Die Stadtbefestigung Von Zell Am Harmersbach, Kreis Wolfach
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Martin Hesselbacher: Die Stadtbefestigung von Zell am Harmersbach, Kreis Wolfach Maßnahmen zu ihrer Erhaltung „Auf Grund eines alarmierenden Telefonanrufs von Dies war das letzte Stadium der Befestigung am Aus- Kreisdenkmalpfleger Oberbaurat a. D. Schmider haben gang des Mittelalters, als die Entwicklung der Kriegs- wir noch am Abend des 14. März 1963 die Stadtmauer technik im Wechselspiel zwischen Angriff und Vertei- in Zell a. H. besichtigt. Sie ist am Tage zuvor auf etwa digung eine solche Sicherung bedingte. Von der Erbau- 10 Meter Länge und in ihrer ganzen Höhe von 8 Me- ung ist uns urkundlich nur ein Datum überliefert: Im tern eingestürzt. Die Reste des Wehrgangs hängen Jahre 1330 verleiht Kaiser Ludwig der Bayer dem Rat hoch oben frei in der Luft und sind jetzt notdürftig und den Bürgern von Zell die besondere Gnade, „also abgestützt. Personen sind nicht zu Schaden gekommen. daz sie einnemen den zol und daz ungelt in derselben Es hat nun gar keinen Sinn, die Schuldfrage zu unter- stat von unserer fraven tag als sie zu himel fur vier suchen und damit auch abzuklären, wer kostenpflich- gantze jar und sullen auch daz selb an ir stat ver- tig ist. Die Mauer führt an dieser Stelle über ein pri- pauen". vates Grundstück. Die Staatliche Denkmalpflege muß unbedingt verlangen, daß die Mauer sofort wieder auf- Der ortsunkundige Besucher wird zunächst glauben, gebaut wird. Sie ist die einzige Stadtmauer in Südba- außer dem „Storchenturm" und dem „Hirschenturm" den, die bisher noch auf einer Strecke von über 60 keine Uberreste der Zeller Stadtbefestigung mehr vor- Metern in voller Höhe erhalten und mit überdachtem zufinden. Doch wird ihm ein aufmerksamer Gang Wehrgang und Schießscharten ausgestattet ist . ." durch die Altstadt interessante Entdeckungen besche- ren. So umzieht die heutige „Grabenstraße" die süd- liche Hälfte des historischen Stadtkerns. Ihr Name er- Mit diesen nicht alltäglichen Sätzen wird eine bei den innert an den jetzt verschütteten Wassergraben. Der Akten der Freiburger Außenstelle des Landesdenkmal- sie begleitende Grüngürtel — heute aus Vorgärten be- amtes befindliche Notiz eingeleitet, die ein ganzes Pro- stehend — war der Zwinger. Die Sicherungsmauer ist gramm beinhaltet. Ein Programm, das sich von der ganz verschwunden; von der Ringmauer ist ein klei- bald darauf beginnenden Wiederherstellung dieser ner Rest beim „Hirschenturm" erhalten geblieben. Die Mauer bis zu dem nach rund sechs Jahren zum Ab- Staatliche Denkmalpflege ist mit der Stadtverwaltung schluß gekommenen Wiederaufbau des schon 1904 im Gespräch über eine allmähliche Umwandlung der durch Brand zerstörten sogenannten „Hirschenturmes" Vorgärten in eine öffentliche Grünanlage, damit die- erstreckt hat. Bevor nun über diese beiden denkmal- ser historisch bedeutsame Raum erhalten bleibt und pflegerischen Maßnahmen berichtet wird, sei ein kur- das Erscheinungsbild der beiden Türme nicht gestört zes Wort auf die Bedeutung dieser Befestigungsanlage wird. verwendet. Von diesen ist der Storchenturm baugeschichtlich be- Das wegen seiner landschaftlich reizvollen Lage in ei- deutsamer (Abb. S. 21). Als