Plenarprotokoll 6/103 21.10.2015

Landtag Mecklenburg-Vorpommern

103. Sitzung 6. Wahlperiode

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Mittwoch, 21. Oktober 2015, Schwerin, Schloss ______

Vorsitz: Präsidentin Sylvia Bretschneider, Vizepräsidentin Beate Schlupp, Vizepräsidentin Regine Lück und Vizepräsidentin Silke Gajek

Inhalt Gesetzentwurf der Landesregierung Entwurf eines Gesetzes zur Änderung von Zuständigkeiten auf dem Gebiet des öffentlichen Vereinsrechts (Zweite Lesung und Schlussabstimmung) – Drucksache 6/4174 – ...... 38 Erweiterung der Tagesordnung ...... 5 Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses (2. Ausschuss) – Drucksache 6/4613 – ...... 38 Feststellung der Tagesordnung gemäß § 73 Abs. 3 GO LT ...... 5 Heinz Müller, SPD ...... 38 Peter Ritter, DIE LINKE ...... 39 Wolf-Dieter Ringguth, CDU ...... 39 David Petereit, NPD ...... 40 Regierungserklärung des Ministerpräsidenten Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ...... 41 des Landes Mecklenburg-Vorpommern anlässlich 25 Jahre Mecklenburg-Vorpommern ...... 5 B e s c h l u s s ...... 43

Ministerpräsident Erwin Sellering ...... 5

Helmut Holter, DIE LINKE ...... 14 Gesetzentwurf der Landesregierung Minister ...... 20 Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Dr. Norbert Nieszery, SPD ...... 25 Änderung des Landesdisziplinargesetzes Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN .... 28 (Zweite Lesung und Schlussabstimmung) Vincent Kokert, CDU ...... 30 – Drucksache 6/4470 – ...... 43 Udo Pastörs, NPD ...... 32 Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ...... 36 Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses (2. Ausschuss) – Drucksache 6/4612 – ...... 43

Änderung der Tagesordnung ...... 38 B e s c h l u s s ...... 43 2 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015

Gesetzentwurf der Landesregierung Gesetzentwurf der Landesregierung Entwurf eines Gesetzes zur Änderung Entwurf eines Gesetzes zum Siebzehnten des Landesjustizkostengesetzes und des Rundfunkänderungsstaatsvertrag Schiedsstellen- und Schlichtungsgesetzes (Erste Lesung) (Zweite Lesung und Schlussabstimmung) – Drucksache 6/4566 – ...... 51 – Drucksache 6/4050 – ...... 44 Ministerpräsident Erwin Sellering ...... 51 Beschlussempfehlung und Bericht des Europa- und Rechtsausschusses B e s c h l u s s ...... 52 (3. Ausschuss) – Drucksache 6/4607 – ...... 44

Gesetzentwurf der Landesregierung B e s c h l u s s ...... 44 Entwurf eines Gesetzes zum Abkommen zur Änderung des Abkommens über die Zentralstelle der Länder für Sicherheitstechnik (Erste Lesung) – Drucksache 6/4567 – ...... 52 Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und CDU Ministerin Birgit Hesse ...... 52 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Bildung von Gewässer- B e s c h l u s s ...... 52 unterhaltungsverbänden und anderer Gesetze (Zweite Lesung und Schlussabstimmung) – Drucksache 6/4473 – ...... 44 Gesetzentwurf der Fraktionen Antrag der Fraktionen der CDU und SPD der SPD und CDU Gewässerunterhaltung in Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung Mecklenburg-Vorpommern des Dauergrünlanderhaltungsgesetzes – Drucksache 6/2128 – ...... 44 (Erste Lesung) – Drucksache 6/4589 – ...... 52 Beschlussempfehlung und Bericht Thomas Krüger, SPD ...... 52 des Agrarausschusses (6. Ausschuss)

– Drucksache 6/4605 – ...... 44 B e s c h l u s s ...... 53

Dr. Fritz Tack, DIE LINKE ...... 44

Minister Dr. ...... 45 Burkhard Lenz, CDU ...... 46 Gesetzentwurf der Fraktionen Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE ...... 47 der CDU und SPD Katharina Feike, SPD ...... 48 Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ...... 48 des Vergabegesetzes Mecklenburg-Vorpommern (Erste Lesung) B e s c h l u s s ...... 49 – Drucksache 6/4590 – ...... 53

Wolfgang Waldmüller, CDU ...... 53, 64 Helmut Holter, DIE LINKE ...... 54 Minister Harry Glawe ...... 57 Gesetzentwurf der Landesregierung Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ...... 58, 61 Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Jochen Schulte, SPD ...... 60, 61 Änderung des Straßen- und Wegegesetzes Udo Pastörs, NPD ...... 63 des Landes Mecklenburg-Vorpommern (Zweite Lesung und Schlussabstimmung) B e s c h l u s s ...... 64 – Drucksache 6/4088 – ...... 50

Beschlussempfehlung und Bericht Gesetzentwurf der Fraktion der NPD des Ausschusses für Energie, Infrastruktur Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Landesentwicklung (8. Ausschuss) der Kommunalverfassung für das – Drucksache 6/4606 – ...... 50 Land Mecklenburg-Vorpommern

(Erste Lesung) B e s c h l u s s ...... 50 – Drucksache 6/4595 – ...... 64 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 3

Stefan Köster, NPD ...... 64, 69 Antrag der Fraktionen der SPD und CDU Martina Tegtmeier, SPD ...... 66 Bürgerschaftliches Engagement im Bereich der Entwicklungspolitik würdigen B e s c h l u s s ...... 70 – Drucksache 6/4591 – ...... 80

Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Unterrichtung durch die Landesregierung – Drucksache 6/4622 – ...... 80 Europapolitische Schwerpunkte des Landes Mecklenburg-Vorpommern im Jahr 2015 Dagmar Kaselitz, SPD ...... 80, 86 – Auswertung des Arbeitsprogramms 2015 Barbara Borchardt, DIE LINKE ...... 81 der Europäischen Kommission – Andreas Texter, CDU ...... 83 – Drucksache 6/3879 – ...... 70 Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ...... 84 Michael Andrejewski, NPD ...... 85 Beschlussempfehlung und Bericht des Europa- und Rechtsausschusses B e s c h l u s s ...... 88 (3. Ausschuss)

– Drucksache 6/4608 – ...... 70

Detlef Müller, SPD ...... 70

Antrag der Fraktion DIE LINKE B e s c h l u s s ...... 71 CETA-Handelsabkommen ablehnen

– Drucksache 6/4581 – ...... 88

Antrag der Finanzministerin Barbara Borchardt, DIE LINKE ...... 88, 94 Entlastung der Landesregierung Stefanie Drese, SPD ...... 90 für das Haushaltsjahr 2013 Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ...... 91 – Vorlage der Haushaltsrechnung und Burkhard Lenz, CDU ...... 92 Vermögensübersicht des Landes – Udo Pastörs, NPD ...... 93 – Drucksache 6/3537 – ...... 72 B e s c h l u s s ...... 95 Ergänzung zu dem Antrag der Finanzministerin – Drucksache 6/3729 – ...... 72

Unterrichtung durch den Landesrechnungshof Aussprache zum Thema Jahresbericht des Landesrechnungs- gemäß § 43 Ziffer 2 GO LT hofes 2014 (Teil 1) Agrarstruktur in Mecklenburg-Vorpommern ...... 95 Kommunalfinanzbericht 2014 – Drucksache 6/3676 – ...... 72 Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN .. 95, 101, 112

Minister Dr. Till Backhaus ...... 97, 101 Unterrichtung durch den Landesrechnungshof Beate Schlupp, CDU ...... 103 Jahresbericht des Landesrechnungs- Dr. Fritz Tack, DIE LINKE ...... 104 hofes 2014 (Teil 2) Stefan Köster, NPD ...... 107 Landesfinanzbericht 2014 Thomas Krüger, SPD ...... 108 – Drucksache 6/3841 – ...... 72

Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses (4. Ausschuss)

– Drucksache 6/4551 – ...... 72 Antrag der Fraktion der NPD

Die Schließung der Anklamer Torsten Koplin, DIE LINKE ...... 72 Kinderklinik verhindern! Jeannine Rösler, DIE LINKE ...... 73 – Drucksache 6/4541 – ...... 112 Tilo Gundlack, SPD ...... 74

Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ...... 75 Udo Pastörs, NPD ...... 77 Michael Andrejewski, NPD ...... 112, 116 Egbert Liskow, CDU ...... 79 Julian Barlen, SPD ...... 114

B e s c h l u s s ...... 79 B e s c h l u s s ...... 117, 118, 126 4 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015

Antrag der Fraktion DIE LINKE Artikel 35 des Einigungsvertrages umsetzen – Drucksache 6/4582 – ...... 118

Torsten Koplin, DIE LINKE ...... 118, 123 Minister Mathias Brodkorb ...... 120 Marc Reinhardt, CDU ...... 121 Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ...... 122

B e s c h l u s s ...... 125

Nächste Sitzung Donnerstag, 22. Oktober 2015 ...... 125

Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 5

Beginn: 10.01 Uhr Mecklenburg-Vorpommern wegen der großen Zahl an Flüchtlingen stehen, wie kann man da eine Regierungs- Präsidentin Sylvia Bretschneider: Meine sehr geehrten erklärung zu 25 Jahren Mecklenburg-Vorpommern ma- Damen und Herren, ich begrüße Sie zur 103. Sitzung des chen? Müsste dann nicht TOP 1 der heutigen Sitzung Landtages. Ich stelle fest, dass der Landtag ordnungs- wieder die Flüchtlingsproblematik sein? Es stimmt natür- gemäß einberufen wurde und beschlussfähig ist. Die lich, dass dies die aktuell größte Herausforderung ist, die Sitzung ist eröffnet. Die vorläufige Tagesordnung der große Anstrengungen erfordert. Das leisten wir auch, 103. und 104. Sitzung liegt Ihnen vor. gestern zum Beispiel mit der Kabinettsvorlage zur Um- setzung der Ergebnisse des Flüchtlingsgipfels. Aber, Auf Drucksache 6/4621 liegt Ihnen ein Dringlichkeits- meine Damen und Herren, klar ist doch auch, wir dürfen antrag der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und jetzt nicht immer nur noch über Flüchtlinge reden. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Rechtsextremistisch und fremdenfeindlich motivierte Gewalttaten stoppen für ein (Vincent Kokert, CDU: Richtig.) weltoffenes friedliches und tolerantes Mecklenburg-Vor- pommern – vor. Im Ältestenrat ist vereinbart worden, die Es darf nicht der Eindruck entstehen, alle anderen im Tagesordnung um diese Vorlage zu erweitern. Der Ta- Land müssten deshalb zurückstehen. Das muss in der gesordnungspunkt wird am Donnerstag nach dem Ta- Waage bleiben. Alle brauchen unsere Fürsorge, und wir gesordnungspunkt 20 aufgerufen. Wird der so geänder- helfen nicht dem einen auf Kosten der anderen. ten vorläufigen Tagesordnung widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Damit gilt die Tagesordnung der 103. und (Beifall vonseiten der Fraktionen 104. Sitzung gemäß Paragraf 73 Absatz 3 unserer Ge- der SPD, CDU und DIE LINKE – schäftsordnung als festgestellt. Udo Pastörs, NPD: Was für ein Geschwätz!)

Gemäß Paragraf 4 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung Es ist angesichts der großen Herausforderungen sicher- benenne ich für die 103. und 104. Sitzung die Abgeord- lich auch gut und richtig, sich vor Augen zu führen, was neten Heino Schütt, Torsten Koplin, Dr. Ursula Karlowski wir alle miteinander in der Vergangenheit an Schwierig- und Johann-Georg Jaeger zu Schriftführern. keiten schon gemeistert haben.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 1: Regierungs- (Gelächter bei Udo Pastörs, NPD) erklärung des Ministerpräsidenten des Landes Meck- lenburg-Vorpommern anlässlich 25 Jahre Mecklenburg- Dass den Menschen in Mecklenburg-Vorpommern, im Vorpommern. ganzen Osten, erst eine friedliche Revolution und dann ein beispielloser Aufbauprozess gelungen ist, das darf Regierungserklärung des Ministerpräsidenten nicht deshalb unter den Tisch fallen, weil es jetzt eine des Landes Mecklenburg-Vorpommern andere große Aufgabe zu bewältigen gilt. Im Gegenteil, anlässlich 25 Jahre Mecklenburg-Vorpommern ich meine, das ist auch eine Ermutigung in der jetzigen schwierigen Situation und ein Grund für Zuversicht, also Das Wort hat der Ministerpräsident des Landes Mecklen- hochaktuell. burg-Vorpommern Erwin Sellering. Meine Damen und Herren, im Herbst 1989 machte sich Ministerpräsident Erwin Sellering: Sehr geehrte Frau eine schnell anwachsende Zahl von Menschen auf, um Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr für Reformen in der DDR – Meinungsfreiheit, Reisefrei- geehrten Damen und Herren! Vor wenigen Tagen, am heit, freie Wahlen – zu demonstrieren. Mit ihren friedli- 3. Oktober, haben wir 25 Jahre deutsche Einheit gefeiert. chen Protesten brachten sie binnen weniger Wochen die Dabei ist eine überwiegend positive Bilanz gezogen wor- SED-Herrschaft zu Fall und auch die Grenze, die den, und das zu Recht. Deutschland für mehr als 40 Jahre geteilt hatte. Der 9. November 1989 mit der Öffnung der Grenzen, an die (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) wir im letzten Jahr mit einem Festakt im Staatstheater erinnert haben, steht für den Beginn des Zusammen- Die ostdeutschen Bundesländer haben sich seit 1990 wachsens von Ost und West. Aus dem Ruf „Wir sind das insgesamt gut entwickelt, und wir sind auch beim Zu- Volk“ wurde „Wir sind ein Volk“. sammenwachsen zwischen Ost und West gut vorange- kommen. Es ist ein Anlass zu großer Freude, dass wir (Udo Pastörs, NPD: Wichtige Feststellung.) Deutschen heute wieder ganz selbstverständlich in ei- nem Land leben. Spätestens mit der ersten freien Volkskammerwahl im März 1990 wurden die Weichen für eine schnelle Einheit Der 3. Oktober ist zugleich die Geburtsstunde unseres gestellt. Bundeslandes. Am 14. Oktober 1990 fanden die ersten Landtagswahlen statt und knapp zwei Wochen später, Daran, dass es innerhalb eines halben Jahres zur deut- am 26. Oktober, kam der Landtag zu seiner ersten Sit- schen Einheit kam, haben viele mitgewirkt, selbstver- zung zusammen. Am Tag darauf wurde der erste Minis- ständlich in der alten Bundesrepublik und auf internatio- terpräsident gewählt. Deshalb denke ich, dass unsere naler Ebene. heutige Sitzung der richtige Zeitpunkt ist, um zurückzu- blicken und Bilanz zu ziehen nach 25 Jahren Mecklen- (Udo Pastörs, NPD: Eiskalte Übernahme.) burg-Vorpommern. Dennoch bleibt richtig: Es waren vor allem die Ostdeut- Nun kommt vielleicht von dem einen oder anderen der schen selbst, die den Weg zur Freiheit, zur Demokratie Einwand: Wie kann man angesichts der großen Heraus- und zur deutschen Einheit freigemacht haben. Darauf forderungen, vor denen Deutschland und auch wir in können alle, die damals dabei waren, sehr stolz sein. 6 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015

(Beifall vonseiten der Fraktionen dass wir in einer Zeit, in der wieder eine große Zahl von der SPD, CDU und DIE LINKE) Flüchtlingen zu uns nach Mecklenburg-Vorpommern kommt, eines sehr deutlich machen: Das, was damals Meine Damen und Herren, als der Landtag vor 25 Jahren geschah, darf sich nie wiederholen. zu seiner ersten Sitzung zusammenkam, standen die Abgeordneten vor riesigen Aufgaben. Die Jahre 1989 (Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, und 1990 haben den Menschen in den ostdeutschen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ländern viele Verbesserungen gebracht: die Meinungs- freiheit eben, Pressefreiheit, Reisefreiheit, freie Wahlen, Meine Damen und Herren, neben der Bewältigung der viele wirtschaftliche Möglichkeiten. Der Übergang in eine damaligen Krise galt es, die staatlichen Strukturen in neue politische Ordnung und in ein neues Wirtschafts- Mecklenburg-Vorpommern neu zu errichten. Der Landtag system war aber auch mit großen Schwierigkeiten und mit seinen Ausschüssen, die Landesregierung mit den Umstellungen verbunden. Ministerien, die Justiz bis hinauf zum Verfassungsgericht, all das, was uns heute selbstverständlich ist, musste in Wie groß die Aufgaben waren, spiegelt auch die erste kürzester Zeit neu aufgebaut werden. Regierungserklärung wider, die , der erste Ministerpräsident unseres Landes, hier am 30. Novem- 1994 erhielt das Land seine Verfassung. Nach meinem ber 1990 abgegeben hat. Er hat damals gesagt, ich zitiere: Eindruck hat die Verfassungskommission damals hervor- „Meine Regierung ist angetreten, um gemeinsam mit allen ragende Arbeit geleistet. Unsere Verfassung definiert nicht Bürgern aus diesem Land wieder eine Heimat zu machen, nur die Regeln unserer Arbeit, sie hat mit ihrem Wertebe- in der wir uns alle wohl fühlen können. Diese Aufgabe ist zug auch entscheidenden Anteil daran, dass sich unser nicht leicht, viele Probleme lasten schwer auf unserem Land seit den 90er-Jahren so gut entwickelt hat. Land.“ Die Landesregierung von Alfred Gomolka und (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) musste das Land durch schwierige Zeiten führen. Hier im Landtag gab es manchmal Sitzungen bis in die Nacht mit „Wir alle sind gefordert, uns neu zu orientieren, unseren harten kontroversen, oft emotionalen Debatten, aber auch Platz in einer veränderten Gesellschaft zu finden, uns den mit Kompromissen über die Parteigrenzen hinweg. Mit Veränderungen, die die friedliche Revolution notwendiger- Lorenz Caffier und Till Backhaus gibt es zwei Abgeordnete weise mit sich brachte, zu stellen.“ So weit das Zitat. unter uns, die schon damals dabei waren, die unserem Landtag seit 1990 angehören. Für unseren Kollegen Jür- Das ging damals nicht ohne Brüche und auch nicht ohne gen Seidel gilt das mit Unterbrechungen. 1994 kamen Enttäuschungen. Vor allem in der Wirtschaft kam es in dann Helmut Holter, Peter Ritter, Sylvia Bretschneider und dieser Zeit zu einem tief greifenden Umbruch. Zwar gab Harry Glawe dazu. Sie stehen für alle, die unser Land in es in den Jahren nach 1990 auch viel wirtschaftlichen den ersten Jahren aufgebaut und die vielen wichtigen Aufbruch mit zum Teil hohen Wachstumsraten – es wur- Weichenstellungen vorgenommen haben, de kräftig konsumiert, kräftig gebaut, und manches da- mals gegründete Unternehmen kann heute selbst auf (Udo Pastörs, NPD: Was für ein Witz!) eine 25-jährige positive Geschichte zurückblicken –, die Jahre nach 1990 waren aber vor allem eine Zeit der von denen wir heute profitieren. Dafür Ihnen allen herzli- wirtschaftlichen Krise, in der viele DDR-Betriebe ihre chen Dank! Tore für immer schließen mussten und in der sich wichti- ge Wirtschaftsbereiche wie die Werften oder die Land- (Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, wirtschaft einem sehr schmerzhaften Strukturwandel DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) unterziehen mussten, verbunden mit einem riesigen Abbau an Arbeitsplätzen. Meine Damen und Herren, Ende der 90er-Jahre begann eine zweite Phase in der Entwicklung unseres Landes. Fast alle Menschen in unserem Land mussten sich da- SPD und PDS bildeten damals die erste rot-rote Landes- mals beruflich umorientieren. Viele haben in dieser Zeit regierung in Deutschland. die Erfahrung von Arbeitslosigkeit gemacht, manche sogar mehrfach. Wohl kaum eine Familie im Land war (Udo Pastörs, NPD: Toll!) davon nicht betroffen. Das ist sicher der wichtigste Grund, warum auf die wirtschaftliche Krise bald auch Die Meinungen über dieses Bündnis gehen auseinander, eine gesellschaftliche folgte. Die Einheitseuphorie war das ist wenig überraschend. Für mich hat die rot-rote schnell verflogen, und manche Überheblichkeit aus dem Regierung vor allem in zwei Bereichen wichtige Wei- Westen trug mit dazu bei, dass sich viele Menschen in chenstellungen für unser Land vorgenommen. Sie hat unserem Land im vereinten Deutschland als Bürger zwei- erfolgreich einen zweiten wirtschaftlichen Strukturwandel ter Klasse fühlten. Es gab viel Unmut und der ist auch eingeleitet, beispielsweise wurden die Grundlagen für die heute noch verständlich. Entwicklung Mecklenburg-Vorpommerns zum Gesund- heitsland gelegt mit dem Aufbau des BioCon-Valley- Kein Verständnis und keine Rechtfertigung kann es aber Netzwerkes, dem Kuratorium Gesundheitswirtschaft und geben, wenn Frustration gepaart mit Ausländerfeindlich- dem ersten Masterplan Gesundheitswirtschaft für unser keit in Gewalttätigkeiten mündet. Die Ereignisse in Land. Und sie hat Mecklenburg-Vorpommern auf den Rostock-Lichtenhagen 1992 – der Angriff auf das Son- Kurs der soliden Finanzpolitik gebracht. nenblumenhaus, die aufflackernden Brandsätze, die große Angst der Menschen im Haus und der widerwerti- (Gelächter bei Udo Pastörs, NPD: Wer lacht da?) ge Beifall der Schaulustigen davor – haben das Bild unseres Landes für lange Zeit negativ geprägt. Es waren Die Neuverschuldung des Landes wurde Schritt für Tage der Schande für unser Land. Und es ist wichtig, Schritt zurückgeführt. Dass 2006 erstmals ein Haushalts- Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 7 abschluss mit schwarzer Null vorgelegt werden konnte, Die Antwort, die die Landesregierung aus SPD und CDU war eine wichtige, eine wegweisende Weichenstellung darauf gibt, ist klar: Wir investieren in die Bereiche, die für unser Land. für die Zukunft unseres Landes besonders wichtig sind, in die wirtschaftliche Entwicklung und gute Arbeitsplätze, (Michael Andrejewski, NPD: in Familien und Kinder, in Schulen und Bildung und wir Auf Kosten der Kommunen.) verbinden das mit einem Kurs der soliden Finanzpolitik. Das ist unser Weg zu einer Zukunft aus eigener Kraft, Die rot-rote Regierung hat für mich aber noch einen dar- meine Damen und Herren. über hinausgehenden Wert. Sie war nämlich das Signal an alle, die sich in der DDR in guter Absicht für Staat und (Beifall vonseiten der Fraktion der SPD) Gesellschaft eingesetzt hatten, dass auch sie, Dazu gehört, dass wir Mut auch zu schwierigen Refor- (Michael Andrejewski, NPD: Auch bei der Stasi.) men haben müssen. Das gilt für die Kreisgebietsreform, die von dieser Regierung erfolgreich abgeschlossen dass auch sie beim Neuaufbau unseres Landes willkom- wurde, und es gilt für die anderen weiteren notwendigen men sind, wenn sie sich zur freiheitlich-demokratischen Strukturveränderungen. Ich sage Danke an die Abgeord- Grundordnung bekennen. neten der beiden Regierungsfraktionen, die das aktiv und verantwortlich mitgestaltet haben. Vielen Dank! (Beifall vonseiten der Fraktion der SPD – Michael Andrejewski, NPD: Wendehälse.) (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Gerne.)

Harald Ringstorff hat das schon in seiner Regierungser- Ebenso gilt das für den notwendigen Personalabbau in klärung im Dezember 98 sehr klar formuliert, ich zitiere den Landesverwaltungen, den wir ohne betriebsbedingte auch ihn: „… jeder, der guten Willens ist, muß eine Kündigungen gestalten. Ende des Jahres werden wir Chance haben, beim Aufbau unseres Landes mitzuma- aller Wahrscheinlichkeit nach sagen können: Mecklen- chen. Wir brauchen alle, die mit Herz und Hand“ burg-Vorpommern hat über 10 Jahre lang keine neuen Schulden aufgenommen. Im Gegenteil, wie haben sogar (Udo Pastörs, NPD: Jaja.) Schulden abgebaut. Das ist einer der größten Erfolge in 25 Jahren Mecklenburg-Vorpommern. „und guten Ideen zum Aufbau Mecklenburg-Vorpom- merns beitragen wollen.“ Soweit das Zitat. Ich meine, das Mir war in den letzten Jahren noch ein zweites Ziel be- sind gute Leitsätze auch für die Zukunft. sonders wichtig, nämlich das Ziel, dass Mecklenburger und Vorpommern mit mehr Stolz auf das blicken, was wir (Beifall vonseiten der Fraktionen gemeinsam erreicht haben. der SPD und DIE LINKE – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Sehr richtig. – (Udo Pastörs, NPD: Um Gottes willen!) Zuruf von Michael Andrejewski, NPD) Ich habe 2008 in der Regierungserklärung nach meinem Die Regierung aus SPD und PDS hat einen wichtigen Amtsantritt gesagt, ich zitiere auch das: „… unser Ziel ist Beitrag zum Zusammenhalt in unserem Land und zum ein starkes, selbstbewusstes, modernes Bundesland,“ Zusammenwachsen von Ost und West geleistet, und das bleibt über den Tag hinaus. (Gelächter bei Udo Pastörs, NPD: Ein Armenhaus sind wir. – stand 10 Jahre und damit länger als Zuruf von Michael Andrejewski, NPD) jeder andere an der Spitze unseres Landes, 8 Jahre mit der PDS, 2 weitere erfolgreiche Jahre mit der CDU. Er „ein Land, von dem die Menschen in ganz Deutschland hat die Regierungsarbeit in unserem Land stärker ge- und darüber hinaus sagen, da möchte ich leben, da möch- prägt als jeder andere und er war mit seiner mecklenbur- te ich arbeiten, ein Land, das stolz ist auf seine Leistungen gischen Art, mit seiner Liebe zur plattdeutschen Sprache und seine Traditionen selbstbewusst pflegt ...“ Soweit das ein hoch anerkannter Landesvater. Ihm gebührt ein be- Zitat und ich sage, auch auf diesem Weg sind wir in den sonderer Dank, wenn wir auf 25 Jahre Mecklenburg-Vor- letzten Jahren gut vorangekommen. pommern zurückblicken. (Udo Pastörs, NPD: Kann man stolz drauf sein.) (Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das Gemeinschaftsgefühl ist erheblich gestärkt,

Meine Damen und Herren, seit Mitte des letzten Jahr- (Zuruf von Michael Andrejewski, NPD) zehnts läuft die dritte Phase in der Entwicklung unseres Landes, eine Phase, in der sich die positive Entwicklung der Stolz auf das, was wir erreicht haben, wächst, in der Wirtschaft erstmals auch auf dem Arbeitsmarkt immer stärker bemerkbar macht, eine Phase aber auch (Gelächter bei Udo Pastörs, NPD: Wächst! – mit neuen Herausforderungen. Wir müssen das Land Stefan Köster, NPD: Das Einzige, was darauf einstellen, dass die Finanzmittel von der EU, vom hier wächst, ist vielleicht Ihr Bankkonto.) Bund, von den finanzstarken Ländern zurückgehen, und auch der demografische Wandel stellt uns vor neue Her- und auch deshalb können wir sagen: Die Jahre der Lan- ausforderungen. desregierung aus SPD und CDU waren die bislang er- folgreichsten für unser Land. (Gelächter bei Udo Pastörs, NPD: Das kompensieren wir schon.) (Udo Pastörs, NPD: Märchenstunde.) 8 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015

Meine Damen und Herren, die Zahlen aus dem aktuellen natürlich auch eine deutliche Verbesserung für die Men- M-V-Monitor sind eindeutig: 94 Prozent sagen, dass sich schen im Land. Mecklenburg-Vorpommern seit seiner Gründung gut oder sogar sehr gut entwickelt hat. Meine Damen und Herren, vor allem aber haben wir mit den dafür zusätzlich zur Verfügung gestellten Mitteln (Udo Pastörs, NPD: einen außerordentlich erfolgreichen wirtschaftlichen Auf- Das zeigt die Umfrage.) holprozess im Land gestaltet. Mecklenburg-Vorpommern hat in den letzten 25 Jahren seine wirtschaftliche Basis Das ist ein großartiges Ergebnis, über das wir uns ge- erheblich verbreitert und enorm an Wirtschaftskraft ge- meinsam sehr freuen können. wonnen.

Diese positive Bilanz zeigt sich erfreulicherweise in allen Eine große Erfolgsgeschichte hat schon sehr früh der Bevölkerungsgruppen – bei den jüngeren genauso wie bei Tourismus geschrieben. Natürlich, Urlaub gemacht hat der mittleren und der älteren Generation, bei Männern man in der DDR auch schon an der Ostsee, aber in den genauso wie bei Frauen und auch in beiden Landesteilen. letzten 25 Jahren sind zu den Gästen aus Sachsen und Auch in Vorpommern ziehen 91 Prozent eine positive Berlin viele Urlauber aus den westdeutschen Ländern Bilanz der Entwicklung unseres Landes. Das ist wichtig, und darüber hinaus dazugekommen. Und mancher, der denn der östliche Teil hatte das in den letzten 25 Jahren hier seine Ferien verbracht hat, ist für immer geblieben. oft schwerer, nicht weil die Menschen dort weniger leisten, sondern wegen der Randlage in Deutschland. Insgesamt 2014 hat die Tourismusbranche wieder einmal, nahezu gilt, beide Teile unseres Landes haben sich gut entwickelt jedes Jahr ist das der Fall, einen neuen Übernachtungs- und beide brauchen auch in Zukunft weiter unsere Unter- rekord erzielt. 2015 lag die Zahl der Übernachtungen in stützung. den ersten sieben Monaten noch einmal über den sieben Monaten von 2014. Mecklenburg-Vorpommern ist heute (Michael Andrejewski, NPD: Das sehen das Tourismusland Nummer eins in Deutschland, und wir ja in Vorpommern jeden Tag. – darauf sind wir stolz, meine Damen und Herren. Udo Pastörs, NPD: Was für ein Zynismus!) (Beifall vonseiten der Fraktionen Meine Damen und Herren, dass die Menschen bei uns in der SPD, CDU und DIE LINKE) Mecklenburg-Vorpommern nahezu einhellig eine positive Bilanz über die Entwicklung unseres Landes ziehen, das In einer anderen traditionsreichen Branche hatten wir hat gute Gründe und ist mehr als nachvollziehbar. Meck- hingegen von Anfang an mit großen Problemen zu kämp- lenburg-Vorpommern ist schließlich in den letzten 25 Jah- fen. Es gab in den letzten 25 Jahren mehrere Werftenkri- ren umfassend modernisiert worden. Im letzten Viertel- sen. Die Zahl der dort Beschäftigten ist immer weiter jahrhundert sind riesige Summen in den Aufbau unseres zurückgegangen und auch heute befinden sich einige Landes investiert worden, zusammen 37,8 Milliarden. unserer Werften in schwierigem Fahrwasser. Aber im- merhin, anders als viele andere in der Welt sind sie noch (Udo Pastörs, NPD: Da sind die Förder- am Markt und sie haben Zukunftschancen, gelder aus dem Topf verschwunden.) (Gelächter bei Udo Pastörs, NPD) Dass dieses Geld gut angelegt worden ist, das zeigt sich besonders deutlich am Erscheinungsbild unserer Dörfer wenn es ihnen gelingt, sich erfolgreich neue Märkte zu und Städte. Die meisten erstrahlen heute wieder im neu- erschließen, en Glanz. (Udo Pastörs, NPD: Immerhin sind (Gelächter bei Udo Pastörs, NPD) sie noch da. Die Hallen stehen noch.)

