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1 GRUSSWORT 2 EINE CHANCE FÜR DIE KIRCHE 7 »WIR SIND OFFEN FÜR EUCH« 9 GLAUBEN OHNE GRENZEN 16 DIESSEITS UND JENSEITS DER GRENZE Herausgeber Arbeitsbereich Sendung Bereich Pastoral Erzbischöfl iches Ordinariat Berlin Postfach 04 04 06, 10062 Berlin [email protected] Verantwortlich Uta Raabe, Hermann Fränkert-Fechter Redaktion Alfred Herrmann Layout Graphicteam Köln Bonn Druck Laserline Titelfotos Oben: Palmstockbasteln in Pasewalk. Foto: Alfred Herrmann Mitte: Klaudia Wildner-Schipek in Löcknitz. Foto: Alfred Herrmann unten: Grenzüberschreitende Fronleichnamsprozession in Görlitz. Foto: Raphael Schmidt 1 KATHOLISCH IN DER ODER-GRENZREGION GRUSSWORT DES ERZBISCHOFS VON BERLIN Liebe Leserinnen und Leser, Begegnungszentrum erworben. Dort sollen folgende Aufgaben ermöglicht werden: in den Oder-Grenzregionen können wir seit Jahren eine • eine bilinguale Sonntagsmesse und andere kirchliche dynamische Bevölkerungsentwicklung beobachten, die Veranstaltungen, in keiner Prognose vorhergesehen wurde. Durch die • Familienkatechese und Religiöse Kinderwochen, europäische Integration ziehen polnische Bürger aus den • Familien- und Migrationsberatung der Caritas, boomenden Regionen wie dem Großraum Stettin auf die • zivilgesellschaftliche und kulturelle Aktivitäten, deutsche Seite der Oder, weil sie hier mit ihren Famili- • offene Jugendarbeit und Schulsozialarbeit. en gute Bedingungen für Wohnen, Bildung und Sozia- les finden. In diesem Heft sind die Erfahrungen zusammengetragen, die in der Projektstelle »Glauben ohne Grenzen« gemacht Waren die ländlichen Diasporagemeinden bis vor we- wurden. Ich danke allen, die sich in den vergangenen nigen Jahren noch vom Wegzug der jungen Leute be- zwei Jahren für das Gelingen dieses Projektes engagiert troffen, steigt nun die Zahl der Katholiken. Zum Beispiel haben: dem Bonifatiuswerk und allen, die die Aktivitä- hat sie sich in der Pfarrei St. Otto Pasewalk mittlerwei- ten vor Ort unterstützt haben: den katholischen Kir- le mehr als verdoppelt. Der Anteil der polnischen Bürger chengemeinden entlang der deutsch-polnischen Gren- beträgt dort fast 56 Prozent. ze, den Bürgermeistern und den politischen Vertretern, Der Zuzug polnischer Katholiken ist eine besondere der evangelischen Kirchengemeinde Löcknitz, den ört- Chance. Es stellt sich nun die Frage, wie die zugezoge- lichen Gemeinden, der Caritas in Vorpommern, den nen Gläubigen eine Heimat in den deutschen Pfarreien lokalen Vereinen, Schulen und Kitas und nicht zuletzt finden oder anders ausgedrückt: wie können die kleinen der Projektstellenleiterin, Frau Klaudia Wildner-Schipek. Diasporagemeinden sich für Gläubige aus volkskirch- Danken möchte ich auch dem Bischof von Görlitz, Wolf- lichen Verhältnissen öffnen? gang Ipolt, und dem Erzbischof von Stettin-Cammin, Andrzej Dzięga, für den mitbrüderlichen Austausch zur Mit Hilfe des Bonifatiuswerkes der deutschen Katho- kirchlichen Präsenz in der Grenzregion. liken konnte in Löcknitz, einer etwa 25 Kilometer von Stettin entfernten deutschen Gemeinde, die Projektstel- Als Erzbistum Berlin möchten wir allen Interessierten le »Glauben ohne Grenzen« eingerichtet werden. Diese eine