Entscheidungsgründe

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Entscheidungsgründe Postadresse: Erdbergstraße 192 – 196 1030 Wien Tel: +43 1 601 49 – 0 Fax: +43 1 711 23-889 15 41 E-Mail: [email protected] www.bvwg.gv.at Entscheidungsdatum 18.02.2021 Geschäftszahl G312 2191725-1/11E IM NAMEN DER REPUBLI K! Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Manuela WILD als Einzelrichterin über die Beschwerde XXXX alias XXXX, geb. XXXX, StA. Irak, vertreten durch die BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl – Regionaldirektion XXXX – vom XXXX, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 28.12.2020, zu Recht erkannt: A) I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen. II. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt III. und IV. stattgegeben und eine Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig erklärt. XXXX alias XXXX, geb. XXXX wird der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von 12 Monaten erteilt. III. Die Spruchpunkte V. - VI. werden ersatzlos aufgehoben. B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig. Entscheidungsgründe : I. Verfahrensgang: 1. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde) vom XXXX, Zl. XXXX, wurde der Antrag von XXXX alias XXXX, geb. XXXX (in weiterer Folge: BF) vom XXXX auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des - 2 - Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 AsylG in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Irak zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.). 2. Gegen den im Spruch genannten Bescheid erhob der Vertreter des BF fristgerecht Beschwerde. Die gegenständliche Beschwerde wurde mit dem maßgeblichen Verwaltungsakt am 09.04.2018 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt. 3. Am 28.12.2020 wurde am Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung im Beisein des BF, seines Rechtsvertreters sowie eines Dolmetschers für die arabische Sprache durchgeführt. Die belangte Behörde ist nicht erschienen. Die Verkündung der Entscheidung entfiel gemäß § 29 Abs. 3 VwGVG. 4. Am 25.01.2021 gelangte eine Stellungnahme des BF beim Bundesverwaltungsgericht ein. II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen: 1. Feststellungen: 1.1. Der BF ist irakischer Staatsangehöriger, bekennt sich zum sunnitisch muslimischen Glauben und gehört der kurdischen Volksgruppe an. Der BF ist ledig und stammt aus XXXX, wo er bis zu seiner Ausreise gemeinsam mit seinen Eltern sowie seinen zwei Schwestern im Stadtbezirk XXXX lebte. Der BF verfügt über eine zwölfjährige Schulbildung im Irak und begann ein Studium der Computerwissenschaften, welches er jedoch nicht abschloss. Anschließend schloss er in Bagdad ein Studium in Businessmanagement ab. Er war danach bis zu seiner Ausreise in einem Uhrengeschäft tätig und betrieb selbständig eine Bücherei. 1.2. Der BF reiste am XXXX aufgrund der allgemeinen Lage legal per Flugzeug aus XXXX in die Türkei aus und gelangte anschließend schlepperunterstützt mit einem Boot nach - 3 - Griechenland. In Folge reiste er teils schlepperunterstützt bis nach Österreich und stellte am XXXX den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. 1.3. Im Herkunftsstaat leben nach wie vor Familienangehörige des BF. Die Eltern sowie eine Schwester des BF leben derzeit in XXXX. Der BF steht zu seinen Familienmitgliedern in ständigem Kontakt. 1.4. Im österreichischen Bundesgebiet leben keine Familienangehörigen des BF. Eine Schwester sowie ein Onkel und zwei Tanten des BF leben derzeit in XXXX. Der BF ist strafgerichtlich unbescholten. Er ist gesund und arbeitsfähig. Der BF besuchte Deutschkurse und legte ein ÖSD Zertifikat für das Niveau A2 ab. Der BF absolvierte im XXXX den Werte- und Orientierungskurs des Österreichischen Integrationsfonds. Er hat bereits gute Deutschkenntnisse und konnte die ihm in der mündlichen Verhandlung gestellten Fragen verstehen und auf Deutsch beantworten. Der BF wurde im XXXX an der XXXX als außerordentlicher Studierender zugelassen und ist im Besitz einer Gewerbeberechtigung „Wartung und Pflege von Kraftfahrzeugen“. Der BF hält sich seit seiner Asylantragstellung ununterbrochen im Bundesgebiet auf. Er verfügt im Bundesgebiet seit XXXX bis zum Entscheidungszeitpunkt über durchgehende Hauptwohnsitzmeldungen. Der BF ist selbsterhaltungsfähig und bezieht keine Leistungen aus der Grundversorgung. Im Übrigen verfügt der BF über einen großen österreichischen Freundes- und Bekanntenkreis und konnte zahlreiche Empfehlungsschreiben vorlegen. 