einem Kurs ten die Ausbildung Hilfen geben muß. erfolgt in der Not der unmittelbaren gleichgestellt, die die traditionelle Uni­ erlaubt, verlangt aber auch das intensi­ Das in der Predigerschule Erfurt erar­ Nachkriegsjahre. Sie verdankt sich dem versitätsausbildung durchlaufen haben: ve Gespräch. Das Zusammenleben auf beitete und praktiziertegemeinpädago­ Willen, aus den Erfahrungen der Be­ die EKU-Ostregion verabschiedet 1978 engem Raum und unter sehr beschei­ gische Konzept ist Ausdruck dessen. kennenden Kirche und den Erlebnis­ das Predigergesetz, das in der Praxis denen äußeren Bedingungen - außer­ sen von Krieg und Gefangenschaft zu Mit dem Ende der DDR ab Herbst 1989 von den lutherischen Landeskirchen dem ist Schmalhans oft Küchenmei­ lernenund diese in den Dienst von Neu­ und der schrittweise wiedergewonne­ anerkannt wird und für Prediger und ster - lassen keine Zeit für allzuviel ordnung und Wiederaufbau zu stellen. nen Einheit der Deutschen in ihrem Pfarrer die einheitliche Dienstbezeich­ Theorie und Spekulation. Jeder sieht Land und ihrer Kirche ist leider das nung .Pfarrer" einführt. die praxis pietatis des anderen, und Der Umzug nach Erfurt im Spätherbst das ist nicht nur hilfreich, wahrschein­ Ende der Predigerausbildung nichtmehr Hintergrund für die Gründung der Schu­ 1960 und die Umgestaltung der Ausbil­ fern, da die Landeskirchen der „alten• lich aber eine heilsam-nüchterne Vor­ le ist einmal die große Not, die überall dung fällt zeitlich nahezu zusammen EKD den Zugang zum Pfarramt auf bereitung auf den angestrebten Beruf. herrscht, nach Abhilfe schreit und neue mit dem Bau der Berliner Mauer am dem zweiten Bildungsweg längst abge­ Wege beschreiten läßt, speziell der Die Bewerber sind in aller Regel hoch 13.8.1961 und der damit beginnenden schafft haben. Auch die Zusammen­ Pfarrermangel mit den zahlreichen Va­ motivierte und engagierte Leute. Das totalen Abschottung der DDR. Die Kir­ führung der beiden Predigerschulen kanzen; andererseits die Hoffnung vie­ nach dem ersten Ausbildungsjahr fälli­ chen reagieren darauf mit der Grün­ Erfurt und Paulinum in Berlin im .Theo­ ler Menschen, in der Verkündigung der ge Praktikum von wieder einem Jahr dung des Bundes der Evangelischen logischen Seminar Paulinum• im Herbst Kirche Trost und Stärkung für Glauben fordert sie in erstaunlichem Maße. Die Kirchen in der DDR und den damit 1993 hat bedauerlicherweise diese und Leben zu finden, weswegen in die­ von Bischof Müller herausgegebene einhergehenden Bemühungen um Zu­ Entwicklung nicht aufzuhalten ver­ ser Zeit Gottesdienst und Bibelstun­ Richtlinie für Praktikanten besagt: der sammenführung des kirchlichen Han- mocht. den gerade von Heimatvertriebenenund Tagesablauf des Seminars mit stiller vom Krieg Gezeichneten gut besucht Zeit am frühen Morgen, dem Schwer­ Wittenberg 1948 -1960 sind. Gebraucht werden Menschen, die punkt eigener theologischer Arbeit zwi­ Der Beginn der Arbeit der Evangeli­ berg ist der Initiative von Propst 0. bereit sind, sich diesen Herausforde­ schen 9 und 11 Uhr sowie Hausbesu­ chen bei Gemeindemitgliedernam Vor­ schen Predigerschule am 1. Juni 1948 Wolfgang Staemmler zu danken. Erst rungen zu stellen. Ziel der Ausbildung mittag und der Mitarbeit bei Christen- in Räumen des Augusteum in Witten- im laufe der Zeit und zögerlich wird sind also - nach einem häufig zitierten

hochschule ost 3/1996 65 64 hochschule ost 3/1996 lehre und Junger Gemeinde am Nach­ ab 1950 Dr. Horst Orphal als Inspektor, an situation") - aufgenommen durch und im Fach Gemeinpädagogik von mittag werde auch für das Praktikum dazu einige nebenamtliche Dozenten, die Akzentuierung der Schule von dem Propsteikatechet Köstlin wurde dies empfohlen; eine Überlastung der Brü­ die als Pfarrer in der unmittelbaren 1963 dahin berufenen Rektor Gutjahr, alles in die Tat umgesetzt. Dem diente der solle ausdrücklich vermieden wer­ Umgebung von Wittenberg Dienst tun, damit verbunden der Ausbau des Grie­ auch der seit 1983 geltende Dekaden­ den; aber das zu leistende Pensum: aber auch der Leiter der Lutherhalle chischunterrichts mit dem Ziel, das NT rhythmus (s. u.}. eine Predigt aller drei Wochen, später Prof. Thulin und KMD Aps. Eine Ar­ im Urtext lesen zu können, das auch aller zwei Wochen, Führung eines Ju­ beitseinheit .Sprechübungen" gehört weithin erreicht wurde. Später folgte Andere Zeiten, andere Fragen, andere gendkreises, vier Stunden Christenleh­ von Anfang an zum Programm, ebenso der Einfluß der Humanwissenschaften Aufgaben, andere Studenten, immer re pro Woche, von Zeit zu Zeit Übernah­ eine diakonische Aufgabe für jeden - besonders Psychologie und Soziolo­ aber das gleiche Ziel: Ausbildung für me einer Bibelstunde, gelegentliche Schüler im Paul-Gerhardt-Stift in Wit­ gie - auf die Theologie, der zu den die Arbeit in der Kirche und Gemeinde, Übernahme einer Trauung und Beerdi­ tenberg. .horizontalen Tendenzen" führte, sowie die in der Umgebung DDR mehr und gung - ist allerdings enorm! Die vor­ das Herüberschwappen revolutionärer mehr zur Minderheit wird und immer Typisch für die Predigerausbildung ist handenen Berichte sowohl der Prakti­ Ideen der .Achtundsechziger" die von weniger mit traditionellen Formen von (so Inspektor Michael, seit 1956 Nach­ kanten als auch der Praktikumsleiter Glauben und Frömmigkeit rechnen folger von Dr. Orphal, brieflich) von An­ einem Teil der Studenten lebhaft aufge­ bezeugen, daß den Erwartungendurch­ griffen wurden und so das Gesicht der kann. Aus diesem Grund wird Modell fang an: aus entsprochen wurde. Schule, nicht aber ihr eigentliches Pro­ für den Theologen/ die Theologin in der a) der Praxisbezug durch die tägliche fil veränderten. Die Probleme des Le­ Gemeinde nicht so sehr ein Träger/ Auf das Praktikum folgt ein weiteres Bibe(arbeit und die katechetischen und bens und der Gesellschaft - Fragen eine Trägerin eines .Amtes" (mit vor­ Jahr in der Schule, nach drei Ausbil­ homiletischen Aufgaben in den Ge­ wei­ nach Autorität, Sexualität, die Rolle nehmlich monologischer Verkündi­ dungsjahren dann die Prüfung. Für meinden, der Frauen - verlangten ihr Recht und gung), sondern eher der Fachmann/ tere fünf Jahre ist der Besuch der im­ b} die Mühe um geistliches Leben in damit eine stärkere Berücksichtigung die Fachfrau für Theologie im Gespräch mer im April stattfindenden Predigerrü­ den täglichen Morgen- und Abendan­ im Lehrprogramm. So kamen neben mit anderen Mitarbeitern und Gemein­ ste für alle verbindlich (letztmalig im dachten und die vita communis im In­ den vorhandenen Praktika (katecheti­ demitgliedern im Dialog auf der Suche Jahr 1981 durchgeführt). Die lehren­ ternat mit großer Nähe zu Rektor und sches nach dem dritten, homiletisches nach den besten Argumenten und den den sind Rektor Reusche (ab 1950 mit Inspektor, nach dem sechsten Semester} ver­ am ehesten gangbaren Wegen: der der Leitung beauftragt), Propst D. c) das Einbeziehen der Verlobten oder stärkt Praxisbezüge in den Semester­. Gemeindepädagoge/ die Gemeinde­ Staemmler (Propst des Kurkreises und Ehefrauen der Schüler in der jährlich ablauf in Gestalt von regelmäßigen Ein­ pädagogin. Seit .Predigerschüler" und ab 1951 zugleich wieder Direktor des stattfindenden Rüstzeit am Ende des sätzen in der Erfurter Stadtmission, Theologen der sechs Sektionen der Predigerseminars im Augusteum) und Sommersemesters. von Kurzpraktika und Arbeitseinsätzen Universitäten nach bestandenem er­ von allen zu Semesterbeginn. sten Examen und ihrem Lehrvikariat Erfurt 1960-1993 gemeinsam die Predigerseminare be­ Schließlich ist die für die Schule in Er­ suchen und auch in der zweiten theolo­ Der Wechsel der Schule nach Erfurt in Ausbildung als erforderlich, die Zeiten furt verbindlich gemachte gemeinpäd­ gischen Prüfung (dem Examen pro das im Wiederaufbau befindliche Au­ hatten sich im Vergleich zu den .Grün­ agogische Konzeption zu nennen als ministrio) gemeinsam antreten, zeigt gustinerkloster wurde notwendig, weil dungsjahren" nach dem Ende des zwei­ Folge der von der Bundessynode in sich, daß das von der Predigerschule das in Wittenberg im Augusteum seit ten Weltkrieges erheblich geändert. Auftrag gegebenen Arbeit der Ausbil­ verfolgte Konzept durchaus sinnvoll ist 1871 untergebrachte Predigerseminar Infolge dessen gab es auch in Erfurtbe­ dungskommission, die eine Reform für und eine gute, in Teilen vielleicht sogar der Preußischen Landeskirche inzwi­ zeichnende Unterschiede. In Stichwor­ die gesamte von der Kirche verantwor­ dem universitären Studium überlegene schen wieder eröffnet worden war und ten: In der Theologie herrschte anfangs tete Ausbildung (nicht nur der Theolo­ Ausbildungsform darstellt. Denn hier seinen angestammten Platz selbst be­ die Dominanz der exegetischen Wis­ gen) vorbereiten sollte - daran aber wird - nach einer humorvollen, aber nötigte. Gleichzeitig erwies sich eine senschaft mit dem Wiederaufleben der leider scheiterte. treffenden Formulierung von Rektor Dr. Veränderung der Strukturierung der historischen Fragen (.postbultmanni- Unter dem Rektorat von Pfarrer Ammer Henschel - unterrichtet und gelernt

66 hochschule ost 3/1996 hochschule ost 3/1996 67 . möglichst wenig von dem, was man zur Predigerschule zu kommen, be­ fes ermöglichen - in der DDR mit ihren höheren Semester entlastet, wobei aber später ohnehin nicht braucht.· deutet dies eine Bereicherung, zugleich parteiamtlichen Restriktionen in allen Dogmatik und Gemeindepädagogik von Bereichen eine seltene Ausnahme. Der Anfang unterrichtet werden. Die Bewerber sind in den Erfurter Jah­ aber auch eine Belastung für das ge­ m seminaristische Stil mit festen Unter­ ren meist jüngere Leute (zwischen 22 meinsa e Leben und Theologisieren. Auch Elemente der studentischen richtsgruppen, -zelten und -planen (wie und 30 Jahren alt). Viele von ihnen Gibt es doch gleichzeitig auch Bewer­ Selbstverwaltung schließt die gemein­ ber und Studierende, die aus einer schon in Wittenberg) wird beibehalten. stammen aus christlichen Elternhäu­ depädagogische Konzeption ein. Soll­ Der seit 1983 geltende Rhythmus von sern, sind Glieder der Jungen Gemein­ atheistischen oder völlig kirchenfrem­ ten doch bereits die Studierenden den den Umgebung kommen, durch Kir­ acht Dekaden pro Semester mit etwa de und werden deshalb nicht zur Erwei­ in der Gemeindearbeit so dringend be­ chentage oder neuerdings in der Kirche 50 Unterrichtsstunden (Dienstag 8h bis terten Oberschule (die allein zu m Abi­ nötigten Dialog und die Bereitschaft Donnerstag der folgenden Woche 13h) tur führt) zugelassen, weil sie nicht an vorfindliche .Gruppen· zu Glauben und und Fähigkeit zu Zusammenarbeit mit schließt den gemeinsam erlebten Sonn­ der Jugendweihe teilgenommen haben Gemeinde gefunden haben und deswe­ anderen und oft recht unterschiedli­ tag ein. Jede Dekade wird mit einer und/ oder nicht Mitglieder des Jugend­ gen wenig Verständnis für charisma­ chen Begabungen und Besonderhei­ Abendmahlsandacht eröffnet. An je­ verbandes FDJ sind. Sie alle haben tisch orientierte Frömmigkeit oder Theo­ ten kennen und aushalten lernen. einen Beruf erlernt (die Planwirtschaft logie aufbringen. Dennoch werden die dem Tag findet mittags eine Andacht in der DDR hat es möglich gemacht), Spannungen im allgemeinen verkraf­ statt, die von Studenten gestaltet wird, Wichtig ist schließlich die Bindung al­ diesen aber häufig nicht gewünscht tet. Bis zum Ende der Schule gibt es und zu der die Besucher des Augusti­ ler Studenten an eine bestimmte Kirch­ und wechseln daher gern. Ohne Abitur einige Bewerber, die nahe an den für nerklosters eingeladen sind. Das in der gemeinde in der Stadt oder Umgebung ist für sie der Weg zu den drei kirchli­ die Aufnahmemöglichkeit als Alters­ Mitte der Ausbildung angesiedelte ge­ für die Dauer der gesamten Ausbil­ chen Ausbildungsstätten mit akademi­ grenze gesetzten 40 Jahren stehen meinpädagogische Praktikum im 5. Se­ dung. Hier werden die homiletischen schen Level in Berlin, Leipzig und Naum­ und so bereits reiche Lebens- und Be­ mester wird im 4. gut vorbereitet und im Aufgaben als Lektor, Liturg und Predi­ burg (alle drei werden erst von der rufserfahrungen mitbringen. 6. intensiv ausgewertet. Es bedeutet ger erfüllt und - wenn es gut geht - eine erste Bewährungsprobe in der Ge­ Kontakte zu Kreisen und Mitarbeitern letzten Regierung der DDR als Kirchli­ Aufs Ganze gesehen kann man sagen, meinde. Im Vordergrund steht die Ar­ dieser Gemeinde hergestellt. Gottes­ che Hochschulen anerkannt) nicht of­ im Vergleich zu Wittenberg hat bei den beit mit Kindern und ihren Eltern, mit dienst der Schule zu Beginn und Ende fen. Oft haben gerade sie eine starke Studierenden ein Generationswechsel Jugendlichen und Jungen Erwachse­ jeden Semesters sowie ökumenische geistliche Motivation, und es wäre be­ stattgefunden. Der Lehrkörper besteht nen bei Familiengottesdiensten, fami­ Besuche an je einem Sonntag im Se­ dauerlich, wenn sich die Kirche dieses ausnahmslos aus Leuten, die aus dem lientagen, Rüstzeiten, Hausbesuchen. mester vertiefen die geistliche Kompo­ Potentials begäbe, nur weil es bisher Pfarramt kommen (erst drei, dann vier Es gibt aber auch traditionelle Gemein­ nente. Gastvorlesungen, Studienfahr­ nicht üblich war, ohne Abitur und aka­ hauptamtliche Dozenten). Was sie leh­ dearbeit, allerdings ohne Predigtaufga­ ten, Feste und Feiern runden das Kon­ demisches Studium zum Pfarramt zu ren, haben sie selbst erprobt, ihre Theo­ ben. Dieses halbe Jahr läßt Stärken zept ab, Theologie, Kirche, Glauben, gelangen (Argument OKR Dr. von Ra­ logie ist bestimmt von ihrer pfarramtli­ und Schwächen der Praktikanten er­ Alltag, Leben und Frömmigkeit mög­ benau für die Predigerschulausbildung). chen Arbeit und diese wiederum wird kennen und bedeutet immer einen star­ lichst nahe aneinander zu bringen. Weiterhin ist nicht einzusehen, warum geprägt von den theologischen Erkennt­ ken Motivationsschub für die folgenden in einer Zeit, in der viele ihren erlernten nissen und Entscheidungen ihrer Lehr­ Semester, nicht selten auch für den Gute Kontakte bestehen zu Kirchenlei­ Beruf nicht (mehr) ausüben, sondern in tätigkeit. Die Studenten haben jeder­ Wunsch nach dem späteren Einsatz in tung und Konsistorium in Magdeburg, einen anderen wechseln, dies beim zeit die Möglichkeit, die Gemeinden der Gemeindearbeit. aber auch zu allen anderen Kirchen Pfarrberuf nicht möglich sein soll - zu­ ihrer Dozenten zu besuchen und die des Bundes, die Studierende in der mal der Entschluß zum Berufswechsel ihnen vorgetragene Theorie praktisch Durch die Zwischenprüfung nach dem Schule haben. Durch regel mäßige Be­ in einem höheren Lebensalter in der zu erleben. vierten Semester in den Fächern Grie­ suche aus dem Predigerseminar der Regel gut überlegt ist und stabil bleibt. Das gemeinpädagogische Profil soll chisch, Bibelkunde, Philosophie und EKHN in Herborn sowie aus der Paten­ Als junge Menschen, die von der cha­ den Studenten ein Mitspracherecht bei Kirchengeschichte (bis 1900) ist ein gemeinde Dortmund-Kirchhörde (durch rismatischen Bewegung erfaßt sind, der Auswahl und Gestaltung des Stof- gutes Fundament gelegt und sind die persönliche Bekanntschaften entstan-

68 hochschule ost 3/ 1996 hochschule ost 3/ 1996 69 den) kommen Hilfen in Gestalt von nach dem Proprium dieser Ausbildungs­ Burchard Brentjes (Berlin): Büchern, dem in der DDR stets als form, so ist zu antworten: Engpaß bestehendem Büromaterial, zu 1. für die Bewerber als Voraussetzung aller Freude auch Kaffee, vor allem aber As I seem to remember! das höhere Lebensalter (zwischen 20 die Erfahrung, nicht allein gelassen zu und 40 Jahren), eine abgeschlossene sein. Nach dem Fall der Mauer werden Berufsausbildung und eine mindestens Besuche auch in Richtung Ost nach einjährige Erfahrung in diesem Beruf; West möglich und dankbar genutzt. die persönlich vertretene Motivation für • Wie ich mich zu erinnern scheine" Racheengel im Geiste ihres fundamen­ überschrieb der große englische Ar­ talistischen Urvaters Luther spielten Jährliche Treffen mit dem Paulinum den Berufswechsel chäologe Sir Leonard Woolley seine und sich mit jedem verbanden, der um und aller zwei Jahre stattfindende Be­ 2. für die Ausbildung die geistliche Lebenserinnerungen. Sie sind unnach­ der lieben neuen Karrierechance willen gegnungen mit den Kollegien der Se­ Komponente als integrativer Bestand­ ahmlich in ihrem trockenen britischen als .Opfer" auftrat - berechtigt oder un­ minare der Methodisten in Klosterlaus­ teil, verbunden mit Praxiselementen Humor und im Selbstbewußtsein der berechtigt. Aber diese Differenz fällt nitz und der Baptisten in Buckow brin­ von Anfang an, einem gemeindepäda­ Sieger des Weltkrieges. Den Deutschen wohl schon in den Bereich des .Schei­ gen interessante Akzentuierungen der gogischen Praktikum in der Mitte der ist weder der Humor noch die Sicher­ nens" - und ich verdenke niemanden jeweiligen Ausbildungsformen zur Studienzeit, einer Zwischenprüfung heit des Selbstbewußtseins gegeben, die Klage über wirklich erlittene Unbill Kenntnis. Kontakte zum KOS Naum­ nach dem vierten Semester sowie der und mir fehlt jener Bedarf von Politikern noch das Geschrei zum Erhalt der burg sind selbstverständlich und regel­ Bindung eines jeden Studenten an eine oder Heerführern in Autobiographien, eigenen Position, soweit beide nicht mäßig. Kirchgemeinde für die gesamte Dauer die Geschichte nachträglich so zu kor­ gegen andere gerichtet sind, wie oft ge­ der Ausbildung Schriftverkehr, Gespräche und Ver­ rigieren, wie sie hätte sein sollen. Da nug geschehen. Der geübte Gesin­ handlungen mit städtischen und staat­ 3. die Möglichkeit der vita communis nun aber Haß, bittere Emotionen und nungsterror der frühen neunziger Jahre lichen Dienststellen ergeben sich bei im Internat der Ausbildungsstätte für vielseitiges Verschweigen vorherr­ führt die Deklaration von der Einzelfall­ Wohnungsfragen, Anträgen auf Frei­ alle, die das wünschen; Einüben in das schen, bedrängen einige meiner Schü­ prüfung etc. ad absurdum und droht vie­ stellung vom Wehrdienst, den Anträ­ Leben der Gemeinde und Gemeinschaft ler und das Wissen um Entwicklungen les Positives wie Negatives aus den gen auf Ermäßigung für Reichsbahn­ durch Studienfahrten, Feste und Fei­ an der Universität in Halle .mich zu .vierzig Jahren" zu verschütten, so daß fahrkarten.Sie unterscheiden sich nicht ern; Mitbestimmung des Semesterge­ erinnern", da der derzeitige traurige es geboten scheint. einige subjektive von denen, die diese mit anderen kirch­ schehens in der Schulvollversammlung Zustand der .Linken" immer offenkundi­ Erinnerungen einzustreuen, ohne jede ger wird. Illusion, daß sie irgendetwas ändern lichen Organen oder Dienststellen füh­ 4. der enge Kontakt zwischen Predi­ können. ren. gerschule und Kirche(n), der für ler­ Gewiß ist eine Aufarbeitung nach dem nende und lehrende gleichermaßen Ich war seit 1946 mit der Universität in Das MfS beobachtet die Schule, wie Scheitern des Sozialimus erforderlich, gilt - kein erhaltenswertes Erbe? Halle verbunden und habe Jahrzehnte sich inzwischen aus den Unterlagen doch kann sie weder in einem Klage­ lied um Vergangenes noch in dem - an ihr und für sie als überzeugter Sozia­ ergibt, greift aber nicht in ihr Leben ein. Hans✓oachim Kittel, Dr. theol., list gelebt - zum Sozialisten geworden Eine besondere Akte Predigerschule Pfarrer war seit 1971 nebenamtlicher, mir gegenüber von rechten Kreisen gibt es (bis jetzt) nicht. ab 1988 hauptamtlicher Dozent an geforderten - .Standrecht" bestehen, infolge der Erlebnisse der NS-Zeit bis der Predigerschule Erfurt und ab an dessen Stelle die Sieger die soziale hin zum erzwungenen Dienst in der Fragt man abschließend noch einmal 1990 deren letzter Rektor Isolierung und die für ihre konservative Uniform und in dem amerikanischen Haltung bekannte Justiz einsetzen. Kriegsgefangenenlager in Kalbe an der Zumindest in Halle fanden sich genü­ Milde, in dem neben dem Joch der wei­ Literatur: gend Neopietisten, die nicht dem Ge­ ter befehlenden Nazioffiziere der Hun­ H.-J. Kittel, Die Evangelische Predigerschule der Kirchenprovinz Sachsen Wittenberg 1948- bot der Schrift folgten .Gleiches mit ger der Zehntausende an der .Erlöser­ 1960 Erfurt1960-1993. Eine Dokumentation. Erstellt im Auftrag der Kirchenleitung Magdeburg rolle" der Sieger zweifeln ließ. Vor der o.J. (1995). Gleichem" zu vergelten, sondern den

70 hochschule ost 3/ 1996 hochschule ost 3/1996 71 Übergabe der Region an die Rate Ar­ Doch zurück zu 1945. Aus dem Lager se, als ich erfahren mußte, daß der von Deutschen Karls-Universität gewesen, mee wurden wir nach Hannover-Both­ entlassen, ging ich über die .Grüne mir als Lehrer geschätzte Prähistoriker eine immer wieder durchscheinende feld verlegt, in ein Lager, in dem die Grenze·, fuhr nach Halle und traf dort Martin Jahn 1938/39 in Südpolen die deutsch-nationale Position, die mich englische Wachmannschaft - zumeist die Gesinnungsfreunde aus dem Lager Museen besucht und ihre Bestände für schließlich von ihm trennte. Aus der ältere Londoner Arbeiter - sich im wieder. Ich trat in die KPD ein, machte eine .Sicherung" im Kriegsfall erfaßt Schweiz war der Philosoph und Sozio­ Gegensatz zu den deutschen Offizie­ die Vereinigung mit, wobei ich keinen hatte und daß der für seine glänzenden loge Leo Kofler nach Halle gekommen, ren human zu uns Jungen - wir waren Zwang, sondern viel Hoffnung, Idealis­ Vorlesungen beliebte F anz Altheim zum der uns Jungen durch seine blendende oder wurden gerade 16 Jahre - verhiel­ mus und Antifaschismus erlebte, gläu­ .Persönlichen Stab des Reichsführers Rhetorik und die Vielseitigkeit seines ten. In diesem Lager wurde heiß disku­ big auf eine bessere Zeit hoffend, trotz der ss· Heinrich Himmler gehört hatte. Wissens imponierte. tiert, welche Schlußfolgerungen aus des Hungers, der noch 2-3 Jahre an­ Bei aller Unklarheit des eigenen, oft Als 1949 Heinz Mode aus München dem verlorenen Krieg zu ziehen sei­ dauern sollte. Im Mai 1946 begann ich emotionalen Standpunktes setzte sich nach Halle übersiedelte, ein Berliner en.Besonders aktiv waren hierbei An­ das Studium als Sechzehnjähriger im die Hochachtung vor der wissenschaft­ jüdischer Herkunft und Zwangsexilant gehörige der Division .Brandenburg•, .Vorsemester" und wechselte nach lichen Leistung durch, die nicht von der in Indien, auf Ceylon und in der Schweiz, die bereits im Lager in Kalbe mit ihren dem Abitur in die Gebiete Vor- und politischen Überzeugung bestimmt war. schloß ich mich dem temperamentvol­ Einsätzen in fremden Uniformen ge­ Frühgeschichte, Geographie und Geo­ Bis in das Jahr 1949 war keiner meiner len Kommunisten an, der ein .Institut prahlt hatten. Als die Militärverwaltung logie über. Von Anfang an beteiligte ich Lehrer Kommunist, sondern sie waren für die Frühgeschichte des Orients" im Juni 1945 deutsche Hilfstruppen mich aktiv am Leben der Universität. ehemalige PG's, Theologen, Parteilo­ gründete. Mich fesselte Modes Vision rekrutierte,entging ich nur knapp einer Eineri tiefen Eindruck auf mich machte se, Ex-Jesuiten und Angehörige ande­ von einem Institut, das die Geschichte Karzerstrafe,die in einem oben offenen der sowjetische Hochschuloffizier Ma­ rer Schichten. und Archäologie Asiens und Afrikas Stacheldrahtverhau von ca. 5 x 5 m ab­ jor Rosenbaum, der nahezu überall Waren die politischen Gruppierungen als Einheit begriffund betrieb. Um Mode zusitzen gewesen wäre. Ich war gegen auftauchte, wo Not am Mann war und im .Vorsemester" noch vage und nur sammelte sich eine kleine Gruppe von eine damals vor allem von alten Nazis uns darin bestärkte, alle Potenzen der wenige Studenten profilierte Marx-An­ Parteimitgliedern und Parteilosen: Hel­ erhoffte Fortführung des Krieges auf Hochschule zu nutzen. Er war es an­ hänger, so bildeten sich 1947 mehrere mut Wolle (Vater des Radikal-"Refor­ der Seite der Allierten aufgestanden, scheinend auch, der den bekannten klar voneinander getrennte Gruppen an mers" Stefan), dessen Kontakte zu während viele der .Herren Offiziere· Alttestamentler Eißfeldt für das Rekto­ der Universität heraus. Die Mehrzahl Dienststellen der SMAD u.a. bekannt weitermachen wollten. Meine Haltung rat vorschlug, einen Mann, den wir der politisch Denkenden traten der SED waren, Werner Padberg, Peter Krüger entsprach der einiger ehemaliger Bu­ schon allein deshalb verehrten, weil er bei, doch gab es auch Liberale wie den und später noch Gerhard Rühlmann. chenwaldhäftlinge und Ex-999ern, nun gemeinsam mit einigen Medizinern späteren BRD-Außenminister Gen­ Sie bemühten sich, einen sozialisti­ im gleichen Lager, die meinen Vater dafür gesorgt hatte, daß die • Vereinigte scher oder Repräsentanten der CDU schen Hochschulkurs zu steuern.der gekannt hatten. Ihm verdankte ich meine Friedrichs-Universität" noch rechtzei­ wie Gerald Götting. die wissenschaftliche Forschung und erste politische Erfahrung. Es muß im tig zur .Martin-Luther-Universität" ge­ Ausbildung mit antifaschistischer Hal­ März 1933 gewesen sein, als er mit worden war, hatten die Nazis doch die Da mir Martin Jahns Betonung der tung verbinden sollte. Mode wurde Vor­ einem rechteckigen Gegenstand in Absicht gehabt, sie in .Rosenberg-Uni­ Germanen zu viel wurde, schloß ich sitzender der Parteiorganisation der Packpapier gewickelt heimkam. Auf versität" umzubenennen. mich dem aus Prag gekommenen Edu­ SED der Universität und war um eine meine neugierige Frage, was das denn ard Winter an, dem ich ein bis heute Zusammenführung aller Kräfte in einer sei, antwortete er: "Ein Hitlerbild". Als Eißfeldts Wirken war geprägt von gro­ anhaltendes Interesse für die Geschich­ kooperativen .Blockpolitik" bemüht. er es auswickelte, war es ein Fußab­ ßer Menschlichkeit und dem Streben te des 18. Jahrhunderts und die Nei­ Eine der ersten gemeinsamen Aufga­ treter . .Aber Papa, du sagtest doch ein nach dem Erhalt und Ausbau akademi­ gung zur Geschichte Osteuropas ver­ ben der Mitarbeiter des Instituts war die Hitlerbild?" .Na, kann man das denn zu scher Qualität, eine Zielstellung, die danke. Er war einst Jesuit gewesen, Abfassung von Lehrbüchern für den etwas anderem als zum Fußabtreten mir und meinen Freunden einleuchte­ dann aus dem Orden ausgetreten, um Geschichtsunterricht über den Orient verwenden?.· Er hat dann auch den te. Natürlich blieben Enttäuschungen zu heiraten. Vor 1945 war er Rektor der in der 5. und 9. Klasse, eine Arbeit, die Sommer nicht überlebt. und Probleme nicht aus, beispielswei-

72 hochschule ost 3/1996 hochschule ost 3/1996 73 vom damaligen Leiter der Verwaltung Die Jahre 1951-1952 brachten eine macht" - soweit Modes Mitteilung an Nach erfolgter Habilitation kehrte ich Volksbildung Paul Wandel gefördert Krise, die den Weg der Universität mich. 1960 als Dozent nach Halle zurück, wurde. Das Ergebnis waren m.E. noch schroff verändern sollte. Es begann mit blieb aber in Berlin wohnen, wodurch heute verwendbare Lehrbücher, doch Die Revanche kam mit der Parteiüber­ ich vielen lokalen abministrativen Ver­ der Abschaffung der bisher freigewähl­ prüfung von 1952. Heinz Mode, der leider sollten sie die Amtszeit Wandels pflichtungen entging. Zudem konnte ten Studenten- und Fakultätsräte, die Vorsitzende der Universitätsparteior­ nicht lange überleben. meinen Erfahrungen nach eine gute ich so die Bibliotheken Halles und Ber­ ganisation, wurde aus den Listen der lins kombinieren und meine Berliner Arbeit geleistet hatten. Ich war selbst Partei gestrichen, da er in der Schweiz Kontakte nutzen. Diese erwiesen sich Mitglied des Fakultätsrates der Philo­ mit dem .amerikanischen Agenten" Die Schulbücher wurden mehr und mehr 1962/63 als recht nützlich, als eine sophischen Fakultät, und die Zusam­ Noel Field zusammengearbeitet habe. .verbessert·, bis schließlich die alte Absolventin, die Heinz Mode sehr ge­ menarbeit mit den Kommilitonen der Diese Entscheidung beendete die bis­ Geschichte völlig aus dem Lehrplan fördert hatte, da sie indische Kunstge­ unterschiedlichsten Richtung war gut herige politische Richtung und führte der 9. Klassen verschwand. Lediglich schichte studierte, einen üblen Angriff gelaufen. Sie wurden durch die FDJ­ zum Zerfallder Gruppe um Mode. In der im 5. Schuljahr hörten die Schüler et­ gegen ihn und seine Mitarbeiter starte­ Organisation ersetzt. Rückschau gewinne ich dem Einschnitt was in .kindertümlicher" Form von Me­ te. Sie besprach lange Tonbänder - ich auch Positives ab. Ich mußte damals sopotamien und Agypten. Die Folgen sah Teile der Abschrift - mit der An­ auf politische Funktionen verzichten dieser Ausbildung lernte ich kennen, Dann wurde die sowjetische Militärad­ klage, Mode sei Agent der CIA und als die entsprechenden Jahrgänge als und hatte Zeit zur wissenschaftlichen ministration in Österreich aufgelöst, seine Mitarbeiter seien in deren Inter­ Lehrerstudenten für Geschichte an der Arbeit. und ein Mann kam nach Halle, der den esse ausgewählt. Hier waren als neue Universität erschienen und während Traum von einer offenen sozialistischen Kräfte der Kunsthistoriker Heinrich Nik­ ihres Studiums 15 Stunden Lektionen Stern errichtete ein Regime an der Hochschule erlöschen ließ - Leo kel, der Indologe Johannes Mehlig, der über altorientalische Geschichte hören Universität, vor dem viele jüngere Ge­ Stern, NKWD-Offizier, Schwager des Prähistoriker Joachim Peuke, der An­ mußten. Nach Absolvierung derselben nossen in die BRD flüchteten. Zugleich Staatssekretärs für Staatssicherheit thropologe und Wissenschaftshistori­ mußten sie eine Prüfung ablegen, die umgab er sich mit einem Kreis konser­ Zaisser. Ihm lagen bald viele Verant­ ker Siegfried Wölffling, Frau llse Sei­ ich nur ertrug, indem ich sie jeweils vativer Professoren, vor allem der Na­ wortliche zu Füßen. Ihm reichten 14 bert für mesopotamische Kunst und eine Klausur schreiben ließ, um Stil­ turwissenschaften, Medizin und der The­ Tage, um von Mode meine Entlassung Frau Renate Boening für Indische Kunst blüten etc. zu sammeln (.Moses war ologie, die ihn wohl nicht durchschau­ zu fordern, da ich Auskunft über seine hinzugekommen. Die Beschuldigungen ein Anhänger Mohammeds und schrieb ten oder obrigkeitstreu waren. Die. rea­ Parteizugehörigkeit verlangt hatte - waren frei erfunden, aber so schwer­ den Koran·, .Ein Zyonist ist ein wüten­ len Entscheidungen für die Universität ich war damals Sekretär der zuständi­ wiegend, daß es niemand außer den der Antisemit"), für deren Inhalt die sollen überdies im Kaffeekränzchen gen Gruppe. Er sah darin eine Bedro­ Beschuldigten wagte, die Verleumde­ Studenten kaum verantwortlich zu ma­ der Frau Stern gefallen sein, wie man hung. Wahrscheinlich gab es auch rin zurückzuweisen. Andererseits ge­ chen waren, die aber ein im Grunde sich damals allgemein erzählte. noch Lügen anderer Art. Seine Forde­ lang es, die Affäre zu beenden. Nur entsetzliches Unwissen offenbarten. rung lehnte Mode jedoch strikt ab. Die Mehlig wurde schwer getroffen. Er war Als die Einreichung derartiger, natür­ \ Die eingetretene Stagnation veranlaß­ Ra-ehe sollte bald folgen. Zuvor jedoch Ende der fünfziger Jahre in Leipzig mit lich anonym zitierter, Leistungen beim te mich 1958, für zwei Jahre die Funk­ for-derte Stern Heinz Mode auf, den tion eines Sekretärs der Deutsch-Ara­ dem dortigen Parteisekretär der Uni­ Volksbildungs- und beim Hochschul­ ihm aufgrund seines Ansehens an der bischen Gesellschaft zu übernehmen. versität zusammengestoßen, der die ministerium ohne Echo blieb, vergnüg­ Universität verhaßten Leo Kofler anzu­ Sie gab mir Gelegenheit, mehrere der dort beantragte Dozentur für Mehlig te ich mich damit, den Historikern je­ rufen, um ihm die rasche Flucht .in den Länder, deren Kulturgeschichte seit verhinderte.Die Lügenkampagne dien­ des Jahr entsprechende Exzerpte zu­ Westen· anzuraten, da der .Staatssi­ 1949 mein Arbeitsgebiet war, zu besu­ te nun dazu, einen Antrag unsererseits zustellen. Verschiedene Vorschläge bei cherheitsdienst" hinter ihm her sei. Als chen und erlaubte mir zugleich, die auf eine Dozentur für ihn - Mode hatte den verantwortlichen Stellen für neue Mode dieses Ansinnen empört zurück­ Beschränkung auf Halle zu durchbre­ unterschrieben und ich zuvor die erfor­ Lehrplane wurden weder beantwortet wies, erklärte Stern .Das haben wir bei chen und in Berlin eigene Beziehungen derlichen Zusagen in Halle eingeholt noch beachtet. der Internationale doch auch so ge- aufzubauen. ohne Begründung abzulehnen. Es ver-

74 hochschule ost 3/1996 hochschule osl 3/1996 75 wundert allerdings nicht, war doch der der Universität H. Tillmann (Historiker) dung nach meinen Vorstellungen zu sich der Missionsgeschichte Halles in vormalige Leipziger Parteisekretär • Fehler" (Druckfehler) in einem Teil ent­ gestalten . Indien annahm. H. Nickel vertrat die Boehme inzwischen Hochschulminister deckte, für den ich nicht zuständig war byzantinische und osteuropäische geworden. Den Grund für das Zerwürf­ - ich fungierte nicht als Herausgeber. Jedoch sollte die III. Hochschulreform Kunst und K. Rührdanz die islamische nis zwischen den beiden habe ich nie Er löste einen Skandal aus, den er noch einmal alles in Frage stellen. Den Kunst. G. Rühlmann und Frau Stoof erfahren. Zu den Befürwortern der Do­ gegen mich nutzen wollte, da er Entwurf für die Umgestaltung der Uni­ beschäftigten sich mit der ägyptischen zentur hatte auch die Bezirksleitung anscheinend eine Konkurrenz witterte. versität lieferte eine Kommission unter Archäologie. Markus und Hanne Mode der SED gehört, zu deren Wissen­ Nach bitteren Monaten konnte ich Leitung des Biologielehrers Freye, den bearbeiteten zentralasiatische Themen, schaftssekretär Mehlig seit seiner Zeit schließlich die Fertigstellung in einer die Bezirksleitung der SED zum Pro­ und H. Mode wandte sich dann eben­ als Kreissekretär der Partei gute Be­ verkleinerten Fassung erreichen und fessor an der Medizinischen Fakultät falls der indischen Missionsgeschich­ ziehungen unterhielt, obwohl er 1953 durchsetzen, dafür auch als Herausge­ gemacht hatte. Er war der Nachwende­ te zu. Den Rest hatte ich zu vertreten. aus der Partei ausgetreten war. Alle ber zu zeichnen, da es sich nun nur staatssekretär, der die Universität .de­ Es war mir schon lange bewußt gewor­ Versuche, eine positive Entscheidung noch um meinen Anteil handelte. Aus mokratisierte", allerdings ohne dafür den, daß die erträumte Vollständigkeit zu erreichen, scheiterten. der Umgebung des Prorektors Tillrnann einen Orden zu erhalten wie nach der der Spezialdisziplinen an unserem In­ erfuhr ich später, daß er angeblich Hochschulreform, die ihm den .vater­ Stern war bereits vor dieser Angelegen­ stitut nicht zu erreichen war, und so vergebens nach Material über Arno ländischen Verdienstordenin Gold" ein­ heit in die Akademie aufgestiegen und sah ich meine Aufgabe in erster Linie gesucht habe und seit langem bestrebt gebracht hatte. Sein Entwurf sah u.a. hatte der Universität eine Reihe seiner darin, dem für die Museen, Universitä­ gewesen sei, mich auszuschalten. vor, die gesamten Orient- und Alter­ • Sternschnuppen· (vor allem im Institut tumswissenschaftenin Halle einzustel­ ten und die Akademie erforderlichen für Geschichte) hinterlassen, neben Er muß dies allerdings sehr oberfläch­ len. Die Räume in dem traditionellen Nachwuchs in Halle eine Chance zum die andere Gruppenin der Parteiorgani­ lich getan haben (falls überhaupt), denn .Robertinum". dem Sitz der Altertums­ Studium zu geben. Hierzu war es erfor­ sation traten. Nach den Erfahrungen die wichtigsten Teile lagen in der Uni­ wissenschaften, waren bereits vermes­ derlich, mit anderen Hochschulen - vor Berlin - zu der frühen fünfziger Jahre hielt ich mich versitätsbibliothek in Halle. Kurze Zeit sen und sollten das Rechenzentrum allem Leipzig, und kooperieren. So wurden Fachleute für von allen Fraktionen fern. Mein altes danach verbreitete er märchenhafte der Universität aufnehmen. islamische Kunst in spezialisierten Interesse far· das 18. Jahrhundert und Räuberpistolen und mußte als geistig Richtungen ausgebildet - eine Vertre­ die Wissenschaftsgeschichte fand verwirrtseine Arnteraufgeben. Der Hin­ Unter großen Schwierigkeiten gelang terin der islamischen Textilkunst, ein durch einen Zufall in dem Afrikaner W. tergrund dürfte gewesen sein, daß sein es, diesen Plan zunichte zu machen Fachmann für Waffen und Metallarbei­ Arno eine lohnende, wenn auch nicht Versuch, den Rektor Wolff durch De­ und diesen Wissenschaften in der .Sek­ ten und ein Vertreterder angewandten ungefährliche Aufgabe. Dieser erste nunziationen zu stürzen, kläglich ge­ tion Orient- und Altertumswissenschaf­ Künste. Auch die an anderen Hoch­ .schwarze• Philosoph in Halle, Witten­ scheitert war. Er strebte damals nach ten• einen bis zur • Wende" sicheren schulen eingestellte Ausbildung für berg und Jena (1727-1747) hatte drei dem Rektorat und beschuldigte Wolff Platz in Halle zu schaffen. Als Wissen­ Assyriologie und Sumerologie wurde in Arbeiten und eine Vielzahl von Auto­ recht phantasievoll und bösartig. schaftsbereich Orientalische Archäo­ graphen hinterlassen, die ich sammel­ logie konnten wir bis Ende 1989 unge­ Halle neben der vorderasiatischen Ar­ te und dann dummerweise der neuen In jenen Jahren traf uns ein schwerer stört arbeiten, den Stellenplan schritt­ chäologie weitergeführt, desgleichen Universitätsleitung vorschlug, diese Schlag. Mode infiziertesich auf Ceylon weise erweitern und teils mit eigenen die indische Kunstgeschichte, die ägyp­ Arbeiten als offizielle Universitätsaus­ mit einer Zeckenencephalitis und wur­ Absolventen, teils mit Absolventen von tische Archäologie, die chinesische gabe zu publizieren. Eine große Kom­ de teilweise gelähmt, so daß er sich anderen Universitäten besetzen, so daß Archäologie und Kunstgeschichte so­ mission wurde gebildet, Arnos Arbei­ mehr und mehr aus der Institutsarbeit wesentliche Teilbereiche des alten Zie­ wie die zentralasiatische Volkskunst. ten wurden übersetzt - vor allem Dank zurückzog. Die administrativen Arbei­ les vertreten waren. Über Indien arbei­ Zu jeder Ausbildung gehörten neben der Unterstützung des Ehepaares Sieg­ ten fielen größtenteils auf mich, was teten J. Mehlig, J. Peuke, E. Plaesch­ Englisch, Russisch und Französisch mund-Schultze -, und die Ausgabe war mir jedoch auch die Möglichkeit gab, ke und nebenamtlich J. Plaeschke. bis zu drei Sprachen aus dem gewähl­ nahezu fertiggestellt, als der Prorektor das Institut und besonders die Ausbil- Zeitweise kam Frau Liebau hinzu, die ten Gebiet. Jeder Student hatte einen

hochschule ost 3/1996 77 76 hochschule ost 3/ 1996 reiche Arbeiten über den Fortbestand individuellen Studienplan, der ihn zum nigen zu kontrollieren, die es von sich ich auf ein mir schwer verständliches von Sklaverei bis ins 19. Jahrhundert Teil für mehrere Semester nach Berlin, Desinteresse der Theologen, das sich aus taten. Zugleich hatte ich mit eige­ und auf die völlig anderen Sozialstruk­ Leipzig, Leningrad und Taschkent führ­ nen Publikationen genug zu tun. Einer u.a. in der Abstinenz äußerte, das her­ vorragende Archiv der Franckeschen turen der angeblichen Feudalzeit in te. Legende sei widersprochen. J. Mehlig Stiftungen in den Fußstapfen Alands Asien und sogar in Osteuropa. verschanzte sich jahrelang hinter ei­ Zur Ausbildung und zur Arbeit der Ar­ für die USA-Geschichte zu bearbeiten. nem angeblichen Publikationsverbot Die Unterschiede zwischen den mir chäologen unter den Mitarbeitern ge­ Nun, für mich hatte es den Vorteil, durch den Sektionsdirektor. Letzterer vorliegenden modernen Analysen der hörte die Teilnahme an Grabungen in zweimal in die USA eingeladen worden hatte nach einem Vortrag Mehligs le­ Materialien und des Stalinschen wie Bulgarien, Mittelasien, Syrien und im zu sein, um dort zu diesen Archivalien diglich erklärt, er selbst würde einen Marxschen Bildes habe mir schwer zu Kaukasus. Die Teilnahme an Grabun­ solchen Vortrag nicht publizieren - er zu sprechen. Auch bei den Bemühun­ schaffen gemacht, zumal das zustän­ gen in der UdSSR hätte eigentlich der gen, die Gebäude der Stiftungen zu hätte ihn auch nicht halten können. dige Akademieinstitut völlig auf eine Genehmigung der Berliner, der Mos­ retten, hielten sich die Neopietisten in Nach Jahren eines zum Teil heftig aus­ verwässerte Kombination beider Dar­ kauer und der jeweiligen Republiks­ Halle vornehm zurück. Der Romanist getragenen Streits fuhr ich nach Leip­ stellungen eingeschworen war. Die in akademien bedurft. Da aber jeder dies­ Ricken und ich brachten die Universi­ zig und beredete einen Verlag, J. Meh­ der .Ethnographisch-archäologischen bezügliche Antrag an irgendeiner die­ tätsleitung 1987/88 dazu, vom Hoch­ lig die Herausgabe eines Buches anzu­ Zeitschrift" begonnene Diskussion sah ser Stationen verschwand, schloß ich schulministerium 5 Millionen Mark für bieten, wenn er bereit sei, es zu schrei­ mich ziemlich allein auf dem Feld der mit mehreren Kollegen aus Leningrad, ben. Dies und die eingehenden Hono­ ein Sicherungsprogramm zu fordern, Polemik. Auf der .Engels" -Konferenz in Samarkand und Duschanbe private rare haben ihn dann überzeugt. Um die die sie auch erhielt. Sie dienten dann Dresden trug ich meinen Standpunkt Vereinbarungen, nach denen sie die begrenzten Publikationsmöglichkeiten nach der Wende dazu, effektvolle und nochmals vor und schloß mit der Be­ Kosten für unsere Delegierten im lan­ zu erweitern, setzte ich die Gründung erfreulichnützliche Arbeiten an diesem merkung, daß ich von nun an genug von de übernahmen und ich mich dafür für der .Hallischen Beiträge zur Orientwis­ Denkmal auszuführen. In den letzten Zitaten hätte und mich konkreten Stu­ die Übersetzung und Herausgabe ihrer senschaft" durch und veranstaltete jähr­ Jahren der DDR haben mehr Ge­ dien zuwenden würde. Ich plante, meh­ Arbeiten in der DDR einsetzte. Diese lich Fachkonferenzen, deren Protokol­ schichtslehrerstudenten als Theologen rere Sammelbände zur Sozialgeschich­ Vereinbarungen haben bis zur Wende le veröffentlicht wurden. Zu ihnen ge­ in dem Archiv gearbeitet. te des Orients mit internationaler Be­ funktioniert. hörten in den letzten Jahren auch .fach­ teiligung, keine .endgültigen" Darstel­ Großen Raum hat in meiner Hoch­ Die Mitarbeiter und Absolventen des fremde" Themen, da es mich ärgerte, lungen, sondern Diskussionsmateriali­ Instituts waren durchaus nicht alle Mit­ daß die eigentlich dafür Zuständigen schulzeit die Beschäftigung mit Marx en herauszugeben. Leider ist nur der glieder der SED, sondern mehr als die sie nicht aufgriffen, so beispielsweise eingenommen. Begonnen hatte ich als Band über die Formen des Agrareigen­ Hälfte von ihnen waren parteilose Ka­ eine Tagung zum 50. Jahrestag der gläubiger Leser des .KurzenLehrgangs tums in Mesopotamien von den Sume­ tholiken, Protestanten oder Glaubens­ .Reichskristallnacht" (1988) und eine der Geschichte der KPdSU", vor allem rern bis zu den Osmanen erschienen. neutrale. Ihr Glaubensbekenntnis oder Konferenz über die Massenvernichtung des Teils über den .Historischen und Ein zweiter Band über den Handel im dialektischen Materialismus". Aber politische Orientierung haben mich nie­ der slawischen Intelligenz (1989). Für gleichen Gebiet und Zeitraum lag im schon bei der Ausarbeitung der Lehrbü­ mals interessiert, wichtig war die Lei­ 1990 und 1991 waren ein Tagung über Manuskript vor, als die .Wende" den cher 1950/1951 konnte ich die darin stung. Auch die Frauen waren mit 50 % Roma und Sinti und eine internationale Druck verhinderte. Dankenswerterwei­ verkündete .Revolution der Sklaven und am Institut vertreten. Im Institut wurden Konferenz über die Beziehungen Hal­ se übernahmen zwei Berliner Fach­ Kolonen", die die .Sklaverei" weltweit in verschiedene Anweisungen des Mini­ les im 17. und 18. Jahrhundert zu zeitschriften die Beiträge. Aber eine den Feudalismus führte, in den Fach­ steriums nicht befolgt, wie die Kennt­ Amerika geplant. Beide sind leider der Weiterführung war unmöglich gewor­ publikationen nicht finden. Ich suchte nisnahme, d.h. Kontrolle, aller ein- und .Wende" zum Opfer gefallen. Die Sinti­ den. bei Marx und Engels und entdeckte sie ausgehenden Post oder der Publikatio­ und Romatagung sollte eine Reprise auch dort nicht, dafür eine bei Stalin Mir waren unterdessen die bislang un­ nen der Mitarbeiter. Ich hatte mehr Sor­ auf eine 1964 auf Druck osteuropäi­ nicht erwähnte .asiatische Produkti­ publizierten Exzerpte von Marx aus gen damit, verschiedene Mitarbeiter scher Staaten untersagte Tagung zum onsweise". Zugleich stieß ich auf zahl- seinen letzten Lebensjahren zugäng- zum Publizieren zu bewegen, als dieje- gleichen Thema werden. Mehrfach traf

bochschule ost 3/1996 79 78 hochschule ost 3/1996 lieh geworden, aus denen ich mit Ver­ ehe aufeinander folgen und schließlich hegekommen bin. Doch war er schließ­ ge Jahre zuvor lautstark angriff, weil ich gnügen entnahm, daß er zu Ende sei­ die Geschichte mit dem Paradies en­ lich ein CDU-Mann und daher eo ipso einen statistischen (nichtssagenden) nes Lebens die Legende von der asia­ den würde. De Fiore setzte. die Zeit des ein .anständiger" Mensch. Der mich Bericht über die Staatliche Weiterbil­ tischen Produktionsweise als Irrweg Alten Testaments als das 1. Reich, als .feuernde"Prorektor, ein Theologe, stell­ dung in Marxismusausgefüllt hatte, da erkannt hatte. Endlich begriff ich ihn die Zeit des Vaters, die Zeit des Neuen te mir bei meiner Entlassung als einzi­ er nicht erreichbar war. Er protestierte, wissenschaftshistorisch als einen Wis­ Testaments als das 2. Reich, als das ge Frage, weshalb ich mich gegen die da dies seine Aufgabe als Sekretär senschaftler, der nach Erkenntnis streb­ Reich des Sohnes, dem das 3. tau­ .Theorien" des Herrn von Dänicken ge­ des Zirkels gewesen sei - ich ließ ihm te, sich über Asien irrte und diese Irr­ sendjährige Reich folgen werde, das wandt hätte. Meine Gegenfrage, wieso das Vergnügen. Nun geht er als .Opfer" tümer zu überwindentrachtete. Er hat­ Reich des Geistes, in dem eine Mönchs­ die Kirche ein aus der Rampe von mit dem gleichen Eifer zu Werke te Hegels .asiatische Despotie" als von kirche ein Erdenreich der Gerechtig­ Auschwitz und dem nazistischen .Le­ Wesentlich prägten mich nun einmal dem Philosophen nur falsch erklärte keit als Vorbereitung der Menschen auf bensborn" abgeleitetes Menschenbild meine Erfahrungen bis 1945. Die Fort­ Tatsache angesehen, ohne zu bemer­ den Eingang ins Paradies leiten werde. nicht bekämpft habe, ließ er unbeant­ dauer der Herrschaft der Nazioffiziere ken, daß Hegel diese • Theorie" von Diese Auffassungen wurden die Grund­ wortet. und der alten Richter wirkte bis tief in Montesquieu übernommen hatte, der lage des religiösen Anteils am Marxis­ den .Kalten Krieg" hinein. Mir waren die Zwar hatte der Wissenschaftsrat der sie nur als politische Tarnkappe für mus, nachdem sie über 800 Jahre die militärischen Einschätzungen bekannt, BRD in seinen .Empfehlungen zu den seine Kritik am französischen Absolu­ Sektenbewegungen auch in Deutsch­ nach denen es 15 Minuten nach Aus­ tismus gebraucht hatte. Auch war Marx land beeinflußt hatten. Geisteswissenschaften an den Univer­ bruch eines Atomwaffenkrieges keine sitäten der neuen Länder" zu den viel­ erst kurz vor seinem Tode die bereits Städte mehr in Deutschland geben wür­ Man mag mich nun fragen, weshalb ich versprechenden Arbeitsbereichen .an vor der französischen Revolution er­ de und 24 Stunden später nur noch mit mich dann nicht auf die Seite der Bun­ den die Weiterentwicklung der Gei­ schienene Kampfschrift des Anquetil Schutzanzügen versehene Truppentei­ du Perron über die .Gesetzgebung im desrepublik geschlagen und stattdes­ steswissenschaften in den neuen Län­ sen bis zuletzt versucht habe, den le überlebt haben würden - beiderseits Orient" in die Hände gefallen, die die dern anknüpfen sollte" ausdrücklich die der deutschen Grenze. Nichts fürchte­ Studenten mein Bild von der Welt zu Orientarchäologie in Halle gezählt und Legende von der asiatischen Despotie te ich mehr als den Ausbruch eines vermitteln. Nun, da ich bereits einmal sie als einen der zwei zu bildenden als kolonialistische Lüge entlarvthatte. Krieges, und daher ist das Einzige, In den .Marxismus· sind diese Erkennt­ im Kapitalismus gelebt habe, konnte Schwerpunkte in Halle benannt. Aber ich mir vorstellen, wohin ein Anschluß was ich an der • Wende" geschätzt nisse des verehrten Lehrers ebenso­ dies waren Empfehlungen von Wissen­ habe, daß sie ein (vorläufiges???) Ende wenig eingedrungen wie die Tatsache, an die BRD führen würde und ich hatte schaftlern - also vergebens. Ich konnte nicht die Absicht, freiwillig noch einmal der Kriegsdrohung gebracht hat. Doch daß die absolute Sicherheit einer Ablö­ noch die anstehenden Promotions- und konnte man nach Hiroshima noch an sung der Klassengesellschaft durch in dieses System zurückzukehren, Habilitationsverfahrenabschließen und denn für mich war die DDR der Staat, in den Friedenswillen und die Mensch­ eine kommende Zeit der Gleichheit im verbleibende Studenten an .westliche" lichkeit der Mächtigen glauben? - Eher Kommunismus vergleichbare Wurzeln dem ich gelebt habe, der mir eine gute Universitäten vermitteln. Aber das In­ Ausbildung und Arbeit ermöglicht hat schon an den Erfahrungssatz der ge­ hatte. Marx hatte von Hegel gelernt, stitut wurde • verwestlicht"und die .alte· genseitigen Abschreckung - und die daß Menschheitsepochen aufeinander und mir trotz aller seiner Fehler und Konzeption vergessen - so leistungs­ Schwächen noch immer humaner er­ Rolle der deutschen Offiziere hatte Ich folgten und daß die Zeit des Welt­ stark der Nachfolger auch ist. Er ist für am eigenen Leibe erfahren. geistes kommen werde. Bestärkt wur­ scheint als der Kapitalismus. diese • Wende" nicht verantwortlich zu de Marx darin durch die französische Die Hochschule mußte ich auf Druck machen, die von Fanatikern und Frömm­ Für mich war der Sozialismus der Ver­ Revolution, doch wußte er anschei­ der .neuen" Leitung als .Repräsentant lern durchgesetzt wurde. Einer der Herrn such, die unterentwickelten Teile der nend nicht, daß sein Lehrer diese Etap­ der alten Macht" verlassen, und das der ersten Kategorie, der Altphilologe Welt mit staatlichen Mitteln voranzu­ penlehre bei dem Mystiker Joachim di unter einem Rektor Schilling, der jahr­ Luppe, trat sogar aus der CDU aus und bringen, und ich habe oft und leider ver­ Fiore abgeschrieben hatte, der aus der zehntelang Mitglied des Forschungs­ in die SPD ein, da diese antikommuni­ geblich vor der längst begonnenen Ka­ Johannesapokalypse gefolgert hatte, rates der DDR war, eine ranghohe und stischer sei als die CDU. Ich erinnere tastrophe der Völker Asiens und Afri­ daß drei je 1000 Jahre währende Rei- einflußreiche Funktion, der ich nie na- mich noch gut daran, wie er mich weni- kas gewarnt. Die Probleme jener Milli- 81 80 hochschule OSI 3/1996 hochschule ost 311996 arden Menschen standen mir stets zurück, mit Sorgen dagegen in die bun­ DieterWittich (Leipzig): näher als die Sorgen des doch recht desrepublikanisch-großeuropäische satten DDR-Bürgers. Man mag dies Zukunft. weltfremd nennen, zumal ich meine Erkenntnistheorie und Erkenntniswirklichkeit Probleme auch mit dem Clan Feist­ Burchard Brentjes, Prof. Dr. phil., in der DDR Honecker gehabt habe. Aber ich habe bis 1992 Professor für Orientarchäo­ getan, was ich konnte und sehe ohne logie an der Martin-Luther-Universität t Reue auf meine vergangenen Jahre Halle-Witenberg, lebt in Berlin

