SWR2 Oper Gottfried Huppertz: „Metropolis“

Sendung: Sonntag, 03. Januar 2021, 20.03 Uhr Redaktion: Bernd Künzig

SWR2 können Sie auch im SWR2 Webradio unter www.SWR2.de und auf Mobilgeräten in der SWR2 App oder als Podcast hören:

Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.

Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2?

Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert. Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2.de

Die SWR2 App für Android und iOS

Hören Sie das SWR2 Programm, wann und wo Sie wollen. Jederzeit live oder zeitversetzt, online oder offline. Alle Sendung stehen mindestens sieben Tage lang zum Nachhören bereit. Nutzen Sie die neuen Funktionen der SWR2 App: abonnieren, offline hören, stöbern, meistgehört, Themenbereiche, Empfehlungen, Entdeckungen … Kostenlos herunterladen: www.swr2.de/app 2

Im SWR2 Opernabend gehen wir heute ins Kino. Wir hören und besichtigen ein Monument der Filmgeschichte, nämlich Fitz Langs Stummfilmklassiker „Metropolis“ aus dem Jahr 1927. Sehen können wir diesen Film im Radio natürlich nicht, aber wir wenden uns stattdessen der für diesen Film eigens komponierten Musik von Gottfried Huppertz mit dem Rundfunk- Sinfonieorchester unter der Leitung von zu. Natürlich können Sie sich jetzt fragen, was das alles mit der Oper zu tun hat. Erstaunlicherweise mehr als man zunächst denken könnte. Denn eigentlich war der Film nie wirklich stumm, auch nicht zu den sogenannten Stummfilmzeiten, als die Zelluloidstreifen noch keine Tonspur besaßen. Filme wurden seit ihrer ersten öffentlichen Vorführung im Jahr 1895 schon immer mit Musik begleitet. Zum Teil waren es Klavierspieler, die diese Aufgabe übernahmen, später kamen Kinoorgeln und zur Glanzzeit der Stummfilmära auch ganze Orchester hinzu. Das musikalische Material entnahmen die Begleiter oft der klassischen Musik, gerne auch mit Auszügen oder Potpourris aus Opern. Darüber wurde improvisiert. Die musikalischen Themen ordnete man dabei den Personen, Schauplätzen oder Handlungen auf der Leinwand zu, so dass sie sich wie die Leitmotive in einem Musikdrama Richard Wagners verwenden lassen konnten. Auch wenn die Personen auf der Leinwand weder sprechen noch singen, in der Begleitmusik tun sie das auf eine musikalische Art und Weise, die einer Oper nicht unähnlich ist. Auch inhaltlich haben Stummfilme ab dem Zeitpunkt als sie sich als Kunstform begriffen, auf Sujets zurückgegriffen, die der Oper des 19. Jahrhunderts durchaus nahestehen. Gerade der deutsche expressionistische Stummfilm bediente sich der Themen und Bildfantasien aus der deutschen, manchmal abgründigen Romantik. Nicht ohne Grund gab die große Systematikerin des deutschen Stummfilms ihrem Standardwerk den bezeichnenden Titel „Die dämonische Leinwand“. Und rückblickend meinte der Musikphilosoph Theodor W. Adorno, dass sich bereits im Musiktheater Richard Wagners mit all seinen Überwältigungsstrategien die „Geburt des Films aus dem Geiste der Musik“ ereignen würde. Insofern ist das Kino nicht nur der wahre Erbe der Oper im 20. Jahrhundert, sondern übernimmt deren Funktion als einstiges Massenmedium.