Wismar und Stralsund haben Eingang ins Weltkulturerbe vor allem im Spezialschiffbau und im Offshorebereich. gefunden, und ich hoffe, dass auch Schwerin, die ohne Wir werden sie dabei unterstützen, wo immer das recht- Zweifel schönste Landeshauptstadt in Deutschland, bald lich möglich und wirtschaftlich vertretbar ist. Aber über dazukommen wird. eines, sage ich, müssen wir uns im Klaren sein: Am Ende entscheidet nicht das Land, sondern der Markt darüber, (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) ob der Strukturwandel gelingt. Es ist ein Irrglaube, das Land könne ein maritimes Konzept schreiben und dann Insgesamt muss man sagen, unser Land hat deutlich an gehe es den Werften wieder gut, meine Damen und Attraktivität gewonnen. Herren.

(Beifall vonseiten der Fraktionen (Udo Pastörs, NPD: Das haben Sie alles schon der SPD und CDU – Udo Pastörs, NPD: dreimal vorgetragen, was Sie hier bieten.) Was für ein Heuchler! Was für ein Heuchler!) Viele andere Branchen haben sich in den letzten Jahren Komplett erneuert wurde die Verkehrsinfrastruktur. Ich eindeutig positiv entwickelt. Unsere landwirtschaftlichen kann mich noch gut an Zeiten erinnern, als eine Fahrt von Betriebe gehören nach dem Strukturwandel zu den leis- nach Schwerin eine halbe Tagesreise war. tungsstärksten und produktivsten in ganz Deutschland. Heute geht das in weniger als zwei Stunden. Die A 20, die Sie sind zugleich die Basis für eine starke Ernährungs- Verlängerung der A 14, der Bau der neuen Rügenbrücke, wirtschaft. Die Gesundheitswirtschaft habe ich schon zahlreiche neue Ortsumgehungen haben Mecklenburg- angesprochen. Sie ist mit mehr als 100.000 Beschäftig- Vorpommern deutlich besser erschlossen. Das ist eine ten heute eine der tragenden Säulen der Wirtschaft des wichtige Voraussetzung für wirtschaftliches Wachstum und Landes. Und mit den erneuerbaren Energien haben wir Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 9 uns ein weiteres wichtiges Zukunftsfeld erschlossen, in Die Landesregierung hat in den letzten Jahren einen dem Tausende neue Arbeitsplätze entstanden sind. klaren Schwerpunkt bei den Kitas gesetzt. Wir haben die Landesausgaben in den letzten zehn Jahren verdoppelt. Gut entwickelt hat sich auch die Hafen- und Logistikwirt- Wir haben mit einer Vielzahl von Schritten die Kitas deut- schaft, wobei unsere Häfen nicht nur wichtig sind für den lich verbessert, die Elternbeiträge gesenkt in der Krippe Passagierverkehr und Güterumschlag, sie sind in den und im letzten Kitajahr. Wir zahlen das Mittagessen für letzten 25 Jahren auch wichtige Industriestandorte ge- Kinder aus finanziell schwachen Familien, wir haben worden, in denen direkt an der Kaikante produziert wird. inzwischen kleine Gruppen, wir haben den Erzieherinnen Und im Umfeld unserer Universitäten und in den Techno- und Erziehern mehr Vor- und Nachbereitungszeit ermög- logiezentren des Landes sind zahlreiche innovative junge licht, die vorschulische Bildung gestärkt. Das sind wichti- Unternehmen entstanden, die sich am Weltmarkt be- ge Voraussetzungen für die Eltern und vor allem für die haupten. Hinzu kommen ein starkes Handwerk und der Kinder bei uns im Land. gewerbliche Mittelstand als das wirtschaftliche Rückgrat unseres Landes. Meine Damen und Herren, deutlich schwieriger gestaltete sich lange Zeit die Entwicklung an den Schulen. Für mich Die wachsende Wirtschaftskraft macht sich erfreulicher- gehört es zu den größten Fehlern der Anfangszeit, dass weise auch immer stärker am Arbeitsmarkt bemerkbar. 1990 die damalige Landesregierung mit großer Selbst- Die Zahl der Arbeitslosen hat sich in Mecklenburg-Vor- verständlichkeit einfach das westdeutsche Schulsystem pommern in den letzten zehn Jahren praktisch halbiert, übernommen hat. Vieles haben wir inzwischen korrigiert. und das ist nicht allein ein demografischer Effekt, son- Heute haben wir ein gutes System aus Gymnasien und dern die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftig- Regionalschulen. Der ostdeutschen Tradition entspre- ten ist im gleichen Zeitraum deutlich angestiegen. chend gibt es das Abitur nach zwölf Jahren und das längere gemeinsame Lernen bis Klasse 6. Was besonders wichtig ist: Die Zeiten, in denen junge Menschen für eine Ausbildung in andere Länder gehen Aber natürlich haben diese Richtungswechsel, die nötig mussten, sind endgültig vorbei. waren, auch zu Unruhe an den Schulen geführt, ebenso wie die Probleme, die aus dem demografischen Wandel (Gelächter bei Udo Pastörs, NPD) resultieren. Die Zahl der Schülerinnen und Schüler sank in den 90er-Jahren auf ein Drittel der vorherigen Zahlen. Es gibt inzwischen genügend Ausbildungsplätze und es Das führte natürlich in den Kreisen und kreisfreien Städ- gibt gute Zukunftschancen für junge Menschen. Das ist ten zu schwierigen Debatten um den Erhalt der Schulen, eines der wichtigsten Ergebnisse nach 25 Jahren Meck- um Schulschließungen und es führte zu einem – inzwi- lenburg-Vorpommern. schen zum Glück beendeten – Lehrerpersonalkonzept, von dem ich aber ganz deutlich bei dieser Gelegenheit (Beifall vonseiten der Fraktion der SPD) sagen will, das war eine große Solidarleistung der Lehre- rinnen und Lehrer, verbunden mit erheblichen Einschnit- Meine Damen und Herren, zu einer ehrlichen Bilanz ten und mit großem Einsatz. Herzlichen Dank dafür! gehört aber auch die Feststellung, dass wir trotz aller Fortschritte immer noch Rückstand aufweisen. Die Wirt- (Beifall vonseiten der Fraktion der SPD schaftskraft und die Einkommen sind bei uns wie auch in und Wolf-Dieter Ringguth, CDU) den anderen ostdeutschen Ländern immer noch niedri- ger, die Arbeitslosenzahlen immer noch höher als in den Diese Landesregierung hat in dieser Wahlperiode ganz westdeutschen Ländern. Auch dessen sind sich die Men- bewusst zwei Schwerpunkte in der Schule gesetzt, um schen bei uns im Land sehr bewusst. Nur 8 Prozent der nach Jahren der Unruhe wieder zu Verlässlichkeit und zu Menschen sehen die Ost-West-Angleichung schon als mehr Gemeinsamkeit zu kommen. weitgehend abgeschlossen an. 90 Prozent meinen, dass es nach wie vor größere Unterschiede sind. Wir sind also (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) wirtschaftlich auf einem guten Weg, aber wir sind noch nicht am Ziel. Es werden auch in Zukunft große Anstren- Es soll mehr Kommunikation, mehr Gespräche mit den gungen erforderlich sein, um die ostdeutschen Länder Eltern und Lehrern geben und eine deutlich bessere weiter voranzubringen. Auch deshalb kämpfen wir – in Organisation. Natürlich müssen die Lehrer, wenn sie in großer Gemeinsamkeit mit den anderen ostdeutschen die großen Ferien gehen, wissen, wo sie nach den gro- Ländern – für einen fairen Länderfinanzausgleich. ßen Ferien eingesetzt werden.

Meine Damen und Herren, auch im sozialen Bereich und Wir haben inzwischen ein 50-Millionen-Paket auf den in der Bildung ist eine positive Entwicklung festzustellen. Weg gebracht, um den Unterrichtsausfall zu reduzieren, Ein gutes Angebot an Kitaplätzen gab es hierzulande um den Lehrerberuf attraktiver zu machen, um die Quali- schon während der DDR-Zeiten und es war ganz sicher tät des Unterrichts zu verbessern. Und es ging mir, das richtig, das nach 1990 zu erhalten. Heute besuchen habe ich auch 2008 schon in der Regierungserklärung 97 Prozent der Drei- bis Sechsjährigen eine Kita bei uns. gesagt, um einen Punkt ganz besonders, nämlich dass Bei den Unterdreijährigen sind es 56 Prozent. Damit wir die Zahl derer, die unsere Schulen ohne einen Ab- liegen wir ganz vorne in der Spitzengruppe in Deutsch- schluss verlassen, deutlich verringern müssen. Darauf land. haben wir große Anstrengungen verwandt, mit Erfolg: Die Zahl hat sich seit 2008 halbiert. Wir können sagen: Nach Gute Kitas, das ist ein Thema, bei dem die westdeut- vielen schwierigen Jahren sind unsere Schulen heute schen Länder auch heute noch viel von den ostdeut- wieder auf einem guten Weg. schen Ländern lernen können. Meine Damen und Herren, große Summen wurden in (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Tja.) den letzten 25 Jahren in die Universitäten, die Hochschu- 10 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 len und die Fachhochschulen investiert – in Baumaß- (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) nahmen, aber natürlich vor allem in Lehre und For- schung, auch das mit Erfolg. Unsere Hochschulen ziehen Die sozialen Unterschiede zählen zu den größten Defiziten heute Studierende aus ganz Deutschland an. Sie bieten der letzten 25 Jahre. Trotz aller Fortschritte bei uns im Wissenschaftlern gute Arbeitsbedingungen. Und die Land sind immer noch rund 80.000 Menschen arbeitslos Universitäten in Rostock und Greifswald sind heute zu- und andere arbeiten unter sehr prekären Verhältnissen. gleich wichtige Entwicklungsmotoren für das Land. (Zuruf von Michael Andrejewski, NPD) Deshalb können wir heute sagen, es war richtig, dass wir uns auch gegen manchen Expertenrat für den Erhalt der Nicht alle Menschen haben bisher von der positiven Universitätsmedizin in Greifswald entschieden haben. Entwicklung der letzten 25 Jahre profitieren können. Das Das war eine ganz wichtige Weichenstellung, auch für zu ändern, ist eine ganz wichtige Aufgabe für die Zukunft. die Entwicklung insgesamt im Landesteil Vorpommern. Daran müssen wir gemeinsam arbeiten. Genauso wichtig war natürlich der Aufbau der Fachhoch- schule in Stralsund. (Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Und auch die Hochschulen in Wismar und Neubranden- Heinz Müller, SPD: Sehr gut.) burg liefern wichtige Impulse für die Entwicklung ihrer Region. Die neu aufgebaute Fachhochschule für öffentli- Wir sehen aber auf der anderen Seite auch ein großarti- che Verwaltung in Güstrow – ebenfalls sehr wichtig – hat ges soziales Engagement im Land. Besonders wertvoll die Qualität der Landesverwaltung erheblich verstärkt. ist die Arbeit der vielen Ehrenamtlichen. Jeder Dritte im Und von besonderem Wert ist für mich – ich denke, für Land engagiert sich ehrenamtlich – bei der Feuerwehr, uns alle – die Hochschule für Musik und Theater im alten im Sport, in den sozialen Diensten, technischen Hilfs- Katharinenstift in Rostock. Sie bereichert auf vielfältige diensten, Kirchengemeinden, Weise das kulturelle Leben im Land, eine Perle, auf die wir stolz sein können. (Udo Pastörs, NPD: Muss sich gängeln lassen.) (Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und DIE LINKE) in der Kultur, in der Kommunalpolitik. Dieses Engage- ment ist sehr wertvoll und verdient alle Unterstützung. Insgesamt muss man ja sagen, wenn man sich im Land Dafür gibt es seit diesem Jahr die Ehrenamtsstiftung, umschaut, Mecklenburg-Vorpommern verfügt nach die- sen 25 Jahren über eine wirklich vielfältige Kultur- und (Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD: Tja!) Kunstszene. Unsere Musikfestivals, allen voran die Fest- spiele Mecklenburg-Vorpommern, das Usedomer Musik- deren Arbeit inzwischen auch die früheren Skeptiker festival, begeistern Einheimische wie Urlaubsgäste schätzen lernen, meine Damen und Herren. Ich sage bei gleichermaßen. Das gilt in gleicher Weise für unsere dieser Gelegenheit sehr ausdrücklich einen großen öf- Museen, das Staatliche Museum hier in Schwerin, die fentlichen Dank an alle Ehrenamtlichen im Land für ihr Kunsthalle in Rostock, das Pommersche Landesmuseum großartiges Engagement. Herzlichen Dank! in Greifswald oder das Meeresmuseum und Ozeaneum in Stralsund. (Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Von besonderer Bedeutung war für alle Landesregierun- gen immer die Bewahrung unseres historischen Erbes. Eine besonders große Hilfsbereitschaft gab und gibt es Und dazu gehört natürlich auch die Backsteingotik in den immer in schwierigen Zeiten. Wir haben das während der alten Hansestädten. Dazu gehört der Erhalt der Schlös- großen Elbefluten 2002, 2013 erlebt, als viele Freiwillige ser und Herrenhäuser bei uns im Land, fast 2.000. Ich unermüdlich Sandsäcke gefüllt und mitgeholfen haben, kenne kein Land, das über so viel verfügt. Und beson- dass die Deiche halten. Und wir erleben auch bei der ders wertvoll sind die vielen kleinen Kunstprojekte, die Aufnahme von Flüchtlingen ein großartiges ehrenamtli- vielen kleinen Kulturveranstaltungen. Sie sind ein beein- ches Engagement. Es ist wichtig, dass wir uns diese druckendes Zeugnis für die kulturelle Vielfalt unseres Solidarität, diese Hilfsbereitschaft, diesen Zusammenhalt Landes in unseren Städten, aber eben gerade auch auf bewahren. Das ist für mich die wichtigste Grundlage, dem Land, die kulturelles Leben anbieten und den sozia- wenn wir weiter gut vorankommen wollen in Mecklen- len Zusammenhalt stärken. burg-Vorpommern.

Meine Damen und Herren, bei dem Thema „sozialer Meine Damen und Herren, eine moderne Infrastruktur, Zusammenhalt“ gehen, wenn man die Menschen in deutliche Fortschritte in der Wirtschaft und auf dem Ar- Mecklenburg-Vorpommern befragt, die Meinungen aus- beitsmarkt, gute Chancen inzwischen auch für junge einander. Eine Hälfte der Bevölkerung sieht auch hier Menschen, insbesondere für Familien mit Kindern, eine positive Entwicklung. Demgegenüber haben vor allem viele Ältere das Gefühl, von diesem sozialen Zu- (Zuruf von Silke Gajek, sammenhalt sei in den letzten 25 Jahren etwas verloren BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) gegangen oder jedenfalls aktuell gefährdet. Und vielleicht gibt es ja beide Tendenzen. ein starker Zusammenhalt im Land – Mecklenburg-Vor- pommern hat in den letzten 25 Jahren insgesamt deutlich Deutschland hat in den letzten Jahren unzweifelhaft an an Attraktivität gewonnen. Unser Land bietet eine Hei- wirtschaftlicher Stärke gewonnen. Zu beklagen ist aller- mat, in der man sich wohlfühlt. 95 Prozent der Menschen dings, dass in der gleichen Zeit die Schere zwischen Arm meinen, dass es sich heute gut oder sogar sehr gut in und Reich immer weiter aufgegangen ist. Mecklenburg-Vorpommern leben lässt. Das ist vielleicht Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 11 die wichtigste Erklärung dafür, dass nach vielen Jahren (Gelächter bei Udo Pastörs, NPD) der Abwanderung in den vergangenen beiden Jahren erstmals wieder mehr Menschen zu uns gekommen sind, Die erste ist nach wie vor die wichtigste: unser Land als von hier weggezogen sind. wirtschaftlich weiter voranzubringen, damit Arbeitsplätze gesichert werden und neu entstehen. Deshalb brauchen All das zeigt, wir sind auf einem guten Weg. Unser schö- wir – da sind wir uns einig in der Koalition von SPD und nes Mecklenburg-Vorpommern ist inzwischen ein hoch CDU –, wir brauchen weiter eine Wirtschafts- und Ar- attraktives Bundesland, in das die Menschen gern kom- beitsmarktpolitik, die gezielt auf Zukunftsbranchen setzt men, um zu leben und zu arbeiten. und die konsequent auf den ersten Arbeitsmarkt ausge- richtet ist. (Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU) Dabei geht es uns immer – das ist die zweite Aufgabe – um gute Arbeitsplätze. Das ist wichtig für die Menschen Diese gute Entwicklung ist nicht allein das Ergebnis von und auch für die wirtschaftliche Entwicklung im Land, Weichenstellungen auf Landesebene, sondern einen denn der Wettbewerb um Fachkräfte wird in den kom- großen Anteil daran haben selbstverständlich auch die menden Jahren härter werden, Städte und Gemeinden. Wir haben vielerorts eine sehr gut funktionierende kommunale Selbstverwaltung. Und (Udo Pastörs, NPD: Das war er schon.) wir erleben in vielen Städten und Gemeinden engagier- ten Bürgersinn und sozialen Zusammenhalt. Ich sage: und da werden wir nur mithalten können, wenn die Un- Vielen Dank an alle, die auf kommunaler Ebene Verant- ternehmen faire Löhne und gute Arbeitsbedingungen wortung tragen und ihre Stadt, ihre Gemeinde in den bieten. Viele Unternehmen im Land haben das inzwi- letzten 25 Jahren gut vorangebracht haben! schen erkannt, setzen auf gute Arbeit. Aber es gibt auch noch andere, die diesem Beispiel noch folgen müssen. (Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und DIE LINKE – Mecklenburg-Vorpommern hat im Bundesrat und auch Heinz Müller, SPD: Sehr gut.) vorher im Land zu den Wegbereitern des Mindestlohnes gehört, und zwar nicht nur mit Blick auf die, die dann direkt Vor allem aber waren es natürlich die Menschen selbst, vom Mindestlohn profitieren, sondern auch, um im Land die ihr Land in den letzten 25 Jahren deutlich vorange- eine Lohnspirale nach oben in Bewegung zu setzen, bracht haben. Sie haben nach 1990 beherzt angepackt, die neuen Möglichkeiten genutzt, sich durch Rückschläge (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) nicht vom Weg abbringen lassen. Ich denke, wir können sagen, wir in Mecklenburg-Vorpommern können sehr damit wir davon wegkommen, dass wir das niedrigste stolz sein auf das, Lohnniveau in ganz Deutschland haben. Den Mindest- lohn gibt es jetzt und er zeigt positive Wirkung. (Udo Pastörs, NPD: Stolz! Toll!) In den kommenden Jahren wird es darum gehen, den was wir gemeinsam in den letzten 25 Jahren geschafft Tariflohn in den Mittelpunkt zu rücken, denn dort, wo Tarif haben. gezahlt wird, ist die Lohnangleichung zwischen Ost und West deutlich weiter fortgeschritten. Die Landesregierung (Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU hat deshalb schon vor einigen Jahren gemeinsam mit den und Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Gewerkschaften und einigen Wirtschaftsverbänden eine Tarifpartnerschaft gegründet. Und wir haben in der Wirt- Meine Damen und Herren, aus der positiven Erfahrung, schaftsförderung einen Bonus eingebaut für Unternehmen, sich unter schwierigen Bedingungen mit Mut und Einsatz die Tariflohn zahlen. Auf diesem Weg müssen wir in den bewährt zu haben, eine wirklich beeindruckende Aufbau- kommenden Jahren weitergehen. Wir brauchen mehr leistung geschafft zu haben, daraus ist berechtigter Stolz Tariflohn in Mecklenburg-Vorpommern und wir brauchen erwachsen, aber nicht nur, wir in Mecklenburg-Vorpom- eine starke Sozialpartnerschaft, meine Damen und Herren. mern haben ein gesundes Selbstbewusstsein entwickelt, ein positives Selbstwertgefühl als Mecklenburger und (Beifall vonseiten der Fraktion der SPD) Vorpommern. Wir wissen, was wir können und wer wir sind, und wir sagen inzwischen gern: „Ich bin aus Meck- Die dritte Aufgabe: Wir müssen die großen Chancen lenburg-Vorpommern“, meine Damen und Herren. nutzen, die die Energiewende für unser Land bietet, und zwar konsequent. Das ist seit Jahren die klare Linie der (Udo Pastörs, NPD: Vor allem aus Berlin, Landesregierung. Eine große Mehrheit der Menschen in wenn Sie nach Hause fahren.) unserem Land unterstützt das und bescheinigt uns bei diesem Thema gute Arbeit, inzwischen 80 Prozent. Aller- Ich treffe viele Menschen bei uns im Land, die sich da- dings erleben wir auf der anderen Seite auch, dass über- rauf freuen, sich weiter einzubringen, die weiter alles all im Land Initiativen gegen neue Windparks und andere dafür tun wollen, damit sich diese positive Entwicklung im Energieanlagen vor ihrer Haustür entstehen. Für mich Land fortsetzt. Und da sage ich, die Landesregierung und kann es auf diese Doppeldeutigkeit nur eine Antwort auch der Landtag, wir alle, die wir politische Verantwor- geben: Wir müssen beim Ausbau der erneuerbaren tung tragen, müssen diesen Menschen die notwendige Energien so behutsam, transparent und mit so viel Betei- Unterstützung dafür geben und gute Bedingungen schaf- ligung wie möglich vorgehen, aber wir dürfen uns von fen, damit wir diese Ziele auch gemeinsam erreichen. unserem Ziel nicht abbringen lassen, wir werden nicht jedem Protest nachgeben können. Wir brauchen den Ich sehe dafür in den nächsten zehn Jahren zehn wichti- Ausbau der erneuerbaren Energien, damit Deutschland ge konkrete Aufgaben. aus der Atomkraft aussteigen kann, 12 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD) lie und Beruf und sind gleichzeitig ein Garant für gute und gleiche Chancen unserer Kinder. und wir brauchen ihn als große wirtschaftliche Chance für unser Land. Meine Damen und Herren, gute Lebensbedingungen brauchen wir auch für die älteren Menschen im Land. (Beifall vonseiten der Fraktion der SPD Das ist die achte Aufgabe, die ich ansprechen möchte. und Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Hier im Landtag gibt es die Enquetekommission „Älter werden in Mecklenburg-Vorpommern“. Deren Ergebnis- Die vierte Aufgabe liegt auf dem Gebiet der Infrastruktur. sen will ich nicht vorgreifen, aber es ist klar, worum es Es gibt weiter wichtige Verkehrsprojekte: die Verlänge- geht: um altersgerechtes Wohnen, um Mobilität, medizi- rung der A 14, die B 96n auf Rügen. Zum Glück können nische Versorgung und es geht um die Möglichkeit, sich wir sagen, dass wir hoffentlich noch in diesem Jahr bei am gesellschaftlichen Leben zu beteiligen. beiden die ersten Abschnitte einweihen. (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ Ausgebaut werden muss natürlich als modernste Form DIE GRÜNEN. Ja, um Teilhabe.) der Infrastruktur die Versorgung mit schnellem Internet. Wir werden diese Aufgabe nur gemeinsam mit dem Bund Das ist besonders wichtig, meine Damen und Herren, leisten können. Aber es ist völlig klar, dass auch wir damit wir alle, die wir heute ja deutlich älter werden als selbst stärkere Anstrengungen unternehmen müssen und frühere Generationen, die uns geschenkte zusätzliche das auch tun werden. Zeit möglichst positiv gestalten und genießen können, damit wir möglichst lange ein selbstbestimmtes Leben Meine Damen und Herren, die fünfte Aufgabe ist die führen. Fortführung der soliden Finanzpolitik. Das ist der richtige Kurs, auch im Interesse kommender Generationen, de- Und wir müssen weiter, das ist für alle ostdeutschen nen wir nicht einen Berg von Schulden hinterlassen kön- Länder eine ganz wichtige Aufgabe, wir müssen uns nen. Und solider Haushalt bedeutet, bei der politischen weiter für eine Angleichung der Renten einsetzen. Arbeit klare Schwerpunkte zu setzen. (Beifall vonseiten der Fraktionen Da steht für mich weiter ganz vorne, gute Bedingungen der SPD und DIE LINKE) für Familien und Kinder zu schaffen. Das ist die sechste Aufgabe. Wir alle wissen, gerade die ersten Jahre ent- Viele Menschen im Land, nicht nur ältere, auch jüngere, scheiden über den Lebensweg eines Kindes. Wir brau- empfinden es als große Ungerechtigkeit, dass es 25 Jahre chen gute Kitas, damit Eltern Familie und Beruf mitei- nach der deutschen Einheit immer noch eine Rente Ost nander verbinden können und damit unsere Kinder gute und eine Rente West gibt. Bei der Bildung der heutigen Chancen von Anfang an haben. Bundesregierung ist vereinbart worden, dass die Anglei- chung Ende 2019 abgeschlossen sein soll. Das muss jetzt Was in den Kitas begonnen wurde, das muss in der umgesetzt werden. Und wir brauchen, damit wir dieses Schule fortgesetzt werden. Gute Schulen sind deshalb Ziel erreichen, vorher schon einen Zwischenschritt. Dafür das siebte wichtige Aufgabenfeld. Und da will ich zu- wird sich die Landesregierung weiter einsetzen. Wir brau- nächst ein Wort des Dankes sagen an die Fraktion der chen endlich die Angleichung der Renten in Ost und in SPD, der CDU und der LINKEN, dass sie sich auf ein West. gemeinsames Konzept zur Inklusion verständigt haben. Das ist ein hochsensibles Thema mit erheblichen Anfor- (Beifall vonseiten der Fraktion der SPD) derungen an die Lehrerinnen und Lehrer, mit vielen Un- sicherheiten bei den Eltern. Und deshalb ist es wichtig, Meine Damen und Herren, die neunte Aufgabe ist von besonderer Aktualität. In den vergangenen Monaten ist (Unruhe vonseiten der Fraktionen der CDU eine große Zahl an Flüchtlingen nach Deutschland ge- und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) kommen, auch zu uns nach Mecklenburg-Vorpommern. Im Moment steht im Vordergrund, für alle eine Unter- und deshalb ist es wichtig, dass wir diese Aufgabe ge- kunft zu organisieren, ein Dach über dem Kopf. Hier meinsam angehen. Kinder mit einer Behinderung brau- unternehmen Land, Kommunen, Hilfsorganisationen, chen bestmögliche Förderung, genauso wie alle anderen Ehrenamtliche große Anstrengungen, um das sicherzu- Kinder auch. Lassen Sie uns deshalb das, was wir ge- stellen. meinsam beschlossen haben, auch gemeinsam um- setzen. (Michael Andrejewski, NPD: Im Hause Sellering ist sicher noch Platz.) (Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und DIE LINKE) Viele setzen sich ein bis an die Grenzen ihrer Kraft. Ich finde, wir sollten hier deutlich das Signal aussenden: Ich würde mir wünschen, dass wir auch auf anderen Herzlichen Dank an alle, die das tun! Feldern der Schulpolitik zu großer Gemeinsamkeit fin- den, vielleicht dann sogar zusammen mit den GRÜNEN. (Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, Wir brauchen nach meiner Überzeugung in den kom- DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) menden Jahren kein Herumbasteln am System, sondern wir brauchen vor allem gute Organisation und ein gutes Die eigentliche Aufgabe, das ist uns allen klar, wird erst Miteinander in den Schulen, mit konkreten Verbesserun- danach beginnen. Wir müssen denjenigen, die bei uns gen für Eltern, Lehrer und Schüler. Für mich ist ein wich- bleiben, die Möglichkeit bieten, sich in unsere Gesell- tiges Feld dabei die Ganztagsschule, denn auch die schaft zu integrieren. Es geht um das Erlernen der deut- Ganztagsschulen helfen bei der Vereinbarkeit von Fami- schen Sprache zuallererst, um die Integration in Kitas, Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 13

Schulen, Arbeitsmarkt. Wir müssen allen, die hier blei- die rechtsextremen Strukturen im Land, aber ich bin stolz ben, eine Chance bieten, darauf, dass Zehntausende in unserem Land dagegen- halten und Hass und Gewalt eine klare Absage erteilen. (Udo Pastörs, NPD: Natürlich. Und denen, die noch kommen.) (Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – ihren Platz in unserer Mitte zu finden, meine Damen und Zuruf von Michael Andrejewski, NPD) Herren. Dieses Engagement müssen wir erhalten, denn diejeni- (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Richtig.) gen, die auf Deutschtümelei, auf Hass und Gewalt set- zen, Das wird noch viele Anstrengungen erfordern. (Gelächter bei Udo Pastörs, NPD: (Udo Pastörs, NPD: Wir müssen das.) Deutschtümelei!)

Wichtig ist, dass wir Kurs halten, die haben noch nie Lösungen geboten, im Gegenteil, ihre geistigen Ahnen haben vor 75 Jahren die halbe Welt in (Udo Pastörs, NPD: Ja.) Schutt und Asche gelegt und Millionen von Toten zu verantworten. Schutzbedürftige aufnehmen, (Udo Pastörs, NPD: Schauen Sie mal nach (Udo Pastörs, NPD: Jaja.) England rüber! Das sind die geistigen Ahnen, die mit verantwortlich sind.) zurückschicken, wer diesen Schutz nicht braucht. Rechtsextremisten, und schreien sie noch so laut, dürfen (Zuruf von Michael Andrejewski, NPD) in Deutschland nie wieder etwas zu sagen bekommen,

Und bei der Aufnahme der Flüchtlinge müssen wir sehr (Beifall Dr. Norbert Nieszery, SPD) aufpassen, dass nicht Gruppen gegeneinander ausge- spielt werden. und Mecklenburg-Vorpommern muss auch in Zukunft ein demokratisches und weltoffenes Land bleiben, meine (Gelächter bei Udo Pastörs, NPD) Damen und Herren.

Vorschläge wie etwa der, den Mindestlohn für Flüchtlinge (Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, auszusetzen, sind vor diesem Hintergrund höchst gefähr- DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) lich. Meine Damen und Herren, zehn Aufgaben für die nächs- (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) ten zehn Jahre, ein Fahrplan für die notwendige sachli- che Arbeit, Das schafft einen Verdrängungswettbewerb, das ist sozi- aler Sprengstoff, und deshalb lehnen wir diesen Vor- (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) schlag ab. damit am Ende unsere Vision von Mecklenburg-Vor- (Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, pommern wahr wird, ein modernes, ein wirtschaftlich DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) starkes, ein soziales, ein weltoffenes Mecklenburg- Vorpommern, ein Land, in dem die Menschen gerne Wir brauchen gute Bedingungen für alle Menschen in leben und in dem sie mit Selbstbewusstsein, Optimis- unserem Land, für Kinder aus Flüchtlingsfamilien ebenso mus und Zuversicht die anstehenden Aufgaben ange- wie für einheimische Kinder, hen. Lassen Sie uns daran gemeinsam arbeiten! – Vielen Dank. (Udo Pastörs, NPD: Für die ganze Welt.) (Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen aus Schwerin, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Rostock und Pasewalk ebenso wie für Flüchtlinge, die neu zu uns kommen und sich hier eine eigene Zukunft Präsidentin Sylvia Bretschneider: Vielen Dank, Herr aufbauen wollen. Ministerpräsident.

Meine Damen und Herren, deshalb ist die zehnte Aufga- Ich mache in diesem Zusammenhang der guten Ordnung be besonders wichtig. Mecklenburg-Vorpommern ist halber darauf aufmerksam, dass die unparlamentari- heute, 25 Jahre nach der deutschen Einheit, ein demo- schen Begriffe wie „Heuchler“ und so weiter hier im Par- kratisches und weltoffenes Land. lament nichts zu suchen haben, Herr Pastörs.

(Stefan Köster, NPD: Was für ein Märchen!) Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 165 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre Ich verkenne nicht, dass es in unserem Land auch andere keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich Strömungen gibt, die unappetitliche NPD hier im Landtag, eröffne die Aussprache.

