SÄCHSISCHES STAATSARCHIV

Sächsisches Archivblatt Heft 1 / 2015 Inhalt

Seite

Jahresbericht Sächsisches Staatsarchiv 2014 1 Andrea Wettmann

Aus den Beständen Grundbücher in Sachsen (Teil 2: Seit 1935) 9 Roland Pfirschke

Zur audiovisuellen Überlieferung in den Abteilungen des Sächsischen Staatsarchivs (Teil 2: Chemnitz und Freiberg) 12 Stefan Gööck

Leipziger Messe – Tor zur „Daten-Welt“. Messebestände elektronisch erschlossen 14 Katrin Heil/Birgit Richter

Gießmannsdorf – verlorenes Land. Eine Geschichte zum Braunkohlebergbau 16 Bernd Scheperski

Gottfried Huppertz – Werke des „Metropolis“-Filmkomponisten ermittelt 18 Elisabeth Veit

Meldungen/Berichte „Akten – Akteure – Erinnerungen“ – Veranstaltung der BStU-Außenstelle Chemnitz zur politischen Wende von 1989 im Staatsarchiv Chemnitz 19 Raymond Plache

Lagerorte auf Knopfdruck – Einführung des AUGIAS-Archiv-Magazinmoduls im Staatsarchiv Chemnitz 20 Tobias Crabus/ Yvonne Gerlach/Raymond Plache

Wider besseres Wissen – Positionspapier des Umweltbundesamtes zur Archivierbarkeit von Recyclingpapier mit dem „Blauen Engel“ 24 Thomas Sergej Huck

Bestandserhaltung im Staatsarchiv Chemnitz – Zusammenarbeit mit der Stadtmission Chemnitz 26 Tobias Crabus/Katja Gehmlich

Sächsisches Berg- und Hüttenwesen digital 28 Angela Kugler-Kießling/Oliver Löwe

Workshop des Landesverbandes Sachsen im VdA „Auf dem Weg ins Archivportal-D“ 30 Grit Richter-Laugwitz

Rezensionen Matthias Donath, Rotgrüne Löwen. Die Familie von Schönberg in Sachsen 31 Jens Kunze

Elke Schulze, Erich Ohser alias e. o. plauen 32 Clemens Heitmann Jahresbericht Sächsisches Staatsarchiv 2014

Der umfassende Modernisierungsprozess, Jahresbericht Sächsisches Staatsarchiv 2014 der 2005 mit der Gründung des Sächsischen Staatsarchivs begonnen und mit der Been- digung der Baumaßnahmen an vier von ins- gesamt fünf Standorten 2013 einen vorläu- figen Höhepunkt gefunden hatte, wurde im Berichtsjahr mit dem Kabinettsbericht zum Unterbringungsprogramm und mit der No- vellierung des Archivgesetzes für den Freistaat Sachsen abgeschlossen.

Seit 1993 hatte sich das Gesetz, das nicht nur für das Staatsarchiv, sondern u. a. auch Informationsveranstaltung zur Novellierung des Sächsischen Archivgesetzes, v. l. n. r. Arnd Vollmer, für das Archiv des Sächsischen Landtags, die Dr. Michael Klein, Dr. Andrea Wettmann (Foto Sylvia Reinhardt) kommunalen Archive und die Archive von Hochschulen und Akademien in Sachsen mationszugang einerseits sowie Datenschutz Nicht völlig neu, aber klarer und übersicht­ die Rechtsgrundlage bildet, in der Praxis be- und Kulturgutschutz andererseits geschaffen licher gefasst sind im Gesetz auch die Rege- währt. Insbesondere die Veränderungen, die hat, stellte 2014 einen Arbeitsschwerpunkt lungen zur Benutzung von Archivgut. Dies sich aus der elektronischen Arbeitsweise der des Staatsarchivs dar. Nachdem im Gesetz betrifft insbesondere den Umgang mit perso- Verwaltung und der damit einhergehenden nun die Archivierung elektronischer Unterla- nenbezogenem Archivgut, also die Wahrung Notwendigkeit zur Sicherung der originär gen eindeutig geregelt ist, konnten erste Da- der schutzwürdigen Belange Betroffener oder elektronischen Überlieferung ergaben, mach- ten aus so genannten Fachverfahren bereits Dritter auf der einen und die Gewährung des ten jedoch eine Neufassung wesentlicher Re- in das 2013 eröffnete elektronische Staats- Zugangs nach entsprechender Einzelfallprü- gelungen erforderlich. Zu den weiteren Zielen archiv übernommen werden. Das Verfahren fung auf der anderen Seite. Durch entspre- der Modernisierung des Archivgesetzes, das der Anbietung, Bewertung und Übernahme chende Schulungen der Beschäftigten wurde am 1. Februar 2014 in Kraft trat, gehörten da- elektronischer Unterlagen, insbesondere von eine einheitliche und rechtskonforme Umset- rüber hinaus die Erleichterung des Zugangs Datenbanken, die einer ständigen Aktualisie- zung im Staatsarchiv sichergestellt. zu Archivgut, die Stärkung der kommunalen rung unterliegen, muss nach diesen ersten Archive und die Verbesserung des Schutzes Erfahrungen nun archivintern und vor allem Im Gesetzgebungsverfahren haben insbeson- von Archivgut als Kulturgut. mit den anbietungspflichtigen Behörden und dere Vertreter der kommunalen Familie darauf Gerichten im Einzelnen abgestimmt werden. hingewiesen, dass dem Staatsarchiv auch eine Die praktische Umsetzung dieser Neuerun- Erste Ergebnisse dieser praktischen Arbeit wichtige Rolle bei der Beratung nichtstaat- gen, mit denen der Gesetzgeber einen verfas- konnte das Staatsarchiv im März auf der Com- licher Archive zukommt, die ebenso für die sungskonformen Ausgleich zwischen Infor- putermesse CeBIT in Hannover präsentieren. Archivierung elektronischer und personen- bezogener Unterlagen zuständig, aber häufig nicht mit archivfachlich qualifiziertem Perso- nal ausgestattet sind. Als besonders dringlich wurde von den Kolleginnen und Kollegen eine Informationsveranstaltung für nichtstaatliche Archive zur Umsetzung des Archivgesetzes angesehen, die in Zusammenarbeit mit dem Landesverband Sachsen im Verband deut- scher Archivarinnen und Archivare e.V. (VdA) durchgeführt wurde. Auf reges Interesse bei den nichtstaatlichen Archiven stieß darüber hinaus die Fortbildungsveranstaltung des Staatsarchivs zur elektronischen Archivierung.

Im Berichtsjahr zeichnete sich jedoch ab, dass das Staatsarchiv seinen Beratungsauftrag nach § 4 Abs. 6 Sächsisches Archivgesetz (SächsArchivG) künftig nicht mehr im erfor- derlichen Umfang wird erfüllen können, denn die bereits für 2013 festgestellte Divergenz zwischen wachsenden Aufgaben einerseits und den abnehmenden Ressourcen anderer- Screenshot digitale Berechtsamskarte, Sächsisches Oberbergamt seits hat sich im Berichtsjahr weiter vergrößert.

Sächsisches Archivblatt Heft 1-2015 | 1 Personalabbau von Betroffenen der DDR-Heimerziehung, von Behörden zur Klärung offener Vermögensfra- Personal-Ist 2006 2014 in Prozent gen oder von Gerichten zur Rehabilitierung insgesamt 127,88 104,06 -18,63 und Entschädigung der Opfer des SED-Regi- * Archiv 70,56 55,88 -20,80 mes nach wie vor einen bedeutenden Anteil * Bibliothek 1,50 1,50 +/-0,00 aus. * Verwaltung 14,63 15,17 +3,69 * Magazin 20,44 14,00 -31,51 Wie eng die im Staatsarchiv verwahrten * Technische Werkstätten 15,75 12,53 -20,44 Unterlagen des Staatsapparates der DDR, * Sonstige (IuK u. AVM) 5,00 5,00 ±0,00 der Parteien, Massenorganisationen und Die Tabelle zeigt die besetzten Stellen im Personalsoll A (ohne Personal in Ausbildung) Wirtschaftsbetriebe, mit denen des Stasi- Apparates verflochten sind, davon konnte Besonders dramatisch ist der Abbau im Bereich Fachpersonals hat dazu geführt, dass selbst sich der Bundesbeauftragte für die Stasi- des Magazindienstes, der für die Übernahme, gesetzliche Kernaufgaben nicht mehr erfüllt Unterlagen Roland Jahn bei einem Besuch im Verwahrung und Bereitstellung zuständig ist werden konnten. Besonders kritisch wirkte Staatsarchiv Chemnitz ein Bild machen. Der und damit die Grundlagen für alle anderen sich dies auf den kleinsten Standort aus: das moderne Archivzweckbau war mit Blick auf archivischen Arbeiten schafft. Aber auch die Bergarchiv Freiberg musste zeitweise für die die provisorisch untergebrachte Außenstelle Reduktion des archivischen und technischen Benutzung geschlossen werden. Chemnitz der BStU der konkrete Anlass des Besuchs. Eine kleine Archivalienschau aus den Beständen der Deutschen Volkspolizei, Benutzung von Archivgut der Staatsanwaltschaften und Gerichte sowie dem berüchtigten Frauengefängnis Hoheneck 2013 2014 in Prozent machten darüber hinaus deutlich, wie wich- Benutzertage 15 624 14 446 -7,54 tig eine enge Zusammenarbeit zwischen der benutzte Archivalien 81 819 82 094 +0,34 Stasi-Unterlagenbehörde und den Archiven schriftliche Auskünfte 8 722 8 943 +2,53 der Länder bei der Aufarbeitung des SED-Un- Versendung zur amtlichen Nutzung 1 043 1 496 +43,43 rechts ist. Eine vom Bundestag eingesetzte Ausleihe für Ausstellungen 48 124 +158,33 Expertenkommission soll bis 2016 Vorschläge Scannerkopien 152 545 204 687 +34,18 zur Zukunft der BStU erarbeiten. Dann wird Duplizierung von Mikrofilmaufnahmen 281 100 613 935 +118,40 sich auch entscheiden, ob die Unterlagen ihrer auf Benutzerantrag Außenstellen Chemnitz, Dresden und Leipzig

Jahresbericht Sächsisches Staatsarchiv 2014 Staatsarchiv Sächsisches Jahresbericht weiterhin in Sachsen verbleiben. Am Beispiel der Benutzung lässt sich zeigen, kant abgenommen. Im vergangenen Jahr war dass die Schere zwischen den Ressourcen ei- jedoch in diesem Bereich – ähnlich wie bei der nerseits und den Anforderungen andererseits Versendung von Akten an Gerichte – wieder immer weiter auseinandergeht. In Folge der ein Anstieg zu verzeichnen. Dies verdeutlicht, dem Staatsarchiv verordneten Verringerung dass die Aufarbeitung des SED-Unrechts kei- der Öffnungszeiten hat sich zwar die Zahl neswegs abgeschlossen ist. Zwar beziehen der Benutzertage reduziert. Der leichte An- sich nicht alle Anfragen zur Rechtswahrung stieg der benutzten Archivalien macht jedoch auf diese Thematik – ähnlich wie in den alten deutlich, dass der Arbeitsaufwand keineswegs Bundesländern wird das Archivgut z. B. auch reduziert, sondern lediglich auf die verblie- zur Klärung bei Grundstücks- oder Nachlass­ benen vier Öffnungstage verlagert wurde. fragen benötigt. Dennoch machen Anfragen Darüber hinaus ist die Zahl der schriftlichen Auskünfte leicht, die Summe der Versendun- gen zur amtlichen Nutzung und der Auslei- hen für Ausstellungen signifikant angestiegen. Besonders deutlich haben die Scannerkopien und die Anträge zur Duplizierung von Mikro- filmaufnahmen für Benutzer zugenommen. Die rechtliche Relevanz für Gesetzgebung, Rechtsprechung, Regierung und Verwaltung Recht durch authentische oder für die Sicherung berechtigter Belange Überlieferung sichern betroffener Personen und Institutionen oder Dritter ist auch bei der Ermittlung des bleiben- Fünfundzwanzig Jahre nach der „Friedlichen den Werts von Unterlagen ein wesentliches Revolution“ von 1989/90 und dem Ende der Bewertungskriterium. Aber auch die Bedeu- DDR könnte man vermuten, dass Anfragen tung für Wissenschaft und Forschung ist bei Betroffener, die zur Klärung ihrer Rechte auf der Auswahl archivwürdiger Unterlagen zu das Archivgut zurückgreifen, kontinuierlich beachten. Im Berichtsjahr hat sich der Umfang zurückgehen. Tatsächlich haben derartige An- Dr. Andrea Wettmann, Raymond Plache und Roland der von den Behörden und Gerichten angebo- liegen seit 1990 zwischenzeitlich auch signifi- Jahn im Gespräch (Foto Andrea Uhlig) tenen Unterlagen im Vergleich zum Vorjahr

Sächsisches Archivblatt Heft 1-2015 | 2 nahezu verdoppelt. Der Anteil der übernom- menen Unterlagen liegt mit 1,7 % jedoch noch unter dem Wert von 2013. Bezieht man die Unterlagen mit ein, die nach der Erteilung von unbefristeten Vernichtungsgenehmigungen ohne nochmalige Anbietung vernichtet wer- Jahresbericht Sächsisches Staatsarchiv 2014 den können, ist die Übernahmequote sogar noch geringer und die wirtschaftliche und organisatorische Entlastung der behördlichen Registraturen durch das Staatsarchiv deutlich höher. Damit haben die Anbietungen wieder nahezu den Umfang der Zeit vor den Bau- und Umzugsmaßnahmen an den Standorten des Staatsarchivs erreicht.

Dr. Thekla Kluttig erläutert Mitgliedern des Vereins für Computergenealogie e.V. Benutzungsmöglichkeiten im Verwaltung modernisieren Staatsarchiv Leipzig (Foto Günther Junkers)

Das Staatsarchiv ist Teil einer Verwaltung, die Anzahl der Datensätze, die inzwischen Dieser Trend wurde dadurch verstärkt, dass die sich angesichts eines veränderten Kom- zur Internetrecherche zur Verfügung stehen: das Staatsarchiv zu den ersten Archiven in munikationsverhaltens der Bürger, in Folge 1,5 Mio. waren es mit Freischaltung der neu- Deutschland gehört, die ihre Erschließungs- des demografischen Wandels und der sich en Suchmaschine Sax.Archiv am 1. August informationen in dem am 24. September auf daraus ergebenden Veränderung der finan- 2014. Damit waren Informationen über etwa dem Deutschen Archivtag in Magdeburg ziellen Rahmenbedingungen in einem stän- 25 km Archivgut des Freistaates mit einem eröffneten „Archivportal-D“ zur Verfügung digen Wandlungsprozess befindet. Auf diese Klick überall erreichbar – unabhängig davon, stellen. Das Staatsarchiv ist in diesem bundes- Veränderungen gilt es einerseits zu reagieren, an welchem Standort sich die Archivalien be- weiten Online-Verbund, dem inzwischen fast andererseits bieten sie auch die Möglichkeit, finden. Darüber hinaus besitzt die Neuerung 500 Archive aus ganz Deutschland angehö- das Verwaltungshandeln aktiv mitzugestalten. auch für das Staatsarchiv selbst einen großen ren, nicht nur mit Erschließungsinformationen, Im Fokus des Staatsarchivs stehen dabei nicht Nutzen. Das Verfahren der Onlinestellung von sondern auch mit Digitalisaten präsent, die mit erst seit diesem Jahr die Archivbenutzer. Für Erschließungsinformationen hat sich deutlich Eigen- und Fördermitteln in großem Umfang sie die Recherchemöglichkeiten zu verbessern, vereinfacht – ohne große Umwege und mit erstellt wurden. Einen hohen Stellenwert in den Zugang zu den Quellen auch für Laien geringerem Personalaufwand können die diesem Zusammenhang besitzt der von der zu erleichtern und neue Benutzergruppen zu Daten nun direkt aus der Datenbank bereit- Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gewinnen, ist ein wesentliches Anliegen. gestellt werden. geförderte Produktivpilot „Digitalisierung von archivalischen Quellen“, den das Staatsarchiv Mit welchen Herausforderungen dies ver- Bereits in kürzester Zeit stellte sich heraus, im Verbund mit anderen Landesarchivverwal- bunden ist, verdeutlichen einige Eckwerte dass dieses Angebot von Benutzerinnen und tungen im Berichtsjahr fortsetzte. Ziel des aus dem Aufgabenbereich der Bereitstellung Benutzern nicht nur mit großem Interesse Projekts ist es u. a., für das deutsche Archiv- von Archivgut: Das Staatsarchiv verwahrt an aufgenommen wird. Es hat auch dazu ge- wesen Parameter für eine effiziente, die wert- seinen fünf Standorten ca. 110 km Archiv- führt, dass völlig neue Benutzergruppen aus vollen Originale schonende Digitalisierung gut unterschiedlichster Kategorien – z. B. Ur- dem In- und Ausland auf die vom Staatsarchiv verschiedener archivalischer Quellengattun- kunden, Amtsbücher und Akten, Karten und verwahrten Schätze aufmerksam werden, die gen festzulegen und Fragen der Speicherung Pläne, Fotos und audiovisuelle Medien – und zunehmend über Internet-Suchmaschinen auf und Online-Präsentation der Digitalisate zu die Überlieferung reicht zeitlich vom Jahr 948 die Daten zugreifen. Außerdem wurde sehr klären. Erfolgreich fortgeführt werden konn- bis in die jüngste Gegenwart. Der Zugang zu schnell deutlich, dass sich auch das Verhalten te das DFG-Projekt zur digitalen Erfassung diesen schätzungsweise 6 Mio. Einzelstücken und die Erwartungen der Interessenten än- der rund 22 900 Bände des Bestandes 12613 erfolgte jahrhundertelang mithilfe von so ge- dern: Sie verfolgen andere Recherchestrategi- Gerichtsbücher im Staatsarchiv Leipzig. In nannten „Findbüchern“ und „Findkarteien“, die en, die nicht selten stärker auf das Einzelstück Kooperation mit dem Institut für Sächsische seit etwa zwanzig Jahren schrittweise in Da- als auf den Gesamtkontext der Überlieferung Geschichte und Volkskunde e.V. (ISGV) sollen tenbanken überführt und durch neu erfasste ausgerichtet sind, und erwarten z. B., dass die im Projekt gewonnenen Daten, die bei Wis- Erschließungsinformationen ständig fortge- Reprographien aufgefundener Archivalien in senschaftlern ebenso wie bei heimatkundlich schrieben werden. einem „Online-Shop“ bestellt und kurzfristig und familiengeschichtlich Interessierten sehr übermittelt oder heruntergeladen werden gefragt sind, mit dem online angebotenen „Di- Bereits 2013 war etwa die Hälfte dieser Einzel- können. In der Folge ist nicht nur die Zahl der gitalen Historischen Ortsverzeichnis von Sach- stücke elektronisch recherchierbar. Die Benut- an das Staatsarchiv gerichteten Anfragen, sen“ verknüpft werden. Insgesamt fördert die zerinnen und Benutzer mussten sich für diese sondern vor allem auch die der Bestellungen DFG diese beiden Projekte mit 560 803 Euro. Recherche jedoch in den meisten Fällen in die von Reproduktionen stark angestiegen. Lesesäle des Staatsarchivs begeben. Daran Von Außenstehenden unbemerkt werden dar- wird sich auch künftig hinsichtlich desjenigen über hinaus auch die internen Arbeitsprozesse Archivgutes nichts ändern, das den Schutz- des Staatsarchivs mit Hilfe der Informations­ fristen nach § 10 SächsArchivG unterliegt. technik umgestaltet und optimiert. Das Staats-­ Immens vergrößert werden konnte jedoch archiv Chemnitz, das nach abgeschlossenem

Sächsisches Archivblatt Heft 1-2015 | 3 Jahresbericht Sächsisches Staatsarchiv 2014 Sächsisches ArchivblattHeft 1-2015 Archivgut. 50 etwa entspricht Dies ist. bedroht Zerfall altersbedingten vom Säuren der im Herstellungsprozess eingelagerten Papier“, aus also Papier,„sauren das aufgrund 50 Archivgut zu etwa das bisherigem besteht Kenntnisstand Nach große Herausforderungen. vor Neue Jahr aufs in jedem stellt das Staatsarchiv Aufgabe se oder digitalisiertDie sind. worden sie verfilmt ginale z. Ori dass sichergestellt, also ist zu schützen, Kulturgutthentische einer vor Vernichtung zu Um erhaltendas austehungsform ist. in Ent seiner grundsätzlich Archivgut dass eindeutig legt fest, Archivgesetz neue Das erhalten Kulturgut hinausgegangen. nicht einsetzen, bereits Akte die elektronische Innern und mitdes die anderen Behörden, Vorgangs Kontaktemiterste dem „Kompetenzzentrum sind die richtszeitraum Vorarbeiten daher über Im Be nicht inOrganisation jedoch der Lage. im Bereich reichenden Personalausstattung aufgrund der unzu das Staatsarchiv ist Dazu werden. betrieben Mehraufwände zunächst jedoch müssen erzielen, zu Einsparungen Um hat. zum Ziel gesetzt Sachsen Freistaat beteiligen, die sich dergangsbearbeitung Vor IT-gestützten der Einführung ckenden würde sich an damit der flächende aktiv Staatsarchiv werden. Das weiter verbessert Abteilungen fünf den zwischen Transparenz gien und erzielt die Kommunikation und die können Syner Staatsarchivs Verwaltung des greifenden virtuellen Zentralregistratur in der und die EinrichtungAkte einer standortüber Durch dietung. Einführung der elektronischen Schriftgutverwal eigene die hinaus darüber künftig weiter optimiert werden sollen, gehört die im Staatsarchiv Zu den internen Prozessen, erhebliche Vorarbeiten erforderlich. noch jedoch werden können, sind dort nutzt ge an den anderenverwaltung Standorten die Potentiale neuen Magazin Bevor dieser werden. bestellt auch elektronisch her Zukunft und können in na in einer Datenbank erfasst 1 wird. Im Ergebnisfachen nun sind in Chemnitz verein wesentlich inArchivgut Lesesaal den Magazinverwaltung und die Bestellung von die auch an anderen den künftig Standorten ein das bringen, Pilotprojekt zum Abschluss der Abteilung Zentrale Aufgaben/Grundsatz nommen konnte hatte, mit Unterstützung aufge Straße auf Elsasser der en Standort Umzug 2013 am neu den Dienstbetrieb 513 365 Einzelarchivalien 365 mit ihrem Lagerort B. auch dann erhaltenB. werden, wenn bearbeitung“ im Staatsministerium Staatsministerium im ­bearbeitung“