Was nun die musikalische Seite der Stummfilmära betrifft, sieht es nicht weniger verheerend aus als im Hinblick auf die eigentlichen Filmrollen. Es dauerte lange bis sich etwa seit den 1960er Jahren ein historisches Bewusstsein für die Qualitäten dieser stummen Ära des Kinos herausbildete. Nicht allein, dass zahlreiche filmische Werke dieser frühen Periode bis heute verloren sind, andere mit großem Aufwand mühsam rekonstruiert und restauriert wurden, auch die Partituren der Begleitmusiken sind nicht in Gänze erhalten. Im Falle derjenigen zu Fritz Langs mittlerweile legendärem Film „Metropolis“ hat sich der Glücksfall ergeben, dass sich die für diesen Film original komponierte Musik von Gottfried Huppertz als gedruckter Klavierauszug und als handschriftliche Partitur für großes Orchester und eine kleinere Besetzung erhalten hat. Das zeigt allein schon den Wert dieses Prestigeprojekts der UFA. Der Film sollte in großer Breite aufgeführt werden, mit großem Orchester, kleinerer Besetzung und auch mit der weitverbreiteten Klavierbegleitung. Dem Film selbst erging es dabei wesentlich schlechter. Er war nicht nur der bislang teuerste Film der UFA, er bedeutete auch fast ihren Ruin. Denn an der Kinokasse und beim Publikum war Langs Meisterwerk ein Flop. Auch mit einer opernhaften Länge von zweieinhalb Stunden war er selbst für die UFA- Mächtigen eine Zumutung. Bereits nach der Premiere kürzten die Verantwortlichen gegen den Willen Langs den Film auf zwei Stunden. Seit 1961 wurde der Film wiederholt in mehreren Versionen rekonstruiert. Auf der ganzen Welt tauchten herausgeschnittene Schnipsel des Films auf. Zuletzt wurde 2008 in Argentinien eine 16mm-Version des ursprünglichen 35mm-Materials gefunden, die fast alles enthielt, was 1927 herausgeschnitten wurde. Anderes konnte nur durch rein fotografisches Material oder Texttafeln ersetzt werden. 2010 wurde diese vollständige Version wieder mit der ursprünglichen Musik von Gottfried Huppertz in Berlin und in Frankfurt aufgeführt. Bei diesen Aufführungen entstand auch unsere Aufnahme der Musik.

Huppertz Partitur war aber noch in anderer Hinsicht ein Glücksfall. In ihr finden sich nämlich auch Eintragungen zum Geschehen auf der filmischen Ebene. Und anhand dieser

2

3

Eintragungen konnte auch die ursprüngliche Reihenfolge der aufgefundenen Einzelteile rekonstruiert werden. Das ergibt ein erstaunliches Paradoxon. Hier folgt nicht die Musik dem Film, sondern die Rekonstruktion desselben folgt der Partitur, die zum exakten Protokoll des Originals wird.

