100 Jahre Eisenbahnlinie Dümpelfeld-

Manfred Jehnen

enn man heute in Remagen in den Zug Mit der Eröffnung der Strecke Ahrdorf – Blan- Weinsteigt und ahraufwärts fährt, endet kenheim am 1. Mai 1913 war schließlich das die Fahrt auf der eingleisigen Ahrtalbahn be- ganze Ahrtal von Eisenbahnstrecken durchzo- reits nach 29 Kilometern in Ahrbrück. Bis 1985 gen und hervorragend an die Verkehrsadern konnte man über Dümpelfeld immerhin noch an Rhein und Mosel angebunden. Dabei wäre bis nach weiterfahren. Längst verges- der Zug für die Eisenbahn im oberen Ahrtal im sen sind jedoch die Zeiten, in denen man mit wahrsten Sinne des Wortes schon fast abge- der Eisenbahn auf zweigleisig ausgebauten fahren gewesen. Strecken von Remagen aus über Dümpelfeld und nach Jünkerath und von dort Die lange Vorgeschichte der Strecke aus weiter bis nach Belgien oder auf der - Noch bevor im Jahre 1888 das letzte Teilstück bahn nach Köln oder fahren konnte. der Strecke Remagen – Adenau fertiggestellt Das Jahr 2012 ist ein guter Anlass, sich an die worden war, gab es vielerorts Bestrebungen, Eisenbahngeschichte im Ahrtal zu erinnern, ausgehend von dieser Strecke den Anschluss denn 100 Jahre zuvor, am 1. Juli 1912, wurden an die Eifelbahn Köln – Trier zu bauen. Aller- folgende Bahnprojekte, deren Entstehung man orten wurden Eisenbahn-Komitees gegründet, übrigens nicht isoliert voneinander betrachten Petitionen entworfen und an den zuständigen kann, vollendet und die Strecken dem Verkehr Minister für öffentliche Arbeiten nach Berlin übergeben: geschickt. Lange Zeit blieb ein Erfolg versagt, • der zweigleisige Ausbau der ursprünglich ein- was unter anderem daran lag, dass die betrof- gleisigen Strecke von Remagen bis Dümpelfeld fenen Gemeinden ihr Land nicht kostenlos für • die zweigleisig neu gebauten Strecken Düm- den Eisenbahnbau hergeben wollten. pelfeld – Lissendorf (- Jünkerath), Hillesheim Dann kam der 22. Dezember 1903. An diesem – und Jünkerath – Losheim – Wey- Tag beauftragte der Minister die Eisenbahndi- wertz rektion Köln, ohne örtliche Vermessungen Vor-

Bahnhof Schuld auf einer Ansichtskarte, gelaufen 1952

Heimatjahrbuch Kreis 2012 u 181 1906 legte die Eisenbahndirektion Köln dem Minister ihren Bericht vor. Danach hatten die Interessenten der Bahnstrecken die Bereitschaft zur Tragung der Grunderwerbskosten signali- siert, wenn ein Staatszuschuss bewilligt werde. Die Sache war entschieden, doch nach allem, was wir heute wissen, wäre die Bahn auch ohne die Bereitschaft zur Kostenbeteiligung gebaut worden. Das Militär bringt die Entscheidung Wieso nun der plötzliche Sinneswandel und so- gar der zweigleisige Bau bzw. Ausbau der neu- Dampflok 82 020 bei einer Sonderfahrt am en Bahnlinien? Das wird aus einem Schreiben 21.9.1969 in Schuld deutlich, das der Minister im Zusammenhang mit den Zuschüssen für den Grunderwerb an erhebungen unter anderem für eine Nebenbahn den Regierungspräsidenten in Koblenz schickte. von Adenau über Wirft, Kirmutscheid, Müsch Dort heißt es: „Dabei vermerke ich vertraulich, und weiter durch das Ahrtal nach Blanken- daß der Herr Kriegsminister so hohe Anforde- heim oder Nettersheim vorzunehmen. Welches rungen an die Leistungsfähigkeit der zunächst Ergebnis die Vorerhebungen hatten, ist nicht als Meliorationsbahn für den staatlichen Aus- genau bekannt. Jedenfalls bekam die Direktion bau in Frage kommenden Linie gestellt hat, daß am 4. November 1905 den Auftrag zu allgemei- der zweigleisige Ausbau der ganzen Strecke Re- nen Vorarbeiten für folgende Strecken: magen – Dümpelfeld – Lissendorf erforderlich 1. Adenau – Remagen (zweigleisiger Ausbau) wird. Die hierdurch entstehenden Mehrkosten 2. Dümpelfeld – Ahrdorf – Lissendorf einschließlich der Kosten des Grunderwerbs für (zweigleisig) das zweite Gleis werden vom Reich und Preu- 3. Ahrdorf – Blankenheim ßen gemeinsam getragen“. Auch die Vorarbeiten für die Strecke Jünkerath Damit ist auch gleich einer der Hauptgründe – Losheim – Bütgenbach müssen um diese Zeit für den Bau der neuen Eisenbahnlinien ange- in Auftrag gegeben worden sein. deutet: das Militär brauchte die Strecken. Zum

