Zum PDF-Download
Total Page:16
File Type:pdf, Size:1020Kb
ahlprüfsteine + W zur Bundestagswahl Zeitung des Deutschen Kulturrates Nr. 05/05 Sept. - Okt. 2005 www.kulturrat.de 3,00 € ISSN 1619-4217 B 58 662 Wahlprüfsteine Kulturpolitik Länder Europa Kulturgroschen Europa Kultur Stadt Welche Schwerpunkte die im Deut- Wie künftig die Kulturpolitik in Nord- Wie geht es weiter mit Europa, wie Am 22. Juni dieses Jahres hat der Welche Bedeutung hat der kulturel- schen Bundestag vertretenen Partei- rhein-Westfalen und Schleswig-Hol- kann der Einigungsprozess vorange- Deutsche Kulturrat seinen Kulturgro- le Austausch in Grenzstädten, kann en in der Kulturpolitik in der nächs- stein wahrgenommen werden wird, hen, welchen Stellenwert muss Kultur schen an Bundespräsident a.D. Jo- Kultur einen Beitrag zu guter Nach- ten Legislaturperiode setzen wollen, welche kulturpolitischen Akzente ge- einnehmen, damit die EU mehr ist als hannes Rau verliehen. In ihrer Lau- barschaft leisten. Am Beispiel von das fragte der Deutsche Kulturrat die plant sind, darüber geben Minister- eine Wirtschaftsgemeinschaft? Diese datio würdigt Kulturstaatsministerin Grenzstädten wird deutlich, wie ein Parteien. Die Gemeinsamkeiten und präsident Peter Harry Carstensen und Fragen sowie die Chancen eines ab- Christina Weiss die Verdienste von Jo- einiges Europa vor Ort gelebt werden die Unterschiede der Positionen Kulturstaatssekretär Hans-Heinrich gestimmten Verhaltens stehen im Mit- hannes Rau um Kunst und Kultur so- kann und dass Europa erst durch die werden herausgearbeitet. Grosse-Brockhoff Auskunft. telpunkt in dieser Rubrik. wie besonders kulturelle Bildung. Menschen erfahrbar wird. Seiten 5 bis 24 Seiten 26 bis 30 Seiten 31 bis 34 Seiten 38 bis 41 Seiten I bis VIII Editorial Projekt Europa Offenheit Kulturpolitik normal, und noch nie dagewesen Von Adolf Muschg er Millionendeal des Sammlers Die öffentliche Hand hat in vielen Europa das politisch vereinigte Aber es ist da nicht minder wirksam. als hätte es ausgesorgt. Dabei hat es, D Hans Grothe, der jüngst den Museen für zeitgenössische Kunst Europa ist ein kulturelles Projekt. Das Nein der Franzosen und Nieder- als kulturelles Projekt, erst recht be- größten Teil seiner Sammlung an das den Ankaufsetat gegen Null gefah- Was heißt das? länder zur europäischen Verfassung gonnen, und eine Wachstumskrise Ehepaar Ströher verkauft hat, zeigt ren. Wenn die Museen den Anschluss mochte politische und wirtschaftli- könnte als normal gelten, wären die die Verletzlichkeit und die Nützlich- an die zeitgenössische Kunstentwick- ultur ist nicht, was bleibt, wenn che Gründe – und zwar entgegenge- Normen dafür nur beweglich genug. keit der deutschen Museumsland- lung nicht verlieren wollen, müssen K man die soliden Tätigkeiten ei- setzte – für sich geltend machen; im Dann könnte es, zum Beispiel, schaft. sie die Hilfe von engagierten Samm- ner Gesellschaft abgehakt hat. Um- Kern war es kulturell motiviert. Der die Frage sein, welches Wachstum Grothe hatte „seine“ Sammlung lern in Anspruch nehmen. Doch wie gekehrt wird ein Schuh draus: wie Verfassungsentwurf hatte die „Iden- wir denn wollen, und ob die globale günstig erwerben können, da die weit dürfen Museen dabei