EHRENAMTLICHE FLÜCHTLINGSARBEIT IM LANDKREIS

Strategische Aufgabenteilung

ALINE LIEBENBERG / THOMAS RÖBKE / ANNE THÜMMLER || Vielfach versicherten Vertreter aus Politik und Medien, dass die Flüchtlingswelle, die im Herbst 2015 einsetzte, gar nicht so friedlich zu bewältigen gewesen wäre, wenn nicht zigtausende Ehrenamtliche für eine Willkommenskultur an vielen Orten – von Passau, Rosenheim und München bis in die kleinsten Gemeinden – gesorgt hätten. Diese Aussage wird weiter gültig bleiben, auch wenn es jetzt weniger um die akute Hilfe in Flüchtlingsheimen, zum Beispiel bei der Kleiderausgabe gehen wird, sondern um die vielfältigen Aufgaben der Integration.

STRUKTUREN FÜR DAS EHRENAMT ∙ Vernetzungsstrukturen und die Differenzie- Aus verschiedenen wissenschaftlichen Unter- rungen geeigneter arbeitsteiliger Prozesse auf suchungen wissen wir, dass die Verantwortlichen drei unterschiedlichen Ebenen: weiterhin mit der Unterstützung des Bürger- ▹ in den jeweiligen Initiativen vor Ort; schaftlichen Engagements rechnen. Das Ehren- ▹ zwischen den lokalen Ehrenamtsinitiativen amt halten die Vertreter in den Kommunen, so und Helferkreisen; eine aktuelle Befragung, für die wichtigste Res- ▹ zwischen der ehrenamtlichen Flüchtlings- source eines gelingenden Integrationsprozesses. 1 und Integrationsarbeit und den hauptamt- Diese Ressource zu erhalten, bedarf es kluger lich verfassten Einrichtungen, zum Bei- politischer Maßnahmen und Entscheidungen. spiel den Arbeitsagenturen, den Bildungs- Wir brauchen schnell stabile Rahmenbedin- und Kultureinrichtungen, den sozialen gungen und Unterstützungsplattformen für die Diensten sowie den mit der Integrations- ehrenamtliche Integrationsarbeit. Eine qualita- und Flüchtlingsarbeit befassten kommuna- tive Untersuchung der Humboldt-Universität len Verwaltungsstrukturen auf regionaler Berlin, 2 die viele Akteure im Feld, Hauptamtli- Ebene. che wie Ehrenamtliche, politisch Verantwortli- che wie Verwaltungskräfte befragte, kommt zu folgendem Ergebnis, was auf Dauer vorhanden sein muss: ∙ Verlässliche Infrastrukturen der Ehrenamt- Gefordert sind STABILE Rahmenbedingungen lichenkoordination und des Freiwilligen- und Unterstützungsplattformen für die ehren- managements; amtlichen Helfer. ∙ offene Institutionen und Einrichtungen, die sich strukturell für die Zusammenarbeit mit Ehrenamtlichen öffnen bzw. diese erweitern;

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Dies alles muss durch eine ausreichende und Der schlimmste Motivationskiller sind plötzlich verlässliche Finanzierung ermöglicht werden, wegbrechende Finanzierungsstrukturen, die ein die im föderalen Dreiklang von Bund, Land gut eingespieltes Hilfesystem in kurzer Zeit wie und Kommunen ohne Doppelstrukturen und ein Kartenhaus einstürzen lassen. Angesichts „Projektikis“ für Unterstützung sorgt. der langwierigen Aufgabe der Integration ist das Dass diese Ziele ehrgeizig sind, weiß jeder, kontraproduktiv. der sich ein wenig mit dem Geflecht unter- schiedlicher Zuständigkeiten und Förderricht- linien befasst hat. So gibt es beispielsweise ein AM BEISPIEL DES LANDKREISES ROTH Kooperationsverbot, das es dem Bund nicht er- In vielen Landkreisen und Städten Bayerns laubt, das Bürgerschaftliche Engagement in den wurde Unglaubliches geleistet. Ein Beispiel, das Kommunen dauerhaft direkt zu fördern. Da die wir näher beleuchten wollen, ist der Landkreis Unterstützung des Bürgerschaftlichen Engage- Roth. Im Nachhinein kann man sagen: Es ist ments zu den freiwilligen Leistungen gehört, hier politisch und gesellschaftlich vieles richtig tun sich die ärmeren Kommunen schwer, ohne gemacht worden, so dass eine friedliche, nicht Mittel von Bund und Land diese Aufgabe allein aufgeregte, sondern selbstverständliche Willkom- zu schultern. menskultur im lokalen Kontext greifen konnte. Verschiedene Bundesministerien legten, ob- Das Beispiel zeigt auch die jeweiligen Besonder- wohl eigentlich nicht zuständig, angesichts der heiten vor Ort. Und es zeigt, wie eine profes- akuten Situation Programme der Förderung Bür- sionell gut aufgestellte Ehrenamtskoordination gerschaftlichen Engagements (etwa „Menschen das Bürgerschaftliche Engagement in den ver- stärken Menschen“ des Bundesfamilienminis- schiedenen Gemeinden sinnvoll unterstützen teriums oder ein umfassendes Patenschaftspro- kann. gramm der Malteser, das vom Bundeskanzler- amt gefördert wird) auf, die allerdings zeitlich Ausgangslage begrenzt sind. Länder wie Bayern wurden von Zu Beginn des Jahres 2012 wurden die ersten sich aus aktiv und fördern, allerdings zeitlich Asylbewerber im Landkreis Roth untergebracht. ebenso begrenzte, kommunale Strukturen. Der Landkreis Roth vermied dabei von Anfang Das schafft vor Ort manchen unerwarteten an die Unterbringung von Asylsuchenden in Geldsegen. Zudem treten große Stiftungen als großen Sammelunterkünften und setzte auf die Fördermittelgeber auf den Plan. Ihre Program- Verteilung der Asylsuchenden in dezentralen me sind oft ähnlich zu jenen der öffentlichen Unterkünften in allen Landkreisgemeinden. Das Hände, aber nicht miteinander kompatibel. schützte die Kommunen vor einseitigen Über- forderungen.