ursprünglich höchster der nem der Seitentäler der Kinzig als Luftkurort bekann- fünf Stadttürme diente er als Wartturm oder „Luegins- te Städtchen Zell am Harmersbach darf sich rühmen, land". Von ihm aus konnte die in gerader Richtung länger als ein halbes Jahrtausend zu den Freien Reichs- verlaufende Südseite der Ringmauer auf über 180 Me- städten des schwäbischen Kreises im „Heiligen Römi- ter Länge überwacht werden. Massives Bruchstein- schen Reiche" gehört zu haben. Dabei hatte Zell die mauerwerk mit Quaderketten eingefaßt; aufgesetztes singuläre Eigenschaft, als die kleinste der Reichsstädte Krüppelwalmdach mit Glockenturm und Fachwerkgie- zu gelten; dies bezog sich jedoch nur auf die Größe belwänden. So zeigt sich der Storchenturm heute noch der eigentlichen Stadt und nicht auf das zu ihr gehö- als das weltliche Wahrzeichen der Stadt. Auf deren rende Territorium mit den umliegenden Ortschaften. Reichsfreiheit weisen Steinplatten mit Adlerreliefs un- Heute erinnern die Uberreste seiner Stadtbefestigung ter den Rundbogenfenstern der Nord- und Westseite an den Willen seiner Bürgerschaft, ihre Unabhängig- hin. Auf einer dem Turm landseitig vorgebauten Ram- keit zu behaupten, denn jedem Bürger war auferlegt, pe stehen als Erinnerungsmale an den Kampfesmut „die gepürende Wehr zu halten". der Zeller Bürger vier schwedische Kanonen, die 1633 in einem Gefecht beim nahegelegenen Unterenters- Von innen nach außen (Landseite) gesehen, bestand bach erbeutet wurden. diese Befestigung aus einer im Durchschnitt acht Me- ter hohen Ringmauer mit gedecktem Wehrgang und Der Storchenturm war kein eigentlicher Torturm. Er Schießscharten, dem Zwinger, einer zwei Meter hohen, hatte nur einen schmalen Durchlaß, das sogenannte als Anlaufhindernis gedachten Sicherungsmauer und „Dreibatzenloch". Das daneben liegende stattliche einem davor umlaufenden Wassergraben (Abb. S. 20). Durchfahrtstor entstammt der Zeit, als man zu Beginn 19 vCA' prAp.RK iRcHe IS wmm RlNGMAtjeR AA1T WCHRSANG ZWlNOeR s'lCHeRUNGS AAAUeR xWAS&eR ORABeN A STORCHeMTURAA B HiB,S>CHeNTUR/V\ C OBeR£& TOR D KiRCHTOR e uNre-pes tcjr x-5n „ BLOCK HAuseR" VOR De«. Hc&set BACHep. Rir^JG/VS AUER fcs«.UAR 7a ZELL AM HARMERSBACH - DIE BEFESTIGTE STADT AM AUSGANG DES MITTELAL- TERS. Oben der Stadtplan. Die Umwehrung mit Storchentuim (A), Hiischentmm (B), Obe- rem Tot IC), Kirchtor (D), Unterem Tor (E) und den sieben hölzernen Bastionen (I—VII). Un- ten das von F. Bergei gefertigte Stadtmodell (Heimatmuseum im Stoidienturm). 20 unseres Jahrhunderts eine direkte, befahrbare Verbin- dung aus der Stadtmitte zum Bahnhof schuf. Haupt- ♦ funktion des Turmes war, der Stadt als Gefängnis zu dienen. Heute noch kann man durch eine Falltüre in das acht Meter tiefe Verlies hinuntersehen, das, ohne jeden Ausgang, nur durch wenige Schartenfenster spär- lich erhellt war. In einem der Obergeschosse des Turmes ist der origi- nale Kerker erhalten, genannt „das obere Blochhaus". Die ganze Strenge mittelalterlichen Strafvollzugs, die sich teilweise bis in die Mitte des vergangenen Jahr- hunderts erhalten hat und von Heinrich Hansjakob in seiner Erzählung „Der letzte Reichsvogt" (H. Hansja- kob Schneeballen, Frbg. 1963 S. 147 ff) anschaulich ge- schildert worden