% aus so genanntem% aus so 000 Regalmetern Regalmetern 000 | 4 ------

henden Netzes gefordert. henden Netzes beste des Ausbau spartenübergreifende der Kulturguts und die schriftlichen Erhaltung des ten die Errichtung von Kompetenzzentren für Restaurierungswerkstät leistungsfähigen zu wird in in Ergänzung Ländern den frastruktur mit In Blick auf die bestehende Insbesondere Handeln. koordiniertes bundesweit ein gend drin sind und fordert Regalmeter überfordert lich 1,8 mit Mio. der Erhaltung der insgesamt tungen finanziell,fach organisatorisch und diemacht deutlich, einzelnen dass Einrich zu Studie verhindern. Die len Gedächtnisses Verlust kulturel dendramatischen sind, des und Kommunen)(Bund, Länder in der Pflicht Unterhaltsträger deren dass Zweifel daran, nisterkonferenz sie daher lässt (KMK)“ keinen Kultur (BKM) und Medien und die Kultusmi für der Bundesregierung diefür Beauftragte Handlungsempfehlungen „Bundesweiten den In sind. Bibliotheken betroffen in Deutschland und alle dem von Archive Problems, dieses Ausmaße die verdeutlicht hat, mitgearbeitet chen an Kulturguts der das Staatsarchiv (KEK), dienierungsstelle für schriftli Erhaltung des Eine 2014 veröffentlichte Studie der Koordi Chemnitz, Nr. 412 Müller) Ulrike Chemnitz, (Foto Amt 30008 Bestand Chemnitz, Staatsarchiv archivs, Schimmelgeschädigte des Sächsischen Akte Staats Anlieferung von Archivgut der Stadt Köln im Archivzentrum Hubertusburg, Wermsdorf (Foto Thomas-Sergej Huck) Thomas-Sergej (Foto Wermsdorf Hubertusburg, im Archivzentrum Köln Stadt der Archivgut von Anlieferung ------die technisch hochmoderne Ausstattung der der Ausstattung hochmoderne die technisch werden. Gerade rem durchgeführt Umfang nur in geringenen Archivgutes wesentlich eige des und Restaurierung Konservierung waren, konnten Maßnahmen zur 2,4 besetzt nur 2014 zeitweise Restauratoren-Stellen inDa der ZErAB 4,75 den vorhandenen von unterziehen. zu nahmen Maß und restauratorischen servatorischen nen und anschließend weiterführenden kon zu trock der Sublimationstrocknungsanlage Einsturzstelle schockgefrorene Archivgut in der Bergung nach aus der 2009 chiveinsturz Technik um dem Ar das bei der ZErAB nutzt, Räumlichkeiten Sachsen dem Freistaat und Köln der Stadt und zwischen tionsvertrages deutlich, auf das Koopera eines Grundlage Köln der Stadt Archiv und Historischen dem Staatsarchiv dem zwischen sammenarbeit wird in dies modellhaft der Zu Geradezu Ziel werden. ausgerichtet grenzen hinaus konzentriert und auf dieses und Kommunen die und über Landes Land im zwischen Zusammenspiel insbesondere im Freistaat die Ressourcen müssten Dazu Kulturgutschutzes. im Bereich des Aufgaben die und für ihrer Erfüllung Betriebes ihres die für Aufrechterhaltung maß an Personal ein aber Mindest Sie erfordern ausgestattet. technisch modernen Standards entsprechend (ZErAB)Bibliotheksgut sind nun baulich und und Archiv- von Erhaltung und Restaurierung die für mit der Zentralwerkstatt bertusburg einschließlicharchivs Hu Archivzentrums des Staats des Standorte Die weiter auszubauen. Kulturgutschutz erforderlichen Kompetenzen und die den zu für nutzen Infrastruktur diese werden, sein um erforderlich Anstrengungen erhebliche künftig auch deutlich,aber dass macht Staatsarchivs Beispiel das des rade Ge gehört. Staatsarchivs des Hubertusburg Archivzentrum angesiedelte in Wermsdorf guteweise Infrastruktur, zu auch der das eine über vergleichs hierfür verfügt Sachsen ------Jahresbericht Sächsisches Staatsarchiv 2014 ------5 T. T. | Sächsisches Archivblatt Heft 1-2015 ge oder Schenkungen erreicht werden. Einen werden. Einen ge oder Schenkungen erreicht Staatsarchiv das Ankauflehnt hingegenaus grundsätzlichen Erwägungen ab. stiftenIdentität(en) und Demokratie fördern Bedeutung,Die zentrale der historisch- die politischen Bildungsarbeit für die Identitäts un in Demokratieförderung die stiftung und serer Gesellschaft allgemein wird zukommt, bestritten.nicht Heftig im diskutiert wurde aber besonders nur, – nicht Jahr vergangenen Sachsen in ihr Ausrichtung, – hingegen ihre Methoden.Umfang ihre und Archive standen bei dieser Blickpunkt, im Diskussion ob nicht gerade Quellenma wohl authentische das sie dem bereitstellen, verwahren und terial mit historisches Wissen Metho und vermittelt histori Interpretation die für denkompetenz scher ebenso aktueller Zusammenhänge wie entwickelt werden kann. Dies zurückzuführen, darauf auch ist sicher Archive die besitzen,dass Potentiale, die in diesem Kontext aus vor wenig zu nach wie geschöpft Staatsarchiv werden. Im musste die Zusammenarbeit mit Schulen und anderen Bildungseinrichtungen weitestge auch 2014 Stattdessen unterbleiben. konzentrierte hend es seine Ressourcen Archivgut nicht darauf, seinerseits auszuwerten, sondern für seine Nutzerund Kooperationspartner aufzuberei machen. zu zugänglich und ten desBeginn der sich dem in Berichtsjahr, Im Ersten Weltkrieges einhundertsten zum Mal fünf zum „Friedliche die Revolution“ und der standen bei jährten, Mal undzwanzigsten Quellenaufbereitung zwei Jubiläen im Mittel geschlossene Erhaltung und Zugänglichkeit geschlossene Zugänglichkeit und Erhaltung sächsische fürder die Landesgeschichte z. bedeutenden Überlieferung ermöglicht. In überwiegenden ganz der Zahl insgesamt der Depositalverträ dies durch Fälle57 konnte ------000 Jahre 787 Aufnahmen Aufnahmen 787 Mikrofilm als Sicherungsmedium für Archivgut(Foto Regine Bartholdt) % erzielt werden. % höher als im genannten Vergleichs genannten im % höher als filmung, die – finanziert aus Bundesmittelnfinanziert aus – die – filmung, vomStaatsarchiv für Sachsen ganz seit 1994 Kamenzin seit 2009 und Archivzentrum im Hubertusburg betrieben wird. Bei Sicherungsverfilmung der handelt es sich um eine Form der Mikroverfilmung. Dabei langzeitstabile auf Dokumente werden Spe fotografiert,zialfilme die bis 1 500 bomben einem in haltbar sind. werden Sie sicheren Bergwerksstollen eingelagert und Originale der dass bei Verlust sicher, stellen Abbilder zumindest Generationen späteren erhalten bleiben. Die Aufnahmezahlen der 2014 konnten Sicherungsverfilmungsstelle erstmals von Kamenz seit Verlagerung der nachWermsdorf 2009 Jahr im trotz des Ver gesteigert wieder Personalstelle einer lustes 629 lagenwerden. Sie mit 13 um jahr. Zusätzlich Staatsarchiv das betreibt jahr. eine aus Landesmitteln finanzierte Schutzverfil Benutzung mungsstelle,Filme der für die in noch eine hergestellt werden. Dort ist für 2014 deutlichere Erhöhung der Verfilmungszahlen inter Optimierung konstatieren.zu die Durch Abläufener den Einsatz und von Hilfskräften in der Schutzverfilmungsstellekonnte eine 115 um Steigerung Der Kulturgutschutz beschränkt jedoch sich Bestandserhaltung. die auf nur nicht Mitun des es auch, Archivgutes den Verlust gilt ter ostdeutschen Wie verhindern. alle zu Archive verwahrt Staatsarchiv das auch Bestände aus Gutsarchiven, Zuge so der im die genannten wurden. enteignet Bodenreform nach 1945 Sofern diese Bestände dem Entschädigungs- Ausgleichsleistungsgesetz entsprechend und restituiertwurden, waren diese mit Auslauf die an Dezember 2014 des 31. Nießbrauchs am Alteigentümer zurückzugeben. Ein wesentli Arbeitsschwerpunktcher des Staatsarchivs lag schon daher insbesondere seit Jahren, aber im Berichtsjahr darauf, mit den Alteigentü eine die finden, Übereinkunft zu eine mern ------676 676 Für die Erledigung einfacher konservatori einfacher Erledigung Für die Erhaltung wesentliche zur Eine Maßnahme Verfilmung Archivgutesdes die stellt unikalen Öffentlich breiteren Einer von Archivgut dar. ZErAB, die aus Wirtschaftlichkeitsgründen aus die ZErAB, vor allem aufmengenbasierte Verfahren ausge ist,richtet setzt Mindestmaß Betrieb zum ein Fachpersonalan voraus, konstant das nicht zur Verfügung stand. setztscher Maßnahmen Staatsarchiv das Archivzentrumim Hubertusburg ebenso wie an den anderen Standorten zahlreiche Hilfs kräfte Unterstützung zur des Fachpersonals Insbesondereein. technische fürdie Bearbei und Entmetallisieren Reinigen, das also tung, rund von Archivgut,Verpacken kamen 2014 43 Hilfskräfte Einsatz. zum Bewährt sich hat hier die Zusammenarbeit mit Behinderten werkstätten. Aber Beschäf geringfügig auch Sozialen Hilfskräfte und tigte Freiwilligen im dem und Bundesfreiwilligendienst im Jahr, Freiwilligendienst aller Generationen kom Einsatz.men zum hier werden Die Grenzen Anleitung Zahl zur der die durch vorallem verfügbaren Kontrolle und Fachkräfte gesetzt. 318 Insgesamt Staatsarchiv das hat 2014 Eurofür Maßnahmen der Bestandserhaltung elektroni und Medien audiovisuelle (ohne sches Archivgut) verausgabt. dies Ab der gerufen hat Erinnerung in keit schluss Schutz zum Haager der Konvention am bewaffneten bei Konflikten Kulturgut von Berichtsjahr im der sich zum 1954, Mai 14. sechzigsten jährte. Mal Die Zerstörung von kriegerische durch Handlungen Kulturgut führte Weltkrieg einer zu damals Zweiten im akzeptierten über den international Einigung bewaffneten bei Konflikten. Kulturgutschutz Daneben Gefährdung ist inzwischen die auch sonstige und Natur- des durch Kulturgutes Katastrophen Bewusstsein das stärker in der gerückt.Öffentlichkeit Maßnah wichtige Eine Schutzme zum diesem des ist in Kulturgutes Sicherungsver die Zusammenhang seit 1961 Außenarbeitsgruppe der Stadtmission Chemnitz Staatsarchiv im Chemnitz (Foto Ronny Schreiter) Jahresbericht Sächsisches Staatsarchiv 2014 Volkspolizei AV-0009) Dresden, Deutschen der 11464 Bezirksbehörde Dresden, Hauptstaatsarchiv Staatsarchiv, (Sächsisches 1989 Oktober 8. und 4. zwischen Carolaplatz am sowie Straße Prager der auf Demonstrationszüge und Hauptbahnhof Dresdner am Szenen Nr. 957) Armee, 3. der 11355 Armeeoberkommando Dresden, Hauptstaatsarchiv Staatsarchiv, (Sächsisches 08/15, 1918 Maschinengewehr dem mit Schießen Sächsisches ArchivblattHeft 1-2015 zentral aufStaatskanzlei Frei der Website des Friedlichen Revolution“ der Sächsischen von der „Fundstücke wurden unter der Überschrift befinden, in im großem Umfang Staatsarchiv die sich Archivalien aus Jahren den 1989/90, gehört. Provenienz in Deutschland tendsten militärischer und geschlossensten zu bedeu den Stuttgart Hauptstaatsarchivs und des dem Hauptstaatsarchivs Bayerischen des dem der neben Quellenfonds verbessert, können. Damit wurde zu der Zugang einem werden recherchiert Kriegsarchivs sischen dieüber u. teten Online-Beständeübersicht weiterleitet, zu einer und Benutzer den neu gestal führt Weltkrieges Ersten chivgut des zur Geschichte die durch Ar das imte Internet freigeschaltet, - Themensei eine bebilderte Hauptstaatsarchiv zum Pünktlich 1. wurde punkt. August vom a. die Akten des ehemaligen des Säch die Akten a. | 6 - - - - - staates genutzt werden können. werden genutzt staates die den Frei Youtube-Kanal auch über des 1989, Oktober am 26. Dresden Bezirkstages der außerordentlichenmitschnitte Tagung des Ton sowie Straße auf der Prager rationszüge Demonst und Hauptbahnhof Dresdner am z. Leipzig aus dertung DDR“ Staatsarchiv dem Umgestal zur politischen Forum« »Neuen des „Sofortprogramm dem wie Einzeldokumenten gehören neben Dazu bereit gestellt. staates den, 10088 Oberkonsistorium, Loc. 10599, Bl. 430b) Bl. 10599, Loc. Oberkonsistorium, 10088 den, Protokoll der ersten evangelischen Kirchenvisitation, 1539/40 (Sächsisches Staatsarchiv, Hauptstaatsarchiv Dres Hauptstaatsarchiv Staatsarchiv, (Sächsisches 1539/40 Kirchenvisitation, evangelischen ersten der Protokoll B. auch Videoaufzeichnungen von Szenen Szenen von auch Videoaufzeichnungen B. - - - - archivs wiederum amarchivs „Tag der Archive“, der Staats beteiligten des sich alle fünf Standorte –Männer –Macht“ „Frauen Unter Motto dem ab 2015 bereitgestellt. in einem Online-Portal digitalisiert und und Sachsen Sachsen-Anhalt in Weimarchivs die aus Überlieferung Hessen, Hauptstaatsar Thüringischen des derführung der Reformation“ Archiv wird untertales Fe „Digi Im Projekt zur Reformationsgeschichte. auch einen der wichtigsten Quellenbestände Kirchenvisitationen evangelischen ersten der Luther, mitMartin den Protokollen sondern androhungsbullen gegen X. Leo von Papst nicht nur Bann eine der drei überlieferten im Hauptstaatsarchiv verwahrt Staatsarchiv Das einschlägiger getroffen. Archivalien Bereitstellung digitale die für Vorkehrungen wird, wurden sorgen erste Aufmerksamkeit mationsjubiläum, das 2017 mediale große für Refor 500-jährige das auf Vorbereitung In Plakat zum Tag der Archive, Bergarchiv Freiberg Bergarchiv Archive, Tag zum der Plakat ------Jahresbericht Sächsisches Staatsarchiv 2014 - - - - - 7 | B. verschie in Sächsisches Archivblatt Heft 1-2015 dem Staatsarchiv Chemnitz stammen Archi valien zum ehemaligen Kaufhaus Schocken, in ist. SMACdem das untergebracht heute Angebote eine genannten an die sich Während verbindet richten, Öffentlichkeit das breite Staatsarchiv enge Zusammenarbeit eine auch den wissenschaftlichen desmit Einrichtungen Freistaates. waren Wie schon den Vorjahren in Mitarbeiter des Staatsarchivs z. Sächsischen Kommissionen der denen Akade Wissenschaften der mie vertreten (Historische Kommission, Kommission für die Herausgabe des Codex Saxoniae) nahmen und diplomaticus Lehraufträge den vier sächsischen an Univer Sächsische ist das Außerdem wahr. sitäten des StaatsarchivBeirat im Instituts Mitglied für sächsische Geschichte Volkskunde und e.V. (ISGV), Wissenschaftlichen im für Indus Beirat Wissenschaftlichen sowie im triekultur Beirat beim Förderverein Montanregion Erzgebirge. - - - - hat. Stellvertretend sei hier die Ausstellung Ausstellung die sei hier hat. Stellvertretend dem sich die genannt, „Umsonst ist Tod“ der Thema „Alltag und Frömmigkeit am Vorabend Mitteldeutschland in Reformation“ der widmet Exponate auch und dem Hauptstaatsar aus Mühlhausen in sie war zeigt.chiv Bereits 2013 Kulturhis im sie war präsentiert 2014 worden, torischen Magdeburg Stadt Museum im und sehen.geschichtlichen Leipzig zu Museum von Reihe ganze eine Dauerhaft seit 2014 wird Exponaten des Staatsarchivs Staatlichen im fürMuseum Archäologie Chemnitz in (SMAC) ausgestellt, von Mai Ministerpräsident im das eröffnet Teil Tillich Die als wurde. Stanislav „Schatz Dauerausstellungder eingerichtete Staatsarchiv“kammer Bedeutung die zeigt Schriftder Entstehung für die des modernen vonStaates Amtsbüchern, Urkunden, anhand Registern und Landkarten aus dem bis 13. Jahrhundert des16. Hauptstaatsarchivs. Aus Sammelindulgenz für die Kreuzkapelle bei Leipzig, Juni (Sächsisches 1493 12. Staatsarchiv, Hauptstaatsarchiv Dresden, 10001 Ältere Urkunden, 8994) Nr. Dr. Volker JägerDr. führt durch die zum Jubiläum erarbeitete Ausstellung (Foto Regine Bartholdt) ------­ - Jahre Staatsarchiv Jahre heutige die lud Leipzig“ Der Weg vom Referentenentwurf des Archiv- gesetzes, Staatsregierung den die erstmals vorgelegt hatte, November zur bis im 2010 Inkraftsetzung Fassung novellierten der im Viele langwierig. war Fragen, Februar 2014 schriftlichen den in öffentlichen und die Anhörungen, Sitzungen den in des Innen des3 Staatsarchivs, Abteilung unter 1954 die der Bezeichnung „Landesarchiv als Leipzig“ desSächsischen Außenstelle damaligen Lan Vorhandenes WissenVorhandenes nutzbar machen Anlässefür derartigenAustausch gab esauch Berichtsjahr Unter zahlreiche. wiederum im Mottodem Geschichte voller „Ein Haus – 60 eigenen der außerhalb auch Unikate die Um Ausstellungsräume präsentieren zukönnen, kooperierte wieder das Staatsarchiv 2014 auch Museen Ausland. und In- dem Die mit eng aus fürder großeNachfrage anhand sich zeigte Archiva ausgeliehenen Fremdausstellungen alle zwei Jahre bundesweitzwei Jahre vom deut Verband alle initiiert scher Archivarinnen Archivare und e.V. Bei Führungen, Vorträgenwird. Ausstel und Besuchern zahlreichen den bot sich die lungen Kulissen die des Archivs hinter Möglichkeit, zu Magazi schauen sonst zugängliche und nicht lernen. zu Werkstätten und ne kennen ausschusses parlamentarischen der in und Debatte aufgeworfen wurden, diskutiert und befassten Benutzung der mit sich des Archiv- gutes. Archive Auch Fokus wenn oft im nicht der öffentlichen Aufmerksamkeit stehen, so diesezeigen Diskussionen doch, viele In wie teressen Rechtsfragen und von Archivie der es für eine berührtwichtig rung wie und sind demokratische Gesellschaft ist, Zugang den „schriftlichen ihrem zu nur Gedächtnis“ nicht grundsätzlich son gewähren, jedermann zu transparent und nachvollziehbar dern auch regeln. Archive diesezu Damit auf sich Inte ressen einstellen und auf die Anforderungen ihrer Benutzer eingehen können, sind en ein Austauschger regelmäßige Präsenz eine und von Öffentlichkeit der Wichtigkeit. großer in deshauptarchivs Dresden in eröffnet worden Behörden Vertreter und aus zahlreiche war, Adelsfamilien, Archivare, mehrerer Gerichten, Festver einer zu GenealogenHistoriker und verschiedenen Insbesondere die anstaltung. Fachbeiträge vielfältigen die in gaben Einblick Nutzungsinteressen, die durch eine Ausstel den Beständen aus lung Musik Leipziger der verlage, der Rittergüter und Adelsarchive, Judaica- der und Sammlungen genealogischer Bestände veranschaulicht wurden. Berichtsjahr fast im sich die lien, verdreifacht Darüber hinaus fanden sich auch im Berichts- jahr wieder Gelegenheiten, die Ergebnisse wis- senschaftlicher Arbeiten, die aus den Quellen des Staatsarchivs entstanden sind, durch ge- meinsame Veranstaltungen zu präsentieren. Am Standort Dresden stellte das Hannah- Arendt-Institut für Totalitarismusforschung im Rahmen einer Podiumsdiskussion seine neue Publikation „Sachsen und der National- sozialismus“ vor, und das ISGV führte unter dem Titel „Verordnete Nachbarschaften“ ge- meinsam mit der Brücke Most-Stiftung, der Bundeszentrale für politische Bildung und dem Hauptstaatsarchiv einen internationalen Workshop zu Transformationsprozessen im Grenzraum Deutschland – Polen – Tschechien seit dem Zweiten Weltkrieg durch. Der Vor- tragsraum des Staatsarchivs Chemnitz wurde Wrocław in Dresden – v. l. n. r. Dr. Peter Wiegand, Dr. Guntram Martin, Dr. Janusz Gołaszewski, Dr. Michael Klein, Mag. Remigiusz Kazimierczak (Foto Sylvia Reinhardt) von dem Bundesbeauftragten für die Unterla- gen des Staatssicherheitsdienstes der ehema- ligen DDR – Außenstelle Chemnitz für eine gut der Veranstaltung. Im Frühjahr 2015 soll ein archiv Breslau). Nachdem bei einem ersten besuchte Veranstaltung zum Thema „Akten. ergänzender Workshop zu video- und kine- Treffen auf Leitungsebene im Januar gemein- Akteure. Erinnerungen – Der Herbst 1989 im matografischen Archivalien (Bewegtbild) mit same Vorhaben geplant werden konnten, Spiegel von Stasi-Akten und Zeitzeugenbe- dem Ziel folgen, im Ergebnis diese „Hubertus- gab das Staatsarchiv Breslau vor zahlreichen richten“ genutzt. burger Empfehlungen“ der ARK zu publizieren, Gästen im Hauptstaatsarchiv Dresden einen die Best-Practice-Regeln für den Umgang mit Einblick in seine Struktur und seine Bestände. Nicht nur als Mitveranstalter, sondern auch als audiovisuellem Archivgut und für seine Erhal- 2015 ist ein Gegenbesuch in Breslau geplant. Impulsgeber konnte sich das Staatsarchiv im tung definieren werden. Berichtsjahr wieder in die archivische Fachdis- Ausblick kussion einbringen. Eine der Kernkompeten- Ebenfalls auf archivisches Fachpublikum ausge- zen des Staatsarchivs liegt in der Archivierung richtet war der gemeinsam mit dem Landesver- Die gesetzlichen Aufgaben und die fachlichen