Zudem wollte der Landkreis in diesem kom-

plexen Prozess Akteur bleiben und den Ent-

wicklungen entsprechend Strukturen aufbauen. Für Integrationsarbeit sind LANGFRISTIGE Gemäß des Mottos des Landrates, „nicht nach Finanzierungszusagen nötig. Zuständigkeiten fragen, sondern handeln“, ent-

schied man, die Zuständigkeit für die Asylsozial-

beratung nicht ausschließlich an die Wohlfahrts-

verbände abzugeben, sondern in Teilbereichen über den Landkreis abzudecken. Dass also, was ja durchaus begrüßenswert Der Flächenlandkreis Roth dehnt sich vom war, viele staatliche und gemeinnützige Akteure suburbanen Einzugsgebiet im Süden Nürnbergs in der akuten Not schnell reagierten, führt jetzt bis in sehr ländliche Gegenden. Er umfasst mit in der Summe ihrer Unübersichtlichkeit zu einer der Stadt Roth und einer Einwohnerzahl von gewissen Unsicherheit vor Ort. Es geht auf der etwa 25.000 bis zu kleinen Kommunen wie staatlichen Ebene dringlich um bessere Koordi- oder Rohr mit etwa 3.000 Ein- nation, um diese Verunsicherung zu beseitigen. wohnern sehr heterogene Gemeindegrößen.

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In jeder der 16 Landkreisgemeinden sind Nach weiteren Zuweisungen von Asylbewer- Asylbewerber untergebracht, aktuell (Sommer bern Ende 2012 begann „Für einander“ sich der 2016) von 17 bis 167 Personen je nach Größe Problematik anzunehmen. Hinter diesem Namen und Aufnahmekapazitäten der einzelnen Ge- verbirgt sich die Kontaktstelle Bürger-Engage- meinden. ment des Landkreises Roth. „Für einander“ be- Darüber hinaus gibt es in der Kaserne Roth steht seit 2011. Die Anlaufstelle für das Ehren- eine ZAE als Außenstelle der Erstaufnahmeein- amt wurde 2011 bis 2013 durch Leader-Förde- richtung in Zirndorf, die von 200 Personen bis rung aufgebaut und befindet sich seit 2013 in über 1.250 Personen in der Hochphase im Au- Landkreisträgerschaft. Die Stelle wird von zwei gust 2015 belegt war. Aktuell sind dort 304 Per- Halbtagskräften gebildet. sonen untergebracht (August 2016).

Die Asylbewerberzahl ist bis zum Jahres- Hinter dem Namen „FÜR EINANDER“ steckt wechsel 2015/2016 schnell angewachsen, um die Kontaktstelle Bürger-Engagement des aktuell wieder abzunehmen: Landkreises Roth.

Asylbewerberzahl im Landkreis 2012-2016 Über einen ersten Zeitungsartikel wurden ehrenamtliche Helfer für die Betreuung der Asyl- 11/2012 80 Personen bewerber gesucht. Der Asylhelferkreis in der Stadt Roth entstand. 01/2013 101 Personen Der Landkreis reagierte schnell auf die Flücht- lingssituation und schuf 2014 eine erste Stelle 01/2014 239 Personen „Asylsozialarbeit“, die auch mit Ehrenamtlichen kooperieren soll. 01/2015 877 Personen Die Erfahrung der ersten Zeit war: Wohl- fahrtsverbände reagierten eher schwerfällig auf 01/2016 2.000 Personen die neue Situation, Ehrenamt agierte sofort, schuf eigene Strukturen und „professionalisierte“ sich über das Engagement. 08/2016 1.600 Personen 2012 bis 2014 entstanden nach und nach in fast allen Kommunen des Landkreises Helfer- Bei den ca. 125.000 Einwohnern des Land- kreise mit unterschiedlichen Konzepten und kreises waren also in Hochzeiten knapp 2 % Strukturen – von rein bürgerschaftlichen Hel- Asylsuchende. Das klingt nicht nach viel, aber ferkreisen, seitens der Kommune unterstützten der rasante und kaum planbare Zuzug war Helferkreisen, kirchlich unterstützten Helfer- doch, wie fast überall in Bayern, eine große kreisen und einem Mischmasch von allem. Herausforderung. Das Ehrenamt spielte bei der „Für einander“ half beim Aufbau der Ehren- Bewältigung dieser Herausforderung eine maß- amtsstrukturen in den Landkreisgemeinden und gebliche Rolle. entwickelte Unterstützungsangebote für die eh- Der erste Helferkreis im Landkreis formierte renamtlich tätigen Asylhelfer. sich schon im Laufe des Jahres 2012 in der In allen Gemeinden waren sofort Bürgerinnen Stadt . Asylsuchende wurden in und Bürger bereit, sich einzusetzen. Die Zahlen einem freien verfügbaren Gebäude der AWO reichen dabei von drei bis dreißig Helferinnen einquartiert und durch die Asylsozialbetreuung und Helfer. der Diakonie Roth / Schwabach und eine haupt- Bedingt durch die relativ überschaubare Zahl amtliche Kraft der AWO begleitet. Unter Mit- der Asylbewerber in den Landkreiskommunen wirkung der Stadt Hilpoltstein wurden weitere und die dezentrale Unterbringung gab und gibt ehrenamtliche Unterstützer gesucht und der es kaum Widerstände bei der Bevölkerung. Le- erste Helferkreis in einer Landkreiskommune diglich in der Kreisstadt Roth gab es während gegründet. der Höchstbelegungszahl der ZAE im August

