Aufsätze Zur Ökonomisierung Der Bildung

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Aufsätze Zur Ökonomisierung Der Bildung AUFSÄTZE ZUR ÖKONOMISIERUNG DER BILDUNG AUFSÄTZE ZUR ÖKONOMISIERUNG DER BILDUNG AStA der Universität Münster Impressum Herausgeber: AStA der Uni Münster Konzept, Textauswahl & Lektorat: Michael Heidemann Layout, Satz, Bilder: Johann Edelmann Druck: AStA-Druckerei, Schlossplatz 1, 48149 Münster Auflage: 300 Erscheinungsdatum: Dezember 2015 3. überarbeitete und aktualisierte Auflage Alle Angaben ohne Gewähr. Dieser Reader ist kostenlos. Für den Inhalt der Websites von sämtlichen angeführten Links sind aus- schließlich die Betreiber*innen der jeweiligen Seite verantwortlich. Alle Angaben beziehen sich auf den Stand von Dezember 2015. Inhalt Seite 6 - einleitende Worte Seite 36 - Aaron Ringelnatz Seite 10 - Tobias Fabinger Zur äußeren und inneren Unterminie- rung der Autonomie der Universität Der Geist als Ware – die Ökonomisierung der Hochschul- Seite 44 - Burkhard Wiebel strukturen und ihre Tendenz zur & Maximilian Schell Produktion von „Halbbildung“ Mögliche Folgen von Bologna Seite 16 - Gerhard Stapelfeldt aus psychologischer Perspektive Kritik der neoliberalen Seite 48 - Michael Heidemann Zerstörung der Universität! Immer schön pragmatisch bleiben Seite 26 - Christian Thein Seite 54 - Andreas Hellgermann Die „beschleunigte Bildung“ – Tendenzen und Folgen der Anmerkungen zum schwierigen Ökonomisierung, Technokratisierung Gebrauch des Kompetenzbegriffs. und Standardisierung von Bildung Ein Streifzug durch Bildung und Ökonomie Seite 30 - Michael Städtler Seite 63 - Glossar Angst. Hochschuldidaktische Beobachtungen und Überlegungen Einleitende Worte zur zweiten und dritten Auflage Der Faktor Mensch – Von unschätzbarem Wert für Unternehmen! Effektives Selbstmarketing für Berufseinsteiger/innen Mentale Stärke - gut sein, wenn es darauf ankommt Karriere-Killer Facebook? Die Online-Reputation aktiv gestalten Ziele formulieren, Ziele angehen, Ziele erreichen: Der Weg zum Selbstmanagement 6 ünf Blockseminare, die im Rahmen der installiert, um „schlankere“ und „effizientere“ Allgemeinen Studien der Universität Strukturen zu schaffen. Vorangetrieben wur- Münster im Wintersemester 2013/2014 den die Hochschulreformen auch durch eine angeboten wurden. Fünf Blocksemi- jahrelang praktizierte Lobbyarbeit einschlä- Fnare, die zeigen, warum es dringend ange- gig bekannter privater Akteure wie etwa bracht erscheint, die fortschreitende Ökono- der Bertelsmann Stiftung. Bestimmt wird misierung der Bildung mit entsprechenden das Studium nach Bologna durch Verschu- aktuellen Analysen zu kritisieren. Der AStA lung und Modularisierung der Lehre, hohen der Uni Münster möchte deshalb mit dieser Prüfungsdruck, verkürzte Regelstudienzei- Publikation einen bescheidenen Beitrag zur ten, Auswendiglernen und Wieder-Verges- Analyse der Hochschulen im neoliberalen sen, Dauerstress. Der wissenschaftliche An- Kapitalismus des 21. Jahrhunderts leisten. spruch schwindet rapide, wird aber auch gar Welche Rolle spielt „der Faktor Mensch“ denn nicht mehr gefordert, da zu zeitraubend und heute eigentlich in der Hochschulbildung? dem Zweck des schnellen Studienabschlus- Was bedeutet „effektives Selbstmarketing“ ses