Nr 111 2016 ÉDITO Guy Hoffmann Guy Das Handwerk
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Nr 111 2016 ÉDITO Guy Hoffmann Guy Das Handwerk In der Schule, die deren Namen trug, werden kaum noch welche ausgebildet: Handwerker. Mit dem Argument, die industrielle und später die digitale Revolution forderten neue Bildungswege. Vor 120 Jahren war noch alles anders. Damals haben die Luxemburger Handwerker hart gekämpft, damit sie, und nicht ausländische Firmen, Aufträge erhielten, wie etwa 1906 die Skulptur-, Stuckateur- und Kunstschmie de arbeiten an der damals „neuen“ Badeanstalt. Heute ist es die Handwerkskammer, welche die Interessen der Handwerker vertritt, die Handwerkerföderation diejenigen des Patronats – ons stad hat ihnen einen Besuch abgestattet. Außerdem haben wir uns einen traditionellen Handwerkerbetrieb angeschaut, nachgeforscht, wo man welchen Handwerksberuf erlernen kann, kritisch hinterfragt, ob man defekte, elektronische Haushaltsgeräte flicken oder verschrotten soll, und überlegt, ob man über handwerkliche Ausbildungen die Integration von Flüchtlingen begünstigen könnte. Welche Zukunft das Handwerk in Luxemburg hat, hängt letztendlich von uns allen ab, denn wir alle sind Auftraggeber der Handwerker – oder auch nicht. r.cl. 2 SOMMAIRE 4 20 35 Das „Arts et Métiers“ Fédération des artisans: Verantwortung übernehmen im Dschungel der Gesetze Vermitteln und Vertreten und Reformen Wen vertritt die Handwerkerfödera- tion? Wie steht es um ihre Bezie- hungen mit der Handwerkskammer, ons stad N° 111 den Gewerkschaften und den Kommunen? Avril 2016 Interview mit dem beigeordneten Generalsekretär der „Fédération des artisans“ Christian Reuter, von Luc Caregari Recherche internet: onsstad.vdl.lu Périodique édité par 22 l’administration communale 2447 Flüchtlinge sind 2015 in Zu Besuch in Luxemburg angekommen. Ist das de la Ville de Luxembourg der Handwerkskammer : paraissant trois fois par an Das heutige „Lycée des Arts et Handwerk ein Weg zu ihrer Integra- Métiers“ war die erste staatliche Offensive und Defensive tion? Passt das deutsche Modell Fondé en 1979 par Henri Beck † auch für Luxemburg? Das Bildungs- Handwerkerschule. Jahrzehntelang Tirage: bildete sie Kunst- und Bauhandwer- ministerium und die Handwerker- ker aus – aber auch Elektrotechniker kammer beziehen Position. 54 000 exemplaires und Mechaniker. Die industrielle, Ein Bericht von David Angel Distribution à tous les ménages später die digitale Revolution for- de la Ville de Luxembourg derten nach und nach neue Bildungswege. Porträt einer 120-jährigen Schule, 38 von Christiane Grün En Handwierk wéi en anert... Supervision: Am Fliiger zeréck vu Wien souz Patricia Rix ech niewent engem Tipp, dee sech Rédaction et coordination: wuel nach méi e seelent Handwierk René Clesse 10 erausgesicht hat wéi ech... Menuiserie Dostert: Layout: Die Politik beraten, das Handwerk En Handwierk, iwwert dat et net Ein luxemburgischer verteidigen und die Ausbildung einfach ass ze schwätzen – oder Stéphane Cognioul, Traditionsbetrieb organisieren – das sind nur einige dach? Vum Nico Helminger Maison Moderne, Luxembourg der Aspekte, die von der Handwerks- Photos: kammer abgedeckt werden. Vic Fischbach, Guy Hoffmann, Besuch beim