Jahresbericht Sächsisches Staatsarchiv 2014 Staatsarchiv Sächsisches Jahresbericht audiovisueller Medien in den für diesen Zweck band im Verband deutscher Archivarinnen und Prioritäten des Staatsarchivs werden sich 2008 mit aufwändiger Technik ausgestatteten Archivare e.V. veranstaltete zweite Workshop nach jetzigem Stand der Dinge auch 2015 Räumen und Magazinen des Archivzentrums zum Archivportal-D am Standort Dresden. Da- nicht grundlegend verändern. Das Berichts- Hubertusburg. Auf Anregung des Bestandser- bei ging es vor allem darum, am praktischen jahr hat jedoch gezeigt, dass es bei fortschrei- haltungsausschusses der Konferenz der Lei- Beispiel Wege aufzuzeigen, die es auch kleine- tendem Personalabbau nicht mehr genügen terinnen und Leiter der Archivverwaltungen ren Archiven ermöglichen, ihre Erschließungs- wird, Einzelmaßnahmen wie die Reduktion der des Bundes und der Länder (ARK), in dem das informationen in dieses Portal einzuspeisen Öffnungszeiten durchzuführen oder einzelne Staatsarchiv seit dessen Gründung Mitglied und damit auch über Sachsen hinaus einem Prozesse durch den noch stärkeren Einsatz ist, fand daher im September in Wermsdorf großen Nutzerkreis zugänglich zu machen. von Informations- und Kommunikationstech- ein erster Workshop zum Umgang und zur nik zu optimieren. Nach dem umfassenden Verwahrung von Audio- bzw. Schall-Archi- Die Kontakte zu ausländischen Archiven in Modernisierungsprozess, der nach zehn Jah- valien statt, an dem Facharchivare aus elf Polen und Tschechien mussten im Berichts- ren nun in allen wesentlichen Bereichen wei- Ländern und des Bundes teilgenommen ha- jahr aufgrund personeller Engpässe deutlich testgehend abgeschlossen ist, wird die Frage ben. Neben Fachvorträgen stand die Erarbei- eingeschränkt werden. Insbesondere der gestellt werden müssen, wie der Betrieb an tung eines Positionspapiers im Mittelpunkt Tschechisch-Sächsische Archivarsaustausch allen fünf Standorten überhaupt noch auf- kam dadurch zumindest temporär zum Erlie- rechtzuerhalten ist. gen. Fortgesetzt werden konnte jedoch – wenn auch in geringerem Umfang als in den Vor- Dass die Erledigung der Kernaufgaben 2014 im jahren – die Zusammenarbeit mit Polen. Zum Wesentlichen abgesichert werden konnte, ist einen ist das Staatsarchiv weiterhin Mitglied in vor allem dem Engagement, dem Fachwissen der Oder-Partnerschaft, in der sich Archive der und dem Ideenreichtum der Beschäftigten des westpolnischen Wojewodschaften Großpolen, Staatsarchivs zu danken. Für seine Zukunft Westpommern, Niederschlesien und Lubuskie wird entscheidend sein, zu welchen Ergebnis- sowie der Länder , Brandenburg, Meck- sen die inzwischen von der Staatsregierung lenburg-Vorpommern und Sachsen zu einem eingesetzte Kommission kommen wird, die informellen Netzwerk zusammengeschlossen bis 2016 eine aufgabenorientierte Personal- haben. Zum anderen pflegt das Staatsarchiv bedarfsplanung für den öffentlichen Dienst auf der Grundlage der Kooperation zwischen des Freistaates Sachsen erstellen wird. dem Freistaat Sachsen und der Wojewodschaft Dr. Klaus Herziger, Teilnehmer der Demonstrationen in Karl-Marx-Stadt im Herbst 1989, entfaltet in Erinnerung Niederschlesien besonders enge Kontakte zum Andrea Wettmann an die Ereignisse ein Transparent (Foto Viola Dörffeldt) Archiwum Pan´stwowe we Wrocławiu (Staats- (Direktorin)

Sächsisches Archivblatt Heft 1-2015 | 8 Grundbücher in Sachsen (Teil 2: Seit 1935)

(Gekürzte Fassung eines Vortrags, der im No- en zu führen und die alten Grundbücher zu der Grundbuchberichtigungen, Enteignungs- vember 2013 beim Tag der Regionalgeschichte schließen. beschlüsse, Verzicht auf das Eigentum usw.). in Pirna gehalten wurde. Auf Grund des Um- Die zweite Abteilung beinhaltete Belastungen fangs erscheint dieser Beitrag in zwei Teilen. Das Grundbuchblatt bestand jetzt aus einem des Grundstücks oder von Teilen davon, mit Teil 1, der die Jahre von 1843 bis 1935 behan- Bestandsblatt und drei Abteilungen. Die Ge- Ausnahme von Hypotheken, Grundschulden delt, ist im Sächsischen Archivblatt 2/2014, staltung des Grundbuchs unterschied sich und Rentenschulden, die der dritten Abteilung S. 8–9, nachzulesen.) hier von den bisher geführten Grundbüchern. zugeordnet wurden. Aus den drei Abteilungen In das Bestandsverzeichnis wurden die Be- der älteren Grundbücher war der gültige Be- Mit den Gesetzen zur Überleitung der Rechts- zeichnung der Gemarkung, die Flurstücks- stand an Einträgen zu übernehmen. Gelöschte pflege 1934 und 1935 ging die Verantwortung nummern, Hinweise auf Einträge in den Einträge waren nur zu übertragen, wenn dies für die Justiz von den Ländern auf das Reich älteren Grundbüchern, auf Flurkarten und dem Verständnis aktueller Einträge diente. über. Dies hatte Auswirkungen auch auf die Steuerbücher, die Wirtschaftsart und Lage, Grundbuchführung. Im April 1936 traten eine die Größe sowie Hinweise auf Bestandszu- Von der Umschreibung waren im Bezirk des neue Fassung der Grundbuchordnung und und -abschreibungen aufgenommen. Auch Oberlandesgerichts Dresden etwa 600 000 eine dazugehörige Ausführungsverordnung Hinweise auf Miteigentum an einem anderen Grundbuchblätter betroffen. Damit dieses in Kraft. Eine neue Grundbuchverfügung hob Grundstück wurden erfasst. In der ersten Ab- Verfahren umgesetzt werden konnte, be- die bisherigen landesrechtlichen Regelungen teilung finden sich Angaben zum Eigentümer absichtigte das Oberlandesgericht 45 Um- zur Gestaltung und Führung der Grundbü- und zur Grundlage des Eintrages (z. B. Tag der schreibungskommissionen einzusetzen und cher auf. Fortan waren Grundbücher nur noch Auflassung, Verweise auf Erbscheine, Testa- die Arbeiten bis 1942 abzuschließen. Das nach den neuen reichseinheitlichen Richtlini- mente, Zuschlagsbeschlüsse, Bewilligungen Reichsjustizministerium genehmigte 30 Um-

Vermerke zur Fortsetzung des Bestandsverzeichnisses auf einem Bestandsblatt und Schließung des Grundbuchblattes auf Grund der Anweisung des Ministers des Innern vom 25. Juli 1962 (Sächsisches Staatsarchiv, Hauptstaatsarchiv Dresden, 11085 Amtsgericht Pirna, GB/GA, Nr. 7031)

Sächsisches Archivblatt Heft 1-2015 | 9 schreibungskommissionen. Bis zum Jahr war auch nach Kriegsende nicht möglich, da an neue Besitzer umfangreiche Aufgaben zu 1942 konnte daher nur ein Teil der Grund- durch die Bodenreform und die Enteignungen bewältigen waren. bücher umgeschrieben werden. Im Oktober auf besatzungsrechtlicher Grundlage (Befehle 1944 wurde auf Weisung des Reichsjustiz- 124 und 125/45 sowie 64/1948 der Sowjeti- Verluste bei Grundbuchunterlagen hat es bei ministers die planmäßige Umschreibung der schen Militäradministration in Deutschland einigen Amtsgerichten durch die Ereignisse Grundbücher auf das Reichsmuster im Zuge (SMAD)), die Schließung der Banken und des Zweiten Weltkrieges gegeben. Soweit es des „totalen Krieges“ gänzlich eingestellt. Eine Versicherungsgesellschaften und den dabei sich um lebende Grundstücke handelte, ver- Fortführung der planmäßigen Umschreibung erfolgten Übergang von Grund und Boden suchte man diese Grundbuchblätter wieder herzustellen. Planmäßige Verluste von Akten bzw. Ak- tenteilen ergaben sich durch die bereits erwähnten Ent- eignungen zwischen 1945 und 1948/1949. Damit sollte eine Rekonstruktion der alten Besitzverhältnisse unmöglich gemacht werden.

Im Herbst 1952 erfolgte in der DDR ein tiefgreifender organisatorischer Einschnitt. Im Zuge der Verwaltungsre- form und der Überführung der Aufgaben der freiwilligen Gerichtsbarkeit von der Jus- tiz auf Verwaltungsbehörden verließen die Grundbuchun- terlagen den Bereich der Jus- tiz, der sie seit über 100 Jah- ren angehört hatten. Für die Führung der Grundbuchun- terlagen waren jetzt die Ab- teilungen Kataster bei den Räten der Kreise zuständig. Diese wurden 1965 durch das Liegenschaftswesen der Räte der Bezirke abgelöst, die in den Kreisen Außenstellen un- terhielten. Diese Zuständigkeit blieb bis 1990 bestehen.

Durch die Zusammenfas- sung der Kataster- und der Grundbuchunterlagen erga- ben sich Änderungen bei der Führung der Grund­bücher. Ab Anfang 1953 wurden die Grund­bücher nicht mehr fortgeschrieben. An Stelle des Grundbuchs trat das in den Grundakten liegende Hand- blatt mit den Grundbuchein- trägen. Fortgeführt wurden nur noch die Abteilungen 1 bis 3. Die Funktion des Bestands- verzeichnisses, des Verzeich- nisses der zum Grundstück gehörenden Flurstücke, über- nahmen Bestandsblätter der In dieser Akte sind nach der Enteignung die Blätter 1 bis 169 vernichtet worden. Die noch vorhandene Überlieferung beginnt erst Liegenschaftskartei, die dem mit dem Blatt 170, das später in Blatt 1 umsigniert wurde (siehe rechts oben). (Sächsisches Staatsarchiv, Hauptstaatsarchiv Dresden, Katasterbereich entstammten. 11085 Amtsgericht Pirna, GB/GA, Nr. 5433)

Sächsisches Archivblatt Heft 1-2015 | 10 Nach 1961 und 1962 sind in der DDR in grö- Erwerbungsrechte) und der Abteilung 3 (Hy- Mit der politischen Wende im Herbst 1989, ßerem Umfang Grundbücher geschlossen potheken). In den 1980er Jahren wurde mit den sich danach ergebenden gesellschaftli- worden. Auf der Grundlage einer gemein- einer computergestützten Liegenschaftsdo- chen Änderungen und dem Beitritt der DDR samen Anweisung über die Berichtigung der kumentation (COLIDO) begonnen. Vor 1990 zur Bundesrepublik haben die Grundbuchun- Grundbücher und Liegenschaftskataster vom waren die Grundbuchunterlagen Teil der Lie- terlagen wieder einen sehr großen Stellen- 11. Oktober 1961 betraf das die Grundstücke genschaftsdokumentation, die aus einem In- wert erhalten. Seitdem sind sie auch für die des ehemaligen Reichs-, Preußen-, Wehr- tegrationsregister (einer Fortführung des bis- Klärung verschiedener Eigentumsansprüche machts-, Landes-, Kreis- und Gemeinde- herigen Flurbuchs), Flurkarten, Grundbüchern, an Grund und Boden aus den Jahren von vermögens. Im Liegenschaftskataster waren Gebäudenachweisen, Nutzungsgrundbüchern 1933 bis 1945 und von 1945 bis Ende 1989 sie als „Eigentum des Volkes“ einzutragen. und Nutzungsgrundkarten bestand. eine wichtige Grundlage geworden. Nach Ausnahmen gab es nur bei volkseigenen 1990 wurde die Grundbuchführung wieder Grundstücken, wenn einer gesellschaft- Die Zusammenlegung der Grundbücher mit von der Katasterführung getrennt. 1991 lichen Organisation, einer sozialistischen den Katasterabteilungen der Kreise im Jahr übernahmen die Kreisgerichte (ab 1993 die Genossenschaft oder einem Bürger der 1952 führte zu großen Raumproblemen. Zum Amtsgerichte) die Führung der Grundbuch- DDR Nutzungsrechte an diesen Grundstü- einen wurden die Grundbücher nicht mehr unterlagen, und es wurden wieder Grund- cken verliehen waren. Weitere Ausnahmen fortgeführt, so dass sie an Bedeutung für buchämter bei den Kreisgerichten eingerich- bestanden u. a. bei Grundpfandrechten für den fortlaufenden Dienstbetrieb verloren, tet. Die sächsischen Grundbuchunterlagen inländische oder ausländische Personen, bei und zum anderen sind umfangreiche Akten aus dem Archivdepot in Barby sind 1993 einem Eigentum westdeutscher oder West- zu bereits vor Jahren bzw. Jahrzehnten ge- nach Sachsen zurückgeholt worden. Hier hat Berliner Körperschaften und bei Grundstü- schlossenen Grundbuchblättern mit an die man sich entschieden, diese den Grundbuch- cken, die im Zuge der nationalsozialistischen neuen Behörden gelangt. Um sich davon ämtern bei den Amtsgerichten zu übergeben. Gesetzgebung aus rassischen oder politi- zu entlasten, gab man in den Jahren nach Im Sächsischen Staatsarchiv sind heute nur schen Gründen Reichsvermögen geworden 1952 in größerem Umfang Grundbücher und in sehr geringem Umfang Grundbuchunter- waren. Seit 1962 wurden viele volkseigene Grundakten in die Stadt-, Kreis- und Staats- lagen überliefert. Grundstücke aus dem Grundbuch ausge- archive ab, wo sie ebenfalls zu Platzproble- bucht. Grundbuchunterlagen gab es haupt- men führten. Auch durch die Schließungen Mit der Verordnung des Sächsischen Staats- sächlich für privates, genossenschaftliches von Grundbüchern 1961 und 1962 strömten ministeriums der Justiz über das maschinell und Bodenreformeigentum. Die volkseigenen weitere Grundbuchunterlagen in die Archive. geführte Grundbuch vom 28. Juli 1995 wurde Grundstücke wurden meist nur noch über die Teilweise machten auch schlechte Lagerungs- begonnen, die Grundbücher in digitaler Form Bestandsblätter des Liegenschaftskatasters verhältnisse bei den Katasterverwaltungen zu führen. Dies löste die Grundbücher in Pa- nachgewiesen. In den Grundbüchern sind der Kreise und ein damit einhergehender pierform ab. Dazu wurden die bestehenden entsprechende Schließungsvermerke ange- schlechter Erhaltungszustand der Unterla- Grundbuchblätter übertragen. Im elektroni- bracht worden. gen selbst beschleunigte Übernahmen in die schen Grundbuch werden auch weiterhin ein Staatsarchive notwendig. Daneben ist auch Bestandsverzeichnis mit den Angaben aus Mit der Einführung des Zivilgesetzbuches der Katasterschriftgut von den Archiven über- dem Liegenschaftskataster sowie die erste DDR 1975 wurden auch neue Regelungen nommen worden. So soll Mitte der 1980er Abteilung mit den Eigentumsverhältnissen, zur Führung der Grundstücksdokumentati- Jahre die Liegenschaftsdokumentation etwa die zweite Abteilung mit den Belastungen on wirksam. Das waren die Verordnung über 20 % der in den Staatsarchiven befindlichen und die dritte Abteilung mit den Grundpfand- die staatliche Dokumentation der Grund- Bestände ausgemacht haben. Um diesem rechten, wie Hypotheken und Grundschulden, stücke und Grundstücksrechte in der DDR Problem abzuhelfen, wurde Anfang der geführt. Damit sind auch die verschiedenen vom 6. November 1975 und die Anordnung 1980er Jahre in Barby (heute Sachsen-Anhalt, Grundbuchtypen (nach sächsischem Recht, über das Verfahren in Grundbuchsachen Salzlandkreis) ein Archivdepot als Spezialar- nach Reichsrecht von 1935, gemäß DDR- (die Grundbuchverfahrensordnung) vom chiv für das Archivgut der Grundstücksdoku- Grundbuchführung und seit Herbst 1990 nach 30. Dezember 1975. Sie lösten die bisherigen mentation eingerichtet. Laut einer Anweisung bundesdeutschem Recht) bereinigt worden. Bestimmungen aus der Zeit vor dem 8. Mai des Leiters der Staatlichen Archivverwaltung Im Freistaat Sachsen können seit dem 1. April 1945 ab. Ende der 1970er Jahre wurde ein vom 15. Dezember 1981 sollte das Depot in 2014 beim Amtsgericht Dresden Unterlagen neues Formular für das Grundbuchblatt in Barby als zuständiges Endarchiv Schrift- und für Grundbucheinträge in elektronischer Karteiform eingeführt, das das bisher wei- Bildgut der Grundstücksdokumentation mit Form eingereicht werden (Stichwort elektro- tergeführte Handblatt und das Bestandsblatt wissenschaftlich-historischem Wert über- nische Grundakte). Zwischenzeitlich ist das ablöste. Wenn ein Grundbuchblatt anzulegen, nehmen, soweit es für die praktische Arbeit Amtsgericht Leipzig hinzugekommen. Dieses umzuschreiben oder wiederherzustellen oder des Liegenschaftsdienstes nicht mehr benö- Verfahren wird auf weitere Grundbuchämter einzelne Abteilungen wiederherzustellen wa- tigt wurde. In unterschiedlichen Umfängen ausgedehnt. ren, wurden die neuen Vordrucke im Format wurden in den folgenden Jahren aus den A 4 quer genutzt. Die neuen Karteikarten be- Stadt-, Kreis- und Staatsarchiven und den standen aus vier Abteilungen, der Abteilung 0 Liegenschaftsdiensten der Bezirke Grund- mit den Bestandsangaben, der Abteilung 1 buchunterlagen nach Barby überwiesen, die Roland Pfirschke (Eigentum), der Abteilung 2 (Nutzungs- und dort, so weit möglich, erfasst wurden. (Hauptstaatsarchiv Dresden)

Sächsisches Archivblatt Heft 1-2015 | 11 Zur audiovisuellen Überlieferung in den Abteilungen des Sächsischen Staatsarchivs (Teil 2: Chemnitz und Freiberg)

Anders als im Staatsarchiv Leipzig, das Kine­ Ein Jahrzehnt später erscheint die 16-mm- tion unter dem Motto „Du bist nichts – Dein matografie-Bestände aus abgewickelten Film-Überlieferung im Bestand „30950 Böh- Volk ist alles!“. Das zweite Hilscher-Fragment DDR-Institutionen verwahrt (Bestand 20298 me Fettchemie GmbH, Chemnitz und Vorgän- dokumentiert Chemnitzer Durchhalte-Willen Zentralhaus für Kulturarbeit, Leipzig, Be- ger“ werblich, didaktisch und unterhaltend im Schneesturm am 1. Mai 1935. Der Film stand 20314 agra – Landwirtschaftsausstel- zugleich. Offensichtlich existierte frühzeitig zeigt in einer Länge von 2:20 Minuten, in lung der DDR, Markkleeberg, Bestand 22052 ein Mikro- und Kinolaboratorium der H. Th. wenigen, statischen, endlos erscheinenden Bezirksfilmstudio Leipzig), wird man in den Böhme A.-G. unter Leitung eines Dipl.-Ing. Einstellungen, den stoischen Marsch von NS- Chemnitzer und Freiberger Abteilungen des H. Reumuth. Somit ging die Entwicklung Uniformen, -fahnen und -symbolen wider die Sächsischen Staatsarchivs kaum umfangrei- neuartiger FEinWAschmittel („FEWA“) ein- Naturgewalten. chere AV-Bestände vorfinden. Zwar existiert her mit filmischen Studien über die Wirkung auch in Chemnitz ein größeres Filmarchiv, dies verschiedener Härtegrade des Wassers oder Ende 1935 arbeiten „17 000 Volksgenossen jedoch bei der Wismut GmbH im Bundesbe- die Zerstörung von Wolle und Seide durch … in 7 Autofabriken zur Herstellung von sitz. Ebenso fällt der sichtbare Ertrag privater konventionelle Seifen. Höhepunkt der frühen DKW- und Wanderer-Kraftfahrzeugen“, ist Initiativen zur Sicherung kinematografischer Böhme-Filme ist der Titel „Geht nicht ein und aus dem 16-mm-Stummfilm „AUTO UNION Bestände örtlich unterschiedlich aus: Wäh- geht nicht aus …“, zu datieren etwa 1936/37. im Kampf um Deutschlands Wiederaufbau rend in Leipzig das bürgerschaftliche Enga- In einer Spielfilm-Handlung entwickeln die und Weltgeltung“ (Bestand 31050 Auto Uni- gement frühzeitig im Staatsarchiv aufging, Darsteller Käthe Itter und Otto Daue den on AG, Chemnitz) zu erfahren. Neben der profiliert sich in Chemnitz ein privater Film- Rahmen: Gäste einer „hauswirtschaftlichen Automobil-Produktion werden technische Sammler erfolgreich im Internet (vgl. http:// Ausstellung“ nehmen das öffentliche Probe- Bewährungsproben bei Auto-Renn-Veran- filmarchiv-chemnitz.jimdo.com/). Auch am waschen mit einem beliebigen „selbsttätigen staltungen in ganz Europa dokumentiert, ein Beispiel verwaltungsnaher Audio-Bestände Waschmittel“ in Anspruch. Der Dramaturgie weiterer Streifen gilt speziell der Produkti- werden regionale Unterschiede in der Überlie- wegen gehen die Kleidungsstücke ein, die Far- onsstätte in Chemnitz-Siegmar. Angesichts ferungsbildung deutlich. So sind nur in Dres- be läuft aus, womit sich der Filmtitel erklärt. der Bedeutung der sächsischen Fahrzeug- den und Leipzig Magnettonband-Mitschnitte Allein das beworbene Feinwaschmittel der Tradition konnte diese schmale Überlieferung der Bezirkstags-Sitzungen staatlich gesichert, Fa. Böhme hätte den Schaden an der Gar- kürzlich ergänzt werden durch Erwerbungen wie auch die Aufführungen zeitgenössischer derobe vermeiden können, der freilich zum aus einem privaten Rennsport-Archiv, das die Musik in den Beständen der Bezirksverbände Unterhaltungswert des Stummfilms erheblich 16-mm-Originalfilme abgegeben hat, die von der Komponisten und Musikwissenschaftler beiträgt. Der Mittelteil des Films enthält eine den Werks-Fahrern der Auto-Union in aller der DDR. Aus der dritten früheren Bezirks- regelrechte Belehrung über chemisch-physi- Welt aufgenommen wurden. hauptstadt Sachsens, Karl-Marx-Stadt, ist kalische Hintergründe des Wäsche­waschens. dergleichen nicht überliefert. Sodann wird Holzspielzeug zwecks völkischer Im Bestand „13782 Sammlung Bewegtbil- Agitation animiert: Nachdem die Hausfrau der“ befindet sich aus dem Jahre 1938 das Nachdem hiermit geklärt ist, was im Staats- nicht mehr Importware, sondern bei Böhme zunächst unpolitisch erscheinende Fragment archiv Chemnitz nicht erwartet werden kann, einkauft, wird der deutsche Gruß gezeigt. In „Zschopau – die 700-jährige Stadt./Ein Film zeigt ein bestandsübergreifender Blick vielfäl- der optimistischen Schlusssequenz steigt ein vom Zschopauer Heimatfest 1938“. Unter tige Inhalte aus der Chemnitzer Region, vor Kinderballett aus dem Waschzuber, dies unter allem im Industriefilm. So sind im Bestand Beifall des Woll-„Monsters“, der ursprüngli- „30878 Konsumgenossenschaftsverband des chen FEWA-Werbefigur. Erst nach der Firmen- Bezirkes Karl-Marx-Stadt und Vorgänger“ Übernahme durch Henkel wurde als Werbeträ- stumme Nitro-Filme enthalten, die zu vier ger die freundlichere FEWA-Johanna etabliert, Titeln aus den 1920er Jahren gehören, darun- die in mehreren UFA-Filmen des Trickfilmpio- ter der erste Akt von „Gesunder Trank – ge- niers Hans Fischerkoesen auch im Chemnitzer sunde Menschen“. Es handelt sich um einen Bestand überliefert ist. Werbe- und Aufklärungsfilm für die Malzkaf- fee-Marke der Konsum-Großeinkaufsgenos- Während sich in den Böhme-Filmen die her- senschaften (GEG) Mannheim und Chemnitz. aufziehende NS-Zeit erst andeutet, zeigt sich Unter Verwendung schematischer, animierter in den zwei überlieferten Nitro-Film-Frag- Darstellungen wird die Zusammensetzung menten aus dem „Bestand 31031 Gottfried und Herstellung von Gerstenkaffee vermit- Hilscher KG, Wirkmaschinenbau, Chemnitz“ telt. Weitere professionelle Konsum-Filme be- bereits die enge Verflechtung der Wirtschaft ziehen sich auf „Die GEG Fleischwarenfabrik mit den politischen Strukturen. So wird der „Gesunder Trank – gesunde Menschen“, Standbild aus Oldenburg I/O“, auf „Die Berliner Konsumge- Tod des Betriebsführers, des Sohns der Fa- dem gleichnamigen Film (Sächsisches Staatsarchiv, Staatsarchiv Chemnitz, 30878 Konsumgenossen- nossenschaft“ und den „Konsumverein Wohl- brikantenfamilie, der bei einem Sportunfall schaftsverband des Bezirkes Karl-Marx-Stadt und fahrt /Bochum“. ums Leben kam, zum Anlass einer Manifesta- Vorgänger, Nr. 3)