Fritz Lang und seine Frau, die Drehbuchautorin , haben dem Film von Anfang an eine dreiteilige Struktur gegeben, als folge er einer dreiaktigen Oper. Er besteht aus dem „Auftakt“, einem „Zwischenspiel“ und dem finalen „Furioso“. Schon die Bezeichnungen des ersten Teils als „Auftakt“ ebenso wie das Finale des „Furioso“ entstammen der Musiksprache. In „Metropolis“ ist die Stadt der Zukunft, ein Spiegelbild des Molochs Berlin der 1920er Jahre, in zwei Klassen geteilt. Ganz oben auf den Dächern der Wolkenkratzer wohnt eine Oberklasse in Luxus und Vergnügen. Den Wohlstand erarbeiten die unteren Schichten, die so weit unten hausen, wie die anderen über den Wolken. Im Untergrund herrscht die Welt der Maschinen, die von den Arbeitern bedient werden. In einer Vision des Films verwandeln sich Kolben und Öffnungen der gigantischen Maschinerie in Arme und Schlund eines Ungeheuers, das die Menschen wie einst der heidnische Dämon Moloch als Opfer verschlingt. In den Gärten der Wohlhabenden taucht eines Tages die junge Frau Maria mit Kindern aus der Arbeiterschicht auf, um ihnen zu zeigen, wie ihre Brüder wohnen und leben. Dort begegnet sie Freder, dem Sohn des allgewaltigen Stadtherrschers Joh Fredersen. Die Namen sprechen für sich. Freder verliebt sich in Maria und lässt sich von ihr die Wirklichkeit jener Unterschicht zeigen, die für den Wohlstand der oberen Zehntausend sorgt. Es ist klar, dass es in „Metropolis“ rumort. Bei einem verunglückten Arbeiter werden Verschwörungspläne gefunden. Freder versucht indessen bei seinem hartherzigen Vater erfolglos zu vermitteln. Fredersen will sich die geheimnisvollen Pläne von seinem Wissenschaftler Rotwang erklären lassen. Der war einst in eine Frau namens Hel verliebt, die er aber an Fredersen verloren hat. Bei der Geburt Freders ist sie gestorben. Der unglückliche Rotwang hat seine Hand geopfert, um aus der Verbindung von Fleisch und Metall einen künstlichen Menschen zu erschaffen. In seiner rohen Gestalt führt er die Menschmaschine Fredersen vor. In 24 Stunden soll sie von einem wirklichen Menschen nicht zu unterscheiden sein. Beim Studium der Pläne erkennt Rotwang worum es geht: es sind Wege durch die zweitausend Jahre alten Katakomben unterhalb der Stadt, wo sich die Arbeiter im Geheimen versammeln. Rotwang hat durch ein altes verfallenes Haus Zugang zu diesen Katakomben. Dort angekommen beobachten die beiden, wie Maria den Untergang der Stadt heraufbeschwört, der so unumgänglich sei wie der des babylonischen Turms. Der eingeschlichene und verliebte Freder gibt sich ihr zu erkennen und schwört, zwischen seinem Vater und den Arbeitern, zwischen Hirn und Händen vermitteln zu wollen. Fredersen hingegen sieht seine Macht bedroht und zwingt Rotwang dazu, dem Maschinenmenschen das Aussehen Marias zu geben. Der plant allerdings, Fredersen zu hintergehen und seinen Maschinenmenschen dazu zu benutzen, Arbeiter und die Wohlhabenden gegeneinander aufzuhetzen und den Untergang der Stadt herbeizuführen. Noch in den Katakomben überfällt Rotwang Maria, nimmt sie gefangen und bringt sie in sein Haus.

Wir hören den ersten Teil „Auftakt“ von Gottfried Huppertz Musik zum Film „Metropolis“ von . Das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin spielt unter der Leitung von Frank Strobel.

Musik: Gottfried Huppert: „Metropolis“, Teil 1 (63:56)

Gottfried Huppertz Musik zum Film „Metropolis“ von Fritz Lang. Das Rundfunk- Sinfonieorchester Berlin spielte unter der Leitung von Frank Strobel den ersten Teil „Auftakt“.

Man mag nach diesem üppig orchestrierten, spätromantischen Auftakt der Filmmusik von Gottfried Huppertz irritiert sein. Denn Fritz Langs „Metropolis“ gilt eigentlich als ein Klassiker der Science-Fiction. Doch allzu weit kommt man damit nicht. Ja, in diesem Film wird ein

3

4

Mensch der Zukunft, ein Maschinenmensch, ein Roboter konstruiert. Die Hochhauskulisse erinnert an die Straßenschluchten von New York mit ihren Wolkenkratzern. Aber der Erfinder Rotwang haust in einer geradezu mittelalterlich anmutenden Alchemistenküche und einem verfallenen gotischen Haus. Einen Dom gibt es, mit einem mittelalterlichen Totentanz, der lebendig werden wird. In der Vergnügungsstadt Yoshiwara wird Foxtrott getanzt, aber unter der Stadt befinden sich zweitausend Jahre alte Katakomben. Maria ist eine Erlöserfigur von jungfräulicher Reinheit und Blässe, Freder ein schwärmerischer Jüngling. Die deutsche Romantik ist dabei nicht allzu fern. Und Gottfried Huppertz spätromantische Klangüppigkeit passt eigentlich perfekt zu diesem Konglomerat aus Zukunft und Vergangenheit. Da scheint nicht ohne Grund die Klangwelt von Opernkomponisten wie Franz Schreker oder Erich Wolfgang Korngold auf, der selbst während seiner durch die Emigration bedingten Zeit in Amerika zu einem der bedeutendsten und stilprägenden Filmkomponisten werden sollte. In diesem Sinne komponierte Huppertz eine perfekte Film- oder Opernsinfonie mit raffinierter Leitmotivtechnik. Sie war ganz im Sinne des Filmschöpfers Fritz Lang. Der Regisseur kannte seinen Komponisten schon länger. Der 1887 in Köln geborene Huppertz studierte in seiner Heimatstadt Komposition und Gesang. Dort lernte er auch den Schauspieler Rudolf Klein- Rogge kennen. In „Metropolis“ verkörpert er den Erfinder Rotwang. Über ihn kommt er schließlich auch mit Fritz Lang und seiner Frau Thea von Harbou zusammen. In „Dr. Mabuse der Spieler“, in dem Klein-Rogge den dämonischen Titelhelden verkörpert, wirkt er als Nebendarsteller mit. Und 1924 ist es soweit: für Fritz Langs Verfilmung „“ komponiert er die Musik, ebenso zu Arthur von Gerlachs „Die Chronik von Grieshuus“ und dann sein Meisterwerk für „Metropolis“. Doch Filmmusik sollte eher das Nebengeschäft von Huppertz bleiben. Von den 47 erhaltenen Kompositionen sind nur neun für den Film geschrieben. Seine drei für die UFA-Produktionen geschriebenen Film-Partituren bilden dennoch das Hauptwerk des 1937 verstorbenen Komponisten.