Direktor der 40 Photothèque de la Ville Handwerkskammer Tom Wirion, de Luxembourg von Luc Caregari Handwerker, Bürger und Magistrat im Luxemburg Dessins: des 18. Jahrhunderts Pit Weyer 25 Das Handwerk der frühneuzeitli- Imprimerie: chen Stadt Luxemburg war in Zünf- Imprimerie Centrale, Luxembourg Se faire des cheveux ten organisiert. Sie vertraten die Si c’était guidé par l’odorat qu’on städtische Bürgerschaft – und stan- y mettait la main? Dans le beurre, den oft in direktem Konflikt mit dans le cheveu, dans le cuir, dem Magistrat. 1936 gründete Michel Dostert sein dans le bois... Evamarie Bange und Nicky Schreinereiunternehmen – ein Fami- Réflexions sur l’artisanat, Blazejewski erzählen aus einer lienbetrieb, den heute die dritte par Anne Schmitt Zeit, die heute fremd anmutet. Generation leitet. Das Betriebsge- Nr 111 2016 bäude befindet sich in Cessingen und hat 1200 m2 Produktionsfläche. 43 Porträt eines 80-jährigen Handwerks- 26 betriebes, von Henri Fischbach Portfolio Was bedeuten die Straßennamen der Stadt? 14 32 Eine Serie von Simone Beck Marché ouvert, production Flicken oder verschrotten? industrielle, quelle part Photo couverture: pour l’artisanat? 44 Guy Hoffmann Aktuelles aus der Cité-Bibliothek 46 Cercle-Cité Calendrier culturel 48 Früher gehörte zu jedem Elektriker- laden eine kleine Werkstatt zum Dans les théâtres Reparieren defekter Elektrogeräte. de la Ville de Luxembourg Comment la culture du bâti s’est- Heute sind bei vielen Elektrikern die Die Theaterrubrik von Simone Beck elle affirmée lors de la transforma- Funktionen Verkauf, Installation tion de la ville forteresse en ville und Reparatur entkoppelt, auch ouverte (1867-1920) ? geographisch. 54 Regard historique sur l’artisan, Über verlorene Gewohnheiten und l’architecte et les matériaux neue Trends, von Raymond Klein La collection de construction, par luxembourgeoise Robert L. Philippart du Musée National d’Histoire et d’Art Le maniérisme, le paroxysme de la renaissance Par Nathalie Becker 3 Das Arts et Métiers im Dschungel der Gesetze und Reformen Mit grasgrüner Fassade: Das neue Schulrestaurant im Innenhof. Links das 1972 gebaute Gebäude mit den Werkstätten. Es ist ungewiss, ob der „Sohn des Handwerkers“ heute noch den „Beruf des Vaters“ ergreifen möchte. Guy Hoffmann Guy Fest steht nur: die ehemalige École des Artisans Frontansicht des „Lycée des Arts et Métiers” hat in 120 Jahren viel geändert. Sich und ihre Namen. in der Guillaume Schneider-Straße auf Limpertsberg. 4 1 2 3 4 rsprünglich war das heutige Lycée des Arts et samt 19 Mal hat die Regierung ihn daran erinnert. 1. L‘atelier de mécanique métiers die erste staatliche Handwerkerschule. So kümmerte sich einstweilen die Spezialkommis- (vers 1930). U 2. L‘atelier de peinture Initiiert von Staatsminister Paul Eyschen, per Gesetz sion des Handwerks darum: Sie führte 1919 fakulta- décorative (vers 1930). gegründet am 14.3.1896.1 tive Abschlussexamen ein, 1920 auch eine Art 3. L‘atelier de menuiserie. Private Abend- und Sonntagskurse für Handwer- Lehrlingskontrakt. Zum Gesetz über das Lehrlings- 4. La forge (vers 1930). ker gab es bereits früher. So gründete der Verband wesen kam es letztendlich am 5. Januar 1929.2 für Handwerkergesellen 1866 ein