hinderlich. und wann genau kommt es darauf an „men- tale Stärke“ zu zeigen? Die oben aufgeführ- Der vorliegende Reader versammelt kriti- ten Titel von Blockseminaren zeigen dan- sche Aufsätze zur Ökonomisierung der Bil- kenswerterweise sehr treffend, wie sich die dung. Diese kann letztlich nur verstanden Akzente in der Bildung verschoben haben. werden, wenn sie im größeren Kontext der Und das gilt übrigens nicht nur für die Uni- Ökonomisierung aller Lebensbereiche und versitäten, sondern auch für die Schulen. Im der Durchsetzung des Warenprinzips auf Mittelpunkt steht die „Berufsorientierung“. universeller Ebene begriffen wird. Neben Ehrlicher könnte gesagt werden: die Verwer- Beiträgen mit einführendem Charakter zum tung auf dem Arbeitsmarkt. Hochschulen Begriff der Bildung und den Implikationen erfüllen in der „sozialen Marktwirtschaft“ der Bologna-Reformen beinhaltet die vor- einen simplen Zweck. Sie sollen den Unter- liegende Textsammlung auch speziellere Ar- nehmen top ausgebildete Absolvent*innen tikel zur Ideologie des Neoliberalismus, zur schmieden und als derlei Ausbildungsstät- Hochschuldidaktik, zur Autonomie des kriti- ten international in höchstem Maße wettbe- schen Gedankens, zu psychosozialen Folgen werbsfähig sein. Da Wissen und „Knowhow“ der Hochschulreformen, zur Schwierigkeit als Humankapital im globalen Wettbewerb des Kompetenzbegriffs sowie ein Glossar immer wichtiger wird, gilt Bildung in kapita- mit Grundbegriffen, die im Zusammenhang listisch hochentwickelten Ländern und so- mit der „unternehmerischen Hochschule“ genannten „Wissensgesellschaften“ längst immer wieder fallen. Auch die Umstrukturie- als wesentlicher Standortfaktor. rungen im Bereich der Schulbildung werden Ausdruck fand diese Entwicklung in weitrei- thematisiert. chenden Umstrukturierungsmaßnahmen im Hochschulbetrieb, aber auch in den Schu- Ziel dieser Publikation ist es, die Erinnerung len. Im Zuge des Bologna-Prozesses kam an die Möglichkeit einer emanzipatorischen es an den Universitäten zur Einführung eu- Bildung, also einer Bildung im emphatischen ropaweit vergleichbarer Studienabschlüsse Sinne, zu bewahren. Denn wer sollte heute (Bachelor und Master). Befördert durch die noch auf die Idee kommen, dass Bildung et- Umstellung der öffentlichen Verwaltungs- was mit Befreiung zu tun haben könnte? Ein struktur auf das sogenannte New Public Ma- solcher Schluss ist im derzeitigen Uni-Alltag nagement wurden Hochschulräte nach Vor- alles andere als nahegelegt. In der gleich- bild der unternehmerischen Aufsichtsräte gültigen Monotonie der Uni-Lehre kommt 7 nur ein Bedürfnis zum Ausdruck: Anpassung Gelder für die Ermöglichung dreier Studen- an den ewig sich wiederholenden Verwer- tischer Seminare abzutrotzen. Nach dem tungszwang, Anpassung an Wettbewerb Vorbild der Autonomen Tutorien in Frank- und Marktbedingungen. Die Apologeten furt/Main haben Studierende damit ab dem der bürgerlichen Gesellschaft verkünden Wintersemester 2013/2014 die Möglichkeit stolz das Ende der Geschichte (Fukuya- selbstorganisierte Seminare anzubieten. Die ma) und werden zunächst einmal bestätigt Auswahl der eingereichten Bewerbungen durch die rasante Etablierung kapitalisti- wird von den Fachschaften selbst getrof- scher Verkehrsformen im globalen