Anmerkung: Von 1969 bis 1990 habe ich den Lehr­ nicht weniger meiner Mitbürger zur DDR: Eine annähernd vollständige Publikationsliste des Verfassers erscheint auf der CD-ROM­ stuhl fOr Erkenntnistheorie an der da­ Diese Gesellschaft habe zwar große Fassung des Kürschnerschen Gelehrtenlexikons. Daher wird hier auf das Zitieren von Belegen verzichtet. maligen Karl-Marx-Universität in Leip­ Mängel, aber diese seien durch Refor­ zig geleitet. Wenn ich heute rückschau­ men behebbar. Ich wähnte, daß auch end die Geschichte dieses Lehrstuhls ein autoritär und selbstherrlich agieren­ betrachte, erinnere ich mich an man­ der politischer 'Apparat' sich selbst ches Erfolgserlebnis und auch an die­ aufheben könne, ahnte kaum, wie sehr se oder jene offizielle Anerkennung, die er personell und mental genau auf die­ den Mitarbeitern des Lehrstuhls oder se Artvon Machtausübung zugeschnit­ mir persönlich zuteil wurde. Letzteres ten war. wird zumindest politisch kaum jemand verwundern. Denn wenn man mich fra­ Meine politische Haltung zur DDR war gen WOrde, ob ich die DDR insgesamt also, wie man damals sagte, durchaus gebilligt habe, so müßte ich eine sol­ 'positiv'. Daß dennoch der von mir ge­ che Frage klar bejahen. Ich habe sogar leitete Lehrstuhl immer wieder poli­ die DDR als Ganze nicht nur akzep­ tisch und ideologisch verdächtigt wer­ tiert, sondern sie auch nach Kräften zu den konnte, wird jene, die nach heute erhalten und zu fördern gesucht. Ich üblichen Schemata das Leben der frü­ meinte, daß aus nationalen wie aus heren DDR-Bürger begutachten, viel­ globalen Gründen eine nicht-kapitali­ leicht überraschen. Seltener geschah stische deutsche Gesellschaft uner­ das allerdings durch irgendwelche SED­ läßlich sei. Eine solche Überzeugung und staatliche Leitungen, weit mehr entsprach wohl auch den Grundlagen durch Kollegen der näheren und weite­ meiner Generation, die den II. Welt­ ren Umgebung. Also die zwischen krieg und andere Verbrechen des deut­ Kollegen allerorts üblichen Querelen? schen Faschismus noch so bewußt Sicher auch das, aber zugleich mehr. erlebt hatte, daß für viele meiner Alters­ Ich werde zu zeigen versuchen, wie genossen nach 1945 ein nicht-kapitali­ sich auch hinter solchen alltäglichen stisch und antifaschistisch orientierter Auseinandersetzungen die spezifische Neubeginn geradezu selbstverständ­ Erkenntniswirklichkeit des Realsozia­ lich schien. Später teilte ich das Urteil lismus verbarg. Ich bin mir des Wagnis-

83 82 hochschule ost 3/1996 hochschule ost 3/1996 ses, das ich dabei eingehen muß, wohl sogenannten III. bewußt, zumal Hochschulreform wur­ worden. Bereits 1960 beauftragte er ideologisch relevante sein. Jedenfalls Eigenanalysen von de dieser Lehrstuhl jedoch nur noch f mich als seinen Oberassistenten, eine hatte sie dann auch einen Bezug zur DDR-Hochschullehrern ür nach wie vor die Au selten sbildung und Forschung auf dem ganzjährige Lehrveranstaltung mit wö­ Wertung des kulturellen Lebens im sind. Um so mehr haben sich Gebiet der formalen Logik chentlich zwei Vorlesungs- und zwei Realsozialismus und des dort verbrei­ Autoren aus der zuständig Alt-BRD der Geschich­ und auch te der entsprechend umbenannt. Seminarstunden durchzuführen. Klaus teten Massenbewußtseins. Philosophie in der DDR ange­ nommen. Doch wenn diese Der Leipziger hatte es schon seit längerem gestört, ihr Ge­ Neugründung lag das Bestreben daß der von ihm geleitete Lehrstuhl für Für eine so verstandene Erkenntnis­ schäft auch noch so redlich betreiben der Abteilung Wissenschaft Logik und Erkenntnistheorie in der Leh­ theorie wäre es eigentlich geboten ge­ s�llten, ihre empirische des ZK der SED sowie des Ministeri­ Basis muß wesen, den Realsozialismus ziemlich sic nahez ums für das re einzig durch die Logik vertreten war. � u ausschließlich auf Publi­ Hoch- und Fachschulwe­ sen Voller Tatendrang folgte ich Klaus' Vor­ fundamental zu kritisieren. Heute ist kationen beschränken. Die Umstände der DDR zugrunde, in den einzel­ mir bewußt, daß die Wissenschaft a er, aus denen nen Philosophischen schlag, kaum ahnend, auf welch ein � die schriftlichenZeug­ _ _ Einrichtungen der nisse der DDR Jeweils Feld von ungelösten theoretischen, ideo­ etwa, aber auch das kulturelle Leben DDR-Philosophie erwuchsen bestimmte philosophische und die Gebiete logischen oder wissenschaftspoliti­ insgesamt, im Realsozialismus einem natürlich auch von jenen ihrer besonders zu fördern. Wenig­ Vertreter stens schen Fragen ich mich damit begeben Widerspruch unterlag, dem seine Ak­ mitgeprägt wurden, die selten von den vorrangig bearbeiteten o Gebieten mußte und in was für ein Wespennest teure nicht entrinnen, den sie aber ?er gar nicht publiziert haben, blieben her sollten die philosophi­ diesen schen Institu von widerstrebenden Interessen und auch allein mit ihren Mitteln nicht lösen Autoren weitgehend unbekannt. tionen der DDR mehr Indi­ vidualität Haltungen ich dabei geriet. Das war um konnten. Dieser Widerspruch bestand erreichen. Warum gerade an darin, daß die Wissenschaftler im Re­ der Leipziger Universität die Erkennt­ so mehr der Fall, als ich Erkenntnis­ 1969 wurde alsozialismus zwei miteinander unver­ an der damaligen Karf­ nistheorie diese Rolle ausüben sollte theorie bewußt als eine philosophi­ M rx-Universität _� Leipzig ein Lehrstuhl hatte viel mit dem damaligen Direkto; sche Disziplin verstand. Als solche war einbaren Wertesystemengenügen soll­ .fur Erkenntnistheorie" der Leipziger Erkenntnistheorie während ihrer lan­ ten. Zum einen war dies das Wertesy­ (so seine amtli­ _ Sektion, mit Alfred Ko­ che Bez �ichnung) innerhalb der späte­ sing zu tun. Er hatte schon seit länge­ gen Geschichte vor allem auf weltan­ stem, welches wissenschaftliche Ar­ re Sektion rer Zeit � .Marxistisch-leninistische viel Interesse für erkenntnis­ schaulich relevante Fragen zum beit allerorts notwendig mit sich bringt: Philo o hie" � � neu eingerichtet. Er sollte theoretische Fragen gezeigt und auch menschlichen Erkennen konzentriert das Aufspüren von bislang nicht beach­ der einzige Lehrstuhl entspr seiner Art in der �chende Publikationen vorgelegt. gewesen. Erkenntnistheorie konnte also teten Problemsituationen, das Mühen DDR bleiben, wobei aber auch anders­ A. Kosmg machte sich für meinen in meinem Verständnis nicht auf logi­ um eine möglichst große Objektivität wo in der DDR zu erkenntnistheoreti­ Wechsel von der Humboldt- zur Karl­ sche, semiotische, wissenschaftstheo­ der vertretenenThesen, Konzepte oder schen Fragen Marx-Universität gelehrt oder geforscht stark, was 1966 zu retische oder linguistische Darlegun­ Theorien, eine stete kritische Überprü­ wurde. Doch ein offizielles Domizil be­ n:ieiner E�nennung als Dozent der Leip­ gen reduziert werden. Ich schloß mich fung und Diskussion des überlieferten saß in der DDR die Erkenntnistheorie ziger Universität führte. Die entspre­ damit nicht einem international und Erkenntnisstandes usw. Gleichzeitig nu i Leipzig. chende � � Vor der Gründung des Urkunde hob schon damals als auch in der DDR längst bemerkbaren mußte aber an die Wissenschaft im Leip iger � Lehrstuhls hatte es allerdings Aufgabengebiet die Lehre und For­ Trend an, von ideologienahen in 1deolo­ Realsozialismus ständig ein Wertesy­ bereits an der Berliner Humboldt-Uni­ schung zur Erkenntnistheorie beson­ giefernere Gebiete abzuwandern bzw. stem herangetragen werden, daß im versität �inen Lehrstuhl für .Logik und ders hervor. 1968 wurde diese Dozen­ tradierte Disziplinen entsprechend um­ Grunde wissenschaftlicher Arbeit fremd Erkenntnistheorie" gegeben. Er wurde tur dann in eine Professur mit Lehrauf­ zuinterpretieren. Denn natürlich führte war. Es ergab sich zwingend aus dem zunächst von dem österreichischen trag und ein Jahr später in eine ordent­ man allerorts in der Welt und erst recht autoritären politischen System des Re­ GastPr0fessor Walter liche Professur im Realsozialismus ein ruhigeres Le­ alsozialismus: die Akzeptierung von Hollitscher und für Erkenntnistheorie �päter, seit 1953, von meinem fangjäh­ umgewandelt. ben, wenn man sich als Theoretiker Instanzen, die nicht kritisiert werden ngen Lehrer Georg Klaus geleitet. Politik und Ideologie möglichst vom sollten und die folglich als solche einer Nach Mein persönliches Interesse den strukturellen Umgestaltungen für Er­ Leib halten konnte. Eine bewußt philo­ .unerschütterlichen Wahrheit" gelten an kenntnistheorie war vor allem den DDR-Hochschulen im Rahmen durch sophisch orientierte Erkenntnistheorie wollten, die Unterdrückung und Diffa­ der Georg Klaus geweckt und gefördert aber mußte zwangsläufig auch eine mierung von Stimmen, die sich gegen 84 hochschule ost J/1996 hochschule ost J/1996 85 einen solchen Anspruch wehrten, das dann wurden Reden gehalten, die ein ken. Das war zweifellos ein schwerwie­ universitäre Existenz herhalten muß­ Ignorieren von der politischen Macht genau gegenteiliges Verhalten von den gender Mangel unserer Arbeit. Hätten te. unliebsamen Problemen, Fehlentschei­ gleichen Wissenschaftlern oder Stu­ wir aber diesen Widerspruch damals Auswirkungen wie die der Personalpo­ dungen, Sachzusammenhängen, Tat­ denten forderten, etwa ein .unerschüt­ erkannt, so hätten wir gewiß politische litik an den DDR-Hochschulen sind in­ sachen usw. Es handelt sich um ein terliches Vertrauen in die Partei- und Skrupel gehabt, ihn öffentlich auszu­ zwischen häufig beschrieben und auf Wertesystem, das zu befolgen überall Staatsführung", ein .tiefer Glaube" an sprechen. Mit dem Glauben an eine sie ist nicht nur reagiert, sondern über­ dortgefordert werden muß, wo sich po­ deren .politische Weisheit", ein Befol­ Reformierbarkeit des Realsozialismus reagiert worden, wenn man von den litische Macht personell oder als Kaste gen ihrer Beschlüsse .ohne jedes Wenn mußte ja die Befürchtung einhergehen, Zukunftschancen ostdeutscher Hoch­ zu verewigen und gegenüber allem, und Aber" usw. daß die zu reformierende Gesellschaft schulen ausgeht. Kaum beachtet wur­ was diesem Bemühen abträglich ist, Insgesamt gesehen wurde so den Wis­ durch allzu heftige und laute Kritik ihren de hingegen, daß der genannte Werte­ zu immunisieren sucht. senschaftlern in der DDR wie im Real­ nicht-kapitalistischen Status aufs Spiel dualismus im kulturellen Leben der sozialismus überhaupt ein schizophre­ setzt. Das Verlangen danach war ja, Beide Wertesysteme besaßen im Re­ DDR und des Realsozialismus Ober­ nes Verhalten abverlangt. Sie sollten sah man sich das politische Umfeld alsozialismus eine objektive Entspre­ haupt keineswegs nur personalpoliti­ sich zugleich kritisch und obrigkeits­ des Realsozialismus an, kaum zu über­ chung. Das erstgenannte war verlangt, sche Konsequenzen mit sich brachte. gläubig, wahrheitssuchend und reali­ sehen. Vielleicht konnte die Illusion, weil eine Industriegesellschaft ohne So hat er insbesondere in ideologie­ tätsblind, verantwortungsbewußt und den Realsozialismus reformieren zu und politiknahen Fächern die dortprak­ n wissenschaftliche Forschu g und Aus­ n politi�ch vertrauensseligverhalten. Be­ kö nen, Oberhaupt nur mit dessen to­ tizierte Methodik nachhaltig beeinflußt. bildung nicht bestehen kann, das zwei­ talen Zusammenbruch überwunden sonders signifikant mußten politische Mit diesen Folgen hatte sich auch der te, weil ein autoritäres politisches Sy­ werden. und staatliche Leitungen diesen Wer­ Leipziger Lehrstuhl herumzuschlagen. stem sich anders nicht rechtfertigen tedualismus repräsentieren. Dabei gab und bewahren kann. Wer als Wissen­ Der geschilderte Wertedualismus war es gewiß auch Funktionäre der SED Um 1970 nahmen wir uns als erste schaftler oder als Wissenschaftspoliti­ von zahlreichen Folgen begleitet. Per­ oder auch ganze Abteilungen des 'Par­ langfristige Aufgabe vor, den als marxi­ ker beiden Wertesystemen gleicher­ sonalpolitisch etwa wurden die DDR­ stisch-leninistische Erkenntnistheorie teiapparates', die sich ernsthaft, en­ maßen genügen wollte, mußte sich auf Hochschulen zu einer Art Spiegelbild gagiert und bisweilen erfolgreich für bezeichneten Korpus von Behauptun­ bald tragische, bald komische Situa­ der beiden genannten Wertesysteme. bestimmte wissenschaftliche Leistun­ gen empirisch stärker zu fundieren und tionen einlassen. So wurden beson­ An den Hochschulen waren sowohl gen einsetzten, was ja auch ein Teil in einen didaktisch folgerichtigen wie ders im letzten Jahrzehnt der DDR Gelehrte verlangt, die sich hartnäckig ihres politischen Auftrages war. Doch logisch widerspruchsfreien Zusammen­ zwei Typen wissenschaftspolitischer um wissenschaftliche Leistung müh­ hang zu bringen. Das war durchaus stets hatten sie gleichzeitig dem ge­ Reden, bisweilen sogar von den glei­ ten, als auch Personen, die nicht weni­ auch im Interesse des Realsozialis­ nannten Wertedualismus zu fronen, chen Personen, immer wieder neu vor­ ger ausdauernd ständig die . Einheit mus gedacht, denn je stärker ein Wis­ was manchen unter ihnen sichtlich zu getragen: Wenn es um Ziele wie die von Wissenschaft und Politik" anmahn­ sensgebiet fundiert und logisch wie schaffen machte. Die Masse der Hoch­ Teilhabe am wissenschaftlichen Welt­ ten, also die Koexistenz der beiden didaktisch durchdacht ist, um so ratio­ schulangehörigen zerrieb sich an den stand ging, dann wurde viel von dem miteinander unvereinbaren Wertesyste­ neller und einsichtiger ist es auch ver­ beiden miteinander unvereinbaren Wer­ Erkennen und Lösen • völlig neuer" Pro­ me. Letztere mußten der wissenschaft­ mittelbar. Jedoch ahnten wir zu Beginn tesystemen und vermochte oft nur mit bleme, von einer .rücksichtslosen" Kri­ lichen Arbeit oft schaden, obgleich unserer Arbeit noch nicht, wie stark Sarkasmus, Spott und Selbstironie vor tik des erreichten Wissenschaftsstan­ solche .Einheits" -Apostel nur die un­ unser eher selbstverständliches und sich selbst zu bestehen. des, vom .Beschreiten gänzlich ande­ tersten Glieder einer politischen Hier­ bescheidenes Vorhaben mit tradierten rer Wege" beim methodischen Vorge­ Auch der Leipziger Lehrstuhl für Er­ archie waren - oder vielleicht auch Verhaltensweisen und Ansichten kolli­ hen usw. gesprochen. War aber poli­ kenntnistheorie hat es zu DDR-Zeiten deshalb, weil sie genau das waren. dieren mußte. tisch aufmüpfigen, .schwankenden· oder intellektuell nicht vermocht. den ge­ Besonders schlimm wurde es dann, auch nur skeptischen Studenten und schilderten Widerspruch im kulturellen wenn das Mühen um die besagte . Ein­ Die damals aktuellen Darstellungen von Wissenschaftlern entgegenzutreten, Leben des Realsozialismus aufzudek- heit" als einzige Rechtfertigungfür eine marxistisch-leninistischer Erkenntnis-

86 hochschule ost 3/1996 hochschule ost 3/1996 87 theorie konnte und wollte unser Lehr­ einfach dem Unvermögen oder der gei­ chungsbereich oder eine Disziplin be­ ven würden aus den von ihnen kanoni­ stuhl nicht hinnehmen. Schon allein stigen Bequemlichkeit moderner Auto­ zeichnen soll. Die Vagheit der Lenin­ sierten Texten einfach "abgeleitet". Die semantisch befanden sie sich eher in ren entspringen würden. Nur allmählich sehen Notiz erlaubte es jedenfalls, daß Anweisungen der Parteiführung muß­ einem chaotischen Zustand. Das konn­ wurde anderen und mir bewußter, daß insbesondere sowjetische Philosophen ten derart als der einzig mögliche prak­ te kaum überraschen, betrachtete man sich hinter einem solchen desolaten unentwegt über sie reden und endlose tische Gebrauch erscheinen, den man die Herstellungsweise entsprechender Theorieverständnis auch eine opportu­ Debatten über ihre zutreffende Interpre­ etwa aus den Werken der sogenannten Texte. Sie gruppierten sich um Zitate, nistische politische Haltung verbirgt, tation austragen konnten. Die Lenin­ Klassiker für die Gegenwart "schlußfol­ insbesondere solchen von Marx, En­ die es unentwegt neu reproduziert. Mit sehe Bemerkung war ja in geradezu gern• kann. Daß in jede Handlungsan­ gels und Lenin. Solche Zitate wurden einem sprachlich vagen und logisch idealer Weise dafür geeignet, eine "un­ weisung auch soziale Interessen ein­ dann allen weiteren Darlegungen wie schludrigen Konzept kann man sich ja erschütterliche Treue" zum Leninismus gehen und dieselbe Erkenntnis völlig nicht zu hinterfragende Axiome voran­ viel bequemer an jede mögliche politi­ vortäuschen zu können, ohne dabei unterschiedlichen, ja gegensätzlichen gestellt. Doch solche Zitate konnten sche Wendung anpassen als mit ei­ auch nur das Geringste zu tatsächli­ Orientierungen als kognitive Basis die­ nicht erkenntnistheoretischen Konzep­ nem durchdachten und strenger formu­ chen Problemen des Realsozialismus nen kann, mußte dabei verborgen blei­ ten entnommen worden sein, die als lierten Theoriegebäude. Das scheint äußern zu müssen. So sorgte der An­ ben. Das in die Direktiven der politi­ Ganze gründlicher bearbeitet worden mir jedenfalls heute eine vielleicht eher spruch der politischen Führung, in ih­ schen Macht jeweils eingehende Inter­ waren. Denn das hatten weder die ge­ spontan wirkende Ursache dafür zu ren Entscheidungen vollkommen zu esse wurde so gegenüber lästigen nannten Zitaten-Spender noch spätere sein, warum wir mit unserem Anliegen sein, selbst dort für viel philosophi­ Nachfragen immunisiert. Die Leipziger Marxisten-Leninisten jemals unternom­ auf s·o heftigen und ständigen Wider­ schen Leerlauf, wo sie direkt diesen Position, daß Handlungsorientierungen men, aus welchen Gründen auch im­ stand in Kollegenkreisen stoßen muß­ gar nicht "organisiert" hatte. sowohl Wirklichkeitsbeschreibungen mer. So kam es, daß selbst Namen für ten. als auch Interessen ausdrücken, wur­ sehr elementare erkenntnistheoreti­ Mit der Fetischisierung von Texten oder de zu einer der umstrittensten unserer sche Gegenstände seit Marx, Engels Der allgemeine politische Hintergrund auch nur von Zitaten ging auch ein gesamten Arbeit. und Lenin bald in dieser und bald in für eine Vergötzung früherer Theoreti­ unterschwelliger Argwohn gegenüber jener Bedeutungsvariante benutzt wur­ ker der Arbeiterbewegung war jedoch philosophierelevanten Gegenständen Mit dem Selbstverständnis der politi­ den. Schon allein dieser Umstand hat­ das Selbstverständnis der politischen einher, die in ihnen nicht thematisiert schen Macht wenig vereinbar erwies te aktuelle erkenntnistheoretische Tex­ Führung im Realsozialismus. Sie such­ worden waren. Lenin hatte z.B. in "Ma­ sich auch das in der DDR späte Nach­ te des Marxismus-Leninismus zu zahl­ te den Glauben an ihre eigene politi­ terialismus und Empiriokritizismus· denken darüber, was denn eigentlich reichen Ungereimtheiten verurteilt.Letz­ sche Vollkommenheit an historischen kaum auf gnoseologische Fragen ver­ das Spezifische einer marxistisch-le­ tere verdeckte allerdings der Glaube an Persönlichkeiten zu demonstrieren, die wiesen, die mit der praktischen Ver­ ninistischen Erkenntnistheorie ausma­ die ·unsterbliche Genialität" der Ge­ angeblich in der Vergangenheit eine wendung bzw. Verwirklichung von Be­ che. Der gnoseologische Gehalt etwa währsleute, zumal jene Denker aus der analoge Rolle ausgeübt hätten. Nur so hauptungen über die Wirklichkeit ver­ von Engels'· Anti-Dühring· oder von Le­ Vergangenheit sich gegen ein Ansin­ konnte auch eine beiläufige Notiz Le­ bunden waren. Lange Zeit wurde aber nins "Materialismus und Empiriokriti­ nen, das sie zu bloßen Propheten de­ nins in seinen "Philosophischen Hef­ gerade diese Schrift als die bestmögli­ zismus· wurde ja im Realsozialismus gradierte, nicht mehr selbst wehren ten", laut der Logik, Dialektik und Er­ che Gesamtdarstellung der marxi­ lange Zeit in einer Weise reproduziert, konnten. kenntnistheorie ein und dasselbe wä­ stisch-leninistischen Erkenntnistheo­ die kaum einen Unterschied zur Er­ ren, das "philosophische Leben" im rie, ja der Philosophie überhaupt pro­ kenntnistheorie früherer Materialisten Man hätte vermuten können, und so Realsozialismus über Jahrzehnte be­ klamiert! Für ein Nachdenken über die erkennen ließ. Das Marxistisch-Leni­ dachten wir am Leipziger Lehrstuhl für schäftigen. Was Lenin mit dieser Be­ praktische Anwendung von Ideen be­ nistische wurde vor allem in dem Ge­ Erkenntnistheorie zunächst auch, daß merkung für sich persönlich festhalten stand aber insbesondere deshalb kaum brauch gesehen, der von materialisti­ solche Gebrechen lediglich eine "Kin­ wollte, hätte er nur selber sagen kön­ Bedarf, weil seitens der politischen scher Erkenntnistheorie zu machen sei. derkrankheit" marxistisch-leninisti­ nen. Ich weiß bis heute nicht, ob z.B. Macht im Realsozialismus ständig na­ Sie habe eben der "Arbeiterklasse und schen Denkens wären, oder daß sie das Wort "Logik" dabei einen Untersu- hegelegt wurde, ihre Handlungsdirekti- Ihrer Partei"zu dienen. Als zuerst 1965

hochschule ost 3/1996 hochschule ost 3/1996 88 89 ren zumeist recht einseitigen Betrach­ der Berliner Philosophiehistoriker Wolf­ ren nach 1989 politisch und ideolo­ sehen Mentoren viel Anerkennung fan­ gang Heise auf die erkenntnistheoreti­ gisch sehr willkommen sein können. tung in der DDR-Gesellschaftswissen­ den. schaft entgegentraten. sche Bedeutung von Marx' Darlegun­ Aber meine Mitarbeiter wie auch ich Abschließend möchte ich betonen, daß gen über den Warenfetischismus ver­ haben auch nach dem Untergang der Schon im eigenen Interesse haben wir der Realsozialismus wissenschaftliche wies, wie er sie besonders in seinem DDR eine solche Etikettierung abge­ auch stets Methoden verteidigt, die Arbeit keineswegs nur behindert, son­ Hauptwerk vorgetragen hatte, begann lehnt. Dazu waren wir viel zu stark auf seit dem "Wiener Kreis" in der gesam­ dern ihr auch Chancen neu eröffnet hat. in der DDR eigentlich erst das Nach­ ideologisch relevante Themen und zu­ ten "Analytischen Philosophie" gang Ich denke etwa daran, daß sichere denken über die erwähnte Spezifik. sammenhänge aus. Der ständige Po­ und gäbe waren: semantische Analy­ akademische Arbeitsplätze auch für Nun konnte unter Berufung auf Marx sitivismus-Vorwurfsollte gerade das in sen etwa und überhaupt das Streben die Geisteswissenschaften For­ nicht länger der bequemen Formel ge­ Frage stellen und uns schon von der nach einer möglichst fundierten und schungsgruppen ermöglichten, die lang­ folgt werden, alles der Parteiführung Arbeitsweise her in eine politisch anrü­ eindeutigen Theoriesprache. Aber die fristige wissenschaftliche Aufgaben pla­ mißliebige Denken sei nichts anderes chige Ecke bugsieren. Allerdings hat Praktizierung solcher Verfahren ließ nen und sich diesen gemeinsam wid­ dieser immer wieder erneuerteVorwurf als der Ausfluß eines modernen 'Prie­ uns nicht zu Positivisten in dem uns men können. Das hätte Erkenntnislei­ dazu geführt, daß wir Vertreter des sterbetrugs', wie er vor allem von 'west­ unterstellten Sinne werden. Solche stungen erbringen können, die einem lichen' Medien in die DDR hineingetra­ 'Wiener Kreises" oder überhaupt der Methoden verstanden wir vielmehr als ständig wechselnden und unentwegt gen werde. Mit Marxwar nun nach den • Analytischen Philosophie" öfter kriti­ für jede theoretische Tätigkeit unver­ um die eigene soziale Existenz und Ursachen in den von der politischen siert haben, als uns das eigentlich lieb zichtbar. Diese Haltung wurde Anfang Karriere besorgten Personal sicher nicht Macht selbst zu verantwortenden ge­ sein konnte. Und wir taten das in einer der 1980er Jahre durch ein für DDR­ erlaubt sind. Eine geisteswissenschaft­ sellschaftlichen Verhältnissen zu fra­ bisweilen recht pauschalisierenden Art Verhältnisse seltenes und dementspre­ liche Grundausbildung, die sich beson­ gen. Es konnte so mit Marx der Weg zu und Weise. Beispielsweise haben wir chend unerwartetes Ereignis bekräf­ ders der Geschichte des Studienfa­ einer selbstkritischeren Betrachtung über Otto Neuraths Wirken im "Wiener tigt: Zwei Mitarbeiter des Leipziger Lehr­ ches und seines erreichten begriffli­ von Massenbewußtsein wenigstens Kreis" und in der sozialistischen Arbei­ stuhls für Erkenntnistheorie erlangten chen lnstrumentarismus annahm, hät­ gewiesen werden. Die wiederbelebte terbewegung erst in den letzten Jahren ein USA-Stipendium für ein einjähriges te eine solide theoretische Basis für Marxsche Betrachtungsweise zur Ge­ der DDR eine seinen Leistungen ange­ postgraduales Studium an der Univer­ eine spätere Gemeinschaftsarbeit er­ nesis politischen Bewußtseins wurde messenere Sicht erreichen können. sität in Boston. Beide Mitarbeiter konn­ bringen können. Aber alles dies galt für in der DDR toleriert. Doch bis zur soge­ Weit früher hatte bereits unsere Re­ ten sich rasch in den analytis�hen die DDR oft genug nur der abstrakten nannten Wende dominierte im 'Appa­ zeption von Th. S. Kuhns "Die Struktur Denkstil der Bostoner Philosophen und Möglichkeit nach. Die vielen politischen, rat' der SED und des DDR-Staates die wissenschaftlicher Revolutionen• be­ Wissenschaftstheoretiker einordnen. ideologischen oder methodischen Un­ theoretisch längst überwundene bür­ gonnen. Sie war ebenfalls recht kri­ Sie haben dort Studien erarbeitet (zum gereimtheiten, von denen ich oben eini­ gerliche Konzeption des sogenannten tisch, aber wir erkannten in Kuhns Dar­ Einfluß der englischen Wissenschaft­ ge erwähnt habe, erstickten solche Priesterbetrugs. Nur sie nämlich ließ stellung der Theorienontogenese und ler-Linken der 1930er und 1940er Jahre großartigen Chancen leider nur allzu sich harmonisch mit der Selbstherr­ ihrer sozialen Voraussetzungen auch auf das Denken von Th. S. Kuhn bzw. rasch und gründlich. lichkeit der politischen Führung verein­ eine bedeutende wissenschaftliche zum Vergleich gnoseologischer Grund­ baren. Leistung. Wir suchten sie insbesonde­ Dieter Wittich, Prof Dr. phil., war bis lagen der Kreativitätsforschung in den re für ein Selbstverständnis der marxi­ 1991 Leiter des Lehrstuhls für USA und in Ländern des Realsozialis­ Erkenntnistheorie an der Wenn die Leipziger Erkenntnistheorie stischen Theorie zu nutzen, was wie­ mus), die auch seitens ihrer amerikani- Leipziger Universität zu DDR-Zeiten wegen ihrer spezifischen derum unter Kollegen viele Bedenken Positionen und noch mehr wegen ihrer auslöste. Ahnliches gilt für Denker wie Arbeitsweise von anderen Gesell­ Wilhelm Ostwald oder Ernst Mach, zu schaftswissenschaftlern des Landes denen am Leipziger Lehrstuhl für Er­ immer wieder als "positivistisch" be­ kenntnistheorie seit den frühen 1970er wertet wurde, so hättedas ihren Akteu- Jahren gearbeitet wurde, wobei wir de-

hochschule ost 3/ 1996 90 hochschule ost 3/1996 91 Claudia Salchow (Berlin): II Philosophie - vor, die ein Jahr später in Buchform 5 erschien, und wurde zum Wolfgang Heise wurde am 8. Oktober ordentlichen Professor für Geschichte Plädoyer für das Erinnern 1925 geboren. Sein Vater, der Studien­ der Philosophie berufen. Neben seiner Anmerkungen zu Leben, Werk und Nachlaß von Wolfgang Heise rat Wilhelm Heise, gehörte nach dem Lehr- und Forschungstätigkeit übte Zweiten Weltkrieg zu den Gründungs­ Heise in den sechziger Jahren wieder­ väternder Pädagogischen Fakultät der holt Leitungsfunktionen innerhalb der Humboldt-Universität, seine aus Öster­ Universitätsstruktur aus. So war er reich stammende Mutter, Edith Heise, beispielsweise zwischen1962 und 1964 geborene Hirschhorn, war Keramike­ Leiter der Fachrichtung Philosophie und rin. Nachdem Heise 1943 das Abitur 1965/1966 Dekan der Philosophischen wenn es um ihre Darstellung und Be­ abgelegt hatte, nahm er eine kaufmän­ Fakultät. Seit 1968 arbeitete er am wertung geht, in ihrer Gesamtheit so­ nische Lehre auf, die er aller Wahr­ Bereich Ästhetik/Kulturtheorie bzw. am wie in ihren einzelnen Phasen. In be­ scheinlichkeit nach nicht beendet hat Institut für Asthetik, zunächst als au­ Walter Benjamin hat seine Abhand­ zug auf die "jüngste Vergangenheit", da er 1944 - als wehrunwürdig einge� ßerordentlicher, seit 1972 als ordentli­ lung über den Sammler und Historiker verstanden als die marxistische Kunst­ stuft angesichts der Tatsache, daß cher Professor für Geschichte der Äs­ Eduard Fuchs mit Sätzen eingeleitet, theorie (in) der DDR. steht die umfas­ seine Mutter Jüdin war - in einem Ar­ thetik. sende, komplexe und zugleich diffe­ beitslager bei Zerbst interniert wurde. die ihre Gültigkeit auch dann behalten, Der Weggang Heises vom Institut für renzierte Aufarbeitung meines Erach­ Nach Kriegsende arbeitete Heise in der wenn man den Namen des vom Verfas­ Philosophie war keinesfalls ein zufälli­ tens ebenso aus wie bei der Philoso­ Kulturabteilung des Magistrats von Ber­ ser Gewürdigten ersetzt durch den Wolf­ ger oder ausschließlich inhaltlich zu phie und Ästhetik, Heises Arbeitsfel­ lin-Steglitz. Im Jahre 1946 nahm er an gang Heises: "Das Lebenswerk von begründender, wenngleich ihm die Phi­ der Humboldt-Universität, die seine Ar­ Eduard Fuchs gehört der jüngsten Ver­ dern über Jahrzehnte. Wird sie eines losophie "ein Gefängnis geworden war"e. beitsstätte bis zur vorzeitigen Emeri­ gangenheit an. Ein Rückblick auf die­ Tages in Angriff genommen, ist auch Von entscheidender und einschneiden­ tierung im Jahre 1985 wurde, das Stu­ ses Werk beinhaltet alle Schwierigkei­ mit Antwortenauf die Thesen von Hans­ der Bedeutung für diesen Wechsel dium der Geschichte, Kunstgeschich­ ten, die der Versuch mit sich bringt, von Peter Krüger und Heiner Müller zu rech­ dürfte gewesen sein, daß er in Folge te, Philosophie und Germanistik auf der jüngsten Vergangenheit Rechen­ nen: Während ersterer behauptet, daß der "Verweigerung einer landesübli­ und wurde (ohne Erlangung eines regu­ Heise "der nach und neben Georg Klaus 7 schaft abzulegen. Es ist zugleich die chen Unterschrift" , gemeint ist eine 3 lären Studienabschlusses in Form ei­ jüngste Vergangenheit der marxisti­ ... wohl bedeutendste DDR-Philosoph" Zustimmungserklärung zum Einmarsch nes Diploms oder Magisters) zunächst schen Kunsttheorie, die hier zur Rede sei, vertrat letzterer die Ansicht, bei von Truppen des Warschauer Paktes Aspirant und 1952 wissenschaftlicher steht. Und das erleichtert die Sache Heise handelt es sich um den •wahr­ in die Tschechoslowakei aus Anlaß Oberassistent. Im Anschluß an die nicht .. ."1 Als entscheidende Ursache scheinlich einzigen DDR-Philosophen, des Prager Frühlings, "Kafkas Literatur 1954 erfolgte Promotion über den Früh­ für die Schwierigkeit des Rechen­ der es nicht verdient hat, in der aktuel­ als Realität"8 erlebte. Zäsuren dieser aufklärer Johann Christian Edelmann schaftablegens über marxistische len Inszenierung des Vergessens zu Art hat es in Heises Biographie mehre­ wurde Heise 1955 mit der Wahrneh­ Kunsttheorie führt Benjamin an, daß versinken"◄. Als eine der denkbaren re gegeben. Um nur ein Beispiel her­ mung einer Dozentur für Theorie und diese im Gegensatz zur marxistischen Möglichkeiten, dem Vergessen das Er­ auszugreifen: 1964 wurde er wegen Geschichte der Asthetik und 1958 mit Ökonomik noch keine Geschichte ha­ innern entgegenzusetzen, werden im seines Eintretens für Robert Havemann folgenden Konturen der wissenschaftli­ der Wahrnehmung einer Professur für be.2 Heute, sechzig Jahre nach der nach nur einmonatiger Amtszeit von chen Biographie des am 10. 4. 1987 Geschichte der marxistisch-leninisti­ Entstehung von Benjamins Abhand­ der Funktion des Prorektors für Gesell­ Verstorbenen nachgezeichnet und An­ schen Philosophie beauftragt. 1963 lung, wird wohl niemand ernsthaft leug­ schaftswissenschaften entpflichtet. nen wollen, daß sie eine Geschichte gaben zum Heise-Archiv, aufgebaut und legte Heise seine Habilitationsschrift hat; die Geister, so muß man anneh­ betreut vom Berliner Institut für Ästhe­ eine Untersuchung zu Entwicklungs­ Zum Proselyten haben ihn diese Erfah­ 9 men, werden sich allerdings scheiden, tik, gemacht. tendenzen der modernen bürgerlichen rungen, wie Heiner Müller betont , den-

hochschule ost 3/1996 hochschule osl 3/ 1996 93 92 noch nicht werden lassen. Die Hoff­ 111 Die von Heise in den Folgejahren vorge­ der Musik interessierte Heise vor allem nung auf eine gesellschaftliche Alter­ nommene Analyse historischer Model­ das Theater. Seine zahlreichen Thea­ native zum bürgerlichen System gab er Das spezifische Interesse Heises an le ästhetischen Denkens vor allem der terkritiken, verfaßt vor allem zwischen nicht auf, wenngleich das Wissen dar­ ästhetischen Fragestellungen setzt Aufklärung, Klassik, Frühromantik und 1946 und 1949, zeugen davon ebenso um, in einem Staat zu leben, der die in bereits vor dem institutionellen Wech­ des Vormärz basierte auf der übergrei­ wie seine umfangreichen Drameninter­ ihn gesetzten Erwartungen nicht mehr sel von der Philosophie zur Asthetik fenden Fragestellung nach dem Ver­ pretationen, seine wiederholte Teilnah­ nur enttäuschte, sondern teilweise ein. Während seine Lehr- und For­ hältnis von Vernunft, Macht, Philoso­ me an Debatten um das DDR-Theater, schon längst verraten hatte, früh ein­ schungstätigkeit in den fünfziger und phie und Asthetik. Zu seinen wichtig­ seine Tätigkeit als wissenschaftlich­ setzte. frühen sechziger Jahren primär philo­ sten Arbeiten auf diesem Gebiet gehö­ künstlerischer Mitarbeiter an der Berli­ 15 sophiegeschichtlich ausgerichtet war ren "Bild und Begriff" und "Realistik ner Volksbühne und sein fragmenta­ 19 Das Faktum der Desillusionierung be­ (bürgerliche und marxistisch-leninisti­ und Utopie" sowie die postum veröf­ risch vorliegender Entwurf einer Thea­ schreibt beispielsweise Christa Wolf, sche Philosophie), dominierte seit Mit­ fentlichten Publikationen "Hölderlin. tertheorie. sich einiger der mit Heise Anfang der te der sechziger Jahre die Auseinan­ Schönheit und Geschichte"17 und "Die Wirklichkeit des Möglichen"18. sechziger Jahre geführten Gespräche dersetzung mit der Geschichte ästhe­ IV erinnernd: "Wolfgang sagte, wir mü� tischen Denkens von der Antike bis zur Parallell zu diesen historischen Studi­ Im November 1995, aus Anlaß des ten uns klar darüber sein, daß dieser Gegenwart. Als Schlüsseltexte des en befaßte er sich immer auch mit der siebzigsten Geburtstages des Philo­ Staat wie jeder Staat sei: ein Herr­ "Wechsels" sind sicherlich die veröf­ Kunst/denKünsten der Gegenwart. "Er sophen und Asthetikers, eröffnete das schaftsinstrument, und eine Ideologie fentlichte Fassung seines 1964 auf sah die Künste mit dem Blick des Institut für Asthetik ein Wolfgang-Hei­ wie alle Ideologie: falsches Bewußt­ dem Salzburger Hegelkongreß gehal­ Philosophen, will heißen, feinfühlig, 1 se-Archiv, dem - der Blick in archivwis­ sein." 0 Der Frage, in welchen Formen tenen Referates "Hegel und das Komi­ einfühlsam, kritisch-reflektierend, histo­ 1 senschaftliche Fachliteratur gestattet und an welchen Gegenständen der sche" 3 sowie der ein Jahr später publi­ risch-synthetisierend, immer auf der dies - in mindestens dreifacher Hin­ Philosoph und Asthetiker in seinen zierte Aufsatz "Über die Entfremdung Suche nach dem Gedanken in und hin­ und ihre Überwindung"14 anzusehen. sicht der Status des Besonderen zuge­ Veröffentlichungen und Vorlesungen ter den Gestalten, Handlungen, Bil­ Die damalige Bedeutung beider Texte sprochen werden kann. Erstens: In der thematisierte, daß das Wirkliche nicht dern, Tönen. Er wollte sie nicht bela­ erschließt sich dem heutigen Leser Bundesrepublik ist es offensichtlicheher das Mögliche ist, kann hier nicht nach­ stet sehen mit dem Ballast und dem 11 allerdings sicherlich nur, wenn sie in die Ausnahme denn die Regel, daß gegangen werden ; verwiesen sei le­ Ansinnen illustrierender Stellvertreter­ Beziehung zur kunst- und kulturpoliti­ Universitäten den wissenschaftlichen diglich auf den in Reaktion auf die schaft, er fragte sich und andere stets schen Orientierung und Praxis der DDR Nachlaß eines ihrer Wissenschaftler Ausbürgerung von an nach der ( n) nur ihr eigenen unverwech­ gesetzt wird: Heises Plädoyer für das erwerben, erschließen und der Öffent­ Kurt Hager adressierten Brief, der si­ selbaren Besonderheit(en}."19 Diese Komische in den Künsten, für das La­ lichkeit für Forschungszwecke zugäng­ cherlich nicht nur symtomatisch für die Herangehensweise ließ ihn für Künst­ chen in ihnen und durch sie, wird formu­ lich machen.22 Zu den wenigen Aus­ Haltung Heises ist, sondern das Den­ ler wie Christa Wolf, Heiner Müller, liert zur Zeit wiederholten und massi­ nahmen gehören unter anderem die ken nicht weniger Intellektueller der Volker Braun, Otto-Niemeyer Holstein ven Eingreifens der Zensur auf dem Stadt- und Universitätsbibliothek Frank­ DDR zu dieser Zeit widerspiegelt. Hei­ und Ronald um nur zu Paris, einige furt am Main, die ein Max-Horkheimer­ se, die Ausbürgerung Biermanns verur­ Theater, das zu Verboten von sich mit nennen, zu einem wichtigen und wert­ Archiv besitzt, sowie das an der Univer­ teilend, nahm diese zum Anlaß, Wi­ sozialistischem Alltag beschäftigenden vollen Freund, Gesprächspartner, Be­ sität Konstanz befindliche ·sozialwis­ dersprüche in der DDR konkret zu be­ Komödien führt. Ein halbes Jahr vor rater und Kritiker werden. Er war, wie senschaftliche Archiv", das Soziolo­ nennen und dezidiert öffentlichen (!) dem 11. Plenum des ZK der SED, das Müller hervorhob, "wichtig als Freund gennachlässe betreut.23 zweitens: Die Dialog zu fordern. Doch er schrieb an seine traurige Berühmtheit der rigiden und Motivator"20 und wirkte für dessen oftmals praktizierte Trennung von Bi­ Hager "nicht ohne ein Gefühl der Ver­ Kahlschlagpolitik auf dem Gebiet der eigene Arbeit als "Korrektiv"21. geblichkeit" und wußte um das Risiko, Künste verdankt, thematisierte Heise, bliothek und wissenschaftlichemNach­ "als Narr meiner Vemunftromantik da­ was tabuisiert war: Entfremdung im Neben der bildenden Kunst, insbeson­ laß und die daraus resultierende Aufar­ stehen zu können"12. Sozialismus. dere der zeitgenössischen Malerei, und beitung durch unterschiedliche Diszi-

hochschule ost 3/1996 94 hochschule ost 3/1996 95 plinen wurde nicht vorgenommen. Drit­ nung des (ca. sechs bis sieben laufen­ den an ihn adressierten Schreiben han­ unechten Nachlasses wird sukzessive tens: Der erworbenewissenschaftliche de Meter umfassenden) Nachlasses delt es sich in der Mehrzahl der Fälle mit der eigentlichen Forschungsarbeit Nachlaß kann als weitestgehend voll­ ist weitgehend abgeschlossen, die voll­ um für die Heise-Forschung weitge­ am Nachlaß begonnen. Zu deren vor­ ständig angesehen werden. ständige inhaltliche Erschließung steht hend belanglose. Zu den wenigen be­ dringlichen Aufgaben gehört die Re­ für die erste der genannten Hauptgrup­ langvollen Ausnahmen gehören insbe­ konstruktion von Vorlesungsreihen in Die Erschließung und Systematisie­ pen noch aus. Für jede der bislang in sondere Sendungen von Künstlern, die ihrer konkreten Abfolge, um auf diesem rung dieses Nachlasses erfolgte, da beiderlei Hinsicht erfaßten Archivalien auf anschauliche Weise die bereits Wege u. a. Konstanten, Akzentver­ ein allgemeinverbindliches Regelwerk der drei Bestandshauptgruppen wurde beschriebene Bedeutung Heises für sie schiebungen, Veränderungen oder Brü­ für die Aufarbeitung von Wissenschaft­ eine Kurzbeschreibung bzw. Annotati­ illustrieren. Die ebenfalls ausgespro­ che in der Behandlung der einzelnen ler-Nachlässen nicht existJert, auf der on erstellt, die in ihrer Gesamtheit das chen umfangreiche Bestandshaupt­ Gegenstände nachweisen zu können. Grundlage der vom Deutschen Litera­ Findbuch des Nachlasses bilden, das gruppe Zugehörige Materialien versam­ Ein Vorhaben, daß durch die Heise turarchiv Marbach am Neckar favori­ potentiellen Nutzern eine umfassende melt Lebensdokumente des Nachlas­ eigene Arbeitsweise - Erstellung von siertenArchivsystematik, die allerdings Orientierung Ober die vorhandenen Ar­ sers (Unterlagen zur beruflichen Tätig­ (Neu)Fas-sungen durch Auseinander­ auf den konkreten Bestand des vorge­ chivalien ermöglicht. Beim gegenwärti­ keit, Verträge, Auszeichnungen etc.), schneiden sowie anschließendes fundenen Archivgutes hin modifiziert gen Stand der Aufarbeitung des Nach­ ihn betreffende veröffentlichte wie un­ Zusammen- oder überkleben von Vor­ werden mußte. Das damit in Anwen­ lasses umfaßt das Findbuch ca. 800 veröffentlichteSekundärliteratur (Rezen­ lesungsabschnitten bzw. -seiten. hand­ dung gekommene künstliche Ordnungs­ Seiten, schätzungsweise 200 bis 300 sionen bzw. Gutachten zu Heises Pu­ schriftliche Streichung oder Ergänzung system hat eine Gliederung des Be­ weitere werden hinzukommen. blikationen, Abhandlungen zu seinem von Textpassagen, nahezu vollständi­ standes in drei Hauptgruppen zur Fol­ Leben und Werk im allgemeinen sowie ger Verzicht auf Datierung, entweder ge: Die qualitativ wie quantitativ gewichtig­ zu seiner Rolle innerhalb der DDR­ gänzlich unterlassene oder aber mehr­ 1. Publikationen/Manuskripte/Gutach­ ste und für Forschungen interessante­ Philosophie und Asthetik im besonde­ fach vorgenommene Paginierung etc. ten etc. des Nachlassers/Bestands­ ste Bestandshauptgruppe ist die der ren), Ergänzungsmaterialien für Lehr­ - enorm erschwert wird. Geplant sind bildners Publikationen/Manuskripte/Gutachten und Forschungszwecke (Ablichtungen, u.a. die Untersuchung des Wandels II. Briefe etc. des Nachlassers, wobei es sich Sonderdrucke, Zeitungsausschnitte von Heises Wissenschaftssprache, der III. Zugehörige Materialien. ausschließlich um originäre Arbeiten usw.), Resultate studentischer For­ Vergleich von Manuskriptfassungenund Heises handelt. Sie umfaßt neben an­ schung und Tondokumente (von Heise die damit mögliche Dokumentation der Die für diese Bestandsgruppen konzi­ konzipiertesowie ihn zum Gegenstand Entstehungsphasen von Vorträgen und pierte Binnengliederung, die aufgrund derem sämtliche Veröffentlichungen Heises, Werk-, Vorlesungs- und Vor­ habende Rundfunksendungen bzw. Veröffentlichungen sowie die Analyse ihres beträchtlichen Umfanges hier nicht Sendebeiträge). der Rezeptions- und Wirkungsge­ wiedergegeben werden kann, berück­ tragsmanuskripte, die für Lehre und Forschung angefertigten Exzerpte und schichte Heises. Daß diese und ande­ sichtigt die Spezifik des Heiseschen Sinnvoller als ausführliche Anmerkun­ Konspekte, Literaturübersichten, Noti­ re Vorhaben allerdings nicht allein durch Nachlasses. Betrachtet unter archivi­ gen zu den angeführten, jedoch das zen, Stichpunkte, Zitatensammlung das Archiv realisiert werden können, schen bzw. archivierungstechnischen tatsächliche Spektrum des Nachlas­ usw., Gutachten und Beurteilungen aber dessen räumliche, finanzielle und Gesichtspunkten, besteht diese Spe­ ses nur grob umreißenden Positionen, sowie veröffentlichte wie unveröffent­ personelle Absicherung zur elementa­ zifik primär darin, daß es sich - bereits die den Rahmen dieses Textes deut­ lichte Nachrufe und Gedenkreden. Die ren Voraussetzung haben, ist offen­ bei Beginn der Erschließung - um lich sprengen würden, dürften Verwei­ sichtlich. einen sogenannten unechten bzw. an­ Bestandshauptgruppe Briefe muß, betrachtet unter den Gesichtspunkten se auf die künftige Arbeit des Archivs gereicherten Nachlaß handelt durch sein. Parallel zur inhaltlichen Erschlie­ die Aufstockung mit Manuskripten, Inhalt und Umfang, als eher unbedeu­ V tend angesehen werden. Im echten ßung der noch ausstehenden Archiva­ Dokumenten, Artikeln etc. nach Hei­ lien, Erarbeitung von Namens- und Der zweite Bereich des Archives, die ses Tod. Nachlaß sind von Heise selbst nur einige wenige Durchschlagexemplare Sachregister bzw. Schlagwortkatalog Präsenzbibliothek, umfaßt ca. 7.000 Die formale Erschließung und Verzeich- seiner Korresponenz nachweisbar, bei sowie fortlaufenden Ausweitung des Bände - das sind ungefähr vier Fünftel