(Zurufe von Michael Andrejewski, NPD, Das Wort hat der Fraktionsvorsitzende der Fraktion DIE und Udo Pastörs, NPD) LINKE Herr Holter. 14 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015

Helmut Holter, DIE LINKE: Frau Präsidentin! Meine Und deswegen, meine Damen und Herren, will ich mit Damen und Herren! Wenn wir heute Revue passieren aller Deutlichkeit für mich und meine Fraktion sagen, es lassen, was in 25 Jahren passiert ist und was wir erreicht gibt keinen gemeinsamen Weg, ob mit der NPD oder der haben, steht für mich eins fest: Die Menschen in unse- AfD. Oder meint etwa jemand nach den jüngsten De- rem Land haben allen Grund, stolz auf ihre Leistungen zu monstrationen in Deutschland und in Mecklenburg-Vor- sein. Sie haben in den 25 Jahren Großartiges geleistet, pommern, mit Demokratiegegnern und Dogmatikern die positiven Entwicklungen sind vor allem ihre Erfolge. könne und müsse man reden? Nein, meine Damen und Die Menschen lieben ihr Land, unsere Heimat, das ist ein Herren, mit Dogmatikern kann man nicht reden, man Pfund, mit dem sich wuchern lässt, das ist ein Funda- muss sie bekämpfen! ment, auf dem sich weiter aufbauen lässt. Das gilt für die Regierung, die Opposition und genauso und insbesonde- (Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE re für alle Menschen, die sich für unser Land engagieren. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von Stefan Köster, NPD, und David Petereit, NPD) (Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE) Alle Demokratinnen und Demokraten in Mecklenburg- Ich möchte, meine Damen und Herren, etwas hervorhe- Vorpommern stehen nicht zuletzt wegen der schreckli- ben, was mir besonders wichtig ist: Die politische Wende chen Ereignisse in Rostock-Lichtenhagen in ganz beson- in der DDR, der Weg in die Einheit und die Gestaltung derer Verantwortung, rechtsextremistisches Denken und der Einheit verliefen friedlich, verliefen emotional, aber Handeln zurückzudrängen und dafür zu sorgen, dass es friedlich und gewaltfrei. Ich komme später darauf zurück. von der Straße, aus den Köpfen und aus den Parlamen- ten verschwindet. Vieles wurde in diesem Vierteljahrhundert auch in Meck- lenburg-Vorpommern erreicht, der Ministerpräsident ist (Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE) darauf eingegangen. Und diese vielen positiven Entwick- lungen werden von uns mitgetragen. Er hat auch zu Auch aus diesem Grund, und da bin ich voll beim Minis- Recht davon gesprochen, dass sich die politische und terpräsidenten, auch aus diesem Grund müssen alle wirtschaftliche Wende für viele Menschen nicht ohne Demokratinnen und Demokraten in der Flüchtlingsfrage, Brüche und ohne große Enttäuschungen vollzogen hat. und nicht nur in dieser Frage, zusammenstehen. Ge- Er hat zu Recht davon gesprochen, dass das Schließen meinsam müssen wir auch dafür sorgen, dass in unse- vieler DDR-Betriebe eine viel zu hohe Arbeitslosigkeit rem Land nicht die Ärmsten und die Allerärmsten gegen- hervorgebracht hat, denn die Bürgerinnen und Bürger der einander ausgespielt werden. DDR wollten Freiheit und Demokratie. Arbeitslosigkeit und soziale Unsicherheit wollten sie nicht. So weit, meine Damen und Herren, teilen wir die Auffas- sungen des Ministerpräsidenten. Dass wir als Oppositi- (Zuruf von Michael Andrejewski, NPD) onsführerin allerdings auch kritische Anmerkungen ha- ben, Abertausende Menschen haben vor der Treuhandanstalt gegen die Kahlschlagpolitik demonstriert. Mit der Deindust- (Udo Pastörs, NPD: Oppositionsführerin!) rialisierung wurde die Mehrzahl der Betriebe zu verlänger- ten Werkbänken oder ganz abgewickelt. Die grundlegen- dürfte niemand überraschen. So hat sich die Regie- den Veränderungen der vergangenen 25 Jahre verliefen rungserklärung in großen Teilen wie ein Werbetext aus friedlich und gewaltfrei, aber ich frage mich: Warum kommt einer Hochglanzbroschüre eines Reiseveranstalters es 70 Jahre nach der vernichtenden Niederlage des Fa- angehört: schöne Bilder, wohlfeile Formulierungen. Ken- schismus und 25 Jahre nach der Wiedergeburt unseres nen Sie derartige Werbung? In einer Zeitung konnte ich Landes Mecklenburg-Vorpommern dazu, dass in Deutsch- neulich unter der fragenden Überschrift „Sprechen Sie land und Mecklenburg-Vorpommern Rechtsradikale gegen die Sprache der Reisekataloge?“ Folgendes lesen: Ein Menschen hetzen und nicht zurückschrecken vor Gewalt „Zimmer zur Meerseite“ bedeutet zum Beispiel nicht, und Terror? dass sich das Hotel in der ersten Reihe befindet. Wenn das so wäre, würde es auch im Katalog stehen. Ein „na- (Zuruf von Michael Andrejewski, NPD) turbelassener Strand“ kann zugemüllt sein oder mit spit- zen Steinen übersäht sein, einen tatsächlichen Traum- Ich sehe Galgen, an denen Namen von Politikerinnen strand würden die Veranstalter jedenfalls anders be- und Politikern öffentlich aufgehängt werden, ich sehe schreiben. Und der Strand vom „Hotel in ruhiger Lage“ Sprüche, die genau dieses dokumentieren. heißt in der Regel, dass dieser nur mit dem Shuttle zu erreichen ist. (Zuruf von David Petereit, NPD) Meine Damen und Herren, spätestens nach dieser Re- Die Saat dieser rechtsextremistischen Demagogen, der gierungserklärung wissen wir, dass unser Ministerpräsi- geistigen Brandstifter, geht zunehmend auf. dent die Sprache der Reisekataloge gut beherrscht. Das mag bei Festveranstaltungen, Geburtstagsfeiern und (Zuruf von Michael Andrejewski, NPD) Jubiläumsfeiern gut ankommen, hier im Landtag erwarte ich aber, dass Tacheles geredet wird. Immer häufiger brennen in Deutschland Häuser, in denen Menschen, die vor Krieg, Terror, Leid und Not zu uns Und damit Sie mich nicht falsch verstehen, Herr Selle- fliehen, untergebracht werden sollen. Auf Hass und Ver- ring, Sie sind nicht für alles verantwortlich, die Landesre- achtung lässt sich kein stabiles Gemeinwesen aufbauen. gierung kann nicht allein alle Probleme lösen,

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, (Udo Pastörs, NPD: Für die ist keiner DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) verantwortlich, das ist das Problem.) Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 15 nicht umsonst verweisen wir auf den Bund und auf die Arbeitsverhältnisse. Am 30. Juni des Jahres 2000 waren EU, und schon gar nicht geht das heute und morgen. es immerhin noch 590.000. In Mecklenburg-Vorpommern Herr Sellering, Sie hätten aber zumindest die Probleme gibt es die niedrigsten Löhne, die niedrigsten Renten und heute klar benennen können und sogar müssen. die höchste Armut.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Hat er doch.) Viertens. Der Osten des Landes – Vorpommern, Mecklen- burg-Strelitz – fühlt sich nicht nur abgehängt, er ist in vie- Sie, Herr Sellering dürfen Missstände und Fehlentwick- len Dingen tatsächlich abgehängt, und da sind wir wirklich lungen im Lande nicht schönreden oder gar ignorieren. weit auseinander in der Einschätzung, Herr Ministerpräsi- dent. Das beginnt mit den Verkehrsanbindungen. Der (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Anteil des verarbeitenden Gewerbes an der Bruttowert- Das hat er auch nicht getan.) schöpfung ist nur halb so groß wie in Mecklenburg.

Damit Sie jetzt nicht reflexartig sagen, ich würde das (Unruhe vonseiten der Fraktionen Land schlechtreden, lassen wir die Fakten sprechen. der SPD und CDU – Dabei zitiere ich nicht Publikationen meiner Fraktion, Zuruf von Minister Harry Glawe) sondern ich beziehe mich auf den Landesfinanzbericht des Landesrechnungshofes, den Fortschrittsbericht der Das Bruttoinlandsprodukt der Erwerbstätigen ist geringer, Landesregierung Aufbau Ost 2014 und auf manche Ant- das verfügbare Einkommen ist geringer, die Anzahl der worten der Landesregierung auf Kleine Anfragen von Arbeitslosen höher. Abgeordneten dieses Hauses. (Zuruf von Wolf-Dieter Ringguth, CDU) Erstens. Mecklenburg-Vorpommern musste von 1990 bis 2014 einen Bevölkerungsrückgang von fast 340.000 Ein- In Vorpommern, das ist schlimm genug, Herr Ringguth, wohnerinnen und Einwohnern hinnehmen. Damit hatte sterben die Menschen früher als in Mecklenburg hier im sich die Bevölkerungszahl seit Gründung des Landes um Westen. über 17 Prozent verringert. Die Bevölkerung verringert sich jedoch nicht nur, sie altert auch. Der Anteil der Kinder und (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das stimmt doch Jugendlichen ist bis Ende 2013 auf 14 Prozent zurückge- gar nicht. – Heiterkeit bei Vincent Kokert, CDU: gangen. Demgegenüber ist der Anteil der Seniorinnen und Schuld haben immer die anderen.) Senioren auf über 22 Prozent gestiegen. Mecklenburg- Vorpommern war 1990 einst das jüngste Bundesland. Fünftens. In Mecklenburg-Vorpommern gibt es die meis- ten Schulabbrecher, die meisten Menschen ohne Schul- (Heiterkeit bei Silke Gajek, abschluss. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja.) Sechstens. Die Anbindung der Menschen an den öffentli- 25 Jahre später sind wir das älteste Bundesland in chen Personennahverkehr ist im ländlichen Raum Deutschland. schlecht. Die Lage droht sogar noch schlechter zu wer- den – von der Bahn will ich mal gar nicht reden, da sieht Zweitens. Die industrielle Basis ist nach wie vor schwach es noch schlimmer aus – und die Exportleistung weiterhin gering. Im Jahr 2013 verzeichnete Mecklenburg-Vorpommern ein negatives (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ Wirtschaftswachstum von 1,1 Prozent und liegt damit DIE GRÜNEN: Ja, Südbahn.) deutlich hinter den Ostflächenländern zurück. und Mecklenburg-Vorpommern droht, auf das Abstell- (Udo Pastörs, NPD: War das bei gleis geschoben zu werden. Ihrer Regierungsbeteiligung anders?) Meine Damen und Herren, auch diese Zahlen gehören Somit hat Mecklenburg-Vorpommern 2013 auch im Ver- zu 25 Jahre Mecklenburg-Vorpommern. Das sind keine gleich mit den anderen Ländern relativ an Wirtschafts- schönen Bilder, das sind keine wohlklingenden Bilder, kraft verloren. Die wirtschaftliche Entwicklung in 2013 hat aber das ist die Wahrheit. Und wie geht die Landesregie- die Lücke zwischen Ost und West wieder größer werden rung damit um? Was sagt der Ministerpräsident dazu? Er lassen und den Angleichungsprozess gedämpft. Der gibt zum wiederholten Male eine Wohlfühlumfrage in Landesrechnungshof stellt fest, dass die Angleichung der Auftrag. Mit Wohlfühlumfragen zu Wohlfühlergebnissen. Wirtschaftskraft auch nach über zwei Jahrzehnten seit Und da ist sie wieder, der Wiedervereinigung nicht erfolgt ist und seit etlichen Jahren stagniert. (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das passt Ihnen nicht.)

Drittens. Mecklenburg-Vorpommern gehört leider nach alle Jahre wieder, 25 Jahren zu den Flächenländern, in denen die meisten Menschen von Hartz IV leben müssen. Nur im schwarz- (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Hören Sie doch rot-regierten Sachsen-Anhalt sieht es noch düsterer aus. auf die Bürger! Hören Sie doch auf die Bürger!)

(Udo Pastörs, NPD: Da machen alle Jahre wieder, Herr Nieszery, diese merkwürdige die Roten nichts dagegen.) schöne Sprache,

Im Juli dieses Jahres, also in einem der beschäftigungs- (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Nehmen intensivsten Monate, zählte die Bundesagentur für Arbeit Sie das doch mal an und hören Sie auf, in unserem Land 553.300 sozialversicherungspflichtige immer nur zu jammern, Herr Holter!) 16 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 die Sprache der Reisekataloge. „Man hört gelegentlich den Satz: ,Ich bin schon ein wenig enttäuscht darüber, wie die Landesregierung mit Thea- (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Mann, Mann, Mann!) tern und Orchestern in Mecklenburg-Vorpommern um- gehtʻ. Stimmen Sie dem eher zu“ Ich darf einmal zitieren, diesmal nicht aus einem Reise- katalog, sondern aus der aktuellen Umfrage der Landes- (Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/ regierung: „Man hört gelegentlich den Satz:“ – so lautet DIE GRÜNEN: Hundertprozentig.) die Frage – „‚Wir können ein bisschen stolz darauf sein, was wir in den letzten Jahren hier in Mecklenburg-Vor- „oder stimmen Sie dem eher nicht zu?“ pommern geschaffen haben‘. Stimmen Sie dem eher zu oder stimmen Sie dem eher nicht zu?“ Ich denke, alle, (Beifall vonseiten der Fraktionen die hier zuhören, würden dem zustimmen, ich natürlich DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) auch, Herr Sellering. Selbstverständlich kann man dem zustimmen, was denn sonst?! Warum fragen Sie nicht nach der finanziellen Lage der Kommunen (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ja, also!) (Zuruf von Wolf-Dieter Ringguth, CDU) Die Regierung freut sich über die Antworten. Natürlich stimmt dieser messerscharf formulierten Frage die große oder danach, warum die Menschen immer seltener wäh- Mehrheit zu, was denn sonst?! Diese und andere Frage- len gehen? stellungen hat die Landesregierung vorgegeben. (Zuruf von Wolf-Dieter Ringguth, CDU) (Udo Pastörs, NPD: Und die Lügenpresse hat es transportiert.) Meine Damen und Herren,

Die erhoffte Botschaft dieser Umfrage war damit vorge- (Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD) zeichnet. bei aller Kritik an dieser Wohlfühlumfrage gibt es natürlich (Dr. Norbert Nieszery, SPD: auch einige erhellende Erkenntnisse. Über die Ost-West- Das hat der doch gar nicht gesagt.) Angleichung hat der Ministerpräsident bereits gesprochen. Und wir sind da nicht so richtig weitergekommen. Also alles gut im Staate Dänemark bei uns in Mecklen- burg-Vorpommern. Damit bastelt sich die Landesregie- (Heiterkeit bei Vincent Kokert, CDU – rung ein Stimmungsbild, was besser ist als die Lage, Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja.)

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Neun von zehn Befragten sehen weiterhin große Unter- Das stimmt doch gar nicht.) schiede. Die Menschen sehen in der Höhe der Renten eines der Probleme, eine klare Ungerechtigkeit. denn wenn Sie, Herr Sellering, die Probleme nicht länger schönreden oder gar ignorieren würden, hätten Sie ande- (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ja.) re Fragen stellen müssen. Wie wäre es denn mit solchen Fragen: Und was haben Sie getan? Ja, Herr Sellering, Sie haben immer wieder verbal gefordert, das muss nun endlich been- (Zuruf von Minister Harry Glawe) det werden. Das haben Sie eben in Ihrer Rede wieder getan.

„Man hört gelegentlich den Satz: ,Ich bin schon ein biss- (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Er hat gekämpft.) chen enttäuscht darüber, dass die Landesregierung viele Amtsgerichte geschlossen hatʻ. Stimmen Sie dem eher Aber wo war denn die Initiative im Bundesrat? zu oder stimmen Sie dem eher nicht zu?“ (Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE) (Vincent Kokert, CDU: Ja, klasse! – Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD) Anträge meiner Fraktion wurden ja abgelehnt, weil Sie sich mit der CDU nicht einigen konnten. Oder: „Man hört gelegentlich den Satz: ,Ich bin schon …̒“ (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Wahnsinn! (Heiterkeit vonseiten der Fraktionen Was ist denn das für ein Quatsch jetzt?) der SPD und CDU – Heinz Müller, SPD: Eine Volksabstimmung wäre auch so eine Art Was Sie vor Wahlen versprechen, können Sie nicht einhalten. Umfrage. – Zurufe von Dr. Norbert Nieszery, SPD, und Vincent Kokert, CDU) (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Sie waren doch mal Minister. Sie „Man hört gelegentlich den Satz: ,Ich bin schon ein biss- wissen doch, wie das geht, Herr Holter.) chen enttäuscht darüber, dass ich weder mit Bus noch Bahn in die nächstgelegene Stadt fahren kannʻ. Stimmen Das betrifft den sozialen Arbeitsmarkt ebenso wie Initiati- Sie dem eher zu oder stimmen Sie dem eher nicht zu?“ ven wie Vermögensteuer, alles Forderungen, die die SPD 2011 aufgemacht hat. (Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von (Beifall Regine Lück, DIE LINKE – Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ja.) Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 17

Also kein Wunder, dass die Zahl der Befragten, die keine (Vincent Kokert, CDU: Sie haben sich Verbesserung feststellen, auch nach Ihrer Umfrage seit ja schon sehr verdient gemacht.) Jahren zunimmt. Dazu gehören nicht nur die harten Fakten, sondern es (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das ist eine geht um unsere kulturelle Identität unredliche Argumentation, das wissen Sie auch.) (Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD: Ist ja lächerlich.) Auf die Frage, wie die Bürger Mecklenburg-Vorpom- merns im Vergleich zu den Bewohnern anderer ostdeut- als Mecklenburgerinnen und Mecklenburger, als Vorpom- scher Bundesländer dastehen, erkennt die Hälfte keine merinnen und Vorpommern. Ich meine, wir müssen stärker Veränderung, und das bedeutet Stagnation Ihrer Politik, an dieser emotionalen und kulturellen Klammer arbeiten. meine Damen und Herren. (Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – (Beifall Dr. Ursula Karlowski, Dr. Norbert Nieszery, SPD: Wie sieht die denn BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – aus? – Zuruf von Michael Andrejewski, NPD) Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ja.) Dazu gehört die Regionalgeschichte, Meine Damen und Herren, (Zuruf von Vincent Kokert, CDU) (Vincent Kokert, CDU: DIE LINKE klatscht ja nicht mal.) dazu gehört die plattdeutsche Sprache, dazu gehört unser Brauchtum, meine Damen und Herren, (Dr. Norbert Nieszery, SPD: (Heiterkeit bei Dr. Norbert Nieszery, SPD: Sprechen Sie plattdeutsch?) Das war nicht die SPD. Ganz, ganz sicher nicht.) dazu gehören auch unsere Volkslieder und unsere Volks- mit seiner Regierungserklärung hat uns der Ministerprä- tänze. sident seinen Fahrplan für die nächsten zehn Jahre vor- gestellt. Ja, Ihre Rede hörte sich gut an, (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Sprechen Sie plattdeutsch?) (Heinz Müller, SPD: Das war auch gut.) Es geht weiterhin um unsere Baukultur und Wirtschafts- aber Ihnen und der Koalition fehlen sowohl die Ausgangs- kultur – gestern, heute und morgen. Wir müssen das basis als auch die Vision für Mecklenburg-Vorpommern. Prägende, das Typische unserer Heimat bewahren.

(Heiterkeit bei Vincent Kokert, CDU: (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ja, genau.) Dass Sie das schon vorher aufgeschrieben hatten, das finde ich interessant.) Natürlich geht es um kulturelle Vielfalt.

Wissen Sie, die Menschen im Land sagen mir, es plät- (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) schert so vor sich hin, und wenn die Regierung Entschei- dungen trifft, dann eher zum Nachteil der Menschen in Mecklenburg und Vorpommern waren immer Regionen, Mecklenburg-Vorpommern. (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Kultur (Minister Harry Glawe: ist etwas Dynamisches, Herr Holter.) Das stimmt doch gar nicht.) in denen Gehen und Kommen dazugehörten. Die Menschen treibt die Sorge um, ob das in 25 Jahren Geschaffene und Erreichte erhalten und behalten werden (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) kann. Sie haben einfach Angst, dass das Land kaputtge- spart wird. Anfang der 90er-Jahre, meine Damen und Herren, war unser Land ein Land im Aufbruch, (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ach, Blödsinn!) (Heinz Müller, SPD: Ich fasse es nicht! – Der Satz, den Sie zitiert haben: „Ich bin aus Mecklen- Dr. Norbert Nieszery, SPD: Was ist burg-Vorpommern“, klingt gut, das denn für eine Predigt gewesen?)

(Vincent Kokert, CDU: Wer hat Angst? – auch wenn noch nicht alle im vereinten Deutschland Zuruf von Udo Pastörs, NPD) angekommen waren. aber die Frage nach unserer Identität, nach unserer Tra- (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) dition und unserer Zukunft beantwortet er nicht. Aber alle packten mit an, ihre Heimat Mecklenburg-Vor- (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) pommern zu gestalten. Mit der ersten rot-roten Koalition in Deutschland führten wir im Land eine intensive Zu- Gerade mit dem Slogan „Land zum Leben und zum Ar- kunftsdebatte. beiten“ müssen Sie doch die Frage beantworten, wie wir leben und arbeiten wollen. (Vincent Kokert, CDU: Ja, und die endet?) 18 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015

Heute ist das Wort „Zukunft“ faktisch ein Unwort gewor- (Dr. Norbert Nieszery, SPD: den, Sind wir doch schon längst.)

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: um Ansiedlungen und Existenzgründungen noch attrakti- Stimmt doch gar nicht. – ver zu machen. Aber der Breitbandausbau ist nur eine Vincent Kokert, CDU: Das stimmt nicht. – Seite der Medaille. Zuruf von Udo Pastörs, NPD) (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ja, ja.) das zwar in Überschriften steht, aber nicht untersetzt wird. Genau das ist meine Kritik an Ihrem Fahrplan. Zeitgleich sollten die Klein- und Mittelständler als Nutzer bestens vorbereitet sein, um dann als Unternehmen der (Udo Pastörs, NPD: Wir sind Generation 4.0 sowohl regional als auch international die Zukunft, Herr Caffier.) wettbewerbsfähig zu sein.

Ihre zehn Aufgaben sind nichts anderes als ein „Weiter so“ (Dr. Norbert Nieszery, SPD: der bisherigen Politik, der Politik der Großen Koalition. Und das sollen wir regeln, oder was?)

(Vincent Kokert, CDU: Der „sehr erfolgreichen“, Wirtschaft stärken bedeutet für mich auch, der viel be- hätten Sie jetzt aufgreifen müssen.) schriebenen Strukturschwäche mit einer sehr guten tech- nischen Infrastruktur zu begegnen. Ja, Herr Sellering, Sie Deswegen … sprechen von der A 14 und der B 96n auf Rügen. Das sind doch zwei Projekte, die längst realisiert werden. Was ist Das hat der Ministerpräsident gesagt. aber mit überregionalen und regionalen Bahnanbindun- gen? Gestern und vorgestern, auf der Nationalen Mariti- (Zuruf von Vincent Kokert, CDU) men Konferenz in Bremerhaven, hat ein, ja, ein CEO eines großen amerikanischen Kreuzlinerkonzerns darüber ge- … schlage ich Ihnen vor, eine „Zukunftsinitiative Meck- sprochen. Wenn nur ein ICE aus Rostock einmal am Tag lenburg-Vorpommern 2030+“ auf den Weg zu bringen. nach Berlin fährt, dann ist es nicht attraktiv für die Kreuz- fahrer, nach Rostock zu kommen. (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Genau. – Udo Pastörs, NPD: Lustig.) (Jochen Schulte, SPD: Ja, vor allen Dingen, weil die mit Sonderzügen fahren.) Natürlich ist es richtig und notwendig, die Wirtschaft zu stärken. Ich kann aber nicht erkennen, Herr Sellering, wie Das sind doch die Fragen, die beantwortet werden müs- Sie das konkret machen wollen. Damit die Menschen sen. eine Zukunft in guter Arbeit haben, (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Die kommen (Zuruf von Martina Tegtmeier, SPD) deswegen auch nicht mehr, oder? Die fahren jetzt an uns vorbei, oder was?) sollten wir stärker regionalisieren und internationalisieren. Neue Produkte, neue Technologien und neue Märkte Das ist eine ganz klare Forderung, die da aufgemacht können nur durch mehr Innovationen erreicht werden, die wurde. Der Osten unseres Landes muss verkehrstech- auch hier im Land zur Serienproduktion geführt werden. nisch besser erschlossen werden. Ich habe darüber Dafür brauchen die kleinen und mittelständischen Unter- gesprochen. nehmen mehr Unterstützung, um selbst und in Koopera- tion mit den Hochschulen und Universitäten im Land (Zurufe von Dr. Norbert Nieszery, SPD, forschen und entwickeln zu können. Vincent Kokert, CDU, und Udo Pastörs, NPD)

Wirtschaft stärken bedeutet auch, die Digitalisierung Die Wirtschaft und die Menschen warten seit Jahren voranzutreiben. Das, was Sie dort gesagt haben, reicht darauf. Es geht auch darum, die vorhanden Verkehrswe- doch gar nicht aus. ge zu erhalten und zu modernisieren.

(Martina Tegtmeier, SPD: (Zuruf von Vincent Kokert, CDU) So viel Zeit hat er auch nicht.) Viele von uns sitzen noch in den Kreistagen. Sagen die Gerade für die kleinen und mittelständischen Unterneh- Landräte Ihnen nicht, wie mir auch, ich würde gerne die men kann ein leistungsfähiges Internet zum Wettbe- Kreisstraße ertüchtigen, erneuern oder modernisieren, werbsvorteil werden. Hier geht es um Klotzen und nicht aber dem Kreis fehlt das Geld? um Kleckern. (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ja.) (Udo Pastörs, NPD: Oh! – Egbert Liskow, CDU: Dann machen Wenn es um technische Infrastruktur und Verkehrswege Sie doch mal Vorschläge!) geht, dann geht es auch um diese Frage.

Ihre Aussagen, Herr Ministerpräsident, greifen einfach zu Wirtschaft stärken bedeutet für mich auch, den sozial- kurz. ökologischen Umbau voranzutreiben, Ressourcen wie Energie und Rohstoffe einzusparen sowie ökologische Hier muss Mecklenburg-Vorpommern schneller als ande- Bau- und Werkstoffe einzusetzen. Wo sind dort Ihre re sein, Visionen? Wo sind dort Ihre Entscheidungen? Um die Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 19 erneuerbaren Energien, die Elektromobilität oder Was- Zu einer Zukunftsoffensive gehört auch, allen Kindern serstofftechnologien mehr zu nutzen, brauchen die gleiche Chancen von Anfang an zu ermöglichen. Investoren und Unternehmen Planungssicherheit (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das tun wir nicht?) (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Die kriegen sie doch von uns.) Wir LINKEN haben das Ziel, dass der Kitabesuch eines Tages kostenfrei für alle Eltern werden soll. über mindestens zwei Wahlperioden, besser sogar über drei. (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das würde ich sofort unterschreiben. – Vincent Kokert, CDU: Wirtschaft stärken bedeutet auch, gut ausgebildete und Das ist ein mutiges Ziel. Jawoll! Jawoll! – hoch motivierte Beschäftigte zu haben. Ich bitte Sie, Herr Zurufe von Minister Harry Glawe Ministerpräsident, schauen Sie sich doch einmal die und Udo Pastörs, NPD) Standorte der Berufsschulen an! Aber Sie, Herr Ministerpräsident, haben ja nicht einmal (Gelächter bei Udo Pastörs, NPD: Ja.) garantiert, dass die versprochenen Standards eingehal- ten beziehungsweise erreicht werden sollen, Die Entfernung zwischen Betrieb, Ausbildungsstätte und Berufsschule veranlasst so manch jungen Menschen, (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Bitte?)

(Udo Pastörs, NPD: Ich glaube, wie etwa die Fachkraft-Kind-Relation. vor allem die Ausstattung.) (Zuruf von Michael Andrejewski, NPD) die gewünschte Ausbildung erst gar nicht zu beginnen. Unterhalten Sie sich mal mit dem Bauverband in Meck- Ich höre aus Ihrer Fraktion, dass Standards infrage ge- lenburg-Vorpommern! stellt werden sollen. Das darf einfach nicht sein, Herr Nieszery! (Regine Lück, DIE LINKE: Das ist wohl wahr.) (Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das stimmt gar Um noch mehr und bessere tarifliche Entlohnung zu nicht. Zeitweise, nur unter den aktuellen erreichen, brauchen wir natürlich starke Tarifpartner, Bedingungen. Das wissen Sie auch.) insbesondere brauchen wir starke Gewerkschaften. Das, glaube ich, sollte ein gemeinsames Anliegen sein. Doch! Doch! Das kommt aus Ihren Reihen.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das hat (Dr. Norbert Nieszery, SPD: der Ministerpräsident auch gesagt.) Das ist unfair, was Sie da machen.)

Meine Damen und Herren, zu einer Zukunftsinitiative für Und in den Schulen, ja, in den Schulen brauchen die Kin- unser Land gehört in jedem Fall, die Armut, die Kinder- der, die Lehrerinnen und Lehrer Zuversicht und Stabilität. und die Altersarmut, zu bekämpfen. (Dr. Norbert Nieszery, SPD: (Udo Pastörs, NPD: Wenn Geld da ist.) Das ist unfair, was Sie jetzt tun.)

Der von der AWO vorgelegte Armutsbericht für Mecklen- Die Seiteneinsteiger werden jetzt genauso bezahlt wie burg-Vorpommern spricht doch Bände. Armut zu be- ihre Kolleginnen und Kollegen. Aber dass ein Grund- kämpfen, heißt, den Menschen Wege in Arbeit aufzuzei- schullehrer weniger erhält als ein Kollege in der Regio- gen: Arbeit in der privaten Wirtschaft – erster Arbeits- nalschule oder im Gymnasium, ist und bleibt für mich markt –, im öffentlichen Dienst und in dem Sektor ungerecht. zwischen Staat und Wirtschaft. Ob das nun „sozialer Arbeitsmarkt“ heißt oder „öffentlich geförderter Beschäfti- (Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE) gungssektor“, darüber will ich mich jetzt nicht streiten. Und wenn wir an die DDR erinnern, das hat übrigens (Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Siegmar Gabriel gestern gemacht, Unruhe bei Minister Harry Glawe) (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ach!) Ich meine, wir brauchen eine Doppelstrategie, sowohl auf dem ersten Arbeitsmarkt als auch im öffentlich geförder- der sprach vom dualen Abitur. ten Beschäftigungssektor. (Vincent Kokert, CDU: Der macht öfter (Vincent Kokert, CDU: Dinge, die er sich nicht überlegt hat.) Alter Wein in neuen Schläuchen.) Er sprach davon, warum es keine Berufsausbildung mit Armut zu bekämpfen und ein Leben in Würde zu führen, Abitur gibt. Da war doch mal was. Genau das – gute Herr Kokert, bedeuten auch, Sozialwohnungen mit Miet- Schule und der Übergang von Schule und Beruf – gehört, preisbindung vorzuhalten. glaube ich, zu einem guten Konzept dazu.

(Zurufe von Minister Harry Glawe Seit Jahren, meine Damen und Herren, stehen wir vor den und Vincent Kokert, CDU) Herausforderungen des demografischen Wandels. Sie, 20 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015

Herr Ministerpräsident, haben wichtige Themen ange- können, sowie nach mehr Personal bei der Polizei, in den sprochen. Selbstverständlich muss die Enquetekommis- Kommunen, in den Kitas und in den Schulen. sion ihre Arbeit zu Ende bringen, ganz klar. Aber es ist doch längst Zeit zu handeln! Das vermisse ich in Ihrer (Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD: Überall mehr!) Rede und im vorliegenden Doppelhaushalt. Lassen Sie Ihren Erkenntnissen endlich Taten folgen! Letztere benötigen dringend mehr Lehrerinnen und Lehrer,

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE (Vincent Kokert, CDU: und Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Da arbeiten wir doch dran. – Udo Pastörs, NPD: Sozialarbeiter noch.) Gerade die Menschen in den ländlichen Räumen warten doch darauf. die Deutsch als Zweitsprache unterrichten können.

Und warum diskutieren wir nicht darüber, dass die land- (Dr. Norbert Nieszery, SPD: wirtschaftlichen Betriebe, Produktionsbetriebe, wieder Warten Sie doch erst mal ab!) eine Verantwortung, eine Rolle im sozialen und kulturel- len Bereich erhalten sollen? Nicht schnell genug, Herr Kokert.