Maßstab. fen. Erwünscht sind nur Seminare, die sich Angesichts dessen scheint es keinen Platz im Unterschied zu gewöhnlichen Uni-Semi- mehr zu geben für groß angelegte Utopien. naren kritisch mit ihrem Gegenstand aus- Die Universitäten wären zwar als Bildungs- einandersetzen, also nicht affirmativ sind. anstalten diejenigen Orte, an denen eine Möge die Initiative der Fachschaften Sozio- kritische Reflexion über die menschlichen logie und Politikwissenschaft dazu führen, Lebensbedingungen in kollektiver Wei- dass kritische Bildung zumindest auf diesem se stattfinden könnte. Doch sie selbst sind Wege noch einen Platz an der Uni behält, voll und ganz vom Warenprinzip und vom gleichwohl die Studentischen Seminare na- Wettbewerbszwang durchdrungen. Über türlich auch ihren Anteil zur Reproduktion die verstellten Möglichkeiten kritischer Bil- universitärer - und damit immer zugleich dung aufzuklären, ist somit Anliegen dieser auch defizitärer - Bildungsvermittlung bei- Aufsatzsammlung. tragen werden. Vielleicht schließen sich ja Zumindest eine Neuerung lässt aufhorchen: sogar weitere Fachschaften in den kommen- den Fachschaften Soziologie und Politikwis- den Semestern diesem Projekt an. senschaft ist es gelungen, ihrem Fachbereich 8 Hinweis: Einige Texte in diesem Reader sind in geschlechtsneutraler Sprache formuliert. Ausdrücke, die eine klare Zuordnung zum männlichen Geschlecht unterstellen, wur- den in diesen Fällen um die weibliche Form ergänzt. Die Wahl einer geschlechtsneutra- len Sprache stand jedoch allen Autor*innen frei. 9 Der Geist als Ware Die Ökonomisierung der Hochschulstrukturen und ihre Tendenz zur Produktion von „Halbbildung“ von Tobias Fabinger 10 ine Grundfrage der Universität ist, hat seinen Preis: Dieser „warenförmige“ Mo- ob ein Studium zu einer fachwissen- dus von Bildung wird laut Adorno zu „Halb- schaftlichen Qualifikation führen soll, bildung“. Seine zentrale Definition lautet: Eoder ob darüber hinaus auch das ver- „Im Klima der Halbbildung überdauern die mittelt wird, was man in einer schon lange warenhaft verdinglichten Sachgehalte von bestehenden pädagogischen Tradition als Bildung auf Kosten ihres Wahrheitsgehalts Bildung bezeichnet. und ihrer lebendigen Beziehung zu leben- digen Subjekten.“ (Adorno 1959, S. 104) Zunächst soll geklärt werden, in welchen Adorno drückt mit dieser Analyse auch das allgemeinen gesellschaftlichen Rahmenbe- Verhältnis aus, welches die Subjekte zu den dingungen sich Bildung überhaupt vollzieht, Bildungsstoffen haben. Der Inhalt der Bil- denn auch die Bildungsprozesse an der Uni- dung wird für die Subjekte nicht wirklich versität sind nicht unbeeinflusst von gesell- relevant, sie können keine lebendige Bezie- schaftlichen Prozessen, die ohnehin in einer hung zu den Stoffen aufbauen und sehen marktökonomisch geprägten Gesellschafts- vor allem keine Verbindung zu ihrer Umwelt form ablaufen. Als erster Zugang eignet sich und zu gesellschaftlichen Fragen. Der Ge- für diese Analyse die Theorie der Halbbil- halt der Bildung ist in der warenförmigen dung von Theodor W. Adorno. Kunstwelt von praktischen Adorno steht in Marx’scher Tradi- Der erhöhte Fragen abgespalten und tion und sieht den Warentausch kann somit
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