1.5. Hinsichtlich der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Irak, legt das erkennende Gericht seiner Entscheidung die aktuelle Version der Länderfeststellungen der Staatendokumentation zum Irak vom 17.03.2020 zu Grunde: Daraus ergibt sich auszugsweise: Sicherheitslage Im Dezember 2017 erklärte die irakische Regierung den militärischen, territorialen Sieg über den Islamischen Staat (IS) (Reuters 9.12.2017; vgl. AI 26.2.2019). Die Sicherheitslage hat sich, seitdem verbessert (FH 4.3.2020). Ende 2018 befanden sich die irakischen Sicherheitskräfte (ISF) in der nominellen Kontrolle über alle vom IS befreiten Gebiete (USDOS 1.11.2019). Derzeit ist es staatlichen Stellen nicht möglich, das Gewaltmonopol des Staates sicherzustellen. Insbesondere schiitische Milizen, aber auch sunnitische Stammesmilizen handeln eigenmächtig. Die im Kampf gegen den IS mobilisierten, zum Teil vom Iran unterstützten Milizen sind nur eingeschränkt durch die Regierung kontrollierbar und stellen eine potenziell erhebliche Bedrohung für die Bevölkerung dar. Durch die teilweise Einbindung der - 4 - Milizen in staatliche Strukturen (zumindest formaler Oberbefehl des Ministerpräsidenten, Besoldung aus dem Staatshaushalt) verschwimmt die Unterscheidung zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren (AA 12.1.2019). In der Wirtschaftsmetropole Basra im Süden des Landes können sich die staatlichen Ordnungskräfte häufig nicht gegen mächtige Stammesmilizen mit Verbindungen zur Organisierten Kriminalität durchsetzen. Auch in anderen Landesteilen ist eine Vielzahl von Gewalttaten mit rein kriminellem Hintergrund zu beobachten (AA 12.1.2019). Insbesondere in Bagdad kommt es zu Entführungen durch kriminelle Gruppen, die Lösegeld für die Freilassung ihrer Opfer fordern (FIS 6.2.2018). Die Zahl der Entführungen gegen Lösegeld zugunsten extremistischer Gruppen wie dem IS oder krimineller Banden ist zwischenzeitlich zurückgegangen (Diyaruna 5.2.2019), aber UNAMI berichtet, dass seit Beginn der Massenproteste vom 1.10.2019 fast täglich Demonstranten in Bagdad und im gesamten Süden des Irak verschwunden sind. Die Entführer werden als „Milizionäre“, „bewaffnete Organisationen“ und „Kriminelle“ bezeichnet (New Arab 12.12.2019). Die zunehmenden Spannungen zwischen dem Iran und den USA stellen einen zusätzlichen, die innere Stabilität des Irak gefährdenden Einfluss dar (ACLED 2.10.2019a). Nach einem Angriff auf eine Basis der Volksmobilisierungskräfte (PMF) in Anbar, am 25. August (Al Jazeera 25.8.2019), erhob der irakische Premierminister Mahdi Ende September erstmals offiziell Anschuldigungen gegen Israel, für eine Reihe von Angriffen auf PMF-Basen seit Juli 2019 verantwortlich zu sein (ACLED 2.10.2019b; vgl. Reuters 30.9.2019). Raketeneinschläge in der Grünen Zone in Bagdad, nahe der US-amerikanischen Botschaft am 23. September 2019, werden andererseits pro-iranischen Milizen zugeschrieben, und im Zusammenhang mit den Spannungen zwischen den USA und dem Iran gesehen (ACLED 2.10.2019b; vgl. Al Jazeera 24.9.2019; Joel Wing 16.10.2019). Als Reaktion auf die Ermordung des stellvertretenden Leiters der PMF-Kommission, Abu Mahdi Al-Muhandis, sowie des Kommandeurs der Quds-Einheiten des Korps der Islamischen Revolutionsgarden des Iran, Generalmajor Qassem Soleimani, durch einen Drohnenangriff der USA am 3.1.2020 (Al Monitor 23.2.2020; vgl. MEMO 21.2.2020; Joel Wing 15.1.2020) wurden mehrere US-Stützpunkte durch den Iran und PMF-Milizen mit Raketen und Mörsern beschossen (Joel Wing 15.1.2020). Quellen: - AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl- und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 13.3.2020 - ACLED - The Armed Conflict Location & Event Data Project (2.10.2019a): Mid-Year Update: Ten Conflicts to Worry About in 2019, https://www.acleddata.com/2019/08/07/mid-year-update-ten-conflicts-to-worry- about-in-2019/, Zugriff 13.3.2020 - ACLED - The Armed Conflict Location & Event Data Project (2.10.2019b): Regional Overview – Middle East 2 October 2019, https://www.acleddata.com/2019/10/02/regional-overview-middle-east-2-october-2019/, Zugriff 13.3.2020 - AI - Amnesty International (26.2.2019): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2018 - Iraq [MDE 14/9901/2019], https://www.ecoi.net/en/file/local/2003674/MDE1499012019ENGLISH.pdf, Zugriff
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