Der Bahnhof Dümpelfeld auf einer alten Ansichtskarte

182 u Heimatjahrbuch Kreis Ahrweiler 2012 einen konnte man so den 1895 im Hohen Venn ausgetragen wurden, aber das hielt die Arbeiten gebauten Truppenübungsplatz Elsenborn nun kaum auf. Am 1. April 1909 begann der Bau auch von der Rheinschiene her erreichen, zum der neuen Bahnlinie. In Antweiler wurde ein anderen unterstützten die neuen Strecken den Baubüro eingerichtet, das im Haus der Witwe 1905 entwickelten und nach seinem Autor, dem Hürth untergebracht war. Die Strecke wurde in deutschen Generalfeldmarschall Alfred Graf von fünf Lose eingeteilt. Schlieffen, benannten Schlieffen-Plan. Dieser Beim Bahnbau ging es damals schon relativ mo- sah für den Fall eines möglichen Zweifronten- dern zu. Für die Arbeiten, bei denen mehrere Mil- krieges vor, zunächst die Masse des Heeres im lionen Kubikmeter Erde bewegt werden mussten, Westen einzusetzen und mit Schwerpunkt auf wurden bereits Dampfbagger und Presslufthäm- dem Nordflügel durch das neutrale Belgien den mer eingesetzt. Die abgetragene Erde wurde auf linken französischen Flügel zu umfassen und das Feldbahnen dorthin gefahren, wo sie für das französische Heer gegen die Schweiz zu drängen. Aufschütten von Bahndämmen gleich wieder Zur Umsetzung des Schlieffen-Plans brauchte genutzt werden konnte. Tag für Tag durchhallten man gut ausgebaute Eisenbahnverbindungen zahlreiche Detonationen die sonst so ruhige Eifel von Ost nach West bis nach Belgien hinein. und zeugten von den Sprengungen, mit denen Doch es gab auch wirtschaftliche Gründe für man versuchte, dem mächtigen Gestein Herr zu die neuen Bahnlinien. Die Strecken waren als werden. Trotz dieser modernen Technik waren Teilstück der Entlastungsbahn für den Güter- immer noch viele Arbeitskräfte erforderlich. Et- zugverkehr Ruhr – Lothringen geplant. Nach wa 2000 Arbeiter waren beim Bau der Strecke Gründung des Reichslandes Elsaß-Lothringen Dümpelfeld – Lissendorf beschäftigt. Neben den im Jahre 1871 entwickelte sich zwischen den Einheimischen, die sich beim Bahnbau ihr Brot Erzgebieten in Lothringen und dem Ruhrgebiet verdienten, kamen viele Gastarbeiter in die bis- ein Wechselverkehr mit Erzen nach Norden und her so abgeschiedene Eifel. Kohle und Koks nach Süden. Die zur Jahrhun- Überschattet wurden die Bauarbeiten vom dertwende zum Transport genutzten Strecken Jahrhundert-Hochwasser im Juni 1910, als waren völlig überlastet, die Eifelhauptbahn war nach wochenlangen Regenfällen Ahbach, Noh- wegen starker Steigungen für diese Transporte ner Bach, Trierbach, Adenauer Bach und unbrauchbar. Das führte zu dem Plan, diesen über ihre Ufer traten. Baumaterial, das an der Wechselverkehr über das Kylltal nach Gerol- Bahnstrecke lag, wurde von den Fluten mitge- stein, von dort auf einer fünfgleisigen Bahn rissen und staute sich an den Brücken. Diese nach Hillesheim über das Ahrtal an den Rhein hielten schließlich dem Druck nicht mehr stand ins Ruhrgebiet zu leiten. Durch den verlorenge- und es kam zu einer Flutwelle. Fast sämtliches gangenen 1. Weltkrieg, in dessen Folge Elsaß- Baumaterial zwischen Antweiler und Dümpel- Lothringen an Frankreich abgegeben werden feld wurde weggeschwemmt, die Orte Müsch musste, kam dieser Plan nie zum Tragen. und Schuld teilweise zerstört. Es waren 52 Tote zu verzeichnen, von denen die meisten Bahnbau unter schwierigen Bahnarbeiter waren. Die Identifizierung der Bedingungen Leichen gestaltete sich sehr schwierig, da die Endlich ging es los: Die erste Vermessung und Toten häufig entstellt waren und zudem viele ungefähre Festlegung der Richtung fand 1906 nicht aus der Region kamen; die meisten toten statt. Die genauen Vorarbeiten wurden am 1. Bahnarbeiter waren Ausländer. Sie wurden auf April 1907 aufgenommen und ausgeführt von den Friedhöfen in Antweiler und Schuld unter dem technischen Büro Karl Sternsdorff in Mainz großer Anteilnahme der Bevölkerung beerdigt. Die Gemeinden mussten das für einen einglei- Kurz nach der Katastrophe begann man mit sigen Bau benötigte Land weitgehend kostenlos den Aufräumarbeiten und bald darauf ging es an den Eisenbahnfiskus abgeben, die Privat- weiter, denn die Zeit drängte. Sechs Tunnel leute wurden entschädigt. Es gab zwar einige mussten auf dem nur gut 18 Kilometer langen Streitigkeiten, die teilweise auch vor Gericht Streckenabschnitt von Dümpelfeld bis Ahrdorf