ist, kommt uns zum Bewußtsein, wenn wir die beiden aus schwerem Holz zusammen- gefügten und mit stark verriegelten Schlupftüren ver- sehenen Zellen betrachten. Sie weisen kaum die Aus- maße normaler Schweineställe auf. Durch eine win- zige quadratische Öffnung wurde den Gefangenen Wasser und Brot gereicht. Zusammen mit dem Toranbau bildet der Storchenturm heute ein interessantes und vielseitiges Heimatmu- seum. Es beherbergt unter anderem ein Modell der historischen Stadtanlage, das nach der Vorlage alter Stadtansichten von dem rührigen Museumskustos Franz Berger in jahrelanger, mühseliger Arbeit zusam- mengebastelt worden und unserer besonderen Auf- merksamkeit wert ist (Abb. links). Wir sehen den von Türmen und Ringmauer gesicher- BLICK VON SÜDEN AUF DEN STORCHENTURM ten Stadtkern etwa zur Barockzeit (äußere Sicherungs- mauer und Wassergraben sind weggelassen). Unteres und oberes Tor begrenzten die Hauptstraße,- vom „Kirchtor" führte der Weg zur nördlich außerhalb der DAS UNTERE TOR VON ZELL a. H. 1879 als Verkehrs- Stadt gelegenen Pfarrkirche St. Symphorian, wobei hier hindernis abgebrochen. Ausschnitt von einem Ölgemälde. einzuflechten ist, daß die Kirche bei den meisten Städ- Privatbesitz. ten im Kinzigtalgebiet weit vor den umwehrten Ge- meinwesen lag. Das hat seinen Grund in der geschicht- lichen Entwicklung: Das Entstehen der frühen kirch- lichen Stützpunkte liegt häufig lange Zeit vor den Stadtgründungen und brauchte bei der Wahl des Ortes nicht wie diese vorrangig auch auf die strategisch-forti- fikatorische Gunst des Geländes Rücksicht zu nehmen. So auch bei Zell a. H., das seinen Namen herleitet von einer Cella, der Zelle eines Mönches oder Einsiedlers, der als Leutpriester tätig war. Die drei Tortürme wurden in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts als „Verkehrshindernisse" abgebrochen, während der südliche Ringmauerbereich den drei Großbränden zum Opfer fiel, welche Zell 1899, 1904 und 1907 heimgesucht haben. Auch der nach der Katastrophe von 1907 auf einer Länge von rund 30 Metern einigermaßen unversehrt gebliebene südwestliche Zug der Ringmauer, wie alte Fotos zei- gen, ein besonders imponierendes Stück mittelalter- licher Wehrbautechnik, fiel leider alsbald dem Ab- bruch anheim. Max Wingenroth (Die Kunstdenkmäler des Kreises Offenburg, Tübingen 1908, S. 562 ff.) beschreibt die Ringmaueranlage wie folgt: „Die Mauer war 1,20— 1,25 Meter stark, aus Bruchsteinen errichtet, teilweise durch Strebepfeiler verstärkt, an deren Ecken etwas sauberer behauene Quader sich zeigen. In ihrem obe- ren Teil war ein 1 Meter breiter Platz für den Wehrgang 21 DIE STADTMAUER VON ZELL AM HARMERSBACH Jtete kr flfioi mauer ^. mit i3?|r^ana, Bei ili!rian^ri{u)er. nfB?n"^nt?re Innerer Aufbau der Mauer mit Ärtfja^iC H9?8 überdachtem Wehrgang. Nach einer lavierten Federzeichnung von O. Linde. Um 3900, Die 1963 eingestürzte Mauerpar- tie mit der im Verband fiei übet dem Versturz hängenden hölzei- nen Konstruktion der Wehrgang- verdachung. Die wiederhergestellte Mauer. Der Durchtritt zum Wehrgang und die schmale Mauerpforte sind moderne Zugaben. 22 ausgespart, dessen Plattenbelag auf steinernen Kon- cher Denkmalpflege zu verdanken, daß aus dem ver- solen vorkragte. Das Satteldach des