(Heiterkeit bei Vincent Kokert, CDU: (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Warten Sie doch So wie früher?) erst mal ab! – Vincent Kokert, CDU: Aber trotzdem arbeiten wir dran.) Das muss dann aber auch als Betriebsergebnis und steu- erlich anerkannt werden. Das wäre die logische Konse- Die ankommenden Flüchtlinge und die sie aufnehmen- quenz aus einer solchen Strategie. den Kommunen brauchen Entscheidungen. Sie erwarten zu Recht, dass die Landesregierung mutig ist, diese und (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Um Gottes willen!) andere Entscheidungen zu treffen.

Herausforderungen der Zukunft anzunehmen, heißt an- Meine Damen und Herren, die 25-jährige Geschichte un- zuerkennen, dass sich unser Land verändern wird und seres Landes zeigt, dort, wo Licht ist, gibt es auch Schat- sich auch verändern muss. Die Akademie für Nachhaltige ten. Einheimische und Menschen, die zu uns kommen, Entwicklung hat unser Land als „Garten der Metropolen“ sollen eine gute Zukunft in Mecklenburg-Vorpommern beschrieben – haben. Das muss das Ziel sein. Es ist Zeit für Verabredun- gen, es ist Zeit für Entscheidungen. – Ich danke für Ihre (Vincent Kokert, CDU: Ja.) Aufmerksamkeit. ein schönes Bild. Nun sind wir uns sicherlich einig, dass (Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE) das Beispiel der Metropolregion Hamburg kein Einzelkind bleiben darf. Die Metropolregion Stettin im Osten gehört Präsidentin Sylvia Bretschneider: Vielen Dank, Herr ebenso dazu wie Berlin im Süden und die Ostseemetro- Holter. polen im Norden. Ums Wort gebeten hat der Innenminister des Landes (Udo Pastörs, NPD: Die Mecklenburg-Vorpommern Herr Lorenz Caffier. ganze Welt gehört dazu.) (Udo Pastörs, NPD: Aber die Internationalisierung, meine Damen und Herren, Ah, jetzt spricht die Zukunft!) beginnt im Kleinen und im Alltag. Von Migrantinnen und Migranten erwarten wir, dass sie Deutsch lernen. Aber wie Minister Lorenz Caffier: Frau Präsidentin! Meine Da- sieht es denn mit unserer eigenen Sprachkompetenz aus? men und Herren Abgeordnete! Beginnen können wir doch mit den Sprachen unserer Nachbarn: Polnisch, Schwedisch, Dänisch. Auch Grund- Herr Holter, wie wäre es denn mit dieser Frage in Ihrem kenntnisse in Englisch, Französisch, Spanisch, Arabisch Umfragekatalog gewesen: Wie zufrieden sind Sie mit der und weitere Sprachen Arbeit der Oppositionsparteien? Und, Herr Holter, was ich vermisst habe, (Udo Pastörs, NPD: Chinesisch haben Sie noch vergessen.) (Zuruf von Marc Reinhardt, CDU) können auf der Post, in der Bank, in der Kita oder im Taxi zu 25 Jahren Mecklenburg-Vorpommern gehören auch auf jeden Fall hilfreich sein. Also steht die Frage: Machen immer ein bisschen die Fragen dazu: Wo sind wir her wir dort etwas? gekommen?

Einen letzten Punkt möchte ich kurz ansprechen. Die (Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE) Landesregierung hat gestern ein Maßnahmenpaket zur Unterbringung, Versorgung und Integration von Flüchtlin- Was haben wir vorgefunden, welche Ausgangsbedin- gen vorgelegt, welches im Wesentlichen die Umsetzung gungen? der Bundesmaßnahmen beinhaltet. Bei dem anhaltenden Zustrom von Flüchtlingen stellt sich heute schon die (Helmut Holter, DIE LINKE: Frage nach neuen, zusätzlichen Plätzen in Kitas und Das machen Sie doch!) Schulen, nach Zuschüssen an Wohnungsunternehmen, damit die notwendigen Wohnungen hergerichtet werden Auch das gehört zu der Replik. Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 21

(Zuruf von Regine Lück, DIE LINKE) und ihren Beitrag dazu geleistet, dass wir dieses Ereignis miterleben konnten. Darauf kann man auch heute noch Ja, ich bin dankbar, dass der Ministerpräsident eine sehr stolz und darüber können wir sehr glücklich sein. Ich Regierungserklärung zu dieser 25-Jahre-Mecklenburg- bin allen dankbar, die dazu beigetragen haben, dass es Vorpommern-Geschichte abgegeben hat, weil sich allein so gekommen ist, wie es vor 25 Jahren gekommen ist. schon an der Zusammensetzung der Redner zeigt, wie selbstverständlich nach 25 Jahren die Zusammenset- (Udo Pastörs, NPD: Das kommt zung des Parlaments, die Herkunft der einzelnen Abge- aber auch mal anders.) ordneten et cetera sind. Ich glaube, das ist auch ganz wichtig, denn das gehört zur Geschichte dazu. Ich selbst Aber jetzt, meine Damen und Herren, ging für alle die habe eine typische Ostbiografie, wie man sagen würde: Arbeit erst richtig los. Alles war im Umbruch: Lebensläufe im Osten groß geworden, Polytechnische Oberschule brachen, Strukturen lösten sich auf, die Menschen waren besucht, Grundwehrdienst, glücklich, sie waren frei und sie waren vor allem voller Hoffnung. Aber viele waren natürlich auch verunsichert, (Peter Ritter, DIE LINKE: Was? sie hatten Angst vor der Zukunft, Angst vor der Unge- Nicht den Wehrdienst verweigert?) wissheit, wie es weitergehen wird. anschließend in einem Kombinat beziehungsweise in (Udo Pastörs, NPD: Zu Recht.) einer LPG gearbeitet. Wir alle wissen, dass viele Men- schen sich in der ehemaligen DDR in ihren Nischen ein- Gewiss war erst mal nur eines: Die Freiheit war da, sie gerichtet war vollumfänglich, sie war grenzenlos und sie war für jeden erlebbar. Niemand wurde verhaftet, weil er sich (Udo Pastörs, NPD: Wie heute wieder.) kritisch zu politischen Themen äußerte, und ein glückliches Leben geführt haben. (Udo Pastörs, NPD: Ah, das ist aber heute wieder so. – (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) Heiterkeit bei Michael Andrejewski, NPD)

Ja, genau, nehme ich zurück. und niemand wurde mehr erschossen, nur weil er in den anderen Teil Deutschlands wollte. (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) Wir fühlten uns befreit, aber wir fühlten bereits in der Ich weiß aber auch, dass die DDR alle Freiheitsbestre- damaligen Zeit die große Verantwortung. Der Staat, der bungen konsequent und mit Gewalt unterdrückt hat. Sie Wohnungen und Arbeit zuteilte, der den Konsum regu- war eben unstrittig kein Rechtsstaat. lierte, der in nahezu alle Lebensabläufe hineinregierte, vieles vereinheitlichte und vieles vorgab, war nicht mehr (Udo Pastörs, NPD: Heute auch nicht.) da. Wir mussten lernen, das Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Das war für uns eine neue, eine ganz Das wissen wir alle, die im Osten groß geworden sind. schwierige Erfahrung. Die vollen Regale in den Kaufhal- len brachten unsere Augen zum Leuchten, genauso wie Meine Damen und Herren, umso größer waren aber auch uns die große Auswahl an Versicherungsverträgen schier die Hoffnungen, die durch die Montagsdemonstrationen, zur Verzweiflung brachte. Die Bürger der neuen Länder mussten viele Entscheidungen plötzlich selbst fällen. Wie (Zuruf von Michael Andrejewski, NPD) wir alle wissen, kam nicht jeder damit vollends zurecht. Hier war die Politik gefragt, den Menschen zu helfen und die Bürgerbewegungen, den Fall der Mauer und letztend- sie beim Start in die Freiheit zu unterstützen – die gleiche lich auch durch die Wiedervereinigung geweckt wurden. Politik, die selbst in einem Lernprozess war. Dass das Freiheit und Wohlstand – das war die große Verheißung nicht fehlerfrei abgehen konnte und auch nicht fehlerfrei für Millionen Ostdeutsche, auch für mich. abgegangen war, ist selbstverständlich.

Ich hatte das große Privileg, von Anfang an den Prozess Meine Damen und Herren, als sich der Landtag am der Wiedervereinigung sowie die Gründung und den 26. Oktober 1990 konstituierte – der Ministerpräsident Aufbau des Landes Mecklenburg-Vorpommern zunächst verwies bereits darauf –, waren Kollege Backhaus, Kol- in der letzten frei gewählten Volkskammer und später im lege Seidel und ich diejenigen, die damals schon mit Landtag mit begleiten zu können. Ich weiß noch, wie es dabei waren. Eine der ersten Entscheidungen war ja die am Anfang war. Ich weiß, welche Zusammensetzung die Entscheidung, wo der Landtag seinen Sitz erhält. Damals Parlamente hatten. Ich weiß, es war eine sehr spezielle, ist es mehrheitlich für Schwerin ausgegangen. Ich denke, eine emotionale und eine ungemein spannende Zeit. es war eine kluge und richtige Entscheidung. Viele der Kollegen, dazu zähle ich mich auch, hatten keine oder kaum Erfahrung auf der politischen Bühne, (Beifall vonseiten der Fraktion der CDU – und plötzlich sollten wir gemeinsam wichtige, zukunfts- Vincent Kokert, CDU: Was für trächtige Entscheidungen treffen. eine richtige Entscheidung!)

Als dann endlich die Wiedervereinigung kam und das Aber es gab auch andere Bewerber, das vergisst man Land Mecklenburg-Vorpommern gegründet wurde, ging heute immer wieder in dem Zusammenhang – auch das für viele, glaube ich, ein Traum in Erfüllung, den die gehört zur Geschichte dazu. Menschen ein halbes Jahr oder ein Jahr vorher sich nicht ansatzweise hätten träumen lassen. Es war ein toller Tag Meine Damen und Herren, wenn man 25 Jahre Revue für das Land. Viele Menschen haben damals mitgeholfen passieren lässt, müssen wir feststellen, das Land Meck- 22 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 lenburg-Vorpommern hat sich bemerkenswert entwickelt. Fremdenhass, Unzufriedenheit und Perspektivlosigkeit Das wird umso bemerkenswerter, wenn wir uns vor Au- bildeten damals eine gefährliche Mischung. gen führen, wie alles begann. (Udo Pastörs, NPD: (Udo Pastörs, NPD: Mal sehen, wann alles endet.) Polizeiversagen, würde ich sagen.)

Ich kann mich noch gut an die Zusammensetzung des Nur knapp sind wir einer größeren Katastrophe entkom- ersten Landtages erinnern. Die wenigsten von den damali- men. Die Ereignisse rund um das Sonnenblumenhaus gen Abgeordneten waren Politprofis. Wir hatten überhaupt zeigten uns, dass noch nicht alle Menschen in dem ver- keine rechte Vorstellung darüber, was uns erwartet. Wir einten Deutschland angekommen waren. waren motiviert, wir waren engagiert, wir waren entschei- dungsbereit. Aber zur Wahrheit gehört auch, wir waren (Gelächter bei Udo Pastörs, NPD) ungemein hemdsärmelig. Rechtsvorschriften waren nicht in jedem Fall so vorgesehen, wie man sich das vielleicht Hier mussten Politik, Wirtschaft und Gesellschaft etwas heutzutage vorstellt. Und nicht jeder Berater, der uns zur tun. Sie standen vor einer großen Bewährungsprobe. Seite stand, war unbedingt mit der besten Qualifikation Und wir müssen alles dafür tun, aber auch wirklich al- ausgestattet. Auch das gehört zur Wahrheit dazu. les,

Doch es half alles nichts. Wir mussten staatliche Struktu- (Udo Pastörs, NPD: Da war Ihr Parteikollege ren neu aufbauen: Die Kommunen, die Polizei, die Feuer- Innenminister. Fragen Sie den mal!) wehr, die Justiz, das Sozialwesen, das Bildungssystem, die Verwaltung, den Sport, die Verkehrsinfrastruktur – alles dass sich solche Ereignisse wie in Rostock-Lichtenhagen wurde umgekrempelt oder gleich neu geschaffen. Natürlich niemals wiederholen, weder in Deutschland noch in haben alle, egal wie die Regierungskonstellation aussah, Mecklenburg-Vorpommern, meine Damen und Herren. dabei Fehler gemacht. Einige Entscheidungen – das wür- de ich mit Sicherheit behaupten, und das kann, glaube ich, Wenn Sie heute die Deutschen danach fragen, was sie jeder aus der damaligen Zeit – würde man so heute nicht bewegt, dann bekommen Sie ganz unterschiedliche Ant- wieder treffen. Aber ich denke, das ist ganz normal und worten: die Flüchtlingssituation, der Ukrainekonflikt, die man muss zu solchen Entscheidungen im Kontext der Eurokrise, das Bildungssystem. Das sind typische Antwor- damaligen Zeit stehen und sie auch so betrachten. ten in den Jahren 2014/2015. Es ist aber noch gar nicht so lange her, da hatten die Deutschen ganz andere Sorgen. Wir standen vor der gewaltigen Herausforderung, die Zwei Jahrzehnte lang galt nur das Thema Arbeitslosigkeit DDR zu überwinden und das Land neu zu erfinden. Wir als oberster Wert in der Befragung. mussten zahlreiche wichtige Entscheidungen treffen. Dafür hatten wir weder viel Zeit noch die Erfahrungen (Vincent Kokert, CDU: Ja.) und gleich gar nicht hatten wir einen doppelten Boden. Trotz dieser Unwägbarkeiten haben wir gemeinsam viele Die, die arbeitslos waren, wollten einen Job, und die, die entscheidende Weichen für eine erfolgreiche Entwicklung einen hatten, wollten ihn nicht verlieren. in Mecklenburg-Vorpommern stellen können. Darauf können alle, die dazu beigetragen haben, stolz sein. Die Wiedervereinigung Deutschlands zeigte uns schmerz- lich, dass ostdeutsche Unternehmen in großen Teilen in Meine Damen und Herren, die meisten in Mecklenburg- keiner Weise konkurrenzfähig waren. Die DDR bot zwar Vorpommern haben unsere freiheitlich-demokratische alle Kräfte auf, um ihre Betriebe vor dem Untergang zu Grundordnung und unseren Rechtsstaat schnell verinner- bewahren, doch irgendwann musste das Kartenhaus ein- licht und schätzen gelernt. stürzen. Die Folgen waren verheerend.

(Michael Andrejewski, NPD: (Michael Andrejewski, NPD: Da glaubt doch keiner mehr dran.) Man hätte helfen können.)

Die großen, vor allem die wirtschaftlichen Umwälzungen Gerade in Mecklenburg-Vorpommern konnten wir die nach der Wiedervereinigung führten aber mancherorts Auswirkungen spüren. Zahlreiche Kombinate und volks- auch zu Verbitterung und Ablehnung. Es zeigte sich, die eigene Betriebe standen vor dem Aus. Dabei war der Einführung demokratischer Strukturen macht noch nicht Nordosten der Republik sowieso vom Grundsatz her aus jedem Bürger einen Demokraten, immer schon strukturschwächer als andere Bundeslän- der in den neuen Ländern. Militär, Landwirtschaft und (Udo Pastörs, NPD: Ja, das schafft ihr noch.) Werften prägten neben der Tourismusbranche das Bild in unserem Land. Durch den Umbau in der Bundeswehr wie man es nicht zuletzt eindrucksvoll hier im Plenarsaal wurden viele Standorte geschlossen oder verkleinert, rechts außen sehen kann. was in den betroffenen Gemeinden meist zu einer mittel- schweren Katastrophe führte. (Udo Pastörs, NPD: Ja, das schaffen Sie noch. – Zuruf von Michael Andrejewski, NPD) Die Landwirtschaft ist heute super aufgestellt,

Den traurigen Höhepunkt dabei bildeten ohne Zweifel – (Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD) innovativ und ein echter Vorzeigesektor in unserem Land. auch darauf wurde bereits kurz eingegangen – die Aus- schreitungen in Rostock-Lichtenhagen im August 1992. (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 23

Die notwendigen Produktionsveränderungen und -stei- in der Politik, die hin und wieder nicht einfach sind und gerungen gingen jedoch mit zahlreichen Entlassungen die – das gehört auch zur Demokratie – lebhaft diskutiert einher, wie man weiß. Dann war ja auch noch unser werden. Eine der wichtigsten war zweifelsohne die kom- Schiffbau, der uns über viele Jahrzehnte, ja, bis zum heu- plette Erneuerung der Infrastruktur in Mecklenburg-Vor- tigen Zeitpunkt als ein nicht ganz einfacher Sektor beglei- pommern. tet. Die Werftenkrise zog sich durch die 90er-Jahre und hinterließ deutliche Spuren in unserem Land. Viele Werft- (Zuruf von Michael Andrejewski, NPD) arbeiter verloren ihre Arbeit und hatten große Schwierig- keiten, eine Neuanstellung zu finden. Die Rahmenbedin- Ob Schulen, Kitas, Wohnungen, Verwaltungsgebäude, gungen waren wirklich schlecht, die Lage war angespannt Nahverkehr oder Versorgungsnetze – in einem atembe- und die Hoffnung auf schnelle Besserung klein. Tja, und so raubenden Tempo haben wir das Land modernisiert. kam es eben, dass manchem die Identifikation mit Demo- kratie und Marktwirtschaft recht schwerfiel. Besonders deutlich – das wurde hier schon kurz erwähnt – wird es auf unseren Straßen und Autobahnen. Was war es Hinzu kam eine gewaltige Abwanderungswelle zur dama- für eine Qual, den Schlaglöchern auf der Buckelpiste A 24 ligen Zeit. Viele junge Menschen, darunter gerade viele auszuweichen oder einmal quer durch das Land reisen zu junge Frauen, verließen unser Land und suchten ihr müssen! Es waren unhaltbare Zustände. Allen war klar, Glück in anderen Teilen der Bundesrepublik, insbesonde- dass auf dieser Grundlage keine vernünftige wirtschaftli- re in den alten Bundesländern. Wer wollte ihnen das che Entwicklung möglich war. So ist viel Geld in die Hand damals verübeln? Wenn 300.000 gut ausgebildete Men- genommen und viel Unterstützung gegeben worden. Es schen das Land verlassen, machte das den Aufbau Ost war gut und richtig, dass wir eine so hervorragende Infra- nicht unbedingt leichter. Die Voraussetzungen für einen struktur gerade im Straßen- und Verkehrswesen geschaf- Superstart haben zur damaligen Zeit an und für sich fen haben. anders ausgesehen. (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) Dennoch, Mecklenburg-Vorpommern gelang das Come- back. Die Ergebnisse können sich in jedem Fall sehen lassen. Heute regen wir uns bereits über Autobahnbaustellen in (Gelächter bei Udo Pastörs, NPD) der Ferienzeit auf und darüber, dass nach einem stren- gen Winter die Frostschäden nicht schnell genug beho- Das Land hat eine, wie ich meine und auch die Fraktion, ben werden – sicherlich ärgerlich, aber im Vergleich zu sehr, sehr beeindruckende Entwicklung hingelegt. Die den 90er-Jahren sind das Luxusprobleme. Menschen packten an, sie wollten aufsteigen, ein schö- neres Leben leben und die Zukunft ihrer Kinder sichern. Mit dieser modernisierten Infrastruktur konnte sich schließ- Sie wollten ihren Beitrag dazu leisten, dass es in Meck- lich auch die soziale Marktwirtschaft voll entwickeln und lenburg-Vorpommern vorangeht. ihre Stärken entfalten.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD) (Udo Pastörs, NPD: Soziale Marktwirtschaft!) Überall im Land kann man das spüren. Klar gibt es Unzu- friedenheit und Resignation, aber der Optimismus und Es gibt ja nach wie vor wirtschaftliche oder politische Kräf- der Glaube an die eigene Stärke überwiegen. Und es te, die hier andere Vorstellungen haben, aber ich glaube, freut mich sehr, dass es sich zum heutigen Zeitpunkt in da kann man nur sagen, das wird hoffentlich immer ein vielen Fällen auszahlt. Traum bleiben.

Die Lebensleistung, in einer Diktatur aufzuwachsen, zu Meine Damen und Herren, es war richtig, dass wir gesagt leben, Kinder zu kriegen, einem Beruf nachzugehen, nur haben, ja, wir setzen zuallererst auf den ersten Arbeits- um sich dann in einer Demokratie alles neu erarbeiten zu markt und erst im nächsten Schritt flankieren wir ihn mit müssen, kann man nicht hoch genug schätzen. Den dem zweiten Arbeitsmarkt, aber immer ergänzend und Menschen, die das geschafft haben, zolle ich höchsten nicht konkurrierend. Das Ergebnis ist beeindruckend: ein Respekt. Sie haben unsere Anerkennung verdient und robustes Wirtschaftswachstum, die niedrigste Arbeitslo- wir sind ihnen zu Dank verpflichtet, weil sie mit dazu sigkeit seit der Wiedervereinigung, viele neue sozialver- beitragen, dass das Land aufgebaut wird. Ohne sie wäre sicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse und ein der Aufbau unseres Landes in der Form, wie er derzeit sehr gutes Ausbildungsniveau. Was für eine tolle Ent- stattfindet, nicht möglich. wicklung! An der Stelle möchte ich betonen, die Erneue- rung unserer Infrastruktur wäre ohne den Solidarpakt und Erst durch diese Leistung war es möglich, große Teile der die damit verbundene Aufbauhilfe niemals möglich ge- Skeptiker mit dem enormen Wandlungsprozess nach der wesen. Und sie ist auch nach unserer festen Überzeu- Wiedervereinigung zu versöhnen. Heute ist unser Land gung noch nicht abgeschlossen. Trotzdem an der Stelle gefestigt, der Rechtsstaat unumstößlich, die demokrati- einen herzlichen Dank für die Unterstützung, die auch schen Werte sind fest verwurzelt. Daran werden weder dringend notwendig war. Nazischläger auf der Straße noch braune Abgeordnete in unserem Landtag irgendetwas ändern. Das kann ich Ihnen Von großer Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung ganz klar versprechen, meine Damen und Herren. unseres Bundeslandes ist zweifelsohne der Tourismus- bereich. Gewiss strömten schon zu DDR-Zeiten insbe- (Stefan Köster, NPD: „C“ wie Zukunft, Herr Caffier.) sondere die Sachsen an die Ostsee. Aber erst die Wie- dervereinigung gab den entscheidenden Schub. Wir Zu der Erfolgsstory Mecklenburg-Vorpommern gehört investierten viel Geld und es wurde von den Betreffenden natürlich, dass man Entscheidungen treffen muss, auch eine kluge, vorausblickende und klare Strategie verfolgt. 24 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015

Mit guter Infrastruktur und professionellem Marketing ist Wir müssen uns den Gegebenheiten anpassen, und eine Marke geschaffen worden, die in Deutschland im- manchmal heißt das eben, wir müssen die Strukturen an mer wieder dazu führt, dass wir derzeit als Urlaubsland die Gegebenheiten anpassen. Ich weiß aber auch, ohne Nummer eins gelten. die vielen ehrenamtlich engagierten Bürger in unserem Land wäre eine solche Veränderung sowieso nicht mög- Egal, ob die Infrastruktur und die Angebote im Binnenland lich. Überall in den Gemeinden, Städten, in den Feuer- oder an der Ostsee – wir sind ein Land zum Leben. Das ist wehren, beim THW, beim Sport, in sozialen Organisatio- ein großartiger Erfolg, an dem viele Menschen ihren Anteil nen, in vielen anderen Lebensbereichen, in der Kirche haben. Der Erfolg als Tourismusparadies führt auch dazu, leisten sie alle einen wertvollen Beitrag für unsere Ge- dass unser Land viel positiver national und international sellschaft und für unser tägliches Miteinander. Das ist wahrgenommen wird. Die Urlauber, die zu uns kommen, bemerkenswert und das zeigt die Stärke unseres Lan- nehmen viele schöne Eindrücke und Erinnerungen mit des. Dabei dürfen wir aber nicht vergessen, woher wir nach Hause. Mecklenburg-Vorpommern als lebens- und gekommen sind. liebenswerte Idylle – das bleibt hängen. Sicherlich, ehrenamtliches Engagement gab es zu Teilen Mittlerweile ist es aber so, dass die Menschen nicht mehr schon zu DDR-Zeiten, aber vieles war damals auch mehr nur ihre freien Tage hier verbringen wollen, nein, jetzt oder weniger verordnet. Die damit verbundenen staatli- kommen auch Menschen im Rahmen der Zuwanderung chen Strukturen sind mit dem Untergang der DDR alle nach Mecklenburg-Vorpommern, weggebrochen. Es war ein riesiger Kraftakt vieler Frauen und Männer, diese Strukturen in unserem Land Mecklen- (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) burg-Vorpommern neu und vor allem demokratisch auf- zubauen. Da ist Großartiges geleistet worden. Gerade die ihr ganzes Leben hier verbringen wollen, oder aus dieser anstrengende Reorganisationsprozess kann nicht Teilen der alten Bundesrepublik, die sich hier ihren Le- oft genug gewürdigt werden. Das dürfen wir nie verges- bensabend oder auch die Arbeitsperspektive schaffen. sen, weil diese Gesellschaft ohne Ehrenamt nicht funkti- Wir mögen keine starke Industrie oder großen Versiche- onieren kann. rungs- und Handelsunternehmen haben, aber wir haben einen Arbeitsstandort Mecklenburg-Vorpommern und wir Wie wichtig ehrenamtliche Helfer sind, sehen wir nicht sind ein Universitäts- und Hochschulstandort, der immer zuletzt in der aktuellen Flüchtlingskrise. Alle meine Län- attraktiver wird. Das führt dazu, dass wir den massiven derkollegen betonen, wie bedeutend der Einsatz der Bevölkerungsschwund stoppen konnten. Tatsächlich freiwilligen Helfer ist. Das ist keine Pflichtübung, sondern kommen mittlerweile mehr Menschen zu uns, als das sie tun das, weil sie vor Ort sehen, mit wie viel Herzblut Land verlassen. Was für eine gute Entwicklung, die vor und Engagement die Menschen dabei sind. Ohne sie, zehn Jahren in der Form nicht ansatzweise zu prognosti- das gehört auch zur Ehrlichkeit dazu, würden wir diese zieren war! Darauf müssen wir aufbauen und darauf Herausforderung derzeit nicht meistern können. können wir auch aufbauen. (Beifall Vincent Kokert, CDU, Dennoch, meine Damen und Herren, können wir an der und Johann-Georg Jaeger, demografischen Entwicklung nicht vorbeiregieren. Es ist BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) eben ein himmelweiter Unterschied, ob in einem Land wie in unserem 69 Einwohner auf einem Quadratkilome- Deswegen ist es wichtig, dass wir die Menschen motivie- ter wohnen oder in einem Land wie Nordrhein-Westfalen ren, weiter mitzumachen. Um das zu erreichen, müssen über 500 Einwohner auf einem Quadratkilometer woh- wir bei allen notwendigen Veränderungen sicherstellen, nen. Nur weil wir dünner besiedelt sind, haben unsere dass wir die Menschen in unserem Land immer mitneh- Bürger doch nicht automatisch einen geringeren An- men. Je komplizierter und gravierender die Entscheidun- spruch auf öffentliche Leistungen und Infrastrukturen. gen der Regierenden sind, desto mehr müssen wir erklä- Auch Anklamer wollen ins Theater gehen, Malchow ren, desto mehr müssen wir werben und desto mehr möchte eine Bibliothek erhalten oder in Pasewalk besteht müssen wir auch zuhören können. Bedarf für Sporthallen und Sportparks. Natürlich werden wir niemals alle zufriedenstellen. Wi- (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) derspruch und Widerstand wird es in einer lebendigen Demokratie immer geben, aber eben auch mit den ent- Und natürlich erwarten auch die Eltern im ländlichen sprechenden Spielregeln, meine Damen und Herren. Wir Raum von uns, dass wir für ihre Kinder eine qualitativ können und wollen in einem Land, das so sehr auf die hochwertige Bildungsinfrastruktur zur Verfügung stellen. Unterstützung der Ehrenamtlichen angewiesen ist, nicht Die Wahrheit ist aber, das schaffen wir nur, wenn wir an an jenen Ehrenamtlichen vorbeiregieren. Das dürfen wir anderer Stelle schlanker werden. auch nicht!

Auf die Kreisgebietsreform, Herr Holter, und die Justizre- (Udo Pastörs, NPD: Aha!) form Das wird nicht funktionieren. Das sollten alle, die auch in (Udo Pastörs, NPD: Polizeireform!) Zukunft Verantwortung haben, beherzigen. wurde hier schon abgestellt, auch auf die Polizeistruktur- Meine Damen und Herren, die Flüchtlingskrise hat uns reform. Diese waren und sind mit Sicherheit nicht beliebt, aber nicht nur eindrucksvoll die Bedeutung des Ehren- und sie sind auch nichts, womit sie als verantwortlicher amts vor Augen geführt, ich muss gestehen, sie hat mich Politiker einen Sympathiepreis gewinnen können. Aber auch nachdenklich gemacht. Fast überall in der Republik sie waren und sie sind notwendig, daran geht kein Weg sind in den letzten 30/40 Jahren Stellen in der öffentli- vorbei. Das ist meine feste Überzeugung. chen Verwaltung abgebaut worden. In Mecklenburg-Vor- Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 25 pommern machen wir das sinnvollerweise seit 25 Jahren seitig voranbringen – Arm und Reich, Jung und Alt, Deut- auch sehr konsequent. Natürlich war und ist das gerecht- sche und Flüchtlinge. fertigt. Es gab unmittelbar nach der Wiedervereinigung zu viele Staatsbedienstete. Auch der technische Fort- (Gelächter bei Udo Pastörs, NPD) schritt führt zu weiteren Einsparmöglichkeiten. Wir haben uns Vergleichswerte angesehen, Controllinginstrumente Mit dieser Aufbruchstimmung wollen wir die Entwicklung eingeführt, mit verschiedenen Maßnahmen die Produkti- unseres Landes in großen Schritten voranbringen. Wir vität der Mitarbeiter immer weiter erhöht – alles mit dem werden das Land weiter aufbauen. Wir werden weiter in Ziel, eine effektive Verwaltung in Deutschland, in den Infrastruktur und Bildung investieren. Wir werden die Bundesländern, in den Kommunen aufzustellen. Und das Zentren weiter stärker, den ländlichen Raum lebendig ist richtig, denn wir müssen mit dem Geld der Steuerzah- gestalten und wir werden alles daransetzen, dass beide ler schließlich sorgsam umgehen an einem Strang ziehen, denn wir machen das schließ- lich hier alle gemeinsam – egal ob Regierende oder Op- (Udo Pastörs, NPD: Ja, das tun Sie aber nicht.) position – nicht zum Selbstzweck oder sollten es nicht zum Selbstzweck machen. und wollen unseren Kindern keine Altlasten hinterlassen. Das ist uns bisher in beeindruckender Weise gelungen. (Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

(Gelächter bei Udo Pastörs, NPD) Es geht immer um den Menschen, er steht im Mittelpunkt und für ihn sollten wir das Land auch weiterentwickeln. – Zehn Jahre keine neuen Schulden! Das ist schon außer- Dafür alles Gute, viel Erfolg und herzlichen Dank, dass gewöhnlich, erst recht, wenn man sich die Entwicklung in Sie zugehört haben. anderen Bundesländern vor Augen führt. Dieses Ziel dürfen wir in den kommenden Jahren und Jahrzehnten (Beifall vonseiten der Fraktionen auf keinen Fall aus den Augen verlieren. Aber vielleicht der SPD und CDU) mahnt uns auch die aktuelle Situation, in dem einen oder anderen Fall andere Schwerpunkte zu setzen. Denn bei Präsidentin Sylvia Bretschneider: Vielen Dank, Herr allen Berechnungen und Prognosen in Deutschland ha- Innenminister. ben wir alles immer unter der Rubrik von Schönwetterla- gen betrachtet, was benötigen wir in dem und dem Rah- Das Wort hat jetzt der Fraktionsvorsitzende der SPD- men, in dem und dem überschaubaren Zeitraum. Wird Fraktion Herr Dr. Nieszery. die Herausforderung in Gänze größer, müssen wir eine neue Diskussion führen. Ich halte das für wichtig und Dr. Norbert Nieszery, SPD: Frau Präsidentin! Meine sehr auch für richtig, dass diese Diskussion in Deutschland geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir zunächst geführt werden wird. ein paar Worte zu den Ausführungen von Herrn Holter.