96 hochschule ost 3/1996 hochschule ost 3/1996 97 die Entwicklung der DDR-Asthetik am die anderswo eher fehlen·. Eine Hoff­ der Gesamtbibliothek Heises - und ei­ ausgeführt werden, weil über Gekauf­ Beispiel von Dissertationsschriften ana­ nung, die sich zumindest mit Blick auf nige hundert Zeitschriften. Das Gros tes, Ererbtes, Geschenktes, zu Re­ lyslert, und von Claudia Salchow. die das 1994 durchgeführte Kolloquium der Sammlung, die das von Benjamin zensionszwecken Erhaltenes, selbst sich speziell mit dem theatertheoreti­ "Wirklichkeit(en) der Asthetik" nicht jeder echten Bibliothek attestierte Un­ Geschriebenes, Herausgegebenes und schen und -konzeptionellen Denken bestätigte. Vergleicht man die drei durchschaubare und Unverwechselba­ Begutachtetes ebenso gesprochen Heises befaßt. Kolloquien unter dem Aspekt der direk­ re zugleich aufweist, bilden die wissen­ werden müßte wie Ober viele der Vorbe­ ten inhaltlichen Auseinandersetzung schaftliche Primär- und Sekundärlite­ sitzer der Bücher, die in ihnen häufig Die vom Institut initiierten und organi­ mit dem Wissenschaftler Heise, ist ratur zu den Fachgebieten Philoso­ vorhandenen Widmungen usw. sierten Heise-Kolloquien haben bislang eine rückläufige Tendenz zu verzeich­ phie, Asthetik, Kunst-, Theater-, Mu­ dreimal stattgefunden. Das erste Kol­ nen. Aus der ursprünglichen Zentral­ sik-, Literatur- und Kulturwissenschaft, loquium, durchgeführt im November stellung in vielen Referaten auf dem Architektur, Geschichte und Theolo­ VI 1990 unter dominanter Beteiligung von ersten Kolloquium wurde nachfolgend, gie. In umfangreichem Maße ist zudem Philosophen und Asthetikem aus dem von Ausnahmen abgesehen, eher die Die Auseinandersetzung mit und Auf­ nationale und internationale Belletri­ In- und Ausland, stand unter dem The­ arbeitung von DDR-Asthetik im allge­ Position eines Stichwortgebers und stik vertreten. Der Erhalt dieser Biblio­ ma "Die Wirklichkeit des Möglichen? Zitatenlieferanten. Über die Ursachen thek, die Ober ausgesprochen wertvolle meinen und dem Werk Heises im be­ Geschichte und Utopie. Entwicklun­ für diese Entwicklung und mögliche Werk-, Einzel- und Erstausgaben etc. sonderen vollzieht sich am Berliner gen bis zum Ende des 20. Jahrhun­ Formen der Weiterführung der Veran­ verfügt,als eine selbständige ist für die Institut für Asthetik auf unterschiedli­ derts". "Angesichts der Situation der staltungsreihe wird gegenwärtig am Heise-Forschung vor allem deshalb von che Weise. Innerhalb der Lehrangebo­ beteiligten Wissenschaften", so das Institut für Asthetik diskutiert. Bedeutung, weil sie sowohl einen um­ te des Institutes hat es seit dem Win­ Resümee von Renate Reschke, "wur­ fassenden Einblick in die Vielseitigkeit tersemester 1993/94 wiederholt Semi­ den mehr Fragen gestellt, wurde in Fra­ der (wissenschaftlichen) Interessen nare gegeben. in denen vor dem Hinter­ ge gestellt, als beruhigende Antworten VII Heises ermöglicht als auch Spuren grund der Analyse von Kunst-, Kunst­ werk- und Kulturdebatten der DDR ins­ gegeben, Bilanzen gezogen werden seines Arbeitens (Anstreichungen, ein­ Im Vorfeld der Archiveröffnung hat das besondere der Theatertheoretiker Hei­ konnten und sollten. Ganz im Sinne gelege Zettel mit Anmerkungen, Noti­ Institut für Asthetik mit Heise befreun­ se im Zentrum gestanden hat. Darüber dessen, dem durch das Kolloquium zen, Fragen) enthält. dete oder bekannte Künstler sowie ei­ hinaus werden zentrale Positionen und kritische Würdigung zuteil kam, daß nige seiner ehemaligen Studenten und/ Hätte man Heise gebeten, die eigene Prämissen eines philosophischen und endgültige Antworten, letzte Wahrhei­ oder Kollegen unterschiedlicher Gene­ Bibliothek vorzustellen, wäre er die­ ästhetischen Denkens im Rahmen von ten und abschließendes Systemden­ ken jedem Meinungsstreit ungünstig rationen gebeten, sich des Philoso­ sem Ansinnen sicherlich in sachlich­ Vorlesungen an den Lehrstühlen Ge­ sind. Ganz im Sinne auch der Beteilig­ phen und Asthetikers zu erinnern. Aus informativer Form gefolgt; eine Be­ schichte ästhetischen Denkens und den Einsendungen (Prosatexte, Lyrik, schreibung ä la Benjamin scheint un­ Systematische Asthetik vermittelt. Von ten, die auf der Suche nach Antworten, im Prozeß kritischer Selbstbefragung bildende Kunst), bei denen es sich denkbar. Vielleicht, weil Heise kein den entsprechenden Lehrstuhlinhabe­ und Neubestimmung ihrer wissenschaft­ überwiegend um nach dem Tode Hei­ Sammler im Benjaminschen Sinne war. rinnen, Renate Reschke und Karin Hir­ lichen Positionen sich befinden." In­ ses entstandene und zum Teil extra für Für ihn war nicht der Besitz entschei­ dina, werden außerdem mehrere Gra­ haltlich knüpfte das 1992 realisierte das Anliegen des Instituts geschriebe­ dend, sondern Funktionswert, Nutzen, duierungsarbeiten zur DDR-Ästhetik Kolloquium an den von Heise angereg­ ne oder gestaltete Arbeiten handelt, Brauchbarkeit standen im Vordergrund, und Kunsttheorie betreut, in denen, ten und edierten "Dialog Ober die Ver­ wurde eine Broschüre mit dem Titel da die Bibliothek in erster Linie Arbeits­ wenngleich in sehr unterschiedlichem nunft am Jahrtausendende" an. Das "Künstler Ober einen Philosophen. Eine instrument war. Sie dennoch in Analo­ Ausmaß, auch Heise Untersuchungs­ Spektrum der beteiligten Disziplinen Hommage an Wolfgang Heise· zusam­ gie zu Benjamin unter dem Gesichts­ gegenstand ist. Dazu gehören die Ha­ war interdisziplinärer und ließ die Ver­ mengestellt, die Ober die mitunter sehr punkt der Arten ihrer Erwerbung zu bilitationsschrift von Achim Trebeß zum anstalter hoffen, "Denkweisen und theo­ persönlichen Erinnerungen an Gesprä­ charakterisieren, erscheint als ausge­ Thema Entfremdung sowie die Promo­ retische Ansätze zusammen(zu)führen, che, Begegnungen und Situationen mit sprochen reizvoll, kann hier jedoch nicht tionsvorhaben von Andreas Trampe, der

hochschule ost 3/1996 99 98 hochschule ost 3/1996 '"vgl. ders.: Die Wirklichkeit des Möglichen. Dichtung und Asthetik in Deutschland 1750-1850, Heise hinaus einen Einblick in den Claudia Salchow, Dipl.-Kulturwissen­ Berlin und 1990 DDR-Alltag an Universitäten, Kunst­ schaftlerin, ist Assistentin am 11 vgl. Reschke, Renate: Wolfgang Heise und die Kunst, in: Künstler Ober einen Philosophen und Kultureinrichtungen und aus ihm Lehrstuhl Geschichte ästhetischen ... , a. a. 0., S. VI 2 resultierende Hoffnungen, Wünsche, Denkens, Institut für Asthetik der 0 Müller, Heiner: Krieg ohne Schlacht. Leben in zwei Diktaturen. Eine Autobiographie, Köln Enttäuschungen, Resignationen und Humboldt-Universität zu Berlin, und 1994, S. 336 1 Verbitterungen vermittelt. Bearbeiterin des Heise-Nachlasses 2 ebd. 22 vgl. von Bieberstein, Johannes Rogalla: Zum Sammeln und Erschließen von Nachlässen. Ein Situationsbericht, in: Der Archivar 3/1983. S. 307 - 315 23 vgl. ebd., S. 311 Anmerkungen: 1 Benjamin, Walter: Eduard Fuchs, der Sammler und Historiker, in: ders.: Allegorien kultureller Erfahrung. Ausgewählte Schriften 1920-1940 / hrsg. von Sebastian Kleinschmidt, Leipzig 1984, S. 249 2 vgl. ebd. > Krüger, Hans-Peter: Rückblick auf die DDR-Philosophie. Ost-Berlin in den 70er und 80er Jahren, in: Frankfurter Rundschau vom 23. 2. 1991 • Müller, Heiner: Die Küste der Barbaren. Glosse zum deutschen Augenblick, in: Frankfurter Rundschau vom 30. 9. 1992 5 vgl. Heise, Wolfgang: Aufbruch in die Illusion. Zur Kritik der bürgerlichen Philosophie in Deutschland, Berlin 1964 • Müller, Heiner: Ein Leben ohne Maske und ein Feuer im Garten, in: Sinn und Form 6/1987, s. 1232 1 ebd. • ebd. • vgl. ebd. •• Wolf, Christa: "Winterreise·, in: Künstler über einen Philosophen. Eine Hommage an Wolfgang Heise (Versuchendes Denken III, Sonderheft), Berlin 1995, S. 22 11 Achim Trebeß hat sich mit diesem Problem am Beispiel des Entfremdungsbegriffes in Heises Werk auseinandergesetzt; vgl. Trebeß, Achim: Zum Entfremdungsbegriff im Werk von Wolfgang Heise, in: Die Wirklichkeit des Möglichen? Geschichte und Utopie, Wissenschaft­ liche Zeitschrift der Humboldt-Universität zu Berlin. Reihe Geistes- und Sozialwissenschaf­ ten 8/1991, S. 57 - 62 12 Heise, Wolfgang: Brief an Kurt Hager vom 18. 11. 1976, in: Sonntag vom 4. 2. 1990, S. 13

13 vgl. ders.: Hegel und das Komische, in: Sinn und Form 6/1964, S. 811 - 830

1• vgl. ders.: Über die Entfremdung und ihre Überwindung, In: Deutsche Zeitschrift für Philosophie, 6/1965, S. 684 - 710

15 vgl. Kuczynski, Jürgen; Heise, Wolfgang: Bild und Begriff. Studien Ober die Beziehungen zwischen Kunst und Wissenschaft, Berlin und Weimar 1975

1 • vgl. Heise, Wolfgang: Realistik und Utopie. Aufsätze zur deutschen Literatur zwischen Lessing und Heine / hrsg. vom Zentralinstitut für Literaturgeschichte der Akademie der Wissenschaften der DDR, Berlin 1982 11 vgl. ders.: HOlderlln. Schönheit und Geschichte / mit einer Nachbemerkung von Rosemarte Heise, Berlin und Weimar 1988 hochschule ost 3/1996 101 100 hochschule ost 3/1996 - anteil gemäß ansteigen. Zur Verwirkli­ das Frauensonderstudium initiiert; 9 Lothar Mertens {Bochum): chung dieses Ziels wurden nach sowje­ Mitte der achtziger Jahre war dies nicht tischem Vorbild8 Arbeiter- und Bauern­ mehr der Fall. Obgleich die Erfolge der Studentinnen in der DDR Fakultäten errichtet, die begabten jun­ weiblichen Nachwuchsförderung sich Erst gefördert - dann vom Staat benachteiligt gen Werktätigen die nötige Vorbildung in Grenzen hielten, wurde die Proble­ für ein Hochschulstudium in kompri­ matik der Steigerung des weiblichen mierter Form und relativ kurzer Zeit zu wissenschaftlichen Lehrpersonals in­ vermitteln hatten. zwischeneher bagatellisiert. 10 Zwar lag der Frauenanteil mit einem Drittel des Doch wie die geschlechtsdifferenzier­ wissenschaftlichenNachwuchses deut­ 1. Einleitung ten Daten der ABF-Studierenden der lich über den Werten,die zu Beginn der Jahre 1950-1963 zeigten.7 sank seit sechziger Jahre registriert wurden. Kennzeichnend für die planwirtschaftli­ beginnt das große Staunen, wenn wir Beginn der fünfziger Jahre der Frauen­ Vergleicht man den Anteil weiblicher che Ausrichtung des sozialistischen besser Unkraut jäten und Wege pla­ anteil beharrlich, obgleich er nie mehr wissenschaftlicher Kader (33,6 %) mit Staates Deutsche Demokratische Re­ nieren können, als unbekannte chemi­ als 27,2 % (1952) betragen hatte. Dar­ dem Anteil weiblicher Studierender im publik waren im hochschulpolitischen sche Vorgänge richtig zu deuten. v.? aus läßt sich ersehen, wie schwer die Jahre 1986 (50,3 %), dann wird die Bereich die selektive Planung und Len­ Erhöhung der Frauenquote an der Zahl fortbestehende Diskrepanz deutlich. 11 kung des Hochschulstudiums, die diri­ Die ideologische Schulung war Aufga­ der Studierenden auch für ein Regime Der chronische Arbeitskräftemangel gistische Gängelung der Studierenden1 be des marxistisch-leninistischen war, das die Förderung der Frauen zur führte bereits in den frühen fünfziger und die Verschulung des Hochschul­ Grundlagenstudiums,3 das selbst in den eigenen Sache gemacht hatte. Noch Jahren zu einem verstärkten Bemühen studiums. Das gemeinsame Lernen in ingenieurwissenschaftlichen Studien­ Ende der sechziger Jahre wurde .Frau­ der Integration von Frauen in den Ar­ den Seminargruppen, die regelmäßige gängen ein Viertel des Lehrplanes be­ enförderung als System"0 sozialisti­ beitsprozeß und speziell in die techni­ Teilnahme an den Veranstaltungen der anspruchte. 4 Die Überfrachtung des scher Hochschulpolitik gefordert und schen Berufe. 12 staatlich gelenkten FDJ und die Unter­ Stundenplanes mit außeruniversitären bringung in den Mehrbettzimmern der gesellschaftlichen Tätigkeiten und Studentenheime waren wichtige Instru­ Selbstverpflichtungen wird durch die 3. Sozialpolitische Förderung der Studentinnen mente für die ideologische Erziehung Tatsache bestätigt, daß sich über die durch die Partei. Dazu gehörten auch Hälftevon befragten Studentenhinsicht­ Anfang der sechziger Jahre wurden mit Kommilitonen ein Hochschulstudium die .gesellschaftlichen· Verpflichtungen, lich der Quantität der Anforderungen großem propagandistischen Aufwand ab. Da die Benachteiligungen von Frau­ 13 wie etwa die Teilnahme am vierwöchi­ überfordert fühlten, während nur ein spezielle Förderprogramme angeregt; en mit Kindern besonders groß war, gen .FDJ-Studentensommer" mit Ar­ Viertel von ihnen meinten, es auch besonders um die Zahl der Studen­ wurde im Jahre 1970 durch die Einfüh­ beitseinsätzen bei der Ernte oder auf intellektuell zu sein. Vice versa sah tinnen in den ingenieurwissenschaftli­ rung eines Sonderstudiums die Verein­ dem Bau. Die Klage eines Chemiestu­ sich lediglich ein Prozent als quanti­ chen Fächern zu erhöhen. Im Vergleich barkeit von Studium und Mutterschaft denten über die Belastung der Studien­ tativ unterfordert an, im Gegensatz zu zur umfassenden Agitation war der Er­ verbessert. Die Verrichtung der Haus­ vorbereitung durch den Studentensom­ einem Zehntel, die sich von den geisti­ folg dieser Maßnahmen eher mäßig. arbeit unter verheirateten Studenten­ 5 Denn neben der mühsamen Überwin­ ehepaaren blieb aber, empirischen Un­ mer war bezeichnend: »· ·· und dann gen Anforderungen unterfordertfühlten. dung historisch gewachsener Vorbe­ tersuchungen zufolge, ungleich verteilt: 2. Entwicklung der Studierendenzahlen halte wurden die familialen Bedingun­ während sich die Männern im Durch­ gen und Gegebenheiten der Frauen schnitt neun Stunden engagierten, Im Rahmen der gesellschaftlichen Um­ den an den Universitäten und Hoch­ unzureichend berücksichtigt. 14 Mitte der mußten sich die Frauen achtzehn Stun­ wälzungen in der SBZ/DDR sollte auch schulen verändert werden. Besonders sechziger Jahre brachen Studentinnen den wöchentlich um den Haushalt küm­ die soziale Zusammensetzung und ge­ der Prozentsatz der Arbeiter- und Bau­ fünfmal häufiger als ihre männlichen mem.15 sellschaftliche Herkunft der Studieren- ern-Kinder sollte ihrem Bevölkerungs-

hochschule ost 3/1996 103 102 hochschule ost 3/1996 dungsgrad des Vaters stiegen und Mäd­ Besonders hervorzuheben waren die bei Kindern aus Elternhäusern mit ei­ es nicht, daß jede zwölfte Direktstu­ 5 ner geringeren Bildung. "2 Die Wirk­ chen aus der Intelligenz zugerechne­ umfangreichen sozialpolitischen Maß­ dentin bereits Mutter war. 17 Der Anteil samkeit familialer Voraussetzungen für ten Kreisen häufiger als Arbeitertöch­ nahmen für die Studierenden in der der Stomatologiestudentinnen mit Kind den Drang nach Bildung (z.B. großer ter ein Hochschulstudium absolvier­ DDR, vor allem für Studentinnen mit an der Berliner Humboldt-Universität 8 Besitz kulturtragender Güter wie Bü­ ten. 2 Bestätigt wird diese Annahme Kind. Seit 1981 erhielten alle Studie­ stieg beispielsweise von 15 % (1979) cher) konnte auch die sozialistische durch die empirische Auswertung der renden im Direktstudium ein Grundsti­ 18 auf 39 % im Jahre 1985. Erziehung nicht26 brechen: ,,Auch heu­ sozialen Herkunft von Promovierten in pendium; bereits 1971 hatten 91 % der te noch gibt es Produktionsarbeiter, der DDR in den Jahren 1950-1982 durch Studenten und Studentinnen in der DDR die dazu neigen, ihre Kinder so zu die Ergebnisse eines Bochumer For­ ein Stipendium bekommen. Ende der Die bis Anfang der siebziger Jahre an­ beeinflussen, den Weg der Berufsaus­ schungsprojektes zur Wissenschafts­ achtziger Jahre erhielt jeder Studieren­ gestiegene Studierendenzahl (Höchst­ bildung zum qualifizierten Facharbei­ elite. Während 81 %derVäter der männ­ de im Direktstudium ein Grundstipen­ stand 1972 mit 161.000) hatte sich ter einzuschlagen, und bei Angehöri­ lichen Promovenden kein Abitur besas­ dium von 200 Mark. infolge der Zugangsbeschränkungen nach der III. Hochschulreform vorüber­ gen der Intelligenz ist sehr stark die sen, waren es bei den Frauen nur 70 %. Darüberhinaus gab es zusätzliche Lei­ gehend in der Mitte der siebziger Jahre Tendenz verbreitet, das Studium als Vice versa hatten über ein Zehntel der stungsstipendien in Höhe von 60, 100 gesenkt; der Frauenanteil an der Ge­ vorrangigen Weg der Qualifizierung ih­ Väter promovierter Töchter selbst pro­ oder 150 Mark. 18 Infolge der ausrei­ samtzahl der Studierenden war hinge­ rer Kinder anzusehen. Deshalb ist der moviert, gegenüber nur sechs Prozent chenden materiellen Absicherung durch gen kontinuierlich angestiegen. Auffal­ Umstand zu veneichnen, daß die In­ der Väter männlicher Promovierter. Die Stipendien und den umfassenden so­ lend groß war der unterschiedliche An­ telligenz sich auch ohne staatliche Re­ Addition der Väter mit abgeschlosse­ zialpolitischen Maßnahmenkatalog für teil von Studentinnen beim Direkt- und gulierungsmaßnahmenweitgehend aus nem Hochschulstudium unterstreicht 18 7 Frauen mit Kindern waren in der DDR Femstudium. Begründet lag dies in sich selbst rekrutiert."2 die ungleiche bildungsmäßige Herkunft. doppelt soviele Studierende verheiratet der Tatsache, daß das neben dem Be­ Ein abgeschlossenes Hochschulstudi- als etwa in der Bundesrepublik Deutsch­ ruf und Haushalt20 ausgeübte Fernstu­ Dies erlaubt die Hypothese, daß auch um konnten 26,4 % der Väter von weib- land. Studentinnen mit zwei oder drei dium eine starke zeitliche Belastung in der DDR die Bildungschancen des liehen Promovierten vorweisen - ge- 21 Kindern waren daher keine Seltenheit; darstellte und darum von vielen Frau­ weiblichen Nachwuchses mit dem Bil- gen0ber 16,7 % bei den männlichen. 29 pro Kind erhöhte sich das Grundstipen­ en - besonders verheirateten mit Kin­ dium um 50 Mark. Die Universitäten dern - gemieden wurde. Während beim 5. Tradierte Verteilung nach Fachgebieten und Hochschulen in der DDR waren Direktstudium der Frauenanteil mit Immer wieder wurde von staatlichen achtziger Jahren um fast zehn Prozent überdies verpflichtet, Kinderkrippen­ 51 %in etwa dem der weiblichen Wohn­ Stellen die unterschiedliche proportio­ angestiegen war, ging der prozentuale und Kindergartenplätzebereitzustellen. bevölkerung der DDR (52 %) ent­ nale Verteilung der Studierenden nach Anteil der Frauen sogar noch leicht Außerdem konnten Studentinnen mit sprach,22 lag im Fernstudium die Parti­ dem Geschlecht in den einzelnen Dis­ zurück, so daß lediglich ein gutes Vier­ Kindern Klausuren und Prüfungster­ 0 zipation der Frauen nur bei einem Drit­ ziplinen beklagt. 3 Während in den leh­ tel der Studierenden in den ingenieur­ mine verlegen lassen. So verwundert tel der Studierenden. rerausbildenden Studiengängen der wissenschaftlichen Wissenschafts­ DDR die Studentinnen - ähnlich wie in zweigen weiblich war.31 4. Ein Staatsgeheimnis - die soziale Herkunft der Bundesrepublik Deutschland - mit Ein kontinuierlicher und um zehn Pro­ 2 drei Viertel aller Studierenden überpro­ Differenzierte Angaben über die sozia­ Wertschätzungen für Bildung ' be­ portional häufig vertreten waren, stu­ zentpunkte auch überaus deutlicher le Herkunft der Studierenden suchte stimmter Bevölkerungsschichten und dierten Frauenin den technischen Wis­ Rückgang des Studentinnenanteils war man in DDR-Veröffentlichungen verge­ Berufsgruppen hatten auch im real senschaften nur halb so oft wie es infolge der staatlichen Lenkungsmaß­ bens. Zwar wurde immer wieder die existierenden Sozialismus Bestand: ihrem Gesamtanteil an den Studieren­ nahmen in den Literatur- und Sprach­ Förderung von Arbeiter- und Bauern­ .Es ist aber nicht zu übersehen, daß den entsprach. Obgleich die absolute wissenschaften zu konstatieren; er ging kindern gefordert,23 aber die Realität die Bereitschaft zu einer höheren Bil­ Ziffer aller Studierenden an den Techni­ einher mit der Halbierung der absoluten differenzierte soziale Rekrutierungs­ dung bei Kindern aus Elternhäusern schen Universitäten der DDR in den Studierendenzahl in diesem Wissen- und Segregationsmuster. Traditionelle mit einer höheren Bildung größer ist als hochschule ost 3/1996 105 104 hochschule ost 3/1996 schaftszweig. Dies dürfte auch ein In­ weiblich war, waren lediglich drei Pro­ diz dafür sein, daß sich die Frauen zent der Rektoren, Prorektoren und nicht freiwillig und neuen .Neigungen" Sektionsdirektoren, fünf Prozent der folgend, sondern vielmehr durch die Professoren und zwölf Prozent der restriktive Hochschulzugangspolitik33 für Dozenten Frauen. Besonders die wach­ bestimmte Fachbereiche .interessiert" sende Feminisierung der pädagogi­ zeigten, bzw. durch gezielte Werbe­ schen Berufe wurde als problematisch kampagnen in den Klassen der Ober­ eingestuft, da das Berufswahlverhalten � schulen geworben wurden. In der Agrar­ der zu Unterrichtenden dadurch mitbe­ wissenschaft kam es gleichfalls zu einflußt wurde. Betrug der Frauenanteil einem leichten Absinken des Studen­ unter dem Lehrpersonal an den allge­ tinnenanteils. Unerwartet hoch war der meinbildenden Schulen der DDR im Frauenanteil in den Wirtschaftswissen­ Jahre 1965 lediglich 55 %, so waren es � schaften, wo die Studentinnen zwei im Jahre 1989 schon 80 %. Drittel der Studierenden repräsentier­ Bei den Neuzulassungen von Studen­ � ten. Daß die Quotierung statt aus Len­ tinnen im Direktstudium waren deutli­ kungs- aus etwaigen Leistungsgrün­ che divergierende Entwicklungen zu s den erfolgt sein könnte, ist nicht plau­ konstatieren. Durch die einmal jähr­ sibel, da die Frauen im Vergleich zu lich, am 1. September, erfolgende Neu­ Sl den Männern im Durchschnitt mit den zulassung konnte das Ministerium für besseren AbiturnotenJ.4 die Oberschule 0.... Hoch- und Fachschulwesen die Zulas­ absolvierten und über die Hälfte der sungsquoten relativ einfach steuern. 35 � Abiturienten stellten. Die auf dem VII. Parteitag der SED im

0 Die weibliche Studienfachwahl hatte, Jahre 1967 beschlossene Steigerung ungeachtet der staatlichen Lenkungs­ der Anzahl wissenschaftlicher Kader37 ·;. � :i ..... � l 'f .. 1" 8, maßnahmen im Hochschulbereich, führte zu deutlichen Kapazitätserwei­ i i j l !.. j a: 1 auch ihre geschlechtsdifferenzierten terungen bei den Neuzulassungen. j 1 1 Spuren auf dem Arbeitsmarkt hinter­ Waren in den Jahren von 1965bis 1967 "� � J i 1 lassen.• Spätestens seit Ende der sech­ jeweils 16.000 Studierende immatriku­ ..... � -;; 's ziger Jahre ist in der DDR von einer liert worden, stieg diese Ziffer im Jahre u ._, nach Geschlechtern polarisierten Wirt­ 1968 um ein Viertel an. Die Zahl 20.000 t schafts- und Berufsstruktur zu reden"36 wurde 1969 um ein weiteres Drittel auf (Hervorhebung, L.M.). Im internationa­ über 26.000 Personen erhöht und über­ len Vergleich war der Frauenanteil an stieg im Jahre 1970 sogar die Marke technischen Berufen in der DDR aller­ von 30.000 Neuzulassungen; das be­ dings immer noch über dem Durch­ deutet: im Vergleich zum Jahre 1965 schnitt anderer europäischer Industrie­ verdoppelte sich innerhalb von nur fünf staaten. Überdies gab es Unterschie­ Jahren die Zahl der Neuzulassungen. de in der hierarchischen Verteilung. Die Anzahl der studierenden Frauen Während 43 % des wissenschaftlichen war in diesem Zeitraum sogar um das Diagramm 1 :Anteil der weibl�chen Studierenden in der DDR in den achtziger Jahren nach Wissenschaftszweigen differenziert32 Personals im DDR-Hochschulwesen zweieinhalbfache gestiegen. Allerdings

106 hochschule ost 3/ 1996 hochschule ost 3/1996 107 Tabelle 1: Neuzulassungen weiblicher Studierender im Direktstudium im Verhältnis Tabelle 2: Studienabschlüsse weiblicher Studierender im Direktstudium im 38 zur Gesamtzahl der Neuimmatrikulationen 1965-1988 Verhältnis zur Gesamtzahl der Absolventen 1965-1988•1 Neuzulasrungen im Direktstudium t lnsg....n davon Frauen Absolventen im Direktstudium Jahr Jahr Insgesamt davonFrauen abs. abs, in% abs, abs. in% 1965 16.360 5.554 33,9 1965 13.739 4.955 36,1 1966 1966 16.181 6.471 40,0 13.495 4.634 34,3 1967 1967 13.369 3.943 29,5 16,411 7.118 43,4 1968 13.404 4.075 30,4 1968 20.067 8.964 44,7 1969 13.803 4.565 33,I 1969 1970 14.511 S.204 35,7 26.734 11.673 43,7 1971 16.216 1970 6.691 41,3 30.786 13.753 44,7 1972 19,172 8.114 42,3 1971 1973 31.326 15.363 49,0 24.304 10.128 41,7 1974 1972 26.582 12.128 45,6 28.099 16.497 58,7 1975 25.170 12.632 50,2 197:l 25.642 15.718 61.3 1976 22.815 13.234 58,0 1974 1977 19,026 11.842 62,2 27.210 14.814 54,4 1978 22.139 12.301 55,6 1975 27.783 13.618 49,0 1979 20.757 10.553 50,8 1976 1980 19.452 10.123 51,8 26.043 12.585 48,3 1981 18.954 19n 10.131 53,5 26.050 13.893 53,3 1982 19.815 10.655 53,8 1978 26.328 14.098 53,5 1983 20.551 10.876 52,9 1979 1984 20.889 11.257 53,9 26.559 14.335 54,0 1985 20.301 10.812 53,3 1980 26.761 14.202 53,1 1986 18,537 9.642 52,0 1981 1987 18.669 9.820 52,6 25.813 13.523 52,4 1988 20.848 11.177 53,6 1982 26.623 14.520 54,5 1965-1988 456.668 219,492 48.1 1983 26.786 14.480 54,1 1984 26.435 13.683 51,8 1985' 26.474 13.639 51,5 1986 25.886 13.482 52,1 1987 25.351 12.976 51,2 1988 2 26.036 12.649 48,6 schluß zu erwerben.• Im weiteren for- bereich Medizin war es erforderlich, 1965-88 607.744 307.608 50,6 derte sie nicht nur .den weiteren qua­ den Frauenanteil von 70, 8 Prozent im lifikationsgerechten Einsatz der Frau­ Jahre 1971 durch gezielte Zulassungs­ wurde seit 1974 - neben der aus bil­ Die Widersprüchlichkeit der staatlichen en•. sondern auch eine .verstärkte Ein­ politik auf 56, 5 Prozent zu reduzie­ dungsökonomischen Gründen39 erfolg­ Lenkung belegt Herta Kuhrig, die das beziehung .in die Ausübung von Lei­ ren-«(Hervorhebung, L.M.). Wieso die­ ten allgemeinen Verringerung der Stu­ Kapitel Ober die gesellschaftliche Stel­ tungsfunktionen.• Denn hierbei sei se .gezielte Zulassungspolitik" im Stu­ dierendenzahlen - der Frauenanteil lung der Frau im Sammelband »Sozial­ das .Erreichte noch nicht das Erreich­ dienfach Medizin nerforderlich* war,•5 wieder gedrosselt (in den Jahren 1975 struktur der DDR« verfaßte. Zum einen bare". 43 Denn lediglich ein Drittel der wird nicht genannt. Fachliche Gründe und 1976 sogar unter die Fünfzigpro­ betont sie, mit Verweis auf die DDR­ Leitungspositionen in der Wirtschaft für diese frauenbenachteiligende Maß­ zentmarke), ehe dieser Anfang der acht­ Verfassung,•0 die vielfältigen Möglich­ und dem Staatsapparat der DDR wur­ ziger Jahre erneut anstieg. Hauptursa­ keiten und Chancen von Frauen, die nahme scheiden aus, da im nächsten den von Frauen ausgeübt. che für die Zugangsbegrenzung in ein­ .historisch gewachsenen· Bildungs­ Satz den Frauen bescheinigt wird, sich zelnen Studienfächer war die nicht ge­ rückstände in der sozialistischen Ge­ dem beruflichen Qualifikationsniveau Zum anderen jedoch bilanziert Kuhrig wünschte Feminisierung der Diszipli­ sellschaft zu überwinden und einen der Männer .weitgehend angeglichen" auf derselben Seite: ,,Im Wissenschafts- 6 nen. qualifizierten Studien- und Berufsab- zu haben! Die folgende Tabelle 3 be-

hochschule ost 3/J 996 108 hochschule osl 3/1996 109 Tabelle 4: Saldo von Neuzulassungen minus der Absolventen in Medizin differen­ legt dies nachdrücklich, da im Fachbe­ tung der jährlichen Neuzulassungen ziert nach Geschlecht in den Jahren 1971-198848 reich Medizin in den Jahren 1971-1988 und Absolvent(inn)en weist die mini­ Saldo von Neuzulassungen minus der Absolventen der Anteil der Frauen an den Absolven­ steriellen Eingriffe deutlich auf. Die in Jahr lnSl!CS3ml nur Manne, nur Frauen ten Ober dem der Neuzulassungen lag. Tabelle 19 erfolgte Saldenberechnung abs. t abs. abs. in o/• (Neuzulassungen minus Absolventin­ 1971 -30 -443 413 1.376,7 Die Folgen dieser frauendiskrimieren­ 1972 379 0 379 0 nen gleich Saldo) für die Medizinstu­ 50 551 den Politik des Ministeriums für Hoch­ 1973 602 91,7 dierenden zeigt, daß im Jahre 1974 1974 -290 -152 ·138 -47,6 schulwesen sind deutlich in der Tabelle 138 Frauen weniger immatrikuliert wur­ 1975 704 441 263 37,4 4 zu erkennen. Mit Ausnahme der Jah­ 1976 642 556 86 13.4 den, als in dem Jahr ihr Studium been­ 1977 1.803 885 918 50,9 re 1971, 1974 und 1988 wurden im Wis­ deten. Zwar kam es in diesem Jahr 1978 653 523 130 19,9 senschaftsbereich Medizin jährlich im­ 1979 560 450 110 19,6 auch insgesamt zu einem negativen mer mehr Personen neu zugelassen, 1980 499 318 181 36,3 1981 als in dem jeweiligen Jahr ihr Studium Saldo, doch die Frauen wurden davon S37 370 167 31.l stärker betroffen als die Männer. Im 1982 440 198 242 5S,0 absolvierten. Zwischen 1971 und 1988 1983 44) 177 264 59,9 wurden insgesamt 40.135 Personen Vergleich zum Vorjahr 1973 sank der 1984 308 100 208 67,5 Anteil der neuzugelassenen Frauen von 1985 373 218 ISS 41,6 immatrikuliert, während 32.245 Perso­ 1986 98 ·9 107 109,2 nen in diesem Zeitraum ihr Studium 71,2 % auf 67,3 % aller zusätzlichen 1987 245 15 170 69,4 Immatrikulationen. überdies war im 1988 -74 46 -120 -162,2 abschlossen; ein Zuwachs von 7.890 lnsl!csaml 7.890 3.803 4,087 Sl,8 Medizinstudierenden. Jahre 1974 der weibliche Anteil an den Absolventen von 62,8 % (1973) auf Die geschlechtsdifferenzierte Betrach- 65,0 % angestiegen. Noch deutlicher wird die .gezielte Zu­ wieder auf 60,2 % an. Im Jahre 1988 Tabelle 3: Neuzulassungen und Absolventen in Medizin im Direktstudium in den lassungspolitik" des Ministeriums für wurden dann erneut weniger Frauen in Jahren 1971-198847 Hochschulwesen bei der Gegenüber­ Medizin zugelassen als in dem Jahr ihr stellung von mehreren zusammenge­ Studium beendeten. NcU2Ulassunl!cn Absolventen Jahr gesamt davon Frauen gcsam1 davon Frauen faßten Jahren: Zwischen 1971-73 wur­ abs. abs. in% abs. abs. in% den per Saldo 951 Personen mehr zu­ Statt der wohlwollenden staatlichen 1971 1.657 1.259 76,0 1.687 846 S0,1 gelassen, als in diesen Jahren ihr Stu­ Unterstützungsmaßnahmen, wie die 1972 1.866 1.402 75,1 1.487 1.023 68.8 verschiedenen Förderungsprogramme 1973 2.069 1.473 71,2 1.467 921 62,8 dium abschlossen. Davon waren 1.344 65,0 1974 2.191 1.475 67.) 2.481 1.613 Frauen (141 %), denn die Zahl der in den fünfziger und sechziger Jahren, 197S 2.150 1.262 S8,7 1.446 999 69,1 wurden die Studentinnen in der DDR in 1976 2.161 1.13S 52.5 1.519 1.049 69,1 Medizin studierenden Männer sank real 1977 2.290 1.294 56,5 487 376 77.2 um 393. Die seit dem Jahre 1974 einge­ den achtziger Jahren aus irrationalen 1978 2.341 1.290 55,1 1.688 1.160 68,7 Bedenken der Ministerialbürokratie vor 1.205 leitete Verringerung führte dazu, daß 1979 2.378 UlS SS.) 1.818 66,3 einer Feminisierung der Studienfächer 1980 2.434 1.383 S6,8 1.935 1.202 62,1 zwischen 1975 und 1979 lediglich 1.507 1981 2.412 1.239 Sl,4 1.875 1.072 57,2 Frauen (34,5 %) unter den insgesamt und Berufe von einzelnen Disziplinen 1982 2.311 1.226 53,1 1.871 984 S2,6 ferngehalten bzw. ihre Immatrikulati­ 54,1 4.362 zusätzlichen Studierenden wa­ 1983 2.348 1.284 1.907 1.020 53,S onszahl dirigistisch limitiert. 1984 2.)60 1.))1 S6,4 2.052 1 123 S4,7 ren. Ab dem Jahre 1982 ist (bis 1987) 1985 2.351 1.270 54,0 1.978 1.1 lS 56,4 eine Lockerung derweiblichen Zugangs­ 1986 2.371 1.404 59,2 2.273 1.297 57,1 Lothar Mertens, Dr. rer.soc., Dr. phil., 1987 2.253 1.220 S4,2 2.008 l.0S0 52,3 beschränkungen zu konstatieren. So ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter 1988 2.192 1.13S 51,8 2.266 1.255 S5,4 stieg in den Jahren 1982-87 der Anteil und Lehrbeauftragter an der Fakultät Gesamt 40.135 23.397 S8,3 32.245 19.310 59,9 der Frauen an den über dem Absolven­ für Sozialwissenschaft der Ruhr­ tenniveau liegenden Neuzulassungen Universität Bochum

hochschule ost 3/1996 111 110 hochschule ost 3/1996 22 Anmertungen: Leszczensky,MichaeVFilaretow, Bastian: Hochschulstudium in der DDR. Statistischer Überblick.[Hg.:) HIS Hochschulschul-lnformations-SystemGmbH.Hannover o.J.(1990), S. 54. 1 Siehe beispielhaftThimm, Brigitte: Probleme der Heranbildung der materialistisch-­ Ingenieurstudentenim marxistisch-leninistischen Grundlagenstudiumbesonderer unter BerOclcsichligung des Kurses schuN.'esen.20. Jg. ( 1972), Benin (Ost), S. 72-75. Dialektischerund historischerMaterialismus. Diss.A Humboldt-UniversitätBer1in(Ost) 1979, S. 17u. S. 96. 24Siehe Bathke, Gustav-Wilhelm: Jugend und Hochschule/UniversitätIn: Walter Friedrich/Hartmut Griese (Hg.): 2Zit.inThOl,PeterA:Studenten:KleinesGIOCkimveronlnetenMittelmaß.ln:WemerFilmer/HeribertSchwan(Hg.): Jugend und Jugendforschung in der DDR. Gesellschaftspolitische Situationen, Sozialisation und Mentalitäts­ AJkagimanderenDeutschland. Düsseldolf-Wien1985, S. 185-196;S. 191. entwicklungin den achtzigerJahren. Opladen 1991,S. 75-90. • Böhme,Hans-Joachim: Das mancistisch�ninistischeGrundagenstudium -Kemstückder sozialistischen Erziehung 21Goroncy. Claus:Wechselbeziehung Die zwischen dem sozialen Status der Ellernund den Bildungswünschenihrer derStudenten. In: Das HochschuAvesen,20. Jg. (1972), Berfin (Ost), S. 3-8. Kinder.Diss. A Wilhelm-Pieck-UniversitälRostoclt 1979, S. 56. 'Thimm, s. 163,Anlage 2. Siehe auch Mertens,Lothar: Studenten in der DDR. Neue Erkenntnisse aus DDR­ "Mertens,Studenten, S. 375. Dissertationen.In: DeutscheStudien,24.Jg. (1986),H. 96,Lüneburg, S. 371-377;S. 371 f. 27Goroncy, S. 57 f. 50lbertz,Jan H.: Überden Zusammenhang von Studienmoral und studentischer Selbsttätigkeit.Eine h hschul­ � >aBathke,S. f. pädagogischeUntersuchung. Diss. AMartin-luther-UniversitätHalle-Wiltenberg1981, S.XLVI, Tab. 13; Sieheauch 82 Mertens,Studenten,S. 374. :,s,Voigl,Dieter/Belitz-Demirtz, Hannelore/Gries, Sabine: Die Sozialstrukturder promoviertenIntelligenz in der DDR und in der Bundesrepublik Deutschland 1950-1982. Der Einfluß der politischenSysteme auf die unterschiedliche n filrä DDR. In: • Medc, Sabine/Mertens,Lothar. Das Wissenschaftssystem Sowjetunionder und seineVorbildfun � � Entwicklungin denbeidendeutschenStaaten. Bochum1990, S. 267,Tab. 20. Elitein Wissenschaftund Politik.Empirische Untersuchungen und theoretische Ansätze. Hrsg. von DieterVoiglBerlin 30 (West)1 987,S.175-210; S. 196 ff. Siehe auch Hertel.Karta/Michalski, Günter: Frauen im Studium an Technischen Hochschulen. In: DasHoch­ schuAvesen,18. Jg. (1970),Berfin (Ost).S. 665-672; S. 668. 1 StatistischesJahrbuch der Deutschen Demokratischen Republik. Hrsg.von derStaatlichen Zentralverwaltungfür "Vgl. Lötsch, lngrid/Falconere, lrene: BeruflicheBildung. In: Frauenreport'90. lmAu ftragder Beauftragtendes Statistik,10.Jg.(1964),S. 446. Ministerratesfür die Gleichstellungvon Frauen und Männern,hrsg. von GunnarWinkler.Berin (Ost) 1990,S. 37-100; • Rohde,Erwin: Frauenförderung als System. In: Das Hochschu/Wesen,17. Jg. ( 1969),Ber1in (Ost), S. 309-318; S.49 f. S. 310ff. 32Erstellt nach Leszczensky/Filaretow,S. 57,Tab. 14. • Freese,Renate: Zu einigenProblemen des Frauensonderstudiums.In: Problemeder Frauenqualifizierung.Hrsg. vom siSiehe Hertel/Michalski,S . 668f. Wissenschaftlichen Ratfür soziologischeForschung in derDDR. Berlin(Ost) 1971, S. 128-146. 10 „ Die von Bathke, S. 80fOrdieJahre 1982 und 1989geschlechtsdiff erenziert ausgewiesenen Abcturprädikate zeigen Böhme, Hans.Joachim: Zur Entwicklung und Förderungdes wissenschaftlichen Nachwuchses.In: Das Hocl>­ einen doppeltso hohen Mädchenanteilbei der höchsten Note (mitAuszeichnung). schu/Wesen,33. Jg. (1985),Ber1in (Ost), S. 138-151. 315lötsch/Falconere,S. 41 f. 11 Hildebrandt,Karin: Frauen in derwissenschaftlichenArbeitan den Hochschulen.In: Das HochschuM-esen.35. Jg. 311Nickel, Hildegard Maria: Frauen in derDDR. ln:Aus Politikund Zeitgeschichte,40. Jg.,B 16-17/90,13. April1990, (1987),Berlin (Ost), S. 103-104. Bonn,S.3�;S. 40. 12sieheBestmann,HansJoachim/Kloth,HansJoachim:MehrFrauenundMädchenfürtechnischeBerufe.ln:Arbeitund 37Hertel/Michalski,S. 665. Arl>eitsrecht,24. Jg. (1969),H. 9, Ber1in(Ost), S. 264. 315Erstelllnach: Die Frau inder DeutschenDemokratischen Republik. Statistische Kennziffernsammlung, 1981, S. 69; 13 Zur eher tradiertenEinstellung von Männern in universitären LeitungsfunktionengegenOber denweiblichenArbeits­ _ DieJugend in derDeutschen Demokratischen Republik. Statistische Übersichten1986, S. 75 f.; Ebd.,1988, S. 69 f. kräften siehe Hildebrand, Kriemhild:Zur lagedes weiblichenwissenschaftlichen Nachwuchses. ErgebnJSse emer Befragung ander Universitä!Rostoclt.In: DasHochschu/Wesen,13.Jg. (1965), Ber1in (Ost). S. 601-608. "'Schmidt,Gerfind: Hochschulen in der DDR.Eine Untersuchungzum Verhältnisvon Bildungs-und Beschäftigungs­ system.lZIK Belastung durchden Haushalt siehe Mertens, Lothar: Soziale Auswirkungen von Schicht- und Nachtarbeitin der •7 Erstelltnach: DieJugend in der Deutschen Demokratischen Republik. Statistische Übersichten1978, S. 65 f.; Ebd. DDR. In: Arbeitund Sozialpolitik,42. Jg.( 1988),H. 3, Baden-Baden, S. 97-98. 1982, S. 76 f.;Ebd.1986. S. 75 f.; Ebd.1988,S. 69 f. 21 Vgl. zu denFreistellungsmöglichkeiten Blankenburg, Karl-Heinz:Freigestelll zurQualifizierungim Fernstudiuman '"Erstelltnach: DieJugend in der Deutschen Demokratischen Republik. StatistischeÜbersichten 1 978, S. 65 f.; Ebd. den Hoch-undFachschulen. ln: ArbeitundArbeitsrecht,40. Jg.(1985),Bert,n(Ost),H. 1, S. 13-14. 1982, S. 76f.; Ebd.1986, S. 75 f.; Ebd. 1988,S. 69 f.