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2015 etwas Unruhe. Bei einer Bürgerversamm- Ehrenamtskoordination und Netzwerkarbeit. lung, die deshalb vom Bürgermeister in Koope- Die Aktivitäten von „Für einander“ ration mit Mitarbeitern des Landratsamts und Durch den engen Kontakt zu den ehrenamt- der Asylsozialberatung der Diakonie durchge- lichen Helfern, Hauptamtlichen des Landkreises führt wurde, kam es aber zu keinen nennens- und der Diakonie, Schulen, Institutionen und werten Kritikäußerungen. Die Befürworter er- Unternehmen wurde „Für einander“ mit vielen schienen in einer überwältigenden Überzahl, Bedarfen konfrontiert und sieht großen Hand- Kritiker fanden kein Forum. lungsbedarf in Form von Projekten und dem Die professionelle Haltung des Freiwilligen- weiteren Ausbau des Helfer- und Unterstützer- managements hat sich gegenüber den Asylhel- netzwerkes. ferkreisen, in denen auch sehr viele hochpro- 2014 initiierte „Für einander“ die Gründung fessionelle Menschen engagiert sind, sehr be- eines „Fördervereins zur Unterstützung des Bür- währt. „Für einander“ greift auf, was seitens der gerschaftlichen Engagements im Landkreis Roth Ehrenamtlichen entwickelt wird, es will keine (FUBE) e.V.“, um Ehrenamtlichen in lokalen Strukturen vorgeben, es soll beraten, aber nicht Initiativen, Gruppen und Projekten Versiche- dominieren, Ansprechpartner bei Problemen rungsschutz zu bieten. Der Hintergrund dieser sein, Lösungswege aufzeigen und dabei die Gründung ist, dass sich viele Menschen für Autonomie der Helferkreise achten. Asylbewerber engagieren, aber nicht in feste Die Vorteile sind: Individuelle Ansätze vor Strukturen einbinden lassen wollen. Ort, die örtlichen Bedingungen bestimmen die Alle 16 Kommunen sind Mitglieder von Vorgehensweise, learning bei doing, Freiräume „FUBE e.V.“ und finanzieren den Verein über können genutzt werden. Das hat sich sehr be- einen nach Einwohnerzahl gestaffelten Mit- währt. gliedsbeitrag. Durch diese Beiträge wird die Die Nachteile sind: Viele Dinge müssen Absicherung der Ehrenamtlichen finanziert. immer wieder neu erfunden werden, Unterstüt- Auf dieser soliden Basis gelingt es, den ab zung wird zu spät angefragt, „Menscheleien“ Herbst 2015 einsetzenden hohen Zuzug an erschweren das Tun. Geflüchteten gut zu bewältigen. Als dann im Seit 2015 schufen der Landkreis und die Sommer 2015 der große Flüchtlingszustrom in Wohlfahrtsverbände weitere Asylsozialstellen. Bayern eintraf, kam es im Landkreis Roth kaum Die Versorgung durch Asylsozialarbeit wurde zu großen Schwierigkeiten. dadurch flächendeckender. Gemeinden stellten nach deutlichen Appel- Dabei mussten die neuen Hauptamtlichen len seitens des Landrates dezentrale Unterkünfte mit den schon erfahrenen Ehrenamtlichen erst zur Verfügung. Die Grundlage der Verteilung zueinander kommen. Zum Beispiel fanden neu bildete der Königsteiner Schlüssel, es musste eingestellte Sozialarbeiter erfahrene Ehrenamt- keine Turnhalle umfunktioniert werden. Die liche vor, die sich vieles erarbeitet hatten und Asylbewerber wurden durch die bestehenden nun übernommene Aufgaben nicht mehr an Helferkreise relativ gut aufgefangen. Profis abgeben mochten oder sich durch die Viele Ehrenamtliche waren bereits erfahren Hauptamtlichen „gegängelt“ fühlten. und können mit der Situation gut umgehen. Weitere engagierte Personen kommen dazu. Die Helferkreise wachsen. Dennoch kamen die Ehrenamtlichen mitun- ter an ihre Grenzen. Die Zusammenarbeit mit Seit 2015 riefen der Landkreis und die Wohl- den hauptamtlichen Asylsozialberatern funk- fahrtsverbände weitere ASYLSOZIALSTELLEN tionierte nicht immer optimal. Der Landkreis ins Leben. reagierte auf die mangelnde Unterstützung der Helferinnen und Helfer. Im November 2015 be- schloss der Ausschuss „Seniorenarbeit, soziale Angelegenheiten, Inklusion“ auf Vorschlag von Landrat Herbert Eckstein und Vorbereitung