Meine Damen und Herren, unser Land hat sich in seinen Herr Holter, ich habe mich in langen Strecken Ihrer Rede ersten 25 Jahren nach der Wiedervereinigung deutlich gefragt, über welches Land Sie hier geredet haben. zum Positiven verändert. Mecklenburg-Vorpommern ist Mecklenburg-Vorpommern kann es nicht gewesen sein. heute ein modernes, ein fortschrittliches Land. Wir alle, Bürger und Politik, tragen Verantwortung dafür, dass das (Beifall vonseiten der Fraktionen so bleibt. Nur wenn die Menschen vor Ort anpacken und der SPD und CDU – die weitere Entwicklung mitgestalten, werden wir die Heinz Müller, SPD: Sehr gut.) Herausforderungen der kommenden Jahrzehnte erfolg- reich meistern. Unsere Aufgabe als Politik wird es sein, Die Stimmung der Menschen im Land hat der Minister- diese Menschen dabei tatkräftig zu unterstützen, zu be- präsident mit seinem zuversichtlichen Ton sehr viel eher gleiten und in dem einen oder anderen Fall auch mehr getroffen als Sie, denn Sie müssen auch mal zur Kennt- zuzuhören nis nehmen, Herr Holter, wir leben hier nicht im Jammer- tal, so, wie Sie es den Menschen im Land immer wieder (Udo Pastörs, NPD: Oh!) vorgaukeln. beziehungsweise auf die Menschen zuzugehen. Ich will, (Zuruf vonseiten der Fraktion der SPD: Richtig.) dass Mecklenburg-Vorpommern weiterhin ein Land des Aufbruchs ist. Es soll ein Land der Chancen und der Meine Damen und Herren, der Ministerpräsident hat sehr Perspektiven werden, ob im Tourismus, im Maschinen- anschaulich die vergangenen 25 Jahre Revue passieren bau, bei der Energiewende, in der Gesundheitswirtschaft, lassen und eigentlich alle wesentlichen Ereignisse und bei der Kooperation im Ostseeraum oder der Zusam- Entwicklungen genannt, die unser Bundesland in diesen menarbeit mit unseren europäischen Partnern. Wir haben Jahren geprägt haben. Als Fazit kann man mit Fug und viele, viele Möglichkeiten, wir müssen sie nur gemeinsam Recht sagen, die Geschichte Mecklenburg-Vorpommerns nutzen wollen! seit der Wende ist eine Erfolgsgeschichte,

Früher bedeutete Aufbruchstimmung, ich mache mich auf (Gelächter bei Udo Pastörs, NPD: Ja.) den Weg gen Westen. Heute heißt Aufbruchstimmung bei uns, dass wir vorangehen, dass wir investieren, dass allerdings keine geradlinige. Viele Klippen mussten um- wir weiterentwickeln, dass wir unser Schicksal selbst in schifft, viele Steine aus dem Weg geräumt werden – der die Hand nehmen, dass die jungen Menschen wieder Ministerpräsident hat darauf hingewiesen –, und diese zurück nach Hause kommen, dass wir schönes Wohnen Aufgabe bleibt auch vor uns. Keiner aber kann bestrei- mit guter Arbeit verbinden, dass wir auch in schwierigen ten, dass Mecklenburg-Vorpommern heute weitaus bes- Situationen zusammenhalten, uns helfen und uns gegen- ser dasteht als vor 25 Jahren. 26 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015

Dass unser Land sich so gut entwickelt hat, meine Da- (Helmut Holter, DIE LINKE: men und Herren, ist vor allem den Menschen zu verdan- Mache ich! Mache ich, Herr Nieszery! – ken, die mit Fleiß, Beharrlichkeit, Bodenständigkeit, Mut Heiterkeit bei Vincent Kokert, CDU: und Solidarität das Land aufgebaut und sich nicht von Na, da muss er ja nicht so viel üben.) Rückschlägen beirren lassen haben. dass unser Land und seine Menschen heute so gut da- (Beifall vonseiten der Fraktionen stehen! der SPD und CDU) Eines aber, meine Damen und Herren, muss bei aller Sicher, meine Damen und Herren, eine solche Bilanz Mitwirkung der Koalitionspartner doch hervorgehoben werden in diesen Tagen alle ostdeutschen Länder zie- werden. Seit 1998 wird die Landesregierung von Sozial- hen. Aber für uns hier in Mecklenburg-Vorpommern hat demokraten geführt, zuerst von Harald Ringstorff, dem ein solches Fazit noch einmal eine ganz andere Bedeu- wir vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht sehr viel zu ver- tung, danken haben, und dann ab 2008 von Erwin Sellering, der es in den letzten Jahren wie kein Zweiter verstanden (Udo Pastörs, NPD: Die hat, den Menschen in Mecklenburg-Vorpommern Mut Reden sind austauschbar.) und Zuversicht und damit Selbstbewusstsein zu geben. galten wir doch jahrhundertelang als besonders rück- (Beifall vonseiten der Fraktion der SPD – ständig, ja, als Armenhaus Deutschlands. Man erinnere Udo Pastörs, NPD: Durch Grienen.) sich nur an die berühmten Redewendungen von Herrn Bismarck. Mit seiner optimistischen Art hat er das Potenzial dieses Landes und seiner Menschen in den Vordergrund ge- Auch nach der Wende waren wir noch lange Zeit in allen rückt und zugleich die Lebensleistung der Menschen in Statistiken immer das Schlusslicht. Wir hatten die höchs- der Vergangenheit als Teil der Identität dieses Landes te Arbeitslosigkeit, die schwächste Wirtschaftsleistung, gewürdigt. die höchste Abwanderungsrate. Entsprechend grau und abgehängt fühlten sich die Menschen im Land. Noch im (Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Jahre 2000 sagten 69 Prozent unserer Bürger, dass sie Ist das schon eine Abschiedslaudatio?) im Vergleich zu anderen ostdeutschen Ländern schlech- ter dastehen. Und heute, 15 Jahre später, sind es nur Dass diese in M-V erworbenen Lebensleistungen und noch 25 Prozent. Das, meine Damen und Herren, ist politischen Erfahrungen auch in der Bundesrepublik zum schon ein sensationeller Wert, Erfolg führen, zeigt der Blick auf die Herkunft der Bun- deskanzlerin, des Bundespräsidenten und einer der be- (Heiterkeit bei Vincent Kokert, CDU: Und liebtesten Bundesministerinnen. die wählen DIE LINKE. Das ist erstaunlich.) (Heiterkeit und Zuruf zeigt er doch, dass in den letzten anderthalb Jahrzehnten von Peter Ritter, DIE LINKE) ein grundlegender Mentalitätswandel stattgefunden hat. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch einen (Gelächter bei Udo Pastörs, NPD: Ja, aber Ausblick auf die nächsten 25 Jahre werfen und dabei die die Fakten haben sich nicht verändert.) aus meiner Sicht derzeit wichtigsten zwei aus den zehn Punkten des Ministerpräsidenten herausgreifen. Das Land und seine Menschen haben nicht nur in Bezug auf die wirtschaftliche Entwicklung aufgeholt, auch das Da ist zum einen der weitere Ausbau der erneuerbaren Selbstbewusstsein und die empfundene Lebensqualität Energien – die wirtschaftspolitische Chance für Mecklen- haben deutlich zugenommen. Die Menschen in Mecklen- burg-Vorpommern mit enormem Arbeitsplatzpotenzial. burg-Vorpommern sind mittlerweile stolz auf ihr Land, sie Ich bin sicher, spätestens 2022, wenn das letzte Atom- fühlen sich wohl und leben gerne hier. Sie empfinden kraftwerk abgeschaltet wird, beginnt das energiepoliti- sich nicht mehr als rückständig in Deutschland, sondern sche Zeitalter des Nordens. als gleichberechtigt und dazugehörig. Mecklenburg- Vorpommern und seine Bürger sitzen schon lange nicht (Zurufe von Michael Andrejewski, NPD, mehr am Katzentisch der Bundesrepublik. und Udo Pastörs, NPD)

Ich bin davon überzeugt, dass dazu auch die Landespoli- Dann wird vor allem Windstrom aus dem Norden die tik in den vergangenen 15 Jahren einen wichtigen Beitrag Industriezentren im Süden und Westen beliefern. Dann geleistet hat, und das gilt für alle Parteien, die in diesen wird Mecklenburg-Vorpommern richtig attraktiv für Neu- Jahren Verantwortung getragen haben. Das sage ich ansiedlungen und Unternehmen. Dafür, meine Damen ausdrücklich auch mit Blick auf DIE LINKE, die ja heute und Herren, lohnt es sich zu kämpfen und auch manchen wieder ein kleines Klagelied abgezogen hat. Streit auszufechten. Wir werden selbstverständlich ver- suchen, die Belastungen für die Menschen so gering wie Herr Holter, seien Sie doch ruhig ein wenig selbstbe- möglich zu halten und Vergünstigungen verbindlich fest- wusster und blicken Sie mit Stolz auf Ihre Zeit der Regie- zuschreiben, aber am Ziel, zum Vorreiter der Energie- rungsbeteiligung, wende zu werden, werden wir nicht rütteln! Wir, meine Damen und Herren, segeln vor dem Wind und nicht wie (Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD: noch zu Bismarcks Zeiten 50 Jahre hinterher! Um Gottes willen!) Das zweite wichtige Thema der nächsten Jahre ist die in der Sie einen Beitrag dazu leisten konnten, Unterbringung und Integration der Flüchtlinge. Wir wis- Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 27 sen heute, 25 Jahre nach der Wende, dass wir ein star- Die Mecklenburger und Vorpommern sind 25 Jahre nach kes und ein selbstbewusstes Land sind, und dieses Land dem Fall der Mauer selbstbewusst genug, zu wissen, dass wird es schaffen, die Flüchtlinge, die eine Zeit lang oder sie davor keine Angst zu haben brauchen, Herr Pastörs! auch für immer bei uns bleiben, anständig zu behandeln und in unser Gemeinwesen zu integrieren. (Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Michael Andrejewski, NPD: Honecker dachte auch, er schafft das.) Die weit überwiegende Zahl der Menschen in unserem Land ist auch immun gegen den Hass, der von NPD, Die Aufgabe ist nicht ganz einfach, das gebe ich auch Pegida und AfD verbreitet wird, unumwunden zu. Sie ist aber zu bewältigen, (Michael Andrejewski, NPD: (Udo Pastörs, NPD: Das schaffen Oh, jetzt sind die auch schon dran!) wir! Das schaffen wir schon!) denn inzwischen hat auch der letzte Vernünftige kapiert, wenn wir sie mutig, beherzt und entschlossen angehen. wer hinter Pegida und seinem Ableger MVgida tatsächlich steht. Hier, meine Damen und Herren, demonstrieren eben Ich sage ganz klar, meine Damen und Herren, verfolgten keine besorgten Bürger, sondern eiskalte Rechtsextremis- und Not leidenden Menschen Asyl zu gewähren, ist ein ten. Hier werden nicht berechtigte Fragen, ernsthafte Sor- Gebot der Menschlichkeit, das keine Kompromisse duldet! gen formuliert, sondern es wird gegen Flüchtlinge gehetzt und unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung miss- (Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, achtet. Das Muster ist immer dasselbe: Erst wird diffamiert DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und ausgegrenzt, dann folgt blanke Gewalt.

Wir müssen nur aufpassen, dass unsere europäischen Die TAZ hat am Montag mit Blick auf das furchtbare Werte der Humanität, Freiheit und Asylgewährung nicht Attentat in Köln eine sehr gute Darstellung gebracht. zunehmend in den Hintergrund gedrängt werden. (Udo Pastörs, NPD: Das ist (Michael Andrejewski, NPD: Die auch ein sehr seriöses Blatt.) können auch missbraucht werden.) Sie schrieb: „Einer hat zugestochen. Das Messer geführt Die absurde Forderung nach neuen Grenzzäunen, die haben viele.“ die Zuwanderung begrenzen sollen, ist ein besonders abschreckendes Beispiel, denn am Ende, meine Damen In Mecklenburg-Vorpommern, meine Damen und Herren, und Herren, am Ende dieser Forderung und auch das gehört zum 25-jährigen Jubiläum, sitzen die Verantwortlichen für solche politisch motivierten Ge- (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) walttaten im Landtag! stehen die gewaltsame Verteidigung dieser Zäune und (Heinz Müller, SPD: So ist es. – damit in letzter Konsequenz, Herr Pastörs, verletzte und Stefan Köster, NPD: In der Regierung. tote Frauen, Männer und Kinder. Das, meine Damen und Die Regierungsparteien sind Herren, die Verantwortlichen.)

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD) Wir alle wissen, die NPD ist der geistige und rhetorische Brandstifter für die Anschläge auf Personen und Flücht- ist nicht das aufgeklärte Europa des 21. Jahrhunderts, lingsheime und hier im Land laufen Abgeordnete der und es ist nicht das Europa, in dem ich leben möchte! NPD in der ersten Reihe bei MVgida mit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, (Udo Pastörs, NPD: Zu Recht!) DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michael Andrejewski, NPD: Das Wer, wie die AfD, sich davon nicht klar abgrenzt, ist Dummdeutschland.) (Michael Andrejewski, NPD: Ja, sicher.) Also, meine Damen und Herren, sind wir weiter mutig und gehen voran, bündeln wir unsere Kräfte und organi- zündelt bewusst mit sieren wir den Zuzug von Kriegsflüchtlingen, (Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, (Gelächter bei Udo Pastörs, NPD) DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) sorgen wir durch eine intensive und nachhaltige Außenpoli- und macht sich damit gemein mit den neuen Nazis und tik dafür, dass die Konflikte entschärft und beigelegt werden, ihren menschenverachtenden Ideologien. die die eigentliche Ursache des Flüchtlingszustroms sind! (Zuruf von Michael Andrejewski, NPD) Sicherlich wird sich unsere Gesellschaft mit den Flücht- lingen verändern. Aber was soll daran schlecht sein, Meine sehr verehrten Damen und Herren, Mecklenburg- wenn wir bunter, vielfältiger und jünger werden? Vorpommern hat vor 25 Jahren die einmalige Chance erhalten, eine am Boden liegende Wirtschaft neu aufzu- (Udo Pastörs, NPD: Schauen bauen und wieder eine Zukunftsperspektive zu entwi- Sie mal nach Kreuzberg!) ckeln. Mecklenburg-Vorpommern hat vor 25 Jahren die 28 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 einmalige Chance erhalten, demokratische Strukturen zu Wenn man darüber nachdenkt – jetzt, lange Zeit zurück- etablieren und weiterzuentwickeln. liegend, es ist über 26 Jahre her –, dann spielen auch die vielen Gespräche eine Rolle, die es gegeben hat zwi- (Stefan Köster, NPD: schen Kirche und Staat. Die Mitglieder der Kirche, die Die Bundestagsparteien haben diese Gespräche geführt haben, sind später auch schwer diese Chance nicht genutzt.) dafür kritisiert worden, weil man das als eine unzulässige Annäherung angesehen hat. Aber diese Gespräche ha- Diese Chancen haben die Menschen in hervorragender ben immer wieder auch dafür gesorgt, neben kritischen Weise genutzt. Lassen Sie uns die vor uns liegenden Seiten, dass es ein Verständnis füreinander gab. Und neuen, zweifellos schwierigen Herausforderungen eben- wenn man über Verständnis redet und über die Fragen, so beherzt anpacken! – In diesem Sinne danke ich Ihnen wie man sich angesichts totaler Unterschiede bei allen für Ihre Aufmerksamkeit. wichtigen politischen Fragen – welche Berechtigung hat die Mauer, wie steht man zur Demokratie, zu Gerichten, (Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, zur Frage des Unrechtstaates und so weiter – verständi- DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) gen konnte, wenn es trotzdem eine Klammer gegeben hat – das finde ich interessant und wichtig –, dann ist es Präsidentin Sylvia Bretschneider: Vielen Dank, Herr das Thema Antifaschismus gewesen. Das war die Klam- Dr. Nieszery. mer zwischen Kirche, Bürgerbewegung und dem Staat, den wir heute klar als Unrechtsstaat bezeichnen. Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Jaeger für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Übrigens, das will ich deutlich hinzufügen, Unrechtsstaat bedeutet nicht, dass die Menschen, die in diesem Staat Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Verantwortung übernommen haben, Unrecht begangen Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und haben. Herren! Das Ziel der friedlichen Revolution war nicht die deutsche Einheit, aber es war letztendlich ihr glücklicher (Michael Andrejewski, NPD: Nein.) Ausgang. Die haben zum Teil wichtige Dienste an dieser Gesell- Wir haben vorgehabt, eine Aussprache zu beantragen, schaft geleistet, die wir zugunsten der großen Aussprache zurückgezo- gen haben. Der Titel hätte geheißen „Die deutsche Ein- (Udo Pastörs, NPD: Jaja, an der Grenze.) heit – Glücksfall, Aufgabe und Prozess“, und das ist für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN keine Selbstverständlichkeit, und das wollen wir ausdrücklich anerkennen. weil wir haben eine Geschichte in Richtung deutsche Einheit, und darüber will ich erzählen. (Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

(Zuruf von Vincent Kokert, CDU) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gab es 1990, am Anfang jedenfalls noch nicht. Wir sind als Bündnis 90 in die Die friedliche Revolution 1989 ist auch von Menschen Volkskammerwahl am 18. März gegangen. von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN angestoßen worden. Wir waren mit auf der Straße, wie viele von Ihnen, die auch (Udo Pastörs, NPD: Was? Bündnis 90?) heute hier mit im Parlament sitzen. Das Ergebnis war ernüchternd: 2,6 Prozent. (Udo Pastörs, NPD: Ich auch.) (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) Weiß ich nicht. Wir waren vom Tisch gewischt, weil – und das war das (Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD: zentrale Thema – wir zum Thema deutsche Einheit letzt- Ja, aber ich weiß das.) endlich keine wirkliche Beziehung hatten.

Sehr schön. (Udo Pastörs, NPD: Das haben wir heute noch nicht.) (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Wo waren Sie denn da? – Das hat lange gedauert bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE: bis das gekommen ist. Im Busch, oder wie?) Diese Wahl am 18. März hat eine kleine Entspre- Für mich ist es nach wie vor ein großer Glückfall, dass chung gefunden in einer anderen Wahl, und zwar am die friedliche Revolution am Ende friedlich geblieben ist, 18. März 2012. Nämlich der Kandidat, der aus den und es gibt tatsächlich viele Menschen, die einen Beitrag Nordbezirken für Bündnis 90 in die Volkskammer ein- dazu geliefert haben. Es sind die Kirchen, die in den zog – das war nur ein Einziger –, war Joachim Gauck, Andachten immer wieder auf die Gewaltlosigkeit hinge- wiesen haben. Es sind auch besonnene Menschen bei (Gelächter bei Udo Pastörs, NPD) den Staats- und Sicherheitsorganen gewesen, die mit dafür gesorgt haben, heißblütige Kollegen zurückzuhal- und an diesem 18. März 2012 wurde er zum Bundes- ten. Es ist unterm Strich ein großer Glücksfall. Es hat präsidenten gewählt – für uns ein Zeichen von „ange- viele Situationen gegeben, wo es hätte eskalieren kön- kommen“. nen. Ich habe selber solche Situationen in Rostock vor der Staatssicherheit erlebt. (Zuruf von Michael Andrejewski, NPD) Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 29

Ich möchte an einen anderen Menschen erinnern, an Mir ist das wichtig. Irmgard Rother. Ich habe das hier schon einmal getan, da ging es um eine Aussprache zum Thema „Volksauf- (Beifall vonseiten der Fraktion der CDU – stand 1953“. Irmgard Rother hat damals mitgemacht bei Zuruf von Udo Pastörs, NPD) den Demonstrationen in Rostock und konnte sich daran erinnern. Sie hat das Neue Forum mit aufgebaut und das Aber 1990, die Vereinigung, war ein wichtiges Datum. ist unsere Verbindung zu dem Thema „Verfassung vor Die Schwierigkeit ist 1992 deutlich geworden in Rostock- 25 Jahren für dieses Land“. Sie hat nämlich an dieser Lichtenhagen an der ZAst. Dort hat die Zivilgesellschaft Verfassung mitgeschrieben. Und das Thema 1953 – Irm- insgesamt versagt. Ich will jetzt nicht lange darüber de- gard Rother hatte das große Glück, dass sie die Wende battieren, was da alles im Hintergrund gelaufen ist. Es miterlebt hat und dass sie dieses neue Land mitgestalten waren Kompetenzstreitigkeiten zwischen Land und Stadt, konnte. Viele Menschen, die sich in dieser Zeit, ab 1953 und jeder hatte gute Gründe, das Problem hin- und her- und davor, für Demokratie und Freiheit engagiert hatten, zuschieben. Und auch auf Bundesebene hat man wahr- hatten dieses Glück nicht. Sie sind Opfer eines Unrechts- scheinlich das Gefühl gehabt, die Diskussion, die staates geworden und haben oft vergeblich auf Anerken- Schwierigkeit der Diskussion vor Ort trägt dazu bei, bun- nung für diese Leistungen, die sie gebracht haben, gewar- despolitisch Änderungen, zum Beispiel beim Asylrecht, tet. Sie haben sogar einen Dienst an uns geleistet, nämlich hinzubekommen. einen schwierigen Dienst. Angesichts des Wunsches nach Versöhnung mussten ihre Wut und ihr Gefühl, dass das (Udo Pastörs, NPD: Das Problem waren die irgendwie gerechtfertigt werden muss, was sie erlitten kriminellen Handlungen der Fremden vor Ort.) haben, zurückstehen. Deswegen sind wir diesen Men- schen ausdrücklich dankbar. Was vor Ort in Rostock passiert ist, ist für alle, die es erlebt haben, eine totale Katastrophe für die Demokratie (Beifall vonseiten der Fraktionen der CDU gewesen. Ich bin den Menschen dankbar, die damals in und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Rostock dagegen auf die Straße gegangen sind, am Donnerstag, aber auch bei der großen Demonstration Ich möchte auch den Menschen danken, die aus dem bundesweit am Samstag nach den Ausschreitungen in Westen und anderen Ländern in den Osten gekommen Lichtenhagen. Ich bin auch den Polizeibeamten dankbar, sind. Das war nicht einfach, hier Fuß zu fassen, die letztendlich ihre Gesundheit und ihr Leben eingesetzt und sich durchaus in der ersten Reihe mit hingestellt und (Vincent Kokert, CDU: Nicht gesagt haben, wir wollen versuchen, dieses Haus zu für jeden, aber für die meisten.) schützen. sich hier zu engagieren für unsere Gesellschaft. Wenn ich – und da haben wir heute viel gehört – über die vielen rede, die aus unterschiedlichen Gründen Verlierer Bitte? der deutschen Einheit sind, die mit uns in diesem Land leben, dann können wir diese nicht alle rechtfertigen und (Vincent Kokert, CDU: Nicht müssen uns darum bemühen, dass diese Menschen für jeden, aber für die meisten.) mitgenommen werden. Ich glaube, dass das zentrale Thema ist, dass Menschen das Signal brauchen, ge- Ja, ich denke an Menschen, die es auch aufgegeben ha- braucht zu werden, dass ihr Leben, das sie für eine Ge- ben. Ich kenne konkret eine Familie in Bützow, die irgend- sellschaft mit einsetzen können, wirklich angenommen wann gesagt hat, wir halten die Angriffe nicht mehr aus, wird. Es reicht nicht, ihnen genügend Hartz IV zu zahlen, wir gehen zurück. Deswegen bin ich dankbar für die, die sondern wir brauchen das Signal und Möglichkeiten für durchgehalten haben und dieses Land mit uns gestaltet diese Menschen, sich am Aufbau dieser Gesellschaft zu haben. beteiligen.

Und wenn ich über Menschen aus dem Westen rede, (Beifall Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – dann möchte ich ausdrücklich an zwei Personen erin- Udo Pastörs, NPD: Ist aber ein bisschen nern: Das ist einmal Willy Brandt mit dem Thema „Wan- spät dafür.) del durch Annäherung“, der dafür viel Kritik im Westen erhalten hat, aber auch an Helmut Kohl, Wenn ich gefragt werde, warum ich die deutsche Einheit für einen Glücksfall halte, dann möchte ich zum Ab- (Heiterkeit bei Vincent Kokert, CDU: schluss drei Punkte nennen. Ich habe ja genannt, was Das ist schon besser.) ich durchaus an kritischen Sachen sehe und dass die Menschen das Gefühl brauchen, wirklich angekommen dem ich ehrlich dankbar bin für die Tatsache, dass er da- zu sein und gebraucht zu werden. mals das Thema „deutsche Einheit“ wirklich angenommen und es vorangetrieben hat. Es sind solche Einzelpersonen, Der erste Punkt ist für mich: Gucken Sie sich die Situati- on der Heimkinder, der Behinderten, der Menschen in (Heiterkeit bei Vincent Kokert, CDU: Heinz Müller Pflegeheimen und der Kranken in der DDR und jetzt darf man hier auch nicht vergessen.) nach der deutschen Einheit an! Sie werden einen Rie- senunterschied erkennen können. Das stellt nicht die ohne die dieses Thema untergegangen wäre im Streit Leistungen der Menschen infrage, die sich zu DDR- über die Fragen, wie kann man das gestalten, ist es Zeiten für Behinderte, Kranke und Alte eingesetzt haben. wirklich notwendig und so weiter. Die haben ihr Möglichstes getan, aber die Gesellschaft konnte nicht mehr leisten für diese Menschen und wollte (Zuruf von Silke Gajek, es zum Teil auch nicht, weil sie andere Schwerpunkte BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) gesetzt hat. 30 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015

Der zweite für mich wichtige Punkt – oft vergessen, das (Beifall vonseiten der Fraktion der CDU und ist übrigens auch eine Leistung der Volkskammer, der Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ersten frei gewählten Volkskammer – ist, dass wir jüdi- sche Gemeinden in Rostock und Schwerin haben. Das Wir wollen nicht vergessen, es ging um eine Diktatur, die ist für mich ein großer Glücksfall. über den größten geheimpolizeilichen und geheimdienst- lichen Apparat der Weltgeschichte verfügte. Er wirkt auch (Zuruf von Michael Andrejewski, NPD) heute, 25 Jahre danach, noch bei vielen Menschen nach.

Der dritte Punkt ist das Thema Flüchtlinge. Es ist für uns (Udo Pastörs, NPD: Jaja.) auch ein Zeichen, dass Menschen aus der ganzen Welt sagen: Dieses Land ist Hoffnung, dieses Land gibt uns Für das Ende der DDR, meine sehr geehrten Damen und Schutz und Sicherheit, und wir wollen mithelfen, dieses Herren, gab es viele Gründe. Der greifbarste war wohl, Land zu gestalten. dass der materielle Wohlstand in der DDR nicht so war, wie es das Politbüro immer wieder beschrieben hat und (Udo Pastörs, NPD: Das Land gibt uns Geld. – wie es die Tagespresse immer wieder eindrücklich be- Zuruf von Michael Andrejewski, NPD) richtete, und das, obwohl von der DDR und insbesondere von der Führung bis zum Schluss behauptet wurde, die Und das ist für uns die Aufgabe, nicht nur Schutz und DDR wäre ein wirtschaftlich erfolgreiches und industriell Unterstützung zu geben, sondern den Flüchtlingen auch hoch stehendes Land. Wer damals mit offenen Augen genau die Möglichkeit einzuräumen, durch die DDR fuhr, diejenigen, die das noch live erlebt haben, werden sich an die Bilder erinnern. Man hat sie ja (Udo Pastörs, NPD: Jaja.) schon fast vergessen. in diesem Land gebraucht zu werden und ihren Beitrag (Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Grau, grau, grau.) für unsere Gesellschaft leisten zu können. Ich finde es sehr beeindruckend, es gibt jetzt viele Bild- (Udo Pastörs, NPD: Grau sind alle Theorien. – bände „25 Jahre Mecklenburg-Vorpommern“ in ganz Zuruf von Michael Andrejewski, NPD) vielen Städten – wenn Sie sich die Bilder von damals und von heute mal ansehen und nebeneinanderlegen, dann Ich danke Ihnen. will ich mich nicht dazu hinreißen lassen zu wiederholen, dass wir heute blühende Landschaften haben, aber zum (Beifall vonseiten der Fraktionen Teil wiederhole ich das, was ich schon einmal gesagt DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) habe: Mecklenburg-Vorpommern und unsere Heimat waren wahrscheinlich in ihrer Geschichte noch nie so Präsidentin Sylvia Bretschneider: Vielen Dank, Herr schön wie jetzt. Jaeger. (Beifall vonseiten der Fraktion der CDU – Das Wort hat jetzt der Fraktionsvorsitzende der Fraktion Udo Pastörs, NPD: Was man der CDU Herr Kokert. so unter „schön“ versteht.)

Vincent Kokert, CDU: Frau Präsidentin! Meine sehr geehr- Umso schmerzlicher ist es manchmal für mich, dass ten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! manch einer so tut, als wenn die DDR im Kern ein ge- sundes Land gewesen sei, das nach der Wiedervereini- (Vizepräsidentin Beate Schlupp gung von westdeutschen Glücksrittern quasi ausgeplün- übernimmt den Vorsitz.) dert wurde

Ich glaube, vor 25 Jahren wurde in der DDR die glück- (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) lichste Zeit eingeläutet, die wir erleben konnten. Deutsch- land hatte eine friedliche Revolution, friedlich – deshalb und es damit einen wirtschaftlichen Niedergang gab und so betont, weil es das einzige Mal war, dass wir eine damit die steigende Arbeitslosigkeit. friedliche Revolution mit solchen Auswirkungen geschafft haben, Herr Kollege Holter, ich habe Ihrer Rede natürlich sehr genau zugehört. Dankenswerterweise haben Sie sie ja (Beifall Wolf-Dieter Ringguth, CDU) mittlerweile dann auch schriftlich an alle verschickt, dass ich das noch mal nachlesen konnte. eine friedliche Revolution, die am Ende dazu führte, dass Deutschland in Frieden, Freiheit und Selbstbestimmung (Helmut Holter, DIE LINKE: Gerne.) wiedervereinigt wurde. Es klang bei Ihrer Rede so ein bisschen heraus, dass der (Udo Pastörs, NPD: Wo Westen zum Teil die DDR so gesehen hat, als wenn man ist die Selbstbestimmung? – aus niederen Motiven Industrie abwickeln konnte und Zuruf von Michael Andrejewski, NPD) damit den gesamten Osten zu einer Brache gemacht hat. Und ich will Ihnen ganz deutlich sagen, jedenfalls für Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch wenn es Mecklenburg-Vorpommern, für unser Bundesland und Politiker wie Gorbatschow, Bush oder Helmut Kohl und auch für die anderen Bundesländer gilt das ganz aus- Willy Brandt gewesen sind, so waren es doch die einfa- drücklich nicht. Ich finde es auch nicht in Ordnung, wenn chen Menschen in der ehemaligen DDR, die die Mauer Sie zwar sagen, ja, Mecklenburg-Vorpommern hat sich zu Fall gebracht haben – welch Glücksfall für unsere hervorragend entwickelt, den Leuten dann trotzdem in jüngere Geschichte! diesem Punkt immer wieder Sand in die Augen streuen. Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 31

Stehen Sie doch auch zu Ihren eigenen Erfolgen und tun war aus meiner Sicht der Bau der Berliner Mauer, die Sie nicht so, als wenn es in den letzten 25 Jahren gerade sich dann irgendwann durch die ganze DDR erstreckte. wirtschaftspolitisch hier nur Fehlentwicklungen gegeben Fast 25 Jahre nach Kriegsende wurde der Kalte Krieg hat! überwunden, in Europa wurde die Nachkriegsordnung verändert. Heute gibt es nur noch wenig Relikte aus dem (Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE) Kalten Krieg. Nordkorea ist so ein Beispiel,

Und, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin (Peter Ritter, DIE LINKE: auch sehr dafür, nicht zur Legendenbildung zu neigen. Es gibt wieder Krieg in Europa.) Legendenbildung heißt für mich, dass ich davon überzeugt bin, dass viele Menschen in der DDR zwar angepasst selbst in Kuba bröckelt mittlerweile dieses Regime. gelebt haben, intern trotzdem inneren Widerstand gefühlt haben und trotzdem ihren Mann beziehungsweise ihre (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) Frau gestanden haben. Natürlich gab es in der DDR Fami- lien, es gab Liebe, es sind Geburtstage gefeiert worden Aber auch die Ordnung im Nahen und Mittleren Osten ist geprägt vom Kalten Krieg – Gaddafi kam 1969 an die (Michael Andrejewski, NPD: Echt?) Macht, Mubarak 1981, Assads Vater 1970 und Saddam Hussein 1979. und viele haben sich dort auch zu Hause gefühlt. (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) (Michael Andrejewski, NPD: Das sind Neuigkeiten!) Das Staats- und Machtgefüge im Nahen Osten ist ein Kind des Kalten Krieges. Es war nur eine Frage der Zeit, Nichtsdestotrotz war die DDR als Staatssystem im Kern bis diese Ordnung Risse bekommen würde. Schon aus ein Unrechtsstaat, und daran, meine Damen und Herren, diesem Grund hätte es alle – und da zähle ich Deutsch- sollte man auch 25 Jahre nach der Wiedervereinigung land ausdrücklich mit dazu – westlichen Industrienatio- nicht rütteln. nen schon viel eher interessieren müssen, was mit den Staaten insbesondere im Nahen Osten nach dem Kalten (Beifall vonseiten der Fraktionen der CDU Krieg eigentlich passieren soll. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Peter Ritter, DIE LINKE: Da hat er recht. – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kollegin- Zuruf von Helmut Holter, DIE LINKE) nen und Kollegen! Wir haben viele glückliche Stunden erlebt in den letzten 25 Jahren und ich glaube, wir wer- Unsere Meinung war aber, und auch die deutsche, die den auch in der Zukunft noch viele glückliche Stunden Staaten sind weit genug von uns weg erleben. Aber wir haben auch heute schon mehrfach gehört, wir stehen vor unglaublichen Herausforderungen. (Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Ja, schön weit weg.)