Sächsisches Archivblatt Heft 1-2015 | 12 Standbild aus „Zschopau – die 700-jährige Stadt./Ein Film vom Zschopauer Heimat- Standbild aus dem Film des VEB Bergbau- und Hüttenkombinat „Albert Funk“, Freiberg fest 1938“ (Sächsisches Staatsarchiv, Hauptstaatsarchiv Dresden, 13782 Sammlung „Edelmetall – Erzeugnisse und Sonderwerkstoffe“ (noch in archivischer Bearbeitung; Bewegtbilder, Nr. 4) vorl. Signatur StAF-001) dem „Protektorat unseres Bürgermeisters …“ die deutschsprachige Fassung nur fragmenta- Oelsnitz abgegeben hat, war der Titel wohl bedient der örtliche Fotograf die stumme risch überliefert ist, sind die französische und nur für den internen Gebrauch bestimmt: Dem Kamera, zwei Lehrer wirken beim Schnitt die englische Fassung komplett. Die militäri- Deutschen Rundfunkarchiv war er unbekannt. mit und entwerfen die Text-Tafeln. „Unser sche Kehrseite der Fahrzeugproduktion zeigt Erzgebirgsmädel“ gibt in farbenfroher Tracht der sog. Sonderstreifen „Fahrzeugerprobung Die Bergleute selbst haben mit frühen Ama- dem vorwiegend dokumentarischen Film ei- im Wüstengelände Ägyptens“ aus dem glei- teurfilmen im 8- und 16-mm-Format sowohl nen inszenierten Rahmen. Der Hauptteil des chen Jahr, als Unikat überliefert, schwarz- unter Tage als auch von der Alltagswelt zahl- Films zeigt Aufmärsche anscheinend aller weiß und stumm. Dem Fußgänger galten die reiche Filmdokumente hinterlassen, wie etwa Gruppen der Zschopauer Bevölkerung unter Strumpf-Werbefilme des VEB Feinstrumpf- den Stummfilm mit Zwischentiteln „Die neue der NS-Fahne mit nur wenigen zivilen Mo- werke Esda, Thalheim/E. (Bestand 31362 Schedewitzer Brücke“, hergestellt 1959 von menten, etwa dem abendlichen Tanz auf der VEB Feinstrumpfwerke Esda, Thalheim/E., einem Fotozirkel (Bestand Fotografien und Straße. Abschließend wird behauptet: „Deitsch Stammbetrieb des VEB Strumpfkombinat Druckplatten aus dem Zwickauer Steinkoh- un frei/wolln mer sei/un do bleibn mer aah Esda Thalheim/E. und Vorgänger; russisch/ lenbergbau). Die neue Schedewitzer Brücke derbei, /weil mer/Arzgebergler sei!“. Während deutsch), der Hausfrau die Fließstrecke zur wird in Betonbauweise errichtet, zuvor muss der Typus Jubiläums-Festzug durchaus eine Produktion der DDR-typischen Waschma- die Gaststätte „Weißes Roß“ abgerissen wer- serielle Erscheinung in der regionalen Medien- schine WM 66 Schwarzenberg (Bestand den; die Anschlussstraßen werden gebaut Überlieferung ist, wirken hier der Umfang 30992 VEB Haushaltgeräte Karl-Marx-Stadt, (darunter: Frauen bei Erdarbeiten), schließ- (1:20 h), der frühe Farbfilm-Anteil (fast 1/3) Stammbetrieb des VEB Kombinat Haushaltge- lich passiert die letzte Straßenbahn die alte und die Umsetzung bemerkenswert. Produ- räte Karl-Marx-Stadt, und Vorgänger). Dane- Brücke. Am 29. September 1958 übergibt der zent, Thema, Filmteam und medientechnische ben enthalten die Chemnitzer Industriefilme Oberbürgermeister in volksfestähnlichem Mittel nahmen den Auftragsfilm späterer zahlreiche Darstellungen zum Maschinenbau Rahmen die neue Brücke dem Verkehr. Parolen DDR-Amateurfilmgruppen vorweg: Bereits und zur Textilproduktion in der DDR. lauten „Arbeite mit – plane mit – regiere mit“ 1938 wurde fernab der großen Medienzent- oder „Wir bauen unsere Brücken für den Frie- ren in Mitteldeutschland das Machbare ge- Die AV-Überlieferung des Bergarchivs Freiberg den“. 1959 rollt schließlich die „Internationale leistet. – Zum Zweiten Weltkrieg und seinen setzt mit zwei stummen Nitrofilmen um 1930 Radrennfahrt für den Frieden“ über die neue unmittelbaren Folgen existiert im Staatsarchiv ein: „Erzgebirgischer Steinkohlen-Aktien- Schedewitzer Brücke. Bestandsergänzend Chemnitz keine Medien-Überlieferung, wie in Verein Zwickau, Sa.“, und „‘Flottmann‘ – Fa- wurde das Lebenswerk des Oelsnitzer Film­ den anderen Archivabteilungen auch. brikate im Bergbau zum Hereingewinnen der amateurs Gerhard Milde übernommen, der Kohle und Vortrieb von Strecken im Gestein“, als Markscheider im Bergbau tätig, daneben In zahlreichen Beständen aus der DDR-Zeit beide hergestellt von Münchener Filmprodu- jedoch von 1958 bis 1992 im privaten Bereich sind in Chemnitz Film-Dokumente über- zenten. Vermittelt wird die heute kaum noch mit der stummen 8-mm-Kamera unterwegs liefert, die den privaten Konsum betreffen. vorstellbare, schwere und gefährliche Er- war: Familiäre Ereignisse wie die Hochzeit der Auf großes Benutzerinteresse treffen Filme werbstätigkeit der sächsischen Bergleute und Tochter im Haus des Volkes, Urlaube in der zu verschiedenen DDR-Fahrzeugtypen, die Kokerei-Arbeiter, zugleich die Primitivität der näheren und weiteren Heimat, Dienst- und in mehreren Beständen enthalten sind. Hin- verwendeten Hilfsmittel. Als Mitte der 1960er Fernreisen in das sozialistische Ausland wur- zuweisen wäre etwa auf den Titel „Testfahrt Jahre der Steinkohlen-Bergbau in Sachsen be- den ordentlich dokumentiert. Dass er zu jeder durch Ägypten“ (Bestand 30918 VVB Auto- endet wurde, stellte sich die Frage nach der in- Jahres- oder Themenrolle einen ausführlichen mobilbau, Karl-Marx-Stadt), 1956 hergestellt dustriellen Konversion, die in dem Film „Kohle Vermerk gefertigt hat, bietet einen erweiter- durch die DEFA im Auftrag des Ministeri- – Kumpel – Perspektiven“ erwartungsgemäß ten Erkenntnisgewinn und trug zur positiven ums für allgemeinen Maschinenbau, mit der optimistisch beantwortet wurde. Hergestellt Bewertungsentscheidung bei. spektakulären Vorbeifahrt einer Kolonne von vom DDR-Fernsehen, jedoch überliefert in DDR-Fahrzeugen an einer Pyramide, in Farbe, einer – bei weitem noch nicht aufgearbeite- Stefan Gööck unterlegt mit Sinfonieorchester. Während hier ten – Filmsammlung, die das Bergbaumuseum (Archivzentrum Hubertusburg)

Sächsisches Archivblatt Heft 1-2015 | 13 Leipziger Messe – Tor zur „Daten-Welt“. Messebestände elektronisch erschlossen

Im Jahr 2015 begeht die Stadt Leipzig meh- im August 1945 die Arbeit wieder auf. Die erste trokonversion in die Archivdatenbank einge- rere Jubiläen: Neben der Tausendjahrfeier Nachkriegsmesse fand im Mai 1946 statt. Im geben werden, weitere Teile mussten neu er- der Ersterwähnung von „urbs libzi“ als Höhe­ November 1950 wurde das Leipziger Messe- schlossen werden. Durchgehend überarbeitet punkt steht mit dem 850. Jubiläum der Leip- amt – Körperschaft des öffentlichen Rechts wurde die Ordnung der Bestände. ziger Messe ein weiteres wichtiges Datum an. – in einen volkseigenen Betrieb als Anstalt öf- Im sog. Stadtbrief des Markgrafen Otto von fentlichen Rechts umgewandelt. Heute liegt Meißen (verliehen zwischen 1156 und 1170) die Organisation und Förderung der Messen in Der Hauptteil der Überlieferung des Leipziger wurden Stadt- und Marktrecht für Leipzig den Händen der Leipziger Messe GmbH, die ein Messeamts im Staatsarchiv ist in zwei gleich- verbrieft. Zahlreiche Veranstaltungen, Aus- eigenes Unternehmensarchiv unterhält. namigen Beständen (bis 1945 und DDR-Zeit) stellungen sowie eine Fachtagung der Messe- zu finden. Seit seiner Gründung war das Amt gesellschaft widmen sich diesem, die Entwick- Strukturiert war das Messeamt in Abteilungen, verantwortlich für die Organisation, Durch- lung der Stadt Leipzig prägenden Jahrestag. die zeitweise als selbständige Unternehmen führung und Förderung der zweimal jährlich ausgegliedert waren: ab 1917 bestanden die in Leipzig stattfindenden Messen. Etappen Kaufmännische Abteilung und die Literarische und Umbrüche wie der Bau des Geländes der Abteilung (später mit Pressedienst, Bibliothek Technischen Messe am Völkerschlachtdenk- und Archiv). 1919 kam für Grundstücks­fragen mal, Reichsmesse und Rüstungsproduktion, die Technische Abteilung hinzu (ab 1923 Kriegszerstörung und erste „Friedensmesse“ Leipziger Messe- und Ausstellungs-AG). Die sowie die Funktion der Messe für den Ost- Rechtsabteilung und die Verlagsabteilung West-Handel veranschaulichen die wechsel- (ab 1923 Verlagsanstalt des Leipziger Mes- volle Geschichte. So sind in den Unterlagen seamts GmbH) wurden 1921 eingerichtet. Im die Aspekte Ausstellungswesen (einschließlich Jahr 1934 übernahm das Messeamt die selb- Sonderausstellungen), die Einbindung neuer Reklamemarke für das Messehaus „Handelshof“, 1933 (Sächsisches Staatsarchiv, Staatsarchiv Leipzig, 20982 ständige Werbedienst GmbH. Diese zeitweilig Industriezweige oder die Ausstellerwerbung Leipziger Messe- und Ausstellungs-AG, Nr. 201) existierenden Tochtergesellschaften waren or- umfangreich dokumentiert. Auch die Teil- ganisatorisch und personell eng mit dem Mes- nahme einzelner Firmen oder Personen kann Das Staatsarchiv Leipzig konnte rechtzeitig seamt verwoben, deren privatwirtschaftliche durch die überlieferten Messadressbücher zum Jubiläumsjahr seine Findmittel der Mes- Organisation bot vor allem finanzielle Vorteile. (bereits ab 1849) oder der zahlreichen Fotos sebestände überarbeiten und fast vollständig In den Jahren ab 1977 sind die Unterlagen des vom Messegeschehen (ab 1910) nachgewie- elektronisch nutzbar machen. Damit stehen Messeamts und der Messegesellschaften an sen werden. Die Tätigkeit des Messeamts ungleich mehr Informationen zur Messege- das Staatsarchiv Leipzig abgegeben worden. schloss eine genaue Beobachtung der wirt- schichte insbesondere des 20. Jahrhunderts Die umfangreichen Findkarteien zu den Ge- schaftlichen und konjunkturellen Entwicklung auch online zur Verfügung. Für die ältere Mes- schäftsakten, Fotos, Drucksachen, Plakaten ein. Insofern sind umfangreiche Informatio- segeschichte sind daneben das Hauptstaats- und einzelnen Gegenständen stammten noch nen zur Binnenwirtschaft, zum Außenhandel archiv Dresden sowie das Leipziger Stadtarchiv aus dem Verwaltungsarchiv und bildeten bis in sowie politische Einschätzungen vorhanden. zu nutzen. Neben den Rat der Stadt als Orga- die jüngste Vergangenheit die gültigen Find- nisator der Messen trat mit den veränderten mittel. Seit 2008 standen die Messebestände Das Messeamt selbst spiegelt mit seiner Ge- politischen und wirtschaftlichen Bedingungen im Mittelpunkt mehrerer Erschließungspro­ schichte die Umbrüche des 20. Jahrhunderts im Deutschen Kaiserreich der 1892 gegrün- jekte – beginnend mit der viel benutzten Foto- sehr anschaulich wider. Als singuläre Einrich- dete „Messausschuss der Handelskammer“. sammlung des Messeamts I (vgl. Sächsisches tung stand es zwischen den Interessen der Der Erste Weltkrieg und die wachsende inter- Archivblatt 2/2010). Der überwiegende Teil der Wirtschaftsverbände, der Kommune und des nationale Konkurrenz machten eine weitere Erschließungsinformationen konnte durch Re- Staats. Das ständige Ringen um eine solide Institutionalisierung der Messeverwaltung erforderlich, so dass 1916 das „Messamt für die Mustermesse in Leipzig“ gegründet wurde, Übersicht über die Messebestände im Staatsarchiv Leipzig das zunächst als Verein seine Tätigkeit Anfang 1917 aufnahm. 1921 wurde das Messamt in Bestand Laufzeit Umfang eine Körperschaft öffentlichen Rechts umge- 20202 Leipziger Messeamt (I) 1835–1964 71 m, 17 295 Fotos wandelt, 1926 erfolgte die Namensänderung 21000 Leipziger Messeamt (II) 1945–1987 38 m, 27 095 Fotos in Leipziger Messeamt. Weitere Schritte waren 20203 Messeauschuss der Handelskammer Leipzig 1892–1917 2,5 m die Unterstellung unter das Reichsministerium 20982 Leipziger Messe- und Ausstellungs-AG 1913–1950 6 m für Volksaufklärung und Propaganda im Au- 20983 Leipziger Textilmessehäuser Gesellschaften 1921–1950 0,2 m gust 1934 und die Umbenennung in Reichs- 20985 Messehaus Drei Könige Leipzig 1896–1980 1,5 m messeamt 1940. Nachdem im Herbst 1941 20986 Messepalast Handelsstätte Dresdner Hof, Leipzig 1910–1945 1,5 m kriegsbedingt die letzte Mustermesse statt- gefunden hatte, nahm das Leipziger Messeamt 22369 Verlagsanstalt des Leipziger Messeamts GmbH 1921–1950 0,3 m

Sächsisches Archivblatt Heft 1-2015 | 14 sonders hervorzuheben sind dabei das zur Frühjahrsmesse 1925 eröffnete Untergrund- messehaus, als erstes unterirdisches Mes- sehaus der Welt, und der zur Frühjahrsmesse 1927 eingeweihte Petershof mit dem legen- dären Lichtspieltheater Capitol.

Aufgrund der Weltwirtschaftskrise musste die Leipziger Messe- und Ausstellungs-AG Anfang der dreißiger Jahre, v. a. durch den Rückzug von Ausstellern der Technischen Messe und die Kündigung von Messmiet- verträgen, hohe Verluste hinnehmen. Um das Unternehmen zu retten, wurde sein ge- samter Grundbesitz 1932 auf das Leipziger Messeamt übertragen. Die Firma wurde auf diesem Weg in eine reine Vermietungsgesell- schaft umgewandelt. Die vermieteten Quad- ratmeterzahlen stiegen seit 1934 wieder an, die wirtschaftliche Situation der AG stabili- sierte sich. Diese positive Entwicklung fand durch den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs ihr Ende. Bereits 1940 erfolgte die Stilllegung Bauarbeiten zur Untergrund-Messehalle am Markt, August 1924, Fotograf: Paul Faulstich, Leipzig (Sächsisches der Technischen Messe und der Baumesse, die Staatsarchiv, Staatsarchiv Leipzig, 20202 Leipziger Messeamt (I), Nr. F 3308) Messehallen wurden nachweislich durch Rüs- tungsbetriebe, v. a. die Junkers & Co. GmbH, Finanzierung ging mit der Einflussnahme der schlachtdenkmal. Bau und Vermietung von und die Wehrmacht genutzt. Am 10. Februar Messe-Träger auf Themen-Schwerpunkte und Ausstellungsgebäuden lagen in den Händen 1942 wurden alle deutschen Messen durch die Stellenbesetzung einher. Die Umsetzung der Technischen Abteilung des Messeamts, ab das Reichspropagandaministerium abgesagt. zahlreicher Gesetze und Vorschriften des NS- 1923 ausgegliedert als „Leipziger Messe- und Dieser Zustand blieb bis Kriegsende bestehen Staats, besonders das „Gesetz zur Wiederher- Ausstellungs-AG“. Der gleichnamige Bestand und beschränkte die Geschäfte der Gesell- stellung des Berufsbeamtentums“, bewirkten im Staatsarchiv spiegelt die Gründung und schaft auf die bloße Verwaltung ihrer Miet- ab 1933 gravierende personelle Verwerfun- Entwicklung des Unternehmens, die Bewälti- objekte. Den Protokollen der Aufsichtsratssit- gen. Leitende Mitarbeiter wurden versetzt, gung der Folgen der Weltwirtschaftskrise und zungen ist zu entnehmen, dass die schwierige entlassen oder schieden aus unterschiedlichen des Zweiten Weltkriegs wider. Situation des Unternehmens durch schwere Gründen aus, so dass die Arbeitsfähigkeit des Bombenschäden an den Messegebäuden Messeamts stark eingeschränkt war. Ab 1940 Einen Schwerpunkt in der Überlieferung bil- noch verschärft wurde. verschärften kriegswirtschaftliche Einschrän- det dabei die Entwicklung des Ausstellungs- kungen und Zerstörungen die Situation, dazu geländes der Technischen Messe. Bereits Nach Kriegsende kehrte die AG zum norma- kamen Restriktionen der Reichsbehörden 1923 wurde mit dem Bau der Messehalle 9 len Vermietungsgeschäft zurück, das aber und des Oberkommandos der Wehrmacht. für Ausstellungen der Maschinenbauindust- durch die politische Entwicklung und den Nach der Wiedereinrichtung der Messe 1945 rie begonnen. Dieser Halle folgten zahlreiche damit verbundenen Rückzug von Ausstellern bestimmten Befehle der Sowjetischen Mili- weitere Neubauten und die infrastrukturelle aus der Bundesrepublik und dem westlichen täradministration in Deutschland (SMAD) Erschließung des Geländes. Damit wurde die Ausland starken Schwankungen unterworfen und ab 1949 Verordnungen und Direktiven Vermietung der Messehallen ein Hauptstand- war. Schließlich wurde das Unternehmen mit des Ministeriums bzw. der Kammer für Au- bein des Unternehmens, das ständig bestrebt Wirkung vom 5. Dezember 1950 in das Mes- ßenhandel der DDR die Messepolitik. Auch war, neue Messen zu entwickeln und Aus- seamt Leipzig eingegliedert. Seine Aufgaben aus den jüngeren Unterlagen lässt sich die steller zu gewinnen. Aus diesem Grund stand übernahm dessen Abteilung Ausstellerdienst. Sonderstellung des Messeamts ablesen: Die die AG in Verhandlungen mit großen Wirt- Förderung des Handels innerhalb des sozialis- schaftsverbänden wie z. B. dem Verein Deut- Mit der elektronischen Erschließung der tischen Wirtschaftsraums war zu koordinieren scher Maschinenbau-Anstalten. Ein Großpro- Messebestände wird die Auskunftserteilung mit den wirtschaftlich wichtigen Kontakten jekt des Unternehmens war die Anfang der erheblich erleichtert und durch die Online- zu westlichen Ländern, insbesondere zur BRD. dreißiger Jahre errichtete, noch heute beste- Stellung der Findmittel der weltweiten Nach- hende Baumesse-Siedlung in unmittelbarer frage, insbesondere nach Fotografien und fir- Die Entwicklung des Messegeschehens kor- Nachbarschaft zum Ausstellungsgelände. Hier mengeschichtlichen Unterlagen, entsprochen. respondierte auch im 20. Jahrhundert mit konnten den Messebesuchern die Anwendung Für die Archivarbeit selbst wurden gleichzei- Veränderungen im Stadtbild, die erheblichen und Haltbarkeit neuer Baustoffe sowie Bau- tig Grundlagen für weiterführende Projekte Einfluss auf die bauliche Entwicklung Leip- technik in der Praxis vorgeführt werden. der Bestandserhaltung und Digitalisierung zigs hatten. Herausragende Beispiele sind gelegt. der Bau des Untergrundmessehauses unter Den zweiten großen Geschäftszweig der dem Marktplatz und die Erweiterung des AG bildeten Bau und Vermietung moderner Katrin Heil/Birgit Richter Ausstellungsbetriebs um das Areal am Völker­ Messehäuser in der Leipziger Innenstadt. Be- (Staatsarchiv Leipzig)