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durch „Für einander“ die Bereitstellung von Strategische Aufgabenteilung am Beispiel des 90.000 Euro zu Schaffung von 450-Euro-Stellen Asylkreises Schwanstetten zur Unterstützung der Asylhelferkreise in den Vieles in diesem sich über mehrere Jahre er- Kommunen. Umsetzung und Begleitung liegt streckenden Aufbauprozess entstand nebenher, bei „Für einander“ . Berechnungsgrundlage: Pro es gab Phasen der langsamen Entwicklung, be- hundert dezentral untergebrachten Asylbewer- vor sich die Ereignisse turbulent überschlugen. bern wird eine 450-Euro-Stelle finanziert. Bei Vieles war learning by doing, aber insbesonde- weniger bzw. mehr Asylbewerbern wird dies re hoch kompetente Ehrenamtliche, die zum prozentual angepasst. Teil als professionelle Organisationsberater auf langjährige berufliche Erfahrung zurückgreifen

konnten, haben hier Großartiges geleistet. 2015 wurden zur Unterstützung der Asyl- Ein Beispiel ist der Asylhelferkreis Schwan- helferkreise 450-EURO-STELLEN geschaffen. stetten im Norden des Landkreises Roth. Als die ersten Geflüchteten dort untergebracht wurden, Als zentraler Erfolgsfaktor hat sich die profes- hat man umgehend einen Informationsleitfaden sionelle Ehrenamtsbegleitung von „Für einan- entwickelt, der die wichtigsten Kontakte und der“ im Verbund mit den eingerichteten Stellen Orte in der Gemeinde aufzeigte: in jeder Gemeinde etabliert. Was ist das Auf- gabenprofil dieser Ehrenamtsunterstützung? „Für einander“ und die kommunalen Unter- stützer/innen der Asylhelferkreise: ∙ sind Ansprechpartner für Ehrenamtliche im Tätigkeitsfeld Asyl; ∙ geben Infos zu Versicherungen, rechtlichen Fragestellungen, aktuellen Entwicklungen, geben Handreichungen heraus; ∙ führen Engagement-Beratungen durch und vermitteln Ehrenamtliche in passende Ein- satzbereiche; ∙ bieten fortlaufende Unterstützung und Be- gleitung der Ehrenamtlichen; in Schwanstetten! ∙ sind Ansprechpartner für Ehrenamtliche und deren Problemlagen; Wir sind eine kleine Gemeinde mit rund ∙ organisieren Netzwerkveranstaltungen zum 7.400 Einwohnern, die ca. 15 km südlich von Nürn- Austausch der aktiven Helferinnen und Hel- berg liegt. Schwanstetten gehört zum Landkreis Roth, fer; Mittelfranken, in Bayern und hat ∙ verfügen über eine umfassende Adressendatei mehrere Ortsteile. Die beiden größten sind Leer- der engagierten Ehrenamtlichen und leiten stetten und Schwand. relevante Informationen weiter. Derzeit sind Hiermit wollen wir Ihnen einige erste Informa- bei „Für einander“ rund 560 aktive Ehren- tionen geben, um Ihnen das Einleben in unserer amtliche im Bereich Asyl erfasst. Darüber Gemeinde zu erleichtern. hinaus sind jedoch noch weitere Menschen aktiv, die bisher noch nicht erfasst werden konnten; Ehrenamtliche Helfer ∙ begleiten Kooperationsprojekte wie zum In Schwanstetten gibt es Beispiel „PFiF – Projekt Frauen integrieren einen Helferkreis, der sich Frauen“ (Partner Gesundheitsamt, Zonta- um die Asylbewerber küm- Club, „Für einander“ ) oder „Kultur baut mert. Alle Helfer arbeiten Brücken“ (Rotarier, priv. Unternehmen, „Für ehrenamtlich ohne Bezahlung einander“ ). in ihrer Freizeit.

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Wir versuchen für Sie eine Person (Helfer) zu Allgemeinärzte in Schwanstetten: finden, der Sie bei Fragen und Problemen unter- ∙ Dr. Ute Haldenwang-Müller, Schwand, stützt. Diese Person ist Ihr Ansprechpartner für die Sägerhof 11, Tel. 09170 / 947380 vielen Fragen, die Sie besonders am Anfang haben ∙ Thomas Hollweck, Schwand, Nürnberger Str. 33, werden. Tel. 09170 / 1808 Ehrenamtliche Helfer bieten ihre Hilfe freiwillig ∙ Dr. Hans-Georg Kraetsch / Dr. Marcus Häusler, an. Sie sind nicht verpflichtet zu helfen. Deshalb Leerstetten, Karl-Burkert-Str. 3, besteht kein Anspruch auf Hilfe. Tel. 09170 / 97570

∙ Matthias Pallmer, Leerstetten,

Brunnenstr. 10, Tel. 09170 / 7011 Gemeinde Schwanstetten / Landratsamt Roth Die Notfallaufnahmen der Krankenhäuser in Roth Zuständig für die meisten Verwaltungsangele- und Schwabach können bei echten Notfällen auch genheiten ist das Landratsamt in Roth, Weinberg- ohne Krankenschein besucht werden. weg 1.