gehen? Menschen wirtschaften, wie viel sie tität“ dieser Länder herausgefordert, Zwangsvorstellung, es müsse sich Künstler und ihre Galeristen ein In- Der Direktor des Bonner Kunstmu- neben persönlichen Interessen für sie trat ihrem Selbstverständnis zu ökonomisch definieren lassen, auch teresse an der Platzierung der Kunst- seums Dieter Ronte sagte zur Beru- Politik übrig haben, aber auch: wie nahe. Dabei war die Absage nicht in unserem feingliedrigen Erdteil das werke in Museen hatten und deshalb higung: „Solange ich in Bonn bin, sie ihre Privatsphäre möblieren: das anti-europäisch: sie galt dem unsen- letzte Wort behält. Das aber ist eine großzügige Rabatte einräumten. Die bleiben wir ein autonomes Muse- sind kulturelle Entscheidungen – siblen Europa der eigenen „Classe Frage der Kultur; und von der euro- Museen, allen voran das Kunstmuse- um“. In Wirklichkeit ist diese Äuße- darin stecken bestimmte Muster, politique“, und in ihr einem „Brüs- päischen Antwort hängt für die Mit- um Bonn, haben Grothes Sammlung rung zutiefst beunruhigend. Ein öf- auch, wenn ihre Ausführenden glau- sel“, das sich mit Regulieren über- bewohner unseres Planeten aller- gehegt und gepflegt, wissenschaftlich fentliches Museum hat immer ein ben, nur für sich selbst zu handeln schlug – und mit Deregulieren noch hand ab. Viele blicken auf Europa in aufgearbeitet, ausgestellt und in Ka- „autonomes“ Museum zu sein. Die oder: ohnehin nichts entscheiden zu mehr. Für die „Osterweiterung“ hat- der Hoffnung, daß in der Europäi- talogen publiziert. Aus den Schnäpp- Großzügigkeit von Kunstsammlern können. Der kulturelle Boden einer te es sich an der wirtschaftlichen schen Union, und durch sie, in einer chen aus den Künstlerateliers wurden wird dringend gebraucht, damit die Gesellschaft kommt immer dann, Raison genügen lassen; aber sie hat- gleichzeitig zu eng und zu weit ge- so in den Jahren wertvolle Kunst- Museen gerade auch in der Zukunft und selten vorteilhaft, zum Vor- te durchaus nicht genügt, um – an- wordenen Zivilisation etwas normal schätze, die jetzt gewinnbringend zeitgenössische Kunstwerke präsen- schein, wenn es um die Akzeptanz läßlich des Irakkriegs – eine erschre- werde, was in ihrer Geschichte noch veräußert wurden. Neben Grothe hat tieren können. Aber das Sagen im einer erkennbar anderen Kultur geht ckende Spaltung Europas zu verhin- nie dagewesen ist – aber einmal ge- besonders der Großsammler Erich Museum darf nicht der Sammler, son- – etwa bei der Frage der Aufnahme dern. Die Franzosen haben mit ih- lingen muß, wenn Menschen nicht Marx, der den öffentlich finanzierten dern muss die öffentlich bestellte der Türkei in die EU. Dann wird „eu- rem Nein das europäische Defizit an einer gemeinschaftlichen Zu- „Hamburger Bahnhof“ in Berlin als Museumsleitung haben. Ob der ropäische Identität“ selbst für Leu- nicht geschaffen, sondern unüber- kunft verzweifeln sollen. eine Art Privatgalerie für seine Kunst- „Hamburger Bahnhof“ in Berlin, das te, die unfähig wären oder sich aus sehbar gemacht – und können für Normal, und – in der Geschichte sammlung betrachtet, Maßstäbe in Kunstmuseum in Bonn und andere gutem Grund hüten würden, sie zu sich immerhin beanspruchen, die (fast) noch nie