112 hochschule ost 3/1996 hochschule ost 3/1996 113 Wieland Keinath (München): Wissenschaftsrat die empfohlene - Für die Errichtung bedarf es nur eines Struktur und Organisationsform der Gesellschafters. Zentren nur eine vorläufige war. - Die einzelnen Gründungsschritte las­ Geisteswissenschaftliche Die Max-Planck-Gesellschaft wieder­ sen sich - bei gutem Willen aller Be­ teiligten - rasch vollziehen. (Zwischen Forschungsschwerpunkte/Zentren um wollte die Vorläufigkeit der für die Übergangszeit gewählten Strukturen der Entscheidung, die Förderungsge­ Einige Anmerkungen im Rückblick dadurch zum Ausdruck bringen, daß sellschaft zu gründen, der notariellen die zum 1. Januar 1992 gegründeten Beurkundung des Gesellschaftsver­ Einrichtungen .Forschungsschwer­ trags und der Eintragung ins Handels­ punkte· und nicht gleich .Zentren" ge­ register lagen jeweils nur vier Wochen.) nannt wurden. - Ihre Zwei-Ebenen-Struktur (Gesell­ schafterversammlung,Geschäftsführer) Die Entstehungsgeschichte der gei­ mehrfach gefordert worden, mit beson­ Damit ist im Grunde auch bereits be­ ermöglicht rasche Entscheidungspro­ steswissenschaftlichen Zentren, deren derem Nachdruck im Jahr 1990 von W. antwortet, warum die MPG die Einrich­ zesse und schafft klare Verantwortlich­ Aufbauphase und Betreuung durch die Frühwald u. a. in: Geisteswissenschaf­ !tmgen nicht in Form von Instituten keiten. Max-Planck-Gesellschaft (MPG) /För­ ten heute (3]. Der Wissenschaftsrat gründen konnte. Max-Planck-Institute derungsgesellschaft Wissenschaftliche beschrieb im Juli 1991 auch schon werden für wissenschaftlich aussichts­ Was war nun bei der Gründung der Neuvorhaben mbH (Förderungsgesell­ recht konkret, wie Zentren .aussehen" reiche und innovative Forschungsauf­ Forschungsschwerpunkte vorgegeben? vier Jah­ sollten (4]. Er hielt jedoch eine Probe­ schaft) in den anschließenden gaben eingerichtet, die eine langfristi­ Worin bestand Gestaltungsspielraum? ren und das (langwierige, aber schließ­ phase für notwendig und empfahl des­ ge Bearbeitung erfordern und die auf Und worin lagen die besonderen Schwie­ lich erfolgreiche) Werden ihrer Institu­ halb, die Zentren .für einen Zeitraum Grund ihrer Besonderheit in Universitä­ rigkeiten? tionalisierung sind u. a. in den Veröf­ von zunächst drei Jahren an die Max­ ten nicht angemessen oder erfolgver­ fentlichungen des Wissenschaftsrates Planck-Gesellschaft oder an die Ml­ sprechend bearbeitet werden können. Vorgegeben war zunächst der perso­ [1] und in den Tätigkeitsberichten der NERVA Gesellschaft anzugliedern· (5]. Ihre Organisation und Finanzierung rich­ nelle Rahmen. Dabei orientierten sich Förderungsgesellschaft [2] nachzule­ Und weiter: •Während der dreijährigen ten sich nach feststehenden Regeln. Bund und Länder an der Empfehlung sen. Der Verfasser, noch für wenige Übergangszeit muß die weitere kon­ Wenn die MPG bei der Umsetzung der des Wissenschaftsrates, daß ein Zen­ Wochen Geschäftsführer der Förde­ zeptionelle Ausgestaltung der Zentren Wissenschaftsratsempfehlung helfen trum Ober 25 Stellen f0r Wissenschaft­ rungsgesellschaft, möchte mit diesem und ihre institutionelle Entwicklungs­ wollte - Zweifel an ihrem Willen wurden ler und 1 O Stellen für Nichtwissen­ Beitrag auf einige bisher weniger im perspektive in einer oder mehreren Kom­ immer wieder geäußert, sind aber un­ schaftler verfügen sollte. Darüber hin­ Vordergrund des öffentlichen Interes­ missionen der Max-Planck-Gesell­ berechtigt -, dann konnte dies also nur aus wurden Mittel für die Förderung von ses stehende Aspekte dieses .Experi­ schaft erörtert werden." [6] durch eine mittelbare Trägerschaft.ge­ Doktoranden und Stipendiaten sowie ments" der Forschungsförderung ein­ Der Wissenschaftsrat hatte offenbar schehen. Hierfür stand im Prinzip auch für den Aufenthalt von ausländischen gehen. großes Vertrauen, daß es der Max­ eine andere.Tochter", die vom Wissen­ Gastwissenschaftlern bewilligt. Wie kam es zur Förderungsgesell­ Planck-Gesellschaft - und eben nur schaftsrat erwähnte MINERVA GmbH, Vorgegeben war auch, daß 100 Wis­ schaft? Warum nicht Institute der MPG, der Max-Planck-Gesellschaft - gelin­ zur Verfügung. Deren Aufgabenstel­ senschaftlerstellen und die Stellen für sondern Forschungsschwerpunkte? gen könnte, diesen neuen förderungs­ lung sollte jedoch nicht verändert wer­ nichtwissenschaftliche Mitarbeiter mit Und wenn schon nicht Max-Planck­ politischen Ansatz in einem schwieri­ den. Also blieb nur der Weg der Neu­ Bewerbern aus den geisteswissen­ Institute, warum nicht sofort Zentren? gen Umfeld so weit zu entwickeln, daß gründung einer zweiten Tochter, der schaftlichen Instituten der ehemaligen er auch ohne Hilfe lebensfähig sein Förderungsgesellschaft. AdW der DDR besetzt werden sollten. Die Antwort läßt sich leichter in der würde. umgekehrten Reihenfolge geben. Eine Die Rechtsform einer GmbH war auch Diese Stellen waren zum 1. Januar verstärkte Förderung der Geisteswis­ Durch den Inhalt des Auftrags war je­ für diese Tochter vor allem aus folgen­ 1992 bereitgestellt worden. Weitere 75 senschaften war in den 80er Jahren doch dokumentiert, daß auch für den den Gründen gewählt worden: Wissenschaftlerstellen wurden dann für

hochschule ost 3/ I 996 115 114 hochschule ost 3/1996 Sie hatten dort praktisch unkündbare sieben geisteswissenschaftliche Zen­ die sogenannte .Durchmischung" für ist dies zu einem erheblichen Teil die­ Beschäftigungen. Die Unsicherheit, ob tren zum 1. Januar 1992 zu gründen das Jahr 1993 bewilligt. sem Umstand zu verdanken. und wie es weitergehen würde, bela­ und für einen Zeitraum von drei Jahren stete gerade ältere Mitarbeiter aus den Was die Aufnahme von Vorhaben und Worin bestanden die Schwierigkeiten? (ein weiteres Jahr kam später hinzu) zu früheren AdW-lnstituten und damit auch Projekten in die neu zu gründenden (Nur einige können und sollen hier ge­ betreuen. die Arbeitssituation während der ge­ sieben Forschungsschwerpunkte (Zen­ nannt werden.) - Um in diesen Jahren die Vorausset­ samten vier Jahre erheblich. tren) betrifft, orientierte sich die Präsi­ zungen für eine fo rtdauernde Existenz Zunächst in den unzureichenden räum­ dentenkommission (die vom Präsiden­ durch eine schnelle Profilierung der lichen Verhältnissen , die möglichst Hinzu kam, daß wegen der nur vorüber­ ten der MPG für die Gründung der Zen­ Einrichtungen und der einzelnen Wis­ rasch durch geeignete .Provisorien" zu gehenden Betreuung der Zentren durch tren und die Entwicklung der langfristi­ senschaftler schaffen zu können, muß­ verbessern waren. Wenn dies in weni­ die Förderungsgesellschaft und der gen P erspektive im September 1991 te die Arbeitsfähigkeit der Forschungs­ gen Monaten gelang, dann ist auch an nicht geklärten Zukunft dieser Institu­ eingerichtet worden war) an den E mp­ schwerpunkte umgehend hergestellt dieser Stelle Mitarbeitern der früheren tionen auch die Leitungspositionen nicht fehlungen des Wissenschaftsrates vom werden. Hierzu gehörte auch eine so­ KAI und der Berliner Senatsverwaltung endgültig, sondern nur kommissarisch Juli 1991. fortfunkt ionierende Verwaltung, die die für Wissenschaft und Forschung noch­ besetzt werden konnten, bei fünf Ein­ Wissenschaftler so weit wie irgend mals herzlich Dank zu sagen. Bis zum Gestaltungsspielraum bestand bei der richtungen mit Wissenschaftlern aus möglich von Verwaltungsaufgaben ent­ Ende der Betreuung durch die Förde­ Auswahl der Mitarbeiter: Trotz der Ein­ den alten Bundesländern, bei zwei Ein­ lastete. rungsgesellschaft sind aus den .Provi­ grenzung der Stellenausschreibungen richtungen mit Wissenschaftlern aus - Die Ausstattung mit Stellen für nicht­ sorien· funktionsgerecht ausgestatte­ auf die vom Wissenschaftsrat empfoh­ früheren AdW-lnstituten. Soweit die wissenschaftliche Mitarbeiter war nach o v v o te Einrichtungen (davon zwei in Pots­ lenen, d. h. p siti e aluierten V rha­ kommissarischen Leiter aus den alten den späteren Erfahrungen vom Wis­ dam und ab 1. Januar 1996 eine in ben bewarben sich für die 100 Wissen­ Bundesländern kamen, waren sie im senschaftsrat bereits 1991 zu knapp Leipzig) geworden, die auch für die schaftlerstellen etwa 400 Wissen­ Hauptamt Hochschullehrer. Von allen empfohlen worden: Für die sieben Ein­ r n n nächsten Jahre gute Voraussetzungen schaftle aus de frühere geisteswis­ kommissarischen Leitern wurde ein richtungen standen n ur 70 Stellen für für erfolg reiches wissenschaftliches senschaftlichen AdW-lnstituten . A n außerordentlicher Arbeitseinsatz ge­ nichtwissenschaftliche Mitarbeiter zur Arbeiten bieten. dieser Stelle sei deshalb die Feststel­ leistet. Wenn aus den Forschungs­ Verfügung. Deshalb sollten für Verwal­ lung erlaubt, daß in den Forschungs­ schwerpunkten Zentren wurden, dann Als besondere Schwierigkeit erwies tung so wenig Stellen wie möglich be­ schwerpunkten n ach zweimaliger . Ein­ ist dies vor allem auch ein Verdienst sich ein nicht aufhebbarer Widerspruch: ansprucht werden. stellungs-Evaluierung" (im Jahr 1995 der kommissarischen Leiter! Schon nach dem Konzept des Wis­ kam eine dritte durch die DFG hinzu) Um sparsam und doch effizient .verwal­ senschaftsrates vom Juli 1991, das in besonders qualifizierte Wissenschaft­ Wie war die Förderungsgesellschaft ten· zu können , wurde folgende Struk­ diesem Punkt von der Präsidenten­ ler arbeiteten. organisatorisch strukturiert? Hat die tur gewählt: kommission der Max-Planck-Gesell­ Förderungsgesellschaft Modellcharak­ - Die Verwaltung - insgesamt acht Der notwendige Freiraum für einen r a­ schaft uneingeschränkt übernommen ter? Stellen - war organisatorisch zusam­ schen Aufbauprozeß kam dadurch zu­ wurde, sollten zwei Drittel der Wissen­ mengefaßt, räumlich jedoch in die Ar­ schaftlerstellen nur befristet besetzt stande, daß sich Bund und Länder Innere und äußere Struktur sind nur beitsbereiche München (sechs Mitar­ damit einverstanden erklärten, daß für werden. Wegen der Vorläufigkeit der aus den Anforderungen der Gründungs­ beiter/Mitarbeiterinnen) und Berlin (zwei den Zeitraum, in dem die ZentrE:ndu rch Einrichtungen während der Betreuung phase und der vorgegebenen kurzen Mitarbeiterinnen) gegliedert worden. die MPG betreut werden, deren zuwen­ durch die Förderungsgesellschaft muß­ Betreuungszeit zu verstehen. Die we­ - Unter einem Verwaltungsleiter waren dungsrechtliche Regelungen angewen­ ten sogar alle Arbeitsverträge befristet sentlichen Rahmenbedingungen sollen die Funktionseinheiten Personalwesen abgeschlossen werden. Die M itarbei­ det werden konnten. Wenn die Einrich­ deshalb (nochmals) genannt werden : (zwei Mitarbeiter) und Finanzwesen tungen bereits im Herbst 1992 weitge­ ter, die zum 1. Januar 1992 eingestellt - Im S ommer 1991 war die MPG von einschließlich Beschaffungen (vier Mit­ hend mit den notwendigen sächlichen worden waren, kamen aber alle aus Bu nd u nd Ländern gebeten worden, arbeiter) eingerichtet worden. Ressourcen ausgestattet waren, dann Instituten der AdW der ehemaligen DDR. hochschule ost 3/ 1996 117 hochschule ost J/ 1996 116 - Der Arbeitsbereich Berlin Oe eine kleiner Forschungseinrichtungen, ins­ der .Durchmischung· angestrebten Ziele gründet. Für den Forschungsschwer­ Mitarbeiterin aus dem Personalwesen besondere mit homogener Organisati­ wurde hierdurch nicht unwesentlich punkt Wissenschaftsgeschichte und - und Finanzwesen) hatte die Aufgabe, ons- und Finanzierungsstruktur, die­ erschwert. Weiter ist zu berücksichti­ theorie hatte der Wissenschaftsrat die die Forschungsschwerpunkte vor Ort nen. gen, daß für die einzelnen Forschungs­ Schließung empfohlen, nachdem die zu betreuen. Ein .Strukturelement· läßt sich jedoch schwerpunkte zunächst eine gleiche MPG im März 1993 die Gründung ei­ nicht ohne weiteres übertragen: Das Zahl von Wissenschaftlerstellen, näm­ nes Max-Planck-Instituts für Wissen­ lich 15, vorgesehen war. Die Bewerber­ Der Aufbau einer eigenen kleinen Ver­ hohe Maß an Harmonie der Verwal­ schaftsgeschichte beschlossen hatte. lage im Herbst 1991 führte jedoch dazu, waltung in den Forschungsschwerpunk­ tungsmitarbeiter untereinander und mit Der Gründungsprozeß, der in der Hand daß ungleiche Verteilungen vorgenom­ ten hätte mehr Ressourcen und zu viel den Forschungsschwerpunkten, vor der Sitzländer Berlin (drei Einrichtun­ men werden mußten. Dies schränkte Zeit beansprucht. Vor allem war auch allem den hauptsächlichen Gesprächs­ gen), Brandenburg (zwei Einrichtun­ insbesondere für einen Forschungs­ zu berücksichtigen, daß die Rechts­ partnern dort, den Forschungskoordi­ gen) und Sachsen (eine Einrichtung) schwerpunkt die Möglichkeit, Wissen­ lag, verlief nicht ohne Probleme. We­ form GmbH und die Finanzierung durch natoren. Eine .glückliche Hand" bei der schaftler aus den alten Bundesländern sentliche Voraussetzungen der For­ Bund und Länder die gleichzeitige An­ Auswahl der Verwaltungsmitarbeiter und dem Ausland einzustellen, erheb­ schungsarbeit, wie die Berufung der wendung kaufmännischer Rechnungs­ schuf die Voraussetzung für eine fach­ lich ein. Einschließlich Doktoranden, neuen Leiter in Verbindung mit den legungsvorschriften und kameralisti­ kundige, engagierte, immer zu beson­ Stipendiaten und Gastwissenschaftlern beteiligten Universitäten und die Er­ scher Haushalts-, Bewirtschaftungs­ deren Leistungen fähige .Mannschaft", arbeiten 1994/1995 im Durchschnitt richtung der wissenschaftlichen Beirä­ und Abrechnungsvorschriften beding­ eine Mixture aus abgeordneten Mitar­ ten. rund 50 Wissenschaftler aus den alten te, müssen im Jahr 1996 noch geschaf­ beitern aus der Generalverwaltung der Bundesländern und aus dem Ausland fen werden. MPG und aus neu von außen hinzu­ in den Einrichtungen. Nicht unerwähnt darf schließlich die kommenden (ebenfalls mit befristeten Leider ist es im Wissenschaftsrat 1994 Institution des Forschungskoordinators Arbeitsverträgen!), die zum Teil aus Dies vorangestellt, kann konstatiert nicht gelungen, hinsichtlich der Finan­ bleiben, der die Aufgabe hatte - zu­ den alten und zum Teil aus den neuen werden, daß die .neuen" Mitarbeiter zierung der Einrichtungen die frühere sätzlich zu seinen Forschungsaufga­ Ländern stammten. - das Spektrum der Disziplinen und Empfehlung dieses Gremiums aufrecht­ ben -, den kommissarischen Leiter zu Qualifikationen (auch des Methoden­ zuerhalten oder jene der Präsidenten­ unterstützen, die wissenschaftlichen Welchen Beitrag leistete die sog. wissens) in den einzelnen Forschungs­ kommission der MPG umzusetzen: Es Projekte zu koordinieren, Drehscheibe .Durchmischung", d. h. die Einstellung schwerpunkten erweiterten, war nicht möglich, für die Finanzierung zur Verwaltung zu sein und - ab 1993 von Wissenschaftlern aus den Univer­ - projektbezogenes, interdisziplinäres der Grundausstattung der Zentren eine - die Integration der Wissenschaftskul­ sitäten der alten Bundesländer und aus Arbeiten förderten sowie gemeinsame Förderung durch Bund turen Ost und West zu fördern. dem Ausland, auf die Entwicklung der - einen nicht zu unterschätzenden und Länder nach 91 b GG/Rahmenver­ Forschungsschwerpunkte? Beitrag für das Verstehen der unter­ einbarung Forschungsförderung zu er­ Bei einer Fortsetzung der Betreuung schiedlichen wissenschaftlichen Erfah­ reichen. Damit ist es allein Aufgabe der der Zentren für einen längeren Zeitraum Wie bereits erläutert, waren von Bund rungswelten und Kulturen in Ost und Sitzländer, die Grundausstattung be­ wäre wohl eine Anpassung der Verwal­ und Ländern für die Einstellung von West leisteten. reitzustellen. tungsstrukturen in der Weise zweck­ Wissenschaftlern aus den Universitä­ Die schwierige Finanzlage der Sitzlän­ mäßig gewesen, die zentral wahrzu­ ten der allen Bundesländer und des Wie geht es mit den Zentren weiter? Auslands im Jahr 1993 75 zusätzliche der läßt insbesondere bei den Partner­ nehmenden Aufgaben weiter zu straf­ Sind die konstitutiven Bedingungen rich­ Stellen bereitgestellt worden. Die erfor­ universitäten Zweifel aufkommen, ob fen und .vor Ort", also in den For­ tig gewählt worden? schungsschwerpunkten/Zentren, je derliche Aufstockung des Haushalts der Förderungsansatz Geisteswissen­ eine Verwaltungskraft vorzusehen. Mit wurde jedoch erst im Jahre 1994 vorge­ Am 1. Januar 1996 wurden entspre­ schaftliche Zentren auch den Universi­ dieser Fortentwicklung könnte die För­ nommen. Die zusätzlichen Stellen chend der Empfehlung des Wissen­ täten nützen wird. Mit dieser Zielset­ derungsgesellschaft durchaus als Mo­ konnten deshalb erst ab Mitte 1993 schaftsrates vom November 1994 sechs zung, letztlich auch die Position der dell für die administrative Betreuung besetzt werden. Das Erreichen der mit geisteswissenschaftliche Zentren ge- Geisteswissenschaften in den Univer-

118 hochschule ost 3/1996 hochschule ost 3/1996 119 sitäten zu stärken, haben Wissen­ Bemessung der Haushalts-Zuwachs­ Manfred Wölfling (Berlin): schaftsrat und Präsidentenkommissi­ raten zu berücksichtigen. on der Max-Planck-Gesellschaft ihre Die DFG ist mit ihren Bewilligungen für konzeptionellen Überlegungen ja ent­ die Jahre 1996 und 1997 den Erwartun­ Sorgenkind Industrieforschung Ost wickelt und die institutionellen Struk­ gen gerecht geworden. Sie .kümmert· turelemente definiert.Es wäre ein nicht wiedergutzumachender Schaden für die sich darüber hinaus um die Einrichtun­ Geisteswissenschaften, wenn die Zen­ gen, die von der neu eingerichteten tren, die ihre Bewährungsprobe in der Senatskommission für Kulturwissen­ Nachdem sich in den Jahren 1992 bis land geflossen. Dagegen zogen Ba­ .Übergangsphase• bereits bestanden schaften betreut werden. Zu wünschen 1994 das jährliche Wachstumstempo den-Württemberg und Bayern etwa 55 haben, nunmehr durch die Finanznöte wäre, daß das Modell, wie vom Präsi­ des Bruttoinlandsprodukts in Ost­ Prozent des ausländischen lnvestivka­ eben nicht die Chance erhalten wür­ denten der DFG kürzlich formuliert und deutschland um einen Wert von etwa 8 pitals auf sich.2 Stellt man diesen Wer­ den, .centres of excellence" zu werden. vom Wissenschaftsrat 1994 empfoh­ len, auch auf die alten Bundesländer Prozent bewegte, wurden 1995 nur noch ten die entsprechenden internen FuE­ Die Hoffnungen ruhen deshalb auf der ausgedehnt werden würde. etwa 5 1/2 Prozent erreicht. Im ersten Aufwendungen im Wirtschaftssektor Deutschen Forschungsgemeinschaft. Quartal 1996 ist nach vorläufigen Be­ gegenüber, so ergibt sich für das Jahr Diese soll den projektbezogenen Stel­ Wieland Keinath, Dipl.-Volksw., ist rechnungen des Deutschen Instituts 1993 eine frappierende Übereinstim­ len- und Mittelbedarf der Zentren finan­ Leiter der Abt. Interne Revision in der für Wirtschaftsforschung sogar mit ei­ mung. Auf die neuen Bundesländer zieren, etwa zwei Drittel des gesamten Generalverwaltung der Max-Planck­ nem Rückgang von -0, 7 Prozent zu entfallen 3,6 Prozent und auf die beiden Gesel/schaft und hatte im Nebenamt Budgets. Bund und Länder haben der 1 die Geschäftsführung der F6rderungs­ rechnen. Nun scheint angesichts die­ forschungsintensivsten Länder 50,4 DFG zugesagt, die hierfür zusätzlich gesellschaft Wissenschaftliche Neuvor­ ser prekären Lage auch der Auf­ Prozent der FuE-Aufwendungen in den notwendigen Förderungsmittel bei der haben wahrgenommen schwung Ost offensichtlich ins Stok­ Unternehmen.3 ken geraten zu sein. Der allgemeine Zur jetzigen Situation in den ostdeut­ wirtschaftliche Abschwung kann nicht schen Unternehmen hat der radikale Anmerkungen und Literaturhinweise: mehr kompensiert werden. Der Pro­ Abbau des Forschungspersonals in duktivitätsfortschritt von 3, 1 Prozent im (1) Wissenschaftsrat: Stellungnahme zu den außeruniversitären Forschungseinrichtungen erheblichem Maße beigetragen. Es lie­ der ehemaligen Akademie der Wissenschaften der DDR auf dem Gebiet der Geisteswissen­ ersten Quartal 1996 gegenüber dem gen unterschiedliche Schätzungen über schaften, Düsseldorf, Juli 1991, und: Empfehlungen zur Förderung Geisteswissenschaft­ entsprechenden Quartaldes Vorjahres licher Zentren, Stuttgart, November 1994. das verbliebene FuE-Personal im Wirt­ erklärt sich weitgehend aus dem Ab­ schaftssektor Ostdeutschlands (ein­ [2] Förderungsgesellschaft Wissenschaftliche Neuvorhaben mbH: Tätigkeitsbericht 1992 bau des Arbeitsvolumens. Die Lohn­ der geisteswissenschaftlichen Forschungsschwerpunkte, München 1993; Tätigkeitsbe­ schließlich Ost-Berlin) vor. Sie reichen stückkosten sind relativ stark ange­ richt 1993 der geisteswissenschaftlichen Forschungsschwerpunkte, München 1994; Tätig­ von ca. 22.000 im Jahre 1993 (SV­ stiegen, da sich die Lohnentwicklung keitsbericht 1994 der geisteswissenschaftlichen Forschungsschwerpunkte, München 1995. Wissenschaftsstatistik4) bis 16.000 im nicht wesentlich verändert hat. (3] W. Frühwald, H. R. Jauß, R. Kosselleck, J. Mittelstraß, B. Steinwachs: Geisteswissen­ Jahre 1995 (Forschungsagentur Ber­ schaften heute. Eine Denkschrift, Konstanz 1990. Hinzu kommt, daß sich die Attraktivität lin5). Mit hoher Wahrscheinlichkeit sind [4] Siehe hierzu: Wissenschaftsrat; Stellungnahme zu den außeruniversitären Forschungs­ des WirtschaftsstandortesOstdeutsch­ 3 von 4 ostdeutschen Forschern im einrichtungen der ehemaligen Akademie der Wissenschaften der DDR auf dem Gebiet der land für ausländische Investoren bisher Wirtschaftssektor seit dem Jahre 1989 Geisteswissenschaften, Düsseldorf, Juli 1991, Seite 68 ff. noch nicht erheblich verbessert hat. freigesetzt worden. Über einen derarti­ [5] ebenda, Seite 119. Betrachtet man die ausländischen Di­ gen Aderlaß an Wissen und Qualifika­ (6) ebenda, Seite 119. rektinvestitionen für die Jahre 1993 und tion können zwar kurzfristigrelativ hohe 1994, so sind in diesen Wirtschafts­ Wachstumsraten nach einer zusam­ raum (ohne Berlin) lediglich 3,3 Pro­ menbruchsartigenSituation hinwegtäu­ zent des Gesamtwertes für Deutsch- schen, auf längere Sicht war aber mit

120 hochschule ost 3/ 1996 hochschule ost 3/1996 121 nachhaltigen negativen Auswirkungen chen. Das Ergebnis ist ein stark differen­ (auf mehr als das Doppelte) zu ver­ Unterstützung angeboten werden müß­ zu rechnen. Die massive FuE-Förde­ ziertesBild mit überraschenden Verän­ zeichnen. Diese positive Entwicklung te, um ihnen möglichst schnell zu einer rung der Bundesregierung, der Länder derungen. Es ist besonders darauf hin­ darf jedoch nicht darüber hinwegtäu­ wettbewerbsfähigen Wirtschaftslagezu und der EU hat mit einer Fülle von zuweisen, daß es sich hier lediglich schen, daß diese Größengruppe im verhelfen. Die Realität des Struktur­ Programmen weiteren Schaden von den um die Veränderung innerhalb eines Jahre 1992 trotz beträchtlicher Zuwäch­ wandels bringt ans Tageslicht, daß Unternehmenabgewendet. Die Förder­ Jahres handelt, das am Ende der Pha­ se .nur" einen Umsatzanteil von 7, 1 vH diese Orientierung ihre Berechtigung quote - gemessen an den gesamten se der gravierendsten Einschnitte in (1991: 3,7 vH) und einen Beschäftig­ hat, aber nicht auf Kosten und zu einer Forschungsaufwendungen der ostdeut­ den ostdeutschen Wirtschaftsmecha­ tenanteil von 9,6 vH (1991: 4,5 vH) sträflichen Vernachlässigung der grö­ schen Wirtschaft - ist von 1991 bis nismus (1989 bis 1992) lag. aufwies.Die Betriebsgrößenstruktur hat ßeren Unternehmen führen darf. 1994 erheblich angestiegen und hat sich innerhalb eines Jahres radikal ver­ In der Betriebsgrößengruppe unter 100 zeitweise Werte von mehr als 40 Pro­ ändert;durch Neugründungen7 und Auf­ Analysen über die Inanspruchnahme Beschäftigten hat sich der Beschäftig­ zent erreicht. teilung größerer Unternehmen ist die von Fördermaßnahmen für Forschung, tenabbau auf 88 vH im Vergleich zu den Größengruppe bis zu 100 Beschäftig­ Entwicklung und Innovation im Zeit­ Die drastischen Veränderungen der anderen Größengruppen eher moderat ten erheblich angewachsen. Bestim­ raum von 1992 bis 1995 haben erge­ aggregiertenKennziffern lassen vermu­ vollzogen. Sowohl der Umsatz als auch mend für das Gesamtergebnis in der ben, daß die Unternehmen der unteren ten, daß auch in den einzelnen Be­ die FuE-Kennziffern° sind beträchtlich ostdeutschen Wirtschaft war in die­ Größengruppe (20 bis 49 Beschäftigte) triebsgrößen der ostdeutschen Unter­ angewachsen. Besonders starke Ge­ sem Zeitraum aber immer noch die und der oberen (1.000 und mehr Perso­ nehmen sehr unterschiedliche Entwick­ winne innerhalb der FuE-Beschäftig­ Größengruppe mit 2.000 und mehr Be­ nen) etwa zu gleichen Anteilen (ca. 46 lungen stattgefunden haben. In der ten, die auf 156 vH anstiegen, hatten im schäftigten, die fast die Hälfte des vH) mit Fördermitteln bedacht wurden, Tabelle 1 werden die ökonomischen Vergleich zu der nicht so sprunghaft Umsatzes (47 vH) und etwa ein Drittel während die dazwischenliegenden Indikatoren (Beschäftigte und Umsatz) anwachsenden Anzahl der Wissen­ der Beschäftigten umfaßte. Sehr ein­ Gruppen viel höhere Anteile aufwiesen mit den gebräuchlichsten FuE-Kenn­ schaftler und Ingenieure (133 vH) die schneidend hat sich der Strukturwan­ (etwa 65 bis 73 vH).9 Die großen Unter­ zahlen nach 5 Größengruppen vergli- Techniker und das sonstige Personal del auf die Größengruppe zwischen nehmen haben es aufgrund ihrer Fach­ 1.000 und 2.000 Beschäftigten ausge­ kompetenz und ihres Mitarbeiterpoten­ Tabelle 1: Veränderung von Kennziffern in ostdeutschen Unternehmen des Wirt­ wirkt. Alle betrachteten Kennziffern tials oftmals leichter, Fördermittel zu schaftssektorsmit FuE-Aufwendungen nach der Betriebsgröße im Jahre 1992 (1991 akquirieren. Sie konzentrieren sich da­ = 100) weisen die stärksten Rückgänge im Vergleich zu den anderen Betriebsgrö­ bei bedingt durch die Begrenzung vieler ßen auf.8 In der oberen Firmengruppe Förderprogramme bis zu einer Unter­ sind FuE-Personal und Beschäftigung nehmensgröße von 1.000 Beschäftig­ etwa auf das gleiche Niveau abgesun­ ten (etwa Personalförderung Ost, Per­ Betriebsgröße Beschäftigte FuE- Umsatz FuE- sonalzuwachsförderung, Auftragsfor­ Aufwand ken: der FuE-Aufwand ist noch stärker BeschäftiQte schung und -entwicklung, Innovations­ 88 156 126 168 gefallen als der Umsatz. unter 100 förderung, Forschungskooperation) vor­ 87 87 100 - 499 60 77 Mit der Bewertung von Forschung und rangig auf die Fachprogramme. 500- 999 43 57 63 83 Entwicklung in den ostdeutschen Län­ 1.000 - 1.999 17 24 30 41 dernwird das Ziel verfolgt, Empfehlun­ Die Innovationsintensität in den unter­ 2.000 und mehr 32 34 64 55 gen für differenzierte Fördermaßnah­ schiedlichen Betriebsgrößen (ausge­ insgesamt 40 65 65 83 men in den Branchen und den unter­ drückt durch die Realisierung von Inno­ schiedlichen Betriebsgrößengruppen vationen) weist im Vergleich mit der vorzuschlagen. Bislang herrschte die Beteiligung an der Forschungsförde­ Meinung vor, daß den kleinen und mitt­ rung auf eine bemerkenswerte Tatsa­ Quelle: SV-Wissenschaftsstatistik GmbH (1994); eigene Berechnungen leren Unternehmen eine besondere che hin (Tabelle 2).

122 hoch schule OSI 3/ 1996 hochschule ost 3/1996 123 Tabelle 2: Realisierung von Innovationen im verarbeitenden Gewerbe Ostdeutsch­ hohen Förderquoten hat auch die Inno­ zum Zusammenhang zwischen FuE­ lands nach Größenklassen von 1990 bis 1995 und Inanspruchnahme von Förder­ vationstätigkeit nachgelassen, obwohl Kennziffem und Betriebsgrößen bezie­ maßnahmen (1992 bis 1995) Innovationen eine wesentliche Voraus­ hen sich auf Unternehmen mit FuE­ setzung für die Belebung des Wirt­ Aufwendungen. Die notwendige Neu­ ... % der Unternehmen haben Innovationen realisiert bzw. Förderung erhalten (letzte schaftswachstums wären. Dazu fehlt Spalte) gründung von kleinen und mittleren Un­ der überwiegenden Zahl der ostdeut­ ternehmen sowie die Inkorporation von schen Unternehmen jedoch die nötige Forschung und Entwicklung in bisher Eigenkapitalausstattung. Ergänzende forschungsinaktive Unternehmen wird oder alternative Möglichkeiten der Fi­ dadurch nicht berührt. Tabelle 3 gibt nanzierung durch fremde Mittel (z. B. einen Einblick in die Struktur der For­ Größenklasse 1990 1991 1992 1993 1994 1995 Förderungsanteil Risikokapital) sind in Deutschland noch schungsintensitäten, der relativen For­ (1992 bis 1995) unzureichend entwickelt. schungsaufwendungen und der Pro­ duktivität für die unterschiedlichen Un­ 20 -49 22,2 61,2 57,6 64,5 58,2 55 8 46.4 Die folgenden vertiefenden Aussagen 50 - 199 42,9 73,6 77,1 77,5 73,5 71,8 64,7 ternehmensgrößen. 200 -999 39 9 72,3 78.4 83,0 75 8 77,3 72,9 1.000 u. mehr 50,0 66,9 74,8 75,0 77,4 68,9 46,1 insaesamt 43,1 70,7 74,4 76,3 71,2 69,1 60,8 Tabelle 3: Ost-West-V ergleich relativer Kennziffern in Unternehmen des Wirtschafts­ sektors mit FuE-Aufwendungen nach der Betriebsgröße (Ost: 1992; West: 1991) Quelle: ifo (1996) Es zeigt sich ganz deutlich, daß der keiten im Marketing, in der Forschung .Verwertungskoeffizient"(Quotient aus und bei der Beschaffung von Know-how Innovationsanteil und Förderungsanteil) verfügt. In den kleineren Unternehmen bei den Unternehmen mit 1.000 und mangelt es gerade an diesen wichtigen mehr Beschäftigten weit über dem Innovationsressourcen. Dafür sind sie Betriebs- Umsatzbezoge Personalbezog FuE-Aufwand Umsatzje aber in der Lage, auf außerordentliche größe ne ene je Beschäftigten Durchschnitt liegt. Die anderen Grö­ Forschungsint Forschungsint Beschäftigten (Tsd. DM) ßengruppen unterscheiden sich nur Situationen flexibler zu reagieren als en-sität (vH) en-sität (vH) (Tsd. DM) unwesentlich voneinander. Das ist zu­ Großunternehmen mit starren und oft Beschäftigte Ost West Ost West Ost West Ost West mindest ein Indiz dafür, daß For­ verkrusteten Strukturen. unter 100 14,3 4,8 18,3 7,3 11.4 10,2 80 211 schungsförderung in erster Linie bei 100 -499 5,2 2,6 6,3 3,8 4,2 5,7 82 221 größeren Unternehmen zu einem über­ Es muß aber auch festgehalten wer­ 500-999 4,4 2,1 4,5 3,8 3,7 6,2 84 299 1.000 • 1.999 proportionalen Innovationsanteil führt. den, daß seit dem Jahre 1993 der 34 2,9 4,0 5,0 4,0 8,0 115 274 2.000 u. mehr 1,5 4,3 2,6 5,6 2,3 11,7 154 272 In den größeren Unternehmen findet Innovationsanteil in allen Größengrup­ insgesamt 3,9 3,8 5,8 5,3 4,2 10,2 108 265 man eine stärkere Konzentration der pen rückläufig ist. Die Förderquote (An­ Innovationsressourcen vor, so daß auch teil der FuE-Fördermittel an den ge­ die Innovationsmöglichkeiten größer samten FuE-Aufwendungen der Unter­ sind als in Klein- und Mittelbetrieben. nehmen) erreichte 1993/94 ihren Höhe­ Im allgemeinen ist in den Großunter­ punkt. Mit dem stärkeren Einsetzen nehmen qualifiziertesPersonal vorhan­ der Wachstumsabschwächung seit den, das über die notwendigen Fähig- Anfang 1995 und der Rücknahme der Quelle: SV-Wissenschaftsstatistik GmbH (1994): eigene Berechnungen

hochschule ost 3/1996 125 124 hochschule ost 3/ 1996 FuE-Beschäftigten und die FuE-Auf­ tionen der Größenstruktur drängt (vgl. Es ist nicht zu übersehen, daß die Firmen erheblich an. In der Produk­ wendungen so stark ausgeprägt (etwa Tabelle 5). Kleinunternehmen bis zu 100 Beschäf­ tivität erreichen die ostdeutschen im Verhältnis 1 : 5), daß sie die Defor­ Zur Erinnerung sei betont, daß in West­ tigten weit höhere Forschungsintensi­ Unternehmen, die 2.000 und mehr Per­ mationen in den Größengruppen, die deutschland der Anteil der FuE-Be­ täten aufweisenals die vergleichbaren sonen beschäftigen, das beste Ergeb­ im Umsatz und bei den Beschäftigten schäftigten in den Unternehmenab 500 westdeutschen Unternehmen. Selbst nis mit ca. 57 vH des Niveaus der festzustellen sind, weit übertreffen. bis zu einer Größe von 1.000 Beschäf­ westdeutschen Firmen. Beschäftigten mehr als 85 Prozent tigten ist der Unterschied noch signifi­ beträgt (vgl. Tabelle 4). Da abzusehen kant. Für die größeren Unternehmen Zur Erhärtung der These vom Ungleich­ ist, daß die kleinen und mittleren Unter­ mit 1.000 und mehr Beschäftigten be­ gewicht in der Verteilung der For­ Der Ausbau der ostdeutschen Wirt­ nehmen trotz erheblicher FuE-Förder­ ginnen sich die Verhältnisse umzukeh­ schungspotentiale in der ostdeutschen schaft, die sich durch eine ausgewoge­ maßnahmen nur langsam zu größeren ren. Die Tatsache, daß die FuE-Auf­ Wirtschaft kann die Tabelle 4 herange­ ne Betriebsgrößenverteilungauszeich­ Unternehmen anwachsen, wird die wendungen je Beschäftigten in der zogen werden. nen sollte, um erfolgreich am interna­ Wettbewerbsfähigkeit im gesamten Betriebsgröße bis 100 Personen etwa tionalen Wettbewerb teilnehmen zu ostdeutschen Wirtschaftssektor auf­ dem westdeutschen Wert entsprechen, Das Übergewicht der kleinen und mitt­ können, wird einen längeren Zeitraum grund der mangelnden FuE-Aktivitäten bekräftigt die These der günstigeren leren Unternehmen bis zu 1.000 Be­ in Anspruch nehmen. Die Vernachläs­ in den größeren Firmen nicht die erhoff­ Position der Kleinunternehmen gegen­ schäftigten in der ostdeutschen Wirt­ sigung der Forschung in den großen ten spürbaren Fortschritte machen. über den größeren Firmen. Mit steigen­ schaft ist bei allen vier Kennziffernun­ Unternehmen und die starke Begünsti­ Ebenso bieten die lokalen Marktbezie­ der Betriebsgröße wächst der Unter­ verkennbar. Bei den Unternehmen ab gung in den kleineren Unternehmen, hungen der ostdeutschen Produzen­ schied bei diesem entscheidenden In­ 2.000 Beschäftigten sind die Diskre­ die im konträren Gegensatz zur Situa­ ten, die sich gegenwärtig in einer Pha­ dikator zuungunsten der ostdeutschen panzen in den Anteilsgrößen für die tion in der westdeutschen (weitgehend se der Stabilisierung befinden, keine effizienten und wettbewerbsfähigen} Gewähr für zukünftige Erfolge der klei­ Tabelle 4: Ost-West-Vergleich wichtiger KennziffernIn Unternehmen des Wirtschafts­ Wirtschaft steht, muß zwangsläufig zu neren und mittleren Unternehmen, da sektors mit FuE-Aufwendungen nach der Betriebsgröße einer Allokation des Forschungspoten­ die Konkurrenz mit attraktiven Produk­ (Ost: 1992; West: 1991) tials führen, die den Strukturwandel ten und Dienstleistungen aufwarten eher in die Richtung weiterer Deforma- wird.

Tabelle 5: Fortgesetzte Deformation der Betriebsgrößenstruktur am Beispiel der Verteilung der FuE-Beschäftigten im ostdeutschen Wirtschaftssektor

Betriebs- Beschäftigte FuE- Umsatz FuE-Aufwand größe (vH) Beschäftigte (vH) (vH) a b (vH) Betriebsgröße 1992 1995 Beschäftigte Ost West Ost West Ost West Ost West unter 100 30,7 52,7 unter 100 9,6 3,5 4,9 7,1 2,8 26,2 30,7 3,5 100 bis 499 37,0 33,1 100- 499 34 2 13,4 37,0 9,7 25,9 11, 1 34,7 7,6 500- 999 17, 1 6,9 13,2 5,0 13,3 7,8 15,0 4,3 500 und mehr 32,3 14,2 1.000 - 1.999 6,6 7,6 4,5 7,3 7,1 7,9 6,3 6,0 100,0 100,0 2.000 u. mehr 32,5 68,6 14,6 73,1 46,6 70,4 17,8 78,6 insgesamt 100 100 100 100 100 100 100 100

a) SV-Wissenschaftsstatistik GmbH (1994), vgl. auch Tabelle 4 b) Forschungsagentur Berlin GmbH (1996); eigene Berechnungen Quelle: SV-Wissenschaftsstatistik Gm bH (1994); eigene Berechnungen

hochschule ost 3/1996 127 126 hochschule ost 3/1996 Die Veränderungen der FuE-Beschäf­ Innovations- und Marktschwächen der kelten Regionen beizutragen. Ein grö­ Wie eingangs bereits dargestellt, sind tigten in den einzelnen Wirtschafts­ ostdeutschen Unternehmen überwin­ ßeres Unternehmen bildet dabei einen aktive Forschungszentren neben dem zweigen sind noch äußerst fragil. Erste den helfen können. Dazu sind tragfähi­ Nukleus, um den sich kleinere High­ vorhandenen Produktions- und Markt­ Anhaltspunkte über wachsende und ge Vorschläge unterbreitet worden. 11 Tech-Firmen. Zulieferbetriebe und ein. potential der betreffenden Region die schrumpfende Branchen können aus Es geht im wesentlichen um die Zu­ Netzwerk von Dienstleistern (markter­ wichtigsten Determinanten für Investo­ den Daten der Forschungsagentur Ber­ sammenführung von vier Bereichen: das kundende, technische. finanzielle, wis­ ren. lin für die Jahre 1994 und 1995 gewon­ Besinnen auf die bisherigen Wettbe­ senschaftliche, personelle, informati­ nen werden. 10 Danach wachsen die FuE­ werbsstärken (Maschinenbau, Fahr­ onsvermlttelnde) ansiedeln. Am unterschiedlichen Anteil des for­ Beschäftigten folgender Wirtschafts­ zeugbau, Chemie, Umwelttechnik u. schungsaktiven Wirtschaftssektors an zweige (größer als 7,5 vH) am stärk­ a.), die Integration von Zukunftstechni­ Es wird eine längere Zeitperiode in der gesamten Wirtschaft in den ost­ sten: ken (Mikroelektronik, Mikrosystem­ Anspruch nehmen. ehe sich die defor­ deutschen und westdeutschen Ländern, - Herstellung von Gummi- und Kunst­ technik, neue Werkstoffe, Biotechno­ mierte Industrieforschungsstruktur in der nach groben Schätzungen etwa ein stoffwaren, logie u. a.), die Orientierung auf neue den ostdeutschen Ländern einem effi­ Drittel (Ost) beziehungsweise mehr als - Meß-, Steuer- und Regelungstech­ Leitbilder (z. B. Wissenseinsatz, inte­ zienten Strukturtyp annähern wird. Im die Hälfte (West) beträgt, läßt sich nik; Medizintechnik; Optik, grierte lnfrastruktursysteme, ökologi­ Interesse des Abbaus von Transferzah­ ermessen, daß es vor allem darauf an­ - sonstige Wirtschaftszweige (Dienst­ sches Wirtschaften) und die Erkun­ lungen und der hohen Arbeitslosigkeit kommt, diejenigen Firmen zu errei­ leistungen im weiteren Sinne), dung neuer Märkte (Umwelt, private kann auf eine Unterstützung dieses chen, die bisher ohne Forschung und - Rundfunk-, Fernseh- und Nachrich­ Haushalte, Verkehr und Kommunikati­ Prozesses durch geeignete Förder­ Entwicklung ausgekommen sind. Zu­ tentechnik, on, Gesundheit, Alter). maßnahmen gegenwärtig noch nicht nächst muß in den Unternehmen er­ - Recycling. verzichtet werden. Forschung und Ent­ kannt werden. daß ohne Forschungs­ Die hier dargestellten Resultate der wicklung müssen deshalb auch in grö­ aktivitäten (mit dem Blick auf Innovatio­ Dem stehen Rückgänge in Branchen FuE-Aktivitäten in Ost und West sowie ßeren Unternehmen Ostdeutschlands nen) und Technologietransfer (vor al­ (mehr als 15 vH) gegenüber, die weiter­ wieder einen adäquaten Platz finden. die starke Differenzierung zwischenden lem zur Imitation) die Entwicklung wett­ hin Forschungspersonal abbauen: Die Schwierigkeiten bestehen darin, Betriebsgrößen bringen zutage, daß bewerbsfähiger Produkte und Techno­ - chemische Industrie; Mineralölverar­ daß die Zahl der Großunternehmen die massive Förderung der kleinen und logien nicht entscheidend beeinflußt beitung, rapide abgenommen hat, daß eine mittleren Unternehmen zu beachtlichen werden kann. Das ist die wichtigste - Herstellung von Möbeln, Sportgerä­ Erfolgen geführt hat und diese Unter­ Verlagerung der ohnehin begrenzten Voraussetzung für eine sinnvolle For­ ten und Musikinstrumenten, nehmen bezüglich der Forschungsin­ Fördermittel in die größeren Unterneh­ schungsförderung, die sich nicht grund­ - Herstellung von Geräten zur Elektri­ tensitäten und des Pro-Kopf-Aufwands men die eingetretene Stabilisierung in sätzlich nur auf finanzielle Mittel aus­ zitätserzeugung, an Forschungsmitteln in die Nähe der den kleinen und mittleren Unterneh­ richtet, sondern die Kooperation zwi­ - Metallerzeugung und -bearbeitung, westdeutschen Unternehmen gerückt men wieder gefährden könnte und daß schen den Unternehmen und Wissen­ - Glasgewerbe und Keramik. sind. Markante Unterschiede bestim­ die ostdeutschen Tochterunternehmen schaftseinrichtungen sowie den Wis­ größerer westdeutscher Firmen nach Die Zunahme der FuE-Beschäftigten men aber vor allem das Bild der größe­ sens- und Technologietransfer eben­ wie vor keine Forschungsabteilungen falls in den Vordergrund rücken sollte. deutet bereits an, welche technologi­ ren Unternehmen. die bisher von der aufweisen. 12 Um diese Trennung von schen Richtungen für die ostdeutsche Förderung in geringerem Maße profi­ Das frei verfügbare Wissen aus den Pro-duktion und Forschung zu Ober­ Wirtschaft zukünftig von Bedeutung sein tierten. Größere Firmen sind für eine staatlich geförderten Wissenschafts­ werden. Für den ostdeutschen Wirt­ effiziente Wirtschaftsstruktur unent­ winden, müßte eine stärkere Bindung einrichtungen kann relativ problemlos schaftsraum insgesamt beziehungs­ behrlich. Sie bieten einer Vielzahl von der Fördermittel an ostdeutsche Stand­ abgeschöpft werden. Andererseits kön­ weise für bestimmte Regionen (z. B. kleinen und mittelständischen Unter­ orte mit dem Ziel des Aufbaus von nen durch Imitationen von Produkten Leipzig-Halle, Berlin-Brandenburg) ge­ nehmen die Chance, ihre Netzwerke Forschungszentren zu einer Bedingung und VerfahrenWettbewerbseffekte er­ hören Innovationsstrategien nach wie zu nutzen und damit zu einer stabilen der staatlichen Zuwendungen für grö­ zielt werden, die den Vorteilen originä­ vor zu denjenigen Hilfsmitteln, die die Wirtschaftsentwicklung in unterentwik- ßere Unternehmen gemacht werden. rer Innovationen nicht entscheidend

128 hochschule OSI 3/ 1996 hochschule ost 3/ 1996 129 nachstehen. Geringere Kosten und können die bereits flächendeckend in­ kürzere Entwicklungszeiten der Imita­ stallierten Transfereinrichtungen nütz­ tionen sind Stärken, die den Neuig­ liche Dienste leisten. Im Falle des ge­ keitsgrad und die Attraktivität von Inno­ schützten Wissens sollten Möglich­ vationen mehr als aufwiegen können. 13 keiten geschaffen werden, um vor allen den kleinenund mittleren Unternehmen Die ostdeutsche Wirtschaftbraucht ein den Zugang zum Know-how zu erleich­ innovatives Umfeld, das die Standort­ tern. Die Verbesserung der Patent­ und Rahmenbedingungen für Investo­ beratung und möglicherweiseauch die ren verbessert und Unternehmensgrün­ Senkung von Patentgebühren könnten der anzieht. Die bestehenden Fehlallo­ zu wettbewerbserhöhenden Effekten kationen zwischen nachgefragten Gü­ führen. tern einerseits und der Ausnutzung der vorhandenen Ressourcen andererseits Zu einer erfolgreichenInnovationstätig­ schränken die Überlebens- und Wett­ keit gehört aber nicht nur die Nutzung bewerbsfähigkeit einer zu großen An­ des vorhandenen Wissens und der In­ zahl von Unternehmen noch in starkem frastruktur, sondern auch die Fähig­ Maße ein. Alle Entscheidungen, die keit. Produkte und Technologien ent­ auf die Verbesserung der infrastruktu­ sprechend den Kundenwünschen so­ rellen Bedingungen der Firmen abzie­ weit zu entwickeln, daß sie auf den len, sind deshalb nachhaltig zu befür­ internationalen Märkten gleichwertige worten. Die Chancen der Ansiedlung oder führende Positionen einnehmen. und Neugründung von Unternehmenin Innovationen oder Imitationen haben der Nähe von Wissenschafts- und For­ sich erst dann bewährt, wenn der Ver­ schungsstandorten zur Nutzung der kaufserfolg der neuen Produkte und .spillovers" sowie die Übernahme von Dienstleistungen abgesichert ist. Dazu Forschungsergebnissen der wissen­ bedarf es fundierter Marketingstrategi­ schaftlichen Einrichtungen werden noch en. unzureichend genutzt. Sofern es sich Manfred Wölfling, Prof. Dr. oec., ist um frei zugängliches Wissen handelt, Wirtschaftswissenschaftler in Berlin

Anmerkungen: 'DIW, Wochenbericht 20/96 vom 16. Mai 1996, s. 344 2 Vgl. Institut der deutschen Wirtschaft (Hrsg.), Forschung zieht an, in: iwd, H. 27/1994, S. 1; Bundesministerium für Wirtschaft (Hrsg.), Tagesnachrichten, 9. Mai 1995, Nr. 10314, S. 4 3 SV-Wissenschaftsstatistik GmbH (Hrsg.), Forschung und Entwicklung in der Wirtschaft, Ergebnisse 1993, 1994, Planung 1995, FuE-INFO, Essen, Dezember 1995, S. 6 • Ebenda, S. 6 0 • Forschungsagentur Berlin GmbH (Hrsg.), Beschäftigungsentwicklung in der wirtschafts­ nahen Forschung der neuen Bundesländer 1995, Berlin, Januar 1996, S. 2

hochschule ost 3/1996 130 hochschule ost 3/ 1996 131 rungen wegen der massenhaften Rück­ Notendurchschnitt im Abitur erhöhen. Karin Reiche (Dresden): übertragungsansprüche oder die Ver­ Für angehende Ingenieurinnen ist eine wirrung, die eine Frau befällt, wenn sie solche Entwicklung ungünstig. Sie engt zum ersten Mal das für sie zuständige den Horizont zu einer Zeit ein, während Ein Studienführer für mathematisch­ Arbeitsamt betreten muß, oder ... der die Schülerin in der akuten Selbst­ naturwissenschaftlich begabte Frauen findungsphase ist, und behindert so Überlegungen zu einem realisierten Projekt Ein paar Jahre danach ist nun klar, daß eine freie Berufswahl. Nach meiner man handwerkliche Tätigkeiten nicht Meinung finden wir in der ungenügen­ unbedingt in der Schule lernen muß den Heranführung an technische und und daß man auch naturwissenschaftli­ naturwissenschaftliche Fragestellun­ che Fächer wie Physik und Biologie gen einen Grund für das beklagenswer­ Für Gleichstellungsfragen zu sensibili­ ostdeutschen Mädchen spukt die Vor­ einfach abwählen kann, wenn die Ge­ te Berufswahlverhalten der Abiturien­ sieren ist eine wichtige Aufgabe aller stellung, daß im Westen viele Frauen fahr besteht, daß diese Fächer den tinnen. mit Gleichstellungsfragen Befaßten. damit zufrieden seien, Hausfrau zu sein, Leider ist bei Schülerinnen in den neu­ und daß im Osten wegen der Erfah­ Berufs- bzw. Studienwahlverhalten und Möglichkeiten der Einfluß­ en Ländern die Erkenntnis von Benach­ rungen aus dem Arbeitsalltag in der teiligung und erst recht der Wille der DDR-Zeit erfolgreiche Selbstbehaup­ nahme durch außerschulische Einrichtungen aktiven Gegenwehr gegen Diskriminie­ tungsstrategien bestehen. Deshalb er­ Der Kultusminister im Freistaat Sach­ schwierigen Situation auf dem Lehr­ rung nicht gut ausgebildet. Das !iegt schallen bei ostdeutschen Schülerin­ sen sagte im Mai 1996 unter Berufung stellenmarkt. Die Folgen dieses unge­ nen keine Alarmglocken, wenn z. 8. sowohl an den im Elternhaus vermittel­ auf eine neue Umfrage bei 21000 Gym­ lösten Problems tragen die Frauen noch die Kölner Sozialwissenschaftlerin Ca­ ten Wertvorstellungen als auch an der nasiastinnen, daß voraussichtlich nur in der nächsten Generation. Roemer u. rola Möller den Anteil der Frauen, die Situation in den Schulen. 40 bis 50% der Abiturienten dieses a.2 verglichen die Lebensverläufe von ihre Existenz durch ein eigenes Ein­ Jahres direkt nach der Schule ein Stu­ Frauen in Ost- und Westdeutschland Die Bezugspersonen in Schulen sind kommen sichern können, auf lediglich dium aufnehmen wollen. Diese anhal­ anhand von Frauen des Jahrgangs oft Lehrerinnen, die Maßstäbe für 27% beziffert1 Zensurenvergabe scheinen objektiv zu tend geringe Studierneigung verschärft 1949. Eine Untersuchung der Wertori­ die Lehrstellennot. Die Abiturientinnen sein und sind zumindest bei schriftli­ Die Umstellung des Schulsystems von entierungen von Hochschulabsolventin­ gehen nicht ohne Grund davon aus, chen Leistungskontrollen nachvollzieh­ der Allgemeinbildenden Polytechni­ nen und Frauen ohne Berufsabschluß daß sich mit einem technischen Lehr­ bar. Die Schülerinnenerhalten im Durch­ schen Oberschule (POS) und der Er­ in den alten Bundesländern ergab ei­ beruf die Aussichten auf einen sehr schnitt bessere Noten als Schüler. Die weiterten Oberschule (EOS) auf meh­ nen grundsätzlichen Unterschied: guten Abschluß in einschlägigen Stu­ neue Koedukationsdebatte, die eine rere neue und dazu noch in allen Bun­ Während für Hochschulabsolventinnen dienrichtungen und auf einen leichteren zeitweise und fachbezogene Trennung desländern uneinheitliche schulische ,,ein Beruf, der Freude macht und aus­ der Geschlechter, d. h. die Bildung von Berufsstart verbessern. Technisch in­ fallt" sowie .verläßlicheFreunde" höch­ Ausbildungen hat in den neuen Bun­ teressierte Mädchen sind benachteiligt, Mädchen- und Jungenklassen z. B. im desländern zu großer Verwirrung ge­ ste Werte darstellen, sind es bei Frau­ Physikunterricht, begründet, ist in den weil es für sie wenig Lehrstellenange­ en ohne Berufsabschluß .ein g/Ock/i­ führt, so daß die Benachteiligung für bote in technischen Lehrberufen gibt Schulen kaum bekannt und wird selbst technisch interessierte Schülerinnen ches Eheleben mit Kindern und später an den Hochschulen vom Lehrpersonal (siehe elektrotechnische Ausbildungs­ mit Enkeln" und .ein geregeltes und zunächst nicht auffiel. Natürlich war die berufe oder Metallberufe) und sie somit mehrheitlich nicht befürwortet. Verwirrung nicht größer als andere sicheres Leben·. Das hat sicher Aus­ vom einmal angestrebten Berufsziel wirkung auf die Erziehung der jetzt Die Benachteiligung der Mädchen fällt wendebedingte Verwirrungen, auch abgedrängt bzw. in ihrem Lebensent­ noch ungeborenen Mädchen. Fakt ist, wirklich erst beim näheren Hinsehen z.B. die Verwirrungen wegen der Tätig­ wurf durch Sachzwänge fremdbestimmt daß die sogenannten Familienfrauen und beim Übergang in eine Berufsaus­ keit der Treuhand, die Verwirrungen, werden. mehr Kinder haben, daß der Erzie­ bildung bzw. beim Kennenlernen des die im Zusammenhang mit dem neuen Der Kultusminister spricht von einer hungsanteil der Familienfrauen in der Arbeitsmarktes auf. In den Köpfen der Scheidungsrecht auftraten, die Verwir- hochschule ost 3/1996 133 132 hochschule ost 3/ 1996 traditionellen Vater-Mutter-Kind-Fami­ rich, Lina Hähnle, Lise Meitner, Maria fach unsicher geworden sind. Häufig den Geschlechts gut besucht. Daß lie wesentlich größer ist als in der Sibilla Merian, Julia Morgan, Maria haben studierfähige, mathematisch/na­ solche Veranstaltungen an Hochschu­ modernen partnerschaftlichen Familie Reiche, Margarethe von Wrangell usw. turwissenschaftlichbegabte Schülerin­ len der neuen Länder speziell für natur­ und daß diese Familienfrauen die o. g. werden publiziert.Deren Vorbildwirkung nen in ihrem Verwandten- und Bekann­ wissenschaftlich/technisch begabte die Diskriminierung von Frauen fördern­ ist nicht zu unterschätzen! Es gibt aber tenkreis Männer und nur selten Frau­ Schülerinnen durchgeführt werden (z.B. den traditionellen Werte (z. B. Folg­ noch einen beachtlichen Nachholebe­ en, die ihnen ihre Fragen zu Studium die .Schnupper-Uni für Oberstufenschü­ samkeit) weitergeben einschließlich der darf in der Darstellung und Selbstdar­ und Beruf aus eigener Studien- und lerinnen" an der Universität Dortmund, seit Jahrhunderten von Generation zu stellung von Frauen im Vergleich zu Berufserfahrung beantworten können. die Veranstaltung .Hochschule zum Generation unter den Frauen der Fami­ Männern. Gewöhnlich fehlt es insbesondere in Anfassen - Mädchen erleben Technik" lie lebendigen Strategien zum Umgang Frauenvereine arbeiten an Broschüren, den sogenannten Männerberufen an von der Universität Karlsruhe oder die mit der Unterordnung. In den neuen deren Zielgruppe Schülerinnen sind. Frauen, die auf Fragen zur Vereinba­ .Sommeruniversität für Frauen in Na­ Bundesländern sind auch Jahre nach Frauenforscherinnen veröffentlichen für rung von Beruf und Familie, zur Akzep­ turwissenschaft und Technik" an der der Wende für die meisten Frauen Be­ diese Zielgruppe - und handeln sich tanz von Frauen in dem Beruf und zu Gerhard-Mercator-Universltät Gesamt­ Karrierefragen oder zur geistigen, kör­ ruf und Familie Wertemit gleicher Wich­ dabei den Stempel der Unwissenschaft­ hochschule Duisburg) ist mir nicht perlichen, psychischen Belastung und tigkeit. lichkeit ein, was in Berufungsverhand­ bekannt. deren Folgen Auskunft geben können. lungen das Aus bedeuten kann. Aus Es gibt in Dresden Angebote zu Bera­ Die Rangreihe der väterlichen Erzie­ Also wenden sich viele Schülerinnen relativ sicherer, aber bei weitem nicht tungsgesprächen von gestandenen hungsziele in den alten und neuen mit Fragen zum Studieninhalt an Män­ unangefochtener Position können Fachfrauen aus der nächsten und über­ Bundesländern sieht gleichermaßen ner, und die anderen Fragen bleiben Gleichstellungs- und Frauenbeauftrag­ nächsten Generation, wie sie z. B. vom .gute Leistungen in der Schule und unbeantwortet oder werden von Frauen te hier einen Beitrag leisten. Expertinnen-Beratungsnetz organisiert Berufsausbildung" als erstes Erzie­ aus anderen Berufsgruppen mehr oder werden. leider nehmen Schülerinnen hungsziel vor. Das beinhaltet zwar noch Leider gibt es an den Hochschulen der weniger zutreffend beantwortet. Darauf diese Angebote kaum wahr. keine Hinwendung zur Berufsausbil­ neuen Bundesländer nur eine einzige folgt der .Sprung ins kalte Wasser" und dung, die sich allein auf Begabung und Frauenforschungsprofessur. Diese wur­ .learning by doing", oder die Schüle­ Auch Veröffentlichungen in der Presse Eignung stützt, und es ist zu befürch­ de im Land Brandenburg eingerichtet. rinnen betreten das unbekannte Ter­ haben studienberatende Wirkung. So ten, daß bei naturwissenschaftlich/ Doch Gleichstellungsbeauftragte sind rain doch nicht und wenden sich Ver­ rat der Präsident der Berliner Anwalts­ technischer Begabung von Mädchen relativ zahlreich, und in den neuen Bun­ trauterem und Erprobterem zu - den kammer vom Jura-Studium ab. Er sag­ eine sehr kritische väterliche Überprü­ desländern kommen sie häufig aus Frauenberufen. In dem Ost-Studien­ te der Zeitung .Neues Deutschland"◄ in fung der Voraussetzung mit anschlie­ mathematisch/naturwissenschaftlichen führer teilen berufserfahrene und junge einem Interview, daß mehr als 70% ßender tendenziöser .Beratung" erfolgt. und technischen Fachrichtungen. Auf­ Frauen aus unseren Tagen den Nach­ aller Einzelanwälte heute schon ein Doch es beinhaltet im Gegensatz zu fallend häufig sind es Physikerinnen. folgenden ihren ganz persönlichen Rat Jahrerseinkommen von weniger als 50.000,- DM haben. Im gleichen Inter­ den mütterlichen Erziehungzielen eine So wurde auch auf Initiative der Gleich­ mit, sie geben Hinweise, zeigen Erfah­ view nennt er die Zahl 80 000 Anwälte, Abkehr vom streng traditionellen Rol­ stellungsbeauftragten der TU Dresden rungen, präsentieren ihre Ansichten, die z. Z. tätig sind, und er sagt, daß in lenbild und verspricht eine (wenn auch der erste Studienführer für Frauen in stellen sich mit Namen und Bild vor. den nächsten sieben Jahren 50 000 beschränkte) Eigenentwicklung. Mathematik, Naturwissenschaften, An ostdeutschen Hochschulen werden neue Juristen dazukommen. Wertend Wichtig ist in dieser Situation, daß den Technik und Wirtschaftswissenschaf­ üblicherweiseim Frühjahr jeden Jahres spricht er von einer Anwaltschwemme, Schülerinnen gezeigt wird, was Inge­ ten3 für eine Hochschule der neuen Informationsveranstaltungen (.Tag der von einem Desaster, das schon einge­ nieurinnen und Naturwissenschaftlerin­ Länder in einem ABM-Projekt erarbei­ offenen Tür" oder .Schnupperstudium") treten wäre, wäre die Deutsche Einheit nen zu schaffen in der Lage sind. Posi­ tet. Der Studienführer wendet sich an für Schülerinnen und Schüler der Abi­ nicht gekommen. Gleichzeitig bemü­ tive Beispiele müssen herausgestellt Schülerinnen, die über ihre Berufswahl werden! Die Leistungen der großen nachdenken, und an Studentinnen, die turstufe durchgeführt. Diese Veranstal­ hen sich die Ingenieure und Naturwis­ Vorbilder wie Marie Curie, Amalie Dlet- in ihrer Entscheidung für ein Studien- tungen werden durch Jugendliche bei- senschaftler um Nachwuchs.