Wir wenden uns dem Zwischenspiel von „Metropolis“ zu. Freder hat sich Im Dom mit Maria verabredet. Da Rotwang sie gefangen hält, findet er sie nicht. Stattdessen hört er den Mönch, der die Apokalypse predigt. Vor dem Skulpturentotentanz bittet er den Tod, ihn und Maria zu verschonen. Aus Rotwangs Haus hört er Marias Schreie und versucht ins Haus einzudringen. In seinem Zimmer- und Türenlabyrinth sperrt Rotwang auch ihn ein. Die bewusstlose Maria legt Rotwang in eine Röhre und benutzt ihren Körper als Matrix zur Übertragung von Aussehen und Gestalt seines Maschinenmenschen. In einer spektakulär animierten Szene formt sich aus dem Metall der Körper, der von dem Marias in nichts zu unterscheiden ist. Nach getanem Werk lässt Rotwang Freder frei und macht ihn glauben, Maria sei bei seinem Vater. Doch bei Fredersen ist der Maschinenmensch, dem er nun den Auftrag erteilt, das Werk der Predigerin Maria zu zerstören. Als Freder in der Hoffnung auf Maria hereinstürzt, findet er den Maschinenmenschen in den Armen seines Vaters. Er glaubt natürlich, dass sich Maria seinem Vater hingegeben hat und versinkt in fiebrige Wahnvorstellungen. Bei einem Empfang Rotwangs erlebt Fredersen, wie der Maschinenmensch in einem ekstatischen Tanz als Hure von Babylon den anwesenden Männern den Kopf verdreht. Währenddessen sieht Freder in einem Fiebertraum, wie die Skulpturen des Totentanzes im Dom lebendig werden. Mit diesem Danse macabre endet das Zwischenspiel.

Es spielt das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin unter der Leitung von Frank Strobel.

Musik: Gottfried Huppert: „Metropolis“, Teil 2 (28:20)

Im SWR2 Opernabend heute die Musik zu Fritz Langs Stummfilmklassiker „Metropolis“ von Gottfried Huppertz. Frank Strobel dirigiert das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin.