geistige Heimat bereiten und gleichzeitig einen Bei- bekam die Aufgabe, Begegnungen zwischen Deutschen trag zur Entwicklung der Oder-Grenzregion leisten. Dazu und Polen zu initiieren, zweisprachige Gottesdienst- und lade ich in Respekt vor den unterschiedlichen Prägungen Seelsorgsangebote aufzubauen und besonders die Kin- und Weltanschauungen sehr herzlich ein. der und Familien in den Blick zu nehmen. Nach dem Ihr Auslaufen der Projektstelle im Januar 2019 wird das Erzbistum Berlin die Arbeit fortführen und hat dafür eine Liegenschaft in Löcknitz für ein deutsch-polnisches Dr. Heiner Koch Erbischof Dr. Heiner Koch Foto: Wetzler 2 KATHOLISCH IN DER ODER-GRENZREGION EINE CHANCE FÜR DIE KIRCHE DER ZuZuG POLNISCHER FAMILIEN VERäNDERT DAS KATHOLISCHE LEBEN IN DER ODER-GRENZREGION Text: Alfred Herrmann »Sie müssen jetzt bitte hier mal ihren Finger draufdrücken.« Kunst- voll verziert. Gesprochen wird Polnisch und Deutsch. voll windet Barbara Gischkowski den Blumendraht um den Stock und »Den Mazurek gibt es auch bei uns zu Hause«, meint Ale- befestigt Buchsbaum- und Wachholderzweige, in die gelbe Federn ein- xander Schulz. Der 21-jährige Pasewalker erzählt, wie er gearbeitet sind, an dem Holzstock. Jürgen-Matthias Posovszky hält kon- zweisprachig und »mit zwei Kulturen« aufgewachsen ist. zentriert das kleine Kunstwerk und drückt nun auch seinen Daumen auf »Mein Vater kommt aus Deutschland, meine Mutter aus den grünen Draht. »Jetzt brauchen wir noch ein paar Weidenkätzchen«, Polen.« Die polnischen Bräuche zu den kirchlichen Festen meint er und deutet auf den Tisch. sind von klein auf Teil seines Glaubenslebens. Nach einem Gebet von Pfarrer Grzegorz Mazur er- Auf der langen Tafel im Pfarrsaal von St. Otto in Pasewalk klärt Klaudia Wildner-Schipek, was in den kommenden liegen große Bündel der kleinen, weichen Frühlingsbo- zwei Stunden passiert, zunächst auf Deutsch, dann auf ten. Daneben befinden sich Sträuße von Buchsbaum, in Polnisch. Die Referentin des Projektes »Glauben ohne allen Farben lackierter Kirschbaumreisig, Wachholder- Grenzen« spricht über die Palmprozession am Palmsonn- zweige, Schüsseln mit bunten Federn und Blüten aus tag und die Tradition, aus diesem Anlass kunstvolle Palm- Papier, ein Korb mit Deko-Eiern aus Styropor. Um den stöcke zu basteln. Vor allem in Polen werde dieser Brauch Tisch drängen sich zahlreiche Kinder mit ihren Müttern vielfältig gelebt, aber es gebe ihn auch in Deutschland, und Großmüttern. Sie bedienen sich an den Basteluten- zum Beispiel im Münsterland oder in so manchen Ort- silien, Baumscheren werden herumgereicht, Klebepis- schaften in Niedersachsen und Baden-Württemberg. tolen gegriffen. Dann zeigt sie an einem fertigen Palmstock mit Buchs- Posovszky bastelt den ersten Palmstock seines Le- baum, orangenen Federn und Schleifen, Trockengras und bens. Für Gischkowski dagegen gehört dieser Brauch zum farbigen Deko-Eiern, was von den anwesenden Gemein- Ende der Fastenzeit wie das bunte Ei zu Ostern. Die pol- demitgliedern gebastelt werden kann. nische Katholikin lebt ihn bereits seit ihrer Kindheit, und »Wir möchten integrieren, unsere deutschen und heute bringt sie ihn ihrem deutschen Glaubensbruder polnischen Gemeindemitglieder