Heimatjahrbuch Kreis Ahrweiler 2012 u 183 gebaut werden. Unzählige Brückenbauwerke aus Gerolstein, Weywertz und Dümpelfeld bzw. waren erforderlich, um die moderne Bahnstre- Remagen trafen sich in Hillesheim, wo sich die cke, bei der es keine schienengleichen Über- örtliche Prominenz sowie Vertreter der Eisen- gänge gab, zu bauen. Markant sind sicherlich bahn zu offiziellen Feierlichkeiten versammelt die heute noch vorhandenen Brücken in Fuchs- hatten. An allen Bahnhöfen wurden die festlich hofen (103 m lang) und Müsch (60 m) oder der geschmückten Züge durch die Bevölkerung be- Tunnel in Schuld aber nicht zu vergessen sind geistert empfangen. So schreibt der Schulchro- auch die vielen Durchlässe, Wegeüber- und – nist aus Antweiler: „Am 30. Juni, mittags 12 Uhr, unterführungen, die gebaut werden mussten. kamen unter Böllerschüssen und dem Hurra des Darüber hinaus gab es immer wieder Probleme zahlreich versammelten Volkes auf dem festlich mit Hangrutschungen und anderen geologisch geschmückten Bahnhof zwei hübsch bekränzte bedingten Schwierigkeiten. Festzüge an, der eine von Hillesheim, der andere von Remagen. Die beiden Züge befuhren nach Ein Hoch auf den Kaiser! kurzem Aufenthalt kurz hintereinander von hier Feierliche Eröffnung am 30. Juni 1912 aus die Strecke bis Jünkerath und gegen 15 Uhr Trotz aller Widrigkeiten beim Bau gab es am passierte der Rheinzug unseren Bahnhof wieder Ende nur wenig Verzögerung. Die ursprünglich auf der Rückfahrt.“ für den 1. April 1912 vorgesehene Inbetriebnah- Die Bevölkerung hegte große Hoffnungen in me musste nur um drei Monate auf den 1. Juli Bezug auf die neue Bahn. Endlich sollte der 1912 verschoben werden. Die feierliche Eröff- Aufschwung kommen, der so lange an der Eifel nung fand bereits am 30. Juni statt. Sonderzüge vorbeigegangen war.

km Bahnhof/Blockstelle Bemerkungen 0,000 Dümpelfeld 0,800 Block Insul Schenkel des Gleisdreiecks, von und nach Remagen 2,502 Insuler Tunnel (91 m) 3,930 Schulder Tunnel (142 m) 4,690 Schuld 5,080 Ruppenberg-Tunnel (285 m) 7,586 Schellenberg-Tunnel (151 m) 8,210 Fuchshofen 11,730 Antweiler (Ahr) 14,360 Müsch 14,762 Müscher Tunnel (273 m) 16,852 Dorseler Tunnel (220 m) 18,350 Ahrdorf (Ahr) Abzweig der Strecke Ahrdorf - Blankenheim (Wald) 22,500 Ahütte 26,230 Niederehe 29,410 Kerpen (Kr. Daun) Zeitweise lautete die Bezeichnung Kerpen (Eifel) 33,630 Walsdorf 37,700 Hillesheim (Eifel) Abzweig der Strecke Hillesheim – Gerolstein 43,840 Lissendorf 47,730 Jünkerath Abzweig der Strecke Jünkerath – Weywertz und Köln - Trier