Und ich will Ihnen gleich vorwegsagen, das habe ich jetzt und so lange sie uns sicherheitspolitisch nicht bedrohen, in der Tagespresse gelesen, was der Ministerpräsident kümmern wir uns im Prinzip darum überhaupt nicht. Volker Bouffier hier gesagt hat, die Flüchtlingskrise ist die größte Herausforderung, vor der Deutschland je stand, (Zuruf von Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE) größer als die Wiedervereinigung. Es gab nur ganz wenige Kritiker, die schon vor Jahrzehn- (Michael Andrejewski, NPD: ten gemahnt haben, insbesondere auch Funktionsträger Die größte Dummheit.) aus dem UNHCR, wenn wir das dort so weiterlaufen lassen, werden wir auf eine Katastrophe zusteuern. Heu- Da muss ich dem Kollegen in Hessen sagen, ich glaube, te sehen wir an den Flüchtlingszahlen, die ich nach wie zu dieser Auffassung kann eigentlich nur ein Westdeut- vor auch für einen Ausfluss des Kalten Krieges halte und scher kommen, weil für die Bürgerinnen und Bürger der quasi für ein Zusammenbrechen im Nahen Osten, im DDR gab es quasi eine Metamorphose, und zwar in allen Prinzip kann man heute rückwirkend sagen, dass in die- gesellschaftlichen Bereichen ser Frage sowohl die deutsche Außenpolitik als auch die europäische Außenpolitik gescheitert sind. Und den Aus- (Helmut Holter, DIE LINKE: fluss spüren wir jetzt sehr deutlich auch in Mecklenburg- Da haben Sie recht.) Vorpommern, meine sehr geehrten Damen und Herren. und so würde ich mir jedenfalls die friedliche Revolution (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Sehr richtig. – nicht kleinreden lassen. Zuruf von Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, Wenn wir heute darüber sprechen, was für eine atembe- DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) raubende Entwicklung unser Land durchgemacht hat, dann müssen wir auch darüber sprechen, dass viele Ich halte das Problem für groß, aber wir sollten es auch Leute sich 1990 und 1989 sogar schon auf den Weg damit nicht überhöhen, meine sehr geehrten Damen und gemacht haben. Herren. (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja.) Trotzdem will ich zugestehen, es gibt gewisse Parallelen, denn die deutsche Teilung war ein Ergebnis des Zweiten Und, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Weltkrieges und das schwerste und sichtbarste Zeichen LINKEN, ich unterstelle Ihren Kollegen, die ja auch vor 32 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 vielen Herausforderungen standen, dass sie sich eben- auf ein Menschenleben beziehen, können Sie sagen, wir falls 1990 um dieses Land verdient machen wollten, sind jetzt seit sieben Jahren volljährig, man befindet sich kommen aber natürlich in der Bewertung der Regie- also gerade in der Lebenszeit, wo man überlegt, welchem rungszeit zu anderen Auffassungen als wir, Herr Kollege Beruf man nachgehen möchte, wie man seine Familie Holter, oder auch der Ministerpräsident. Ich habe Ihnen ernähren möchte. Und ich glaube, es ist jetzt auch an der ja schon mehrfach gesagt, ich kann das auch nicht ein- Zeit, darüber nachzudenken, wie sehen denn die nächsten drücklicher belegen als mit den nackten Zahlen. Es war 25 Jahre in Mecklenburg-Vorpommern aus. eben nicht die Zeit unter Rot-Rot, die zu finanzpolitischen Tugenden wieder zurückgefunden hat, (Beifall Helmut Holter, DIE LINKE: Sehr gut. – Zuruf von Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE) (Heiterkeit bei Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE – Helmut Holter, DIE LINKE: Ach, ach, Herr Kokert!) Ich rufe alle im Landtag, außer der NPD, vertretenen Parteien auf: Lassen Sie uns doch in der Zukunft darüber sondern ganz im Gegenteil, es war eine gestiegene Neu- nachdenken, welche Schwerpunkte wir setzen wollen! verschuldung, Herr Holter, in Höhe von 2,2 Milliarden. (Helmut Holter, DIE LINKE: Na, nicht nur nach- (Helmut Holter, DIE LINKE: Wir haben die denken, Verabredungen müssen wir treffen.) höchste Arbeitslosigkeit. – Peter Ritter, DIE LINKE: Hat der Ministerpräsident die Unwahrheit Wir werden nämlich finanzpolitisch auf Dauer nicht viel gesagt in seiner Regierungserklärung?) bessere Zeiten erleben, als wir sie jetzt haben, und des- wegen lassen Sie uns die Debatte dazu nutzen, um die Und es bleibt dabei, Regierungszeit von Rot-Schwarz nächsten 25 Jahre in Mecklenburg-Vorpommern genau- oder Schwarz-Rot, wie Sie es auch immer drehen wollen, so erfolgreich zu gestalten wie die letzten 25 Jahre! Dazu lade ich ausdrücklich auch die parlamentarische Opposi- (Peter Ritter, DIE LINKE: Hat der tion ein, daran mitzutun. Ministerpräsident die Unwahrheit gesagt in seiner Regierungserklärung?) (Peter Ritter, DIE LINKE: Zurück in die Zukunft!) heißt pro Jahr 100 Millionen Abbau von alten Schulden, Ich bedanke mich bei Ihnen recht herzlich für Ihre Auf- Herr Kollege Ritter. Wenn Sie an diesen Zahlen was merksamkeit. rumzumäkeln haben, kommen Sie doch nach vorn, kommen Sie doch nach vorn und begründen es anders! (Beifall vonseiten Das sind aber die nackten Fakten. der Fraktionen der SPD und CDU und Helmut Holter, DIE LINKE) (Peter Ritter, DIE LINKE: Hat der Ministerpräsident die Unwahrheit gesagt?) Vizepräsidentin Beate Schlupp: Das Wort hat jetzt für die Fraktion der NPD der Fraktionsvorsitzende Herr Pastörs. Und es ging sogar so weit, Herr Kollege Ritter, dass Ihr Haushalt, den Sie vorgelegt haben 2004 und 2005, vom Udo Pastörs, NPD: Frau Präsidentin! Meine sehr verehr- Landesverfassungsgericht teilweise für verfassungswid- ten Damen und Herren! Sonntagsreden halten, das kön- rig erklärt wurde. Also erzählen Sie doch hier nicht immer nen Sie gut, Herr Sellering. das Märchen, Sie haben haushaltspolitisch gute Arbeit geleistet! (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Und Sie Hassreden.) (Peter Ritter, DIE LINKE: Dann hat der Ministerpräsident Märchen erzählt.) Sonntagsreden halten, das können Sie fast so gut wie der Bundespräsident Herr Gauck, Ich finde das ein Stück weit unredlich. Bekennen Sie sich doch dazu, dann haben wir alle miteinander bei dem (Michael Andrejewski, NPD: Thema weniger Streit! Sogar am Mittwoch.)

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU – stets bemüht, dem deutschen Volke und damit auch den Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE: Das ist Menschen hier in Mecklenburg-Vorpommern in raffinier- ein Koalitionspartner, unterstellt dem MP Lügen!) ter Weise eine heile Welt vorzugaukeln. Sie erwähnten in Ihren Ausführungen, dass es 1989 die Demonstranten in Und was mir, der DDR waren, die dafür gesorgt hätten, dass die Mauer gefallen ist. Das ist so. Sie erwähnten aber auch in Ihren (Zuruf von Helmut Holter, DIE LINKE) Ausführungen, dass sich in erster Linie einige – und dann nannten Sie einige Namen – darum verdient gemacht was mir, hätten. Frau Bretschneider, Sie erwähnten den Herrn Caffier und Sie erwähnten dann auch noch den einen (Peter Ritter, DIE LINKE: Mann, Mann, Mann!) oder anderen aus der Zeit nach der Wende. was mir bei aller Diskussion, meine sehr geehrten Damen Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich behaupte, und Herren, auch bei aller Freude über 25 Jahre Wieder- dass in erster Linie Ihre Aufgabe zu diesem Punkt es hier vereinigung und unser Land Mecklenburg-Vorpommern in an dieser Stelle gewesen wäre, die Namen zu nennen von der aktuellen Debatte ein bisschen zu kurz kommt, Herr den Leuten, die vorher durch das Regime, wenn sie Wi- Kollege Holter, da sind wir wieder beieinander: Wir sind derstand geleistet hatten im ganz normalen Volk, ermordet jetzt 25 Jahre Mecklenburg-Vorpommern, wenn Sie das wurden, an der Mauer erschossen und auch noch bis weit Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 33 in die 60er-Jahre hinein mit der Guillotine geköpft wurden. und das können Sie als Ministerpräsident auch mit Ihren Das sind Fakten, die blenden Sie vollkommen aus. weichen Sprüchen nicht wegdiskutieren.

(Beifall Stefan Köster, NPD – (Beifall vonseiten der Fraktion der NPD – Michael Andrejewski, NPD: Ja.) Dr. Norbert Nieszery, SPD: Oh, oh, oh!)

Der nächste Punkt ist, meine sehr verehrten Damen und Und dann schauen wir uns doch mal an, was der Herr Herren, Ministerpräsident denn sonst noch alles vergessen hat. Wir haben hier seit 25 Jahren, Herr Sellering, eine objek- (Zuruf von Michael Andrejewski, NPD) tive Deindustrialisierung des Landes zu beklagen. dass es ohne Zweifel hier in Mecklenburg und Vorpom- (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Dabei haben mern partiell eine Verbesserung der Lebensverhältnisse wir einen Uhrmachermeister in Lübtheen.) der Menschen gegeben hat. Das ist zu begrüßen und das ist darauf zurückzuführen, dass die Menschen sich Die Wirtschaft, die wir hier noch haben, ist bis zu 80 Pro- selbst geholfen haben und nur komplementär die Regie- zent betrieblich strukturiert, Angestelltenzahl unter zehn. rung dafür gesorgt hat, dass das einigermaßen in Bah- Wir haben im Bereich der Werften einen Niedergang erlebt nen verlaufen konnte. unter Ihrer Regierungszeit, der grandios ist.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ach, Herr Pastörs!) (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Genau daran hat der Ministerpräsident Der nächste Punkt ist, dass Sie immer herausstellen und auch schuld, ne, Sie Weltökonom?!) immer wieder von Ihren Sprechkärtchen ablesen, ganz gleich, wo Sie auftreten, dass man eine schwarze Null Wir haben im Bereich des Fördergeldmissbrauchs in bei der Haushaltsgestaltung schon seit zehn Jahren Hunderten von Millionenhöhe nachgewiesenermaßen vorzuweisen habe. und Haftung des Landes,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das kann (Dr. Norbert Nieszery, SPD: man doch nicht leugnen, oder was?!) Wo ist das nachgewiesen?)

Sie unterschlagen allerdings, dass wir auf hohem Niveau also des Steuerzahlers, was ebenfalls grandios ist, und verschuldet sind mit 10 Milliarden und daraus resultie- ich muss Ihnen sagen, ich erkenne überhaupt nicht, rend – selbst bei einem Ausgeschlossensein von zukünf- dass für die Zukunft aus diesen Erfahrungen der letzten tigem Auftürmen von neuen Schulden, was ich nicht 10/15 Jahre in diesem Bereich von Ihnen überhaupt ein ausschließe bei der aktuellen politischen Situation – wir konkreter Vorschlag gemacht wurde, wie man den mindestens vier Generationen benötigen würden, um Missbrauch von Steuergeld und wie man das Erschlei- diese Schulden, vorausgesetzt, sie steigen nicht, über- chen von Steuergeld in Bezug auf Fördermittel beenden haupt abtragen zu können aufgrund der Zins- und Zin- kann. Darüber schweigen Sie sich geflissentlich aus. seszinsbelastung, die Sie im Namen und auf der Last Wo ist denn ein industrielles Großprojekt? Wo ist denn und auf den Schultern derjenigen Generationen aufge- die Zukunft für die Jugend in diesem Land, die hier mit nommen haben, über 300.000 jungen Menschen die Flucht ergriffen haben vor Ihren blühenden Landschaften und die des (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Dafür gibt es Herrn Kohl? doch einen Gegenwert, Mensch! Dafür gibt es doch einen Gegenwert! Guck mal ins Land!) Meine sehr verehrten Damen und Herren, von 1995 an hat dieses Land einen Aderlass hinnehmen müssen von die heute noch gar nicht geboren sind, meine sehr ver- 1,81 Millionen Einwohnern zu heute 1,6 Millionen, ehrten Damen und Herren. (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das sind Fakten, die Sie geflissentlich ausblenden. Und Ach, das wissen wir doch alles!) ich muss Ihnen auch sagen, es ist schon an Ironie nicht zu überbieten, wenn Sie hier auf eine Zusammenarbeit und Sie sprechen von Mecklenburg-Vorpommern als verweisen, die Sie positiv bewerten in Richtung der Zukunftsland, wo man sich wohlfühlen kann. Kommunisten um Herrn Holter, Neokommunist Holter (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Genau das ist es. (Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE) Wenn ihr endlich mal weggezogen seid, ist das alles wieder gut hier.) und seine Arbeit damals in der rot-roten Koalition hier in diesem Haus. Da, wo man sich wohlfühlt – und dazu gehört auch ver- nünftige, gut bezahlte Arbeit –, flüchtet man nicht in an- (Dr. Norbert Nieszery, SPD: dere Bundesländer oder gar ins Ausland. Sie vertreiben Das war so schlecht nicht. – die Deutschen und importieren die Fremden Peter Ritter, DIE LINKE: Postkommunist.) (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Der Herr Holter und seine Anhängerschaft sind die legi- Wo kommen Sie denn her?) timen Kinder der Mauermörderpartei SED und dafür ist dann Geld in Milliardenhöhe auch in diesem (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Haushalt und zukünftig einzustellen. Das werden Sie Was sind Sie für ein legitimes Kind?) noch erleben. 34 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD – pommern, an denen ich, meine Fraktion und die NPD Dr. Norbert Nieszery, SPD: Alter Hetzer! – regelmäßig teilnehmen, Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Es wäre nicht schlecht, wenn wir Sie vertreiben könnten.) (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ja, bei den Hetzern. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Sie sich Michael Andrejewski, NPD: Ganz vorne. – hier hinstellen und das lostreten und unterstützen, was Dr. Norbert Nieszery, SPD: Genau.) Ihr Parteivorsitzender gesagt hat, dass wir – damit mei- nen Sie nicht Sie, wenn Sie in Berlin leben, sondern die gegen den Verrat am eigenen Volk zu unterschätzen. Menschen hier vor Ort – (Zuruf von Patrick Dahlemann, SPD) (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Vielen Dank für die Erläuterung.) Wenn Sie glauben, und jetzt zitiere ich mal eine ganz neue Meldung von heute Morgen, dass Sie sich gegen die vielen Ausländer integrieren müssten, und das kam ja die Mehrheit des Volkes stellen können, die das nicht aus Ihren Ausführungen deutlich heraus, dann müssen Sie wollen, heute Morgen „Focus online“, Zitat: „Jeder zweite auch sagen, womit Sie das bezahlen wollen. Fragen Sie Deutsche will diese Politik nicht“, die Sie hier in verräteri- doch mal den Herrn Gabriel, wo er denn die Millionen, die scher Weise den Mecklenburgern und Pommern auf- noch kommen werden, offiziell ist das schon angekündigt, oktroyieren wollen, in Arbeit bringen will, wenn Sie es herunterbrechen auf die Zahl, die wir dann hier aufnehmen müssen. (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Vorpommern!) Ich sage Ihnen, wir haben jetzt hier noch offiziell 80.000 Ar- beitslose. Das sind Ihre Zahlen, unsere sehen da etwas Herr Ministerpräsident. anders aus. Wir sagen, wir haben eine strukturelle Arbeits- losigkeit von 140.000 Menschen jetzt noch, und wir sind (Beifall vonseiten der Fraktion der NPD) objektiv. Ihre Feststellung ist, wir sind das Land mit den geringsten Löhnen in ganz Deutschland. Wir haben Ihre Vizepräsidentin Beate Schlupp: Herr Pastörs! Feststellung hier laut auszusprechen, dass Mecklenburg- Vorpommern bundesweit das Land mit der höchsten Ar- Udo Pastörs, NPD: Meine sehr verehrten Damen und mutsquote ist. Ich habe da eine Statistik gesehen, irgend- Herren, … wo zwischen 21 und 24 Prozent. Das ist bundesweit spit- ze, Herr Sellering. Warum stellen Sie sich nicht hier hin, Vizepräsidentin Beate Schlupp: Herr Pastörs, einen lüften den Schleier und schenken den Bürgerinnen und Moment bitte! Bürgern klaren Wein ein und nicht diese Positivdroge, indem Sie hier grinsend und in schauspielerischer Art und Udo Pastörs, NPD: Gnädige Frau! Weise den Leuten etwas vorgaukeln, Vizepräsidentin Beate Schlupp: Ich habe jetzt hier so (Zuruf von Thomas Krüger, SPD) einiges, was ich eigentlich hätte als unparlamentarisch zurückweisen müssen, sowohl von Ihnen als auch aus was es draußen so gar nicht gibt, Herr Ministerpräsident? dem Parlament heraus im Zuge der Redefreiheit zuge- lassen. Allerdings ... (Zuruf von Thomas Krüger, SPD) Udo Pastörs, NPD: Gibt es so was? Das wäre etwas gewesen, wo man sagen kann, aha, der Mann hat Rückgrat, der spricht aus, nicht, wie es sein Vizepräsidentin Beate Schlupp: Sie wissen genau, sollte, sondern auch, wie es wirklich ist. dass Sie das nicht zu kommentieren haben. Wenn Sie jetzt meinen, Sie sind in Ihrer Redefreiheit einge- (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Sie wissen schränkt, dann müssen Sie sich entsprechend an die natürlich, wie es wirklich ist, Herr Pastörs. – Gegebenheiten halten, und Sie wissen ja, wie Sie sich Zuruf von Patrick Dahlemann, SPD) dann durchklagen können, wenn Sie tatsächlich der Auffassung sind, dass so was passiert. Aber jetzt er- Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich gebe Ihnen, reicht das hier einen Punkt, dass ich nicht mehr bereit mein lieber Herr Ministerpräsident, und Ihnen, meine sehr bin, weitere Äußerungen in dieser Form zu dulden. Sie verehrten Damen und Herren Abgeordnete, den guten Rat, können sagen, was Sie wollen, aber in einer Form, die dem Parlament gerecht wird. Von daher bitte ich Sie, (Unruhe vonseiten der Fraktion der SPD – sich für den Rest der Rede an diese Hinweise zu hal- Dr. Norbert Nieszery, SPD: ten. Oh, den brauchen wir nicht. – Heinz Müller, SPD: Nein, danke.) Udo Pastörs, NPD: Meine sehr verehrten Damen und Herren, dann würden wir das mal aufgreifen, was gerade nicht in den Fehler zu verfallen, die Frau Präsidentin gesagt hat: Meinungsfreiheit, Rede- freiheit, Demokratie – kein Problem, (Zurufe von Vincent Kokert, CDU, Wolf-Dieter Ringguth, CDU, (Zuruf von Silke Gajek, und Michael Andrejewski, NPD) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) die Proteste, die sich in ganz Deutschland deutlich fest- null Risiko für jene, die nachplappern, was die Lügen- stellbar vergrößern und auch hier in Mecklenburg-Vor-‚ presse vorgibt. Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 35

(Heiterkeit bei Dr. Norbert Nieszery, SPD, zuverlässig den Auftrag ihrer Wählerschaft erfüllen wird, und Peter Ritter, DIE LINKE) der, glaube ich, nicht besser als in den Satz gekleidet werden kann: So ist das in diesem Land: Freie Entscheidung der Bür- ger, ob und in welcher Demonstration sie gehen wollen – (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Nämlich? Nämlich?) Fehlanzeige. Wir wollen bleiben, was wir sind, (Peter Ritter, DIE LINKE: So ein Clown!) (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ja, Dumpfbacken!) Da werden Leute aus der Verwaltung genötigt, sich auf Demonstrationen für die Überfremdung ihrer Heimat Deutsche, und wir wollen behalten, was uns gehört, einzureihen, Deutschland, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Wer denn?) (Beifall vonseiten der Fraktion der NPD – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Oh, Wahnsinn! und es wird berichtet vor Ort. Da werden Polizeibeamte Wahnsinn! – Heinz Müller, SPD: und Richter genötigt, nicht an Demonstrationen von NPD Zum Glück gehört euch Deutschland nicht.) und Pegida teilzunehmen. Und Sie, Herr Ministerpräsident, und Ihre Blockparteien, (Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD) die hier einmütig laut aufheulen, wenn ich das sage, weil Sie das befremdlich finden, Da wird pauschal Stimmung gemacht gegen Andersden- kende, die nur ihrer Sorge Ausdruck verleihen wollen, (Dr. Norbert Nieszery, SPD: dass sich Deutschland selbst abschafft, Nö, das ist einfach nur dämlich.)

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie wollen eine Umvolkung des deutschen Volkes durch Ich hoffe, die NPD schafft sich ab.) Überfremdung, so, wie es Herr Sarrazin trefflich formuliert hat. (Heiterkeit bei Dr. Norbert Nieszery, SPD: Umvolkung! – Thomas Krüger, SPD: Einigkeit und Recht und Freiheit – selbstverständlich, Sie sind ein geistiger Brandstifter! – doch stehen sie derzeit nur auf dem Papier, meine sehr Zuruf von Silke Gajek, verehrten Damen und Herren. Viele Bürger der einstigen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) DDR bemerken nun, dass sie vom Regen in die Traufe gekommen sind. Bevormundung, Einschüchterung, Be- und das ist natürlich mit uns, wie Sie sich sicherlich, schimpfungen gegenüber national denkenden Menschen wenn Sie das Einmaleins beherrschen, denken können, sind konstitutives Element Ihrer Regierungsarbeit, Herr nicht zu machen. Ministerpräsident. Noch ein Wort zu Herrn Kokert, der ja hier die Weltpolitik (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ bemühte: Mein lieber Herr Kokert, es ist so, DIE GRÜNEN: Rassismus!) (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das merken die Menschen ganz deutlich mittlerweile. Das ist nicht Ihr lieber Herr Kokert.)

(Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/ es ist so, dass Sie vergessen haben, DIE GRÜNEN: Sie hätten sich in der DDR wohler gefühlt, ja?) (Vincent Kokert, CDU: Ja?)

Es ist im Übrigen eine Unverschämtheit, aus Ihrem dass diese ganze Flüchtlingswelle von Ihren Freunden in Munde auch heute wieder zu hören, ich sagte das be- Amerika reits, dass besorgte Landsleute einer Deutschtümelei abschwören sollten. So drückten Sie es aus: Deutsch- (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Quatsch!) tümelei. durch brutales Bomben (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ja, genau. Sie sind für mich Europäer.) (Vincent Kokert, CDU: Ihren Anti- amerikanismus kenne ich, Herr Pastörs!) Ihre Regierungserklärung, Herr Ministerpräsident, war genau das, was wir von Ihnen erwarten: eine mit mäßi- im ganzen maghrebinischen Raum ausgelöst worden gem schauspielerischen Talent vorgetragene Karikatur ist. Die Amerikaner haben laut verkündet, wir werden der Wirklichkeit. diesen ...

Mein Auftrag ist es als Fraktionsvorsitzender der nationa- Vizepräsidentin Beate Schlupp: Herr Pastörs, Ihre len Opposition, den Menschen im Lande zu versichern, Redezeit ist abgelaufen. Beenden Sie bitte Ihre Rede! dass die NPD gerade auch in den kommenden schweren Jahren wie in der Vergangenheit (Der Abgeordnete Udo Pastörs beendet seine Rede bei abgeschaltetem Mikrofon. – (Heinz Müller, SPD: Beifall vonseiten der Fraktion der NPD – Schwere Jahre NPD, oder was?!) Zuruf von Stefan Köster, NPD) 36 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015

Das Wort hat jetzt für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE (Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD: GRÜNEN die Abgeordnete Frau Gajek. Zweiter deutscher souveräner Staat.)

Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sehr geehrte Dies wäre wichtig gewesen, insbesondere für die spätere Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Her- Wiedervereinigung, denn dann hätte sie auf Augenhöhe ren! Schon hart, nach so einer Rede dann wieder stattfinden können, mit mehr Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen der Ostdeutschen. (Peter Ritter, DIE LINKE: Ach was! – Vincent Kokert, CDU: Immer auf (Torsten Renz, CDU: Sie wissen das Wesentliche konzentrieren.) aber, dass das nicht möglich war.) für die deutsche Einheit ein Stück weit zu werben, Trotzdem war es eine Utopie und für die sind wir 1989 auf die Straße gegangen. (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das war eine Karikatur.) (Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD: Trotzdem war es eine Utopie! – weil eins muss ich sagen: Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ich denke, das sollten wir uns immer wieder in Erinne- Das war doch keine Rede!) rung holen, insbesondere weil es diese Brandstifter hier im Landtag gibt. Es ist wirklich widerlich, Herr Pastörs. So viel Rassismus, so viel Fremdenhass ist einfach uner- träglich, und ich denke, dass wir demokratischen Fraktio- (Stefan Köster, NPD: Was hier von Ihnen nen hier zusammenstehen, gesprochen wird, ist ziemlich komisch.)

(Udo Pastörs, NPD: Ja, alle gemeinsam.) Wichtig wäre eine gemeinsame Verfassung gewesen. Dies hätte bedeutet, den Ostdeutschen zu zeigen, dass den Nazis keinen Millimeter lassen und gemeinsam auf der Westen mit ihnen gemeinsam, mit ihnen gemeinsam die Straße gehen einen Neuanfang startet und nicht nur das Alte fortsetzt, und die Ostdeutschen dürfen mitmachen. Eine neue (Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, Verfassung, an der die Ostdeutschen mitgeschrieben DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) hätten, wäre ein Signal der Gleichberechtigung gewesen. Wir müssen uns klarmachen, dass die Wiedervereini- und nichts unversucht lassen, damit Sie, Pastörs und gung wahrlich kein Geschenk oder eine Gnade der Konsorten, eben nicht mehr in diesem Landtag sind. Westdeutschen an die Ostdeutschen war, sondern wir Ostdeutsche waren qua Grundgesetz ebenfalls West- (David Petereit, NPD: Rotfront, Frau Gajek!) deutsche beziehungsweise Deutsche und somit den anderen Deutschen gleichgestellt. Ich möchte zu dem Tagesordnungspunkt zurückkommen. Man hätte 1989 ein Reintegrationsprogramm für Ost- (Stefan Köster, NPD: Packen Sie mal deutschland gebraucht schon Ihre Taschen, Frau Gajek!) (Gelächter bei Udo Pastörs, NPD) Mein Kollege Johann-Georg Jaeger hat ja vorhin seine Sicht gerade auf 1989/90 dargelegt und vielleicht fällt für eine Übergangszeit, vielleicht ein Einüben in demo- Ihnen etwas auf: Ich bin heute die einzige Frau, die hier kratische Denk- und Verhaltensweisen, steht, (Zuruf von Michael Andrejewski, NPD) (Beifall Regine Lück, DIE LINKE – Gelächter bei Udo Pastörs, NPD: Oho!) vielleicht einen Grundkurs in Marktwirtschaft nach dem Prinzip, die Leute da abzuholen, wo sie sind. und ich denke, das sind Punkte, die – das hätte ich mir gewünscht – auch von den anderen Fraktionen noch mal (Torsten Renz, CDU: Ist das jetzt benannt werden müssten, denn gerade wir Frauen, so eine Märchenstunde, oder was?! hieß es Anfang der 90er-Jahre, sind die Verliererinnen Märchenstunde oder „Wünsch dir was“?) der deutschen Einheit. Wir hatten eine hohe Erwerbsnei- gung Stattdessen hieß es, nicht weiter drum kümmern, die werden schon merken, wie der Hase läuft. Ostdeutsche (Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD: sind auch bei der Privatisierung durch die Treuhand Neigung, hoho!) benachteiligt worden. So durfte beispielsweise keine ostdeutsche Belegschaft ihre eigene Firma kaufen. und diese Erwerbsneigung wird heute unter Vereinbarkeit von Familie und Beruf gestellt. (Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Das stimmt doch nicht.) Aber ich möchte noch mal zu dem Jahr 1990 zurückru- fen, denn natürlich kann ich sagen, 100-mal Hurra, dass Überhaupt haben wir heute noch mit den Folgen einer es mit der DDR vorbei ist, aber wenigstens einmal scha- verfrühten Währungsunion und einer verfehlten Treu- de wegen der verpassten Chancen, Chancen auf etwas handpolitik zu kämpfen, die in keinem Fall eine weiterbli- Eigenes. ckende Industriepolitik war. Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 37

Jetzt komme ich auf Mecklenburg-Vorpommern. Von An- Bitte, Sie können fortfahren, Frau Gajek. fang an haben wir es mit einer verfehlten Landwirtschafts- politik zu tun gehabt. Kleinteiliges Wirtschaften oder Bio- Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Danke. höfe wurden und werden benachteiligt, (Vincent Kokert, CDU: (Heiterkeit bei Vincent Kokert, CDU: Ja, jaja.) Ich bin jünger als Sie, Frau Gajek. – Zuruf von Torsten Renz, CDU) vor allem daher fällt die Landwirtschaft in einem agrar- wirtschaftlich geprägten Flächenland als Arbeitgeber aus. Ich denke, Alter ist relativ, und wer sich angesprochen fühlt, sollte das tun. (Unruhe vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Aber lassen Sie mich noch mal auf zwei, drei Punkte ... Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Es gab ja 1990 auch so viele Biohöfe.) (allgemeine Unruhe – Zuruf von Wolf-Dieter Ringguth, CDU) Nun lasst mich doch mal ausreden! Ich möchte gerne in Ruhe reden, meine Herren. Ich den- Verfehlte Subventionspolitik, Förderung von Branchen, ke, das gehört sich so. die sich nicht halten lassen, kennen wir alle, gerade die Werftenkrise. (allgemeine Unruhe und Heiterkeit)

Und ein Punkt, der nach wie vor sehr wichtig ist: die Vizepräsidentin Beate Schlupp: Also einen Moment Zunahme der Altersarmut aufgrund von Langzeitarbeits- jetzt! losigkeit und Geringverdienern. Wenn es nicht möglich ist, die Rednerin hier zu Wort Herr Sellering, Sie haben zwar in Ihrem 10-Punkte- kommen zu lassen, dann muss ich die Sitzung unter- Programm in den Punkten 1 und 2 aufgezeigt, wie wich- brechen und die Parlamentarischen Geschäftsführer tig das ist, Arbeitsplätze zu sichern und dem Fachkräfte- nach vorne holen. Sie können sich gerne überlegen, ob mangel zu begegnen. Das ist eine alte Leier, die kennen Sie das wirklich wollen. Wenn jetzt hier noch mal solche wir, aber wir haben gerade die Haushaltsdiskussionen, Un... wir wissen, dass sämtliche Vorschläge abgetan werden, bei den Oppositionsanträgen wird zum Teil nicht mal (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) mehr zugehört. Herr Pastörs, Sie haben, während ich hier rede, nichts zu (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Bitte?!) sagen!