hochschule ost 3/1996 135 134 hochschule ost 3/1996 eine Broschüre zusammenzustellen derpläne aus drei Teilen bestehen. Sie Studium und zu drucken, die alle Frauenförder­ müssen in diesem Jahr erstmals die Als Beispiel unter vielen sei der Artikel5 wegen der Wende die Begabung der pläne der sächsischen Hochschulen Maßnahmepläne, eine geschlechts­ .Ohne Ingenieure gibt es auch keine jungen Frauen für technische Dinge enthalten soll. Laut Sächsischem Frau­ spezifische Statistik über Berufungen, Zukunft" von Ulrich Groß, Dekan an der plötzlich verändert hätte. An der TU enfördergesetz müssen die Frauenför- Einstellungen, Veränderung der Ein- Bergakademie Freiberg, genannt. Dar­ Dresden lag der Frauenanteil bei den in steht: .An fast allen Technischen Informatik Studierenden vor der Wende Universitäten der westlichen Bundes­ bei ca. 45%. Heute sind es nur noch länder sind die Immatrikulationszahlen 12%, und die Tendenz ist fallend, d. h. auf die Hälfte oder gar auf ein Drittel der Frauenanteil im ersten Studienjahr gesunken, hier in den östlichen Bun­ ist noch kleiner. Den kleinsten Frauen­ desländern haben wir es in Teilberei­ anteil gibt es in der Elektrotechnik. Tabelle: 1 Die Entwicklung des Frauenanteils bei den Studierenden In den einzel­ nen Fachrichtungen (Beispiel': TU Dresden) chen mit weit geringeren Anfängerzah­ Ich kann versichern, daß sich die Hoch­ len zu tunl" schullehrerlnnen sowohl um ihren eige­ FakultäU Stand: Stand: Stand: Stand: Die Zahl der Ingenieurwissenschaften nen wissenschaftlichen Ruf als auch Studienrichtung Nov. 92 Dez. 93 Dez. 94 Dez. 95 oder Naturwissenschaften studieren­ um den Ruf der Lehreinrichtungen küm­ gesamt Frauen gesamt Frauen ge- Frauen gesamt Frauen- -anteil -anteil samt -anteil den Frauen ist in den östlichen Bun­ mern, schließlich ist die (kleine) An­ anteil Technik: desländern seit 1989/90 überproportio­ zahl der Studierenden für den Finanz­ nal gesunken (siehe Tabelle 1). minister das Hauptkriterium für weite­ Architektur 738 48,6% 847 49,0% 1.025 49,004 1.127 48,7% ren Stellenabbau. Deshalb wird auch Bauingenieurwesen 1.111 19.3% 1.204 16,9% 1.461 17,5% 1.587 19,4% Nach Volprich8 gab es im Jahre 1987 in am Ruf gearbeitet, eine frauenfreundli­ FGH" 2.226 30,1% 1.588 37,3% 1.746 37,5% 1.850 38.8% der DDR bei einem Bestand von 1,6 che Universität zu sein, und die Gleich­ Elektrotechnik 2.562 6,9% 2.071 6.5% 1.765 5,8% 1.376 5,5% Mio. Hoch- und Fachschulabsolventen stellungsbeauftragte wird unterstützt Informatik 1.528 18,4% 1.238 15,7°/4 1.092 14,5% 964 12,1% 520 000 Ingenieure. Dem hohen Inge­ bei ihrem Bemühen, die Bedingungen Maschinenwesen 2.730 15.0% 2.185 14,2% 2.015 11,2°/4 nieuranteil entsprach auch ein hoher 1.930 10,9% an der Universität frauenfreundlicher zu wr 1.892 27 5% 1.718 24 9% 1.420 259% 1.091 29 9% Anteil Studierender technischer Fach­ gestalten und das Ergebnis dieser richtungen. 1985 betrug er 28,7% und MathemaUk/ Bemühungen öffentlichkeitswirksam Natur- 1.381 42.9% 1.352 44,1% 1.522 43,7% 1.638 46,9% stellte vor den Studenten der Pädago­ darzustellen. An der TU Dresden ist in wlssenschaften gik die größte Gruppe innerhalb der der Tat in dieser Beziehung ein deutli­ GSW-: Studierenden dar. 1979 betrug der An­ cher Fortschritt zu sehen, obwohl die­ Eroehungswiss. 1.057 68,9% 983 76.0% 994 75,7% 1.060 75,1% teil weiblicher Ingenieurstudenten 27%. se Einrichtung eine sehr lange tech­ Jura 885 47,9% 1.235 <19,4% 1.688 49,4% 2.053 53.0% An der TU Dresden als der größten nisch/naturwissenschaftliche Tradition Philosophische Fak. 248 43,9% 608 57,1% 988 55,8% 1.278 43,3% technischen Lehranstalt der DDR sank besitzt und man auf diese Tradition der Frauenanteil seit 1987. Wurden Sprach-11.lteraturw. 752 75,3% 988 75,7% 1.126 n,3% 1.350 75,1% auch mit Recht stolz sein kann. Ver­ Wirtschaftswiss. 2.389 46,4¾ 2.6<15 ◄2,6% 2.878 39,4% 1987 noch 41% Frauen immatrikuliert, glichen mit anderen Hochschuleinrich­ Medizin - - 48,1% 985 49,-4% 1.061 ◄9,9% so betrug der Frauenanteil 1989 nur tungen gibt es für Studentinnen gute 958 noch 26% (Anteil weiblicher Studien­ Bedingungen. Ich nenne hier nur als TU gesamt 18.900 31.8% 19.346 35,7% 20.472 36,9% 21.243 39,3% anfänger). Beispiel stichwortartigdie Begriffe.Frau­ FGH: Forst-, Geo- und Hydrowissenschaften Natürlich kann man keiner technisch enförderplan" und .Studieren mit Kind". VW: Verkehrswissenschaften oder mathematisch unbegabten Frau Die Landeskonferenz der Gleichstel­ GSW: Geistes- und Sozialwissenschaften raten, Informatik zu studieren. Doch lungsbeauftragten an Hochschulen im Die Zahlen wurden der jähr1Ichen Kopfzahlstatistik des Studentenbestandes an der TU ich kann mir nicht vorstellen, daß sich Freistaat Sachsen hat beschlossen, Dresden entnommen.

hochschule ost 3/1996 137 136 hochschule ost 3/1996 gruppierungen usw. sowie eine Wer­ gleich gefördert. Ich fühle mich nicht so groß, weil die Hochschulen der al­ dium erworbenen Kenntnisse mit ein­ tung dieser Statistik enthalten. verantwortlich für die Diskriminierung, ten Länder schon vor Studienbeginn in bringt. die Berufskollegen zulassen, und des­ die Entscheidungsfindung für den Hoch­ Die Aussicht, daß eine solche Bro­ Von jungen Ingenieuren erwartet man halb tue ich nichts zum Ausgleich. schulort einbezogen sind. Informatio­ schüre der Öffentlichkeit zugänglich beim Berufsstart außer gutem Fach­ Frauen werden bei mir nicht mehr geför­ nen zu Studienbedingungen, wie Hör­ gemacht wird und darin auch die eigene wissen Sprachkenntnisse, kommuni­ dert als Männer.• Gewöhnlich wissen saalüberfüllung, Wohnheimplatzange­ Hochschule mit dem eigenen Frauen­ kative Kompetenz, Teamfähigkeit, die diese Hochschullehrer nicht, wie Frau­ bot oder Plätze in Kindereinrichtungen förderplan neben den anderen vergleich­ Fähigkeit, in ökologischen und sozia­ enförderung aussehen kann, und ha­ für Kinder von Studierenden werden baren Hochschulen wiederzufinden ist, len zusammenhängen zu denken, Wis­ ben sogar Angst, daß ihre jungen Män­ genauso geprüft wie Gerüchte über hat schon zu hektischen Reaktionen sen auf wirtschaftlichem Gebiet. Dar­ ner wegen der Frauenförderung zu kurz Diskriminierung von Ost-Studenten. an einigen sächsischen Hochschulen aus ergibt sich ein verändertes Anfor­ kommen. Praktika an Hochschuleinrichtungen geführt. Der Kanzler der Hochschule derungsprofilan die Absolventen. Frau­ und in der Industrie im Ausland werden en verfügen hinsichtlich des Anforde­ für Musik und Theater Leipzig hat mir Üblicherweisewird es geduldet, und in sowohl von den Studierenden selbst z.B. geschrieben, daß er kein Interes­ einigen Hochschulen wird es gefördert, rungsprofils über größere Kompeten­ als auch von den Hochschulehrerlnnen zen, wie Untersuchungen von Minks u. se an der Veröffentlichung der Bro­ wenn die Gleichstellungsbeauftragte hoch geschätzt. schüre hat und für seine Hochschule Veranstaltungen zu dem sogenannten a. zeigen. Minks fordert eine Verände­ keinen Bedarfanmeldet. Daraus schlie­ nicht-fachbezogenen Wissen speziell Ungünstige Berufserwartungen führen rung der Zugangsöffnung zum Inge­ ße ich, daß es besonders nötig ist, den für Frauen anbietet. Dazu zähle ich laut HIS häufiger zum Studienabbruch nieurstudium und ein Ablegen der ver­ Gleichstellungsbeauftragten und dem Rhetorikkurse, Bewerbungstraining, als Unzufriedenheit mit Lehre und Hoch­ alteten Vorstellungen vom .männlichen" Studentenrat dieser Hochschule viele Kurse zu Vortragstechniken, aber auch schulen. Die ungünstige Lage auf dem Image des Ingenieurberufs. Träger des Exemplare der Broschüre zur Verfügung Selbstverteidigungskurse. Geschätzt Arbeitsmarkt für Frauen scheint sich veralteten Ingenieurbildes sind nach zu stellen. (Probleme gibt es natürlich werden auch Sprachkurse. Untersu­ aber nicht auf die Abbruchhäufigkeit für Ansicht von Minks nicht nur Berufs­ bei der Finanzierung der Broschüre, chungen zu der Frage, welche Kriterien Frauen auszuwirken, denn Frauen bre­ fremde (Väter und Mütter), sondern doch das ist bei einem solchen Vorha­ für eine erfolgreiche Stellensuchewich­ chen in Universitätsstudiengängen ihr auch Berufsverbände, die Wirtschaft ben normal.) tig sind, zeigen eine hohe Wertigkeit Studium nicht häufiger ab als Männer, und Ingenieurprofessoren. Die Defizite für sprachliche Gewandtheit und ge­ und in Fachschulstudiengängen tun sie zeigen sich als mangelnde Konkur­ Aus eigener Erfahrung und nach vielen schicktes Auftreten sowie fachüber­ das sogar seltener. Hier zeigt sich die renzfähigkeit, und folglich muß sehr die Erfahrung austauschenden Gesprä­ greifende Qualifikation. Ich möchte nicht Wirkung der Berufausbildung vor dem bald ein Umdenken einsetzen. Das chen mit Gleichstellungsbeauftragten verschweigen, daß Berufserfahrungen, Studium: Der größte Teil der Studien­ spricht für die zukünftigen Ingenieurin­ an Osthochschulen kann ich folgende Überblick Ober das Fachgebiet, per­ abbrecherinnen nimmt relativ schnell nen. Außerung zur Förderung des weibli­ sönliche Beziehungen und das .richti­ eine Berufstätigkeit auf, und zwar über­ Karin Reiche, Dr. rer. nat., chen wissenschaftlichen Nachwuch­ ge" Geschlecht auch .gute" Argumente wiegend als qualifizierte Facharbeite­ Physikerin, ist Gleichstellungs­ ses in ingenieur-und naturwissenschaft­ für eine erfolgreiche Bewerbung sind. rin mit Hochschulreife, die die im Stu- beauftragte der TU Dresden lichen Fächern als für Hochschullehrer Anmerkungen: typisch bezeichnen: .Ich weiß, daß es In den ersten Jahren nach der Wende, ' M0ller, C.: Zur Arbeitssituation von Frauen, Rundblick- Einblick-Ausblick. Vortrag während Frauen in Männerberufen schwerer ha­ insbesondere in der Zeit der Umstruk­ Jahrestagung des Deutschen Akademikerinnenbundes e.V. vom 10. bis 12. Mai 1996 in Berlin ben als Männer." (Als Beleg für dieses turierung im Hochschulwesen, ent­ 2 Roem_er, A. u.a.: Geboren 1949 - Lebensverläufe von Frauen in Ost und West. Hrsg. Reiche, K., Gleichstellungsbeauftragte an der TU Dresden. 1995 Wissen werden üblicherweise Hinwei­ schlossen sich viele Studierende für • Tietz�. 1. u.a.: Studienfürer f0r Frauen in Naturwissenschaft und Technik. Hrsg. Reiche, se auf Frauen im Verwandten- oder Be­ einige Semester einen Studienplatz an K.; Gleichstellungsbeauftragte der TU Dresden. 1995 kanntenkreis gegeben.) .Aber in mei­ einer Hochschule in den alten Bundes­ • in Neues Deutschland von 31.05.1996 • in Die Welt vom 25.05.1996 nem Verantwortungsbereichsind Frau­ ländern einzunehmen und/oder in den • Volprich, E.: Frauen im Technikstudium; in ,Das Hochschulwesen', Heft 5, 1991 en keiner Diskriminierung ausgesetzt. alten Ländern zu Ende zu studieren. 7 Die Zahlen wurden der jährlichen Kopfzahlstatistik des Studentenbestandes an der TU Frauen und Männer werden bei mir Heute ist diese Fluktuation nicht mehr Dresden entnommen.

138 hochschule ost 3/1996 hochschule ost 3/1996 139 Karin Reiche (Dresden): Tabelle 1: Übersicht über das Berufungsgeschehen bis zum Sommersemester 1994 und über Bewerben - auswählen - berufen: die Neuberufenen an der TU Dresden (einschließlich verkürzter Verfahren•-•> Hochschullehrerin an der TU Dresden? Bewerbungen•• Plazierungen•• Berufungen* ..

Stelle St* A A A C4 278 2792 189 6,3% 606 24 3,8% 220 3 1,4% CJ 183 1660 171 Das Sächsische Frauenförderungsge­ verordnung (SächsFFStatVO) wurde 9,3% 366 42 10% 116 12 9,4% C2 58 326 47 13% setz (SächsFFG) vom 31. März 1994 sehr langsam erarbeitet und erst am 88 16 15% 20 5 20% fordert von den sächsischen Hochschu­ 22. August 1995 beschlossen. Im len die Erarbeitung von Frauenförder­ SächsFFG steht, daß .. . .die Dienst­ plänen. Jeder Frauenförderplan muß stelle in den einzelnen Bereichen jähr­ •.. . die Situation der weiblichen Be­ lich statistisch die Zahl der Frauen und Legende zu den Tabellen 1, 2 und 3: schäftigten beschreiben, die bisherige Männer . .. nach dem Stand vom 30. St* Anzahl der Professuren und Dozenturen, die im Senat behan­ Förderung der Frauen in den einzelnen Juni ..." erfassen soll. Da diese statisti­ delt wurden ° Bereichen auswerten und insbesonde­ schen Angaben und ihre Wertung zum Plazierungen Summe aller Listenplätze re zur Erhöhung des Frauenanteils Inhalt des Frauenförderplanes gehören A Frauenanteil Maßnahmen zur Durchsetzung notwen­ und erstmalig mit Stand vom 30. Juni Die Recherche basiert auf den Berufungsunterlagen und diger personeller und organisatorischer 1996 solche Angaben erhoben werden, Senatsprotokollen. Verbesserungen im Rahmen von Ziel­ wird es erstmalig im Sommer 1996 Die Recherche basiert auf dem Personal- und Vorlesungsver­ vorgaben ... entwickeln." Der Frauen­ Frauenförderpläne und fundierte Be­ zeichnis zum Sommersemester 1994. förderplan muß auch statistische An­ wertungen der Gleichstellungssituati­ .... verkürzte Verfahren sind Berufungsverfahren ohne Ausschrei­ gaben auswerten und vorhandene Un­ on im Öffentlichen Dienst des Freistaa­ bung und Konkurrenz mit dem Ziel, vor 1989 erlittene Benachtei­ terschiede im Vergleich der Anteile von tes Sachsen geben. Seit dem Beschluß ligungen auszugleichen und wiedergutzumachen. Frauen und Männer bei Bewerbungen, zum SächsFFG sind mehr als 2 Jahre Einstellungen, beruflichem Aufstieg und vergangen! sonders dort zu lesen, wo es Defizite Deshalb ist es nicht verwunderlich,daß Fortbildungin den einzelnen Bereichen bei der Umsetzung des schon 1992 darstellen und begründen. Da werden Ich erwarte eine peinliche Aussage es weibliche Lehrstuhlinhaber (C4) nur zum Stand der Gleichstellung von Frau aufgestellten Frauenförderplanes der ausnahmsweise gibt. Mitunter wird interessante Papiere erarbeitet werden TU Dresden gibt. So wird u.a. festge­ müssen! und Mann, und ich erwarte, daß diese behauptet, daß sich keine Frauen be­ peinliche Aussage von jetzt an jährlich stellt: ,.Auch die Hochschulpolitik der werben. Das ist einfach falsch (siehe Natürlich hat man versucht, nachdem wiederholt wird, bis sich vielleicht doch TU Dresden wird von Männerngemacht. Tabelle 1)! Richtig ist, daß sich auf dieses SächsFFG nun einmal so be­ eine deutliche Besserung zeigt. Frauen sind in den Gremien der Selbst­ solche Stellen nur sehr wenige Frauen schlossen war, es auf einen schwieri­ verwaltung deutlich unterrepräsentiert. (6.3% der Bewerbungen kommen von gen Weg zu schicken. Der schwierige Diese Erwartungshaltung kann ich an­ Ein höherer Männeranteil in der Status­ Frauen) bewerben. Richtig ist weiter­ Weg sah so aus: Im SächsFFG steht, hand einer ausführlichen .Studie zur gruppe der Hochschullehrer an der TU hin, daß viel weniger Frauen (3,8%) von daß eine Rechtsverordnung nötig ist, Gleichstellung von Frau und Mann an zieht auch automatisch einen hohen den Berufungskommissionen als beru­ um die einzelnen Vorgaben für die Da­ derTU Dresden" begründen. Eine deut­ Männeranteil in den Kommissionen fungsfähig für C4-Stellen eingeschätzt tenerhebung zu regeln. Diese Rechts- liche Sprache ist in dieser Studie be- nach sich." werden, und richtig ist, daß das Mini-

hochschule ost 3/ 1996 hochschule ost 3/1996 140 141 sterium bzw. die Verhandlungsführer von welchem Platz das Ministerium Tabelle 2a: Anzahl der Frauen auf Listenplätzen und die Berufungen durch das (Kanzler) noch weniger C4-Berufungen Frauen berufen hat. Die Tabellen 2a Ministerium für Frauen zulassen. Der Staatsmini­ und 2b zeigen das Ergebnis. ster für Wissenschaft und Kunst kann Plazierung auf den Listen: Berufungenvom Listenplatz 1. Platz 2. Platz 3. Platz nach § 53 (10) des Gesetzes über die In Tabelle 2a ist zu sehen, daß die !.Platz 2. Platz 3.Platz Berufungskommissionen den Frauen Hochschulen im Freistaat Sachsen .... C4 6 9 9 2 1 0 von der im Berufungsvorschlag genann­ nicht etwa nur dritte Plätze eingeräumt ten Reihenfolge der Namen nach Erör­ haben. Im Gegenteil! 32 Akademikerin­ C3 18 9 15 12 0 0 terung mit dem zuständigen Dekan nen, d.h. 39% aller Frauen auf den C2 8 4 4 5 0 0 abweichen·. Berufungslisten, erhielten den ersten Platzl Nur 19 (das sind 59%) davon TU ges. 32 22 28 19 1 0 Bei der Besetzung von C3-Stellen ga­ wurden berufen! Von den 22 Frauen auf ben die Berufungskommissionen den dem 2. Platz wurde nur eine (das sind Frauen etwa die gleiche Chance wie 4,5%) berufen, und alle Frauen, die an den Männern. Das Ministerium war of­ der 3. Stelle standen, gingen leer aus. fensichtlich mehr dafür, Dozenturen In der Tabelle 2b wurden zum Vergleich (C2-Stellen) an Frauen zu vergeben. die Listenpätze und Berufungen für Tabelle 2b: Anzahl der Männer auf Listenplätzen und die Berufungen durch das Dem Ministerium für Wissenschaft und Männer zusammengestellt. Von 491 Ministerium Kunst im Freistaat Sachsen muß vor­ Männern, die auf dem ersten Listen­ geworfenwerden, daß der Frauenanteil platz standen, wurden 359 (das sind Plazierung auf den Listen: Berufungenvom Listenplatz bei den Berufenen noch unter dem 73%) für sie annehmbare Bedingungen 1. Platz 2. Platz 3. Platz !.Platz 2. Platz 3.Platz Frauenanteil bei den Plazierungen liegtl geboten. Vom zweiten Platz wurden Das ist schlimm und beunruhigend. C4 276 172 158 210 8 2 dann noch 17 (das sind 5,6%) Männer Nun könnte man vermuten, daß die berufen, und von den Männernauf dem C3 164 106 96 106 9 1 Berufungskommissionen an Frauen dritten Listenplatz erhielten noch 3 eine C2 51 28 9 20 0 0 bevorzugt dritte Listenplätze vergeben Hochschullehrerstelle an der TU Dres­ TU ges. 491 3 haben und die verantwortlichen Mitar­ den. Wie immer in solchen Fällen wird 306 263 359 17 beiter im Ministerium für Wissenschaft die Benachteiligung von Frauen beson­ und Kunst im blinden Arbeitseifer ohne ders deutlich beim Vergleich der sehr Ansehen der Person und ohne Beach­ gut bezahlten Stellen. In unserem Fall Verfassung des Freistaates Sachsen, diese Frau hat so unverschämte Forde­ tung des Sächsischen Hochschulge­ sind das die C4-Stellen. Sechs (6) Hochschulrahmengesetz und Hoch­ rungen gestellt, daß wir sie wirklich setzes § 4 (Zitat: .Die Hochschulen Frauen wurden plaziert und zwei (2) schulgesetz war und ist er sogar dazu nicht erfüllenkönnen!") davon in Kennt­ wirken bei der Wahrnehmung ihrer wurden berufen. Das sind 33%. 276 verpflichtet. nis. Das ist bisher zweimal gesche­ Männer wurden plaziert und 210 wur­ Aufgaben auf die Verwirklichung der hen. Gleichstellung von Frauen und Män­ den berufen. Das sind 76%. Die Zahlen Natürlich gibt es Männer und Frauen, nern und auf die Beseitigung der für lassen auf Ungleichbehandlung von die in Berufungsverhandlungen für Ost­ Interessant ist nicht nur das Frauen-/ weibliche Hochschulmitglieder und Frauen und Männern schließen! Ich Universitäten unannehmbare Forderun­ Männerverhältnis, sondern auch das Hochschulangehörige bestehenden erinnere daran, daß der sächsische gen stellen. Tun das Frauen, setzt Ost-/Westverhältnis auf den Listenplät­ Nachteile hin") immer nur die ersten Wissenschaftsminister durch das mich der jeweilige Dekan zu seiner zen und unter den .neuen• Professoren Listenplätz bedient haben. Deshalb Hochschulgesetz alle Macht in der Hand eigenen Entlastung (mit dem Hinweis: und Dozenten, die nicht im verkürzten wurde untersucht, welchen Listenplatz hatte und hat, den Frauenanteil bei der .Sehen Sie, Frau Reiche! Wir tun alles Verfahrenberufen wurden. Deshalb er­ die Frauen und Männer einnahmen und Ruferteilung weiter zu erhöhen. Laut für die Frauen, was wir können. Aber folgte eine Untersuchung der Listen

142 hochschule ost 3/1996 hochschule ost 3/ 1996 143 hinsichtlich der Herkunftsländer von Männer sind zu 99,5% Gutachter in (Ende Juni 1996) erstmalig erhobenen Und daß die Aussage der oben Be­ Frauen und Männern. Damit kann die den Berufungsverfahren. In ihre elitäre statistischen Daten im Zusammenhang schriebenen gleich sein wird, davon bin Frage beantwortet werden, ob und in­ Runde kann nur selten eine Frau ein­ mit dem SächFFG und der SächsFF­ ich überzeugt, weil Frauen sich mehr wieweit die Ost-Frauen die Verliererin­ dringen. Männer dienen als Vorbild für StatVO! Es werden hierbei nicht nur für bewerben müssen als Männer: Sie nen der deutschen Einheit sind. Die die nächste Wissenschaftlerlnnenge­ Berufungen sondern für alle ausge­ haben mehr Schwierigkeiten beim Be­ Tabelle 3 zeigt des Rechercheergebnis neration. schriebenen Stellen die Zahl der pro rufsstart, sie sind länger arbeitlos, sie (ohne verkürzte Verfahren): Meistens Ausschreibung eingegangenen Bewer­ haben weniger gute Fachkontakte zu haben sich die Berufungskommissio­ Die .Studie zur Gleichstellung von Frau bungen, die Zahl der zum Bewerbungs­ den männlichen Entscheidungsträgern nen zugunsten von männlichen Bewer­ und Mann an der TU Dresden" beleuch­ gespräch eingeladenen Bewerberinnen in der Wirtschaft und im Öffenlichen bern aus den alten Bundesländern ent­ tet auch die Probleme der Mitarbeite­ und Bewerber und die Besetzung der Dienst... schieden. Für listenfähig bei C4-Beru­ rinnen in Verwaltung und Technik so­ Stelle erfaßt, d.h. es werden nicht nur wie der Studentinnen. Thematisiert fungen werden zuerst Männer aus den Daten im Zusammenhang mit Berufun­ Die Landeskonferenz der Gleichstel­ werden Studienwahlverhalten und Pro­ alten Ländern, dann Männer aus den gen vorliegen, sondern das gesamte lungsbeauftragten an Hochschulen im bleme beim Hochschulzugang, Vorle­ neuen Ländern, dann Frauen aus den Einstellungsgeschehen wird registriert. Freistaat Sachsen hat beschlossen, sungsangebot, Studieren mit Kind, alten Ländern und zuletzt Frauen aus Ich bin sicher, daß wir jährlich Zahlen die Frauenförderpläne und die 1996 Urlaubsregelungen, Teilzeitarbeit, Ta­ den neuen Ländern eingeschätzt. Die bekommen, die den Frauen noch mehr erhobenen Zahlen zum Einstellungs­ rifangelegenheiten, Arbeitsbeschaf­ Reihung ist ganz deutlich! Ost-Frauen als die hier genannten unter die Haut geschehen an sächsischen Hochschu­ fungsmaßnahmen und anderes. Gleich­ bekamen keine C4-Stelle. Erst bei C3- gehen, weil len in einer Broschüre zu veröffenli­ stellungsarbeit braucht einen langen Stellen erhielten die Ost-Wissenschaft­ 1. die Betroffenheit größer sein wird, chen. lerinnen eine größere Chance. Grund­ Atem und viel Durchstehvermögen. Der denn es interessieren sich mehr Frau­ sätzlich entschieden die Berufungs­ Bericht der Gleichstellungsbeauftrag­ en für Stellen im mittleren Bereich, kommissionen aber ähnlich wie bei ten der TU zeigt, das trotz eines Frau­ 2. die wiederholte Veröffentlichung be­ Karin Reiche, Dr. rer. nat., den C4-Stellen. Dozenturen wurden enförderungsprogrammes jeder noch legter Benachteiligung schließlich ihre Physikerin, ist Gleichstellungs­ endlich stärker an Ossis vergeben. so kleine Erfolg auf diesem Gebiet Wirkung nicht verfehlen wird. beauftragte der TU Dresden erkämpft werden muß. Frauen in der Wissenschaft ist ein zentrales Thema der Studie. Dabei wird Zurück zu meiner Erwartungshaltung ein gewisser Teufelskreis deutlich. im Zusammenhang mit den demnächst

Tabelle 3: Listenplätze und Berufungen von Ost- und Westbewerberinnen (ein­ schließlich verkürzter Verfahren)

Plazierungen Berufungen

Stelle West- Ost- West- Ost- West- Ost- West- Ost- 3 C4 410 196 18 6 97 56 0 19 23 47 69 5 CJ 194 172 7 6 2 18 5 C2 15 73 10 0

144 hochschule ost 3/ 1996 hochschule ost 3/t 996 145 Bernd Markert (Zittau): sität Halle-Wittenberg, Herr Steffen Jörg Oehlmann, Internationales Hoch­ Kretschmer, Internationales Hochschu­ schulinstitut Zittau, Prof. Rainer Rei­ linstitut Zittau, MR Rolf langer, Säch­ se!, Deutsch-Französisches Hochschu­ Was kostet ein Pfund Ehrlichkeit? sisches Ministerium für Wissenschaft linstitut für Technik und Wirtschaft, Der „Ethikkonsens" als funktionales Leitbild einer sozial-ökologisch und Kunst, Dresden, Prof. Dr. Helmut Saarbrücken, Prof. Dr. Mechthild Roth, orientierten Marktwirtschaft Lieth, Universität Osnabrück, Dr. Hans TU Dresden, Prof. Dr. Bruno Sansoni, Positionspapier zur konzeptionellen Erarbeitung einer ho chschulpolitischen Löser, Deutsch-Französisches Ho ch­ International Environment Consulting, Leitlinie im Sinneeiner .Nachhaltigen Entwicklung" schulinstitut für Technik und Wirtschaft, Bad Abbach, Priv.-Doz. Dr. Eberhard Saarbrücken, MDgt Dr. Dr. Gert Mai­ Umbach, Universität Osnabrück, und baum, Sächsisches Ministerium für Frau Vera Weckert, Universität Osna­ Wissenschaft und Kunst, Dresden, Dr. brück.

Zusammenfassung Vorbemerkung und Danksagung Die derzeit geführte bildungspolitische Zukunft, geschi ckt genug verpackt, zu Debatte muß vor dem Hintergrund ei- einer immensen Gefahr menschlicher Die hier zusammengetragenen Grund­ Ethikkonsenses darstellen. Derartig ner .Nachhaltigen Entwicklung" ver- Manipulation werden.• Ich kommuni- überlegungen sind ein erster Versu ch fächerübergreifende Überlegungen und mehrt ni cht nur den ökologisch orien- ziere, also bin ich." Eine Technik wird • auf die si ch mehr und mehr ausbreiten­ Schlußfolgerungen stehen und fallen tierten Ansatz einer sozialen Markt- insbesondere bei jungen Menschen - de Vernachlässigung ethisch/morali­ mit der Bereitschaft und dem Interesse wirtschaft berücksichtigen, sondern mit zur Philosophie erhoben. Auswege er- scher Grundwerteunserer Gesellschaft vieler meiner Kollegen, die sich die Zeit glei cher Vehemenz zu einer Wiederge- geben sich in einer Wiedergewinnung hinzuweisen und eine Sensibilisierung genommen haben, sich mit der Proble­ winnung ethisch/moralischerGrundwer- ethis ch/moralischer Grundwerte. für die sich daraus ergebenden Konse­ matik auseinanderzusetzen, und ver­ te führen. Das bis heute praktizierte quenzen im Sinne eines .Ethikkon­ sucht haben, dur ch unterschiedlichste Sanieren äußerer Verschmutzungen im Hierzu ist zunächst eine Quantifizier­ sens" zu erreichen. Besonderes Denkansätze mitzuhelfen, das immer ökologischen Sinne darf nicht den Blick barkeit dieser Werte, damit ihre Kalku­ Schwergewicht wird dabei auf die Rolle unfertig Bleibende zu strukturieren, mit für eine Erneuerung bzw. Wiederein­ lierbarkeit und Meßbarkeit im Sinne der Hochschulen, ihres Bildungsauf­ Inhalten, Kritik und neuen Ideen zu bindung innerer Grundwerte versper­ einer Kosten-Nutzen-Kalkulation ähn­ trags und ihrer Verantwortung in den füllen und letztendlich zu einem ersten ren, um einer immer zielstrebiger in ein lich der in den letzten Jahren stattfin­ nächsten Jahrzehnten gelegt. Ein der­ druckfertigen Manuskript zu bringen. apokalytisches Inferno galoppierenden denden Ökologisierung der Wirtschaft artiger erster Versuch kann und muß Es sind dies im einzelnen: Gesellschaft Zukunft zu geben. Unver­ grundlegende Voraussetzung. Hoch­ nur Stückwerk bleiben, soll aber in kennbar ist ein Schwinden der materi­ schulpolitisch bedeutet dies eine we­ Zukunft durch weiterführende Untersu­ ellen Kräfte des Staates (Beglückung sentliche Neustrukturierung bisheriger chungen und Arbeiten ausgedehnt, Dr. Albrecht Balzer, Internationales dur ch materielle Anreize) festzustel­ Lehr- und Lerninhalte, die im Sinne vertieft und letztendlich quantitativ in Hochschulinstitut Zittau, Frau Nevidita len. Das Phänomen der .Inneren Ver­ einer interdisziplinären Ausbildung ne­ eine möglic he ethisch/moralische Banerjee, Deutscher Apotheker Verlag schmutzung", der Sinnentleerung der ben ökologischen, wirtschaftlichen und Grunddimensionierung und Institutio­ Stuttgart, Prof. Dr. Jürgen Bollen, Uni­ Seele des Menschen, tritt mehr und sozialen Aspekten insbesondere den nalisierung münden. Der zweite Teil versität Jena, Dr. Kurt Friese, Umwelt­ mehr hervor. Wir sind satt und haben .Ethikkonsens" als 4. Dimension bein­ der Arbeit (,.Die Wahrheit der Lüge"), forschungszentrum Leipzig-Halle trotzdem Hunger. Es fehlt an personifi­ halten muß. Für die hochschulpoliti­ soll im Anschluß an die im ersten Teil GmbH, Herr Christian Golde, TU Cott­ zierten Leitbildern und häufig auch an sche Umsetzung einer derartigen Leit­ herausgestellte Grundproblematik vor bus, Herr Gernot Kayser, Internationa­ der Bereitschaft, Leitbilder zu akzep­ linie wird aufgrundbisheriger Erfahrun­ allem die Quantifizierbarkeit an Bei­ les Hochschulinstitut Zittau, Prof. Dr. tieren. Kaum kontrollierbare globale gen ein relativ kurzer Zeitraum von 12- spielen und damit die marktwirtschaft­ Z. Kovar, TU Liberec, Prof. Dr. Gerd­ Kommunikationssysteme könnten in 15 Jahren veranschlagt. Neben bildungs- liche Umsetzbarkeit eines möglichen Joachim Krauss, Martin-Luther-Univer-

146 hochschule ost 3/1996 hochschule ost 3/1996 147 politischen Erneuerungen in Schule und Bereich (Kann der Papst wieder Leit­ mehr oder weniger gut - erlaubten, ein wirtschaftlicher, ökologischer und so­ Hochschule müssen daneben staat­ bild werden?) mehr Anreize bekom­ globales Wirtschaftssytem zu betrei­ zialer Sicht Mitte bis Ende des 21. lich unabhängige Reformen im privaten men, um mitzuhelfen, die Leitlinie des ben, das der Mehrzahl der Menschen Jahrhunderts, falls dem zügellosen (Förderung uneigennützigen Handelns Ethikonsenses gesellschaftspolitisch ein Leben in • Wohlstand" und .Zufrie­ Auszehren natürlicher Resourcen und des Einzelnen) wie auch im religiösen vorzubereiten. denheit" ermöglichte. Waren die ersten menschlicher Reservennicht drastisch Ansätze der industriellen Revolution im und unverzüglich entgegengetreten wird 1. Die Ausgangslage 19. Jahrhundertgeprägt durch Ausbeu­ (UNESCO, 1988). Unverkennbar wur­ tung der Arbeiterklasse und Profitden­ de in den 70er, 80er und 90er Jahren .Wenn wir jetzt auf das .Jahrhundert der Umweltkrise und der lokale Bezug ken der Unternehmer, führte der Auf­ der Umwelt" zugehen und ein neues der ökologischen Beobachtung bilden darauf reagiert. Spätestens nach CAR­ bau von Interessenvertretungender .ar­ SONs .stummen Frühling" (1968, 1981 Wohlstandsmodell entwickeln wollen, einen herausfordernden Spannungsbo­ beitenden Bevölkerung· zur Entwick­ (in deutsch)), MEADOWs et al. .Gren­ dann müssen wir auch unsere Kultur gen. Kein Schulfach bleibt unberührt. lung der gesetzlich manifestierten .so­ zen des Wachstums• (1972), dem weiterentwickeln und das Bildungswe­ So aufreibend und ärgerlich eine sol­ zialen Marktwirtschaft" mit einer weit­ GLOBAL 2000-Report an den amerika­ sen der neuen Aufgabe anpassen. Das che erneute tiefgreifende Reformwelle gehenden .Gerechtigkeitsstrukur"auch nischen Präsidenten (1980) und dem ist leichter gesagt als getan. Das heu­ sein mag - sie hat einen Vorteil, den für weniger privilegierte Bevölkerungs­ BRUNDLAND-Report(1 987) mündeten tige Bildungswesen ist weder inhaltlich frühere Bildungsreformen nicht in dem schichten (BIEDENKOPF, 1995a und die in diesen Berichten beschriebenen noch strukturell auf die neue Aufgabe Maße hatten: Diesmal werden die b ). Unter Berücksichtigung zweier Auszehrungsmechanismen in nationa­ vorbereitet. Es ist nach Schulfächern Schüler mitmachen und nicht abseits Weltkriege und der sich daraus erge­ le und internationale Empfehlungen, und Disziplinen geordnet und haupt­ stehen, geht es doch um ihre Zukunft." benden Zweiteilung Deutschlands konn­ Verordnungen und Umsetzungsstrate­ sächlich auf die Berufsqualifizierung (WEIZÄCKER, 1994) te in Westdeutschland bis hinein in die gien ökolokisch-sozialerHandlungsme­ ausgerichtet. Abfragbarkeit, Gerech­ 60- und 70iger Jahre konsequent am chanismen, die 1992 ihren Höhepunkt tigkeit und objektive Leistungsmessung Der von Ernst-Ulrich von Weizäcker in Aufbau dieser Säulen des demokrati­ in der Weltkonferenz in Rio de Janeiro rangieren hoch. Erziehung zur Verant­ seinem Buch .Erdpolitik" (1994) be­ schen Systems gearbeitet werden. fanden. wortung ist zwar ein Ziel, aber der schriebene Status quo von Schullehr­ Hauptschulalltag, die Leistungskurve inhalten läßt sich ohne große Mühe auf Der Preis des Wohlstands nicht nur in Trotz der verheerenden Zustandsbe­ der Gymnasien oder die Berufsschul­ die hochschulpolitische Landschaft der Deutschland sondern in allen hoch in­ richte und Prognosen des Ist-Zustan­ wirklichkeit lassen nur minimalen Spiel­ Bundesrepublik Deutschland übertra­ dustrialisierten Ländern ging einher mit des machen neue Formen der wirt­ raum für die Verfolgung des Ziels. öko­ gen. Das Problem einer Grunderneue­ der Ausbeutung von Natur und Men­ schaftlich-sozialen Entwicklung hin zu logische Inhalte werden von Biologie­ rung im Sinne einer .nachhaltigen Ent­ schen insbesondere in der Dritten Welt, einem .Jahrhundert der Umwelt" (WEl­ und Geographielehrern vermittelt. Aber wicklung· sowohl der Inhalte als auch deren Folgen heute augenfälliger denn zACKER, 1994) mit intelligenten und mit Feuchtbiotopsökologie und Lager­ der Form ihrer Vermittlung scheint da­ je sind. Rigorose Verschuldungsstra­ vor allen Dingen neuen marktstrategi­ stättenkunde wird man den Herausfor­ her dringender denn je geboten (s. tegien der westlichen Welt führte zum schen Umweltkonzepten (siehe hierzu derungen der Umweltkrise nicht ge­ auch MEYER 1994 und 1995). Bevor in Ausbluten der Entwicklungsländer mit z.B. MIPS in SCHMIDT-BLEEK (1994) recht. Ganze Schulfächer müßten um­ diesem Artikel auf mögliche Ansätze heute scheinbar nicht mehr reparablen oder ökologische Steuerreform in WEl­ definiert, die Zusammenarbeit von ver­ für eine reformierte Hochschule 2000 Wirtschafts- und Naturzerstörungen. zACKER, (1994)) Mut, die bevorste­ schiedenen Fachlehrern erleichtertund eingegangen wird, sollen zunächst die Lokal begrenzte Problemfelder münde­ henden Aufgaben anzugehen. Auch die Lehrerbildung und -fortbildung von derzeitigen.Rahmenbedingungen• grob ten in globale Katastrophen (Klimaver­ wenn diese Initiativen derzeit weitge­ Grund auf reformiert werden. Berufs­ skizziert werden. änderungen, Ozonloch, etc.), deren hend von der 1. Welt gespeist werden, profile jeglicher Art, Wissenschaftsver­ apokalytischer Charakter unverkenn­ ist die in Deutschland noch vor wenigen ständnis und der Praxisbezug der Bil­ Die letzten 2 Jahrhunderte waren in bar vor der Tür steht. Die meisten rea­ Jahren häufig zu beobachtende destruk­ dungseinrichtungen müßten general­ Deutschland geprägt vom Aufbaumarkt­ listischen Prognosen erwarten ein glo­ tive .s Minuten nach 12"-Stimmung (No überholt werden. Die Internationalität wirtschaftlicher Strukturen, die es - bales Kollabieren unserer Systeme in future Generation) einer .s Minuten vor

148 hochschule OSI 3/ 1996 hochschule ost 3/1996 149 12"-Stimmung gewichen. Diese Stim­ Umdenken. Forschungspolitisch hatte orientierten sozialen Marktwirtschaft Phänomene sind vielfältiger Natur. In mung findet in der Regel dadurch Aus­ diese Wende immense Auswirkungen bleibt eines festzustellen: Wir kurieren einer immer mehr nach Wohlstand und druck, daß insbesondere von Entschei­ auf die technologische Landschaft und die externe Verschmutzung, das Sicht­ Prestige strebenden und teilweise ra­ dungsträgern Gelder in Programme flie­ letztendlich auf den .Standort" Deutsch­ bare, das Äußere, die Umwelt, die tional rücksichtslos arbeitenden Kapi­ ßen, die wenige Jahre zuvor als illuso­ land. Beispielsweise mußten viele der Wirtschaft. Was weitgehend verges­ talgesellschaft müssen Emotionen un­ risch galten. Hier sei auf nationaler in den 50er und 60er Jahren entstande­ sen wird, soll im folgenden als .innere terdrückt werden. Begriffe wie Ehrlich­ Ebene nur an die mit Personal- und nen .Kernforschungszentren· nicht nur Verschmutzung· bezeichnet werden, keit, Geduld, Bescheidenheit, Verant­ Sachmittel ausgestattete Gründung von ihr äußeres Gesicht ändern (existie­ worunter die fortschreitende Sinnent­ wortung und Rücksicht weichen un­ Instituten wie das WuppertalInstitut für rende .Kernforschungszentren" wurden leerung der Seele des Menschen zu ausweichlich der Korruption, der Ego­ Klima, Umwelt, Energie (1991) oder in .Forschungszentren" umbenannt), verstehen ist. zentrik sowie der kurzfristigenund rück­ das Internationale Hochschulinstitut sondern sahen sich vor die Tatsache Unverkennbar ist die Sehnsucht des sichtslosen Bereicherungsstrategie. Zittau (1993) gedacht. gestellt, neue Inhalte zu definieren. Die Menschen nach Einheit, Zufriedenheit Der gesellschaftlich und existentiell nukleare .Sicherheits- und Entsor­ und Glück. Man bedenke die wenigen notwendige Sozialinstinkt wird vom unbändigen und skrupellosen Durch­ Vorwiegend in Deutschland haben gungsforschung" dieser Atomzentren Jahrtausende, wo die Species Mensch scheinbar technologische Fehlentwick­ dürfte derzeit nur noch bei 30% liegen, in nicht evolutiven Zeitschritten, sozu­ setzen individueller Bedürfnisse ver­ lungen wie die zwar friedliche aber Hauptschwerpunkte sind heute die sagen im Eiltempo, vom unkultivierten drängt und mündet in einen unkontrol­ lierten Egoismus. Die anfangs und bis sicherheitstechnisch und bevölkerungs­ Umweltforschung und die Materialwis­ Barbaren psychisch auf ein zivilisiertes heute für eine florierende Marktwirt­ psychologisch vollkommen unzurei­ senschaften. Bemerkenswert bei die­ Hochleistungsindividuum getrimmt wur­ schaft notwendige gesunde Privatin­ chende Ausnutzung der Atomkraft als ser Umorientierung sind die relativ kur­ de, ohne die Auswirkungen auf eine im­ itiative geht über in eine kaum zu über­ primärer Energieträger zu gravierenden zen Zeitabschnitte, die für die politi­ mer größer werdende Bevölkerungs­ sehende individuelle Kampfstrategie, Veränderungen in der technischen und sche sowie sozial verträgliche Realum­ struktur mit immer enger werdendem die neben der ungezOgelten Befriedi­ politischen Landschaft geführt. Späte­ setzung notwendig waren. Der Zeitrah­ Korsett zu kennen. Phänomene in gung von Konsumbedürfnissen eine nie stens seit Tschernobyl, 1986, fiel ein men lag zwischen 1 0 und 15 Jahren. Deutschland wie Vereinsamung der Al­ gekannte Härte im Umgang mit sich gesamtes .Atomzeitalter" einer einzi­ Sicherlich sind Forschungsstrategien ten, Singletum, lntoleranzen gegen­ selbst und vor allen mit den Mitmen­ gen nuklearen Katastrophe zum Opfer, einfacher zu korrigieren als gesamte über Kindern und Ausländern, nie zuvor schen beinhaltet. Eine schier unauf­ ohne zu diesem Zeitpunkt echte Alter­ Wirtschaftssystemveränderungen vor­ dagewesene Scheidungs- und Selbst­ haltsame Jagd nach zählbaren, ab­ nativen zur Deckung des exponentiell zunehmen. Trotzdem machen derartig mordraten sind nur die äußeren Anzei­ wägbaren Erfolg hat eingesetzt, ihre steigenden globalen Energiebedarfszu kurze Zeitspannen Mut, daß oben er­ chen einer viel tiefer sich krebsartig Einheit ist Geld. Diese Phänomene haben. Der psychologische Druck auf wähnte 5 Minuten für eine globalpoliti­ ausbreitenden .Krankheit". Trotz im­ sind insbesondere auch bei den jungen die politisch und wirtschaftlich Verant­ sche Trendwende ins ökologisch orien­ mer mehr Freizeit und Freizeitangebo­ Menschen in der heutigen Gesellschaft wortlichenzwang in den 80er Jahren in tierte 21.Jahrhundert ausreichend sein ten, immer exklusiveren Urlaubsreisen festzustellen. Sozialpsychologische der Bundesrepublik Deutschland zum können. und Konsummöglichkeiten ist ein Trend Auswüchse dieser Art sind äußerst zu einem tief wurzelndem .Unglück­ ernst zu nehmen, da diese Jugend lichsein" großer Teile der Bevölkerung 2. Das Phänomen der „inneren Verschmutzung" unsere Welt in wenigen Jahrzehnten festzustellen. Psychologen, Lebens­ regieren, lenken und gestalten wird. berater und viel zu viele als auch zu Wie konnte es zu dieser Handlungs­ Dieser erfreulichen Entwicklung steht Trotz hohem Lebensstandard, trotz fort­ gefährliche Sekten haben Hochkon­ und zu dieser Denkweise kommen, allerdings ein Trend entgegen, der un­ schreitender Mobilisierung ökologi­ junktur. verkennbar zu wenig Berücksichtigung scher Vermarktungsstrategien, trotz was waren ihre Ursachen? findet: aussichtsreicher sanierungstechnl­ Die Gründe für diese nun seit einigen .Die materiellen Kräfte des Staates scher Entwicklung und biotechnologi­ Jahren auch äußerlich sichtbaren und Die Menschen in Westdeutschland hat­ schwinden." scher Erfolge hin zu einer ökologisch nicht mehr nur vereinzelt auftretenden ten das große Glück, ohne neuerlichen

hochschule ost 3/1996 150 hochschule ost 3/1996 151 Krieg, ohne Armut, ohne existentielle gen Befreiung sind ernüchternd. Die mehr die Genugtuung, die es besitzen angebunden sind. Man rechnet derzeit Probleme ihr Leben und ihren Lebens­ Beatles haben die Klassik nicht er­ könnte. Einer der Gründe hierfür ist mit monatlichen Neueinsteigern von 2 raum in den letzten 50 Jahren gestalten setzt, sie stehen gleichbedeutend ne­ augenscheinlich: Daß, was alle haben, Millionen. Rund 300 Millionen Nutzer zu können. Das materielle Wohlerge­ ben ihr, die sexuelle Aufklärung führte hat keinen besonderen Wert mehr (z.B. erwarten Experten zur Jahrtausend­ hen und die Ausweitung der materiel­ nicht zu mehr Kindern und glückliche­ Telefon, Auto, Fernseher). Tatsächlich wende. Weltweit gibt es 260.000 Infor­ len Güter standen im Mittelpunkt erzie­ ren Paaren, sondern gipfelt in einer funktioniert unser nach Leistung beloh­ mations-Anbieter, davon über 3. 700 in hungspolitischer Unterrichtsinhalte und rapiden Geburtenabnahme, die in den nendes System nach außen für eine Deutschland. Und jeden Monat kom­ im Vorleben der verfügbaren Medien nächsten Jahren tiefste Einschnitte in gewisse Zeit, es ist begrenzt. Der wohl­ men allein 90 deutsche Anbieter hinzu und Vorbilder. Eltern, Freunde, Nach­ unsere Altersversorgung reißen wird. tuende materielle Balsam für die Seele (INTERNET NEWS, 1995). Die unkon­ barnund Bekannte hatten in den Nach­ Das Leben in und mit der (Groß-) Fami­ ist verlorengegangen. Ein ernstzuneh­ trollierte Nutzung des Internet wird als kriegsjahren nur eines im Sinn: das lie und die damit verbundene warme mender Ersatz ist derzeit nicht in Sicht. neue Freiheit empfunden, es gibt keine Wirtschaftswachstum und das damit und Nähe wurde aufgegeben und in Zensur, keine Diktatur und keine Filter. einhergehendeWohlergehen mit all vielen Bereichen als altmodisch abge­ Hinzu kommt eines der gravierensten .Ich kommuniziere, also bin ich". seinen Vor- und scheinbar so wenigen tan. Hier ließen sich weitere unzählige Phänomene unserer Zeit: Das Fehlen Nachteilen. Das System zeigt ein Mehr Beispiele an Entwicklungen aufzählen, von Leitbildern, von Menschen, deren Eine Technik wird zur Philosophie er­ an Wohlstand bei weniger Arbeit als die die neue marktwirtschafliche Frei­ Handeln im Kantschen Sinne zur Maxi­ hoben. Zukunftsperspektive auf. Verstärkt wur­ heit bewußt oder unbewußt mit sich me menschlicher Existenz werden de dieser Effekt durch das schlechte gebracht hat. Nun, einige Jahre danach könnte. Verstorben sind die Kenne­ Fußnote: Sicherlich ist Informations­ Abschneiden einer anderen Ideologie müssen wir mit konstantierender Rat­ dys, die Gandhis, die Brandts, auch fluß in vielen Bereichen das A und O und Gesellschaftsform im östlichen Teil losigkeit feststellen: wenn der eine oder andere in der heu­ eines effektiven Arbeitsverhaltens. Die der Republik. Im Mittelpunkt stand mehr .Wir sind satt und haben trotzdem tigen Zeit vielleicht kein Leitbild mehr immensen Vorteile bestehender bzw. und mehr das Gefühl der Freiheit so­ Hunger". wäre. Ersetzt wurden sie durch Perso­ zu entwickelnder Datenautobahnen wohl in Zeit und Raum, und selbst nen, deren äußeres Charisma trotz sollen keinesfalls in Frage gestellt wer­ Fußnote: Sicherlich sollen hier nicht diese Freiheit wurde durch den Mauer­ herausragender gesellschaftlicher Lei­ den. Ohne neueste und richtige Infor­ die vielen positiven Phänomene ver­ bau bei unseren Nachbarstaaten jäh stungen (man denke nur an Mandela, mation und deren Transferierbarkeit kannt werden, die die Einführung der unterdrückt. Welch ein Sieg marktwirt­ Havel, Sacharov) bei weitem nicht die kann heute kein Land der Erde, kein ökologisch orientierten sozialen Markt­ schaftlicher Freiheiten gegenüber so­ Vorbildfunktion einnehmen kann. Betrieb und auch kein Wissenschaftler wirtschaft mitgebracht hat. So ist bei­ zialistischer Diktatur! Die Freiheit zu Gleichzeitig ist festzustellen, daß - zeitgemäß arbeiten. Fußnote Ende. spielsweise die in vielen Bereichen Denken und zu Handeln erstreckte sich aus was für Gründen auch immer - die bereits deutlich zu beobachtende dabei auf alle Bereiche des menschli­ Akzeptanzbereitschaft für Leitbilder Allerdings bergen derartige Systeme Gleichberechtigung der Frau oder die chen Lebens, sowohl im privaten (se­ insbesondere bei jungen Menschen auch erhebliche Gefahren in sich, die kritische Durchleuchtung des politisch­ xuelle Revolution) als auch im berufli­ weitgehend verloren gegangen ist. heute noch vollkommen unterschätzt wirtschaftlichen Tagesgeschehens chen (Aufweichen hierarchischer Struk­ bzw. zu wenig ernst genommen. Glo­ durch öffentliche Medien unweigerlich turen hin zur Teamarbeit). Auch hier Stattdessen werden heute funktionale bale Datenkommunikationssysteme eine Folge dieser Entwicklung. Die in wurden ähnlich der weitgehend kritiklo­ und informelle zusammenhänge durch können, werden sie nur geschickt ge­ der parteipolitischen Landschaft sen Entwicklung der sozialen Markt­ kommunikative Medien in niemals zu­ nug eingesetzt, eine ungeheure Wir­ Deutschlands sicherlich gravierenste wirtschaft nur die Vorteile bedacht, vor dagewesener Form dargeboten. kung auf den Nutzer haben. Wird Infor­ Veränderung fand in der Etablierung mahnende Worte meist älterer Mitbür­ Beispielsweise geht man davon aus, mation nur elegant genug verpackt und der .Grünen" als Bundestagspartei ih­ ger als .Erhalt unzeitgemäßer Macht­ daß rund 30 Millionen Menschen in nicht nur der Information willen, son­ ren Ausdruck. Fußnote Ende. strukturen" abgetan. etwa 100 Ländern der Erde allein am dern zur Suggestion ideolgisch/poli­ Vieles, was wir heute haben, hat nicht Internet, eines unserer derzeitigen glo­ tisch gefärbter Meinungsbildung einge­ Die Ergebnisse der nun etwa 30jähri- mehr den inneren Wert, bringt nicht balen Datenkommunikationssysteme, setzt, ist ein Machtinstrument entwik-