Daneben gibt es auch Vorgänge wie die An- meldung beim Einwohnermeldeamt, die von der Notfälle Gemeinde Schwanstetten, Rathausplatz 1, erledigt werden. Ansprechpartnerin für alle Angelegenhei- ‹ In allen Fällen sind Angaben ten mit der Gemeinde ist Frau Dößel, Zimmer 3, darüber zu machen, was pas- Tel. 09170 / 28927. siert ist, wo es passiert ist und wer beteiligt ist. ‹ Bei lebensbedrohenden Krankheiten oder Unfällen Geld ist die Nummer 112 (ohne Vorwahl) zu wählen. Ihr Geld erhalten Sie vom Landratsamt Roth. ‹ Dieselbe Nummer 112 ist auch bei einem Feuer Damit Sie nicht jeden Monat nach Roth fahren müs- zu wählen. sen, um Ihr Geld abzuholen, ist es sinnvoll, ein Kon- ‹ Die Polizei ist unter der Rufnummer 110 (ohne to bei der Sparkasse einzurichten. Vorwahl) zu erreichen. In Leerstetten ist eine Sparkasse mit Geldauto- mat in der Further Straße 13, in Schwand ist ein Geldautomat in der Nürnberger Straße (auf Höhe Apotheken Hausnummer 35). ∙ Brunnen-Apotheke Leerstetten, Brunnenstr. 8, Tel. 09170 / 7274 ∙ Apotheke im Kaufland, Großschwarzenlohe, Arztbesuche Rother Str. 1 B, Tel. 09129 / 907884 Für Arztbesuche bei All- ∙ Rangau-Apotheke, Kleinschwarzenlohe, gemeinmedizinern (Hausarzt) Rieter Str. 97, Tel. 09129 / 8848 und bei Gynäkologen können Krankenscheine jeweils für ein Quartal im Rathaus bei Frau Dößel abgeholt werden. GOLDENE REGELN FÜR IHR LEBEN IM Für Besuche bei sonsti- ASYLVERFAHREN gen Fachärzten und Zahn- Tragen Sie immer Ihr aktuelles Aufenthalts- ärzten ist eine Überweisung papier in Deutschland bei sich! des Hausarztes notwendig. Wenn Sie von der Polizei kontrolliert werden Diese Überweisung muss beim Landratsamt Roth und sich nicht ausweisen können, kann Ihnen zur Genehmigung eingereicht werden. Erst nach der das große Probleme bereiten (Strafanzeige, Genehmigung dürfen Sie einen Facharzt aufsuchen. Geldstrafe, Inhaftierung). Ohne Genehmigung müssen Sie alle Arztkosten sel- ber bezahlen.

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Öffentliche Verkehrsmittel Einkaufsmöglichkeiten Schwanstetten hat keinen Bahnhof, aber Bus- Supermärkte: verbindungen in die Nachbarstädte. Der Bus 651 ∙ Netto-Markt, Schwand , fährt nach Nürnberg , die Busse 677 und 676 nach Nürnberger Str. 24 Schwabach und der Bus 604 nach Roth . ∙ Unser Markt, Leerstetten , Sie können ein- oder zweimal pro Woche eine Ringstr. 22 Fahrkarte ausleihen, um kostenlos Bus zu fahren. Diese Karte heißt MobiCard. Mit Ihr können bis zu ∙ Kaufland, Großschwarzenlohe , zwei Erwachsene und drei Kinder (unter 18 Jahre) Rother Str. 1 B fahren. Es ist jedoch zu beachten, dass die MobiCard erst ab 9 Uhr morgens benutzt werden darf. In Nürn- Second Hand Läden: berg kann man mit dieser Fahrkarte auch mit der ∙ Kaufhaus Wertvoll, Schwabach , Straßenbahn und der U-Bahn fahren. Einzelheiten Nürnberger Str. 13 zur Organisation erfahren Sie von Ihrem Helfer oder ∙ Die Halle, , Ziegelstr. 23-25 in der Gemeinde. ∙ Kaufhaus Regenbogen: Roth, Pfaffenhofen , Industriestr. 29 oder Roth , Ohmstr. 2

Abbildung: Organigramm

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Der Asylkreis schaffte es nicht nur, eine gute ∙ Weiterleitung von an Adressdaten Interessierten Willkommenskultur zu gestalten, sondern be- an Herrn Dr. Zessin fasste sich bald mit den dauerhafteren Bedürf- ∙ Hilfestellung beim Ausfüllen der Formulare nissen der Asylsuchenden. Hier bildete sich über ∙ Antrag Verbundpässe für Schüler die Zeit eine pragmatische Arbeitsteilung heraus. Der Vorteil ist: Jeder Ehrenamtliche ist nicht für ∙ Antrag Schülerfahrkarte durch LRA alles zuständig, das würde überfordern, sondern