Ich denke, wenn Herr Kokert hier heute sagt, klar, wir Wenn jetzt noch mal solche Unruhe entsteht, dann werde wollen das mit euch die nächsten 25 Jahre gestalten, ich so verfahren.

(Heiterkeit bei Wolf-Dieter Ringguth, CDU: (Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD) Aber mit Ihnen hat er das nicht so ganz gemeint, aber sonst.) Von daher appelliere ich wirklich an alle hier, noch genü- gend Disziplin aufzubringen, sodass die Rednerin ihre dann denke ich, das sollte so sein, dass wir uns vom Rede auch beenden kann. Paternalismus verabschieden, denn das haben wir bis 1989 gehabt, dass alte Männer wussten, was für uns gut Sie können fortfahren, Frau Gajek. ist. Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Danke, Frau (Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD) Präsidentin!

Und wir sind auf die Straße gegangen, um genau den (allgemeine Unruhe) Männern zu zeigen, wo sie sind. Ich möchte auf zwei Punkte zu sprechen kommen: zum (allgemeine Unruhe – einen die von Herrn Sellering angeführte Infrastruktur. Ich Beifall Udo Pastörs, NPD – denke, dass das eine wichtige Aufgabe ist. Aber dies nur Heiterkeit vonseiten der Fraktion der SPD) auf die A 14 und die B 96 zu beschränken, Herr Selle- ring, das finde ich echt dreist. Vizepräsidentin Beate Schlupp: Einen Moment, meine sehr geehrten, insbesondere Herren! (Gelächter bei Udo Pastörs, NPD)

Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Alter ist relativ. Wir haben hier dieses Jahr die Südbahn verabschieden müssen. (allgemeine Unruhe) (Gelächter bei Wolf-Dieter Ringguth, CDU) Vizepräsidentin Beate Schlupp: Einen Moment, jetzt habe ich das Wort! Ansonsten muss ich die Sitzung un- Ich weiß nicht, wie oft diese Demonstrationen sind. terbrechen. Ich bitte jetzt wirklich darum, die Rednerin zu Ende kommen zu lassen und sich so zu verhalten, dass (Heiterkeit bei Vincent Kokert, CDU: die Rednerin hier vorne auch zu verstehen ist. Wir haben die Südbahn verabschiedet!) 38 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015

Ich finde das einfach ignorant, wie Sie sich hier hinstellen Ich denke abschließend, ... und sagen, in den nächsten zehn Jahren wollen wir dann mal die Infrastruktur stärken. Ich denke, das sind Aufga- (allgemeine Unruhe – ben, denen wir uns auch stellen. Zurufe aus dem Plenum: Ooh!)

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD) Ja, ich bin unterbrochen worden. Ich denke, ...

Ich hoffe, dass die Ergebnisse aus der Enquetekommis- Vizepräsidentin Beate Schlupp: Frau Gajek, Ihre Re- sion nicht nur totes Wort auf dem Papier sind, sondern dezeit ist abgelaufen, und für die Unterbrechung haben umgesetzt werden. Sie schon Zeit bekommen. Von daher ist jetzt Schluss.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Niemals!) (Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sie gelten nicht nur für die älteren Menschen, sondern ich denke, Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache. (Vincent Kokert, CDU: Auch für mich.) Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Fraktionen insbesondere auch für die jungen. haben sich darauf verständigt, den Tagesordnungspunkt 31 nach dem Tagesordnungspunkt 25 sowie den Tagesord- (Heinz Müller, SPD: Auch für alte Männer.) nungspunkt 26 nach dem Tagesordnungspunkt 30 aufzuru- fen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist Ein zweiter Punkt, und den wird … das so beschlossen.

Ja, auch für alte Männer. Sie scheinen sich ja alle ange- Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 2: Zweite Lesung sprochen zu fühlen. und Schlussabstimmung des Gesetzentwurfes der Lan- desregierung – Entwurf eines Gesetzes zur Änderung (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Niemals!) von Zuständigkeiten auf dem Gebiet des öffentlichen Vereinsrechts, Drucksache 6/4174, hierzu Beschluss- Also ein zweiter Punkt ist – empfehlung und Bericht des Innenausschusses auf Drucksache 6/4613. (Heinz Müller, SPD: Wegen der Infrastruktur.) Gesetzentwurf der Landesregierung und da erinnere ich noch mal an das Jahr 1990 –, dass Entwurf eines Gesetzes zur Änderung es im Zuge der Wiedervereinigung oder des Anschlusses von Zuständigkeiten auf dem Gebiet zum Beispiel die Erklärung zum Staatsvertrag der des öffentlichen Vereinsrechts DDR/BRD gab. Und zwar wurde unter dem Punkt 4 der (Zweite Lesung und Schlussabstimmung) sogenannten Sozialunion die Einführung einer bedarfs- – Drucksache 6/4174 – orientierten Grundsicherung eingefordert. Die ist ver- brieft. Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses (2. Ausschuss) Wenn ich mich heute umgucke, geht es immer wieder um – Drucksache 6/4613 – die Diskussion zu Hartz IV. Wir haben aber keine wirklich bedarfsgerechte Grundsicherung. Ich denke, das sind Das Wort zur Berichterstattung wird nicht gewünscht. Punkte, die müssen wir hier diskutieren, auch wenn sie in Teilen Bundespolitik sind. Wir sind aber immer ein Teil Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von Deutschland, und ich denke, da müssen wir uns der von bis zu 90 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre auch Aufgabe stellen. dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Noch abschließend einen Punkt zur direkten Demokratie: Ich gehe mal davon aus, Sie sind wählen gegangen am Das Wort hat für die Fraktion der SPD der Abgeordnete 6. September und haben entweder ein Ja oder Nein Heinz Müller. angekreuzt. Meine Fraktion hat sich eindeutig gegen diese Gerichtsstrukturreform ausgesprochen. Dadurch ist Heinz Müller, SPD: Frau Präsidentin! Meine sehr verehr- dankenswerterweise der Bürgerentscheid in die Wahllo- ten Damen und Herren! Dass das Verbot eines Vereins kale gekommen. Das, was wir aber immer noch haben, vollzogen werden muss, das kommt, Gott sei Dank, nur ist eben die Frage: Haben wir Angst vor direkter Demo- ausgesprochen selten vor. Die ganz, ganz große Masse kratie? unserer Vereine arbeitet zum Wohle ihrer Mitglieder, zum Wohle des Zweckes, dem sie sich verschrieben haben, (Dr. Norbert Nieszery, SPD: gut, korrekt und erfolgreich. Aber gelegentlich kommt es Niemals! Warum? Nein.) vor, dass ein Verein verboten werden muss. In Mecklen- burg-Vorpommern war das bislang erst zwei Mal der Fall. Das hoffe ich auch. Dennoch, auch Aufgaben, die nur selten zu erfüllen sind, müssen wir uns widmen, und wir müssen uns darauf Und ich hoffe, dass wir natürlich die mittlerweile immer vorbereiten, indem wir unter anderem die dafür ange- noch ungünstige Quotenregelung für Mecklenburg-Vor- messenen Verwaltungsstrukturen schaffen. pommern beseitigen. Bislang ist für ein solches Vereinsverbot der Landkreis (Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD) beziehungsweise die kreisfreie Stadt zuständig. Dieses Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 39 hat sich jedoch als ungünstige Regelung erwiesen, da Als Innenausschuss ist und war es uns wichtig, dass der Vereine, die verboten werden, Städte- und Gemeindetag die Zuständigkeitsverlagerung mitgetragen hat, ihr zugestimmt hat. (David Petereit, NPD: Das stimmt aber doch nicht.) (Heinz Müller, SPD: Der Landkreistag auch.) sich in aller Regel nicht auf einen Kreis beschränken, sondern über mehrere Kreise und kreisfreie Städte aktiv Der Landkreistag war nicht betroffen, sind. Von daher bietet es sich an, eine Landesbehörde hierfür verantwortlich zu machen. (Heinz Müller, SPD: Ja, aber …)

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD) hat aber auch keine ablehnende Meinung formuliert.

Wenn wir Vereine verbieten, dann haben wir es in aller Auch das Konnexitätsprinzip, in diesem Falle das soge- Regel mit kriminellen Strukturen zu tun – anders lässt sich nannte Gegenstromprinzip, wurde von der Landesregie- ein solcher Grundrechtseingriff ja nicht rechtfertigen –, rung nicht thematisiert. Der mit der Aufgabe der Vollzugs- behörde für das Vereinsrecht verbundene Verwaltungs- (Zuruf von Michael Andrejewski, NPD) aufwand, so der Gesetzentwurf, ist schwer einzuschätzen. und deswegen, so steht es in diesem Gesetzentwurf, Soweit zum Inhalt dieses Gesetzentwurfes, der relativ bekommt das Landeskriminalamt die Zuständigkeit. übersichtlich ist. Gestatten Sie mir aber zum Abschluss zwei Bemerkungen: Da sind einige Herrschaften offenbar in Sorge, sie könn- ten betroffen sein, und machen deswegen Rabatz, Erstens. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf ist Mecklen- burg-Vorpommern gewappnet, gewappnet für ein erfolg- (Heiterkeit und Zuruf von Stefan Köster, NPD) reiches NPD-Verbotsverfahren mit nicht auszuschließen- den Nachfolgevereinsgründungen, und das, liebe Kolle- aber das wird mich nicht am Reden hindern, Herr Köster. ginnen und Kollegen, ist gut so.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Sehr richtig. Sehr gut. – (Beifall vonseiten der Fraktionen Zuruf von Michael Andrejewski, NPD) der SPD und CDU – Heinz Müller, SPD: Richtig. – Und wenn wir obendrein noch eine Regelung finden, wie Michael Andrejewski, NPD: wir mit dem Vereinsvermögen eines verbotenen Vereins Ah, das ist also der Hintergrund! – umgehen, dann ist das eine richtige, sinnvolle und kon- Gelächter bei Stefan Köster, NPD) sequente Regelung. Zweitens. Wir gehen mit dem vorliegenden Gesetzent- (Zurufe von Michael Andrejewski, NPD, wurf aber einen Weg, der kommunalpolitischen Grund- und David Petereit, NPD) orientierungen meiner Fraktion kaum entspricht. Wir stehen grundsätzlich für eine Funktionalreform und nicht Wir werden dem Gesetzentwurf zustimmen. – Herzlichen für eine Hochzonung von Aufgaben. Dank. Diesen Weg sollten wir alle gemeinsam wieder stärker (Beifall vonseiten der Fraktionen beachten, spätestens dann, wenn die Landesregierung der SPD und CDU) endlich ihr Leitbild der Kommune der Zukunft auf den Tisch legt. Aber das ist nicht Thema dieses Tagesord- Vizepräsidentin Beate Schlupp: Das Wort hat jetzt für nungspunktes. Insofern wird meine Fraktion dem Ge- die Fraktion DIE LINKE der Abgeordnete Herr Ritter. setzentwurf zustimmen. – Herzlichen Dank.

Peter Ritter, DIE LINKE: Frau Präsidentin! Meine sehr (Beifall vonseiten der Fraktionen verehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Wolf- der SPD und DIE LINKE) Dieter! Der vorliegende Gesetzentwurf ist relativ über- sichtlich und ich kann es daher ebenso kurz machen wie Vizepräsidentin Beate Schlupp: Das Wort hat jetzt für der Kollege Müller: Meine Fraktion stimmt der unverän- die Fraktion der CDU der Abgeordnete Herr Ringguth. derten Annahme des Gesetzentwurfes zu. Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Sehr geehrte und hochge- Grundsätzlich geht es um exekutives Handeln der Landes- schätzte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! regierung auf der Grundlage des Vereinsgesetzes und des Landesorganisationsgesetzes. Müsste nicht das 21 Jahre (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Hast alte Gesetz über die Funktionalreform vom Mai 1994 ge- du was gutzumachen, oder was? – ändert und das Gesetz zur Errichtung des Sondervermö- Peter Ritter, DIE LINKE: Das nützt gens „Betrieb für Bau und Liegenschaften Mecklenburg- auch nichts mehr, Wolf-Dieter.) Vorpommern“ ergänzt werden, hätte es auch eine Verord- nung der Landesregierung getan. Vielleicht habe ich das.

Die Zuständigkeit der Vollzugsbehörde für das Vereins- (Heiterkeit vonseiten recht wird nunmehr unserem LKA zugeordnet. Bundesweit der Fraktionen der SPD, CDU, gibt es hier keine einheitlichen Regelungen und keine DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) einheitlichen Muster. So nimmt zum Beispiel in Branden- burg das Polizeipräsidium diese Aufgabe wahr. Ich sage es Ihnen noch mal draußen, Herr Kollege. 40 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015

(Zuruf von Jürgen Suhr, die zum 25. Jahrestag der Wiedervereinigung am BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Schluss so in den Dutt geritten hat. – Danke schön.

Schauen wir mal auf diese Beschlussempfehlung. Vier (Beifall vonseiten der Fraktion der CDU – Seiten hat die, reichlich übersichtlich, kurz und knackig. Michael Andrejewski, NPD: Auch im Ausschuss hat die Debatte also wenig Zeit ge- Ich fand es ganz lustig.) kostet. Vizepräsidentin Beate Schlupp: Das Wort hat jetzt für (Heinz Müller, SPD: Die war sehr kurz.) die Fraktion der NPD der Abgeordnete Herr Petereit.

Das war eine ganz einfache Sache und sie wurde dann mit David Petereit, NPD: Frau Präsidentin! Meine Damen den Stimmen von SPD, CDU, LINKEN und GRÜNEN und Herren! In dem vorliegenden Gesetzentwurf wird schnell und unkompliziert durchgestimmt, weil nämlich die mehrmals darauf hingewiesen, dass es seit der Grün- Verlagerung der Zuständigkeit der Vollzugsbehörde für dung des Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern nur Vereinsverbote auf das Landeskriminalamt absolut sinnvoll zwei Vereinsverbotsverfahren hier im Land gab – zwei ist. Das haben meine Kollegen vorher schon gesagt. Vereinsverbote in 25 Jahren –, und diese überschaubare Anzahl rechtfertigt eben keine Gesetzesänderung. Dass wir überhaupt heute dazu reden, ist der seltenen Aufmerksamkeit der Herren rechts geschuldet. Warum Wenn dann auf dieser Grundlage – wie in der Vorlage – die plötzlich aufmerksam wurden, argumentiert wird, dass die Verbote regelmäßig von Durchsuchungen der Wohnungen der Vereinsmitglieder (Dr. Norbert Nieszery, SPD: begleitet werden, so ist das gelogen, denn zum einen Das erzählen die uns gleich.) gibt es diese Regelmäßigkeit offensichtlich in M-V ja gar nicht, und als Betroffener des ersten Vereinsverbots hat mein Kollege Ritter, glaube ich, ausführlich darge- durch das Land Mecklenburg-Vorpommern kann ich stellt. Ihnen verraten, dass eben damals nur bei mir durchsucht wurde und nicht bei allen der sogenannten Mitglieder. (David Petereit, NPD: Glauben ist nicht wissen.) (Heinz Müller, SPD: Wahrscheinlich Es ist schon so, dass sie dieses Mal irgendwie aufmerk- gab es da schon genügend samer waren als sonst, aber es wird ihnen auch diesmal Beweismaterial. Das lässt ja tief blicken!) nichts nützen. Im Zuge von Vereinsverboten gibt es näm- lich zum Beispiel auch Durchsuchungen, und das ist Das heißt, bei den anderen dreien, die man neben mir zu absolut notwendig, dass es die gibt. Der Kreis der damit dem Verein zusammenkonstruiert hat, ging niemand befassten Personen ist natürlich möglichst gering zu durchsuchen. halten. Und Sie sprachen es ja schon an, Herr Müller, ohne (Zuruf von Michael Andrejewski, NPD) Ahnung zu haben:

Das LKA, das Landeskriminalamt ist ja in aller Regel (Wolf-Dieter Ringguth, CDU: bereits im Vorfeld eines Vereinsverbotes mit den Sach- Da wünschen Sie sich was! Das verhalten beschäftigt und dort befinden sich auch Fach- wird aber nie in Erfüllung gehen.) verstand und Detailkenntnisse. Zudem unterliegen Ver- einsverbote gewissen rechtlichen Hürden. In Mecklen- Das Vereinsvermögen, das damals sichergestellt wurde, burg-Vorpommern, das ist hier schon gesagt worden, bestand aus 21 Aufklebern. Die können Sie gerne unter gab es deshalb in der Vergangenheit wirklich ganze zwei sich aufteilen, ja. Verbote von Vereinen. (Stefan Köster, NPD: Da hat sich der Wenn wir jetzt also festlegen, dass die bislang zuständi- Staat aber ganz schön bereichert. – gen örtlichen Ordnungsbehörden in solch einem Fall gar Zuruf von Michael Andrejewski, NPD) nicht wirklich mit dem Ablauf eines Vereinsverbotes ver- traut sind, dann hatten die wahrscheinlich auch bisher mit Die Zahl, die Anzahl von vier Mitgliedern, die da zu einem der Materie eher nichts bis gar nichts zu tun – wie ge- Verein zusammenkonstruiert wurden, empfand ich schon sagt, bei den zweien. Deswegen hat der Minister ja damals als bemerkenswert, denn nach allgemeiner Recht- schon in der Ersten Lesung gesagt, Vereinsverbote sind sprechung braucht man auch nur drei Mitglieder, um über- eine absolute Spezialmaterie, sind und bleiben eine ab- haupt einen verbotsfähigen Verein zu haben. In unserem solute Spezialmaterie und werden in der Praxis selten Fall wollte man offensichtlich auf Nummer sicher gehen angewandt. und hat vier Personen zusammengefasst für den Fall, dass einer hätte nachweisen wollen, dass er mit den unsinnigen Die Übertragung dieser Aufgabe ist also, wie wir meinen, Vorwürfen aus dem Verbotspapier nichts zu tun hatte. absolut im Sinne aller Beteiligten. Das meinen ja die anderen Fraktionen auch. Dies hat der Städte- und Ge- „Um den Zweck der Durchsuchung nicht zu gefährden“, meindetag im Übrigen genauso gesehen und deshalb sei „eine größtmögliche Geheimhaltung zu gewährleis- bitte auch ich für meine Fraktion um Zustimmung. Und ten“, damit „die Vereinsmitglieder vorab keine Kenntnis“ wenn der Kollege Ritter am Schluss einen kleinen Aus- erhielten, heißt es in der Vorlage. Laut Gesetzentwurf flug gemacht hat, dann mache ich das jetzt auch. könne die Abstimmung zwischen mehreren Ordnungsbe- hörden „zum Beispiel über den Zeitpunkt der Durchsu- Meine Damen und Herren, ich bedauere es ganz außer- chung … viel Zeit in Anspruch nehmen und die Geheim- ordentlich, dass Frau Gajek eine so wichtige Debatte wie haltung gefährden“. Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 41

Ich wollte im Innenausschuss wissen, ob es für diese erläutert worden. Deswegen kann ich mich hier auch Behauptung konkrete Belege gebe, und siehe da, es gab kurzfassen. sie nicht. Somit lässt die Argumentation den Schluss zu, dass man im Innenministerium den örtlichen Behörden Der vorliegende Gesetzentwurf will die Zuständigkeit des beziehungsweise ihren Mitarbeitern einfach nicht traut. Vollzugs eines Vereinsverbotes neu ordnen. Bisher wa- Es verwundert zudem nicht, dass der Innenminister, der ren für den Vollzug die örtlichen Ordnungsbehörden die Trennung von Polizei und Geheimdienst als überholt zuständig, in Zukunft soll die Vollzugsbehörde für das ansieht, natürlich auch die Durchführung von Wohnungs- Vereinsrecht das Landeskriminalamt sein. Eigentlich durchsuchungen in seinem Apparat gebündelt haben will. würde eine Verordnung der Landesregierung hierfür ausreichen, um die Zuständigkeit innerhalb des Ge- (Zuruf von Michael Andrejewski, NPD) schäftsbereiches im Ministerium neu zu ordnen. Aller- dings hat die Aufgabenzuordnung – damals auf die örtli- Aus Sicht des Repressionsorgans muss es doch gerade- chen Ordnungsbehörden – in diesem konkreten Fall zu belastend sein, wenn man noch einen behördlichen Gesetzesrang, weil das durch die Funktionalreform vom Zeugen mitnehmen muss, der einem nicht per Befehls- 5. Mai 1994 mit Gesetz und per Gesetz geregelt wurde. kette untergeordnet ist, jemanden, der eben nicht mit den Deswegen müssen wir heute noch mal mit einem Gesetz anderen beteiligten Beamten tagein, tagaus arbeitet und hier heran. mit diesen keinen kollegialen, kumpelhaften Umgang pflegt, also die Untersuchung hinsichtlich der Tätigkeit (Heinz Müller, SPD: Richtig.) unbefangen beobachten könnte. Seit Bestehen des Landes Mecklenburg-Vorpommern Üblicherweise ist bei Hausdurchsuchungen ein Vertreter gab es nur zwei Verbotsverfahren von Vereinen, ent- der örtlichen Behörden anwesend. Dadurch, dass die sprechend selten kommen die Gesetze zur Anwendung. örtlichen Ordnungsbehörden künftig außen vor bleiben Eine sichere Handhabung der Spezialmaterie bei den sollen, werden potenziell unliebsame Zeugen beseitigt. örtlichen Ordnungsbehörden könnte laut Landesregie- rung daher nicht sichergestellt werden. (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Oha!) Da ein Vereinsverbot mit der Durchsuchung der Woh- Gerade im Fall von politischen Vereinsverboten, so, wie es nungen der Vereinsmitglieder einhergehen kann, entsteht bei uns der Fall war, kommen diese Zeugen dann nicht ein hoher Abstimmungsbedarf unter den beteiligten Be- umhin festzustellen, dass der Demokratenstaat gerade hörden. Gleichzeitig muss Geheimhaltung gewährleistet nicht gegen Schwerkriminelle oder Kriminelle vorgeht, werden. Wenn die Mitglieder – und das haben wir heute sondern Oppositionelle unterdrückt, Herr Müller. auch schon gehört – des Vereins in verschiedenen Ämtern und amtsfreien Gemeinden leben, muss die Abstimmung (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Oooch!) unter gleich mehreren örtlichen Ordnungsbehörden erfol- gen. Das beansprucht in der Tat und unstreitbar Zeit und Der Einblick in die Privaträume holt die Beteiligten nämlich gefährdet natürlich auch die Geheimhaltung. Deswegen auf den Boden der Tatsachen zurück. Die durchsuchten wird mit dem vorliegenden Gesetzentwurf vorgeschlagen, Objekte sind eben nicht die propagierten Räuberhöhlen, die Zuständigkeit von den örtlichen Ordnungsbehörden auf keine Führerhauptquartiere, sondern normale Wohnungen, das Landeskriminalamt zu übertragen. nicht anders eingerichtet als vielleicht bei Ihnen zu Haus. Meine Fraktion, die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Dr. Norbert Nieszery, SPD: schließt sich der Argumentation der Landesregierung aus Nur die Hakenkreuzfahne fehlt.) folgenden Gründen an:

Ohne die Anwesenheit örtlicher Gemeindemitarbeiter bei Erstens. Verbotsbehörde bleibt das Innenministerium. den Durchsuchungen kann diesen Widerspruch natürlich niemand aufdecken. (David Petereit, NPD: Das weiß Herr Müller ja nicht, dass das jetzt schon so ist.) Weil das Vereinsrecht durch den Staat zur Unterdrü- ckung der Opposition missbraucht wird, lehnen wir die Zweitens. Die volle gerichtliche Überprüfbarkeit eines Gesetzesänderung konsequenterweise ab. Die im Ge- Vereinsverbotes bleibt unberührt. Für etwaige Durchsu- setzentwurf aufgeführte Argumentation über die Kosten- chungen besteht weiterhin ein Richtervorbehalt bezie- folge bei Vereinsverboten ist eine reine Nebelkerze, die hungsweise eine verwaltungsgerichtliche Anordnung Ihnen allerdings reicht. – Vielen Dank. bleibt Voraussetzung für eine Durchsuchung.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD – (David Petereit, NPD: Peter Ritter, DIE LINKE: Was wollte Findet praktisch nicht statt.) uns der Künstler damit sagen?) Drittens. Es wird nur die Zuständigkeit im Vollzug neu Vizepräsidentin Beate Schlupp: Das Wort hat jetzt für geordnet, und zwar aus nachvollziehbaren Gründen der die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Abgeordne- Effektivität und zur Sicherstellung des Vollzugserfolges. te Herr Saalfeld. Viertens. Das vorliegende Gesetz nimmt zudem nur eine Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sehr neue Zuordnung innerhalb des Geschäftsbereiches und geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Her- des Rechtsaufsichtsbereiches des Innenministeriums ren! Der Regelungsgehalt des vorliegenden Gesetzent- vor, normalerweise durch eine Verordnung zu regeln, wurfes ist in der Tat überschaubar und ist von meinen aber durch den Sonderfall, dass wir das 1994 per Gesetz Vorrednern eigentlich schon hinreichend dargestellt und geregelt haben, müssen wir noch mal per Gesetz ran. 42 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015

Die örtlichen Ordnungsbehörden stehen unter der (Stefan Köster, NPD: Herr Saalfeld, Rechtsaufsicht des Innenministeriums. Nun soll das haben Sie überhaupt in Ihrem Leben Landeskriminalamt im Geschäftsbereich des Innenminis- schon mal richtig gearbeitet?) teriums zuständig werden. Es bleibt im Hause. Das Lan- deskriminalamt war auch bisher schon in die Ermitt- Sie wollen einfach nur den politischen Klamauk. lungsarbeiten und die begleitenden Exekutivmaßnahmen bei einem Vereinsverbot einbezogen. Also eine bisher (Beifall vonseiten der Fraktionen vollständig einbezogene Behörde wird nun zuständig für der SPD und DIE LINKE) den Vollzug. Auch das ist meiner Meinung nach sinnvoll. Ich möchte mir im Übrigen gar nicht vorstellen, wie Sie Und ein letzter Punkt, warum wir heute hier zustimmen: als NPD Gesetze machen würden. Vermutlich genau so, Wir haben uns das mal in anderen Bundesländern ange- wie Sie sich heute hier präsentiert haben, ohne Diskussi- schaut, wie es dort gehandhabt wird. In Hamburg macht on, ohne Sachverstand, von oben diktiert, lautmalerisch es die Behörde für Inneres und Sport, also de facto das garniert, Innenministerium. In Brandenburg – Herr Ritter hat es schon erwähnt – ist es das Polizeipräsidium, das den (Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Es gilt doch Vollzug durchführt. In Thüringen ist es das Landesver- das Führerprinzip, das wissen Sie doch!) waltungsamt und in Nordrhein-Westfalen ist die Voll- zugsbehörde ebenfalls das Landeskriminalamt. mit einigen abstrusen Verschwörungstheorien.

Sie sehen, es gibt also zwar verschiedene Wege, die (Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Da werden Zuständigkeit auf dem Gebiet des Vereinsrechts zu re- Gesetze ganz anders gemacht.) geln, aber eines wird deutlich: In vielen Bundesländern ist eine Landesbehörde die Vollzugsbehörde und immer Meine sehr geehrten Damen und Herren, der wahnhafte liegt die Verantwortung im Geschäftsbereich des jeweili- Glaube an Verschwörungstheorien trägt bei der NPD gen Innenministeriums. meines Erachtens mittlerweile pathologische Züge.

Ganz kurz zur NPD. Meine sehr geehrten Damen und (David Petereit, NPD: Sind Sie Herren, der Politikansatz der NPD ist auch heute wieder so doof, oder tun Sie nur so?) offensichtlich, also offensichtlich deutlich geworden und völlig destruktiv. Es geht Ihnen meines Erachtens auch Vizepräsidentin Beate Schlupp: Einen Moment! Einen vor allem um politischen Klamauk. Moment, Herr Saalfeld!

(Zurufe von Michael Andrejewski, NPD, (Stefan Köster, NPD: Er ist so. – und David Petereit, NPD) Zuruf von Tino Müller, NPD)

In den Ausschüssen, also im Maschinenraum des Parla- Also ich gehe mal davon aus, dass wir genügend darauf mentarismus, hingewiesen haben, dass hier unparlamentarische Äuße- rungen zu unterlassen sind. Das werden Sie auch gehört (Heiterkeit vonseiten der Fraktion der NPD) haben, Herr Petereit, und von daher erteile ich Ihnen für diesen Zwischenruf einen Ordnungsruf. da arbeiten Sie nicht mit! (David Petereit, NPD: Ich (Michael Andrejewski, NPD: habe Saalfeld gemeint, ne? – In der Hängematte.) Zuruf von Stefan Köster, NPD)

Da ist von Ihnen nichts zu hören und manchmal auch Ich weise an dieser Stelle nochmals darauf hin, dass nichts zu sehen. auch Kommentare zur Sitzungsleitung hier mit einem Ordnungsruf geahndet werden, und das werde ich in (Zuruf von Wolf-Dieter Ringguth, CDU) Zukunft so handhaben. Ich mache jetzt noch mal darauf aufmerksam, das ist aber das letzte Mal. Und, meine sehr geehrten Herren, das, was Sie heute hier vorgestellt haben, Jetzt können Sie fortfahren, Herr Saalfeld.

(Zurufe von Michael Andrejewski, NPD, (Stefan Köster, NPD: Herr Saalfeld, haben und Stefan Köster, NPD) Sie eigentlich einen Therapeuten? – Zuruf von Michael Andrejewski, NPD) Ihre dünne Frage war auch das Einzige, was wir im In- nenausschuss von Ihnen zu dieser Frage vernommen Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Meine haben, sonst nichts. Umso mehr, … sehr geehrten Damen und Herren!

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Das ist genau richtig. Ja, die pathologische Betreuung und Therapie liegt si- Ich stimme Ihnen selten zu, aber das ist richtig. – cherlich nicht auf meiner Seite, das Bedürfnis danach. Heinz Müller, SPD: So ist es. – Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE) (Stefan Köster, NPD: Ich glaube, Sie brauchen die dringend.) ... umso mehr haben Sie heute hier den Mund aufgeris- sen, und daran merkt man, Ihnen ist überhaupt nicht an Meine sehr geehrten Damen und Herren, absurder geht der Sache gelegen, es doch eigentlich gar nicht. Da behauptet eine Partei, Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 43 die selbst gegen unsere freiheitlich-demokratische Grund- dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Hand- ordnung arbeitet und permanent mit unserem Rechtsstaat zeichen. – Die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – in Konflikt steht, Damit sind die Artikel 1 bis 4 sowie die Überschrift in der Fassung des Gesetzentwurfes der Landesregierung mit (David Petereit, NPD: Tätä! – den Stimmen der Fraktionen von SPD, CDU, DIE LINKE Zuruf von Stefan Köster, NPD) und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei Gegenstimmen der Fraktion der NPD angenommen. dass durch eine Änderung bei der Zuständigkeit im Voll- zug dieser Rechtsstaat gefährdet würde. Wir kommen zur Schlussabstimmung.