152 hochschule ost 3/1996 hochschule ost 3/1996 153 kelt worden, dessen unkontrollierbare mit diesen neuen Medien beschäfti­ marktwirtschaftlich rechnet. Umwelt­ sen existentiell zunächst an den Rand Ausbreitung mit der der Immunschwä­ gen. technik stellt heute mit etwa 70 Milliar­ des Ruins getrieben wurden (Freiwil­ che Aids gleichzusetzen sein dürfte. den DM/Jahr einen der größten Export­ ligl). Fußnote Ende. schlager der Bundesrepublik Deutsch­ Man stelle sich nur vor, es wird zum FAZIT: Die materiellen Kräfte des Staa­ Sogenannte Kavaliersdelikte werden land dar. Man bedenke, daß diese globalen Krieg über das Internet aufge­ tes (Beglückung durch materielle An­ toleriert, sie tun scheinbar keinem weh. Entwicklung noch vor 20 Jahren in wei­ rufen l Bereits heute wird über den glo­ reize) schwinden. Das Phänomen der Viele Milliarden Mark gehen aber hier­ ten Kreisen verlacht worden ist. ökolo­ balen Datenbanktransfer jeglicher Zu­ .inneren Verschmutzung· tritt deutlich durch dem Staat, und d.h. uns allen, gische Grundsätze sind somit In kür­ griff zu pornographischen und gewalt­ hervor. Es fehlt heute sowohl an perso­ verloren, die nicht zuletzt auch für eine zester Zeit quantifizierbar, kalkulier­ verherrlichenden Medien angeboten. nifizierten Leitbildern als auch an der ökologische Neuorientierung notwen­ bar, meßbar und damit verkaufbar ge­ Besondere Brisanz erwerben diese Bereitschaft, diese Leitbilder zu ak­ dig sind. Die Legitimation hierzu ergibt worden. neuen lmformationstechnologien durch zeptieren. Unkontrollierbare globale sich leider nicht nur aus der Raffgier die Tatsache, daß sich gerade viele Kommunikationssysteme könnten heu­ Ähnliche Entwicklungen sind heute und der kurzfristigen Denkweise des junge und daher noch in vielen Richtun­ te die technifizierte Maxime des Han­ ohne größere Schwierigkeiten auch im Einzelnen, sondern wird - und dies gen offene und beeinflußbare Menschen deln liefern. Sinne eines Ethikkonsenses möglich wurde ebenfalls oben ausgeführt - tag­ und vor allen Dingen zwingend. Weiter täglich von Leitbildern, die eben des­ 3. Der „Ethikkonsens" als 4. Dimension oben wurde deutlich gemacht, daß vie­ halb keine mehr sein können, geför­ le Menschen durch höchsten materiel­ dert, dem Arbeitskollegen, dem Chef Wir leben demnach in einem Zeitalter, SCHLEMMER, 1981; SCHUMACHER, len Wohlstand (Video, Auto, Freizeit) und vielen unglaubhaft gewordenen Po­ wo die so häufig zitierten .inneren 1973; SCHWEITZER, 1982) .•Nach­ in eine häufig sinnentleerte Welt ge­ litikern. Die Geld- und Machtgier des Werte• vorwiegend im Berufsleben haltige Entwicklungen" müssen auch führt wurden, was als .innere Ver­ Einzelnen wird gesellschaftlich mehr (s.Phänomene wie Mobbing) mehr und immer ökologisch ausgerichtete Ziel­ schmutzung" definiert ist. Die innere und mehr legitimiert. mehr in den Hintergrund treten. Im Bil­ stellen gleichwertig berücksichtigen. Zufriedenheit wurde sozusagen im Stil .Sage mir wieviel Du verdienst, und ich dungsbereich ist dies mit gleicher Deut­ Zu fragen ist, ob diese .ökologische eines Sommerschlußverkaufs an die sage Dir, was Du (wert) bist.· lichkeit festzumachen. Beispielsweise Komponente• im marktwirtschaftlichen äußere Befriedigung veräußert. Es gibt lernt ein Betriebswirtschaftsstudent, ein Sinne ausreichend ist oder ob in Zu­ derzeit externe Spielregeln, die mit Der Blick vieler von dieser Entwicklung Produkt geschickt zu vermarkten, Be­ kunft nicht auch ethisch moralische inneren Grundwerten aber auch mit Enttäuschter schweift zu den großen triebsereignisse möglichst gewinnbrin­ Grundwerte quantifizierbar, kalkulier­ äußeren Gesetzen nicht konform ge­ Religionsgemeinschaften, beispiels­ gend zu orientieren, uneffektive Struk­ bar und damit letztendlich marktwirt­ hen. Beispielsweise wird derjenige als weise zur katholischen Kirche. Hier turen zu rationalisieren, letztendlich schaftlich verkaufbar gemacht werden dumm angesehen, der seine Steuerer­ sollten die gesellschaftlich weitgehend um jeden Preis Profit zu machen. Die­ müssen. Dieser Ansatz von Quantifi­ klärung tatsächlich der Wahrheit ent­ verlorenen Werte an Ethik und Moral se Entwicklung ist - und das haben in zierbarkeit, Kalkulierbarkeit und markt­ sprechend ausfüllt und dem Staat das doch zu finden sein, sollten Leitlinien den letzten Jahren unzählige Untersu­ wirtschaftlicher Absetzbarkeit ethisch gibt, was diesem zusteht (WICKERT im Sinne der Bergpredigt, im Sinne chungen gezeigt - im Sinne einer moralischer Werte soll im folgenden 1994 und 1995). Jesu Christi, derzeit doch den Nährbo­ • Nachhaltigen Entwicklung· nicht wei­ als Ethikkonsens bezeichnet werden . den haben, aufzublühen, zu reformie­ Fußnote: Ahnlich wie dem ehrlichen ter haltbar (s. z. 8. EICHHORN, 1995; ren, zum Leben in Menschlichkeit und Steuerzahler ging es übrigens auch FRITZ et al., 1995; GOLDE, 1995; Heute sind Wirtschaft und Soziales Nachsicht aufzurufen. GORE, 1994; GRAßL und KLING­ quantifizierbar. Auch sind die Zeiten den ersten Ökobauern, die zur Überra­ HOLZ, 1990; GRUHL, 1988; HABER, vorbei, daß Ökologen als .grüne Spin­ schung vieler auf eine Intensivierung Die Realität z. B. in der katholischen 1995; MARKERT, 1992; MARKL, 1989; ner" und .Körnerfresser" abgetan wer­ der Landwirtschaft, auf den Einsatz von Kirche bietet ein anderes Bild. Unzäh­ MAYER-TASCH et al., 1994; MEA­ den. Ökologie ist heute ein entschei­ Pestiziden, Massentierhaltung und lige Kirchenaustritte zeugen von einer DOWS and RANDERS, 1992; PESTA­ dender Marktfaktor, der sich quantitativ damit auf kurzfristigzu erzielende hohe inneren Zerrüttung der Institution Kir­ LOUI, 1980; POPPER, 1995; und vor allem mit steigender Tendenz Gewinne verzichteten und infolgedes- che. Häufig festzustellende institutio-

hochschule ost 3/1996 154 hochschule ost 3/1996 155 nelle Arroganz und Ignoranz gegen­ Der gesellschaftspolitische Einfluß auf senschaftlicher Perspektive, S.Hirzel Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, 17- 30. über Andersdenkenden zwingen mün­ große Massen sowohl bei jung und alt dige Christen zum Aufruf eines Volks­ wäre wohl kaum zu überbieten. HUBER, J., 1995: Nachhaltige Entwicklung durch Suffiziens, Effiziens und Konsistenz, in: FRITZ, P., HUBER, J. und LEVI, H.W., (Hrsg.). 1995: Nachhaltigkeit in naturwissenschaftlicher begehrens, um die katholische Kirche Verlassen wir diesen .Traum" und keh­ und sozialwissenschaftlicher Perspektive. S.Hirzel Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, zur sachlichen Diskussion über Zöli­ Stuttgart, 31-46. ren vom globalpolitischen Ansatz zu­ bat, Frauen im Priesteramt, Geburten­ INTERNATIONALES HOCHSCHULINSTITUT ZITTAU, (Hrsg.), 1993: Studieninformation, Inter­ rück zu der Frage, was Hochschule in regelung etc., zu bewegen. Derartige nationales Hochschulinstitut Zittau, Geschäftsstelle, Markt 23, 02763 Zittau. der heutigen Zeit dazu beitragen kann, Bedingungen machen eine offene und INTERNET NEWS, 1995: 1 & 1 Direkt - Gesellschaft zur Vermarktung von Informations­ einen Ethikkonsens zu entwickeln und ehrliche Auseinandersetzung mit der technologien mbH - Elgendorfer Straße 57 - 56410 Montabaur. zu fördern. 1 Institution Kirche schwierig. Dabei stelle MARKERT, 8., 1992: Vorwort zum Okotoxikologisches Seminar, in: MARKERT, B., (Hrsg.), man sich nur gedanklich einmal vor, Ökotoxikologisches Seminar 1991/1992, Universität Osnabrück, als Manuskript veröffent­ licht. daß der Papst im Sinne Jesu Christi Bernd Markert, Prof. Dr. rer.nat., ist MARKL. H., 1989: Die ökologische Herausforderung der Wissenschaft, Festrede zur 172. leben würde, die materiellen Güter ver­ Lehrstuhlinhaber für Umweltverfah­ Ordentlichen Mitgliederversammlung der Senckenbergischen Naturforschenden Gesell­ schenken würde, lernen würde loszu­ renstechnik und Direktor des Interna­ schaft. Frankfurt, 14. November 1989, in: Natur und Museum, 120. 4, Frankfurt. lassen, beginnen würde vorzuleben. tionalen Hochschulinstituts Zittau MAYER-TASCH, C.P., MRASS, W., VONWEIZACKER.E.-U., KOHOUT, F., 1994: Umweltpolitik und ihre Instrumente, Economica Verlag GmbH, Bonn. MEADOWS, D. u.a., 1972, Die Grenzen des Wachstums, Bericht des Club of Rome zur Lage Anmerkung: der Menschheit, OVA, Stuttgart. 1 Ein Folgetext ist in Arbeit. MEADOWS, D.u.D. und RANDERS, J., 1992: Die neuen Grenzen des Wachstums, Stuttgart. Literatur: MEYER, H.J., 1994: Forschungspolitik in Sachsen, Vortrag auf dem Workshop .Forschungs­ BIEDENKOPF, K., 1995a: Einführungsstatements auf dem Treffen der Landeshochschul­ und Technologiepolitik im Freistaat Sachsen·, TU Dresden, 23.4.1994. rektoren und -kanzler am 20.6.1995 in Leipzig. MEYER, H.J., 1995: Politische Verantwortung für das Ausländerstudium - Ein Plädoyer für BIEDENKOPF, K., 1995b: Die ökologisch orientierte soziale Marktwirtschaft. Gastvorlesung den Dialog der Kulturen, Forschung & Lehre, 8, 436-439. am 14.11.1995 am Internationalen Hochschulinstitut in Zittau. PESTALOZZI. H.A., 1980: Nach uns die Zukunft - Von der poistiven Subversion, Kösel­ BRUNDTLAND-Report,1987: Our common future, Oxford 1987, deutsch: HAUFF, V., (Hrsg.), Verlag, München. Unsere gemeinsame Zukunft. Der Brundtland-Bericht der Weltkommission für Umwelt und POPPER, K., 1995: Lesebuch - Ausgewählte Texte zu Erkenntnistheorie, Philosophie der Entwicklung, Eggenkamp, Greven. 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156 hochschule ost 3/1996 hochschule ost 3/1 996 157 REAKTION sind). Unter den Autorinnen des tion tätig). Andererseits war mir aller­ STANDPUNKT, die etwa 1976/77 (im dings klar, daß die Zeitschrift die Stu­ UNO-Jahr der Frau und kurz danach) denten und Studentinnen zu wenig er­ dort in Erscheinung traten, gehörten reichte, so daß ich Anfang der achtzi­ bekannte kritische Persönlichkeiten wie ger Jahre eine Umfrage plante: Sie Hildegard Führ von der Zentrale der hätte darauf zielen sollen zu erkennen, Günter Wirth(Berlin): Evangelischen Frauenhilfe und Pasto­ welche thematischen Interessen vom rin Annemarie Schönherr, Roswitha STANDPUNKT bzw. Oberhaupt in der Wogenstein, Pastorin in der Kranken­ protestantischen Publizistik der DDR Nachsätze zu „Kulturprotestantische hausseelsorge, Ruth Zander und Elisa­ hätten befriedigt werden sollen. Solche beth Adler, die Quäkerinnen Helga Umfragen - im Rahmen eines Frage­ Öffentlichkeit in der DDR", hso 1/96 Brückner, eine Arztfrau, und Maria­ bogens - bedurften einer gesonderten Theresia Dittrich, eine Dolmetscherin, Genehmigung, die aber nicht gegeben dann die Komponistin Prof. Ruth Zech­ wurde. Immerhin gab es einige Bemü­ Nach Veröffentlichung meines Beitra­ auf mein autobiographisches Zeugnis lin, die Schriftstellerin und Pastoren­ hungen, den theologischen Nachwuchs ges bin ich von jemandem, auf dessen zu verweisen, in: Günter Wirth, Zeit­ trau Anneliese Probst und die Biblio­ zu Wort kommen zu lassen - am Urteil ich großen Wert lege, kritisiert zeugenbericht, in: Jürgen Frölich, .Bür­ thekarin Renate Kirchner, schließlich interessantesten war wohl eine Umfra­ worden: Ich hätte, um es mit meinen gerliche" Parteien in der SBZIDDR, die Universitätstheologinnen llse Berti­ ge unter Studenten des 5. Studienjah­ Worten zu sagen, blauäugig die Sy­ Köln 1995, S. 125-138.) Möglicherwei­ netti, Käte Gaede und Gerlinde Wie­ res 1986 zum 100. Geburtstagvon Karl stemnähe des STANDPUNKT, seine se hätte ich dies alles allein schon deranders. Hinzu kamen Autorinnen Barth nach der Bedeutung, die die Lek­ Position zumal in seinen Anfängen, dann getan, wenn mir seinerzeit von aus der Ökumene, zumal aus der Drit­ türe von Barths Werken für die Studie­ heruntergespielt, wodurch das, was ich der Redaktion vorab mitgeteilt worden ten Welt, und schließlich war es gelun­ renden hätte. Fünf Studenten aus Ber­ dann durchaus zu Recht vorgetragen wäre, in welchem Kontext welcher gen, einen Originalbeitrag der damali­ lin, Jena und Rostock antworteten (und hätte, eigentlich überflüssigerweise in­ Beiträge von welchen Autoren der mei­ gen stellvertretenden Generalsekretä­ es war interessant, wie von einigen der fragegestellt worden sei. Ich möchte nige stehen würde. Ich hätte dann üb­ rin der UNO, der Finnin M. Sipilä, zu Blick über Barth hinaus auf jüngere die Redaktion ausdrücklich auf diesen rigens auch hinsichtlich des Verhält­ erhalten. Mit den Beiträgen der Ge­ Theologen gerichtet wurde, etwa auf Umstand hinweisen, zumal ich, nach nisses von Frauen und Kirche bzw. nannten war ein breites Spektrum spe­ Eberhard Jüngel). neuerlichem Lesen meines Beitrages Theologie sowie hinsichtlich der Frage, zifischer Probleme erfaßt, wobei die mit den Augen meines Gesprächspart­ inwieweit der theologische Nachwuchs Zuordnung gerade auch auf die in Kir­ Da das Stichwort Karl Barth gefallen ners, den Einwand durchaus nachvoll­ in der DDR vom STANDPUNKT er­ che wie Gesellschaft nicht gelösten im ist, darf ich mir noch eine zusätzliche ziehen kann. Ich hatte beim Abfassen reicht worden sei, einige zusätzliche Vordergrund stand. Bemerkung erlauben, die sich auf den meiner Studie gemeint, mit der einfüh­ Akzente setzen können. ebenfalls in hochschule ost 1/96 abge­ renden Bemerkung über unsere publi­ Im Blick auf die Frage nach STAND­ drucktenAufsatz von Prof. D. Dr. Wolf zistische Linie in der Honecker-Ara Was die Frauenproblematik angeht, PUNKT und theologischem Nachwuchs Krötke bezieht und dazu beitragen soll den Platz der Zeitschrift im System der hat der STANDPUNKT früh und auch sei wenigstens darauf verwiesen, daß zu klären, vor welchem Hintergrund die DDR ausreichend festgemacht zu ha­ stark beachtet relativ viel getan, unter eine Reihe der heute an Fakultäten an Barth-Bonhoeffer-Rezeptionim STAND­ ben. Es hätte sich dies, und das mein­ dem Oberbegriff .Gleichberechtigung den sechs ostdeutschen Universitäten PUNKT - und das heißt auch: wie sie te mein Gesprächspartner, kräftiger und Partnerschaft" dem Wirken der tätigen Theologen und Theologinnen für mich - stattgefunden hat. Dabei sagen und mit weiteren Hinweisen auf Frauen in Kirche und Gesellschaft nach­ früh mit der Zeitschrift in Verbindung wäre übrigens zu bemerken, daß W. meine eigene Biographie unterstreichen zugehen (und dabei auch rein thema­ waren (Brigitte Kahl war sogar unmit­ Krötkes Aufsatz sehr wenig mit Re­ lassen. (So wäre es mindestens ange­ tisch Bereiche zu berühren, die von telbar nach Absolvierung ihres Studi­ zeptionsgeschichte zu tun hat, son­ messen gewesen, noch ausdrücklich Frau Engelmann behandelt worden ums eine Zeitlang direkt in der Redak- dern letztlich allein die allerdings schlüs-

158 hochschule ost 3/1996 hochschule ost 3/1996 159 SBZ um beides, erstens einen vernünf­ sondern (soll man sagen: paradoxer­ sige systematische Darstellung seiner Gemeinde meiner Heimatgemeinde in weise?) im Umfeld von Nuschkes CDU. Position zu diesem Problem darstellt Sachsen erinnere - kontrovers disku­ tigen Kurs im gesellschaftlichen Le­ die durch die Polemik mit Hanfried tiert. ben, letztlich einen parlamentarischen Kurs auf eine neue soziale Ordnung, Es ist diese (nun allerdings tatsächlich Müller einen pointierten Akzent erhält. 1947 kam es dann zu dem Besuch Karl einzufordern und zweitens eine Neuori­ kritisch anzumahnende) Linie der Re­ Barths in Dresden, der ja beinahe den entierung in der Kirche, jenseits von zeption Barths, die dann für die mit der Wenn W. Krötke mit Recht darauf ver­ DDR-CDU sympathisierenden Theolo­ weist, daß .Barth sich selbst von Basel Charakter eines 'Staatsbesuches' er­ Restauration, zu sichern. halten hatte und der (Barth hatte mit gen und Bildungsbürger und für deren aus auch mehrfach zur Lage der Kirche Leider war letztlich beides nicht so dem damaligen sächsischen Minister­ Publizistik, seit 1973 also auch für den in der DDR und vor allem zu ihrem durchzusetzen, so daß es dann eben präsidenten und Vertretern der SMAD STANDPUNKT, bestimmend wurden, Verhältnis zum Staat· geäußert habe, in den 50er Jahren zu den Interventio­ verhandelt) letztlich zur Rückkehr Hugo so auch für mich persönlich, der 1956 so wird aus meiner Sicht (und diese ist nen Barths in die Auseinandersetzun­ Hahns nach Sachsen führte. Also auch den Brief Nuschkes an Barth vorberei­ die immer für mich prägende gewesen) gen in der DDR kam, wobei 1953 der 1947 war wiederum die Einheit von the­ tet und der in der Zeit seiner Tätigkeit zur Kenntnis zu nehmen sein, daß Karl Brief an Stasi-Minister Zaisser Klartext ologischen und gesellschaftlichen Al­ im Union Verlag dafür gesorgt hatte, Barth in der zweiten Hälfte der vierziger sprach, andererseits 1958 im Brief an daß eine biographische Skizze über Jahre nicht nur von Basel aus in die ternativen in der Haltung Barths in und einen evangelischen Pfarrer in der DDR gegenüber der SBZ und ihren Obrigkei­ Karl Barth früh in die Reihe .Christ in (W. Krötke macht darauf aufmerksam) SBZ (und natürlich auch in die Westzo­ der Welt" aufgenommen wurde, vor al­ ten präsent, und es mußte damals nicht etwa die Position des Westens nen) hineingewirkt hat. sondern in dra­ lem aber zum 80. Geburtstag Barths matischer Weise hier direkt aufgetre­ sehr auffallen, wie gut der Diastase­ schlechthin vertreten wurde. Dies hätte Theologe Karl Barth mit der Dresdner der von W. Feurich betreute Band . Klä­ ten war und dabei nicht allein theologi­ Barth nach dem speziell auch In der rung und Wirkung· herauskam. Für die­ CDU auskam (später erinnerte er sich DDR viel zitierten Brief an Wolf-Dieter sche Alternativen aufgestellt, sondern sen Band (aus dessen Neuauflage W. sie auf seine Weise mit gesellschaftli­ daran. daß ein ehemals Barmer Syn­ Zimmermann von 1950 zur Frage der odaler und dahlemitischer BK-Mann Krötke zitiert hat) war ja charakteri­ chen verknüpft hatte - und diese liefen Remilitarisierung in Deutschland auch stisch, daß man aus den dort vereinig­ freilich nicht auf Restauration, sondern ihm als Dresdner CDU-Bürgermeister gar nicht schlüssig sein können. Martin Richter - begegnete). ten Arbeiten die Herausforderung von auf Reformation auch in politicis hin­ Nun gibt es zwischen 1953 und 1958 Barths theologischer und gesellschaft­ aus. Dies trifftfür BarthsAuftreten 1946 Nun könnte man nicht zu Unrecht ein­ noch einen Brief Karl Barths in die licher Position autobiographisch (erst­ in Berlin zu, über das ich als damaliger wenden ( ob dies W. Krötke allerdings DDR, der heute sehr gern übersehen maliger Druck des gesamten Briefwech­ Freiberger Oberschüler vor allem aus tun würde, bin ich mir nicht sicher), daß wird (obwohl ihn Oiether Koch in den sels mit Thumeysen), deren Bewäh­ der .Neuen Zeir informiert war; dabei damals noch - bis 1948 - eine gewisse Kanon der Offenen Briefe Karl Barths rung im Diskurs mit anderen Theologen hatte ich auch in Erinnerung, was An­ Offenheit, ein gewisser Pluralismus in aufgenommen hat), das Dankschrei­ seiner Zeit (A. v. Hamack u. a.) nach­ fang 1946 in dieser Zeitung (aus der der SBZ zu verzeichnen gewesen sei, ben Karl Barths auf die Glückwünsche vollziehen und eine Reihe wichtiger Sicht der damaligen CDU-Führung) kri­ daß die eigentliche stalinistische Ver­ Otto Nuschkes zu des Baseler Theolo­ Texte in diesem Kontext aufnehmen tisch zu Karl Barth zur Geltung ge­ härtung noch nicht eingesetzt habe. gen 70. Geburtstag, und dieser Brief, konnte. Es ergab sich für mich die bracht worden war (in Zusammenhang Barth habe also 1946 und 1947 noch der zeitgenössisch für viel Aufsehen Möglichkeit, Karl Barth das Buch 1966 mit einem für Januar 1946 - kurz vor unter relativ normalen Verhältnissen in gesorgt hatte, könnte signalisieren, daß in Basel übergeben zu können - einge­ Beginn des Vorlesungsbetriebs - an­ der SBZ auftreten können. Dabei würde sich Hoffnungen Karl Barths in den bettet in die Visite G. Göttings und H. gekündigten, dann aber kurzfristigaus­ aber übersehen, daß der theologisch­ fünfziger Jahren doch noch auchauf die Seigewassers nach Barths 80. Ge­ gefallenem Vortrag des Baseler Theo­ gesellschaftliche Impetus des Auftre­ politische Szene der DDR bezogen, burtstag, wobei in dreieinhalb Stunden logen). Daß Barth dann bei seinem tens Karl Barths damals (wie immer) jetzt aber nicht mehr im direkten Um­ die antinazistischen Traditionen und Besuch im Sommer 1946 mit Expo­ nicht nur in die eine Richtung wies, feld der SED (in dem für Karl Barth die frühen Gemeinsamkeiten in den Schat­ nenten der SED und der SMAD zusam­ sondern auch in die andere, in die der ehemals sozialdemokratischen Ge­ ten der späteren Entwicklungen, zumal mengetroffen war, wurde - wie ich mich Abwehr der restaurativen Kräfte in der sprächspartner nicht mehr da waren), des Mauerbaus, gerieten. Mir ist jetzt aus Zusammenkünften in der Jungen Kirche. Es ging ihm also 1946/47 in der

hochschule ost 3/ 1996 161 160 hochschule ost 3/1996 erst - nach neuerlicher Lektüre meiner .Neue Zeit", in der Eberhard Bethge hat - genauer müßte man rezeptions­ auf andere Weise als das, das mir bei damaligen Aufzeichnungen - bewußt einen Aufsatz zum 40. Geburtstag Bon­ historisch allerdings sagen: wieder hat­ H. Müller immer fremd war -, das war geworden, welche Chance 1966 verge­ hoeffers veröffentlicht hatte, und es war te. Wichtiger für die Neubewertungdes die kurzschlüssige Konsequenz aus ben worden ist: Denn Karl Barth hatte dies nachweislich eine der ersten Ar­ 20. Juli in der DDR als Müllers Buch solch an- und aufgenommener Situati­ sich damals bereit erklärt, im Juli 1966 beiten des Bonhoeffer-Freundes und - war nämlich die Monographie K. Fin­ onsbeschreibung, wonach unsere Hal­ nach Berlin zu kommen, um - etwa in Forschers und späteren -Biographen. kers, die ich Mitte der sechziger Jahre tung als von Bonhoeffer womöglich der Evangelischen Akademie - mit Wenn man so sagen kann, bestand Im Union Verlag betreute und die spe­ gedeckt oder sogar gewiesen hinge­ Persönlichkeiten aus Ost und West also in der SBZ/DDR von Anfang an ziell viel Aufsehen - auch in der alten stellt wurde. Das hat uns damals schon über die friedliche Lösung der deut­ eine Bonhoeffer-Tradition. Bundesrepublik - hervorrief. In beiden insofern beschäftigt, als wir mit der schen Frage zu debattieren und kon­ Fällen - Müller wie Finker - waren es Tatsache nicht fertig wurden,daß Freun­ Wenn W. Krötke meint, Bonhoeffer sei struktive vernünftigeLösungen ins Auge jedenfalls CDU-Verlage, die solchen de Bonhoeffers wie der damalige Wit­ .nun· - und dies ist im Umfeld seiner zu fassen. Ich wiederhole: eine von Neubewertungen zum Durchbruch ver­ tenberger Propst Stammler auf der Polemik mit Müller geschrieben - .als uns, eine von der DDR verpaßte Chan­ halfen. anderen Seite der .Barrikaden" stan­ einziger von den Teilnehmern des 20. ce! Juli. .. in die Reihe der von der SED Dem allen war freilich noch dieser Vor­ den. Damit sind nur einige Momente der anerkannten 'Widerstandskämpfer'" gang vorausgegangen: Alsbald nach Jedenfalls komme ich an dieser Stelle Rezeptionsgeschichte Barths berührt, aufgenommen worden, so ist weder der dem Erscheinen von .Widerstand und (aber weniger bei Barth, wo eben in soweit sie den Diskurs zwischen Theo­ .einzige" richtig (mindestens für Stauf­ Ergebung" in der DDR waren die aufre­ meiner Sicht andere Problemstellun­ logie und Gesellschaft berühren. Der fenberg und seine Freunde gilt dies, genden Überlegungen dieses Buches gen gegeben waren) bei rezeptionsge­ konfessionelle und theologische, der allerdings mit einer noch zu machen­ Gegenstand eingehender Debatten im schichtlichen Analysen zu dem Ergeb­ sozusagen akademische Diskurs ist den einschränkenden Bemerkung) noch Kreise jener jungen Intellektuellen in nis W. Krötkes, daß wir auf die angege­ überhaupt nicht berührt; ich kann aber das .nun" (wir haben ja gesehen, wie der CDU, die damals auf unterschiedli­ bene Weise zu einem Mißbrauch der nicht umhin, wenigstens mit den Na­ früh Bonhoeffer in diesem Traditionsin­ chen Leitungsebenen der Partei, zu­ Theologie Bonhoeffers beigetragen hat­ men von Heinrich Vogel, Werner ventar war). Allerdings ist richtig, daß meist in Redaktionen oder Verlagen, ten. Alles, was wir später nicht ohne Schmauch und Ernst-Heinz Amberg in den fünfziger Jahren auf seiten der tätig waren, ich selber war bis 1958, intellektuelle Bemühung und mit Enga­ drei Theologen zu nennen, die für die SED ein besonders zugespitzter Rigo­ nach dem Tod Otto Nuschkes, in der gement zur Bonhoeffer-Rezeption und Barth-Rezeption im Protestantismus rismus zu verzeichnen war, der auch Parteiführung. Ich faßte damals die -Forschung beigetragen haben, steht der DDR von zentraler Bedeutung ge­ die Würdigung des 20. Juli betraf, die Ergebnisse unserer Debatten zusam­ (auch soweit es positiv zu bewerten ist) wesen sind. eigentlich eine Entwürdigung war, und men und konnte diese, jedenfalls zum in einer Klammer, vor der ich durchaus paradoxerweisetraf dieser Rigorismus Teil und etwas vergröbert, in dem Be­ W. Krötkes negatives Vorzeichensehe. Was Dietrich Bonhoeffer angeht, so sogar die Arbeit H. Müllers. Ich glaube richt des damaligen Generalsekretärs wäre auch im Blick auf ihn unmittelbar Dabei wäre ich übrigens auf Umwegen mich gut zu erinnern, daß mir 1958/59 an den 9. Parteitag der CDU im Herbst auf die Zeit nach 1945 zurückzugehen. neuerlich bei der Einleitung angelangt, Dr. Desczyk, der damals für den CDU­ 1958 in Dresden unterbringen. Hierbei Es scheint mir doch nicht unwichtig zu hierbei die kritische Haltung meines Verlag Koehler & Amelang verantwort­ war Bonhoeffers Säkularismus-Kon­ sein, daß sich schon im Heft 2/1945 Gesprächspartners vertiefend (vielleicht liche CDU-Kulturpolitiker, klagte, wel­ zept, sein Etsi deus non dareturgewis­ (November) der damals von Klaus Gysi sogar dort, wo er noch keine Kritik che Schwierigkeiten er mit diesem sermaßen als Beschreibung der Situa­ redigierten Zeitschrift des Kulturbun­ hatte anbringen wollen) ... Manuskript - eben wegen des 20. Juli tion in der DDR direkt an- und dement­ des .Aufbau" Gedichte Bonhoeffers fin­ sprechend aufgenommen, was ja, mit - hätte; tatsächlich kam das Buch Ganter Wirth, Prof. Dr. phil. Dr. theol. den, und tatsächlich nahm ich als Frei­ Günter Jacobs Proklamation des En­ dann auch erst 1961 heraus. h.c., 1973 - 1990 Chefredakteur bzw. berger Oberschüler eine Zeitlang an, des des Konstantinischen Zeitalters Bonhoeffer sei in erster Linie Dichter .Nun" dauerte es aber durchaus noch Herausgeber der evangelischen von 1956 im Hinterkopf, so falsch nicht Monatszeitschrift STANDPUNKT, gewesen. Eines Besseren belehrt wur­ einige Zeit, bis Bonhoefferjenen Status war. Was aber falsch war - allerdings lebt als Publizist in Berlin de ich Anfang 1946 wiederum durch die hatte, von dem W. Krötke gesprochen

162 hochschule ost 3/1996 hochschule ost 3/1996 163 Läßt man die zentralen Stellenzuwei­ rungen von Stellen aus dem Hoch­ BERICHTE sungen außer Betracht, ist die Verän­ schulsonderprogramm I in die Hoch­ derung der Stellenbestände bei den schuletats. An den Stellenzuwächsen einzelnen Hochschularten nicht so seit 1990 der Fachhochschulen in den deutlich. An den Universitäten (ein­ neuen Ländern um 5.360 auf 5.900 ist schließlich Pädagogische Hochschu­ der Aufbau dieser Hochschulart nach len und Gesamthochschulen) der alten der Wiedervereinigung abzulesen. Länder lag die Zahl der Stellen im Jahr Bei den Universitätskliniken zeigt die 1994 um etwa 940 über der von 1990, Statistik für die alten Länder über den beim wissenschaftlichen Personal um Stellenausstattung der Hochschulen in den alten gesamten Zeitraum seit 1980 ein kon­ 640. An den Universitäten der neuen Ländern leicht gestiegen - Stellenabbau in den neuen tinuierliches Wachstum des Stellen­ Länder betrug der Rückgang seit 1990 bestandes. Von 1990 bis 1994 stieg Ländern rund 41 .450, beim wissenschaftlichen der Bestand an Stellen für Arzte und Personal 15.315 Stellen. Wissenschaftler weiter um rund 1.200 auf 21.540. der für Pflege-, Assistenz­ Einen größeren Zuwachs an Stellen Nach wenig verändertem Bestand an soren, Dozenten und Assistenten). Da­ und Hilfspersonal um rund 8.450 auf gab es an den Fachhochschulen der Stellen für das Personal der Hochschu­ gegen ist an den Hochschulen der neu­ 95.546 an. Diese Zuwächse beruhen alten Länder. Hier lag die Zahl der len in den 80er Jahren sind seit 1990 en Länder ab 1990 ein deutlicher Stel­ vor allem auf zusätzlichem Bedarf für Stellen 1994 mit 18.900 um 1.840 über leichte Stellenzuwächse in den alten lenabbau um 35. 750 auf 35. 756 erfolgt. die Krankenversorgung, der durch ent­ der von 1990. Dies bedeutet eine Zu­ Ländern zu verzeichnen. Die Entwick­ Hierin spiegeln sich die Veränderun­ sprechende Einnahmen finanziertwird. lung des Stellenbestandes der Hoch­ gen der Hochschullandschaft und der nahme um gut 1 0 %. Die Stellenzu­ schulen in den neuen Ländern (ein­ Personalstruktur während der Neuord­ wächse beruhen zum Teil auf Verlage- Wissenschaftsrat schließlich Berlin-Ost) zeigt seit 1990 nungs- und Umstrukturierungsphase dagegen einen starken Abbau. Die wieder. Nach den Haushaltsansätzen Personalstruktur nach Hochschularten ist in den alten Ländern mit einem sowie nach wissenschaftlichem und weiteren leichten Anstieg der Stellen "Neustrukturierung" der PH Erfurt nichtwissenschaftlichem Personal der zu rechnen und in den neuen Ländern Schließung der Math.-Nat. Fakultät neuen Länder wies seit 1994 keine mit einem weiteren Rückgang. wesentlichen Unterschiede mehr zu Ein Zuwachs, allerdings nur bis 1992, den alten Ländern auf. Dies geht aus Am 16. Mai 1996 trat das Zweite Ge­ nungsgemäß beenden können. Pro­ ist bei den Stellen, die nicht einzelnen den Zahlen der letzten Umfrage des setz zur Anderung des Thüringer Hoch­ fessoren und Hochschuldozenten, die Hochschulen direkt zugewiesen wer­ Wissenschaftsrates bei den Ländern schulgesetzes (vom 3. Mai 1996) in von der Schließung betroffen sind, wer­ den, sondern in Zentralkapiteln, wie für 1994 hervor, die in dem soeben Kraft. Im Gesetz ist eine Neustrukturie­ den von anderen Thüringer Hochschu­ z.B. Allgemeine Hochschulangelegen­ erschienen Band .Personalstellen der rung der PH und eine Namensände­ len aufgenommen. Die Erziehungswis­ heiten, Überlastprogramme oder For­ Hochschulen 1994" enthalten sind. rung in Pädagogische Hochschule Er­ senschaftliche Fakultät übernimmt die schungsförderung, festzustellen. Der furt festgeschrieben. Aufgaben der Grundschullehrerausbil­ Zwischen 1990 und 1994 ist der Be­ Stellenanstieg ist überwiegend Folge dung, soweit sie bisher von der Mathe­ stand an Personalstellen an den Hoch­ der Stellenzuweisungen nach dem Die Neustrukturierung heißt in der Pra­ matisch-Naturwissenschaftlichen Fa­ schulen der alten Länder (ohne Hoch­ Hochschulsonderprogramm 1/11. 1994 xis Aufhebung oder auch Schließung kultät wahrgenommen wurden, und alle schulkliniken) um rund4 % von 135.890 verfügten die Hochschulen der alten der Mathematisch-Naturwissenschaft­ deren mit der Verleihung von Akademi­ auf 141.550 gestiegen. Dies gilt auch Länder insgesamt Ober rund 2. 700 Stel­ lichen Fakultät. Den Studierenden wird schen Graden und Titeln verbundenen für die darin enthaltenen Stellen für len in den Hochschulsonderprogram­ zugesichert, daß sie ihr Studium ord- Verpflichtungen und Befugnisse. wissenschaftliches Personal (Profes- men, darunter 1.310 Professoren. hochschule ost 3/1996 165 164 hochschule ost 3/1996 Festgeschrieben wurde auch, daß die geboten bzw. eine mögliche Teilzeitbe­ Zumal, wenn sie nicht in den Achtzi­ habilitierung einer KZ-Aufseherin und Satzungen der Pädagogischen Hoch­ schäftigung mit Ausgleichsvergütung gern, sondern in den fünfziger und sech­ Privatisierung von Spendengeldern be­ schule Erfurt binnen sechs Monaten für ältere Arbeitnehmer in Aussicht ziger Jahren vier, acht oder gar längere wogen das Berliner Abgeordnetenhaus nach Inkrafttreten des Gesetzes der gestellt. Jahre die stumpfe Brutalität des dama­ nicht zu einer Beendigung der Förde­ Neustrukturierung anzupassen sind. ligen Gefängnisregimes und seiner Ker­ rung. Ebenfalls für den in diesem Zu­ Das Thüringer Ministerium für Wissen­ kermeister ertragen mußten. Nach spä­ sammenhang zwischenzeitlich vom Mit der Bestätigung des Landeshoch­ schaft, Forschung und Kultur ist nach testens vier Jahren einer solchen Haft Berliner Stasibeauftragten entlassenen schulplanes durch den Thüringer Land­ dem Beschluß der Landesregierung Ist man für sein Leben gezeichnet und Schriftsteller Siegmar Faust wurde tag hat das durch das Kabinett gebillig­ vom 21.06.1995 verpflichtet, in den viele von denen, die noch längerer ge­ gesorgt. Er wird jetzt sächsischer Sta­ te Stellenkonzept des Thüringer Mini­ Haushaltsjahren 1996/97 insgesamt sessen haben, brauchen lebenslange sibeauftragter (damit ist der nächste steriums für Wissenschaft, Forschung 181 Stellen an den Thüringer Hoch­ psychotherapeutische Behandlung. Die Skandal mit diesem Strohkopf aller­ und Kultur Gesetzeskraft. Damit ist die schulen abzubauen. Um betriebsbe­ Realisierung und Finanzierung der Be­ dings vorgebucht). Mathematisch-Naturwissenschaftliche dingte Kündigungen zu vermeiden, bie­ treuung dieser Opfer ist die verdammte Wer dagegen nicht mit der VPM kun­ Fakultät der Pädagogischen Hochschu­ tet der Freistaat Thüringen allen Mitar­ Pflicht und Schuldigkeit einer Gesell­ gelt, ist im Stande der Ungnade. Nicht le Erfurt geschlossen und die im Lan­ beitern an Thüringer Hochschulen, die schaft, die auch nur halbwegs das At­ einmal die vielbesprochenen Zusam­ deshochschulplan ausgewiesene Per­ in einem unbefristeten Arbeitsverhält­ tribut ·menschlich" verdienen will. Nicht menkünfte zwischen Bärbel Bohley und sonalausstattung verbindlich. Ein­ zu reden von den Archiven und For­ nis stehen und das 63. Lebensjahr Gesinnungsgenossen mit dem Kanz­ schneidende Personalmaßnahmen schungsinstituten, die die Untaten ei­ noch nicht vollendet haben, an, ihr ler des neuen Deutschlands führten sind unumgänglich. Um die notwendi­ nes solchen Regimes erst aufdecken Arbeitsverhältnis durch Abschluß ei­ bisher zu handgreiflicheren Ergebnis­ gen Personalreduzierungen sozialver­ und die Kriterien einer Rehabilitierung nes Aufhebungsvertrages einvernehm­ sen als einer privaten Alimentierung für träglich zu gestalten und weitestge­ der Opfer recherchieren können. lich zu beenden. Den Mitarbeitern, die Frau Bohley, die jetzt in der Adenauer­ hend betriebsbedingte Kündigungen zu von diesem Angebot Gebrauch ma­ vermeiden, wird seitens des Wissen­ Aber in der Welle der gegenwärtigen Stiftung ihre Bilder ausstellen darf. Hel­ chen, wird zu ihrer Absicherung eine mut Kohl konnte sich als der große schaftsministeriums eine Abfindungs­ Abfindung angeboten. Kürzungen in kulturellen, sozialen und regelung bei Beendigung des Arbeits­ Jugendprojekten zeigt sich, was die Vater der Heldinnen des Jahres 1989 darstellen, aber von einem Beratungs­ verhältnisses mit Auflösungsvertrag an- (PH-Report Erfurt 3196) Herrschenden von der Idee einer Zivil­ gesellschaft halten. Und wie nützlich büro für Opfer oder sogar von einer erörterten Stiftung für die Opfer des Kommunistenhasser für die CDU auch DDR-Regimes gibt es immer noch kei­ immer als politisches Werkzeug gewe­ ne Spur. sen sein mögen - zu den Objekten der Das Ende des aufrechten Ganges? gegenwärtigen Streichungswelle gehö­ Im Gegenteil: im Mai novellierte der ren natürlich auch die Opfer staatlicher Bundestag, weitgehend von der Öffent­ Die Archive, Verbände und Forschungsorganisationen der Opfer der Willkür in der DDR und ihre Verbände, lichkeit ignoriert, mit den Stimmen von DDR-Staatsrepression stehen bald vor dem finanziellen Aus Archive und Forschungsverbunde. Ein­ CDU, CSU und natürlich auch der SPD zig die Berliner Gedenkbibliothek, ein das Stasiaktengesetz, so daß jetzt Kein Zweifel: wenn man nicht gänzlich len. Aber als einer vom damaligen Re­ Lieblingskind der CDU und der rechten beispielsweise kein Einblick mehr in vernageltist, gibt es, je älter man wird, gime zum Staatsfeind Erklärter und Politsekte VPM (Verein zur Förderung die Personalunterlagen von Spitzeln das Problem der unterschiedlichen Insasse immerhin einiger zahmerer psychologischer Menschenkenntnis), und Geheimdienstlern vor dem Jahre Loyalitäten. Als Linker kann ich nicht Haftanstalten in den achtziger Jahren erhielt von Anfang an die institutionelle 1963 mehr möglich sind. Für viele, die scharf genug den zunehmenden verstehe ich sehr gut den Haß, den die Förderung, die für viele vergleichbare die besonders harte Repression des Rechtstrend in den Organisationen der damals Verfolgten gegen die damals Vereine in Westdeutschland Normali­ DDR-Staates in den vierziger, fünfziger Opfer des DDR-Staatsterrors verurtei- regierenden Kommunisten empfinden. tät ist. Auch die Skandale um die Re- und Anfang der sechziger Jahre zu füh-

166 hochschule ost 3/ 1996 hochschule ost 3/1996 167 len bekamen, ist das ein harter Schlag. Der Berlin-Brandenburger Bund Stali­ westdeutscher Hand befindet. bisher schlägigen "Verträge• zeigt, mitten in Hintergründe und Verantwortlichkeiten nistisch Verfolgter (BSV), hauptsäch­ nur eine Reihe müßiger Betrachtungen der Laufzeit von heute auf morgen ohne werden nur noch schwer zu klären sein. lich in der Betreuung von Opfern der und flacher Kompilationen erbracht hat. jegliche Begründung bis auf Null zu­ Rehabilitierungen und ohnehin mini­ staatlichen Repression tätig, erhält der­ DDR-Wissenschaftler - gerechte und sammengestrichen werden. zeit immerhin noch Geld. Aber die Ar­ ungerechte - haben nur noch die Chan­ male Entschädigungen werden noch Das Robert-Havemann-Archiv,ein Ver­ beitsförderungsmaßnahme nach§ 249h ce, sich möglichst schnell pensionie­ komplizierter. Und für die Historiker ein, der den Havemann-Nachlaß ver­ läuft am 31.10.96 aus und hat wenig ren zu lassen. Oder aber bei der Indu­ wird die gerade in Konturen erkennbare waltet und ein Archiv über die Bürger­ Aussicht auf Verlängerung. Laut Aus­ strie und den Parteien betteln zu ge­ Frühzeit des SED-Staates für weitere bewegungen der Wende in der DDR vierzig Jahre nebulös bleiben. kunft von Servicegesellschaftund Stadt­ hen. Rainer Eckert beispielsweise, den und darüber hinaus in Osteuropa führt, bezirk werden die in Berlin Lichtenberg ich sprach, zeigte eine rührende Zuver­ macht bisher gute Miene zum bösen Aus dem Hause der Kohl-Vertrauten laufenden Maßnahmen bis auf 30% sicht in eine historische Kommission Spiel. Auch hier läuft die Arbeit nach Bohley und ihrer Freunde war kein Wort reduziert, von den 30 übrigbleibenden beim Parteivorstand der SPD, gab dann zahlreichen Kürzungen auf der Basis der Kritik zu hören. Offensichtlich be­ Maßnahmen sollen letztendlich nur 13 freilich aber auch zu, daß kaum eine von sechs 249h-Stellen, zu denen zwei absichtigt man, wie aus einem neuerli­ bleiben. Bei diesen sollen die Mittel pro Partei ungeeigneter wäre, um spezifi­ vom Landesbeauftragten für Stasiun­ chen Treffen mit dem Kanzler im April Person von 36.000 auf 28.000 Mark sche DDR- und ostdeutsche Befind­ terlagen finanzierte Stellen kommen. ersichtlich wird, so lange weiter zu einschließlich Sachmitteln gekürztwer­ lichkeiten zu verstehen als gerade die Zwar habe das Arbeitsamt verlautbart, kratzen, bis die Herren der Bundesre­ den, so daß auch für Akademiker nur SPD. publik vielleicht doch Erbarmen zei­ 16-17.000 Mark brutto im Jahr bleiben. daß 249h-Stellen jetzt auf ein viertes gen. Etwas besser scheint es auf den er­ Jahr verlängert werden können, aber Das baldige Ende ist auch für die Fi­ sten Blick bei der Antistalinistischen von Seiten des Berliner Senats stehe Die Chancen dafür sind gering. Als er­ nanzierung der Historiker gekommen, Aktion, der ASTAK auszusehen, die eine Verlängerung sehr in Frage. Der stes mußte das Berliner "Bürgerkomit­ die sich im Unabhängigen Historiker­ über die Eintrittgelder in ihre Ausstel­ Landesbeauftragte für Stasiunterlagen tee 15. Januar e.V.", seinerzeit Ostber­ verband zusammengeschlossen und lungsräume in der Ostberliner Norman­ kämpfe derzeit um die Verlängerung liner Vortrupp des Kampfes gegen den in den letzten Jahren eine ganze Serie nenstraße einen Sockelbetrag zur Ver­ wenigstens einiger Stellen. DDR-Geheimdienst, daran glauben. von aufsehenerregenden Untersuchun­ fügung hat. Aber auch diese Arbeit wird Das ist besonders traurig im Falle des Trotz der umtriebigen politischen Schar­ gen über DDR-Geschichte publiziert natürlich von fünf 249h-Stellen getra­ Matthias Domaschk-Archives, einer mit wenzeleien des Vorsitzenden Hans hatten. Leute wie Armin Mitter, Stefan gen (allein zur Befriedigung der An­ ungeheurem Fleiß und peinlichster Schwenke liefen die ABM-Stellen aus. Wolle, Bernd Florat und Rainer Eckert sprüche der neudeutschen Finanzäm­ Sorgfalt geführten umfangreichen Mittel für die weitere Haltung der Räu­ kamen von der Akademie der Wissen­ ter braucht es erfahrungsgemäß ein Sammlung zu DDR-Opposition und - me sind nicht in Aussicht und ein Ver­ schaften der DDR und waren im Rah­ bis zwei Stellen). Außerdem erhält die Repression. Von ursprünglich sechs such, in der fast leer stehenden und men des Wissenschaftler-Integrations­ ASTAK Projektmittel vom Landesbe­ Stellen wurden im laufe der Zeit drei verfallenden ehemaligen Stasi-U-Haft­ programmes an der Ostberliner Hum­ auftragen für Stasiunterlagen, der ge­ gestrichen. Eine der verbliebenen Stel­ anstalt in Berlin-Hohenschönhausen boldt-Universität angestellt - mit dem genwärtig im Abgeordnetenhaus für die len läuft bis Dezember des Jahres, Platz zu finden, scheiterte am Wider­ Ziel einer Festanstellung. Dazu wird es Beibehaltung seines Haushaltes zwei bis zum März nächsten Jahres. stand des Berliner Senats. So ist wahr­ nicht kommen, weil auch in der Hum­ kämpft. Bei den Kürzungen, sagte mir Der Lohn für eine Stelle mußte herab­ scheinlich in zwei bis drei Monaten boldt-Universität mittlerweile westdeut­ Geschäftsführer Drieselmann, sei die gestuft werden, mit sämtlichen Folgen auch die ehrenamtliche Fortführung der sche Uni-Seilschaften fest Fuß gefaßt ASTAK bisher "durchgeschlüpft". Al­ für Arbeitslosengeld und Chancen auf Arbeit für die Mitglieder des Bürgerko­ haben und nur an ihre westdeutschen lerdings enden die 249h-Stellen im April dem Arbeitsmarkt. Die Projektmittel mitees nicht mehr möglich und die Kumpels Pöstchen und Ämterehen ver­ nächsten Jahres und Chancen und reichen gerade für Lohn- und Verwal­ historische Zeitschrift "Horch & Guck" teilen. Da zählen keine Publikationen, Modalitäten einer Neubeantragungste­ tungskosten. Für Sachmittel - etwa wird ohnehin nicht mehr finanzierbar da spielt es auch keine Rolle, daß die hen in den Sternen. Ohnehin können die Anschaffung dringend benötigter sein. DDR-Forschung, soweit sie sich in diese Stellen, wie ein Blick in die ein- Bücher - gibt es kein Geld. "Die