übernimmt, auch gemäß eigener Vorlieben, ein Aufgaben Helferkreis allgemein umgrenztes Aufgabengebiet. Daraus entwickel- te sich ein Organigramm (s. Abb.), das sich in ∙ Verwaltung und Organisation der Fahrräder ähnliche Form auch bei den anderen Asylkrei- ∙ Verwaltung und Organisation der Sachspenden sen des Landkreises bewährt hat. ∙ Organisation von Deutschkursen für Asylbewer- Ein weiterer wichtiger Schritt war es, die ber haupt- und ehrenamtlichen Aufgaben vonein- ∙ ggf. Hilfe bei der Einrichtung der Wohnung ander abzugrenzen, um Doppelarbeit, aber ∙ Nachhilfe für Kinder auch Kompetenzüberschreitungen zu vermei- den. Dazu wurde folgendes Merkblatt für die ∙ Deutschkurse für Erwachsene Asylkreise entwickelt: ∙ Arbeitsbeschaffung ∙ Kontakt zu Sportvereinen ∙ Fahrdienste (wenn Paten nicht können) ∙ Veröffentlichungen

Aufgaben Verwaltung Aufgaben Helferkreis Paten ∙ Krankenscheine verwalten und ausgeben für All- gemeinärzte und Gynäkologen ∙ Asylbewerber bei Anmeldung im Einwohner- ∙ Liste führen über Asylbewerber meldeamt unterstützen ∙ Unterstützung beim Ausfüllen diverser Anträge ∙ Liste führen über Helfer (Antrag auf Bildung und Teilhabe, GEZ-Befrei- Verwaltung der Geldspenden / Ausstellung der ∙ ung, Fahrkarten etc.) Quittungen ∙ Passfotos anfertigen lassen ∙ Räume für Kurse zur Verfügung stellen ∙ Hilfe bei der Eröffnung eines Bankkontos MobiCards für Asylbewerber beschaffen ∙ ∙ Hilfe bei Problemlösung (z. B. Rechnungen be- ∙ falls Asylbewerber keine Leistung erhalten hat, zahlen, Briefe lesen oder schreiben, …) Rücksprache mit dem Landratsamt ∙ Anmeldung der Kinder in Schulen oder Kinder- ∙ Aufenthaltsgestattungen an Landratsamt senden gärten zur Verlängerung (wenn diese zu uns gebracht ∙ Fahrdienste wird) ∙ Krankenscheine für Fachärzte besorgen ∙ Flyer gestalten, verwalten und drucken lassen ∙ Schul- und Kindergartenplätze organisieren ∙ Anträge auf Mitgliedschaft an FUBE weiterleiten ∙ Antrag auf Zuschuss bei der Lagfa stellen (Geld für ehrenamtlichen Deutschunterricht) Mit diesen klärenden Maßnahmen konnte für die Zusammenarbeit von Ehrenamt und ∙ Verschwiegenheitserklärung Hauptamt eine gute Aufgabenteilung geschaf- ∙ Weiterleitung aller Unterlagen an das Landrats- fen werden, die sicher über die nächsten Jahre amt über die Amtspost weiterentwickelt werden wird. Aber die damit ∙ Weiterleitung aller Informationen per Mail von gegebene Sicherheit sorgt dafür, dass die Ehren- FUBE, Landratsamt etc. amtlichen „bei der Stange bleiben“.

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„Mitmischen“ – 1. Gewinnung von Ansprechpartnerinnen Aktivierung von Migrantenorganisationen und Ansprechpartnern mit Migrationshinter- Es gibt viele weitere Aspekte der Integrati- grund in den Gemeinden, die als „Tür-öffner“, onsarbeit im Landkreis Roth. Dazu gehört die „Netzwerker“ und „Wissensträger“ vor Ort Öffnung sozialer Träger für die systematische agieren. Zusammenarbeit mit Ehrenamtlichen, etwa in 2. Beratung und Coaching von Vereinen zur Bildungs- oder Jobpatenschaften. Ein weiterer „Interkulturellen Öffnung“ ihrer Institutionen. Aspekt ist die Aktivierung des Engagements 3. Gewinnung und Ansprache von Jugend- von Menschen mit Migrationshintergrund für lichen mit Migrationshintergrund für freiwilli- ehrenamtliche Mitarbeit. Diese sind aufgrund ges Engagement über Netzwerkpartner wie den ihrer eigenen Biografie besonders hilfreiche Kreisjugendring und die Jugendbeauftragten in Brückenbauer für die Neuankömmlinge. Um den Gemeinden. Unterstützung beim Aufbau diese Belange bemüht sich das vom Bundesamt von Projekten vor Ort. für Migration und Flüchtlinge geförderte Projekt 4. Öffnung von Kindertagesstätten für frei- „Mitmischen im Landkreis Roth – Menschen mit williges Engagement von Menschen mit Migra- Zuwanderungsgeschichte engagieren sich.“ tionshintergrund. Kitas können attraktive Ein- satzorte für das Ehrenamt sein, in denen man

sich vielfältig einbringen kann.

5. Aufbau und Etablierung eines Integrati-

onsbeirats für den Landkreis. Zur Integrationsarbeit gehört auch die 6. Öffentlichkeitsarbeit, insbesondere durch Aktivierung des Engagements von Menschen die Veröffentlichung von „guten Beispielen“ mit MIGRATIONSHINTERGRUND . des Engagements von Migranten in der regio-

nalen Presse und den Internetseiten der Ge-

meinden.