184 u Heimatjahrbuch Kreis Ahrweiler 2012 Streckenübersicht Dümpelfeld-Lissendorf aus dem Jahre 1921

Die Strecke im Überblick erste große Bewährungsprobe für die neuen Ei- Die Übersicht zeigt die Bahnhöfe und Tunnel senbahnlinien. Tag und Nacht rollten die Nach- der knapp 48 km langen Strecke von Dümpel- schubzüge über die gut ausgebauten Strecken feld bis nach Jünkerath. Als Besonderheit ist Richtung Westen. Während des Ersten Welt- noch die Blockstelle Insul aufgeführt, die das krieges wurden die meisten Bahnhöfe um me- Dümpelfelder Gleisdreieck von der Insuler Seite chanische Stellwerke ergänzt, so dass viele der aus sicherte. Mit Hilfe des Gleisdreiecks konnte bisher ortsgestellten Weichen nunmehr fern- man von Schuld aus direkt in Richtung Re- bedient werden konnten. Während des ganzen magen fahren (und natürlich auch umgekehrt Krieges waren die Strecken gut ausgelastet. Die aus Richtung Remagen an die obere Ahr), oh- militärische Bedeutung der Strecke war gleich- ne die Lokomotive in Dümpelfeld umsetzen zu zeitig ihr Schicksal. Nach dem verlorenen Krieg müssen. wurden die Bahnanlagen teilweise zurückge- baut und die Strecke auch nur noch verein- Der Betrieb dauerte nur gut 60 Jahre facht betrieben. Die Vereinfachungen wurden Nur zwei Jahre nach der Eröffnung begann der erst aufgehoben, als in der Zeit des National- Erste Weltkrieg (1914 – 1918) und damit die sozialismus die Strecke ab 1938 im Rahmen

Bahnhof Antweiler (Ahr) im Jahre 1973 mit Schienenbus der Baureihe VT 95

Heimatjahrbuch Kreis Ahrweiler 2012 u 185 des Westwallbaus und vor dem Hintergrund Zum Sommerfahrplan 1973 wurde der Per- des nahenden Krieges wieder benötigt wurde. sonenverkehr eingestellt, im September 1973 Im Zweiten Weltkrieg (1939 – 1945), besonders dann auch der Güterverkehr. Und so endete ab 1944, war die Eisenbahnstrecke Dümpelfeld nach nur 61 Jahren der Betrieb auf der Strecke – Lissendorf dann häufiges Ziel alliierter Bom- Dümpelfeld – Lissendorf, einer Strecke, die auf ber. Vieles von dem, was die feindlichen Flieger viele Menschen immer noch eine gewisse Fas- nicht zerstört hatten, wurde kurz vor Kriegsen- zination ausübt. de beim Rückzug von Soldaten der Deutschen Wehrmacht zerstört. Nach dem Krieg musste das zweite Gleis entfernt werden. Nach und Quellen/Literatur: nach wurden die Zerstörungen beseitigt und - Eisenbahnfreunde Jünkerath: Planarchiv - Gillig, Agnes: Antweiler / Ahr im Wechsel der Jahrhunderte. Antweiler der Betrieb wieder aufgenommen. Aufgrund 1992. des rückläufigen Güter- und Personenverkehrs - Hoppstädter, Kurt: Die Entstehung des Eisenbahnnetzes im Moseltal und in der Eifel. Nach Akten des Staatsarchivs Koblenz bearbeitet, 1963. fand der Betrieb allerdings erneut vereinfacht - Kemp, Klaus: Die Ahrtalbahnen. Freiburg 1983. statt, im sogenannten vereinfachten Neben- - Kessel, Peter, Geographie der Eisenbahnen und Landstraßen im Wirt- bahndienst. Die Ablösung der Dampflok durch schaftsgebiet der Eifel unter Berücksichtigung der geschichtlichen Ent- wicklung. Köln 1931. den Schienenbus, den sicherlich viele Leser noch mit manch schöner Erinnerung verbin- Anlässlich des 100-jährigen Jubiläums der Strecke erscheint 2012 ein Buch, das von den Eisenbahnfreunden Jünkerath herausgegeben wird. Nähere In- den, machte die Strecke zwar wieder etwas formationen dazu unter www.eisenbahnfreunde-juenkerath.de oder www. rentabler aber das Ende war nicht aufzuhalten. eisenbahnmuseum-juenkerath.de.

186 u Heimatjahrbuch Kreis Ahrweiler 2012