zusammenführen, da- nahe. Am nächsten Morgen werden der 53-Jährige und mit sie miteinander ins Gespräch kommen«, erklärt die 65-Jährige gemeinsam mit ihren Palmstöcken im Wildner-Schipek im Anschluss, was dieser Nachmittag Palmsonntagsgottesdienst Hosanna singen und dem bezweckt. »Gelebte Bräuche bilden im Lauf des Kirchen- Einzug Jesu in Jerusalem gedenken. jahrs eine gute Möglichkeit, aufeinander zuzugehen und etwas gemeinsam zu gestalten«, ist sie überzeugt. Die BRÄUCHE FÜHREN ZUSAMMEN Bräuche wecken die Neugier und schaffen Raum, gegen- Fast 40 Frauen, Männer und Kinder sind an diesem Nach- seitig voneinander zu lernen, meint die Projektreferentin. mittag der Einladung der Pfarrei St. Otto in den Gemein- Egal ob die Fastensuppe und der Martinszug als deutsche desaal in Pasewalk gefolgt. Auf den Tischen stehen Kaf- fee und kleine Mazurki, traditionelle polnische Osterkuchen aus Mürbe- und Rührteig, dick mit Marme- Der Mazurek: ein traditioneller lade oder Schokoladenkuvertüre bestrichen und kunst- polnischer Osterkuchen. Foto: Herrmann 3 KATHOLISCH IN DER ODER-GRENZREGION · EINE CHANCE FÜR DIE KIRCHE oder die österliche Speisensegnung und der weihnachtli- Sprache«, betrachtet Joachim das Miteinander von Deut- che Opłatek als polnische Traditionen – Bräuche eröffnen schen und Polen kritisch, »aber im Großen und Ganzen stets eine Gelegenheit, sich gegenseitig tiefer kennenzu- kommen wir ganz gut klar.« lernen. Wildner-Schipek nutzt sie, Brücken zwischen den etablierten deutschen Pfarreimitgliedern und den zuge- POLNISCHER ZUZUG LÄSST GEMEINDEN WACHSEN zogenen polnischen Gläubigen zu schlagen. Seit dem Eu-Betritt Polens im Jahre 2004 und dem In- »Bei uns zu Hause sind die Palmstöcke noch bun- krafttreten des Schengener Abkommens für Polen Ende ter«, betont Elżbieta Wójcik. Die ehemalige Deutschleh- 2007 hat sich die Zahl der Gläubigen der Pfarrei St. Otto rerin stammt aus Lublin und lebt seit einem Jahr in Pa- in Pasewalk von 1.020 im Jahr 2005 auf 2.250 Ende 2017 sewalk. Sie ist gemeinsam mit Magdalena Janusz und mehr als verdoppelt. Die 1.250 polnischen Katholiken bil- deren Töchtern ins Pfarrheim gekommen. »Das hier ist den mit gut 55 Prozent mittlerweile die Mehrheit in der eine gute Gelegenheit, Leute kennenzulernen.« Stolz zei- Pfarrfamilie. 2005 lebten gerade einmal 67 polnische Ka- gen die beiden Mädchen Elżbieta und Krystyna ihre tholiken – 6,6 Prozent – auf dem Pfarrgebiet. Auch die Kunstwerke, während ihre Mutter ergänzt: »Sonntags Pfarreien Prenzlau und Schwedt wachsen. So stieg die haben wir nicht immer so viel Zeit, uns nach der Messe Zahl der Katholiken in St. Maria Magdalena Prenzlau in zu unterhalten. Deshalb ist das heute eine tolle Möglich- den vergangen Jahren um fast 43 Prozent und in Maria keit.« Auch Rosemarie Joachim zeigt voll Freude ihren Himmelfahrt Schwedt um gut 18 Prozent. 43 Prozent der fertigen Palmstock. »Das ist gar nicht so leicht, wir ken- Katholiken der Pfarrei Prenzlau und 35 Prozent der Pfar- nen ja nur die einfachen Palmkätzchen«, meint die rüs- rei Schwedt stammen mittlerweile aus Polen. Der Haupt- tige 80-Jährige, »aber ich glaube, es ist mir ganz gut ge- grund: die Stadt Szczecin oder auf Deutsch: Stettin.