Bei der Befragung bereits aktiver Zuwanderer zeigte sich, dass ihre Motivation, sich für Flücht- „Engagement“ gibt es in allen „Kulturen“. linge und Asylsuchende im Landkreis einzuset- Aber es wird unterschiedlich bezeichnet, unter- zen, sehr hoch ist. Sie möchten ihre persönli- schiedlich verstanden und unterschiedlich ge- chen Erfahrungen einbringen, damit sich diese lebt. Migranten, Migrantinnen und Migranten- in Deutschland wohl fühlen und ihre Integration vereine nehmen Angebote, die das Ehrenamt gelingt. und das Bürgerschaftliche Engagement fördern – Bei der Bedarfserhebung in den Kommunen wie zum Beispiel Beratung und Fortbildungen stellte sich heraus, dass in mehreren Gemein- durch Freiwilligenagenturen oder finanzielle den ein konkreter Bedarf an einem offenen, Förderung von sozialen und kulturellen Projek- niederschwelligen Sportangebot für Menschen ten –, noch zu wenig wahr. mit Migrationshintergrund, insbesondere für Aufgabe des Projekts „Mitmischen“ ist es, das Asylsuchende, bestand. Engagement von ihnen umfassend und nach- Auch wenn der Sport im Verein grundsätz- haltig zu unterstützen, indem zusammen mit lich eine hohe integrative Kraft hat, erreicht er kommunalen und zivilgesellschaftlichen Akteu- insbesondere in ländlichen Strukturen nicht im- ren modellhaft Maßnahmen und Aktivitäten mer und nicht auf allen Ebenen Menschen mit entwickelt werden. Zusätzlich soll die inter- Migrationshintergrund. Dies liegt oft auch an kulturelle Öffnung bestehender Angebote und den Vereinen, die sich mit ihren Angeboten und Strukturen im Bereich des Bürgerschaftlichen ihrer Öffentlichkeitsarbeit noch nicht auf diese Engagements unterstützt werden. Zielgruppe eingestellt haben. Mit Unterstützung Nach umfassenden Experteninterviews und des Projekts „Miteinander leben – Ehrenamt ver- der Vorstellung der Projektidee in den Gemein- bindet Integration durch Engagement“ der lagfa den und Kommunen des Landkreises wurden Bayern e.V. konnten im Landkreis fünf Sport- folgende Zielrichtungen erarbeitet: vereine gewonnen werden, die mit qualifizierten

ARGUMENTE UND MATERIALIEN ZUM ZEITGESCHEHEN 106 61 ALINE LIEBENBERG / THOMAS RÖBKE / ANNE THÜMMLER

Übungsleitern ein offenes Angebot bereitstellen. sich für eine friedliche Integration einsetzt. Auch Vier der fünf Übungsleiter haben selbst Migra- wenn die geflüchteten Menschen irgendwann tionshintergrund. Drei von ihnen sind Asylsu- wieder zurückkehren sollten in ihre jetzt von chende mit Anerkennung oder Duldung. Krieg und Zerstörung gezeichneten Städte, es Die Ziele der Förderung der sozialen Inte- wird Zeit dauern, und diese Zeit werden sie gration stellen sich beim Sporttreiben jedoch hier verbringen. Sie soll nicht sinnlos verstrei- nicht automatisch ein. Zur Aktivierung dieser chen. Integration, auch Integration auf Zeit, ist Potenziale ist es erforderlich, Sportaktivitäten das Gebot der Stunde. Und die Ehrenamtlichen pädagogisch so zu arrangieren, dass integrative werden in diesem Prozess eine Hauptrolle spie- Prozesse initiiert und integrative Erfahrungen len: als Paten, als Vereinsvorstände, als Eltern- vermittelt werden können. Deshalb werden die beiräte in Schulen und Kindertagesstätten, als Vereine und ihre Übungsleiter fachlich beraten, Aktive in Kulturinitiativen, die zum Beispiel ge- wie sie sich interkulturell öffnen können bzw. flüchteten Menschen Raum bieten, ihre Kultur welche spezifischen Angebote sinnvoll sind. weiterhin zu pflegen und uns verständlich zu machen. Wohin wird die Reise gehen? Hoffentlich FAZIT UND AUSBLICK tritt eine gewisse Normalisierung ein, die auch Natürlich war im letzten Jahr vieles, gleich- die langwierige Arbeit der Integration erleich- sam im Blindflug, erkundet worden. Natürlich tern kann. Integration aber, darauf hat jüngst weiß man heute mehr um die Bedingungen der renommierte Historiker Jürgen Kocka hin- gelingender Kooperation zwischen Haupt- und gewiesen, ist nicht mit Flüchtlingsarbeit de- Ehrenamt. Aber man weiß es nur aus den vie- ckungsgleich. 5 In den letzten Jahren kamen die len positiven wie negativen Erfahrungen eines meisten Menschen aus ganz anderen Regionen learning by doing. Diese so unterschiedlich ver- und Ländern zu uns – aus Polen, Rumänien, laufenen Prozesse vor Ort zeigen auch, das jede Bulgarien, Spanien und Griechenland. Dass Region, jeder Landkreis und jede Stadt, trotz auch hier Integration wichtig ist, müssen wir der oben dargestellten übergreifenden Struktur- wieder sichtbar machen, um nicht in die Fehler empfehlungen 3 je seine eigenen Ansatzpunkte der ersten Gastarbeiterzeiten der 1960er- und und Herausforderungen bietet. Mittlerweile gibt 1970er-Jahre zurückzufallen. Das ist unter den es beeindruckende Sammlungen von guten Bei- aktuellen Ereignissen in den Hintergrund geraten. spielen (z. B. BBE) 4, die zeigen, wie vielfältig Deshalb ist es das aktuelle Anliegen im Land- die lokalen Projekte und die Allianzen sind: Da kreis Roth, einen Integrationsbeirat zu etablie- kooperieren Weltkonzerne mit kleinen lokalen ren, der diesen verschiedenen Gruppen auch Flüchtlingshelferkreisen, um beispielsweise eine hörbare Stimme verleiht. Integration muss eine Flüchtlings-App zu entwickeln. Ehrenamt- auch politische Partizipation umfassen. liche Patenschaftsinitiativen, die schon seit Jah- ren existieren, erweitern ihr Tätigkeitsfeld, um Flüchtlinge zu integrieren; Angestellte von Kom- munalverwaltungen arbeiten am Wochenende ehrenamtlich weiter, weil sie die unendliche „Der MENSCHLICHE Kontakt ist das beste Hilfsbedürftigkeit in dieser akuten Situation Mittel gegen Angst und Hass.“ nicht zur Ruhe kommen lässt. Und dann zeigt sich, dass die ehrenamtlichen Flüchtlingshelferkreise nicht nur für die Flücht- linge unentbehrlich sind, sondern auch ein wichtiger Stabilisierungsfaktor kommunaler De- mokratie sein können. Sie setzen Zeichen für Das Bürgerschaftliche Engagement bleibt in Mitmenschlichkeit, auch gegenüber Anfeindun- diesem Prozess unverzichtbar. Zum Schluss sei gen und aggressiven Übergriffen. Sie machen nochmals Kocka zitiert: „Falls diese Herkules- deutlich, dass die Mehrheit der Bürger in Bayern Aufgabe ohne die Entstehung eines neuen Sub-