dagewesen: eine Kul- der Verbindung von Mäzenatentum Museen in Deutschland wirklich definieren, plötzlich zur kleinen abgelehnte Verfassung zur Kenntnis tur der Gerechtigkeit, die nicht nur und Geschäftssinn gesetzt. noch „autonome“ Institutionen sind, Münze, die um so mehr gilt, je weni- – und ernst – genommen zu haben. weiß, daß Gleiches gleich, sondern Kunstwerke sind (auch) eine kann nur beurteilt werden, wenn ger sie bei Licht besehen wird. Dann Davon war (und ist) das deutsche auch, daß Ungleiches ungleich zu be- Handelsware, das ist nicht anstößig alle Leihverträge, Vereinbarungen zeigt sich, daß Grundsätze, deren Publikum weit entfernt, und es wur- handeln ist. Eine Kultur des Lasten- – anstößig ist aber, wenn öffentliche und Absprachen zwischen den Mu- wirtschaftliche oder politische Ver- de weder von seinen Politikern dazu ausgleichs, der die Schwächeren be- Museen sich von Sammlern, die in seen und den Sammlern veröffent- nunft nicht zu bestreiten wäre, vor ermutigt noch von seinen Medien vorteilt und Minderheiten eher etwas Wirklichkeit eigentlich Kunsthändler licht werden. Ohne diese Offenheit „kulturell“ genannten Vorentschei- dringlich dazu eingeladen. Europa- mehr zu geben bereit ist, als ihnen sind, missbrauchen lassen, um die wird das Museumswesen in Deutsch- dungen – oder Vorurteilen – zurück- politische Nachrichten sind, außer numerisch zusteht. Normal, und Sammlungswerte in die Höhe zu land dauerhaft beschädigt werden. treten. Plötzlich zeigt sich das Be- im Krisenfall, no news. noch nie dagewesen: eine Kultur, für treiben. Marx in Berlin, Grothe in dürfnis nach Abgrenzung unver- Auch das ist, in seiner Substanz, die Vielfalt kein Lippenbekenntnis, Bonn und jüngst auch Bock in Frank- Olaf Zimmermann, blümt, das innerhalb des Bündnis- ein kultureller Sachverhalt – und daß sondern ein Grund zum Stolz ist; die furt sind nur drei Beispiele einer ge- Geschäftsführer des Deutschen ses korrekterweise unter Verschluß er niemanden erschüttert, ebenfalls. den Anderen nicht nur toleriert, son- fährlichen Entwicklung. Kulturrates gehalten wird. Auf das deutsche Ja zu „Europa“ war dern ihm mit Neugier und Interesse zu lange und zu blind Verlaß; der Re- begegnet; die überhaupt Differenz – spekt vor der repräsentativen Demo- auch die unbequeme – eher als Ge- kratie, zugleich eine Form politi- winn betrachtet denn als Hypothek. schen Selbstmißtrauens, ließ nicht Normal und noch nie dagewesen: Kultur-Mensch zu, dieses Ja durch ein Plebiszit zu eine Kultur, für die es selbstverständ- prüfen. Aber der Wirt, ohne den man lich ist, daß diejenigen, die von einer Hilmar Hoffmann die europäische Rechnung gemacht Entscheidung betroffen sind, an ihr hat, weiß die Politik auf ganz eigene beteiligt sein müssen, und dass der Stadtteilkulturarbeit und das Museumsufer in rankfurt, die örde- Art zu strafen. Heute ignoriert der Staat, wo immer möglich, für die Lö- rung der Bibliotheken und der Aufbau der Alten Oper, die Internatio- deutsche Wähler alles, was sich im sung von Problemen auf seiner un- nalen Kurzfilmtage in Oberhausen und die Gründung des kommuna- Wahlkampf nicht gewissermaßen tersten Ebene ansetzen muß – in len Kinos in rankfurt, die örderung der Verständigung