Sächsisches Archivblatt Heft 1-2015 | 15 Gießmannsdorf – verlorenes Land. Eine Geschichte zum Braunkohlebergbau

Braunkohle – seit mehr als 100 Jahren ge- liebt und gehasst. Das bräunlich-schwarze Sedimentgestein ist ein fossiler Brennstoff, der zur Energieerzeugung verwendet wird und nebenbei Geschichte(n) schreibt, Ge- schichten von Arbeit, bescheidenem Wohl- stand, aber auch von Krieg und Vertreibung. Die Bewohner der vom Braunkohletagebau Jänschwalde-Nord bedrohten Dörfer in der Lausitz wollen den Ausstieg aus der Kohleför- derung und haben dies am 4. Januar 2015 mit einem Sternmarsch bekräftigt. Andererseits beschäftigt der schwedische Energiekonzern Vattenfall in der lausitzer Braunkohle-Indus- trie etwa 8 000 Menschen. Egal für welche Seite das Herz schlägt, Tatsache ist, dass be- reits jetzt viele Dörfer für die Gewinnung von Energie devastiert worden sind. Die Gemeinde Horno im Landkreis Spree-Neiße ist dafür ein Beispiel. Mitte 2004 erfolgte der Abriss der ersten Teile des Dorfes und das letzte Haus musste 2005 geräumt werden. Der Ort ist von Foto vom Haus Nr. 3 (Sächsisches Staatsarchiv, Hauptstaatsarchiv Dresden, 11605 AG Sächsische Werke (ASW), den Landkarten verschwunden. Und doch ist Nr. 2938) es eine Chance des Neuanfangs. Entstanden sind aus vielen Tagebaurestlöchern Badeseen, archiv Dresden als Bestand 11605 verwahrt. eine halbe Stunde von Reibersdorf in höchst Naturschutzgebiete und nicht zuletzt auch Die ASW entstand mit dem Ziel, die seit den angenehmer Gegend auf einer Anhöhe, die Freizeitparks. Belantis ist dafür ein jüngeres Anfängen der Elektrizitätswirtschaft auf eine herrliche Aussichten auf die Lausitzer Gebirge Beispiel. Die Kehrseite der Medaille erlebten große Anzahl von Gemeinden und private und eine Unzahl Ortschaften bietet. Das Dorf die Einwohner von Nachterstedt im Juli 2009. Elektrizitätswerke verteilte Versorgung des besteht aus achtundfunfzig Häusern mit fast Es kam im Ortsbereich zum Abbruch eines Landes mit Strom auf der Basis der in Sachsen dreihundert Einwohnern, darunter funfzehn etwa 350 Meter breiten Landstreifens in den vorhandenen Braunkohle zusammenzufassen. Gärtner und neunzehn Häusler befindlich südlichen Ausläufer des Concordiasees. Auf Grund eines am 14. März 1924 mit dem sind. Die Hauptnahrungszweige der Bewohner Freistaat Sachsen abgeschlossenen Vertrages Giess­mannsdorfs sind Ackerbau, Viehzucht Diese und ähnliche Ereignisse sind eng mit übernahm die ASW die Braunkohle- und Elek- und Leinweberei.“ dem Kohleabbau nicht nur im Lausitzer und trizitätsunternehmen einschließlich eines um- Mitteldeutschen Braunkohlerevier verbunden. fangreichen Grundbesitzes vom Freistaat. Die Knapp hundert Jahre später, im Jahr 1943, be- Auch in der östlichen Oberlausitz gab und gibt ASW forcierte die sächsische Braunkohlenför- gann dann die ASW mit dem Kauf von Grund- es, wie die Überlieferung im Hauptstaats­ derung. Im Rahmen der Autarkiebestrebungen stücken in Gießmannsdorf mit dem Ziel, die archiv Dresden und im Bergarchiv Freiberg wuchs die Bedeutung des sächsischen Braun- ganze Gemeinde umzusiedeln. Dazu wurden zeigt, vor allem im heutigen Polen große kohletagebaus. Dazu wurde vom NS-Regime detaillierte Pläne ausgearbeitet. Nach einem Braunkohletagebaue. Bei Türchau wurde die Braunkohlehydrierung zur Gewinnung von Plan über die Erweiterung des Tagebaus soll- zu Beginn des 19. Jahrhunderts ein großes Treibstoff massiv gefördert. Auf der Grund- ten die ersten Häuser 1944/45 den Baggern Braunkohlevorkommen entdeckt. Der Braun- lage des reichen Braunkohlevorkommens im zum Opfer fallen. Eine besondere Brisanz für kohleabbau begann zunächst im Tief- und Türchauer Gebiet beschloss die ASW, die Be- die Bewohner erhält die Umsiedlung durch die ab 1907 im Tagebau. Den Abbau der Braun- wohner einer kleinen Gemeinde im äußersten Tatsache, dass das Land östlich der Neiße nach kohle betrieb die Herkules AG, welche 1917 Osten Sachsens umzusiedeln und danach den dem 8. Mai 1945 dem polnischen Staatsge- vom sächsischen Staat aufgekauft wurde. Ort im Tagebau untergehen zu lassen. Die Ge- biet einverleibt wurde. Alle Bewohner, die bis Zur Verarbeitung der Kohle entstanden 1907 meinde hieß Gießmannsdorf und gehörte zur 1945 noch nicht durch die ASW vertrieben und 1908 in Hirschfelde zwei Brikettfabriken Amtshauptmannschaft Zittau. Um 1860 wird wurden, mussten bis zum 22. Juni 1945 den und im April 1911 ging dort das erste Kraft- der Ort von Otto Moser im Album der Ritter- Ort auf Anweisung der polnischen Verwaltung werk in Betrieb. Das verstärkte Engagement güter und Schlösser des Königreichs Sachsen verlassen. des Staates im Energiesektor führte 1923 zur wie folgt beschrieben: „Giessmannsdorf, ein Gründung der staatlichen „Aktiengesellschaft stattlicher Ort mit einem schönen Schlosse, Die letzten Tage von Gießmannsdorf sind Sächsische Werke“ (ASW), deren schriftliche liegt am Ufer der Neisse, eine Stunde von Zit- aus den Akten der ASW im Hauptstaats- Hinterlassenschaften heute das Hauptstaats- tau, eine Viertelstunde von Hirschfelde und archiv Dresden abzulesen. Wie sah dieses

Sächsisches Archivblatt Heft 1-2015 | 16 (20 m²) und 1 Stallung (7 m²). Alle Räume hatten elektrisches Licht, aber nur ein Raum war beheizbar. Zum Haus gehörten 230 m² Gartenland mit 16 Obstbäumen und 35 Bee- rensträuchern. Darüber hinaus betrieb die Fa- milie Neumann Kleintierhaltung. Dazu zählten Hühner, Kaninchen und auch 2 Ziegen. Den Fragebogen füllte Neumann selbst aus. Die ASW beschrieb dagegen im November 1942 das Haus etwas sachlicher: „Altes Fachwerk- haus, Erdgeschoss massiv, Brettergiebel, Strohdach, hinterer massiver Abseitenanbau mit Ziegel eingedeckt, Abort im Freien, Kel- ler im Freien eingebaut, 2 Holzschuppen im Freien.“ Das Haus und der Grund und Boden wurden auf einen Wert von 3 100 Reichsmark geschätzt. Der Tauschvertrag, in dem die Par- teien ausdrücklich erklärten, „das Juden an diesem Rechtsgeschäft nicht beteiligt sind“, datiert vom 26. Juni 1943.

Das Foto vom Gebäude wurde von der ASW am Foto vom Haus Nr. 4 (Sächsisches Staatsarchiv, Hauptstaatsarchiv Dresden, 11605 AG Sächsische Werke (ASW), 23. Juni 1942 aufgenommen. Neumann selbst Nr. 2938) äußerte den Wunsch, nach „Wittgendorf, da dort keine Flugasche und Rauchbelästigung durch die ASW und Karbidfabrik vorliegt“, um- zusiedeln. Dieser Wunsch fand aber bei den Planungen der ASW keine Berücksichtigung. Die ASW vereinbarte mit Neumann ein Grund- stück mit Haus in Drausendorf als Tausch- objekt. Durch die Kriegsereignisse war eine direkte Umsiedlung nach Drausendorf nicht möglich, deshalb sollte das Gießmannsdorfer Grundstück zuerst mit einem Grundstück in Seitendorf getauscht werden, um dieses dann nach Fertigstellung eines Hauses in Drausen- dorf zu tauschen. Neumann hatte sich ent- schieden, die Zwischenlösung Seitendorf nicht in Anspruch zu nehmen, daher war für ihn ein Umzug nach Dittelsdorf Nr. 4 vorgesehen. Aus dem Schriftverkehr geht aber hervor, dass die Familie Neumann noch bis zur Auswei- sung im Juni 1945 in Gießmannsdorf wohnte und letztendlich eine Wohnung im Bahnhof Hirschfelde bezog.

Foto vom Haus Nr. 8 (Sächsisches Staatsarchiv, Hauptstaatsarchiv Dresden, 11605 AG Sächsische Werke (ASW), Das Haus Nr. 3 wurde erst am 15. April 1946 Nr. 2938) abgerissen (gesprengt). Das Schicksal der Fa- milie Neumann ist natürlich nur ein Beispiel, Dorf aus, wie seine Häuser? Wer waren die nen Platz gerückt werden. Das Dorf entsteht denn gleiches oder ähnliches können auch der Bewohner? Diese Fragen können zum Teil die dadurch virtuell neu. Ofensetzer und Fliesenleger Karl Zimmermann stummen Zeugen der Geschichte, die Ak- in Nr. 4 oder der Landwirt Emil Gruner in der ten, beantworten. In langen Verhandlungen Aber die Grundstücksakten erzählen auch Nummer 8 erlebt haben. Heute befindet sich wurde den Grundstücksbesitzern die Um- spannende Geschichten. Der bei der Reichs- an der Stelle des Ortes Gießmannsdorf das siedlung schmackhaft gemacht. Es existiert bahn, Betriebsamt Zittau, beschäftigte Wei- polnische Braunkohlenrevier Turów. 2004 ar- von jedem Grundstück eine Akte. Man hat chenwärter Ernst Reinhold Neumann lebte beiteten in der Grube etwa 1 100 Menschen. sogar, und das ist vielleicht auch das Be- mit seiner Ehefrau Alma, geb. Noack, ohne Dabei waren 40 Schaufelradbagger und 5 Ab- merkenswerteste, von jedem Haus, bis auf Kinder im Haus mit der Nummer 3. Laut setzer im Einsatz. Die Länge der Förderbänder wenige Ausnahmen, ein Schwarz-weiß-Foto Eigen­tümerfragebogen bestand das Haus betrug über 100 km. angefertigt und der Akte beigefügt. Anhand aus 1 Stube (16,25 m²), 2 Kammern (9,10 m² eines Gesamtplanes des Ortes, welcher auch und 16,50 m²), 1 Bodenraum (40 m²), 1 Kel- Bernd Scheperski überliefert ist, kann jedes Haus wieder an sei- ler, 1 Schuppen, 3 Nebengelasse, 2 Vorsäle (Hauptstaatsarchiv Dresden)

Sächsisches Archivblatt Heft 1-2015 | 17 Gottfried Huppertz – Werke des „Metropolis“- Filmkomponisten ermittelt

Immer wieder kommt es vor, dass durch Zufall wahre Schätze in Archiven entdeckt werden, die entweder längst in Vergessenheit geraten waren oder von deren Existenz man noch nicht wusste. Auch die über 700 Meter umfassende Überlieferung von Musikverlagen im Staats- archiv Leipzig bietet noch so manche Über- raschung. Im Oktober 2014 war es wieder so weit, als Autographe des Komponisten Gott- fried Huppertz ermittelt wurden – eines Kom- ponisten, der heute besonders durch die von ihm geschriebene Filmmusik zum Kinoklassiker „Metropolis“ aus dem Jahr 1929 bekannt ist.

Gottfried Huppertz wurde am 11. März 1887 in Köln geboren. Während seines Musikstudi- ums am dortigen Konservatorium begann er zu komponieren und arbeitete anschließend als Opernsänger und Theaterschauspieler in Freiburg i. Br., Breslau und Coburg. Kurz nachdem Huppertz 1920 nach Berlin gezogen war, lernte er durch seinen Jugendfreund, den Schauspieler Rudolf Klein-Rogge, die Auto- rin und den Regisseur kennen, mit denen er an verschiedenen Stummfilmproduktionen zunächst als Schau- spieler („Dr. Mabuse, der Spieler“, 1922) und dann als Filmmusikkomponist arbeitete („“, 1924, „Zur Chronik von Gries­ Sächsisches Staatsarchiv, Staatsarchiv Leipzig, 21070 C. F. Peters, Leipzig, Nr. 5732 (Ausschnitt) huus“, 1925 und „Metropolis“, 1927). Neben weiteren Filmmusiken, unter anderem zu dem tographe des Komponisten befanden, wurden enthält Archivalien im Umfang von 115 Me- ersten Karl-May-Tonfilm „Durch die Wüste“ die bisher nur unzureichend erschlossenen tern, die neben Musikalien zahlreicher Kom- (1936), schrieb Huppertz auch einige Lieder Musikalien im Rahmen eines musikwissen- ponisten, u. a. Edvard Grieg und Louis Spohr, und arrangierte Werke anderer Komponisten. schaftlichen Praktikums durch die Verfasserin vor allem Korrespondenz des Verlags mit Er starb am 7. Februar 1940 an den Folgen genauer verzeichnet. Es handelt sich dabei um Komponisten und anderen Geschäftspartnern eines Herzinfarktes in Berlin. Für beinahe vier- Arrangements verschiedener Lieder und Tänze umfassen. Darunter befinden sich auch die zig Jahre geriet er fast völlig in Vergessenheit, für Salonorchester, um die der Verlag C. F. Pe- genannten Briefe von Gottfried Huppertz aus bis er vor allem aufgrund seiner Mitarbeit an ters Huppertz gebeten hatte. Chant d’amour einem Zeitraum zwischen 1929 und 1935, in „Metropolis“, einem Meilenstein der Filmge- von Sigismund [Sigismond] Stojowski und die denen er mit Mitarbeitern des Verlags die oben schichte, wiederentdeckt wurde. Spanischen Tänze von Moritz Moszkowski genannten Arrangements bespricht. Interes- erschienen Huppertz für Arrangements ge- sant ist auch seine auf Bitte des Verlags vorge- Im Oktober 2014 wurden bisher unbekannte eignet, ebenso verschiedene Lieder von Hugo nommene Einschätzung üblicher finanzieller Werke von Huppertz auch im Staatsarchiv Wolf sowie die lyrischen Stücke „Hochzeitstag Forderungen bei der Nutzung eines Werkes Leipzig ermittelt, was der internationalen auf Troldhaugen“, „Erotik“, „An den Frühling“ für Filmvertonungen. Bei den nun neu ermit- Vernetzung in Zeiten des Internet zu ver- und das Lied „Ich liebe dich“ von Edvard Grieg. telten Musikalien handelt es sich hauptsäch- danken ist: Der Hinweis auf die Existenz von lich um autographe Arbeitsmanuskripte der Briefen Huppertz‘ im Staatsarchiv Leipzig im Die Arrangements entstanden zwischen 1929 Partituren. Trotz vorhandener Stichvorlagen Wikipedia-Personeneintrag führte zu einer und 1930, daher wurden die Musikalien vom mit Anweisungen für den Stecher scheinen die Anfrage eines amerikanischen Musikwissen- Bestand 21109 VEB Edition Peters Leipzig in Arrangements nicht veröffentlicht worden zu schaftlers beim Staatsarchiv Leipzig. Im Zuge den Bestand 21070 C. F. Peters, Leipzig, über- sein. So wurden die Werke nicht bekannt und der Auskunftserteilung gerieten Musikalien im führt. Letzterer beinhaltet das Archivgut des auch nicht gesucht – bis eine Anfrage aus den Bestand 21109 VEB Edition Peters in den Blick, im Jahr 1800 gegründeten Verlags C. F. Peters, USA zu ihrer Ermittlung führte. die bisher undatiert und ungenau verzeichnet welches zu den vollständigsten Dokumenta- waren. Als sich bei der Prüfung herausstellte, tionen eines Leipziger Verlags gehört, die bis Elisabeth Veit dass sich unter den Noten auch zahlreiche Au- heute erhalten geblieben sind. Der Bestand (Staatsarchiv Leipzig)

Sächsisches Archivblatt Heft 1-2015 | 18 „Akten – Akteure – Erinnerungen“ – Veranstaltung der BStU-Außenstelle Chemnitz zur politischen Wende von 1989 im Staatsarchiv Chemnitz

In den vergangenen Jahren hatten sich engere BStU-Außenstelle Chemnitz, Holm-Henning Friedensbewegung, Mitinitiator und Koor- Kontakte zwischen dem Staatsarchiv Chemnitz Freier, führte in das Thema des Abends ein und dinator des Neuen Forums im Bezirk Karl- und der Außenstelle Chemnitz des Bundes- dankte den Diskutanten für die Bereitschaft, Marx-Stadt, zuletzt BStU-Außenstellenleiter beauftragten für die Unterlagen des Staats­ ihre Erinnerungen an die Wende miteinander in Chemnitz, nahmen Dr. Günther Bartsch, sicherheitsdienstes der ehemaligen DDR auszutauschen. Dabei zitierte er aus verschie- seinerzeit Mitglied der Landessynode der (BStU) entwickelt. Anlässlich der Eröffnung denen zeitgenössischen Unterlagen der BStU- Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sach- des neuen Archivgebäudes entstanden erste Außenstelle, womit die Situation im Oktober sens und Sprecher des Neuen Forums im Be- Überlegungen, den neuen Vortragssaal des 1989 streiflichtartig wiedergegeben wurde. zirk Karl-Marx-Stadt, sowie Pfarrer Stephan Staatsarchivs Chemnitz auch für gemeinsa- Brenner auf dem Podium Platz. me Veranstaltungen zu nutzen. Dafür spre- Einstimmen auf das Thema sollte anschlie- chen auch die innenstadtnahe Lage des neuen ßend der Film „Der 7. Oktober in Karl-Marx- In der Diskussion wurden die persönlichen Er- Staatsarchivs und die gute Verkehrsanbindung. Stadt. Eine Spurensuche“. Die Arbeit, die 2012 lebnisse und Erfahrungen aus dem zeitlichen mit dem 2. Preis des Chemnitzer Bürgerprei- Abstand heraus reflektiert und die damalige Eine erste gemeinsame Veranstaltung fand ses ausgezeichnet wurde, hatten Jugendliche Stimmung, mit allen Ängsten und Hoffnun- nun anlässlich des 25-jährigen Jubiläums der unter Verwendung von Filmaufnahmen des gen, aber auch den Zielen und Wünschen, politischen Wende in der DDR am 22. Okto- Staatssicherheitsdienstes und Zeitzeugen­ die die Menschen mit der Wende verbanden, ber 2014 unter dem Titel „Akten – Akteure – interviews produziert. nochmals verdeutlicht. Dankbarkeit und nach- Erinnerungen: Der Herbst 1989 im Spiegel von träglich auch Erleichterung über die friedliche Stasi-Akten und Zeitzeugenberichten“ statt, Der Film bildete einen ausgezeichneten Hin- und erfolgreiche Ablösung der SED-Diktatur die von der BStU-Außenstelle inhaltlich vor- tergrund für die anschließende Diskussion, die schwangen in den Meinungen mit, die im bereitet wurde. von Dr. Christian Halbrock, BStU Berlin, mit Blick nach vorn mit dem Resümee endeten, einem Impulsreferat eingeleitet wurde. Er ging dass es stets lohnt, sich für Demokratie und In seiner Begrüßung erinnerte Raymond dabei besonders auf die damalige Situation im Freiheit zu engagieren. Gerade der jüngeren Plache, Leiter des Staatsarchivs Chemnitz, Bezirk Karl-Marx-Stadt und den bedeutenden Generation müsse vermittelt werden, wel- eingangs daran, dass es vor allem die BStU Beitrag der Menschen dieser Region für die che Entwicklungs- und Entfaltungschancen und die staatlichen Archive sind, die die we- Wendebewegung ein, der nicht selten vor dem die freiheitlich-demokratische Ordnung bie- sentlichen Überlieferungen des Staates, aber Hintergrund der Leipziger Montagsdemons­ tet. Bedauert wurde allerdings, dass mit der auch der Parteien und Massenorganisationen trationen ungerechtfertigt in deren Schatten Wiedervereinigung nicht noch mehr positive der DDR verwahren. Die spezifischen Blick- gerät. Erfahrungen aus der Wende in das vereinigte winkel, die sich in den Unterlagen der Par- Deutschland eingebracht werden konnten. teien und Massenorganisationen, des Staats- In der Podiumsdiskussion sollte besonders sicherheitsdienstes und weiterer staatlicher die Rolle der Kirchen in der Wende betrachtet An der Veranstaltung nahmen auch zahlrei- Stellen widerspiegeln, ergänzen sich gegen- werden. Entsprechend war auch die Zusam- che Zeitzeugen teil, die sich intensiv in die seitig. So entsteht ein facettenreiches und mensetzung der Diskutanten gewählt. Neben Diskussion einbrachten. Gegen Ende entrollte vollständigeres Bild der DDR. Der Leiter der Dr. Martin Böttger, Mitglied der kirchlichen Dr. Klaus Herziger ein Transparent, das er für die Demonstrationen im Herbst 1989 gefertigt hatte, und überließ es schließlich zur dauern- den Bewahrung dem Staatsarchiv Chemnitz. Das Transparent ist – ergänzt um erläuternde Angaben zu den Hintergründen und unmittel- baren Zusammenhängen, die damit verbun- den sind – inzwischen in den Bestand 32885 Zeitgeschichtliche Sammlung des Staats­ archivs Chemnitz aufgenommen worden.