Ausbildungszen- Die Handwerkerschule hatte mittlerweile ihr trum im Casino der Festung Luxemburg.2 Der Staat schulisches Angebot erweitert: 1911 ist die Elektro- unterstützte solche Initiativen erst später. So steht im technik-Sektion hinzugekommen, 1916 die Cours Gesetz vom 20. April 1881, unterschrieben von Techniques Supérieurs, im Volksmund Technikum Großherzog Wilhelm III: „Die Regierung ist ermäch- genannt. Letzteres verlegte die Zivilverwaltung von tigt (...) Abendschulen und sonstige Schulen für Kin- 1941 bis 1944 nach Esch/Alzette und gab ihm den der beiderlei Geschlechts außer dem schulpflichtigen Namen Staatliche Ingenieurschule. 1 Alter zu organisieren“.3 Nach dem Krieg bildeten die École des Artisans und die Cours Techniques Supérieurs erneut eine Ein- Staatliche Handwerkerschule heit, die das Gesetz vom 3. August 1958 reformierte. und Technikum Es entstand ein Institut d’enseignement technique mit zwei Schulen: der École des Arts et Métiers und der Doch zurück zur École des Artisans. Sie funktionierte École Technique.4 nach Vorbildern von Handwerkerschulen in Öster- Beide blieben dort, wo die vorige École des reich, Frankreich und den Niederlanden. Sie bildete Artisans seit 1912 ununterbrochen zuhause war: im Bau-, Metall- und Kunsthandwerker aus: Maurer, ehemaligen Jesuitenkloster auf Limpertsberg. 1 100 Joër Handwierkerschoul, Jubiläumsbuch des Lycée Schreiner, Zimmerleute, Steinmetze, Schlosser, technique des Arts et Métiers, 1996; Mechaniker, Kunstschmiede, Dekorationsmaler, Technisches Ausbildungsinstitut 2 “Développement de la Modellierer, Stuckateure und Skulpteure.1 mit zwei Schulen formation professionnelle au Grand-Duché de Über Gesellenbriefe oder sonstige Abschluss- Luxembourg” von Aly zertifikate steht nichts im Gesetz von 1896. In der künftigen École des Arts et Métiers erlernten Schroeder; 3 Gesetz vom 20. April 1881, die Mit dem Lehrlingswesen befasste sich die Schreiner, Kunsttischler und -schmiede, Keramiker, Organisation des Primär- Regierung ab 1908. Ein entsprechendes Gesetzes- Dekorationsmaler, Skulpteure, Bauhandwerker, Unterrichtes betreffend; 4 Loi du 3 août 1958 portant projekt legte sie dem Staatsrat 1914 vor. Der ließ Mechaniker und Elektrotechniker ihr Handwerk. Ihr création d’un institut lange mit einem Gutachten auf sich warten: insge- schulisches Abschlusszertifikat entsprach laut d’enseignement technique; 5 DAS ARTS ET MÉTIERS IM DSCHUNGEL DER GESETZE UND REFORMEN 2 1. Mechatronikschüler Yannick würde sich freuen, wenn er später in der Kläranlage in Petingen arbeiten dürfte. 2. Jean Folschette und seine Tocher Nancy im Elektrofachhandel N. Folschette. 3. Lehrer Claude Wolmering mit Schülern der Klasse T3EE. Hoffmann Guy 1 3 Gesetz dem Zertifikat der beruflichen Eignung, kurz rers: „Du wirst doch noch weiterstudieren, nicht CAP5 genannt. Es war dies der Gesellenbrief. beim Handwerk hängen bleiben!“ Wer am Arts Die École Technique bildete Fachleute im Bauin- Womöglich wollte besagter Lehrer Hilger dazu et Métiers sein genieurwesen, der Mechanik und der Elektrotechnik überreden, nach seinem CAP eine zusätzliche Aus- Examen bekam, aus. Techniker sollten laut Gesetz zwei Jahre Ausbil- bildung zum Techniker zu machen. Das Gesetz von dung