4

5

„Metropolis“ gilt als Klassiker der Science-Fiction. Ziehen wir aber einmal das futuristische Dekor ab, dann ist da viel Zeitgeistiges vorhanden. Die Wolkenkratzer-Architektur seines Films geht natürlich auf einen Aufenthalt Langs in New York zurück. Aber alles andere Geschehen, der Konflikt zwischen Arbeitern und Oberschicht, die Vergnügungssucht der oberen Zehntausend, die Ideologie von Gut und Böse, von Heiliger und Hure, der Mittler, der zur Aussöhnung von Oben und Unten führen soll, das alles entstammt dem damals aktuellen Zeitgeist der „Roaring Twenties“ in Berlin. Eine so überaus erfolgreiche Fernsehserie wie „Babylon Berlin“ ist nicht nur dem Mythos der Hauptstadt in den 1920er Jahren verpflichtet, sondern ist selbst nicht ohne Grund eine Hommage an die große Stummfilmzeit der UFA in Babelsberg. Die Anleihen bei den Stummfilmen dieser Zeit und selbstredend bei Fritz Langs „Metropolis“ sind beabsichtigt. Was Lang allerdings noch nicht thematisieren konnte, ist der rasante und militante Aufstieg der Nationalsozialisten. Allerdings treiben in seinen Filmen, so auch in „Metropolis“ und auch in Filmen anderer Regisseure, Tyrannen mit dämonischen Machtverschwörungen ihr Unwesen. Diese Dämonie greift auf einiges aus der romantischen Literatur etwa bei E.T. A. Hoffmann zurück. Selbst der Maschinenmensch ist ja keine Erfindung Thea von Harbous und Fritz Langs, sondern kommt schon in Hoffmanns romantischer Erzählung „Der Sandmann“ oder etwas später in Villiers de L‘Isle Adams „L’Eve future“ vor. Gerade die spätromantische Klangfülle der Musik von Gottfried Huppertz passt perfekt zu diesen Strömungen. Eine avancierte, gar futuristische Musik, hätte diesen Zusammenhang eher verunklart.

Was Lang und die anderen Stummfilmmeister sicher nicht ahnen konnten: dass die Dämonen auf der Leinwand bald im richtigen Leben ihr böses Unwesen treiben sollten. All diese irren Ärzte wie Dr. Caligari oder die allmächtigen Verbrecher wie Dr. Mabuse sollten in der Tat ihr weniger fantastisches als vielmehr realistisches Gegenüber in den größenwahnsinnigen Ideologen der Nationalsozialisten finden. Insofern musste der Soziologe und Filmtheoretiker Siegfried Kracauer den Weg klar benennen: er führt „Von Caligari zu Hitler“, so der Titel seines 1947 erschienenen großen Buches über den deutschen Stummfilm, dem auf der anderen Seite nur noch Lotte Eisners „Die dämonische Leinwand“ ebenbürtig ist.

„Furioso“ ist der dritte Teil von „Metropolis“ überschrieben und wir nähern uns in der Tat dem furiosen Finale. Der genesene Freder liest gerade in der „Offenbarung des Johannes“ als ihm sein Freund Josaphat berichtet, im Vergnügungsviertel Yoshiwara würde eine verruchte Frau namens Maria den Männern den Kopf verdrehen, was zu Mord und Selbstmord führe. Josaphat bestätigt dem entsetzten Freder, dass es sich um die gleiche Maria handle, die die Arbeiter als Heilige verehren. Freder beschließt in seiner Rolle als Mittler zu den Arbeitern zu gehen. Fredersen hat dem Maschinenmenschen die Aufgabe erteilt, die Arbeiter aufzuhetzen, damit er mit aller Gewalt gegen sie vorgehen kann. Währenddessen prahlt Rotwang vor Maria, dass er seinen Maschinenmenschen gegen alle einsetzen wird, um die Stadt zu zerstören. Die Liebe Freders zu Maria hat er bewusst Fredersen verschwiegen. Der hat aber das Gespräch belauscht und attackiert Rotwang. Im Tumult kann Maria entkommen.

In der Arbeiterstadt hetzt der Maschinenmensch zum Aufstand. Der Mittler sei nicht gekommen und sie sollen ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen. Der herbeigeeilte Freder warnt die Arbeiter vergeblich, dass dies nicht die verehrte Maria sei. Unter Führung des Maschinenmenschen machen sich die Arbeiter auf, um die Herzmaschine der Stadt zu zerstören. Ihre Kinder lassen sie zurück. Der Vorarbeiter Grot warnt vergeblich, wenn sie die Herzmaschine zerstören, würde die Arbeiterstadt überflutet. Über einen Bildschirm gibt Fredersen nun selbst den Arbeitern den Befehl zur Zerstörung. Der Maschinemensch macht sich im Aufzug davon, bevor dieser einstürzt. Maria gelangt in die Unterstadt und stellt entsetzt fest, dass die Kinder allein gelassen sind. Sie betätigt den Alarmgong, bevor auch hier alle Aufzüge einstürzen. Fredersen verfolgt an seinen Bildschirmen, wie in der Stadt die Lichter ausgehen. Er bekommt mitgeteilt, dass sein Sohn sich den Arbeitern angeschlossen