Unerwartet und erfreulich hoch war die Reso- nanz mit 90 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Inzwischen gibt es Überlegungen, weitere Veranstaltungen im Staatsarchiv Chemnitz durchzuführen. Derzeit finden Vorabsprachen für einen Vortragsabend im Juni statt.

Raymond Plache Podiumsdiskussion im Vortragssaal des Staatsarchivs Chemnitz (Foto Viola Dörffeldt) (Staatsarchiv Chemnitz)

Sächsisches Archivblatt Heft 1-2015 | 19 Lagerorte auf Knopfdruck – Einführung des AUGIAS- Archiv-Magazinmoduls im Staatsarchiv Chemnitz

Die Neuunterbringung des Staatsarchivs Chemnitz bot Gelegenheit, auch Arbeits- prozesse aufgabenkritisch zu hinterfragen und effizienter zu gestalten. Im Sinne der Staatsmodernisierung und der E-Government-Strategie des Freistaats wurde diese Ge- legenheit unter anderem mit der Neuorganisation der Ma- gazinverwaltung im Staatsar- chiv Chemnitz genutzt.

Nach eingehender Prüfung verschiedener Lösungsvarian- ten wurde 2011 beschlossen, statt der bisher genutzten, externen Lagerungsdaten- bank die Lagerortsdaten in das Programm AUGIAS-Ar- chiv zu integrieren. Diese Ar- chivsoftware, die bislang vom Sächsischen Staatsarchiv nur bei der Erschließung des Ar- chivgutes und der Verwaltung der Archivbenutzer eingesetzt wurde, verfügt zu diesem Zweck über ein entsprechen- des Magazinverwaltungsmo- dul. Dessen Einführung im Staatsarchiv Chemnitz wurde als Pilotprojekt Lagerungsdatenbank für den bisherigen Standort Europark organisiert, um Erfahrungen zu sammeln, auf die bei der anschließenden Implementierung des AUGIAS-Magazinmoduls in allen anderen – daraus resultierender geschätzter Erfas- und damit besser geeignet für die verschie- Abteilungen des Sächsischen Staatsarchivs sungsstand in AUGIAS-Archiv ca. 57 % denen, IT-gestützten Vorbereitungsarbeiten zurückgegriffen werden kann. Das Sächsische – Anzahl erfasster Regalfächer in der Lage- zur Implementierung in das Magazinverwal- Staatsarchiv strebt damit eine Verringerung rungsdatenbank ca. 16 000 tungsmodul. des Arbeitsaufwands bei den Arbeitsprozes- sen im Magazin- und Benutzungsbereich an, Grundlage für die Einbindung der Lagerorts- Mit dem Pilotprojekt sollten folgende Ziele womit die Folgen des Personalabbaus zumin- verwaltung in AUGIAS-Archiv musste die erreicht werden: dest teilweise abgemildert und ein Beitrag Lagerungsdatenbank sein, da nur hier eine – Der Lagerortsnachweis auf Fachebene hat- zur Aufrechterhaltung der Arbeitsfähigkeit weitgehend vollständige Erfassung sämtli- te sich am alten Standort bewährt und soll geleistet werden sollen. cher Archivalien vorlag. Der Erfassungsgrad in deswegen als Grundlage für ein rasches und AUGIAS-Archiv war dafür nicht ausreichend. zielgenaues Auffinden der Archivalien bei- Die Ausgangssituation im Staatsarchiv Chem- Nach damaliger Schätzung lagen für ca. 43 % behalten werden. nitz stellt sich wie folgt dar: des Archivgutes nur analoge Findmittel vor, – Alle vorhandenen Archivalien sollen in der – geschätzte Gesamtzahl der vorhandenen wie Findbücher, Findkarteien und Abliefe- Archivsoftware AUGIAS-Archiv mit dem Verzeichnungseinheiten ca. 1 048 000 bei rungslisten der abgebenden Einrichtungen. In Lagerort am neuen Archivstandort nach- einem Archivgutumfang (Stand: Mitte 2011) der separaten Lagerungsdatenbank für den gewiesen werden. Dies ist gleichbedeutend von 25 423 m Akten/Amtsbücher, 4 062 Ur- bisherigen Standort Europark waren die Ar- mit dem Wegfall der separat geführten La- kunden, 180 922 Karten, Plänen und Zeich- chivalien für jeden Fachboden summarisch in gerungsdatenbank. nungen sowie 312 212 Fotos Form von „Signaturfolgen“ erfasst. Außerdem – Mit der Integration aller vorhandenen Archi- – Anzahl erfasster Verzeichnungseinheiten in erschien eine Aufbereitung der Daten außer- valien in AUGIAS-Archiv wird die Möglich- AUGIAS-Archiv ca. 589 000 halb von AUGIAS-Archiv technisch flexibler keit zur Nutzung weiterer Funktionen von

Sächsisches Archivblatt Heft 1-2015 | 20 AUGIAS-Archiv eröffnet, insbesondere der Signaturenfolgen Auflösung in Einzelsignaturen elektronischen Bestellung und des elektro- Verfahren Jg. 1972 (002 – 217) 1-2-72, 1-3-72, 1-4-72, … 1-217-72 nischen Nachweises der vorgenommenen IV Jg. 1947 Sign. 008 – 104 IV 8/47, IV 9/47, IV 10/47, … IV 104/47 Aushebungen und Reponierungen. – Erleichtert wird auch die Gewinnung von 117a – 152 117a, 117b, 117c, 118, 119, 120, … 152 Daten für die Jahresstatistik. 25.1.025 – 064 25.1/25, 25.1/26, 25.1/27, … 25.1/64 ZD 54/2964/01 – ZD 54/3028 ZD 54/2964/1, ZD 54/2964/2 … ZD 54/2964/4, Neben dem Staatsarchiv Chemnitz war an dem ZD 54/2965, ZD 54/2966, … ZD 54/3028 Projekt die Abteilung 1 – Zentrale Aufgaben, Beispiele für nicht ohne zusätzliche Informationen aufzulösende Signaturfolgen Grundsatz für die technische Absicherung, das Daten- und Vertragsmanagement und für die probenartig geprüft, bei Bedarf auf Bespre- Im ersten Teilprojekt waren die in der Lage- Klärung archivischer Grundsatzfragen be- chungen ausgewertet und erforderlichenfalls rungsdatenbank des Altstandorts Europark teiligt. Bei einzelnen Projektschritten konnte Anpassungen in der Arbeitsweise vorgenom- abgebildeten Signaturfolgen der Regalfächer auf Dienstleistungspersonal zurückgegriffen men worden. in Einzelsignaturen aufzulösen und dafür werden. Programmierleistungen wurden bei durch die jeweils Bestandsverantwortlichen den Firmen xima media GmbH, Dresden und Im Blick auf die standortübergreifenden für alle Bestände so genannte Auflösungsan- AUGIAS-Data, Senden eingekauft. Auswirkungen des Projekts war ein behör- weisungen zu formulieren, die im Anschluss deneinheitliches Benennungsschema für die von Zusatzpersonal mittels des Bearbeitungs- Zwischen Februar 2012 und Mai 2013 war Lagerorte aller Abteilungen des Staatsarchivs werkszeugs BASEL umgesetzt wurden. Grund- der Lesesaal des Staatsarchivs Chemnitz um- abzustimmen. sätzlich sollten die Auflösungsanweisungen zugsbedingt geschlossen. Dadurch konnte in auf der Grundlage des Lagerortsnachweises begrenztem Umfang eigenes Personal für das Die einzelnen Projektschritte sollten durch erstellt, nur in begründeten Ausnahmefällen Projekt und für weitere umzugsvorbereitende ein elektronisches Bearbeitungswerkzeug Findmittel beigezogen bzw. Unstimmigkeiten Arbeiten genutzt werden. Alle übrigen archivi- unterstützt werden. Das Bearbeitungswerk- am Regal geklärt werden. schen Aufgaben wurden während der Projekt- zeug zum Auflösen derS ignaturfolgen und laufzeit in vollem Umfang wahrgenommen. Erfassen der Lagerorte (BASEL) stellte die mit Danach wurden die in BASEL aufgelösten mit der Programmierung beauftragte Firma xima den in AUGIAS-Archiv enthaltenen Signaturen Zur Koordinierung der Zusammenarbeit zwi- media GmbH projektbegleitend bereit. Die Da- abgeglichen und dabei erkennbare Fehler – schen dem Staatsarchiv Chemnitz und Ab- ten aus der vorhandenen Lagerungsdatenbank Dateninkonsistenzen (Mehrfachsignaturen, teilung 1 dienten projektbegleitende Bespre- wurden nach BASEL importiert. BASEL diente fehlende Einträge im Feld „laufende Num- chungen. Im Staatsarchiv Chemnitz wurden bis zum Abschluss des Projektes als alleiniger, mer“), Signaturen in AUGIAS-Archiv ohne allen Projektbeteiligten vor jedem neuen Pro- aktuell gehaltener Lagerortsnachweis. Entsprechung in BASEL sowie Signaturen in jektschritt die Ziele, Aufgaben und Vorgehens- BASEL ohne Entsprechung in AUGIAS-Archiv – weisen erläutert und die Beteiligten geschult. behoben. Die Änderungen nahm das Dienst- Die Arbeitsergebnisse sind regelmäßig stich- leistungspersonal vor.

BASEL-Programmfunktion „Abgleich der Signaturen“

Sächsisches Archivblatt Heft 1-2015 | 21 Parallel zum Umzug wurden die Lagerorte Im Verlauf des Pilotprojektes mussten ver- – Der Betrieb des AUGIAS-Archiv-Maga- erfasst. Der Aufbau der Lagerortsstruktur schiedene fachliche Festlegungen getroffen zinmoduls ist die Grundlage zur Nutzung und die Lagerorte waren zuvor durch Abtei- werden, um die für den Einsatz des Magazin- weiterer Programmfunktionen, insbeson- lung 1, Sachgebiet IuK, anhand der Regalplä- verwaltungsmoduls erforderliche Datenqua- dere werden zusätzlich zur Anwesenheit ne in BASEL hinterlegt worden. Dabei wurden lität zu gewährleisten. So sind beispielsweise der Benutzer auch die Aushebungen und die in BASEL hinterlegten Einzelsignaturen Doppel- oder Mehrfachsignaturen innerhalb Reponierungen elektronisch nachgewiesen. nach der Einlagerung des Archivgutes dem eines Bestandes in jedem Fall zu vermeiden. Die Erfassung erfolgt dabei datenschutz- entsprechenden Fachboden zugeordnet und Auch wurden Grundsätze zur Kennzeichnung konform. festgestellte Unstimmigkeiten und fehlende von Fehlakten, zu Verweisen auf in anderen – Die Datengewinnung für die Jahresstatistik Einzelsignaturen in einer Excel-Liste erfasst. Beständen vorhandene Archivalieneinheiten, wird künftig erleichtert. Die Fehlerliste konnte durch eigenes und zu Lagerorten außerhalb des Staatsarchivs Dienstleistungspersonal zeitnah bearbeitet Chemnitz sowie zu Signaturen für Benutzer- Ein weiteres Ergebnis des Projektes ist, dass werden. Insgesamt waren u. a. für 25 425 m filme und andere Benutzermedien z. T. neu sowohl Datenfehler in AUGIAS-Archiv als Akten, 185 345 Karten und 7 863 Filme (Stand: definiert. Diese Festlegungen werden zurzeit auch Unstimmigkeiten und fachliche Män- Februar 2013) die Lagerorte zu erfassen. Dem evaluiert. gel der Erschließung ermittelt, beschrieben schloss sich die Überprüfung der Signaturen und behoben werden konnten. Zugleich wur- an, für die kein Lagerort erfasst worden war. Die wichtigsten Ergebnisse des Projekts sind: de das Verständnis für eine einheitliche und Umgesetzt wurde auch dieser Projektschritt – Der fachweise Lagerortsnachweis ist im regelgeleitete Datenhaltung weiter vertieft. mit Dienstleistungspersonal. AUGIAS-Archiv-Magazinmodul abgebildet, Konnten nicht alle im Projekt festgestellten womit das rasche und zielgenaue Auffinden Mängel an den Verzeichnungsdaten projekt- Abschließend mussten die Daten aus BA- der nunmehr konsequent formatgerecht ge- begleitend abgestellt werden, erfolgt dieses SEL in das Archivprogramm AUGIAS-Archiv lagerten Archivalien gewährleistet ist. nun kontinuierlich bei den laufenden Bear- implementiert werden. Die Signaturen, die – Alle vorhandenen Archivalien sind in der beitungen. bislang in AUGIAS-Archiv noch nicht erfasst Archivsoftware AUGIAS-Archiv mit ihrem waren, erhielten beim Import automatisch den Lagerort ausgewiesen. Die Pflege einer se- Nunmehr kann auch die Gesamtzahl der vor- Standardtitel „Hilfsdatensatz für die Archiva- paraten Lagerungsdatenbank ist nicht mehr handenen Verzeichnungseinheiten verlässli- lienbestellung. Erschließungsinformationen erforderlich. cher angegeben werden. Ein Vergleich des ur- befinden sich im konventionellen Findmittel – Durch die automatische Ausgabe des Lager- sprünglichen Schätzwertes mit der Anzahl der bzw. in einer anderen Datenbank.“ ortes auf den Bestellzetteln entfällt insbe- importierten Datensätze zeigt, dass bislang sondere die bisherige Lagerortssuche durch deutlich zu niedrig geschätzt wurde. Mit Ein- Seit Ende November 2014 sind alle im Staats- den Benutzerdienst. Handgeschriebene, un- satz des Magazinverwaltungsmoduls wurde archiv Chemnitz vorhandenen Archivalien­ leserliche und fehlerhafte Signaturangaben weiterführend im Lesesaal die elektronische signaturen in AUGIAS-Archiv verfügbar und der Benutzer gehören nun der Vergangen- Bestellung des Archivgutes durch die Benutzer stehen sowohl den internen Anwendern als heit an. eingeführt. auch den Benutzern zur Verfügung.

BASEL-Programmfunktion „Erfassen der Lagerorte“

Sächsisches Archivblatt Heft 1-2015 | 22 Zuordnung der Verzeichnungs- einheiten zu den Lagerorten im AUGIAS-Magazinmodul

Direktbestellung im AUGIAS- Archiv-Benutzungsmodul

Bereits heute zeichnet sich ab, dass im Sächsischen Staatsarchivs, das für kunden- Schadensklassendatenbanken geplant, so dass Staatsarchiv Chemnitz nicht nur die Maga- freundliche und moderne Verwaltung steht. in nicht allzu ferner Zukunft alle bestands- zinverwaltung selbst, sondern auch die mit Der mit der Einführung des AUGIAS-Archiv- und archivalienrelevanten Informationen in der Benutzung des Archivgutes verbunde- Magazinmoduls verbundene Aufwand hat einer integrierten Archivsoftware abgerufen nen Tätigkeiten, wie das Bestellen sowie das sich somit gelohnt. In den nächsten Jahren werden können. Ausheben und Reponieren des Archivgutes, wird die Magazinverwaltung daher auch in schneller und ökonomischer ablaufen. Dies ist den anderen Abteilungen des Sächsischen Tobias Crabus/ Yvonne Gerlach/ ganz im Sinne sowohl der Benutzer, die rasch Staatsarchivs mittels AUGIAS-Archiv erfol- Raymond Plache ihr Archivgut einsehen wollen, als auch des gen. Zudem sind die Einbindung der Film- und (Staatsarchiv Chemnitz)

Sächsisches Archivblatt Heft 1-2015 | 23 Wider besseres Wissen – Positionspapier des Umweltbundesamtes zur Archivierbarkeit von Recyclingpapier mit dem „Blauen Engel“

Nicht unerhebliche Verwirrung in Archiven wie papier kann man das gut erkennen. Lignin zwecke im neutralen oder alkalischen Bereich in Bibliotheken ausgelöst hat das im Februar löst unter Einfluss von Licht und Sauerstoff und mit einer ausreichenden alkalischen Re- 2014 veröffentlichte Positionspapier des Um- Säurefraß aus. Dieser führt letztlich zu einer serve hergestellt“ werden. weltbundesamtes zum Thema der Archivier- kompletten Zerstörung der Papierstruktur. barkeit von Recyclingpapieren, die mit dem Gü- Aber bereits vergilbte Papiere erschweren Dies sei „ein geeignetes Mittel […], saure tezeichen „Der Blaue Engel“ ausgestattet sind, durch den Kontrastverlust nicht nur Lesbarkeit Abbauprodukte und damit die Abnahme der weil sie nach DIN 6738 hergestellt werden. und Digitalisierbarkeit sowie Mikroverfilmung, mechanischen Papiereigenschaften zu verhin- sondern sie besitzen eben auch eine geringere dern“. Damit sei der Säurefraß ausgeschlos- Von solcherart zertifizierten Alterungsbeständigkeit. sen, weil, und nun schließt sich der Argumen- Papieren wird in dieser Publi- tationskreis, durch Tests nach DIN 6738, die kation behauptet, dass sie „die Dies aber bezweifelt das Umweltbundesamt mit dem „Blauen Engel“ zertifizierte Papiere Erfüllung höchster Anforde- mit dem Positionspapier vom Februar 2014 erfolgreich bestehen müssen, hinlänglich rungen an die Archivierbarkeit“ sichern und massiv, indem zunächst die Bedeutung von bewiesen sei, dass solche „Papiere, die die zugleich die Kreislaufwirtschaft fördern wür- Lignin relativiert wird. Weiterhin wird unter Kriterien der höchsten Lebensdauer-Klasse den, während alterungsbeständiges Papier, Verweis auf eine kanadische Norm, „die nicht erfüllen, […] als ,alterungsbeständig‘ [gel- das nach der Norm DIN EN ISO 9706 produ- mehr den Ligningehalt begrenzt, um eine aus- ten], da sie nach heutigem Erkenntnisstand ziert wird, eine deutlich schlechtere Ökobilanz reichende mechanische Papierfestigkeit zu bei schonender Behandlung und Lagerung aufweise, ohne jedoch eine signifikant bes- erzielen“, behauptet, dass „seit über 25 Jah- voraussichtlich eine Lebensdauer haben, an sere Alterungsbeständigkeit zu besitzen. Da- ren alle in Europa hergestellten Primär- und die höchste Anforderungen gestellt werden mit, so die indirekte Schlussfolgerung, würde Sekundärfaserpapiere für Kopier- und Druck- können“. die Verwendung von nach DIN EN SIO 9706 hergestellten Papieren die aus Gründen eines effektiven Umweltschutzes so bedeutsame Kreislaufwirtschaft schädigen.

Weil dem so sei, so die Forderung des Umwelt- bundesamtes unter Verweis auf das aktuelle Maßnahmenprogramm „Nachhaltigkeit“ der derzeitigen Bundesregierung, seien in den öffentlichen Verwaltungen des Bundes, der Länder und der Kommunen in möglichst um- fassender Weise nur noch Recyclingpapiere mit dem „Blauen Engel“ zu beschaffen und einzusetzen – und eben nicht das von Archi- ven empfohlene, nach DIN EN IS0 9706 her- gestellte Papier.

Als Beweis wird das Testverfahren nach DIN 6738 angeführt und auf die Tatsache verwie- sen, dass im „Umweltbundesamt […] bereits seit den siebziger Jahren ausschließlich Recyc- lingpapier eingesetzt und archiviert“ wird. Das soll den Eindruck erwecken, dass die gelebte Praxis die Tauglichkeit des Recyclingpapiers längst bewiesen hat – während Archivare und Bibliothekare an einer seit Jahrzehnten international wie national vertretenen Argu- mentation festhalten, der zufolge allein nach DIN EN ISO 9706 produziertes Papier mit ei- nem Lignin-Gehalt unterhalb der Wirkgren- ze dauerhaft alterungsbeständig ist. Hierzu muss man wissen, dass Lignin dafür sorgt, dass Papier sehr schnell vergilbt, verbräunt Papiernassbehandlungsanlage im Archivzentrum Hubertusburg des Sächsischen Staatsarchivs zur Bearbeitung und brüchig wird. Besonders an Zeitungs- von Archivgut in nassen Verfahren (Foto Bertram Bölkow)

Sächsisches Archivblatt Heft 1-2015 | 24 eines geeigneten Verfahrens, mit Summen

zwischen 1. 000 B und 1 300 B zu veranschla- gen sind, wird schnell klar, dass der ohnehin nur geringe, komparative Kostenvorteil des Recyclingpapiers langfristig durch zusätzlich notwendig werdende Entsäuerungsmaßnah- men keinesfalls kompensiert wird, sondern dauerhaft den Mittelbedarf übersteigt, der für alterungsbeständiges Papier nach DIN EN ISO 9706 benötigt wird.