168 hochschule ost 3/1996 hochschule ost 3/ 1996 169 Arbeit", sagte mir Tom Sello vom Do­ vermögen den Opfern und den einschlä­ Schluß zu ziehen, man müsse sich mageren Möglichkeiten für Aufarbei­ m asch k-Arch iv, "ist inzwischen so gigen Opferverbänden, Archiven und eben stärker mit den Herrschenden tung und Rehabilitation, das Stasiak­ umfangreich und vielfältig, daß sie nicht Forschungsgruppen zugute kommen einlassen, um die notwendigen Gelder tengesetz und das Unrechtsbereini­ als Freizeitarbeit weiterführbarist. Opfer, müßten. Die "Unabhängige Kommissi­ zu bekommen. Verwiesen wird auf das gungsgesetz wurden nicht erbettelt. die mit ihren Stasiakten zu uns kom­ on· aber, die diese Parteivermögen ver­ Beispiel des Leipzigers Uwe Schwabe Sie wurden 1990 mit großem Einsatz men und sie uns zur Verfügung stellen, waltet, überweist nach eigener Aus­ und des Domaschk-Archivs Jena, die von Aktivistinnen quer durch die DDR wollen beispielsweise auch beraten kunft frei werdende Mittel an die Län­ sich unter den Schutz des Hauses der erkämpft und erhandelt. werden; mindestens brauchen sie ta­ der, die sie zu Zwecken der privaten Geschichte gestellt haben und jetzt in Die Verhandlungen scheinen derzeit gelange Gespräche über das, was sie Wirtschaftsförderung oder kulturellen froher Voraussicht der Teilhabe am gOnstigstenfalls an einem toten Punkt Zwecken zur Verfügung stellen. Die munter plätschernden Millionenbrun­ in ihren Akten gefunden haben. Eigent­ angekommen zu sein. Und an einem Idee einer Stiftung für die Opfer jenes nen in Leipzig eine Stiftung in Grün­ lich wäre ein Psychologe und psycho­ solchen Punkt liegt es selbst für die dung gegründet hätten. Hinzu kommen therapeutische Betreuung notwendig." Regimes ist seit 1990 insbesondere sklerotisierten deutschen Gewerk­ die bösen Erfahrungen von DDR-Oppo­ von Konservativenhäufig beklatscht und schaften auf der Hand, daß nun ge­ In der Gedenkstätte Berlin-Hohen­ sitionellen mit der westdeutschen Lin­ gelobt worden. Nur, daß bis jetzt kein kämpft werden muß. Ich denke, die schönhausen schlägt sich ein einsa­ ken in der Vorwendezeit: "Es ist doch Pfennig für eine solche Stiftung zur DDR-Opferverbände, die Archive und mer Aktivist mit einem vom Arbeitsamt so·, sagt mir mein Freund Thomas Verfügung steht. Dafür verabschiedete die Wissenschaftler sollten endlich zu geschickten NVA-Offizier und anderen Auerbach, "daß wir als DDR-Exilanten der Bundestag neulich die notwendi­ einer ähnlichen Schlußfolgerung kom­ auch nicht sehr interessierten 249h­ in all den Jahren der Zusammenarbeit gen Gelder für eine Bismarck-Stifung, men und neue Bündnispartner suchen. Angestellten herum. Daß auch die Um­ mit den Linken, den Grünen und der weil scheinbar die Gebäude, die sei­ In Berlin beispielsweise gibt es das welt-Bibliothek, die nicht direkt zum SPD bis auf sehr wenige Ausnahmen nerzeitvom Kaiser und dem deutschen Bündnis gegen Sozialabbau, das die dargestellten Komplex gehört, gerade wie Petra Kelly und Horst Bastian nur Volk der Familie Bismarck für ihre Ver­ Interessen der Zivilgesellschaft gegen von den Kürzungenereilt wurde, sei nur Mißtrauen und Obstruktion geerntet dienste um die deutsche Einheit und die obrigkeitlichen Umverteilungswün­ nebenbei mitgeteilt. haben. Wir sollten mit all denen zu­ die Annektion von Elsaß-Lothringen sche vertritt. Warum nicht zur Abwechs­ sammenarbeiten, die uns helfen wol­ Rein formal-organisatorisch gibt es na­ geschenkt wurden, nicht mehr im be­ lung mal wieder auf die Straße gehen len, unabhängig von der Parteizugehö­ türlich das Problem, wo die Verbände sten Zustand sind. Die Neuadligen wa­ und kämpfen, statt immer wieder rheto­ rigkeit. Aber am ehesten finden wir und Archive der Opfer des Staatster­ ren wohl zu stark mit Prassen beschäf­ risch die Bilder von der mehr oder derzeit eben bei der CDU Verständnis." rors der DDR einzuordnen waren. Bis­ tigt, um auf den notwendigen Unterhalt weniger friedlichen Revolution von 1989 her wurden sie wechselnd aus den den der Immobilien zu achten. Dagegen heraufzubeschwören? Derzeit besteht Ich denke aber doch, daß die oben Bereichen Kultur, Soziales oder gar Ju­ sind die Entschädigungen, die nach in der Öffentlichkeit der deutliche Ein­ dargestellten Beispiele zeigen, daß gend finanziert. Die Landesbeauftrag­ dem Unrechtsbereinigungsgesetz Op­ druck, daß DDR-Oppositionelle und auch die zunehmende Annäherung an ten für Stasiunterlagen verfügen über fern der DDR-Repression zur Verfü­ Repressionsopfer eine Klientel der herr­ die CDU nicht allzuviel bringt. Und selbst einen knappen Haushalt und werden gung gestellt werden, minimal und wer­ schenden Parteienund Wirtschaftscli­ wenn man am Ende etwas Kohle für ein offensichtlich hauptsächlich als Abstell­ den viele erst nach ihrem Lebensende quen sind, von diesen finanziert und gleis für kaltzustellende Personen aus weiteres halbes Jahr überleben her­ erreichen. Ausnahmen werden nur mal gelenkt werden. Daß dem nicht so ist, Politik und Verwaltung gesehen. "Es ausgeschunden hat, bleibt doch die beispielsweise im Falle der Wittenber­ sollte klargestellt werden. Und auch gibt keine Lobby für Aufarbeitung und ger KZ-Aufseherin Pietzner möglich, Frage der Würde, der Unabhängigkeit aus weit prinzipielleren Überlegungen Opfer", sagte mir Tom Sello, "und der die durch Vermittlung der VPM nach und des Stolzes. Das Problem ist doch, sollten sich die Verbände endlich wie­ politische Wille fehlt". knappen zwei Monaten schlappe ob es inhaltlich im Sinne der Opfer der mal auf die Seite der Rebellion 50.000 Mark erhielt. eines Regimes richtig sein kann, beim begeben. Dabei wäre es doch eigentlich auf der nächsten Regime zu Kreuze zu krie­ Hand liegend, daß zumindestens ein Die Opferverbände und Archive schei­ chen, bis man aus Gnade ein paar Wolfgang Rüddenklau (Berlin) Teil der beschlagnahmten DDR-Partei- nen aus den Vorgängen in der Tat den verschimmelte Pfennige erhält. Die (aus: Telegraph, Berlin, 5196)

hochschule ost 3/ 1996 hochschule ost 3/ 1996 171 170 Parteienmanagement".Juli 1995 - Juni 1996 Senatsverwaltung für Wissenschaft und DOKUMENTATION Vorsitzender der Europaministerkonferenz Forschung. der Länder.

Abgeordneten haus: Staatssekretär:

Erich Thles, geb. 20.9.1943 in Rotenburg (Wümme), Niedersachsen; 1963 Abitur eben­ CDU-Fraktion: dort, 1963 -1970 Studium der Philosophie, Eberhardt Engler, geb. 2.3.1941 in Berlin, Wissenschaftspolitikerinnen in Berlin Kunstgeschichte, Germanistik und Pädago­ verheiratet, 3 Kinder: 1959 Abitur: 1959/60 gik an den Universitäten Tübingen, Berlin und landwirtschaftliches Praktikum, 1960/66 Heidelberg, 1970 1. Staatsexamen für das Im Heft 3195 waren die - infolge von Wahlen z. T. Studium Veterinärmedizin an der Humboldt­ Lehramt an Höheren Schulen in den Fächern neuen - Wissenschaftspolitikerinnen in ostdeut­ Universität, 1967 Approbation und Dr. schen Regierungen und Landtagen vorgestelltwor­ Germanistik und Philosophie, 1970 Wissen­ med.vet„ 1967 Fachtierarzt für Labordia­ den. Berlin hafte zu diesem Zeitpunkt noch nicht schaftlicher Mitarbeiter/Assistent bei Prof. t gnostik, 1966/69wiss. Assistent, 1969 Ober­ gewähl. Das ist unterdessen geschehen. Im folgen­ DieterHenrich, Philosophisches Seminar an tierarzt, 1970 wiss. Mitarbeiter der AdW in den die entsprechenden Nachträge. der PH Heidelberg, 1973 Promotion in Philo­ Potsdam, 1971/91 amZentralinstitutfürHerz­ sophie, 1975 -1978 Prorektor der PH Heidel­ Kreislauf-Forschung der AdW, seit 1992 am berg, 1976 Berufung auf eine C4-Professur Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medi­ Politische Grundsatzfragen im CDU-Landes­ für Philosophie, 1978 - 1986 Rektor der Päd­ Senat: zin in Berlin-Buch, seit 1995 Geschäftsfüh­ verband Hessen, 1971 - 1973 Freier Mitar­ agogischen Hochschule Heidelberg, 1978- rer des Verbund Klinische Pharmakologie beiter bei Walther Leisler Kiep, dann Abtei­ 1982 Mitglied des Senats der Westdeutschen Bertin-Brandenburg, 1966-90 Mitglied FDGB, Senator für Kultur und Wissenschaft: lungsleiter z.b.V. in der CDU-Bundesge­ Rektorenkonferenz, Frühjahr 1985 Gastpro­ seit 1966 Mitglied der CDU, 1967-79 Vorsit­ schäftsstelle, ab 1973 dort Leiter der Abtei­ fessur für Philosophie an der University of Peter Radunskl, geb. 13. März 1939 in zender des Ortsverbandes,1 979-85 Vorsit­ lung Öffentlichkeitsarbeit, 1981-1991 CDU­ Sierra Leone, Freetown/VVestafrika,seit 1987 Berlin, verheiratet, zwei Kinder; 1958 Abitur zender des Kreisverbandes Mahrzahn, 1988/ Mitglied mehrerer Arbeitsgruppen des Wis­ in Berlin, ab Mai 1958 Studium der Rechts­ Bundesgeschäftsführer, 1982 - 1990 Mit­ 89 Mitglied des Bezirksvorstandes und eh­ senschaftsrates, seit 1989 Mitglied des Wis­ wissenschaft, Geschichte, Romanistik und glied des ZDF-Fernsehrates, 1983 - 1992 renamtl. Stellv. Vorsitzender, 1990 Vorsit­ senschaftlichen Beirates der Societas ad Politischen Wissenschaft in Berlin, Bonn und Mitglied im Politischen Bureau/ Vorstandder zender des CDU-Landesverbandes Berlin studio de hominis condicione colenda. /n­ Straßburg, 1961 -1962 Studentenvertreter Europäischen Volkspartei (EVP), seit 1987 (Ost) und Mitglied des Parteipräsidiums der temationa/e Vereinigung zum Studium der an der FU Berlin für den RCDS, 1964 - 1968 Leiter der EDU-Wahlkampfkommission (Eu­ DDR, 1990/91 stellv, Landesvorsitzenderder Werke Ludwig Feuerbachs und zuständig Mitglied des RCDS-Bundesvorstandes als ropäische Demokratische Union), ab Januar CDU in Berlin, seit 1990 Vorsitzender des für den Bereich Bundesrepublik Deutsch­ Presse- und Grundsatzreferent, ab 1965 1991 Senator für Bundes- und Europaange­ OrtsverbandesBiesdorf, 1976-90 Mitglied land, ab Januar 1991 Planungsbeauftragter Wahlkreisgeschäftsführer im Bundeswahl­ legenheiten des Landes Berlin, April bis Juli der Stadtverordnetenversammlung, 1990 für den FB Erziehungswissenschaften der kreis Hannover-Land, 1965 -1967 Referent 1992 Lehrauftrag am OSI zum Thema: "Wahl­ stellv. Präsidiumsmitglied in den Kuratorien Humboldt-Universität zu Berlin, September des Berlin-Besucherdienstes im Bundesmi­ kampforganisation - Wahlkampfstrategie - der FU und der FH für Technik und Wirt­ 1991 vom Akademischen Senat der HUB nisterium für Gesamtdeutsche Fragen, 1967 Wahlkampfkommunikation", November 1994 schaft, seit Januar 1991 MdA. gewählter Dekan des Fachbereiches und Diplom am OSI der FU Bertin, 1967 Hauptamt­ Lehrauftrag an der Susquehanna University Vorsitzender der Struktur- und Berufungs­ Monika Grütters, geb. 9.1.1962 in Mün­ licher Bundesgeschäftsführer des RCDS, (Pennsylvania/USA) zum Thema "Europa", kommission Erziehungswissenschaften, seit ster, ledig; 1981 Abitur, 1982-84 Universität 1967- 1969 Wissensch. Mitarbeiter, dann April bis Juni 1995 Gastprofessur am Institut Oktober 1991 Wissenschaftlicher Betreuer Münster, 1984-89 Universität Bonn: Studium Stellv. Institutsleiter des Wissenschaftlichen für Politikwissenschaft der Universität Inns­ des Akademie-Vorhabens "Feuerbach-Ge­ der Germanistik, Kunstgeschichte, Politolo­ Instituts der Konrad-Adenauer-Stiftung (WI­ bruck zu den Themen: "Politische Interes­ samtausgabe", seit 1992 Staatssekretär der gie, 1989 Magister Artium,Stipendiatin des KAS), ab April 1969 Leiter des Referates für senvertretung in der EU" und "Modemes 173 172 hochschule ost 3/1996 hochschule ost 3/1996 Instituts für Begabtenförderung der Konrad­ schaftl. Mitarbeiter am Institut für Theorie, Ostdeutsche Sozialwissenschaftlerlnnen Adenauer-Stiftung, 198 7/88 Presse-und Öf­ Geschichte und Organisation der Wissen­ melden sich zu Wort fentlichkeitsarbeit der Oper Bonn. 1990/91 schaftder AdW, 1987/88 akademischer Gast Öffentliche Erklärung Assistenz im Museum für Verkehr und Tech­ der ETH Zürich, Studienaufenthalt, seit 1968 nik Berlin, seit 1991 Lehrbeauftragte an der SED-Mitglied, seit 1990 der PDS, seit 1990 Hochschule für Musik "Hanns Eisler• Berlin Sprecher der AG Wissenschafts- und Hoch­ im Fach Kulturmanagement, 1991/92 Pres­ schulpolitik beim POS-Bundesvorstand, Mai ­ se- und Öffentlichkeitsarbeit Bouvier Verlag Dez. 1990 Mitglied der Stadtverordnetenver­ Am 15./16. März 1996 kamen auf Einladung des Bundestagsabgeordneten Dr. Berlin, 1992/95 Pressesprecherin Senats­ sammlung Berlin, 1964 -1967 Mitgl. der IG Edelbert Richter (SPD) in Weimar 110 Sozialwissenschaftler und Sozialwissen­ verwaltungfür Wissenschaft und Forschung, Metall. 1967 -1989 der Gewerkschaft Wis­ schaftlerinnen aus Ostdeutschland zusammen. Ö seit 1978 Mitglied der Jungen Union, seit 1983 senschaft, 1990 - 1995 der TV, seit 1995 Der aktuelle Anlaß der Tagung war die Tatsache, daß in diesem Jahr sowohl die Mitglied der CDU, seit November 1995 MdA. HBV-Mitglied, Mitglied der Gesellschaft Arbeit der Kommission für die Erforschungdes sozialen und politischen Wandels DeutscherChemiker (DeutscheChem. Ge­ in den neuen Bundesländern (KSPW) als auch das Wissenschaftler-Integrations­ sellschaft), der Goethe-Gesellschaft Wei­ SPD-Fraktion: programm (WIP) als auch andere Forschungsprogramme auslaufen und viele mar und der Kuratorien der FU und der TU kleine Institute, die nach der Wende entstanden sind, akut gefährdet sind. Bert Flemmlng, geb. 18. März 1944 in Berlin. seit Januar 1991 MdA. Wittenberg, verheiratet, drei Kinder; Abitur Der tiefere Grund des Treffens war das Bedürfnis, sich angesichts der anhalten­ 1962, Augenoptiker-Gesellenprüfung 1964, den sozialen Dynamik seit 1989 neu auf die Chancen und Aufgaben der Medizinstudium an der Humboldt-Universität, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen: Sozialwissenschaften zu besinnen und eine intensivere Zusammenarbeit mit der 1972 Dr. med.• Oberarzt am Physiologischen Politik anzubahnen. Die Sozialwissenschaften wollen sich wieder stärker in die Sybille Volkholz, geb. 17.3.1944 Dram­ Institut derCharite, Mai bis Dezember 1990 Politik einmischen, und umgekehrt müssen ihre Erkenntnisse stärker bei der burg/Pommern, gesch.; 1963 Abitur, an­ Mitgl. der Stadtverordnetenversammlung politischen Entscheidungsfindung berücksichtigt werden. Nur so können schwer­ schließend Studium an den Universitäten Berlin, Mitglied Kuratorium der FU Berlin, seit wiegende soziale und wirtschaftliche Fehlentwicklungen frühzeitig erkannt und Bonn, Köln und Münster, 1967 Dipl.-Soz .. Januar 1991 MdA. nach Möglichkeit vermieden werden. Die Sozialwissenschaften werden dann 1970-72 PH Berlin, 1. Staatsprüfung für das attraktiver für die Politik, wenn sie ihr mehr als eine Legitimation ihrer selbst Lehramt 1972, 1967-70 Wissenschaftl. Mit­ PDS-Fraktion: entwickelten Optionen anzubieten haben. arbeiterinam MPI für Bildungsforschung, 1972 Wolfgang Glrnus. geb. 4.5.1949, Lebens­ Lehrerin in Charlottenburg, seit 1987 Studi­ Es ist keineswegs nur Selbsterhaltungsinteresse, wenn die Teilnehmer der gemeinschaft, 2 Kinder: 1967 Abitur, Fach­ enrätin an einer Fachschule, seit November Tagung erklären, daß das sozialwissenschaftliche Potential in Ostdeutschland arbeiterausbildung: Maschinenbauer 1967, 1990 Mitglied Grüne/AL, März 1989 bis Nov. gesichertund sogar ausgebaut werden muß. Dafür sprechen vielmehr eine Reihe Studium an der TU Dresden, 1971 Fachleh­ 1990 Senatorin für Schule, Berufsbildung gewichtiger Gründe: rer, 1972 Diplom-Lehrer, 1982 Dr. phil., 1972 und Sport,seit 1972 GEW-Mitglied, 1979-89 Sozialwissenschaftliche Erkenntnis ist in modernen Gesellschaften grundsätz­ - 1991 Wissenschaftshistoriker, wissen- stellv. GEW-Vorsitzende, seit 1991 MdA. lich notwendig für die politische Entscheidungsfindung. Das ist angesichts bestimmter Tendenzen in der öffentlichen Diskussion zunächst festzuhalten (vgl. Die Zeit, 5.1.96). Darüberhinaus bringt der Transformationsprozeß in Ostdeutschland neue wirt­ schaftliche und soziale Probleme und außergewöhnliche Steuerungsaufgaben für die Politik mit sich. Der Transformationsprozeß hat schon bisher eine Dynamik entfaltet, der die wissenschaftliche Einsicht wie die politische Einflußnahme kaum folgen konn­ ten; es besteht immer noch Nachholbedarffür beide.

hochschule ost 3/ 1996 174 hochschule ost 3/ 1996 175 hat, wurde den .weichen" Produktivitätssperren und Modernisierungsblockaden Zudem wirft er ganz neue und spezifische Fragestellungen auf, die einerseits die kaum Beachtung geschenkt. Ebenso blieb in den von der KSPW finanzierten Forschung weiterführen können, andererseits die Zukunft ganz Deutschlands Untersuchungen die Frage der .weichen Strategieressourcen" ein Stiefkind. betreffen. Manche Probleme der deutschen Gesellschaft stellen sich im Osten deutlicher! Politische Leitbilder wie wissenschaftlche Hypothesen stehen glei­ Der Fo�schungs- und Handlungsbedarf auf diesem Gebiet ist unabweislich denn chermaßen auf dem Prüfstand. von seiner Erfüllung hängt das Überleben eines Großteils der ostdeut�chen Industrie in den nächsten Jahren ab. Die neuen Fragestellungen sollten aber vor 011 bearbeitet we rden, weil der unmittelbare Erfahrungshintergrund bekanntlich den besseren Erkenntniszugang schafft. Der unbefangene Blick des ostdeutschen Sozialwissenschaftlers als 2. Auflösung der Sozialpartnerschaft? Neuankömmling kann vorhandene Routinen und Verkrustungen aufbrechen Im Zuge der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion wurden die Institutionen helfen. des bundesdeutschen Systems industrieller Beziehungen (Tarifautonomie durch ewe e e e e e e e e Schließlich genügt wegen der Langfristigkeit und Tragweite der Prozesse oft eine G rkschaft n und Arb itg berv rbände, Betri bsv rfassungsg setz, Arb its­ recht) auf Ostdeutschland übertragen. Damit ergaben sich allerdings zwei marktnahe empirische Forschung nicht, sondern ist auch kontinuierliche theoreti­ zentr le Probleme: Zum einen fehlten in Ostdeutschland Akteure, die über sche Arbeit notwendig, die öffentlich unterstützt werden muß. � ausreichende Erf�hrun� im Umgang mit den neuen Regulationsformen verfügen; An fünf konkreten Beispielen soll der wissenschaftliche Untersuchungsbedarf zum anderen zergte srch, daß die verschiedenen Institutionen nicht auf die und der gleichzeitige politische Handlungsbedarf deutlich gemacht werden. ostd�utsch� Situation einer zusammenbrechenden Industriegesellschaft zuge­ schrnt en sind. Unter diesen Bedingungen zeichnen sich zunehmend .ostspezi­ � _ fische Entwrcklungstrends ab, die die traditionellen und bewährten Muster der 1. Produktionsmodernisierung ohne „weiche" Ressourcen? Arbeitsbeziehungen aus den Fugen geraten lassen: Durch den Schrumpfungs­ ro eß der ostdeutschen Betriebe gibt es kaum noch freigestellte Betri ebsräte; Sechs Jahre nach der Wiedervereinigung, einem unvergleichlichen Deindustialisie­ � � In vielen ausgegründeten Betrieben existiert Oberhaupt keine betriebliche lnteres­ rungs- und Selektionsprozeß und gewaltigen Modernisierungsanstrengungen in s nvertret ng; unter �en schwierigen ökonomischen Bedingungen kommt es in den verbliebenen Betrieben hat zwar eine kleine Gruppe von Unternehmen � � vielen Betneben zu .Uberlebens- und Notgemeinschaftspakten· zwischen Man­ internationale Wettbewerbsfähigkeit erreicht, die große Mehrheit leidet aber gement, Betriebsrat und Belegschaft, mit denen Standards der Arbeits- und immer noch unter einer hohen Produktivitätsschwäche. �ntlohnungsbedingungen unterlaufen werden. So stellt sich die Frage, inwieweit Diese verbreitete Produktivitätsschwäche wird in der öffentlichen Diskussion In den neu en Bundesländern Oberhaupt noch eine flächendeckende, adäquate meist aus fortbestehenden produkt-, fertigungs- und informationstechnischer Interessenvertretung der abhängig Beschäftigten existiert. Rückständigkeit erklärt. Sie ist jedoch auch und besonders auf die sogenannten Auch das lnstit tionengefüge der Tarifautonomie befindet sich gegenwärtig in nweichen Variablen• betrieblicher Systeme zurückzuführen, d. h. auf deren _ � einer prekären Situation. Das distanzierteVerhältnis zwischen den Gewerkschaf­ Organisation, die Personalwirtschaft, die Macht- und lnteressenskonstellatio­ ten und ihren Mitgliedern wie das instrumentelle Verhältnis vieler Betriebsräte zu nen, die betrieblichen Sozialbeziehungen und kulturellen Traditionen. den Gewerkschaften bedrohen die Funktionsweise des dualen Systems. Die _ e e U r planwirlschaft­ So finden sich häufig trotz d r dramatisch n mbrüche imme noch Arbe,�geberverbände andererseits haben zunehmend mit Mitgliederschwund und lich-bürokratische Strukturen, die weder mit marktwirtschaftlich-tayloristischen Austnttsdrohungen der Betriebe zu kämpfen. In Ostdeutschland steht daher das noch mit den neuen, auf Modularisierung und Funktionsintegration zielenden herköm'.11liche Prinzip kollektiwertraglicher Regelung zur Dispoition; der Flä­ Strukturen konkurrieren können. che�tanfvertrag verliert an betrieblicher Geltungskraft; Arbeits- und Entlohnungs­ Zugleich machen sich die Spezifika der DDR-Tradition und des überstürzten be d,�gungen werden zunehmend zum Gegenstand (t eils informeller) betrieblicher Transformationsprozesses in Lern- und Modemisierungsblockaden geltend. Vereinbarungen von Mangement und Betriebsrat. Damit besteht die Gefahr einer zunehmenden sozialen Ungleichheit - sowohl zwischen verschiedenen ostdeut­ Sowohl die Forschung als auch die Politik haben diese Problematik sträflich schen Betrieben und Beschäftigten als auch zwischen Ost- und Westdeutsch­ vernachlässigt. Während die Politik dr eistellige Milliardensummen in die techni­ land. sche Modernisierung oder die bloße Subventionierung von Unternehmen gesteckt hochschule ost 3/ I 996 177 hochschule ost 3/ I 996 176 Der Forschungsstand zum Thema ist insofern relativ gut, als einschlägige suchen. Der Grund der Verunsicherung liegt auf der Hand: das knappe und auch Untersuchungen weitgehend übereinstimmend auf die geschilderten Problemla­ künftig ungewisse Angebot auf dem Lehrstellen- und Arbeitsmarkt. gen verweisen. Allerdings ergibt sich gerade aus den diagnostizierten Tendenzen Da nicht nur in der Industrie, sondern auch im Dienstleistungsbereich das eine erhöhte Notwendigkeit zu begleitender sozialwissenschaftlicher Forschung, Personal abgebaut wird bzw. stagniert, kommt es auf der anderen Seite zu einer nicht zuletzt um die Politik auf die damit verknüpften massiven sozialen Risiken Abschottung der Beschäftigten gegenüber dem Arbeitsmarkt: Nachwuchskräfte (Ober die neuen Bundesländer hinaus) aufmerksam zu machen! werden immer weniger rekrutiert, die Masse der Beschäftigten verengt sich auf bestimmte Jahrgänge, und es tritt eine Verkrustung und Oberalterung der 3. KMU ohne berufsfachliche Arbeitsmärkte? Personalstrukturen ein. Der größte Teil der gewerblichen Wirtschaft in Ostdeutschland, der überlebt hat Nimmt man beides - das Berufswahlverhalten der Jugendlichen und die Abschot­ und überlebensfähig scheint, besteht aus kleinen und mittleren Unternehmen. tung der Beschäftigungsstrukturen gegenüber dem Arbeitsmarkt - zusammen, so Solche Klein- und Mittelbetriebe können auf Dauer nicht bestehen ohne eine ergibt sich ein dramatischer Widerspruch. der nur durch die Schaffung einer enormen Zahl von Arbeitsplätzen gelöst werden könnte. Dafür aber stehen - gewisse Flexibilität ihres Personaleinsatzes: Bei einem Rückgang der Konjunk­ jedenfalls ohne ein Eingreifen von Wissenschaft und Politik - die Chancen tur oder des Absatzes eines bestimmten Produktes müssen sie Teile ihres bekanntlich schlecht. Personals ohne große Kosten und Verzögerungen abbauen können. Und sie müssen ihr Personal schnell und ohne große Such- und Anlernkosten wieder aufstocken können, wenn ein neues Produkt läuft oder der Markt wieder anzieht. 5. depressed aereas Das setzt aber leistungsfähige berufsfachlicheArbeitsmärkte voraus, wie sie aus Eine Möglichkeit für Jugendliche, die keine (angemessene) Lehrstelle bekom­ den alten Bundesländern bekannt sindl Sie sichern den freigesetzten Arbeitskräf­ men, oder für qualifizierte Arbeitskräfte,die keinen Arbeitsplatz finden, ist die des ten die Chance, ohne Verlust von beruflichem Wert und Status einen neuen Pendelns oder der Abwanderung. Sie wird seit der Wende schon in großem Arbeitsplatz in einem anderen Betrieb zu finden. Umfang wahrgenommen. Solche berufsfachlichen Arbeitsmärkte gab es nun zum Ende der DDR-Zeit nur Die Abwanderung beschleunigt sich und führt zur Verödung ganzer Regionen, noch rudimentär, und der Transformationsprozeß hat eher zu ihrem weiteren wenn deren traditionelle Industrien zusammenbrechen und es sich um Gebiete Zerfall beigetragen. Es ist nicht gelungen, die Voraussetzungen ihrer Neuentste­ handelt, die nicht einmal mehr über eine funktionierende Landwirtschaft oder ein hung zu schaffen, denn das duale System der Berufsbildung hat nur in wenigen am örtlichen Bedarf orientiertes Kleingewerbe verfügen. (Beispiel: Mansfelder Branchen Fuß fassen können, und die Verbindlichkeit von Tarifnormen ist - wie Land) schon gesagt - aufgrund der Schwäche der Gewerkschaften und Verbände nicht Der Vergleich mit dem italienischen Mezzogiomo erweist sich dann als noch zu sichergestellt. optimistisch, denn dort bestehen immernoch lebensfähige Reste traditioneller Wieder ist die Herausforderung für die Forschung und für die Politik deutlich: Wie Ökonomie, auf die wenigstens Teile der Bevölkerung zurückgreifen können. sollen die KMU ohne dieses Arbeitsmarktumfeld morgen noch überleben? Die Sozialwissenschaft hat die Politik rechtzeitig auf solche möglichen Entwicklun­ gen aufmerksam gemacht und muß dies weiter tun können, auch wenn sie bei 4. Jugend ohne Perspektive - Beschäftigung ohne Nachwuchs? den Politikern auf taube Ohren oder mangelnde Tatkraft stößt. Seit der Wiedervereinigung hat sich die Abiturientenquote und die Übertrittsquote Die Beispiele ließen sich vermehren. in die zum Abitur führende Sekundarstufe II in Ostdeutschland im gleichen Umfang erhöht wie in den alten Bundesländern innerhalb von zwanzig Jahren! So führt die besorgniserregende demographische Entwicklung in bestimmten Handelt es sich dabei um eine erfreulich schnelle Angleichung an die Verhältnisse ländlichen Räumen Ostdeutschlands zu Fragen, die in den alten Bundesländern im Westen? Oder nicht vielmehr um eine Folge der Verunsicherung darüber, was bisher kaum behandelt wurden, und ruft nach einer marktunabhängigen kontinu­ man denn eigentlich machen und wie man mit den neuen Chancen, aber eben ierlichen Forschung. auch Risiken umgehen solle? Viele Abiturienten werden wahrscheinlich gar nicht Die außerordentlich große Zahl dauerhaft aus der Erwerbsarbeit Ausgeschlosse- studieren, sondern zunächst einmal reisen und dann doch eine Lehrstelle hochschule ost 3/1996 179 178 hochschule ost 3/1996 sehe Vorbilder halten. Ihre spezifisch regionale Ausrichtung macht sie zu ner und damit gesellschaftlich Marginalisierter (man denke an die Alleinerziehen­ attraktiven Partnern in der Politikberatung. den!) verlangt nach politischen Lösungen, die über die Sozialhilfe wirksam hinausgehen. Ganz unzulänglich werden bisher die besonderen Kenntnisse genutzt, die ostdeutsche Sozialwissenschaftler in bezug auf Osteuropa haben: die Kenntnis Es gibt bisher kein umfassendes Bild über die regionale Differenzierung von der Sprache. der Kultur, des Wissenschaftsbetriebs, der Akteure und die Arbeitslosigkeit und Beschäftigung in den neuen Bundesländern! ähnlichen historischen Erfahrungen. Diese andersartige Qualifikation eröffnet Ebenso fehlt bisher eine verläßliche und rasch anwendbare Methodik der vielfältige Einsatzmöglichkeiten für und in Osteuropa und prädestiniert sie Wirkungsanalyse arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen! geradezu, als .soziale Dolmetscher" wirksam zu werden. Schließlich sei noch auf die immer wieder angemahnte Verkoppelung von In bezug auf die arbeitslosen Sozialwissenschaftler (und zwar der gesamten Industrie- und Strukturpolitik mit Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik verwie­ Bundesrepublik) sollte der lange schon erhobenen Forderung Rechnung getragen sen. Auch in bezug auf dieses Schlüsselproblem gibt es nur Ansätze einer werden, das brachliegende Potential, das sie darstellen. zunächst einmal in einer Lösung, die in einer intensiven Kooperation von Wissenschaft und Politik erst empirischen Studie oder einem Informationssystem zu erfassen. Das würde entfaltet werden müssen. manche im Augenblick noch gar nicht vorstellbaren Projekte erst möglich machen. Die Sozialwisschenschaftlersind bereit, selber Netzwerkezwischen universitärer und außeruniversitärer Forschung und unter Einbeziehung auch von arbeitslosen Zur dringlichen Erhaltung dieser personellen Kapazitäten in Ostdeutschland muß Wissenschaftlern zu organisieren, um die komplexen Forschungsaufgaben zumindest eine stärkere Nutzung von ABM angestrebt werden, die im Forschungs­ bewältigen zu können. bereich leider immer noch die Ausnahme bilden. Eine flexiblere Auslegung von § 249 h des AFG und eine differenzierende Behandlung dieser Berufsgruppe durch Andererseits darf die Politik sich nicht aus ihrer besonderen Verantwortungfür die die Arbeitsämter wären hier erste Schritte. Entwicklung in Ostdeutschland verabschieden. Daher und aus all den genannten konkreten Gründen richten die Sozialwissenschaftler folgende Forderungen an Angesichts der Gefahren für den sozialen Frieden in Deutschland, die die die Politik des Bundes und der Länder: Entwicklung in den neuen Bundesländern in sich birgt, schlagen die Teilnehmer der Tagung in Analogie zur bewährten Technikfolgenabschätzung die Einrichtung Die im Wissenschaftler-Integrationsprogramm noch Beschäftigten müssen eine einer ständigen Sozialfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag vor. Sie neue Perspektive erhalten, ebenso diejenigen, die im Zusammenhang der KSPW sollte mit Analysen über die sozialen Folgen von technischen und ökonomischen und anderer Sonderforschungsprogramme gefördert wurden. Darum sollte die Entwicklungen oder von politischen Entscheidungen die Legislative beratend Gründung von An-Instituten betrieben werden und sollten andere Einrichtungen unterstützen. eine Grundförderung erhalten. Auch die Forschungskooperation, die die KSPW hergestellt hat, muß in geeigneter Form weitergeführt werden. Um des regionalen Bezugs willen appellieren die Versammelten an die neuen Bundesländer, endlich Sozialforschungsstelleneinzurichten, wie sie in den alten Angesichts des Scheiterns des Wissenschaftler-Integrationsprogramms sollten Bundesländern schon bestehen. Damit könnten die Mittel für die oft teuren und endlich Regelungen gefunden werden, die eine weitere Ausgrenzung ostdeut­ wenig aussagekräftigen Gutachten eingespart werden. scher Sozialwissenschaftler aus den Universitäten verhindern. Zur Unterstützung der in außeruniversitären Instituten entstandenen spezifisch ostdeutschen Forschungskultur sollten Finanzierungsmodelle und Förderpro­ gramme entwickelt werden. Dies betrifft mehr Grundlagen-orientierte, meist interdisziplinär arbeitende Institu­ te, die .eine Pionierrolle in der Transformationsforschung• (D. Simon) eingenom­ men haben, sich von der disziplinbezogenen Forschung an den Universitäten unterscheiden und wichtige Serviceleistungen erbringen. Das betrifft ebenso stärker empirisch orientierte Institute, die sich an angelsächsi-

hochschule ost 3/1996 181 180 hochscbule ost 3/1996 besonderer Berücksichtigung regionaler Aspekte zu erforschen. Mit Hilfe der Streit um eine Stiftungsprofessur: neuen Stiftungsprofessur möchte man nun, so Prorektorin Dr. Bärbel Kirsch, das Forschungsprofil der Potsdamer Historiker abrunden und eine bundesweit neue Militärgeschichte in Potsdam wissenschaftliche Tradition durch eine moderne, in starkem Maße interdisziplinär ausgerichtete Militärgeschichte begründen. (Potsdamer Universitäts-Zeitung 2196)

Redaktioneller Bericht der Potsdamer Universitäts-Zeitung: Unabhängige Erforschung von Militärgeschichte in Potsdam Ein Interview über die Entstehungsgeschichte und Ausrich­ Der Bundesminister der Verteidigung richtet eine Stlftungsprofessur ein tung der Stiftungsprofessur

Seit dem 22. Januar dieses Jahres gibt es wieder eine C4-Professur für Mi­ Vor und während des Festaktes zur Einrichtung der Stiftungsprofessur Militärge­ litärgeschichte in der Bundesrepublik Deutschland: an der Universi�ä� Potsdam. schichte kam es zu Protestaktionen einzelner Studierender. Da auch Mitglieder Eingerichtet als Stiftungsprofessur des Bundesministers der V�rte1d1�ung, V�l­ des Studierendenrates (Stura) der Universität dabei waren, der Stura zusätzlich ker Rühe möchte man in Potsdam an die Tradition, Militärgeschichte m das wis­ noch "offene Fragen" zur Vorgehensweise bei der Einrichtung der Professur for­ senschaftliche Spektrum ziviler Universitäten zu integrieren, anknüpfen. Dies, so mulierthatte, sprach Myriam Hönig für die PUTZ mit Ralf-Norbert Müller vom Stura der Verteidigungsminister bei seiner Ansprache im Auditorium maxi�um wäh­ und Prof. Dr. Manfred Görtemaker aus dem Historischen Institut über die Ent­ rend des Festaktes anläßlich der Unterzeichnung einer Stiftungsvereinbarung, wicklung der Idee, Militärgeschichte in Potsdam anzubieten, die Kritik an ihrer mögen -zwar viele in Deutschland für ein Wagnis halten; d�ch s�i die historisc�e Umsetzung und die Erwartungen für die Zukunft: Forschung über die Rolle der Streitkräfte durch unabhängige W1ssen cha ler In _ � � anderen Ländern etwas völlig Normales. "Ihr Nutzen liegt zwar nicht pnmär tn der unmittelbaren praktischen Anwendbarkeit für die Politik. Aber aus der Ges�hich­ PUTZ: HerrProfessor Görtemaker, Sie waren von Anfang an in die Überlegungen, te lernen heißt ja auch - um mit Jacob Burckhardt zu sprechen -, weise zu eine Stiftungsprofessur fOr Militärgeschichte an der Universität Potsdam einzu­ werden für immer", erklärte Volker Rühe. richten, einbezogen und haben die Entwicklung maßgeblich vorangetrieben. Können Sie kurz die Entstehungsgeschichte Revue passieren lassen? Daß es ein gutes Zeichen ist, wenn sich eine Gesellschaft wissenschaftli�h und losgelöst von aller Ideologie mit der Vergangenheit des Militärs in der eigenen Görtemaker: Ja, wobei ich nicht ganz von Anfang an einbezogen war. Ich habe Geschichte auseinandersetzt, betonte mit Steffen Reiche auch der brandenbur­ das gewissermaßen geerbt, als ich vor -zwei Jahren Geschäftsführender Direktor gische Minister für Wissenschaft, Forschung und Kultur. Den� das �ilit�r habe des Historischen Instituts wurde. Die Diskussion über diese Professur aber ist die Sozialgeschichte - und die Politik - stets mitgeprägt. Dies zeigt sich be­ sehr alt. Sie begann praktisch mit der Gründungsgeschichte dieser Universität, sonders deutlich in Potsdam selber, der "altpreußischen Soldatenstadt und als nämlich im Gründungssenat darüber nachgedacht worden ist, wie das Pflanzschule des Heeres, aber auch dem Ort der Erinnerung an die totale Historische Institut aussehen sollte, und da kam man u.a. auch auf die Militärge­ Niederlage und vor allem die moralische Katastrophe des Jahres 1945", so Rühe. schichte. Das hing sicherlich auch damit zusammen, daß mit dem Kölner Prof. Dr. Johannes Kunisch im Gründungssenat jemand saß, der daran vor dem Hin­ Die Geschichte der Stadt war allerdings nicht primär für die Entscheidung, eine tergrund der Stadt Potsdam ein besonderes Interesse hatte. Die Angelegenheit erg ben, Stiftungsprofessur für Militärgeschichte an die Universität Po��dam zu � � ist dann mit sehr wenig Erfolg vorangetrieben worden, weil andere Professuren ausschlaggebend. Viel wichtiger waren der Umzug des M1htärgesch1chthchen wichtiger waren und die Militärgeschichte als eine Professur galt, die man sich Forschungsamtes von Freiburg/Br. nach Potsdam, ein umfang eicher Que len­ � � vielleicht wünschen sollte, die aber nicht von vornherein im Mittelpunkt stand. Das fundus in Archiven und Bibliotheken hier in der Region und der wissenschaftliche änderte sich aber mit der Verlegung des Militärgeschichtlichen Forschungsam- Schwerpunkt der Historiker an der Universität Potsdam, die Neuzeit unter hochschule ost 3/1996 183 182 hochschule ost 3/ 1996 ist, daß wir die Gremien frühzeitig informiert haben. Ich selber habe mehrfach . tes (MGFA - die Red.) von Freiburg nach Potsdam im Jahre 1994. Diese Verle­ allerdings damals noch sehr vage, das will ich gerne zugeben - als Prorektor den gung hat dazu geführt, daß sowohl der Amtschef der MGFA, General Roth, als Senat informiert. Ich habe dann, als es aktuell wurde, und das war im Oktober auch die Universität Potsdam - und hier vertreten zunächst durch den vergangenen Jahres. zunächst die Zustimmung des Institutsrates des Histori­ Geschäftsführenden Direktor des Historischen Instituts, Prof. Schoeps, danach schen Instituts einholen müssen. In diesem Institutsrat sind Studenten vertreten. durch Prof. Hahn und dann schließlich durch mich - das Projekt unterstützten. Dort hat es eine lange Diskussion darüber gegeben und einen Beschluß des Und zwar deshalb, weil wir der Meinung waren, daß dieses Forschungspotential, Institutsrates. Dann, zweitens, ist die Stiftungsprofessur ausführlich von der Fa­ was mit dem MGFA in Potsdam besteht, für die Universität nutzbar gemacht kultät im Fakultätsrat behandelt worden. Auch da sind zwei Studentenvertreter werden sollte; nicht nur die große Zahl von sehr qualifizierten wissenschaftlichen Mitglied, die über diese Dinge hätten informieren müssen. Und insofern ist mei­ Mitarbeitern des MGFA, sondern auch die vorzüglicheBibliothek mit über 500 000 nes Erachtens hier kein Fehler passiert, oder kein Mangel aufgetreten im lnfor­ Bänden und der Villa lngenheim als einem möglichen Tagungs- und Konferenzort, _ m�t1o�sfluß von mir bzw. denjenigen, also etwa dem Kanzler, die die Angelegen­ den wir natürlich jetzt auch nutzen können. Deswegen habe ich von Anfang an heit mit dem MGFA und dem Bundesverteidigungsministerium verhandelt haben. diese Idee unterstützt, weil ich die Gesamtkonstruktion für ideal hielt und fand, Der Informationsfluß hat meines Erachtens nicht funktioniert zwischen den Gre­ daß wir einfach "vom Affen gebissen" gewesen wären, diese einmalige Chance zu mienvertretern und dem Studentenrat. Das ist das Problem, nur das können Sie vergeben. Das Problem war nur die Finanzierung; denn wir hatten dafür keine _ uns nicht anlasten. Stelle und deswegen konnte das Projekt nur Ober eine Stiftungsprofessur des Bundesministers für Verteidigung angeschoben werden. Müller: Für uns geschah das Ganze so nach dem Motto: "Zack, hier ist die Professur und nun macht was damitl" Und da standen wir natürlich erst einmal vor PUTZ: Nun kam es ja am Rande der Veranstaltung zu Protesten von seifen einem Ri�senberg. Bisher erhielt der Stura Informationen über Rufangelegenhei­ einiger Studierender, an denen sich auch Vertreter des Stura beteiligten. ten z. B. immer aus erster Hand, also ziemllch schnell, auch von Instituten und Wogegen wandten Sie sich denn mit Ihren Protesten? F kultäten. Nur bei der Militärgeschichte lag "ohne Vorwarnung" plötzlich eine � _ Müller: Also, das waren einzelne Studenten. Das war keine Aktion des Studie­ Ernla�ung bei uns in der Schublade, und wir wußten damit nichts anzufangen. rendenrates. Daß sich dabei auch Mitglieder des Sturas befanden, das war, sage Das 1st uns natürlich sauer aufgestoßen. ich mal, dumm gelaufen. Aber es war keine geplante Aktion des Studierenden­ Görtemaker: Wenn in der Fakultät z. B. die Strukturänderung nicht beschlossen rates. Wir haben uns auch distanziert von dieser Aktion in einer Pressemitteilung. worden wäre, hätte die Professur für Militärgeschichte nicht eingerichtet werden Die Aktion war eine freie Meinungsäußerung von Individuen gegenüber der können. Was nun die Zeitplanung anbetrifft, muß man natürlich auch noch einmal Professur, gegenüber der Bundeswehr. hinzufügen, daß ich selber auch erst am 8. Januar 1996 durch einen Anruf aus PUTZ: Aber der Stura hatte am Tag der Veranstaltung in bezug auf die Stif­ dem Verteidigungsministerium davon erfahren habe, daß Rühe am 22. Januar tungsprofessur doch noch einige offene Fragen formuliert. mit denen er auch an kommen und die Stiftungsprofessur feierlich übergeben würde, weil er danach die Öffentlichkeit ging. Konnten Sie darauf vielleicht noch einmal eingehen? nicht mehr könnte. Müller: Ein weiteres Problem von uns war, daß außer den eingeladenen Stura­ Müller: Was uns am meisten gestört hat, das war, daß wir fünf Tage vorher erst Vertretern keine Studenten an der Veranstaltung teilnehmen durften. Wir hätten erfahren haben von dieser Stiftungsprofessur. Das Projekt geisterte zwar immer ns Aushänge und breite Einladungen gewünscht. Sonst gibt es doch auch herum und war vage im Gespräch, aber auf einem niederen Level, so daß man das � 1 mer größere Aushänge, für Antrittsvorlesungen zum Beispiel. Aber es hieß gar nicht sehr ernst genommen hat. Und plötzlich lag vor uns am Mittwoch eine � einfach: Rühe kommt am 22. Januar, fertig. Aber weshalb und welche Hintergrün­ persönliche Einladung für den Montag, für den Festakt. Aus dem Hause selber war de es gab, das blieb den Studenten verborgen. dann auch nicht viel mehr zu erfahren. Was uns also in erster Linie störte, war der mangelnde Informationsfluß im Vorfeld. Görtemaker: Ich verstehe natürlich das Bedürfnis der Studenten nach umfassen­ der Information, und Ich wäre auch der letzte, der diesem Informationsbedürfnis Die Frage ist jetzt, welcher Informationsfluß hat nicht funktioniert? Görtemaker: nicht nachkommen wollte. Wir haben beispielsweise im Historischen Institut im Der Studierendenrat ist zwar das offizielle Organ der Studentenschaft und eine Sommersemester 1993 vorbereitend eine ganze Ringvorlesung gemacht über rechtsfähige Teil-Körperschaft der Universität, aber kein Gremium der Universität. Fragen zur Militärgeschichte; auch dort wurde Ober die Frage einer Stiftungspro- Und was wir natürlich gemacht haben, und das halte ich auch für völlig korrekt, hochschule ost 3/1996 185 184 hochschule ost 3/1996 fessur diskutiert. Ich habe selber vor ein paar Wochen im Rahmen einer Ringvorle­ Lehrstuhl, der sich ausschließlich dieses Themas annimmt, gibt es bisher nicht. sung ausführlich zu dieser Frage der Militärgeschichte Stellung genommen. Daß Nun ist natürlich Militärgeschichte in der heutigen Zeit etwas völlig anderes als dies dann bei den Juristen oder Germanisten oder anderen, die etwas weiter weg das, was man sich so traditionell darunter vorstellt. Es geht z.war einerseits um sind, nicht direkt ankommt, weil es auch niemanden von ihnen direkt betrifft, das das Phänomen der Gewalt in der Geschichte, aber das ist natürlich keine bedauere ich zwar, halte es aber auch für normal. Ich glaube, daß dieses Problem Angelegenheit, bei der Schlachten nachgespielt werden sollen. Es geht wirklich nur deshalb hier aufgetreten ist, weil es sich um eine ganz besondere Professur darum, eine auch sozial und ökonomisch fundierte Analyse des Phänomens von handelt. Und das halte ich eher für ein Kompliment; denn das zeigt, daß die Krieg, Gewalt und Militär in der Geschichte darzustellen, wobei die Geschichte Professur profilbildend ist, daß sie irgendwo spektakulär ist und daß sie daher an umfassend zu verstehen ist. Methodisch betrachtet wird es also eine Professur dieser Universität möglicherweise einen guten Platz hat, weil sie auch für Furore sein, die nicht nur mit diplomatiegeschichtlichen Akzenten oder Zugängen sorgen wird. Eines jedoch möchte ich noch hinzufügen: die Diskussion Ober die arbeitet, sondern auch mit Methoden der sozialen Wirtschaftsgeschichte, der Stellenbesetzung und die Frage der Antrittsvorlesung, das beginnt jetzt erst alles. Ideengeschichte, so daß ein breiter Ansatz gewährleistet ist. Und dieser Ansatz Wir fangen im Grunde jetzt erst an, über Einzelheiten nachzudenken. Bisher ging wird sicherlich auch auf ganz aktuelle Fragen und sicherheitspolitische Diskus­ es nur darum, die Professur in die Struktur dieser Universität überhaupt hineinzu­ sionen eingehen. Das heißt, ich verspreche mir von dieser Professur eben auch bekommen. Und jetzt geht es darum, diese Stelle zu besetzen und auszugestal­ wirklich Akzente für die aktuellen zusammenhänge von Militär und Sicherheits­ ten. Und da ist es wiederum selbstverständlich, daß die Gremien beteiligt werden. politik. Insofern sind genau die Themen, die Sie genannt haben, Herr Müller, Es hat mittlerweile wiederum im Fakultätsrat eine ausführliche Diskussion über angesprochen. Wie die Rolle der Bundeswehr bei friedenserhaltenden Einsätzen die Zusammensetzung der Berufungskommission gegeben, über die Stellende­ der UNO aussehen könnte, oder wie beispielsweise Konversion, die Umwandlung finition, über den Ausschreibungstext. Das Ganze geht jetzt in den Senat, d.h. von Rüstungs- in Zivilproduktion, gestaltet werden könnte. der übliche Weg wird eingehalten. Es ist bisher nichts anderes geschehen, als (Potsdamer Universitäts-Zeitung 2196) daß uns eine Stelle gestiftet worden ist, daß wir sie in die Struktur aufgenommen haben und jetzt beginnt die Diskussion über die Ausgestaltung. Insofern ist nichts verloren.