5

6 habe. Jetzt erst ist er besorgt. In die Arbeiterstadt dringt das Wasser herein. Freder kommt Maria zu Hilfe. Sie schaffen es noch rechtzeitig, die Kinder über die Luftschächte nach oben in den Klub der Söhne zu bringen, bevor die Spundwände alles verschließen und die Arbeiterstadt überflutet wird. Grot bringt die aufgeheizte Menge endlich dazu, sich ihrer Kinder zu erinnern. Und sie begreifen, wer an diesem Unglück schuld ist. Die Menge zieht nach Yoshiwara, wo der Maschinemensch eine Orgie feiert und im Fackelzug herumgetragen wird. Auch Rotwang begibt sich auf die Suche nach dem Maschinenmensch, dem er endlich das Gesicht seiner geliebten Hel geben will. Die aufgebrachte Menge fängt Maria ab, die gerade den Klub der Söhne verlässt und nimmt sie gefangen. Vor dem Dom trifft die von Grot geführte Menge auf den Zug mit der Maschinen-Maria. Ein Scheiterhaufen wird errichtet, um die Hexe zu verbrennen. Im Getümmel kann Maria entkommen. Vor dem Dom trifft sie auf Rotwang, der sie für seinen Maschinenmenschen hält und sie mit sich auf den Turm des Doms zerrt. Der herbeigeeilte Freder versucht vergeblich, die für ihn scheinbar echte Maria von dem Scheiterhaufen zu retten. Im Feuer bleibt schließlich nur die Maschinenhülle übrig. Maria gelingt es, sich von Rotwang zu befreien und die Glocke zu läuten. Freder eilt, um sie zu retten. Der hilflose Fredersen kann von unten nur zusehen, wie sein Sohn mit Rotwang auf dem Turm kämpft. Der besessene Erfinder überwältigt Freder und zerrt Maria auf das Dach. Freder setzt ihm nach, beide rutschen auf der Schräge ab und Rotwang stürzt in den Tod. Freder kann sich und Maria retten. Am Ende reichen sich auf Bitten Marias und ihres Mittlers Freder der Arbeiterführer Grot und Fredersen die Hände. Der letzte Zwischentitel vermerkt: „Mittler zwischen Hirn und Händen muss das Herz sein.“

„Furioso“, der letzte Teil der Musik von Gottfried Huppertz zu Fritz Langs Stummfilm „Metropolis“. Wir hören noch einmal das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin. Es dirigiert Frank Strobel.

Musik: Gottfried Huppert: „Metropolis“, Teil 3 (51:54)

Im SWR2 Opernabend hörten Sie die Musik zum Stummfilm „Metropolis“ von Gottfried Huppertz. Es spielte das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin. Der Dirigent war Frank Strobel.

„Die dämonische Leinwand“, wie Lotte Eisner in ihrem gleichnamigen Buch den expressionistischen Stummfilm benannte, übte auch Einfluss auf andere Kunstformen aus. Bereits 1922 komponierte Paul Hindemith für ein Kammerensemble seine Ballettpantomime „Der Dämon“. Darin treibt ein Dämon in schillernd bunten Kostümen und expressiver Maske sein Unwesen. Man kann in dieser Pantomime den Geist des expressionistischen Stummfilms vermuten und gelegentlich kann man sie wie eine Begleitmusik zu einem imaginären Film hören. Zum Schluss ein Ausschnitt mit dem Gewandhausorchester Leipzig unter der Leitung von Lothar Zagrosek.

Musik: Paul Hindemith: „Der Dämon“ (Ausschnitt) (9:44)

Der SWR2 Opernabend ging zu Ende mit einem Ausschnitt aus Paul Hindemiths Pantomime „Der Dämon“, gespielt vom Gewandhausorchester Leipzig. Es dirigierte Lothar Zagrosek. Redakteur unseres filmischen Opernabends war Bernd Künzig.

6