Die Zusammenschau vorgenannter Aspekte macht deutlich, dass ein umfassender Einsatz von Papier gemäß DIN 6738 in öffentlichen Verwaltungen keineswegs eine gelungene Synthese zwischen berechtigten kulturpoli- tischen Zielen und Umweltschutzzielen dar- stellt, sondern vielmehr zu einer dauerhaften Mehrbelastung der Kulturguthaushalte auf- grund der Notwendigkeit der nachträglichen Verbräuntes, am Rand bereits zerfallendes Papier in der Werkstatt des Archivzentrums Hubertusburg Entsäuerung nicht alterungsbeständigen Papiers führt. Selbst bei Berücksichtigung der eher geringen Archivierungsquoten von Daher, so die Schlussfolgerung in diesem 3. Darüber hinaus ist die vermeintlich schlech- Schriftgut der öffentlichen Verwaltungen Positionspapier, sei die „Forderung nach der tere Ökobilanz von nach DIN EN ISO 9706 pro- gleicht die Beschaffung alterungsbeständi- DIN EN ISO 9706 bei der Archivierung […] duziertem Papier im Vergleich zu Recycling­ ger Papiere die Kosten für spätere Entsäue- nicht mehr sachgemäß. Für zu archivierendes papier mit „Blauem Engel“ zu hinterfragen, rungen nicht alterungsbeständiger Papiere Schriftgut hält das Umweltbundesamt die in denn ein weit verbreiteter Einsatz von letztlich mehr als aus und bleibt damit wirtschaftli- der DIN 6738 formulierten Anforderungen an doch nicht alterungsbeständigem Recycling- cher als eine umfassende Verwendung von eine Lebensdauer, an die höchste Ansprüche papier in den öffentlichen Verwaltungen so- Recycling­papier – gegen dessen Verwendung gestellt werden können, […] für eine gelunge- wie beim Buchdruck führt in Archiven und in der öffentlichen Verwaltung im Übrigen ne Synthese zwischen berechtigten kulturpo- Bibliotheken zu hohen technischen, organi- weder aus archivfachlicher noch aus biblio- litischen Zielen und Umweltschutzzielen“. Al- satorischen und insbesondere zu finanziellen thekarischer Sicht grundsätzliche Einwände lerdings kann eine solche Argumentation nur Folgeaufwendungen. Recycling- und andere, erhoben werden, sofern die Anforderungen unter vollständiger Missachtung wesentlicher, nicht alterungsbeständige Papiere müssen der DIN EN ISO 9706 eingehalten werden. nachfolgend dargestellter Fakten geteilt und nämlich, bevor sie archiviert werden können, Darauf hat mit einem gemeinsamen Positi- für zutreffend gehalten werden: zunächst dafür ertüchtigt werden. Und dies onspapier, das als Antwort auf das des Um- geschieht durch Entsäuerung des Papiers, da weltbundesamtes zu verstehen ist, unter dem 1. Zuerst einmal ist festzustellen, dass in der nur so der Papierzerfall langfristig verhindert Titel „Nur Unterlagen auf Papier nach DIN EN Norm die Alterungsbeständigkeit abhängig werden kann. Dies jedoch erfordert den Ein- ISO 9706 sind archivierungsfähig. Hinweise gemacht wird von einer schonenden Lagerung satz von Chemikalien und führt wiederum zur Beschaffung von Papier für die öffentliche und Behandlung der Recyclingpapiere. Diese zu ökologischen Belastungen. Besonders die Verwaltung“ die Konferenz der Archivreferen- Einschränkung ist in keiner Weise praxisge- kostengünstigeren unter den Entsäuerungs- tinnen und -referen­ten in Verbindung mit den recht und trifft zumindest vor der Übernahme verfahren benötigen große Mengen Lösungs- Leiterinnen und Leitern der Archivverwaltun- in die Archive nicht zu, denn in den öffentli- mittel, wie Fluorkohlenwasserstoffe oder Hep- gen des Bundes und der Länder (ARK) sowie chen Verwaltungen ist Papier ein Medium, auf tan, deren Herstellung und Entsorgung in eine der Bundeskonferenz der Kommunalarchive dessen Behandlung keine besondere Sorgfalt objektive Ökobilanz einzubeziehen wären. beim Deutschen Städtetag (BKK) im Novem- verwandt wird. ber 2014 hingewiesen. Darin werden neben 4. Schlussendlich müssen Kosten für nach den hier vorgetragenen Argumenten, die 2. Auch wenn die Bedeutung von Lignin in DIN EN ISO 9706 produzierte und mit dem gegen einen Einsatz von bestimmten Recy- dem Positionspapier des Umweltbundesam- „Blauen Engel“ zertifizierte Papiere genau- clingpapieren in der öffentlichen Verwaltung tes wortreich und kunstfertig heruntergespielt er betrachtet werden. Dabei ist zunächst sprechen, zusätzlich die Gründe erläutert, die wird, ist und bleibt es dennoch eine unum- festzustellen, dass sich die Kosten für die bei Ausschreibungen zur Beschaffung von stößliche Tatsache, dass ein hoher Anteil oxi- Beschaffung alterungsbeständigen Papiers Recyclingpapier das vom Umweltbundesamt dierbarer Stoffe im Papier – wie eben Lignin – nach DIN EN ISO 9706 preislich kaum von geforderte Umweltzeichen „Der Blaue Engel“ durch Säurebildung langfristig auf jeden Fall der Beschaffung von Recyclingpapieren mit als Ausschlusskriterium benutzen. Das Posi- zur Zerstörung der Papierstruktur führen wird. „Blauem Engel“ unterscheiden, die diese Norm tionspapier kann u. a. auf der Homepage des Daran ändert auch das Einbringen einer ho- nicht erfüllen. Rechnet man jedoch die – erst Sächsischen Staatsarchivs (http://www.archiv. hen alkalischen Reserve in Recyclingpapiere später, nach der Übernahme des behörd- sachsen.de/8719.htm) nachgelesen werden. grundsätzlich nichts. Bestenfalls wird damit lichen Schriftgutes in die Archive anfallen- der fortschreitende, säurebedingte Zerfalls- den – Kosten für die Entsäuerung hinzu, die Thomas-Sergej Huck prozess verzögert. für einen Meter Archivgut, je nach Auswahl (Archivzentrum Wermsdorf)

Sächsisches Archivblatt Heft 1-2015 | 25 Bestandserhaltung im Staatsarchiv Chemnitz – Zusammenarbeit mit der Stadtmission Chemnitz

Eine der Kernaufgaben des Sächsischen Aus der Sicht der Außenarbeitsgruppe stellt einer Ausbildung als Ergotherapeutin auch Staatsarchivs ist es, das ihm anvertraute sich die Zusammenarbeit mit dem Staatsar- über einen Abschluss als Bibliotheksassis- einmalige Kulturgut für kommende Gene- chiv Chemnitz folgendermaßen dar: tentin verfügt. Das Bibliothekswesen ist dem rationen zu erhalten. Äußere Einflüsse wie Archivwesen in vielen Bereichen ähnlich. Licht, mechanische Belastung oder rostende Betreut wird die Arbeitsgruppe von Katja Metallteile beschleunigen den säure- und Gehmlich, die seit 1998 Gruppenleiterin in Das Projekt begann mit zunächst drei Mitarbei- altersbedingten Zerfallsprozess des Archiv- den Partner-Werkstätten der Stadtmission tern und der Gruppenleiterin. Die Anfangs-An- gutes. Dies lässt sich durch vergleichsweise Chemnitz ist. Die Stadtmission Chemnitz un- lernphase war schwieriger als angenommen. einfache, präventive, jedoch sehr zeit- und terhält an den Standorten in Burgstädt und Besonders das bedarfsgerechte Falten der personalintensive Maßnahmen, u. a. durch Chemnitz Werkstätten, in denen insgesamt Dreiklappmappen bereitete größere Probleme. Verpackung in säurefreie Kartonagen, verzö- 439 Mitarbeiter mit geistiger, psychischer und Durch den Vorrichtungsbau der Werkstatt gern. Bei der Durchführung dieses konserva- körperlicher Behinderung beschäftigt sind. In wurden Hilfsmittel angefertigt, die die Faltar- torischen Grundschutzes werden neue Wege Chemnitz arbeiten derzeit 254 Werkstattmit- beit wesentlich erleichtern. Nachdem mehrere beschritten: Seit einigen Jahren unterstützen arbeiter. Angegliedert an die Werkstatt ist Mitarbeiter aus der Werkstatt probeweise im Menschen mit körperlichen oder geistigen Be- auch ein Förder- und Betreuungsbereich, in Archiv tätig waren, hat sich inzwischen eine hinderungen das Sächsische Staatsarchiv bei dem schwerstmehrfachbehinderte Menschen feste Gruppe von fünf geeigneten Mitarbeitern dieser Aufgabe. betreut werden. Außerdem gibt es mehrere herausgebildet, die ständig von der Gruppen- Außenarbeitsgruppen, z. B. im VW Motoren- leiterin begleitet werden. Die Gruppe wird Die Standorte Wermsdorf, Freiberg, Leipzig werk oder in Altenheimen der Stadtmission. zudem einmal wöchentlich von einer Sozial- und Chemnitz arbeiten dabei mit verschie- Von Vorteil ist, dass die Gruppenleiterin neben arbeiterin aus der Werkstatt besucht. denen Trägern von Werkstätten für behin- derte Menschen zusammen. Seit 16. Juni 2014 verpacken im Staatsarchiv Chemnitz Angehörige einer Behindertenwerkstatt der Stadtmission Chemnitz im Rahmen eines sog. Außen­arbeitsgruppenprojektes Schriftgut in säurefreie Archivmappen und Kartonagen nach DIN EN ISO 9706 bzw. 6588. Zu den Aufgaben gehört auch das Aufbringen von Papieretiketten unter Verwendung von lang- zeitstabilem Leim.

Von der bewährten Zusammenarbeit profitie- ren beide Institutionen menschlich wie wirt- schaftlich: Den Mitarbeitern der Werkstätten gelingt der Schritt in die „normale“ Arbeits- welt, das Staatsarchiv gewinnt zuverlässige und motivierte Arbeitskräfte zur Unterstüt- zung dringend erforderlicher Aufgaben der Bestandserhaltung.

Allein seit der Mitte des vergangenen Jahres konnten im Staatsarchiv Chemnitz Akten im Gesamtumfang von knapp 600 m bearbeitet werden.

In den nächsten Jahren stehen hier noch etwa 3,5 km Akten zur Umverpackung an. An- schließend sind noch etwa 190 000 Karten, Pläne und Zeichnungen sachgerecht zu ver- packen. Damit wäre dann eine der wichtigs- ten bestandserhalterischen Maßnahmen zur Aufarbeitung von Rückständen in Chemnitz abgeschlossen. Mitarbeiter der Stadtmission Chemnitz bei der arbeitsteiligen Neuverpackung von Aktenbeständen (Foto Katja Gehmlich)

Sächsisches Archivblatt Heft 1-2015 | 26 Einlagerung der Akten nach der Verpackung Transport verpackter Akten in das Magazin (Fotos Veikko Thiele)

Die Mitarbeiter waren vor allem von dem ru- jeden Arbeitsschritt beherrscht und flexibel schwerfällt, sich einen ganzen Arbeitstag lang higen Arbeitsumfeld angetan. In der Werk- an jedem Arbeitsplatz eingesetzt werden auf das korrekte Verpacken zu konzentrieren. statt mit entsprechend hoher Mitarbeiterzahl kann. Außerdem werden täglich in einem Ro- Spätestens nach dem Mittagessen müssen herrschte immer ein gewisser Geräuschpegel, tationsprinzip die Arbeitsplätze gewechselt. deshalb die Tätigkeiten gewechselt werden. der von Gesprächen, Werkzeugbenutzung, Die Aufgaben der Gruppenleiterin umfassen Das war im Vergleich zur Arbeit in der Werk- einer Kabelschneidemaschine und Transport- das Auspacken der Akten und die Kontrolle, statt neu. Viele Gruppen verrichten dort seit geräten hervorgerufen wird. In der Montage- ob alle Akten, deren Nummern auf den alten Jahren die gleiche Arbeit mit wiederkehrenden halle, in der die Mitarbeiter zuvor gearbeitet Kartons stehen, auch in diesen enthalten wa- Arbeitsabläufen. Die Handgriffe werden dort haben, sind insgesamt 80 Mitarbeiter be- ren sowie die Computerarbeiten, wie z. B. das auch ohne große Überlegungen beherrscht. schäftigt. In den ersten Tagen im Archiv hat- Eingeben der Nummern für die Etiketten der Im Archiv jedoch sind verschiedene Bestän- ten die Mitarbeiter manchmal den Eindruck, neu verpackten Akten und die neuen Kartons. de mit wechselnden Nummern, fehlenden dass keiner da ist, weil alle ruhig und kon- Außerdem ist die Verpackungsarbeit gegebe- Akten und unterschiedlichen „Formaten“ zu zentriert in ihren Büros arbeiten. Die gesamte nenfalls mit den Findbüchern abzugleichen: bearbeiten. Für einen Menschen mit geistiger Gruppe genießt diese Arbeitsatmosphäre sehr, Aktenteilungen sind im Findbuch zu kenn- Behinderung ist es eine große Leistung, sich auch die Ruhe in den Pausen und vor allem bei zeichnen, fehlende Akten und wiederaufge- jeden Tag auf die sich ändernden Gegeben- den Mahlzeiten. fundene Akten zu dokumentieren, letztere den heiten einzustellen. Mittlerweile sind alle im zuständigen Facharchivaren zum Verzeichnen Archiv tätigen Mitarbeiter so eingearbeitet, Die Arbeit ist so gegliedert, dass zwei Perso- zu übergeben. Daneben begleiten ständige dass die Arbeit in der Regel konzentriert be- nen die Dreiklappmappen falten, eine Person Kontrollen die Arbeitsschritte, besonders bei wältigt wird. Sowohl die Archivmitarbeiter als die Akten vorbereitet (Verschnürungen auf- den Mitarbeitern, die neu verpacken und Ma- auch die Werkstattmitarbeiter möchten die schneiden, Büroklammern und Aktendullis terial besorgen. Auch gilt es, Arbeitsabläufe zu Zusammenarbeit nicht mehr missen. entfernen usw.) und zwei Personen die Akten optimieren und bei Fragen die Facharchivare neu verpacken. Je nach Bestand – soweit viele oder den Magazinmeister zu kontaktieren. Büroklammern zwingend zu entfernen sind – Tobias Crabus/Katja Gehmlich bereiten auch zwei Mitarbeiter die Akten vor. Am Anfang war allen nicht so bewusst, dass (Staatsarchiv Chemnitz / Die Mitarbeiter sind so angelernt, dass jeder es gerade geistig behinderten Mitarbeitern Stadtmission Chemnitz e.V.)

Sächsisches Archivblatt Heft 1-2015 | 27 Sächsisches Berg- und Hüttenwesen digital

Im Herbst 2013 begann die Universitätsbib- Über die Kollektionsseite – dem Foyer der Digi- wesen“ erschienen, war 2013 der Beginn der liothek Freiberg (UB Freiberg) mit dem Aufbau talen Bibliothek der UB Freiberg – gelangt man Digitalen Bibliothek der UB Freiberg. Es folgte einer Digitalen Bibliothek, deren Schwerpunkt zu den einzelnen Scans. Mit Hilfe von ausklapp- 2014 die Kollektion von 220 sächsischen Gru- vorerst, und damit der bergakademischen Tradi­ baren Infoboxen an den einzelnen Kollektionen benrissen. Die Daten hierfür waren bereits im tion folgend, das sächsische Montanwesen ist. sowie einem auffällig gestalteten und bereits Rahmen eines DFG-Projektes im Kartenforum Passend zum Thema des Wissenschaftsjahres vom Katalog der UB Freiberg bekannten oran- der Deutschen Fotothek veröffentlicht wor- 2014 „Die Digitale Gesellschaft“ werden hier gen Suchschlitz, bekommt der Nutzer potente den. Sie mussten nun nur noch in die neue künftig besonders wichtige, bislang schwer Werkzeuge an die Hand, die ihn bei der Recher- Oberfläche der eigenen digitalen Sammlun- zugängliche oder noch unveröffentlichte Be- che unterstützen. Auch die Angebote auf der gen migriert werden. Im selben Jahr folgten stände strukturiert und in einer nutzerfreund- Detailseite, welche von Elementen des Corpo- noch die Kollektion der „Leupold-Sammlung“, lichen Oberfläche der Öffentlichkeit zugängig rate Design der TU Bergakademie Freiberg so- ein Konvolut von 64 montanhistorischen gemacht. Mit dem Know-How der Sächsischen wie den markanten orangen Bedienelementen Maschinenbau-Zeichnungen, und der histo- Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbi- dominiert werden, sind mit dem Hauptaugen- rische Bergaufzug im Plaunschen Grund bei bliothek Dresden (SLUB) sowie der Möglichkeit, merk einer vernünftigen Nutzbarkeit konzipiert Freital anlässlich der Vermählung des Kurprin- deren Entwicklungen und Infrastruktur mit zu worden. So kann der Nutzer jederzeit bequem zen Friedrich August (später August III.) mit nutzen, konnte das Projekt in relativ kurzer Zeit durch die Digitalisate browsen, blättern oder der österreichischen Kaisertochter Erzherzo- realisiert werden. Für die Digitalisierung und zoomen. Optional lassen sich einzelne Seiten gin Maria Josepha im September 1719. Das Präsentation der Freiberger Bestände wird die oder komplette Werke herunterladen. Saturnfest vom 26. September 1719 ist in die Open-Source-Software Goobi genutzt. Geschichte des Bergbaus als hervorragendes Möglich wird das durch eine besondere Lizen- Beispiel für das Streben nach Repräsentation Mit dem „Kalender für den sächsischen Berg- zierung. Alle digitalen Objekte unterliegen der und Prachtentfaltung in der Zeit des Abso- und Hüttenmann“ wurde die erste periodische Creative-Commons-Lizenz (CC0), das bedeu- lutismus eingegangen. Alle 101 Bilder des Veröffentlichung auf dem Gebiet des sächsi- tet, eine freie Verwendung jedes Digitalisates 38,40 m langen Frieses sind damit zugänglich. schen Montanwesens nun auch als erste di- ist explizit erlaubt. Damit ist jederzeit und gitale Kollektion der TU Bergakademie online ortsunabhängig der Zugang zu diesen Pri- 2015 wird sich die UB Freiberg bei der Bearbei- gestellt. 118 Bände mit den wichtigsten sta- märquellen möglich. Das ist eine wesentliche tung weiterer digitaler Kollektionen den noch tistischen Angaben zum sächsischen Mon- Teilnahmebedingung für die Deutsche Digita- schwer zugänglichen unikalen Beständen, tanwesen der Jahre 1825 (Jahrgang 1827) bis le Bibliothek. Goobi.Presentation bietet dafür z. B. den Handschriften, widmen. Dazu zählt 1938 werden in einer ergonomisch gestalteten eine standardisierte Schnittstelle für die inter- u. a. die Sammlung von ca. 700 montanhisto- Oberfläche im Volltext angeboten. Auf digi- nationale Suche und Lesbarkeit von digitalen rischen Manuskripten aus dem 15.–19. Jahr- tal.ub.tu-freiberg.de wurde in Anlehnung an Metadaten. Auf diese Weise soll bald auch die hundert. Für einen Teilbestand dieser Samm- die Digitalen Sammlungen der SLUB mit der für das wissenschaftliche und kulturelle Erbe lung – die europäischen Bergordnungen – sind Typo3-Erweiterung Goobi.Presentation ein Europas eingerichtete virtuelle Bibliothek „Eu- die ersten Vorarbeiten (Digitalisierung) bereits Portal geschaffen, dessen Design am Web- ropeana“ von Freiberg aus bestückt werden. abgeschlossen, so dass bis Jahresende etwa auftritt der UB Freiberg und ihrem Katalog 100 Bergordnungen für Forschungszwecke orientiert ist. Bei der Navigation auf wieder- Der „Kalender für den sächsischen Berg- und zur Verfügung stehen. kehrende Seitenelemente wird dem Nutzer das Hüttenmann“ ab 1873, unter dem Titel „Jahr- Navigieren durch neue Inhalte erleichtert. buch für das sächsische Berg- und Hütten- Anlässlich des 250. Gründungsjubiläums der Alma Mater Fribergensis in diesem Jahr wird derzeit ein montanhistorisches Portal auf- gebaut. Neben historischen Aufsätzen zur sächsischen Bergbau- und Hüttengeschich- te, darunter bislang unveröffentlichte Arbei- ten, werden hier auch aktuelle Publikationen digital und im Volltext frei zur Verfügung gestellt. Durch die kontinuierliche Erweite- rung des Bestands soll das Montanportal der TU Freiberg zu einer entscheidenden Quelle der nationalen und internationalen mon- tanhistorischen Forschung heranwachsen. Derzeit sind 62 Dokumente über das Portal nutzbar.

Eine weitere wissenschaftshistorisch inte- ressante Kollektion sind die Briefe an den Geologen und Mineralogen Abraham Gottlob http://digital.ub.tu-freiberg.de Werner (1749–1817). Zu den 250 Korrespon-

Sächsisches Archivblatt Heft 1-2015 | 28 Schwamkrug, Christian August, Zeichnung von der Wassersäulen-Maschine auf Drey Weiber Fdgr. zu Marienberg: in welcher von Herrn Obereinfahrer Baldauf Verbesserungen angebracht worden sind, Marienberg, 1795

denzpartnern des wohl bedeutendsten Lehrers Collegio de Mineria (Bergakademie) in Mexico rung bringen. Die ersten 34 Briefe stehen als aus der Gründungszeit der Bergakademie ge- City gründeten. Es ist vorgesehen, bis zum digitale Ressource zur allgemeinen Verfügung. hören u. a. der Naturwissenschaftler Alexan- 200. Todestag Werners eine hybride Brief­ der Freiherr von Humboldt, die Mineralogen edition zu erstellen. Dazu sollen alle 734 Briefe Mit dem Aufbau und der Pflege der verschie- Dietrich Ludwig Gustav Karsten, Carl Friedrich an Werner und etwa 80 Briefe von Werner denen Kollektionen innerhalb der Digitalen Mohs, Leopold Freiherr von Buch, Karl Fried- erstmals vollständig transkribiert und inhalt- Bibliothek leistet die Universitätsbibliothek rich Naumann, Friedrich August Breithaupt, lich erschlossen werden. Damit erfüllt die UB Freiberg einen wesentlichen Beitrag zur bes- der Paläontologe Ernst Friedrich Freiherr von Freiberg eine seit Jahren auch international seren Verfügbarkeit schwer zugänglicher In- Schlotheim, der Physiker Ferdinand Reich gestellte Forderung. Die digitale Bereitstellung formationsressourcen. oder die Dichter Georg Philipp Friedrich der Werner-Briefe (einschließlich einer Tran- Freiherr von Hardenberg (Novalis) und Karl skription) wird der geohistorischen Forschung Theodor Körner oder die Brüder Fausto und neue Erkenntnisse zur Entwicklung der Geo- Angela Kugler-Kießling/Oliver Löwe Juan d’Elhuyar, die nach Freiberger Vorbild das logie und Mineralogie in der Zeit der Aufklä- (Universitätsbibliothek Freiberg)

Sächsisches Archivblatt Heft 1-2015 | 29 Workshop des Landesverbandes Sachsen im VdA „Auf dem Weg ins Archivportal-D“

Am Mittwoch, dem 15. Oktober 2014, trafen sich 14 Mitglieder des Verbandes deutscher Archivarinnen und Archivare e.V. aus Sach- sen und aus Sachsen-Anhalt im Sächsischen Staatsarchiv am Standort Dresden, um sich intensiv über die Teilnahme am Archivportal-D zu informieren. In Fortsetzung zum ersten Workshop im Oktober 2013, der einer einfüh- renden Information zum Archivportal-D und zum Archivportal Europa diente, war nun nach der Freischaltung des deutschen Archivpor- tals eine Präsentation „am offenen Herzen“ möglich. Da der Weg in das Archivportal Eu- ropa für deutsche Archive in jedem Fall über das Archivportal-D führen sollte, stand aus- schließlich dieses Portal im Blickpunkt. Wie wichtig den Archivaren das Mitmachen am Portal ist, zeigte die fast vollständige An- reise der angemeldeten Kollegen, die durch den Streik der Lokführer für einige sehr be- schwerlich war. Diesem Umstand war auch geschuldet, dass einer der eingeplanten Re- ferenten, Martin Reisacher von der Fachstelle Archiv der Deutschen Digitalen Bibliothek, Positionierung der Angaben geachtet werden. als Erschließungsprogramm benutzt wird. Am seinen weiten Weg aus dem Landesarchiv Anschließend ging er auf die notwendigen Beispiel der Daten des Sächsischen Staats­ Baden-Württemberg nicht antreten konnte. Schritte der Registrierung ein. Besonders archivs zeigte Dr. Brübach die Vorgehensweise Nun oblag es Dr. Nils Brübach, der als Vertreter besprochen wurden der Contentfragebogen beim konzeptionellen Mapping, was durch je- des Sächsischen Staatsarchivs am Aufbau des zur Erfassung der zu liefernden Datenmengen des Archiv anhand der verwendeten Erschlie- Archivportals-D mitgearbeitet hat und über und die Angaben zur Lizenzierung. Erläute- ßungsmasken selbst vorgenommen werden ein umfangreiches Wissen dazu verfügt, die rungen zur notwendigen Vereinheitlichung muss. Die Teilnehmer fühlten sich nach den vorgesehenen Inhalte alleine zu vermitteln. bei der archivischen Erschließung und der Ausführungen für diese einmalig zu leistende Zur Einstimmung zeigte Dr. Brübach die Such- Nutzung von Standards, dabei insbesondere Zuordnung der Erschließungsangaben zu den funktionen und den hierarchischen Aufbau von EAD(DDB), rundeten den Vormittag ab. EAD-Tags gut gerüstet. Mit diesem Wissen des Portals und ging dabei besonders auf die Nach dem Mittag ging es dann ganz konkret ausgestattet sollte es für alle Teilnehmer nun Sicht des Nutzers ein. Damit dieser die von den um den Weg der Erschließungsdaten in das möglich sein, die Registrierung voranzutreiben Archiven angebotenen Informationen auch Portal, wobei sich der Referent auf die Über- bzw. abzuschließen und mit einer Testdaten- tatsächlich findet und richtig einordnen kann, tragung von Daten aus AUGIAS konzentrierte, lieferung zu beginnen. Der Landesverband muss durch die Archive u. a. auf eine sinnvolle da dieses von den Teilnehmern mehrheitlich hat sich zum Ziel gesetzt, diese Bemühun- gen weiter zu begleiten und zu unterstützen. In diesem Sinne räumte der Landesverband den Trägern des DFG-Projektes zum Aufbau des Archivportals-D die Möglichkeit ein, sich im Rahmen des Sächsischen Archivtages am 26./27. März 2015 in Chemnitz mit einem Stand zu präsentieren, an dem insbesondere Fragen zum Datenmapping beantwortet wur- den. Der Landesverband bedankt sich bei den Projektpartnern für die breite Unterstützung und beim Sächsischen Staatsarchiv für die Gastfreundschaft im Rahmen des Workshops.