Müller: Wir sind ja auch nicht gegen die Professur. Wir unterstützen sie im Prinzip auch. Von der Sache her ist es eine sehr interessante Angelegenheit, die Weiterer Diskussionsbedarf? gerade für Potsdam im Geschichtsbereich eine Bereicherung sein wird, auch für die Studenten. Aber weil die Militärgeschichte ein sehr sensibler Bereich in Deutschland ist, wäre es doch auch meiner Meinung nach angebracht gewesen, Am 22. Januar dieses Jahres hat der Bundesminister der Verteidigung, Volker etwas früher und breiter zu informieren, den Studierendenrat z.B. direkt zu Rühe, an der Universität Potsdam eine Stiftungsprofessur für Militärgeschichte informieren und durch unsere Möglichkeiten an andere Fachschaften weiterleiten eingerichtet. Obwohl in der Ausgabe 2/96 der PUTZ ein ausführliches Gespräch zu lassen, um was es überhaupt geht und was vorgesehen ist. mit Ralf-NorbertMüller vom Studierendenrat (Stura) der Uni und Prof. Dr. Manfred PUTZ: Was erwarten Sie sich denn jetzt von seiten des Studierendenrates von Görtemaker aus dem Historischen Institut über Proteste am Rande des Festak­ dieser Professur? tes sowie die Enstehungsgeschichte und die Ausrichtung der Stiftungsprofessur abgedruckt wurde, scheint es im Vorstand des Sturas noch weiteren Diskus­ Müller: Wir erwarten nicht nur reine Militärgeschichte, sondern auch eine Be­ sionsbedarf zu geben. Wir wollen deshalb im folgenden die Anmerkungen von rücksichtigung des Bereiches Friedensforschung. Dieser Aspekt sollte nicht Martin Weiß aus dem Vorstand des Sturas und eine sich darauf beziehende unter den Tisch fallen. Es sollte über die Vergangenheit diskutiert und geforscht Stellungnahme von Prof. Dr. Manfred Görtemaker wiedergeben: werden, wozu die Armee in der Zukunft da ist. Blauhelm-Aktionen, Friedenstrup­ pen, das sind nur einige Stichpunkte dafür. "Wesentliche Punkte nicht ausreichend beleuchtet" PUTZ: Und was erwarten sich die Historiker von ihr, Herr Görtemaker? 1. Prof. Görtemaker hat in seinen Ausführungen nicht darauf hingewiesen, daß Görtemaker: Für Potsdam liegt in dieser Professur eine große Chance. Einen die Bundeswehr ursprünglich plante, für diesen Lehrstuhl einen Bundeswehr-

186 hochschule ost 3/1996 hochschule OSI 3/1996 187 Wissenschaftler nach Potsdam zu kommandieren. Er hat nicht erwähnt, daß der "Thematisieren unhaltbarer, längst ausgeräumter Vorwürfe" Lehrstuhl nach fünf Jahren wegfallen, bzw., was wahrscheinlicher ist, einen Mit seinen Anmerkungen verstößt Martin Weiß nicht nur gegen die vom Presse­ anderen Lehrstuhl am Historischen Institut ersetzen wird. Spätestens an dieser referat, dem Stura und mir getroffene Vereinbarung, die Vorgänge um die Stelle hätte man die Angelegenheit im Akademischen Senat behandeln müssen Einrichtung einer Professur für Militärgeschichte in einem gemeinsamen Ge­ und nicht auf diese Weise über den Tisch zocken dürfen. Die Diskussion ist spräch zu klären, das wie verabredet stattgefunden hat und in Heft 2/96 der PUTZ nämlich gerade deshalb über drei Jahre hinweg praktisch eingeschlafen, da man dokumentiert ist, sondern er stellt auch die vom Stura in dem Interviewvertretene dafür keinen akuten Bedarf an der Universität sah. Position wieder in Frage. Außerdem wiederholt er völlig unhaltbare Vorwürfe, die 2. Es ist nicht abzusehen, wie bis zum Sommersemester gewährleistet werden in dem Gespräch längst ausgeräumt waren. Ich möchte deshalb noch einmal soll, daß die Lehrstuhlvertretung auch dem Anspruch eines kritischen und ausdrücklich folgende Punkte festhalten: interdisziplinären Forschungsansatzes genügt. Auf die Auswahl dieser Vertre­ 1. Niemand ist "über den Tisch gezockt" worden. Die Angelegenheit wurde seit tung haben die Studierenden keinerlei Einfluß, jedoch hat eine Person, die den 1991 in allem Gremien der Universität immer wieder beraten: im Gründungssenat, Lehrstuhl bereits zwei Semester geführt hat, einen enormen Vorteil hinsichtlich im Rektorat und auch im jetzigen Akademischen Senat. Die notwendige Struk­ dessen endgültiger Besetzung. turänderung wurde vom Institutsrat des Historischen Instituts beschlossen und 3. Die Veranstaltung, gegen deren Ablauf sich unsere Kritik im besonderen von der Philosophischen Fakultät I ausdrücklich gebilligt. richtet, hat gezeigt. daß Studenten in ihrem Bedürfnis nach Berücksichtigung ihrer Interessen nicht ernst genommen werden und die Universität ihre akademi­ 2. Eine Lehrstuhlvertretung kann es erst geben, wenn der Ruf ausgesprochen ist. sche Freiheit für einen Befehl aus dem Bundesverteidigungsministerium verkauft, Da die Kommissionsberatungen - wie inzwischen feststeht - erst im April 1996 indem sie eine Veranstaltung in ihrem Auditorium maximum von der Bundeswehr beginnen werden, ist es in der Tat faktisch ausgeschlossen, daß es bereits zum durchführen läßt und diese überdies noch personell bei der Diskriminierung von Sommersemester 1996 eine Vertretung gibt. An dem Berufungsverfahren sind Studentenvertretern, die als einzige anhand einer Liste am Einlaß überprüft studentische Vertreter, mit denen ich bereits ausführliche Gespräche geführt wurden, unterstützt. habe, selbstverständlich von Anfang an beteiligt. 4. Wenn die Basis für die Arbeit eines solchen Lehrstuhls in der Verlegung des 3. Die Kritik am Ablauf der Veranstaltung zur Einrichtung der Professur kann ich MGFA nach Potsdam gesehen wird, so stellt dies die Objektivität der Forschung teilweise nachvollziehen. Ich hätte mir ebenfalls eine weit stärkere Beteiligung von grundsätzlich in Frage. Das Archiv des MGFA, dessen Sitz nach wie vor Studierenden gewünscht. Allerdings muß auch festgestellt werden, daß die Konstanz ist, beschäftigt darüber hinaus einige Wissenschaftler in leitenden Vorbereitung und die Durchführung des Festaktes in allen Einzelheiten von der Funktionen, deren Bereitschaft zur Geschichtsfälschung und Verharmlosung der Universität und dem Bundesministerium der Verteidigung gemeinsam erfolgt ist. Nazidiktatur erst in jüngster Zeit wieder offen ans Licht der Öffentlichkeit getreten Sicherheitsvorkehrungen sind bei hochrangigen Regierungsvertretern allgemein ist. üblich und unterliegen der Verantwortung der zuständigen Sicherheitsorgane. Die Universität hätte diese Verantwortung wohl kaum übernehmen können. Fazit: Von einer "Normalität" der Vorgehensweise der Einrichtung dieses Lehr­ stuhls kann vor dem Hintergrund der oben angeführten Umstände wohl keinesfalls 4. Völlig abwegig ist dagegen der Vorwurf, durch die Kooperation mit dem Militär­ die Rede sein. Vielmehr hätte es einer breiten und offenen Auseinandersetzung geschichtlichen Forschungsamt und dem Lehrstuhl für Militärgeschichte in Pots­ mit dieser Problematik bedurft, gerade weil es um das Profil unserer Universität dam werde die "Objektivität der Forschung grundsätzlich in Frage· gestellt. Die geht. Potsdam ist ein zu sensibles Pflaster, um sich mal eben von einer Arbeit am Lehrstuhl für Militärgeschichte in Potsdam wird sich in völliger akade­ deutschen Armee einen Lehrstuhl schenken zu lassen. mischer Freiheit vollziehen. Die Verbindung zum MGFA besteht nur in der Form von Kooperationsbeziehungen, wie sie für Einrichtungen dieser Art allgemein üb­ Martin Weiß lich sind und ohne die - wie auch Martin Weiß wissen sollte - ein wissen­ Vorstand Studierendenrat schaftlicher Disput nicht geführt werden kann. Im übrigen genießt die MGFA im In- und Ausland einen exzellenten Ruf, der durch die große Anzahl sowie die thematische und methodische Breite seiner Veröffentlichungen bestätigt wird. Die Bibliothek des MGFA steht auch jedem Studierenden offen.

188 hochschule ost 3/1996 hochschule ost 3/1996 189 5. Geradezu skandalös finde ich die Behauptung, das Archiv des MGFA PUBLIKATIONEN beschäftige "einige Wissenschaftler in leitenden Funktionen, deren Bereitschaft zur Geschichtsfälschung und Verharmlosung der Nazidiktatur erst in jüngster Zeit wieder offen ans Licht der Öffentlichkeit getreten ist". Abgesehen davon, daß das Bundesarchiv-Militärarchiv - wie jedes andere zentrale deutsche Archiv - nicht dem MGFA, sondern dem Bundesinnenministerium untersteht und sich auch nicht in Konstanz, wie Martin Weiß meint, sondern in Freiburg i. Br. befindet, wür­ den sich die dort tätigen Archivare sicherlich gegen die von Martin Weiß vor­ 1. DDR-Wissenschafts-&-Hochschulgeschichte getragene verantwortungslose und haltlose Unterstellung zu wehren wissen, wenn sie öffentlich erhoben würde. Haritonow, Afexandr: Sowjet/seheHochschulpolitik In Sachsen (1945-1949) (Dresd­ Manfred Görtemaker ner Historische Studien Bd. 2). Böhfau Verlag, Weimar/ Köln/ Wien 1995. 288 S. DM Historisches Institut 68,-. Im Buchhandel. Analysiert wird in der auf einer 1994 fertiggestellten Dissertationberuhenden Studie die (Potsdamer Universitäts-Zeitung 3196) Hochschulpolitik der Sowjetischen Militäradministration in Sachsen, dabei zunächst der Entnazifizierungsprozeß an den Hochschulen (mit dem Ergebnis, daß sich dieser von dem im Westen nicht wesentlich unterschied) und sodann die sowjetische Studentenpolitik, für die drei zu unterscheidende Hauptphasen identifiziert werden.

Straube, Peter-Paul: KatholischeStudentengemeinde In der SBZIDDRals Ort eines außerunlversltären Studium Generale 1945 - 1989 (Erfurter theologische Studien Bd. 70). St. Benno-Vertag, Leipzig 1996. 397 S. DM 48,-. Im Buchhandel. Die Arbeit, 1994 als Dissertation vom FB Pädagogik der Carl-von-Ossietzky-Universität Oldenburg angenommen, geht davon aus, daß die katholischen Studentengemeinden in der DDR .einen - sowohl an den ... Hochschulen wie in der Gesellschaft insgesamt bewußt und zielgerichtet vorenthaltenen - Raum der Freiheit und des Geborgenseins, in dem der Einzelne als Person gefragt war" geboten hätten. Neben dem Gemeinschaftsleben habe insbesondere philosophische, historische und kulturelle Bildung im Mittelpunkt ihrer Arbeit gestanden unabhängig vom ansonsten üblichen ideologisch normiertenRahmen. Die Untersuchung widmet sich den universitären, gesellschaftlichen und kirchlichen Rahmenbedingungen für die Arbeit der Studentengemeinden in der Zeit von 1945 bis 1989 sowie deren Auswirkungen auf die inhaltliche und organisatorische Entwicklung der Bildungsarbeit in den Studentenge­ meinden. Ein umfänglicher Dokumentenanhang ergänzt die Darstellung.

Gläser, Jochen/ Meske, Werner: Anwendungsorientierung von Grundlagenfor­ schung? Erfahrungen der Akademie der Wissenschaftender DDR (Schriften des Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung Köln Bd. 25). Campus Verlag, Frank­ furt a.M./New York 1996. 424 S. DM 88,-. Im Buchhandel. Die retrospektive empirische Analyse rekonstruiert die Integration von Grundlagen- und Anwendungsforschung in der Akademie der Wissenschaften der DDR. Zugleich werden die institutionellen, sozialen und kognitiven Voraussetzungen dieser Integration sowie deren Rückwirkungen in den industrierelevanten wissenschaftlichen Disziplinen diskutiert.

Voigt, Dieter/ Mertens, Lothar (Hg.): DDR-Wissenschaft Im Zwiespalt zwischen Forschung und Staatssicherheit (Schriftenreihe der Gesellschaft für Deutschland­ forschung Bd. 45). Duncker & Humblot, Berlin 1995. 186 S. DM 78,-. Im Buchhandel. Mit folgenden Beiträgen: .Die Wiedereröffnung der Friedrich-Schiller-Universität Jena im Jahre 1945" (Manfred Heinemann), .Zum wissenschaftlichen Standard von Doktorarbeiten und Habilitationsschriften in der DDR" (D. Voigt), .Wissenschaft als Dienstgeheimnis: Die

hochschule ost 3/1996 191 190 hochschule ost 3/1996 Sammlung von z. T. zuvor bereits andernortsveröffentlichten Texten zur .DDR-Philosophie geheimen DDR-Dissertationen"(L. Mertens),.Berichte der Reisekader aus der DDR" (Paul zwischen SED und Staatssicherheit", zu .Ernst Bloch in Leipzig. Der operative Vorgang Gerhard Klussmann), .Die Pflichtberichte der wissenschaftlichen Reisekader der DDR" 'Wild'", zum .Modellfall G.H.", zur Praxis-Debatte in der DDR-Philosophie Ende der60er Jahre, (Sabine Gries), .Die Humboldt-Universität im Netz des MfS" (Rainer Eckert). zur Entstehung der Wissenschaftsethik in der DDR, zu Robert Havemann, zur .Dialogfähigkeit In der Philosophie - vor kurzem und jetzt• und zu .Nietzsche in der DDR". Jenaer Forum für Bildung und Wissenschaft (Hg.): Universität Im Zwiespalt von Geist und Macht. Zu Ergebnissen und Erfahrungen der hochschulpolitischen Institut für Ästhetik am FB Kulturwissenschaftder Humboldt-Universität zu Berlin (Hg.): Umbrüche In Deutschland von 1945 und 1989/90. Jena 1996. 180 S. Bezug bei: Künstler Ober einen Philosophen. Eine Hommage an Wolfgang Heise. Berlin 1995. Jenaer Forum für Bildung und Wissenschaft e.V., Thomas-Mann-Sir. 25, 07743 Jena. 64 S. Bezug bei: Institut für Ästhetik, Humboldt-Universität zu Berlin, Sophienstr. 22a, Dokumentation einer Tagung anläßlich des 50. Jahrestages der Wiedereröffnung der 10178 Berlin. Friedrich-Schiller-Universität Jena am 24./25.11.1995. Mit u.a. folgenden Beiträgen: .Deut­ Heise (t1987), den Heiner Müller den wahrscheinlich einzigen DDR-Philosophen genannt sche Universitäten nach der Befreiung vom Faschismus und im Zusammenbruch der DDR. hatte, deres nicht verdient hätte, in der aktuellen Inszenierung des Vergessens zu versinken, Zu den Möglichkeitenund Grenzen eines Vergleichs" (Ludwig Elm), .Die Gründung der Sozial­ verband eine besonders intensive Beziehung zu Kunst und Künstlern. Das herausgebende Pädagogischen Fakultät 1945 - ein Novum in der deutschen Universitätsgeschichte" (Paul Institut hat deshalb anläßlich des 70. Geburtstagesvon Heise Künstler zu Erinnerungen und Mitzenheim),.Der Ausschuß für Hochschulfragen der SED 1947/48 - Fortsetzungund En�e Würdigungen gebeten. Autorinnen, neben der verantwortlich zeichnenden Renate Reschke sozialdemokratischer Traditionen· (Siegfried Prokop), .Die bürgerlichen Professoren und die (.Wolfgang Heise und die Kunst"), sind Ruth Tesmar, Steffen Mensching, Volker Braun, Eingriffe der SED ins Leben der Friedrich-Schiller-Universität Jena 1948 bis 1950" (Eber�art Roland Paris, Friedrich Dieckmann, Karl Mickel, Rolf Xago Schröder, Karl Lemke, Michael Schulz), .zu einigen historischen Ausgangsbedingungen der Wiedereröffnung der Fried­ Franz, Christa Wolf, Heiner Müller, Wolfgang Herzberg, Hans-Eckhardt Wenzel. Steffen rich-Schiller-Universität Jena im Oktober 1945" (Eberhard Wörfel), .Das sog. 'Jenaer Expe­ Schult und Gerd Kroske. riment' am Institut Marxismus Leninismus der Friedrich-Schiller-Universität" (Hans-Günter Eschke), .Chancen hochschulpolitischer Veränderungenin der DDR im Jahre 1956" (Werner Fritsch), .Wechselverhältnis von Industrie und Universität. Zelss und die dritte Hochschul­ Institut für Ästhetik am FB Kulturwissenschaftder Humboldt-Universität zu Berlin (Hg.): reform·(Helmut Metzler), .zu den gemeinsamen hochschulpolitischen Seminaren der DDR, angebote. organ fürästhetlk H. 8. Berlin 1995. 200 S. DM 15,-. Bezug bei: Institut für der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland in den 80er Jahren" (Werner Ästhetik, Humboldt-Universität zu Berlin, Sophienstr. 22a, 10178 Berlin. Riebel), .Die gescheiterteModernisierung. Anmerkungen zur III. Hochschulreform in der DDR" Das Heftdokumentiert die Materialien des 2. Wolfgang-Heise-Kolloquiums am 25./26.11.1994. (Michael Wegner), .'Hochschulemeuerung' an ostdeutschen Hochschulen aus dem Blick Unter Bezugnahme auf Heise wie ihn als Ausgangspunkt nutzend werden zahlreiche Themen heutiger Verantwortungsträger" (Siegfried Kiel), .Die Utopie einer pluralistischen Universität. von Vertreterinnender Philosophie, Kultur- und Literaturwissenschaftentfaltet, darunter ein Zum Rektorat Heinrich Finks" (KurtPätzold). Text zu .Theater und Spiel bei Wolfgang Heise• (Claudia Salchow). Desweiteren sind Nachträge zur Heise-Bibliographie (in angebote 6) veröffentlicht. Niemann, Heinz: Hinterm Zaun. Po/lt/sehe Kultur und Meinungsforschung In der DDR - die geheimen Bericht an das Politbilroder SED. edition ost, Berlin 1995. 255 Mende, Hans-Jürgen/Mocek, Reinhard (Hg.): Gestörte Vernunft?Gedanken zu einer S. DM 24,80. Im Buchhandel. Standortbestimmungder DDR-Philosophie. Edition Luisenstadt, Berlin 1996. 179 S. Seit 1965 existiertein der DDR ein Institut für Meinungsforschung, das auf Anweisung E. Bezug bei: Luisenstädtischer Bildungsverein e.V., Märkisches Ufer 54, 10179 Berlin. Honeckers 1979 geschlossen wurde, bei gleichzeitiger Vernichtung aller Unterlagen. Der Dokumentation eines am 25. Januar 1995 stattgefundenen Kolloquiums, auf dem vornehmlich Autor hat zahlreiche Kopien der Berichte im SED-Parteiarchiv ausgegraben, führtsie hier ostdeutsche Philosoph Innen eine Selbstverständigung zur DDR-Geschichte ihres Faches zusammen und hat sie analysiertund kommentiert. unternahmen.Hauptbeiträge von FriedrichTomberg (.Politische Konditionen der Philosophie in der DDR"), R. Mocek (.Zerstörung der Vernunft oder gestörteVernunft?" und .Philosophie und Naturwissenschaftin der DDR"), Norbert Kapferer (.Die kritische Auseinandersetzung Deutscher Historikertag1 994: Bericht über die 40. VersammlungDeutscher Histo­ mit dem Marxismus-Leninismusmuß fortgesetztwerden"), Heinz Malorny(.Probleme bei dem riker in Leipzig, 28. September bis 1. Oktober 1994. Leipziger Universitätsverlag, Versuch, über Philosophiegeschichte zu schreiben"), Peter Ruben (.Resultate der Philoso­ Leipzig 1995. 309 S. DM 40,-. Im Buchhandel. phie in der DDR"), Rolf Löther (.Zum Verhältnis von Philosophie und Naturwissenschaftin Der Band dokumentiert u.a. gekürzte Fassungen der Referate, die in der Sektion .Die der DDR"), Heinrich Opitz (.Philisophische Schulen in der DDR? Die Leipziger erkenntnistheo­ Wissenschaft in der DDR" gehalten worden waren:. Wissenschafts- und Universitätspolitik retische Schule"), Eva Kellner (.Zur Ethik in der DDR"), Hans-Christoph Rauh (.Anmerkungen der KPD/SED 1945 bis 1951" (llko-Sascha Kowalczuk), .Der Forschungsrat: Ein Beispiel zur DDR-Philosophie nach der Wende"). Diskussionsbeiträge von Ruben, Wolfgang Eichhorn, zentralistisch gesteuerterWissenschaft" (M. Wagner), .Die '3. Sozialistische Hochschu_lre­ Erich Hahn, Norbert Krenzlin, Walter Jopke, Hans-Martin Gerlach, Helmut Seidel, Rudolf form' von 1968 und die Akademiereform von 1969 als Zäsuren der Wissenschaftsentwick­ Jürschik. Kapferer, Mocek. lung der DDR" (Stefan Wolle), .Die Philosophie in der DDR: Ein Fallbeispiel_für den Einfluß d�r SED und des MfS auf die Wissenschaft" (Guntolf Herzberg), .Der Runde Tisch der Akademie Gerhardt, Volker (Hg.): Eine angeschlagene These. Die 11. Feuerbachthese von Karl und die Reform der AdW nach der Herbstrevolution 1989: Ein gescheiterter Versuch der Marxals Leitspruchfür eine erneuerteHumboldt-Universität zu Berlin? Akademie­ Selbsterneuerung" (lsolde Stark). Verlag, Berlin 1996. 313 S. DM 48,-. Im Buchhandel. Dokumentiert ein ost-west-deutsches Philosophengespräch, geführtin der Form einer Herzberg, Guntolf: Abhängigkeit und Verstrickung. Studien zur DDR-Philosophie Ringvorlesung 1994/95, mit dem die bis dahin hochemotional aufgeladene Debatte um die 11. (Forschungen zur DDR-Geschichte Bd. 8). Christoph Links Verlag, Berlin 1996. 265 Feuerbach-These im Foyer der Humboldt-Universität auf die gegenstandsangemessene S. DM 38,-. Im Buchhandel.

hochschule ost 3/ t 996 193 192 hochschule ost 3/1996 Ebene gebracht worden war. Die Autorinnen und ihre Beiträge: Volker Gerhardt: .Eine poli­ genbereich. Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 1996. 618 S. DM 98,-. Im tische Thesen, kein philosophischer Satz· und .Es kommt darauf an·, Gerd lrrlitz: .Karl Marx Buchhandel. - Aufhebung der Subjektphilosophie und der idealistischen Handlungstheorie", Christian Vornehmlich anhand von Unterlagen aus dem zentralen Parteiarchivder SED wird für den Möckel: .Die 11. Feuerbach-Thesen und das 'Ende des utopischen Zeitalters'", Herfried Zeitraum von der Staatsgründung bis zum Ende der Ulbricht-Ära gezeigt, welchen Einfluß Münkler: .Machtanalytik als Konfliktverschärfung", Herbert Schnädelbach: .Wittgenstein Partei und Staatauf die Rechtswissenschaft nahmen und welche - geringen - Freiräume über die Philosophie: 'Sie läßt alles, wie es ist"', Richard Schröder: .Zur 11. Feuerbach-These blieben. Die Dokumente werden jeweils durch Kommentare der Hg. eingeleitet und begleitet. von Karl Marx", Oswald Schwemmer: .Philosophie als Weltveränderung?", Bernd Henning­ In einer Einleitung finden sich die Phasen der Entwicklung der DDR-Rechtswissenschaft, die sen: Die Welt verändern?Die Antwort des Seren Kierkegaard", Hans Wagner: .Menschliche Gegenstände der Kontroversen im Grundlagenbereich und die Struktur der Steuerung der Praxis und menschliche Selbstveränderung", Hans-Christoph Rauh: .Schreibschwierigkei­ Rechtswissenschaft bestimmt und diskutiert.Mit Zeittafel und Personenregister. ten mit der 'Elften' oder: Das kleine Wörtchen 'aber'", Jaqueline Karl: .Eine angeschlagene These· (vgl. auch hso 4/95). Becker, Cornelia: Ärzte der Leipziger Medizin/sehen Fakultät. 22 Kurzporträts In Neuhaus, Manfred/ Seidel, Helmut (Hg.): ,,Wenn Jemand seinen Kopf bewußt Wort und Bild. Mit einem Überblick über die Geschichte der Fakultät seit Ihrer Leipziger Universitätsverlag, Leipzig 1995. 124 S. Im Buchhandel. hinhielt... " Beiträgezu Werk und Wirkenvon WalterMarkov.Hrsg. in Verb. m. Gerald Gründung 1415. Vier der porträtierten Wissenschaftler prägten die Fakultät(auch) in der DDR-Zeit: Max Diesener und Matthias Middell. Rosa-Luxemburg-Verein, Leipzig 1995. 262 S. 20,­ Bürger, Albrecht Peiper, Henry Ernesl Sigerist und MartinHerbst. DM. Bezug bei: R.-Luxemburg-Verein, Stemwartenstr. 31, 04103 Leipzig. Dokumentation des Walter-Markov-Colloquiums am 16.4.1994 in Leipzig. Beiträge zu.Weg und Werk Markovs. Erinnerungen von Freunden und Schülern• (Walter Grab, Hannes Schmidt, Herbert Bartholmes, Eberhard Wächtler, Veit Didczuneit, Peter Sebald, Bärbel 2. Ostdeutsche Wissenschaftsentwicklung & -politik Plötner, WernerBramke. Volker Külow, Jean Suret-Canale, Fernand L'Huillier), zu.Studien zur Geschichte der süd- und osteuropäischen Länder" (Ernstgert Kalbe, Werner Bahner, Erhard Hexelschneider), zu .Geschichtswissenschaft in Deutschland und Universalge­ Bahro, Rudolf: Bleibt mir der Erde treu/Apokalypse oder Geist einer neuen Zelt. schichte• (Georg G. lggers, Werner Berthold, Matthias Middell,Wolfgang KOttler, Michail N. Essays, Vorlesungen, Skizzen. Mit Texten von Johan Galtung, KurtBiedenkopf, Ulrich Maschkin, RigobertGünther), zu. Walter Markovs Stellung in der Geschichtsschreibung über von Weizsäcker u.a. edition ost, Berlin 1995. 266 S. DM 24,80. Im Buchhandel. die 'Große Revolution der Franzosen'" (Katharina Middell, Waltraud Seidel-Höppner/Joachim Bahro, Autor der .Alternative•und seit 1990 Professor für Sozialökologie an der Humboldt­ Höppner, Walter Schmidt), zur .Durchbrechung der eurozentristischen Geschichtsschrei­ Universität, hat an und von seiner Berliner Wirkungsstätte aus kontrovers diskutierte bung· (Hans Jürgen Friederici, Lothar Rathmann, Hans Piazza, Sarkis Latchinian) und zu Aktivitäten im Zusammenhang seines Konzepts einer .Komm unitären Subsistenzwirtschaft" .Geschichtsphilosophie und Politik" (Dieter Wittich, Hermann Klenner, Uwe-Jens Heuer, entfaltet. Die zahlreichen Autoren des Bandes kommentieren und diskutieren Konzept und Wolfgang Eichhorn, Klaus-Dieter Eichler, Volker Caysa). Umsetzungsmöglichkeiten, Bahro steuerteine Reihe eigener Texte bei. Die Kompilation ist von Wohlwollen gekennzeichnet (Bahros Verbindungen zu Vereinigungen, die sich sonst eher Gesellschaft für sozialwissenschaftliche Forschung und Publizistik GSFP (Hg.): in den Berichten der Sektenbeauftragten finden, etwa kommen nicht vor), was daran liegt. DDR-Geschichtswissenschaft (H. 3/1996 der Zs. Berliner Debatte Initial). Berlin daß der Band zugleich eine Gratulation zum 60. Geburtstag Bahros ist. 1996. 127 S. DM 15,-. Bezug bei: GSFP, PF 158, 10412 Berlin. Das Heft publiziert u.a. vier Beiträge einer Konferenz am Potsdamer Forschungsschwer­ Erpenbeck, John: Aufschwung. Roman. Eulenspiegel Verlag, Berlin 1996. 223 S. DM punkt Zeithistorische Studien .Die DDR-Geschichtswissenschaft im internationalen Kon­ 29,80. Im Buchhandel. text•, stattgefunden am 2.12.1995. Eckhardt Fuchs beschreibt die Mittel und Bemühungen Beschrieben wird der Weg eines einst international angesehenen, nunmehr abgewickelten marxistischerHistoriographie aus der DDR, von der scientific community im globalen Rahmen ostdeutschen Philosophie-Professors zum Gründer und Leiter eines kommerziellen.Instituts anerkannt zu werden. Gerald Diesener fragt ."DDR-Historiker' oder 'Historiker in der DDR'?" für wissenschaftliches Handlinienlesen• mit atemberaubendem Geschäftserfolg, der ihm Matthias Middell beleuchtet das Verhältnis der DDR-Historiker zu Frankreich. MartinSabrow schließlich als erfolgreichstem Existenzgründer in Ostdeutschand das Bundesverdienst­ schließlich analysiertdie Westkontakte von DDR-Historikern im Spiegel ihrer Reiseberichte. kreuz einträgt: ein durch und durch satirischer Plot, der nahezu alle realsatirischen Momente des deutsch-deutschen Vorgangs der letzten sechs Jahre fokussiert,bis hin zu veränderten Golz, Jochen (Hg.): Das Goethe-und Schiller-Archiv 1896-1996. Beiträge aus dem Schwerpunkten aufklärerischen Wirkens: Für die durch die Lektüre neu Interessierten ist ältesten deutschen Literaturarchiv .Böhlau Verlag, Weimar/Köln/Wien1996. 484 S. auch ein .Brevier der Chiromantie" eingeheftet (und für die standhaft Bleibenden dies auf DM 68,-. Im Buchhandel. andersfarbigem Papier, des einfacheren Überblätterns wegen). Der Band enthält u.a. Beiträge zur Geschichte des Archivs in der DDR und seiner Entwicklung �eil 1989: .Das Goethe- und Schiller-Archiv In Geschichte und Gegenwart• (J. Golz), .Die Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam (Hg.): Potsdamer Bulletin für Zelt­ Uberwindungdes Labyrinths. Der Beginn der Reorganisation des Goethe- und Schiller­ historische Studien 6/April 1996. Potsdam 1996. 52 S. Bezug bei: ZFF, Am Kanal 4/ Archivs unter Willy Flach und die Vorgeschichte seines Direktorats (1954-1958)" (Volker 4a, 14467 Potsdam. Wahl),. Vergangenheit und Zukunft der professionellen Archivarbeit im Goethe- und Schiller­ Archiv" (Gerhard Schmid), .Die 'Wiedervereinigung'von Archivalien und Teilnachlässen im Das Heft dokumentiertdie Eröffnungsveranstaltung des ZFF, zuvor Forschungsschwer­ Goethe- und Schiller-Archiv" (Roswitha Wollkopf). punktZeithlstorische Studien. Neben der Begrüßung durch den Vorstand Christoph Kleß­ mann und einem Grußwort desbrandenburgischen Wissenschaftsministers Steffen Reiche Dreier, Ralf/ Eckert,Jörn/ Mollnau, Karl A./ Rottleuthner, Hubert(Hg.): Rechtswissen• sind die gehaltenen Vorträgevon Jürgen Kocka: .Schwierige Anfänge: Der Forschungs­ schwerpunkt Zeithistorische Studien 1992 - 1995", Dieter Simon: .Wem gehörtdie DDR- schaftIn der DDR 1949- 1911. Dokumente zur politischen Steuerung Im Grundla- 195 194 hochschule OSI 3/1996 hochscbule ost 3/1996 Geschichte?" und Jens Reich: .Die deterministische Deutungsfigur im Diskurs über Blütezeit Ostdeutschland und der Reaktivierung des entsprechenden personellen Potentials dokumen­ und Niedergang der DDR" abgedruckt. tiert.

Theologische Hochschule f=riedensau, der Rektor (Hg.): Theologische Hochschule Bramke, Werner (Hg.): 4. Alternativer Hochschultag (11. März 1995) (Texte zur Friedensau.Bericht des Rektors Oktober 1994- September 1995. Friedensau o.J. Hochschulpolitik Bd. 1), Rosa-t.uxemburg-Verein, Leipzig 1995. 124 S. Bezug bei: (1996), 24 S. Bezug bei: ThHF, An der Ihle 5a, 39291 Friedensau. Rosa-Luxemburg-Verein, Sternwartenstr. 31, 04103 Leipzig. Darstellungen der Entwicklung, Projekte und Veröffentlichungen der Fachbereiche Theologie Dokumentation der Beiträge, u.a .• Frauen in der Wissenschaft" (Barbara Höll), .Frauen unter und Christliches Sozialwesen sowie der Institute für Kirchenmusik und für Sprachen im Hochschulgesetzen" (Astrid Franzke), .Die Zusammenführung der Defizite. Zu Risiken und Berichtszeitraum. Im weiteren auch der Bericht der Bibliothek und des Kanzlers. Nebenwirkungen des ostdeutschen Wissenschaftsumbaus• (Peer Pastemack), .zud ominie­ renden Wertungen der konservativen Hochschulerneuerung" (Siegfried Kiel), .Aufarbeitung von Vergan genem als Zukunftsaufgabe der Hohen Schulen" (Ludwig Elm) .• Landeshoch­ Stiftung Archiv der Akademie der Künste Berlin (Hg.): Die Stiftung Archiv der schulpolitik zwischen Vision und mittelfristigem Ansatz• (W. Bramke), .Politikwissenschaft Akademie der Künste. Eine Bestandsaufnahme(Archiv-8/ätterH. 2). Berlin 1995. 71 an ostdeutschen Fachbereichen und Hochschulen für Sozialarbeit. Vertane Chancen, Stand S. DM 7,-. Bezug über: StiftungArchiv der Akademie der Künste, Pariser Platz4, 10117 und mögliche Perspektiven " (Uwe Hirschfeld), .Hochschulen und Staat in Thüringen" (Werner Berlin. Grahn), .Brandenburgische Hochschulre fö rmchen in der Krise" (Andreas Trunschke). Die Stiftung, 1993 im Zuge der Zusammen führung der zwei Berliner Akademien gegründet und beider Archive vereinend, verwaltet das bedeutendste interdisziplinäre Archiv zur Gewerkschaft Erziehungu nd Wissenschaft GEW (Hg.): Projekte und Leistungen des Kunst des 20. Jahrhunderts.Die Publikation erläutert end geschichtlichen Zusammenhang und die interdisziplinären Sammelschwerpunkte. Sodann werden die einzelnen Archivabtei­ Wissenschaftler-Integrationsprogramms. Vorgeste/lt anläßlich derwissenschafts­ lungen vorgestellt (Literatur, Darstellende Kunst und Film, Kunstsammlung, Bildende Kunst, politlschen Tagung der GewerkschaftErziehung und Wissenschaftund des WIP­ Musik, Baukunst, Historisches und Verwaltungsarchiv, Bibliothek), deren Bestände zugleich Rates „ WIP - Leistungen und Perspektiven" am 5. Dezember 1995 Im Audimax der Grundlage der an der Akademie der Künste betriebenen Forschungs- und Edilionsprojekte Humboldt-Universität zu Berlin. Frankfurt a.M. 1995. o.S. Kostenlos bei: GEW, VB sind. Hochschule & Forschung, Reifenberger Str. 21, 60489 Frankfurt a.M. Geordnet nach Bundesländern, werden die Arbeitsergebnisse, die in den letzten Jahren von Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie (Hg.): WIP-geförderten Wissenschaftleri nnen erzielt worden sind, vorgestellt. Deutsche Studenten Im Ausland. Ein statistischer Überblick. Bonn 1995. 18 S. Kostenlos bei: BMBF, Ref. Öffentlichkeitsarbeit, 53170 Bonn. Köhler, Gerd/ Klinzing, Larissa/ Jähne, Matthias (Hg.):Wissenschaftler-Integrations­ Die Angaben für 1991 bis 1993 beziehen sich auf Studenten aus der Bundesrepublik nach dem Gebietsstand seit dem 3. Oktober 1990. Programm (WiP) Leistungen und Perspektiven. Tagung der GEW und des WiP­ Rates 5. Dezember 1995, Humboldt-Universität Berlin. o.O. (Frankfurt a.M.) o.J.

Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie (Hg.): (1996). 78 S. Kostenlos bei: GEW, VB Hochschule & Forschung, Reifenberger Str. 21, Studenten an Hochschulen 1975 bis 1994. Bonn 1995. 128 S. Kostenlos bei: BMBF, 60489 Frankfurt a.M. Dokumentation der Tagung, u. a. ein aktueller Problemaufriß von Larissa Klinzing, Ulrich Klemm Ref. Öffentlichkeitsarbeit, 53170 Bonn. und Gerd Uhlmann sprachen zu spezifisch sächsischen WIP-Problemen sowie Heinz Tiersch Die Angaben werden durchgehend differenziertna ch Früherem Bundesgebiet (1975-1994), zu brandenburgischen, Jürgen Schlegel üb er Chancen und Grenzen des neuen Hochschul­ Neuen Lä ndern (1989-1994) sowie Deutschland (1989-1994). sonderprogramms, Josef Lange zu den Hochschulen und der Umsetzung des WIP, Winfried Benz zu den Wissenschaftsratsempfehlungen zum WIP und deren Umsetzung, Friedrich Wissenschaftsrat (Hg.): Persona/stellen an Hochschulen 1994. Bestand 1992 bis Buttler zu Lösungskonzepten der brandenburgischen Regierung, Klaus Faber zu solchen der 1994. Ansätze 1995. Köln 1995. 231 S. Kostenlos bei: Wissenschaftsrat, Brohler Str. sachsen-anhaltinischen, Christoph Ehmann über das WIP in Mecklenburg-Vorpommemun d 11, 50968 Köln. Werner von Trützschler zu den Perspektiven der WIP-Geförderten nach 1996 in Thürnigen. Für Ostdeutschland kommt die Erhebung zum Ergebnis eines Personalstellenabbaus auf 54 % im Vergleich zu 1990. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (Hg.): Akademienvorha­ ben. Berlin 1995. 72 S. Kostenlos bei: BBAW, Ref. Öffentlichkeitsarbeit, Jägerstr. 22/ Wissenschaftsforumder Sozialdemokratie (Hg.): ,,Mit Wissenschaftund Forschung 23, 10117 Berlin. die Zukunftgewinnen". Wissenschaftsforum In Halle a.d. Saale (H. 10/Juni 1996 der Vorstellung aller bei der BBAW angesiedelten Akad emienvorhaben. Zs. Wissenschaftsnotizen). 51 S. Kostenlos bei: Wissenschaftsforum der Sozialde­ mokratie, Willy-Brandt-Haus, Wilhelmstr. 141, 10963 Berlin. Parthier, Benne (Hg.): Leopo/dlna Jahrbuch 1995 (Leopoldina R. 3, Jg. 41 ). Halle/S. Neben anderen behandelten Themen dokumentiert ad s Heft die im Titel genannte Tagung mit 1996. 576 S. DM 20,-. Bezug bei: Leopoldina, August-Bebel-Str. 50a, 06108 Halle/S. Beiträgen von Klaus-Dieter Krüger (.Innovationsa nstöße aus dem Osten"), Karl-Heinz Reck (.Wirtschafts- und Wissenschaftslandschaft Sachsen-Anhalt") und Klaus Faber (. Wissen­ schaftseinrichtungen in Ostdeutschland und Sachsen-Anhalt: eine Zwischenbilanz"). Im Reinecke, Andreas/ Strenge, Barbara (Bearb.): Quellen zur Geschichte der Juden In weiteren wird die Erklärung einer von Edelbert Richter organisierten Tagung ostdeutscher den Archiven der neuen Bundesländer. Teil 1: Eine Bestandsübersicht. K.G. Saur Sozialwissenschaftlerlnnen zu Notwendigkeiten sozialwissenschaftlicher Forschung in Verlag, München 1995. 602 S. DM 248,-. Im Buchhandel.

196 hochschule ost 3/1996 hochschule ost 3/1996 197 s o u nt n n n r s t s o u Verzeichnis der Archivbestände zur deuts�h-jüdischen Gesc ht vo itt l r i d Da Heft d k me iert ei e Fragenkatalog der brande bu gi chen PDS-Land ag frakti n z :� � [!.1� � ��� d�� � �� Cha e s s h u o Gegenwartau s ca. 300 ostdeutschen Ach1ven , geordnet n�c un es an er a . nc n und Ri iken auf dem Gebiet 'Wi senschaft und Forsc ung' einer F si n Berlin­ Archiven untergliedert.Mit Sach-, Orts- und Personenregister. Brandenburg", Antworten darauf von der FH Brandenburg, dem GKSS-Forschungszentrum, dem Betriebsrat der Forstlichen Forschungsanstalt Eberswalde, dem Dekan der WISO-Fak. e s Po s o s l o h s e r s r Die Archive der Hochschulen und wis enschaft­ der Univ r ität t dam, dem P tsdam-In titut für Kimaf lgenforsc ung, au d m Alfred Renger Ch i tian/ Speck, Diete : s_ r ut o u o s h e o o s h s u s llchen l�stitutionen. Ein Kurzführer. r s Wegene -lnstit für P lar- nd Meeresf r c ung, d m Ge f r c ung zentr m Pot dam, Verlag He mann Böhlau Nacht., Weimar 1996. dem Institut für Halbleiterphysik Frankfurt/O., der GEW-Landesfachgruppe 'Hochschule und 119 S. DM 24,-. Im Buchhandel. Forschung' und der FH Potsdam. Daneben sind Positionspapiere der GEW-Landesdelegier­ s o s .t . . o on en e o Er tmals v rliegender Archivfü�rer, der.die ei 1989 eingetretenen Veränderungen d er tenk nferenz Berlin und v Bündnis 90/Die Grün Brand nburg d kumentiert. deutschen Archivlandschaft berücksichtigt. Landesrektorenkonferenz Sachsen-Anhalt (Hg.): Studium & Forschung In Sachsen­ Humboldt-Universität zu Berlin , die Präsidentin (Hg.): Re�henschaftsbericht der Anhalt o.O. 1995. 176 S. Kostenlos bei: Landesrektorenkonferenz Sachsen-Anhalt, Präsidentin der Humboldt-Universität zu Berlin 1992 bis 1995, vorg�leg! �em c/o Rektorat der MLU Halle-Wittenberg, PF 8, 06099 Halle/S. Konzil Im Januar 1996. r s s Be lin 1996. 191 S. Ko tenl� bei: Humboldt-Universität zu Berlin, Pressestelle, Unter der Linden 6, 10099 Berlin. Sächsisches Staatsministeriu m für Wissenschaft und Kunst (Hg.): Forschung in Sachsen. Dresden 1996. 141 S. Kostenlos bei: SMWK, Pressestelle, Wigardstr. 17, Klinzing, Klaus (Hg.): Der universitäre Akademische Mittelbau. Arbeitsaufgaben· 01097 Dresden. BeschäftigungsverhältnisseArbeitsbedingungen. - Zur Sltuatl n n Berliner Uni­ � � _ versitäten s ss s ss s Technische Universität Dresden, Referat Gleichstellung von Frau und Mann (Hg.): (Schriftenreihe de Wi en chaft oziologie �nd � tat1st1k e.V._ Berhn_ H. u ss s s o o a s Stud/enführerfür FrauenMathematik, Naturwissenschaften, Technik, Wirtschafts­ 9). Berfin 1996. 137 s. Bez g b �i: Wi en chaft s z1ol g1e und -st tl t1k e. V., Siegfriedstr 185/0031, 10365 Berfin. wissenschaften 1995196. Dresden 1995. 172 S. Bezug bei: TU Dresden, Referat u a e e e e a e n h . • s u s Beiträ ge nt�r nd r m zu Der halbiert Mitt lb u. Bilanz fünf Jahr ac der_ Verein 1 gung Gleich tell ng, Momm enstr. 13, 01062 Dresden. o he e Personalka e a e n e e e s n o r u r h u l (D ris Sc r r), . pazität n n d�utsch n U iv rsität nfi !71 �=��1 ������ ��; Vorstellung bi lang män erd minierte Studiengänge nd Fach ic t ngen, um weib iche u e u s o ; : u t u u u n s e B erkungen zu den Strukt rwandlung n 1m Eme erung pr ze ( g . St dienberechtigte s ärker für ein St di m in diesen Bereichen z i teres i ren. i;::Akademi sche Mittelbau an der Humboldt-Universität Berlin im Tr�nsformat1onsprozeß Ergebnisse einer Fallstudie 1994" (K. Klinzing, Petra Böhme, Frank Richter). Thüringer Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur (Hg.): Thüringer Landeshochschu/p/an. Erfurt1996. 164+63 S. Kostenlos bei: TMWFK, Ref. Öffentlich­ Ansatzpunkte zu einer sozlal-ökologlsch n Umg Döge Peter/ Fenner, Brigitte: � � keitsarbeit, Juri-Gagarin-Ring 158, 99084 Erfurt. stalt�n der Forschungs- und Technologlepolltlk In Brandenburg. ud1e Im Au �� • Für das Jahr 2005 werden 30. 750 Studienplätze angestrebt, für 2010 42.000. Davon soll trag de;PDS-Landtagsfraktlon (Brandenburgisc?� wisse?schaftspollt,scheHefte �- ein Drittel (2005) auf Fachhochschulen entfallen. Eine .rasche Gründung" einer FH in o n r s u os n so o t so u u o n 3/1995). Hrsg. v m Brande burger Ve ein für poht1 che B1l� n� .R _� Luxem�urg , Nordthüringe ll erf lgen, für eine FH in Os thüringen llen die Plan ngen a fgen mme Potsdam 1996. 52 s. Kostenlos bei: Brandenburger Verein fur poht1sche Bildung werden. sa u s o s Ro Luxemb rg" Benz tr. 18/19, 14482 P t dam. . . . . Neben der (Kurzfass�ng der) Studie enthält das Heft umfangreiche b1bhograph1sche Notizen. 3. Wissenschaft & Hochschulen in Mittel-und Osteuropa Reiche, Steffen: Chancen und Risiken der Fusion für die Hochschul- und For­ schungslandschaft des Landes Brandenburg. o.O. (Potsdam) o.J. 1996. 1� S. s Orte Denkens. Neue s s r s s r u u Ackermann, Arne/ Rai er, Harry/ Uffelmann, Dirk (Hg.): des Ko tenlo bei: Ministerium fü Wis en chaft, Fo schung und K lt r, Ref. Öffentlich­ russische Philosophie. s r r s Pas agen Ve lag, Wien 1995. 271 S. DM 56,-. Im Buchhandel. keitsarbeit, Fried ich-Ebert-Str. 4, 14467 Pot dam. h sor o t t t s s oso (u o u n 0 .. . . . o u Ze n gfältig k mmen ierte, repräsen a ive Textezeitgenö si cher Phil phen nter Kurz v r der (ablehne e d u ss un s n s uss u t :� � ������t� fsnJ� �:�: s bew ßter Au par g der Vertreter de Nachde ken über die .R ische Idee"), .a. �� �������i:��� e s n d o o r c ���,��i� �: ;�� d� Merab Mamarda chwili, Alexa er Pjatig rski, Michail Ryklin und lg r Smirnow. !�t���!i���::� �o�sequenzen einir P?Sitiven En�s�heidung prognostiziert.Die Chancen überwiegenin dieser Dar stellung gegenuber den R1s1ken. Aktuelle Publikationen des Instituts für vergleichende Bildungs- und Hochschulfor­ schung Wien, Porzellangasse 2/2/41, A-1090 Wien : r r s s u r Fusion B rl Brandenburge Ve ein für politi che Bildung .Ro a L xembu g" (Hg.): � �­ s s Die materielle Situation der ungarischen Hochschullehrer. Brandenburg?I Wissenschaftler, Gewerkschafter, Politiker (Brandenbwy,sc e Bes enyei, l tvan: Wien wissenschaftspolitische Hefte H. 1/1996). Potsdam 1996. 44 S. Kostenlos bei: Bra 1996. 37 S. öS 70. ;; denburger Verein für politische Bildung .Rosa Luxemburg", Benzstr. 18/19, 144 Kump, Sonja: Renewal of Higher Education in Slovenia with Special Attention to Potsdam. Quality. Wien 1996. 15 S. öS 30.

hochschule ost 3/ 1996 198 hochschule ost 3/1996 199 Birzea, Cesar: EducationalReform and Educational Research in Central-Eastern ZUM SCHLUSS Europe: The Case of Romania. Wien 1996. 22 S. öS 40. Strencevic, Lubica/ Gligorov, Vladimir: The System of Educationin theState of Bosnia and Herzegovina. Wien 1996. 60 S. öS 100. Wien 1996. Bessenyei, lstvan: Das ungarische Bildungssystem. Diskettenedition. Wien 1996. Majtan, Michal: Das slowakische Bildungssystem. Diskettenedition. Budway, Vera: A Directory of Central and East European Education Research lnstitutions. (Im Druck) Higher Education The Concise CEE Syllabus of Central and East European lnstitutions. (Im Druck) . . Polen, Auflistung aller Hochschuleinerichtungen in Bulgarine, Kroatien, Österreich, Slowakei, Slowenien und Ungarn.

Peer Pasternack

LEBT UND LEST RADIKAL? iese Worte - allerdirgs ome lerwenigsten hätte er erwarteL da6 da6 diese Sctm1erf1ri­ kOmen. so da6 der Normalwger An der Ostseite des Hauses t.nd 111 nert zu werden da6 sie ctine die o'1ne juristischen Beistand hilflos der Domstra6e genau vor diesem Demonstranten von 89 keinen FuO 1st. Wenn aber mler denen, die be­ Gebäude samielten sich ,m Hert>st in dieses Haus hätten setzen kön­ rufsmällog diesen Beistand leisten 89 mittwochs die Demonstranten nen t.nd da6 diese Demonstranten sollen. Leute s•nd, die bewiilt die Ich glaooe. aus eigenem Erleben solche Aufschriften t.nd die Gle1cl1- Demokratie lahmlegen t.rd ad ab­ sagen zu kOmel\ da6 kairn einer gult1gke1t. mit der sie gedJldet surdrn fctven wollen, dam erhebt der Demonstranten für Rechts• werden als Schlag 111's Gesicht sich die Frage· »Quo vad1s. deut­ oder Llnksrad1kallsrms auf die emof1nden sche Justiz?« Und steht damit et­ Straße gegargen 1st. da6 es viel­ V1elle1cht nimmt man sich dam all­ wa om Zusamiert1.lrg. da6 man mehr jedem verdanrnt ernst war. morgendlich zem M1ruten Zeit. Pin­ sich des Ofleren des Eindrucks derrokrat1sche Verti:,lt„sse zu sel t.nd Farbe t.nd iberstre1cht die­ nicht erwehren kam. daB die deut• schaffen Schlleßhch waren zu die­ ses Werl< von Sctm1erf1nken Die sehe Justiz sich dem Wohl des Ge­ sem Ze1tp..nkl der Ausgare der Er­ arderen. von denen ,eh rede, haben setzeSl.fltreuef\ des Kriminellen. eignisse noch VOllig offen t.nd per­ auf Jeden Fall mehr U'lamelrnhch­ mehr verpflichtet fiJllt als dem sönllches R1s1ko U1Verme1dhch. Das. ke1 ten auf sich genonmen Wohl des gesetzeslreuen normalen was erreich! worden 1st. hat da­ Aber noch el was rn.(l gesagt wer• Burgers' mals mancher Demonstrant rucht den Aus berufenem� habe Ich ■ � DR Ofl1ST

(aus: Journal der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald 2196)

hochschule ost 3/1996 201 200 hochschule ost 3/1996 hochschule ost. politisch-akademisches lournal aus ostdeutschland 4.Jahrgang 1994195 Themenschwerpunkte:Forschung OberWissenschaft Ost • Dissertationenin der DDR• Singularitäten • Fern studieren in Ostdeutschland • Archivein Ostdeutschland II • Mittel-und Osteuropa: Wissenschaft im Transit • 1.Jahrgang 1991/92 Sozialistische Intelligenz • Kinche & Hochschule.Theologie &Politik • Synopse HochschulrechtOst Themenschwerpunkte:Die ostdeutschen Hochschulgesetze• Lage derSozialwissenschaften in (Ost-)Deutschland Autorinnen:Gertraude Budc-Bechler, Anke Burkhardt. luct.Yig Elm. KonradFeiereis, Ulrich Geyer. Jochen Sabine Golz, • Die Erneuerungund ihre Kriterien• DDR-Wissenschaftsgeschichte • Hochschulstrukturin Sachsen. Rundtisch­ Gries,Christoph Kähler. Sabine Kebir. Gerd Köhler, WolfgangKnobloch. Rainer Land, lreneLischka. Sabine Manning. gespräch • HeinrichFink und der Umgang mit unserer Vergangenheit• Anhörung des Bundestagsausschusses LotharMertens.Eduard Mühle. AlexanderNadiraschwili,ThomasNeie. PeerPastemack. RalfPossekel. Siegfried Bildungund Wissenschaft: Perspektivender Hochschulentwicklung • OstdeutscheGeschichtswissenschaftzwischen Prokop. EdelbertRichter. UweSchimank. Georg Schuppener,DieterVoigt, PeterWICkeu.a. Gestern undMorgen • JürgenTellerHonorarprofessor • Hochschulrahmenrechtnach der deutschen Neuvereinigung. Eine Anhörung • Ehrenpromotion Hans Mayer in Leipzig • HRG - Genesis im Westen und Wirkung im Osten • Insgesamt 39 Hefte.3. 664Seiten.Nachbestellungen nur komplett: DM 500.- zzgl. Versandkosten KirchlicheHochschulen zwischen Nische und Fusion • BdW1-Frühjahrsakademie:Kritische Geist es- und Sozialwis­ senschaftennach dem Ende des Sozialismus• Wissenschaft Ost 1989/90• EuropäischeUniversität Erfurt • Die Kopiervorlage: Studierenden 1989/90 • StreitsacheLatinum Autorlnnen:HansJürgenBlock, Torsten Bultmann, Christian Dahme, MartisDür1cop,Wolfgang Ernst. Hans-Uwe Feige. Bestellung AlfredFörster. Christian Füller.Frank Geißler.Monika Gibas. ChristophKähler. Dietmar Keller. Fritz Klein, Hermann Ich bestelle: Klenner, HorstKlinkmann. Larissa Klinzing.llko-Sascha Kowalczuk,Wolfgang Küttler. GotthardLerchner. RudolfMau. 1. ein kostenloses Probeexemplar zum Kennenlernen DM 0,-­ Hans Mayer, HansJoachim Meyer. Matthias Middell. Wolfgang Nitsch. Erhard Noacl(.Georg None. KurtNowak. Doris 2. Nachbestellung 1. - 4. Jahrgang (39 Hefte) DM 500,­ Odendahl, Bernd Okun. Martin Onnasch, PeerPasternack.Peter Porsch. Helmut Richter. Matthias Rösler. Hilde zzgl. Versandkosten Schramm. Uta Star1

hochschule 0s1 3/1996 202