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Proletariats und ohne abgehängte neue Parallel- ANMERKUNGEN gesellschaften überhaupt gelingen kann, dann 1 nicht ohne intensives Bürgerschaftliches Engage- Gesemann, Frank / Roth, Roland: Kommunale ment. [...] Dies zeigen die jüngsten Erfahrungen Flüchtlings- und Integrationspolitik. Ergebnisse ei- ner Umfrage in Städten, Landkreisen und Gemein- und die darüber entstehenden Studien eindeu- den. Zeitraum der Befragung 25. Januar bis 5. März tig. Es ist der persönliche Kontakt, die indivi- 2016, hrsg. vom DESI – Institut für Demokratische duelle Nachhilfe beim Lernen, die passgerechte Entwicklung und Soziale Integration, Berlin 2016, Unterstützung bei der Einführung in die Nach- http://www.desi-sozialforschung-berlin.de/, Stand: barschaft, das Mitgehen zur Behörde, der direk- 6.10.2016. te Rat, die menschliche Zuwendung, die auch 2 Hamann, Ulrike / Karakayali, Serhat / Wallis, Mira / psychologisch, kulturell und sozialmoralisch Höfer, Leif: Koordinationsmodelle und Herausfor- zwar nicht Angleichung, aber Integration be- derungen ehrenamtlicher Flüchtlingshilfe in den Kommunen. Qualitative Studie des Berliner Instituts werkstelligen können – zum beiderseitigen für empirische Integrations- und Migrationsforschung Nutzen. Der dadurch entstehende menschliche an der Humboldt-Universität Berlin im Auftrag der Kontakt ist auch das beste Mittel gegen Angst Bertelsmann Stiftung 2016, https://www.bertels und Hass und ein Beitrag zum Abbau von Ste- mann-stiftung.de/fileadmin/files/BSt/Publikationen/ reotypen.“ 6 GrauePublikationen/Koordinationsmodelle_und_ Herausforderungen_ehrenamtlicher_Fluechtlings hilfe_in_den_Kommunen.pdf, Stand: 6.10.2016. || ALINE LIEBENBERG 3 Ebd. Mitarbeiterin des Landesnetzwerkes 4 Bürgerschaftliches Engagement Bayern e.V., Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement BBE Nürnberg (Hrsg.): Engagement macht stark. Thema Integra- tion und Engagement, Sonderausgabe 2/2016, Berlin 2016. || DR. THOMAS RÖBKE 5 Kocka, Jürgen: Flüchtlingskrise und Bürgerschaftli- Geschäftsführer des Landesnetzwerkes ches Engagement. Chancen und Grenzen. Vortrag, Bürgerschaftliches Engagement Bayern e.V., gehalten zur Auftaktveranstaltung der Woche des Nürnberg Bürgerschaftlichen Engagements am 16.9.2016 in Berlin, http://www.engagement-macht-stark.de/pres || ANNE THÜMMLER se/detailansicht/artikel/stolz-und-sorge-die-zivilge Landratsamt Roth, „Für einander“ – Kontaktstelle sellschaft-in-der-fluechtlingskrise/, Stand: 6.10.2016. Bürger-Engagement Landkreis Roth 6 Ebd.

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