Grit Richter-Laugwitz (Vorsitzende des Landesverbandes Sachsen im VdA) Fotos Grit Richter-Laugwitz

Sächsisches Archivblatt Heft 1-2015 | 30 Rezensionen

Matthias Donath, Rotgrüne Löwen. Leben und Ster- daraus sich ergebenden Beziehungen zu den Die Familie von Schönberg in Sachsen ben, Hab und Gut, Untertanen. Mit der Erforschung des Ritter- (Adel in Sachsen, Bd. 4), Meißen 2014, Haus und Hof, gutsbesitzes derer von Schönberg setzt Mat- 640 S., 150 Abb. Gott und die Welt, thias Donath Maßstäbe. Eine Aufstellung im Amt und Würden, Anhang listet insgesamt 269 Ritter-, Frei- und Sachsen besaß eine der vielfältigsten und In- und Ausland, Hammergüter auf, die sich bis 1945 für einen interessantesten Adelslandschaften im alten Krieg und Frieden, längeren oder kürzeren Zeitraum im Besitz Reich. Noch Mitte der 1990er Jahre be- Reformen und Re- von Mitgliedern der Familie befanden. Nicht nannte Wieland Held, der leider viel zu früh volutionen sowie nur die Zahl der Güter ist bemerkenswert, verstorbene Initiator der sächsischen Adels- Ende und Neuan- sondern auch die Leistung, diese zu ermitteln. forschung nach der politischen Wende im fang, die jeweils Osten Deutschlands, in seinem Vortrag auf zahlreiche Unterkapitel haben. Auch wenn Die Detailkenntnis des Autors vor allem für der ersten Weesensteiner Tagung die ekla- die Geschichte der Familie vom „sagenhaften die Zeit ab etwa 1800 ist beeindruckend und tanten Defizite, die bei der Erforschung der Ursprung“ bis zur Gegenwart in ihrer Gesamt- wird sicher so bald nicht wieder erreicht. Geschichte des sächsischen Adels bestanden. heit behandelt wird, liegt der Schwerpunkt der Der Faktenreichtum könnte allerdings in der Seitdem wurden beachtliche Fortschritte er- Arbeit im 19. und 20. Jahrhundert. Hier erfährt vorgelegten Form manchen Leser überfor- zielt. Verwiesen sei an dieser Stelle nur auf der Leser aus detailreicher Darstellung und dern. Er könnte das Buch dann vor allem als die Tagungen zu einzelnen sächsischen Adels­ Erläuterung sehr viel Neues, so etwa über Nachschlagewerk für bestimmte Einzelfakten familien, so zu den von Einsiedel und zu den die zahlreichen Familienfideikommisse und nutzen und dabei wichtige Ergebnisse der von Schönberg im Sächsischen Staatsarchiv, -stiftungen und über das Verhältnis einzelner Arbeit übersehen: etwa die Wechselwirkung Staatsarchiv Leipzig, deren Anregungen und Familienmitglieder zur Novemberrevolution, zwischen Familiengeschichte und Landes- Erkenntnisse sich auch in gedruckter Form zur Weimarer Republik und zum National- geschichte oder die Beobachtung, dass der niederschlugen. sozialismus. Berührend sind die Schicksale Zusammenhalt der „Gesamtfamilie“ immer mancher Angehöriger der Familie bei Kriegs- wieder erneuert und in jeweils moderner Es ist der Initiative des von Schönberg’schen ende, Schicksale, die sie mit vielen Deutschen Form reorganisiert wurde. Vielleicht hätte Familienverbandes und dem bekannten und teilten, als 1945 Krieg und Zerstörung in ihr man manches in Tabellenform komprimieren angesehenen Kenner der mitteldeutschen Ursprungsland zurückkehrten. Ausführlich können. Auch wäre eine verallgemeinernde Adelslandschaft Dr. Matthias Donath zu ver- wird auf die Zeit nach 1945 eingegangen, Zusammenfassung einzelner Abschnitte si- danken, dass nunmehr eine umfangreiche, auf das Leben in der alten Bundesrepublik cher hilfreich gewesen. vielschichtige und detailreiche Monographie und die Rückkehr nach Sachsen nach der zu einem der bedeutendsten sächsischen Wiedervereinigung. Immer wieder wird dabei Die Familie von Schönberg hat eine beein- Adelsgeschlechter, der Familie von Schönberg, erkennbar, dass die Familie von Schönberg druckende Geschichte. Sie hat in ferner und vorliegt. innerhalb der sächsischen Adelslandschaft jüngerer Vergangenheit Persönlichkeiten eine Sonderstellung einnimmt. Ein besonders hervorgebracht, die für Sachsen viel geleis- Grundlage der Arbeit war die „Geschichte des positives Beispiel dafür ist die Gründung der tet haben und dies auch heute noch tun. Der Geschlechtes von Schönberg meissnischen Schönberg’schen Stiftung im Jahr 2001, die Autor hat sich ihr mit verständlicher Sympa- Stammes“ von Albert Fraustadt. Diese Ar- die Sicherung, Bewahrung und öffentliche thie gewidmet. Dennoch wünschte sich der beit spiegelt den Wissensstand und die For- Präsentation der stiftungseigenen Kulturgü- Rezensent, dass er zu seinem Forschungsge- schungsansätze der Mitte des 19. Jahrhun- ter zum Ziel hat. genstand etwas mehr Distanz hielte. So wäre derts wider und ist deshalb heute nur noch zum Beispiel an mancher Stelle ein Hinweis eingeschränkt von Nutzen, bedurfte also Nicht nur einzelne Persönlichkeiten der Fami- darauf angebracht, dass Lebenserinnerungen dringend einer Überarbeitung und Fortset- lie in ihrem politischen und gesellschaftlichen immer subjektiv sind und nicht in jedem Fall zung. Das Werk wird häufig für die biographi- Wirken beachtet der Autor, er widmet sich mit den Tatsachen übereinstimmen. schen Daten der Familienmitglieder der Zeit auch dem Familienalltag. Das Kapitel Leben vor 1800 als Quelle genutzt. Doch Matthias und Sterben beschreibt an Hand zahlreicher Abschließend kann man feststellen, dass Donath geht weit darüber hinaus. Durch die Beispiele das Leben von der Taufe bis zur Bei- Matthias Donath mit „Rotgrüne Löwen“ eine Auswertung zahlreichen Archivmaterials ist es setzung und darüber hinaus Entstehung und Arbeit vorgelegt hat, die Historikern und Ar- ihm gelungen, ein facettenreiches Bild dieser Verbreitung gedruckter Leichenpredigten und chivaren, aber auch interessierten Laien, die Adelsfamilie zu zeichnen. Mit Band 4 der Reihe die Errichtung von Grabdenkmälern durch die sich mit der Familie von Schönberg, mit dem „Adel in Sachsen“ (hrsg. von Matthias Donath Hinterbliebenen. Auch im Kapitel Haus und sächsischen Adel oder allgemein mit heimat- und Lars-Arne Dannenberg) legt er keine Auf- Hof kann man viel Interessantes, aber auch geschichtlichen Themen des 19., 20. und be- reihung einzelner Biographien vor, sondern Unterhaltsames aus dem Alltag erfahren. ginnenden 21. Jahrhunderts beschäftigen, von stellt als moderner Historiker die Familie in größtem Nutzen sein wird. ihr historisches, gesellschaftliches, soziales Ausführlich geht der Autor auf die wirt- und familiäres Umfeld. Das Buch besteht aus schaftlichen Grundlagen der Familie ein, d. h. Jens Kunze zehn Hauptkapiteln: Geschlecht und Tradition, vor allem auf den Rittergutsbesitz und die (Staatsarchiv Leipzig)

Sächsisches Archivblatt Heft 1-2015 | 31 Elke Schulze, Erich Ohser alias aus dem Film „Quax der Bruchpilot“) hinge- e. o. plauen, Konstanz 2014 gen ist weitgehend vergessen, die National- sozialisten haben ihm sogar eine Grabstätte Wer kennt sie nicht, die beiden Zeichenfigu- verweigert. An dem Berliner Haus, in dem er ren „Vater und Sohn“. Der Junge klein, fast zuletzt zusammen mit Erich Ohser wohnte, zart noch mit stets wuscheligem Haar neben erinnert heute eine Gedenktafel an die beiden seinem äußerlich biedermeierlichen Vater mit Freunde. Ohser ist seit 1968 in Plauen begra- buschigen Augenbrauen, Riesenschnauzbart ben, außerdem erinnern ein Stolperstein am und schwarzer Weste. Zusammen meistern Berliner Haus der Buchdrucker an ihn sowie sie das Leben und bewältigen Alltägliches. Ge- inzwischen zahlreiche Aktivitäten in Plauen, schaffen hat dieses anrührende und höchst der Stadt, nach der Ohser sich benannt hat. moderne Duo der vogtländische Zeichner Auslöser dafür war die Übernahme des Ohser- Erich Ohser. Der hier zu besprechende Band Berliner Illustrirte Ohser eine neue Chance bot. Nachlasses durch die Stadt Plauen im Jahr stellt Leben und Werk Ohsers vor. Von 1934 bis Dezember 1937 begeistert er mit 2004. Die eigens gegründete Erich Ohser-e. o. der wöchentlich erscheinenden Zeichenserie plauen Stiftung verwahrt seitdem das Werk Die rund 300 Bildergeschichten von „Vater und „Vater und Sohn“ ein Millionenpublikum. Seit Erich Ohsers – darunter sind Vater und Sohn- Sohn“ schuf Ohser ab 1934 für die „Berliner Illus- 1940 dann fertigte Ohser für die Wochenzei- Bildgeschichten, politische Zeichnungen ein- trirte“, die seinerzeit angeblich eine Alternative tung „Das Reich“ weniger schmeichelhafte schließlich eines umfangreichen Bestandes zu den amerikanischen „Micky Maus“-Comics Karikaturen, gelangte dafür aber zu einem an- an Karikaturen für die Wochenzeitung „Das suchte. Veröffentlicht wurden die Geschichten sehnlichen Einkommen und – wichtiger noch – Reich“, Porträts, Akte, Illustrationen, freie allerdings unter dem Pseudonym „e. o. plauen“ zu der im Krieg begehrten „Uk-Stellung“ (als Zeichnungen und Skizzen. Darüber hinaus (Erich Ohser aus Plauen). Der seit 1909 in Plauen „unabkömmlich“ vom Wehrdienst freigestellt). verfügt die Stiftung über die erhaltenen Briefe Ansässige hatte in Leipzig an der „Akademie für Trotzdem soll Ohser den Nationalsozialismus aus dem Besitz Ohsers, persönliche Dokumen- graphische Künste und Buchgewerbe“ studiert durchgängig und entschieden abgelehnt te, Fotografien sowie Archivmaterial mit Zei- und dann in den 1920er Jahren als Buchillustra- haben. Er rechtfertigte dem befreundeten tungen und Zeitungsausschnitten. Präsentiert tor, Karikaturist und Schnellzeichner gearbeitet. Hans Fallada gegenüber seine Tätigkeit im und benutzbar ist der Nachlass in der Galerie U. a. illustrierte er die deutschen Ausgaben der NS-Propagandaapparat, er sei deutscher e. o.plauen in Plauen, wo das Erich-Ohser-Ar- Bücher des englischen Literaturnobelpreis- Patriot und als solcher zeichne er gegen die chiv, die e. o. plauen-Gesellschaft und die Erich trägers Rudyard Kipling. In dieser Zeit lernte Alliierten und nicht für die Nazis. Diesem dia- Ohser-e. o. plauen Stiftung ihren Sitz haben. er seine späteren Freunde und Kollegen Erich lektischen Kunststück folgten wohl zahlreiche Knauf und Erich Kästner kennen, dessen (von seiner Künstlerkollegen, doch ist Ohsers ehrli- Die Kunsthistorikerin Elke Schulze, die auch den Nationalsozialisten verbrannte) Gedicht- che innere Ablehnung des Nationalsozialismus Vorstand der Stiftung ist, hat aus diesem Fun- bände er ebenfalls illustrierte. Zusammen mit tragisch verbürgt. Nachdem er Ende 1943 in dus (sowie aus anderen Archiven und der Li- Kästner arbeitete Ohser auch für das Feuille- Berlin ausgebombt worden war, lebte er zu- teratur) geschöpft und zahlreiche schauwerte ton der Neuen Leipziger Zeitung, doch verloren sammen mit seinem Freund Knauf, der nun und hochinteressante Dokumente ausgewählt. beide diese Anstellung, als Kästners von Ohser NS-Propagandafilme herstellte, am Stadtrand Wider Erwarten finden sich kaum Vater-und- illustriertem erotischen Gedicht „Nachtgesang von Berlin. Ein Nachbar denunzierte die beiden Sohn-Geschichten, sondern vielmehr Privat- des Kammervirtuosen“ Frivolität vorgeworfen im Februar 1944, da sie politische Witze er- fotos, Briefe, Skizzen und Karikaturen sowie wurde. 1927/28 ziehen die drei Freunde mehr zählt sowie auf das NS-Regime und den Krieg Notizen Erichs Ohsers in dem von ihr gestalte- oder weniger freiwillig von Sachsen nach Berlin, geschimpft hätten. Ende März 1944 wurden ten Band und sind allesamt in ausgezeichneter wo Ohser die pulsierende Stadt porträtiert und Ohser und Knauf als „Wehrkraftzersetzer“ Qualität abgebildet. Entlang dieser Dokumente auch politische Karikaturen fertigt. Der Terror von der Gestapo verhaftet. In der Nacht zum erzählt Schulze das Leben ihres Protagonis- der SA, Hitlerkonterfeis und die labilen Macht- 6. April, unmittelbar vor der Verhandlung vor ten. Allerdings unternimmt sie nicht den Ver- verhältnisse sind häufige Motive in dieser dem Volksgerichtshof unter Roland Freisler, such, eine kritische Biographie zu schreiben. Zeit. Nach der NS-Machtergreifung verbrennt nahm sich Ohser in der Untersuchungshaft- Vielmehr ist es „ihre ausdrückliche Absicht Ohser zusammen mit seinem Freund Erich anstalt in Berlin Alt-Moabit das Leben. Er in Abstimmung mit dem Verlag gewesen, im Knauf überstürzt alle Originalzeichnungen, die schrieb noch einen Abschiedsbrief an seine Rahmen dieser Publikation keine Forschungs- in den verschiedenen Zeitungen und Magazi- Familie und einen zweiten Brief, in dem er mit diskussion zu führen“ (S. 144). Dabei wäre es nen, vor allem aber seit 1929 im sozialdemo- den Nazi-Richtern abrechnete. Zudem ver- – gerade angesichts des präsentierten Mate- kratischen „Vorwärts“ erschienen sind – obwohl suchte er, seinen Freund Knauf zu entlasten. rials – reizvoll, keine „Schicksalsgeschichte“, viele seiner in großen Auflagen verbreiteten Doch vergebens: Erich Knauf wurde zum Tode sondern eine Biographie zu lesen, die Ohsers Karikaturen doch landesweit bekannt waren. verurteilt und am 2. Mai 1944 im Zuchthaus Werk einordnet, sein Handeln problematisiert Erich Knauf hilft die Aktion nicht, er wird für Brandenburg-Görden hingerichtet, seine Frau und seine Gedanken diskutiert. So bleibt der einige Monate im KZ Lichtenburg inhaftiert. Erna mußte die Hinrichtung noch bezahlen ungemein materialreiche Band leider etwas Ohser bleibt zumindest dieses Los erspart, ein (Erich Kästner schrieb darüber nach dem Krieg hinter seinen Möglichkeiten zurück, ist aber Antrag zur Aufnahme in die Reichspresse­ den Prosatext „Eine unbezahlte Rechnung“). trotzdem ein wunderbares Lesebuch für alle, kammer wird allerdings abgelehnt, was einem die mehr über den Schöpfer von „Vater und Berufsverbot gleichkommt. Von den „drei Erichs“ überlebte mithin nur Sohn“ entdecken wollen. Er ist ein Blick in ein Kästner Krieg und Gewaltherrschaft und ist weiteres entdeckenswertes Archiv in Sachsen. Im Anschluss musste seine Frau Marigard die durch sein Werk heute weltbekannt. Der Jour- Familie mit ihren graphischen Arbeiten ernäh- nalist und Schriftsteller Erich Knauf (bekann- Clemens Heitmann ren, bis die zum Ullstein-Verlag gehörende tester Text ist das Lied „Heimat deine Sterne“ (Dresden)

Sächsisches Archivblatt Heft 1-2015 | 32 Sächsisches Archivblatt Mitteilungen des Sächsischen Staatsarchivs Heft 1 / 2015

Titelbild: Entwurf für ein Messeplakat, 1926 (Sächsisches Staatsarchiv, Staatsarchiv Leipzig, 20202 Leipziger Messeamt (I), Nr. D 201)

Adressen

Sächsisches Staatsarchiv Behördenleitung sowie Zentrale Aufgaben/Grundsatz Besucheranschrift: Archivstraße 14, 01097 Dresden Postanschrift: PF 100 444, 01074 Dresden Telefon +49 351/8 92 19-710, Telefax +49 351/8 92 19-709, E-Mail [email protected]

Sächsisches Staatsarchiv Archivzentrum Hubertusburg Hubertusburg Gebäude 71–79 04779 Wermsdorf Telefon +49 34364/8 81-100, Telefax +49 34364/8 81-112, E-Mail [email protected]

Sächsisches Staatsarchiv Hauptstaatsarchiv Dresden Besucheranschrift: Archivstraße 14, 01097 Dresden Postanschrift: PF 100 444, 01074 Dresden Telefon +49 351/8 92 19-710, Telefax +49 351/8 92 19-709, E-Mail [email protected]

Sächsisches Staatsarchiv Staatsarchiv Leipzig Schongauerstraße 1, 04328 Leipzig Telefon +49 341/2 55 55-00, Telefax +49 341/2 55 55-55, E-Mail [email protected]

Sächsisches Staatsarchiv Staatsarchiv Chemnitz Elsasser Straße 8, 09120 Chemnitz Telefon +49 371/9 11 99-210, Telefax +49 371/9 11 99-209, E-Mail [email protected]

Sächsisches Staatsarchiv Bergarchiv Freiberg Schloßplatz 4, 09599 Freiberg Telefon +49 3731/39 46-10, Telefax +49 3731/39 46-27, E-Mail [email protected]

Archivverbund Bautzen Staatsfilialarchiv Bautzen Schloßstraße 10, 02625 Bautzen Telefon +49 3591/53 48 72, Telefax +49 3591/53 48 17, E-Mail [email protected]

Im Internet finden Sie uns unter: www.archiv.sachsen.de

Informationen über die Bestände des Sächsischen Staatsarchivs (SAX.Archiv) unter: www.archiv.sachsen.de/8617.htm Impressum

Herausgeber: Sächsisches Staatsarchiv, Archivstraße 14, 01097 Dresden Telefon: +49 351/89 219-842 Telefax: +49 351/89 219-709 E-Mail: [email protected]

Redaktionsbeirat: Dr. Peter Hoheisel (Bergarchiv Freiberg) Raymond Plache (Staatsarchiv Chemnitz) Birgit Richter (Staatsarchiv Leipzig) Dr. Peter Wiegand (Hauptstaatsarchiv Dresden)

Redaktion: Michael Merchel, (Zentrale Aufgaben, Grundsatz) E-Mail: [email protected]

Satz und Druck: Druckerei Friedrich Pöge e. K., Leipzig

Redaktionsschluss: 25. März 2015

Bezug: Diese Publikation erscheint halbjährlich und kann beim Sächsischen Staatsarchiv als Druckexemplar oder in elektronischer Form kostenfrei bezogen werden. Sie steht darüber hinaus zur Ansicht und zum Download unter https://publikationen.sachsen.de/bdb/ zur Verfügung.

Verteilerhinweis: Diese Informationsschrift wird von der Sächsischen Staatsregierung im Rahmen ihrer verfassungsmäßigen Verpflich- tung zur Information der Öffentlichkeit herausgegeben. Sie darf weder von Parteien noch von deren Kandidaten oder Helfern zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden. Dies gilt für alle Wahlen. Missbräuchlich ist insbesondere die Verteilung auf Wahlveranstaltungen, an Informationsständen der Parteien sowie das Einlegen, Aufdrucken oder Aufkleben parteipolitischer Informationen oder Werbemittel. Untersagt ist auch die Weitergabe an Dritte zur Ver- wendung bei der Wahlwerbung.

Copyright Diese Veröffentlichung ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, auch die des Nachdrucks von Auszügen und der fotomechanischen Wiedergabe, sind dem Herausgeber vorbehalten.