(Stefan Köster, NPD: Das Fieber bei Ihnen Wer dem Gesetzentwurf im Ganzen in der Fassung des muss aber weit über 40 Grad sein.) Gesetzentwurfes der Landesregierung auf Drucksa- che 6/4174 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Das haben Sie ja versucht, uns hier gerade mitzuteilen. Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit ist der Gesetzentwurf der Landesregierung auf (David Petereit, NPD: Das Drucksache 6/4174 bei gleichem Stimmverhalten ange- habe ich so gar nicht gesagt!) nommen.

Das ist doppelt absurd! Erstens ist es falsch, das habe Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 3: Zweite Lesung ich eben gerade, und Schlussabstimmung des Gesetzentwurfes der Lan- desregierung – Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Ände- (David Petereit, NPD: Das haben Sie sich vorher rung des Landesdisziplinargesetzes, Drucksache 6/4470, so aufgeschrieben. Weil Sie nicht in der Lage sind hierzu Beschlussempfehlung und Bericht des Innenaus- zuzuhören, haben Sie sich das nicht gemerkt.) schusses auf Drucksache 6/4612. das habe ich eben gerade dargelegt. Gesetzentwurf der Landesregierung Entwurf eines Ersten Gesetzes zur (Zuruf von David Petereit, NPD) Änderung des Landesdisziplinargesetzes (Zweite Lesung und Schlussabstimmung) Es geht hier um den Vollzug und nicht um das Verbot. – Drucksache 6/4470 – Andererseits ist es einfach Unfug, wenn Sie sich hier hinstellen und sich als Anwalt des Rechtsstaates aufspie- Beschlussempfehlung und Bericht len und gleichzeitig immer wieder mit diesem Rechtsstaat des Innenausschusses (2. Ausschuss) auf Kriegsfuß stehen. – Drucksache 6/4612 –

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD) Das Wort zur Berichterstattung wird nicht gewünscht.

Was die NPD also hier abgeliefert hat, passt meines Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache Erachtens schon kaum mehr auf eine Kuhhaut. nicht vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Wider- spruch, dann ist das so beschlossen. (Stefan Köster, NPD: Gehen Sie mal richtig arbeiten, Herr Saalfeld! Dann kommen Wir kommen zur Einzelberatung über den von der Landes- Sie auf vernünftige Gedanken.) regierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Ände- rung des Landesdisziplinargesetzes auf Drucksache 6/4470. Wer Sie wählt, muss von allen guten Geistern verlassen sein. Zum Glück werden es aber immer weniger. Der Innenausschuss empfiehlt in seiner Beschlussemp- fehlung auf Drucksache 6/4612, den Gesetzentwurf der Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete, Landesregierung auf Drucksache 6/4470 unverändert wir GRÜNEN stimmen dem vorgelegten Gesetzentwurf anzunehmen. zu. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. Ich rufe auf die Artikel 1 bis 3 sowie die Überschrift in der (Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, Fassung des Gesetzentwurfes der Landesregierung. Wer DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Hand- zeichen. – Die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Vizepräsidentin Beate Schlupp: Weitere Wortmeldun- Damit sind die Artikel 1 bis 3 sowie die Überschrift in der gen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Fassung des Gesetzentwurfes der Landesregierung mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, CDU, DIE LINKE Wir kommen zur Einzelberatung über den von der Lan- und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei Stimmenthaltung desregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur der Fraktion der NPD angenommen. Änderung von Zuständigkeiten auf dem Gebiet des öf- fentlichen Vereinsrechts auf Drucksache 6/4174. Wir kommen zur Schlussabstimmung.

Der Innenausschuss empfiehlt in seiner Beschlussemp- Wer dem Gesetzentwurf im Ganzen in der Fassung des fehlung auf Drucksache 6/4613, den Gesetzentwurf der Gesetzentwurfes der Landesregierung auf Drucksa- Landesregierung auf Drucksache 6/4174 unverändert che 6/4470 zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um anzunehmen. ein Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Stimmenthaltun- gen? – Damit ist der Gesetzentwurf der Landesregierung Ich rufe auf die Artikel 1 bis 4 sowie die Überschrift in der auf Drucksache 6/4470 bei gleichem Stimmverhalten Fassung des Gesetzentwurfes der Landesregierung. Wer angenommen. 44 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 4: Zweite Lesung Gesetzentwurf der Fraktionen und Schlussabstimmung des Gesetzentwurfes der Lan- der SPD und CDU desregierung – Entwurf eines Gesetzes zur Änderung Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des des Landesjustizkostengesetzes und des Schiedsstellen- Gesetzes über die Bildung von Gewässer- und Schlichtungsgesetzes, Drucksache 6/4050, hierzu unterhaltungsverbänden und anderer Gesetze Beschlussempfehlung und Bericht des Europa- und (Zweite Lesung und Schlussabstimmung) Rechtsausschusses auf Drucksache 6/4607. – Drucksache 6/4473 –

Gesetzentwurf der Landesregierung Antrag der Fraktionen der CDU und SPD Entwurf eines Gesetzes zur Änderung Gewässerunterhaltung in des Landesjustizkostengesetzes und des Mecklenburg-Vorpommern Schiedsstellen- und Schlichtungsgesetzes – Drucksache 6/2128 – (Zweite Lesung und Schlussabstimmung) – Drucksache 6/4050 – Beschlussempfehlung und Bericht des Agrarausschusses (6. Ausschuss) Beschlussempfehlung und Bericht – Drucksache 6/4605 – des Europa- und Rechtsausschusses (3. Ausschuss) Das Wort zur Berichterstattung hat der Vorsitzende des – Drucksache 6/4607 – Agrarausschusses Professor Dr. Tack.

Das Wort zur Berichterstattung wird nicht gewünscht. Dr. Fritz Tack, DIE LINKE: Sehr geehrte Frau Präsiden- tin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Verehrte Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache Kolleginnen und Kollegen! nicht vorzusehen. Ich sehe und höre auch dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Herzlichen Dank, Frau Präsidentin, dafür, dass Sie mir den langen Vorspann mit der Ausschussdrucksache Wir kommen zur Einzelberatung über den von der Lan- bereits abgenommen und damit die unproduktive Zeit in desregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes meinem Bericht entscheidend verkürzt haben. Um es in zur Änderung des Landesjustizkostengesetzes und des der Sprache meiner Zunft – in meinem Leben vor der Schiedsstellen- und Schlichtungsgesetzes auf Drucksa- Politik habe ich Technologie der landwirtschaftlichen che 6/4050. Produktion gelehrt – zu sagen, Sie haben entsprechend der technologischen Zeitgliederung den Anteil der Aus- Der Europa- und Rechtsausschuss empfiehlt in seiner fallzeit T4 an der Schichtzeit T08 reduziert. Beschlussempfehlung auf Drucksache 6/4607, den Ge- setzentwurf der Landesregierung auf Drucksache 6/4050 (Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE: unverändert anzunehmen. Kann ich das noch mal hören, bitte?)

Ich rufe auf die Artikel 1 bis 3 sowie die Überschrift in Das kann im Protokoll dann nachgelesen werden. der Fassung des Gesetzentwurfes der Landesregie- rung. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um (Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE: Okay! – ein Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Stimmenthal- Minister Dr. Till Backhaus: Ich kann tungen? – Damit sind die Artikel 1 bis 3 sowie die das nachher noch mal erklären.) Überschrift in der Fassung des Gesetzentwurfes der Landesregierung mit den Stimmen der Fraktionen von Doch nun zum Gegenstand meines Berichtes. Der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Agrarausschuss hat wieder einmal, indem er mit einer bei Gegenstimmen der Fraktion der NPD angenom- gemeinsamen Beschlussempfehlung die unveränderte men. Annahme des Gesetzentwurfes sowie die an drei Maß- gaben geknüpfte Annahme des Antrages auf Drucksa- Wir kommen zur Schlussabstimmung. che 6/2128 empfohlen hat, zwei Fliegen mit einer Klap- pe geschlagen. Bereits in der vergangenen Legislatur- Wer dem Gesetzentwurf im Ganzen in der Fassung des periode war uns mit der guten fachlichen Praxis der Gesetzentwurfes der Landesregierung auf Drucksa- landwirtschaftlichen Bodennutzung und dem Landesbo- che 6/4050 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein denschutzgesetz ein ähnlicher Doppelpasch gelungen. Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Stimmenthaltun- gen? – Damit ist der Gesetzentwurf der Landesregie- Das spricht sicher für das in unserem Ausschuss herr- rung auf Drucksache 6/4050 bei gleichem Stimmverhal- schende konstruktive und integrative Arbeitsklima, für ten angenommen. das ich mich auch an dieser Stelle bei Ihnen, liebe Kolle- ginnen und Kollegen – leider sind ja so wenig da –, recht Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 5: Zweite Le- herzlich bedanke. Herzlichen Dank auch an das Aus- sung und Schlussabstimmung des Gesetzentwurfes schusssekretariat! der Fraktionen der SPD und CDU – Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Bil- Und noch ein weiterer Aspekt ist exemplarisch für den dung von Gewässerunterhaltungsverbänden und an- Agrarausschuss, nämlich das Bemühen, sich wenigstens derer Gesetze, Drucksache 6/4473, in Verbindung mit einmal pro Halbjahr den rauen Wind der Praxis um die der Beratung des Antrages der Fraktionen der CDU Nase wehen zu lassen, so geschehen unter anderem am und SPD – Gewässerunterhaltung in Mecklenburg- 16. April dieses Jahres, als wir im Zusammenwirken mit Vorpommern, Drucksache 6/2128, hierzu Beschluss- dem Landesverband der Wasser- und Bodenverbände empfehlung und Bericht des Agrarausschusses auf der eine wasserwirtschaftliche Exkursion zum Wasser- und Drucksache 6/4605. Bodenverband „Warnow-Beke“ durchführten. Das ist Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 45 richtig. Eine der Stationen war dabei – von unserem Mi- Ums Wort gebeten hat zunächst der Minister für Land- nister entsprechend mehrmals ans Herz gelegt – das wirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz. Retentionsbecken, auf Deutsch Drainteich Klein Gischow. Mit diesem Projekt hatte sich der Gewässerunterhaltungs- Minister Dr. Till Backhaus: Sehr geehrte Frau Präsiden- verband übrigens um den Umweltpreis des Landtages tin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Also die zum Gedenken an Ernst Boll 2014/15 beworben und dafür T08, die die Ausfallzeiten regelt, Herr Ritter – ich kann die Anerkennung der Jury erhalten. Nun wird der Verband Ihnen das vielleicht in der Pause noch weiter erläutern –, als weitere Anerkennung auch Eingang in das Plenarpro- tokoll des Landtages finden. (Peter Ritter, DIE LINKE: Pause haben wir leider nicht. Wir haben gerade leider keine Pause.) Noch wichtiger als diese Exkursionspunkte war in dem Falle aber die abschließende Beratung mit Vertretern um die Standzeiten für Reparaturen in einem Zusam- ausgewählter Wasser- und Bodenverbände unseres Lan- menhang zu sehen, war damals schon, glaube ich, ein des. Diese haben die Gelegenheit beim Schopfe ergriffen kluger Ansatz in der technologischen Entwicklung der und nochmals – der Städte- und Gemeindetrag hatte es ehemaligen DDR, bereits in seiner schriftlichen Stellungnahme im Rahmen der Antragsberatung getan – auf das Problem der soge- (Peter Ritter, DIE LINKE: Es war ja nicht nannten Mikrogrenzen hingewiesen. alles schlecht. Es war ja nicht alles schlecht.)

Der Hintergrund dafür ist, meine sehr verehrten Damen um nicht auf die 25 Jahre zurückzukommen, die im Übri- und Herren, zahlreiche Wasser- und Bodenverbände gen bei dem KTBL mit den heutigen Zahlen wieder eine hatten ihre Verbandsgrenzen an denen der Gemeinden Rolle spielen. Insofern ist uns da zumindest das eine ausgerichtet und nicht, wie im Gewässerunterhaltungs- oder andere gelungen, mit in die deutsche Einheit zu verbandsgesetz vorgesehen, an denen der Wasserein- übernehmen. Aber die Bedeutung dieses Antrages heu- zugsgebiete. Dadurch gab es Probleme bei der von den te, nämlich die verbundene Aussprache zu führen, be- Gemeinden vorzunehmenden Umlage der Verbandsbei- grüße ich sehr. Was ich für besonders wichtig halte, ist, träge auf die Grundstückseigentümer, was dringend einer dass wir das Gewässerunterhaltungsverbändegesetz Heilung bedurfte. heute praktisch der Novelle zuführen und das Hohe Haus darüber beschließen wird. Das will ich in den Vorder- Die Reaktion der Ausschussmitglieder war – an erster grund meiner Ausführungen stellen. Stelle möchte ich hier Kollegin Dr. Ursula Karlowski und den Kollegen Thomas Krüger nennen –, hier ist eine Wenn wir uns mal überlegen, seit der politischen Wende schnelle Heilung geboten. Leider sind sie beide im Au- haben bis heute 27 Wasser- und Bodenverbände die genblick nicht im Raum. Verantwortung für die Binnenentwässerung. Und wenn Sie sich überlegen, bei der Exkursion, auch bei dem (Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE: Binnenwassertag oder bei den Gewässerschauen im Die lassen sich den Wind der Lande wird oftmals von den Insidern dieses Thema be- Praxis gerade um die Nase wehen.) wertet, aber wenn wir uns in das Jahr 2011 zurückver- setzen – der Ministerpräsident hat heute von den Hoch- Ja, das ist dann der zweite Aufenthalt schon in der Pra- wassern an der Elbe gesprochen –, wenn das Wasser xis. steigt und die Probleme größer werden, dann besinnt man sich plötzlich auf die Wasser- und Bodenverbände Hier ist eine schnelle Heilung geboten, war ihre Meinung, und hofft, dass sie das alles möglichst lösen. der wir uns dann angeschlossen haben. Eigentlich woll- ten wir schon vor dem Ende der Sommerpause eine Ich muss an dieser Stelle schon sagen: Ich finde, dass gesetzliche Lösung auf den Weg bringen, aber bekannt- unsere 27 Wasser- und Bodenverbände in Mecklenburg- lich mahlen auch die Wassermühlen manchmal langsam. Vorpommern aus meiner festen und tiefen Überzeugung heraus eine gute Arbeit leisten. Und wenn man sich über- Dann kam endlich im September der Gesetzentwurf der legt, dass wir jährlich rund 25 Millionen Euro aufwenden, Koalitionsfraktionen, dessen unveränderte Annahme der um in unserem Binnenland die Gewässerpflege vorzu- Agrarausschuss empfohlen hat. nehmen, damit das hydrologische System funktioniert, dann, glaube ich, ist das auch ein Signal an unsere Ver- Ich bitte Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, es dem bände, dass wir mit dieser Novelle Rechtssicherheit für Ausschuss gleichzutun und Punkt I unserer Beschluss- diese Verbände schaffen und letztendlich damit Klarheit empfehlung zuzustimmen. Etwas differenzierter ist die für ein einheitliches System, was es im Übrigen nach der Sache bei der Ziffer II. Deshalb will ich hier den Fraktio- Wende gleich gegeben hat, was aber mehr oder weniger nen das Feld überlassen, damit sie ihre unterschiedli- in den Gemeinden, in den Verbänden so nicht umgesetzt chen Standpunkte darlegen können. – Ich bedanke mich worden ist und heute in eine rechtssichere Form über- für Ihre Aufmerksamkeit. führt wird.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE, Und auch das ist mir wichtig: Das Urteil vom 18. Dezem- Katharina Feike, SPD, und ber 2013 hat uns in die Situation gebracht, dass dieses Burkhard Lenz, CDU) Gesetz in der heutigen Form, wie wir es vorliegen hatten, in einigen Wasser- und Bodenverbandsgebieten nicht Vizepräsidentin Beate Schlupp: Im Ältestenrat ist ver- rechtskonform umgesetzt worden war und letzten Endes einbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis damit für rechtsunwirksam erklärt wurde. Dass das natür- zu 90 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu kei- lich erhebliche Auswirkungen auf die Haushalte der Ge- nen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröff- meinden gegebenenfalls hat, weil sie Träger dieser Auf- ne die Aussprache. gabe sind, glaube ich, brauche ich hier nicht näher zu 46 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 erklären. Das heißt, das Gesetz trägt deshalb im Wesent- haben, sowohl was die Wasserrückhaltesituation, aber lichen dazu bei, Schwierigkeiten und Rechtsunsicherhei- auch was den Abfluss anbetrifft, weil wir negative Aus- ten im Hinblick auf die Kalkulation auszuräumen und den wirkungen in Extremereignissen möglichst verhindern Verbänden und Gemeinden ein gesetzeskonformes Ver- wollen. halten zu erleichtern. Dies wird ausdrücklich gesetzlich jetzt festgeschrieben und damit auch in das Portal LUNG Insofern freue ich mich, dass wir uns hier im Agraraus- aufgenommen. Auch darum kann ich Sie immer wieder schuss als auch in diesem Hohen Hause mit dem Thema nur bitten, das Portal im LUNG zu nutzen, weil damit klar Wasser erneut auseinandergesetzt haben. Wasser ist wird, wo die Gebietsgrenzen direkt verlaufen. Leben, Wasser ist das wichtigste Lebensmittel, was es auf dieser Erde gibt, und Wasser ist eine der wertvollsten Zur Gewässerunterhaltung will ich nur so viel sagen: Ich Ressourcen, die wir in Mecklenburg-Vorpommern haben, glaube, dass wir Ihnen, dem Hohen Haus, einen Bericht welches sich in einer sehr guten Qualität mittlerweile dar- vorgelegt haben, aus dem Sie ersehen können, welche stellt. Und dafür lohnt es sich, auch weitere Investitionen Aufgaben im Bereich der Gewässer zweiter Ordnung zu tätigen. – Herzlichen Dank. umzusetzen sind und wie wir letzten Endes damit auch den Gewässerbestand vorlegen. Für mich ist an dieser (Beifall vonseiten der Fraktion der SPD) Stelle noch mal wichtig, wir haben natürlich eine immen- se Kostenentwicklung bei der Gewässerunterhaltung Vizepräsidentin Beate Schlupp: Das Wort hat jetzt für nicht nur über die allgemeine Inflationsrate hinaus, son- die Fraktion der CDU der Abgeordnete Herr Lenz. dern wir haben gravierende Probleme – wer bei dem Binnengewässertag dabei war, Professor Tack ist ja Burkhard Lenz, CDU: Sehr geehrte Frau Präsidentin! anwesend gewesen, ich fand das schon hochinteressant, Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bereits im mal in Rostock direkt zu sein und zu sehen, dass man in September 2013 wurde auf Initiative meiner Fraktion die 13 Metern Tiefe unter der Erde Abwasser- und Regen- Unterhaltung der Gewässer in Mecklenburg-Vorpommern entwässerungskanäle zu unterhalten hat, die die Sicher- hier im Landtag erörtert. heit und einen ordnungsgemäßen Abschluss, aber auch den Zufluss des Wassers gewährleisten –, wir haben hier Schon damals habe ich darauf hingewiesen, dass die Riesenprobleme im Lande, was die Verrohrung anbetrifft. Unterhaltung der Gewässer eine herausragende Rolle für den Schutz von bebauten Gebieten, aber auch bei der Ich will an dieser Stelle auch unterstreichen, wenn man Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen und forstwirt- sich überlegt, 2012 – das ist die letzte genaue Bilanz, schaftlichen Nutzflächen spielt. Deshalb haben wir gefor- die wir haben – hatten wir in unserem Bundesland dert, die Einschränkung der Gewässerunterhaltung durch 25.265 Kilometer, die bewirtschaftet werden mussten, Belange des Artenschutzes und die Anforderungen der und wir haben immerhin 6.997 Kilometer verrohrte Ge- Wasserrahmenrichtlinie mit den Interessen der Flächen- wässer, wenn man so will, innerhalb der Gewässer eigentümer und des Hochwasserschutzes in Einklang zu zweiter Ordnung. Wenn man das zusammenfasst, ha- bringen. Schon damals haben die Wasser- und Boden- ben wir 32.232 Kilometer Gewässeradern in unserem verbände mit einer naturnahen Ausrichtung der Gewäs- Bundesland Mecklenburg-Vorpommern, die mehr oder serunterhaltung einen wesentlichen Beitrag zum Schutz weniger große Entwässerungen in Richtung Ostsee und der Artenvielfalt geleistet. Nordsee umsetzen. Und wenn es hier zu Schwierigkei- ten kommt, dann hat das Auswirkungen für jeden, der in Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wenn es auch diesem Lande lebt. bisher den Verbänden trotz der Einschränkungen mög- lich war, den Ansprüchen von Flächeneigentümern und Im Betrachtungszeitraum der letzten zehn Jahre von Nutzern gerecht zu werden, haben die zurückliegenden 2002 bis 2012 wurden im Gewässerausbau – das, finde Hochwasserereignisse doch gezeigt, dass eine einge- ich, ist auch eine spannende Zahl – immerhin 53 Millio- schränkte Gewässerunterhaltung an ihre Grenzen stößt. nen Euro für die Entrohrung bereitgestellt und wir haben Hier gilt es abzuwägen, welches Schutzgut höherwertig damit, glaube ich, einen wichtigen Beitrag zum Natur- ist. und Umweltschutz und letzten Endes zur Gewässerun- terhaltung geleistet. Insofern glaube ich, dass wir ge- Sehr geehrte Damen und Herren, Artenschutz und Was- meinsam bei den Gewässern erster und zweiter Ordnung serrahmenrichtlinie betreffen Belange des Allgemein- alles daransetzen müssen, dass wir auch in den kom- wohls, sie sind nicht als Vorteil dem Flächeneigentümer menden Jahren Hilfestellung bei der Bewirtschaftung oder dem Gewässerunterhaltungspflichtigen zuzuordnen. geben und damit auch ein System entwickeln, eine Da- Die ökologische Sanierung der Gewässer im Sinne der tenbank, die direkt beim LUNG geführt wird, um Beiträge Wasserrahmenrichtlinie ist Teil des medialen Umwelt- zur Vereinfachung der Arbeit der Wasser- und Boden- schutzes, welcher nicht einem abgegrenzten bezie- verbände bereitzustellen. Wir entwickeln zurzeit die hungsweise abzugrenzenden Kreis von Nutznießern Software und probieren das an unseren Gewässern zuzuordnen ist. Aus diesem Grunde handelt es sich hier- erster Ordnung aus. Ich gehe davon aus, und darüber bei gemäß Artikel 20a des Grundgesetzes um die Aufga- möchte ich Sie in Kenntnis setzen, dass wir von einer ben des Staates, die auch durch ihn zu finanzieren sind. Verschärfung der Bundesvorhaben ausgehen müssen, was die Gewässer erster und zweiter Ordnung anbetrifft, Dies, meine Damen und Herren, stand auch im Vorder- und wir damit auch gut gewappnet sein müssen. grund der durch den Agrarausschuss durchgeführten Anhörungen. Im Mittelpunkt der Anhörungen stand unter Insofern, glaube ich, darf ich abschließend noch mal anderem der Sorgfaltserlass des Landwirtschaftsministe- sagen, dass wir alles daransetzen, die Intensität der riums. So wurde seitens der Arbeitsgemeinschaft Grund- Gewässerunterhaltung an die konkreten Gegebenheiten besitz darauf verwiesen, dass bei Anwendung des Erlas- anzupassen, und wir natürlich erreichen wollen, dass wir ses eine Kostenexplosion der Gewässerunterhaltung eine ordnungsgemäße Bewirtschaftung der Gewässer unvermeidlich wäre. Diese Kosten dürfen allerdings nicht Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 47 den Eigentümern beziehungsweise Nutzern aufgebürdet schaftliche Aufgabe, die auch von der Gesamtgesell- werden. Der Landesverband der Wasser- und Bodenver- schaft getragen werden muss. bände verwies darauf, dass das „Merkblatt … 610“ der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser Die Nutzerverbände fordern zu Recht einen Erlass einer und Abfall e. V. als das einschlägige Dokument gilt, aus Artenschutzausnahmeverordnung gemäß Paragraf 45 dem sich deutschlandweit sinnvolle und umsetzbare Absatz 7 Bundesnaturschutzgesetz durch das Land Vorgaben für eine schonende Gewässerunterhaltung Mecklenburg-Vorpommern zur Privilegierung der Arbei- entnehmen ließen. Eines gesonderten Handbuches für ten an den Gewässern zweiter Ordnung und den Hoch- unser Land Mecklenburg-Vorpommern bedarf es meiner wasserschutzanlagen. Meinung nach nicht. So ist es auch nicht zielführend, dass Mecklenburg-Vorpommern über die Bundesstan- Mit der seitens des federführenden Ausschusses be- dards hinausgeht. schlossenen Beschlussempfehlung wurden zahlreiche Forderungen meiner Fraktion aufgegriffen. Unter ande- Herr Minister, Sie hatten gerade in Ihrer Rede angedeu- rem soll nunmehr die Gewässerunterhaltung so gestaltet tet, dass es Verschärfungen geben sollte bei der Gewäs- werden, dass den Ansprüchen von Flächeneigentümern serunterhaltung. Dann würde ich darum bitten, dass wir und -nutzern als auch den Forderungen der Wasserrah- auch so schnell wie möglich darüber informiert werden, menrichtlinie und des Artenschutzes entsprochen werden denn das ist eine Sache, die jeden betrifft, weil die Was- kann. Gleichzeitig soll geprüft werden, inwieweit künftig ser- und Bodenverbände – Sie wissen das alle – legen ein praxistauglicher Umgang zur Abwehr von Schäden es auf die Flächeneigentümer um, und von diesen ver- und Gefahren durch zum Beispiel den Biber ermöglicht schärften Maßnahmen ist nicht nur die Landwirtschaft, werden kann. sondern ist jeder Einzelne von uns betroffen. Deshalb wäre es schön, wenn wir so schnell wie möglich über die Hiermit, meine Damen und Herren, haben wir eine Be- Verschärfung der Maßnahmen informiert werden würden. schlussempfehlung gefasst, die sowohl den Belangen des Arten- und Wasserschutzes als auch des Hochwas- Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, im Rahmen der serschutzes entspricht. Aus diesem Grunde bitte ich Sie, Befassung des Ausschusses mit dem Antrag wurde deut- der Beschlussempfehlung des Agrarausschusses zuzu- lich, dass die Gewässerunterhaltungsverbände in der stimmen. – Recht schönen Dank. Vergangenheit die Grenzen nicht, wie im Gesetz über die Bildung von Gewässerunterhaltungsverbänden vorge- (Beifall vonseiten der Fraktion der CDU schrieben, nach den Wassereinzugsgebieten, sondern und Katharina Feike, SPD) an den Gemeindegrenzen ausgerichtet hatten. Diese Situation führte dazu, dass gemeindliche Gebührensätze Vizepräsidentin Beate Schlupp: Das Wort hat jetzt für die zur Umlage der Beiträge unwirksam und die Beitragser- Fraktion DIE LINKE die Abgeordnete Frau Dr. Schwenke. hebung rechtswidrig geworden waren. Mit dem seitens der Koalitionsfraktionen vorgelegten Heilungsgesetz, auf Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Frau Präsidentin! das ich hier nicht näher eingehen möchte, soll diesem Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich Missstand abgeholfen werden. kann dem Vorsitzenden des Agrarausschusses, mei- nem Kollegen Professor Dr. Fritz Tack, nur beipflichten: Kolleginnen und Kollegen, neben dem Gewässer- und Selten – beziehungsweise mir ist es überhaupt noch Artenschutz müssen die Gewässer des Landes in die Lage nicht bekannt – habe ich solch langwierigen und um- versetzt werden, im Hochwasserfall eine ausreichende fangreichen Beratungen zu einem Antrag im zuständi- Vorflut zu gewähren. Das Sommerhochwasser 2011 war gen Ausschuss erlebt. Wie lange der Antrag der Koaliti- ein außergewöhnliches Ereignis. Die Gewässerdimensio- onsfraktionen schon auf dem Tisch des Landtages liegt, nen, die dafür notwendig gewesen wären, können nicht das erkennen Sie bereits an der Drucksachennummer. gebaut werden. Was allerdings auffiel, war die lange Ver- Wir hatten Vor-Ort-Besuche, eine sehr umfangreiche weilzeit des Wassers in der Fläche. Selbstverständlich Anhörung, mehrere Ausschussberatungen, aber das waren zunächst alle betroffenen Gewässer vom vielen Ergebnis zeigt, es ist etwas Gutes dabei herausge- Regen überfordert, denn bei einem entsprechend den kommen. Auch aus der Sicht meiner Fraktion haben wir wasserwirtschaftlichen Bedürfnissen unterhaltenem Ge- einen gelungenen Gesetzentwurf zur Beschlussfassung wässer wäre das Wasser schneller abgeflossen und hätte vorliegen. dem nachfließenden Wasser Platz gemacht. Hier gilt es, künftig die entsprechenden finanziellen, aber auch techni- Alle demokratischen Fraktionen waren sich einig, schnell schen Mittel bereitzustellen, um eine ordnungsgemäße und unkompliziert das von den Gewässerunterhaltungs- Unterhaltung der Gewässer realisieren zu können. verbänden am drängendsten angesehene Problem mit der Abgrenzung ihrer Verbandsgrenzen zu lösen. Über- Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, die Nutzerver- raschenderweise haben wir es trotz großer Einigkeit nicht bände, wie der Bauernverband, die Arbeitsgemeinschaft geschafft, damit schon vor der Sommerpause zu Potte zu des Grundbesitzes, der Waldbesitzerverband, der Lan- kommen. So ist das, wenn aus den Reihen des Landta- desverband der Wasser- und Bodenverbände, der Ver- ges Gesetzentwürfe kommen und das zuständige Minis- band „Pro Gewässer“ und die Arbeitsgemeinschaft „Jagd terium das Heft des Handelns unbedingt in der Hand und Eigentum“ haben sich seinerzeit in einem Positions- behalten will. papier sehr klar geäußert. Dafür möchte ich mich auch nochmals bei ihnen bedanken. Klar herausgestellt wurde, (Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE: So, so!) dass die veränderte Gewässerunterhaltung ohne Zu- stimmung der Betroffenen keinen Eingriff in das Eigen- Aber das ist nicht das Problem der Opposition. Meine tum Dritter nach sich ziehen darf. Die Finanzierung der Fraktion wird dem Gesetzentwurf jedenfalls zustimmen. Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie und des Arten- schutzes der Europäischen Union ist eine gesamtgesell- (Peter Ritter, DIE LINKE: Sehr gut.) 48 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015

Andere Probleme, die im Ursprungsantrag der Koalition hungsweise tiefgründig zerstritten oder, wie Sie das direkt oder indirekt aufgegriffen worden waren, scheinen soeben vorgetragen haben, bei uns diskutiert. Ich bitte aus unserer Sicht noch nicht endgültig gelöst. daher um Zustimmung zum Gesetzentwurf.

Die auswärtige Sitzung des Agrar- und Umweltausschus- Auf die zur Abstimmung stehende Beschlussempfehlung ses jedenfalls machte deutlich, dass es immer noch hef- des Agrarausschusses zum Antrag der CDU und SPD tigen Streit um die Aufgaben und damit auch um die „Gewässerunterhaltung in Mecklenburg-Vorpommern“ Finanzierung beim Zielkonflikt zwischen Gewässerunter- möchte ich jetzt Bezug nehmen, die wohl der eigentliche haltung und Umsetzung der EG-Wasserrahmenrichtlinie Grund für die gewünschte Aussprache ist. gibt, Streit zwischen den Ministerien, dem LUNG, den Gewässerunterhaltungsverbänden, den Flächeneigentü- Auf Antrag der Koalitionsfraktionen wurde vom Agraraus- mern und den Flächennutzern, aber auch zwischen SPD schuss mehrheitlich beschlossen, dem Landtag zu empfeh- und CDU. Zumindest haben wir das so vernommen. len, die Ziffer I des Ursprungsantrages, in dem die Landes- regierung aufgefordert wird, die Entwicklung des Umfanges Zumindest gab uns die Beschäftigung mit dem Antrag der der Unterhaltung der Gewässer zweiter Ordnung ab dem Koalition die Möglichkeit, dass alle Beteiligten miteinander Jahr 2003 bis 2012 bis zum 11. Dezember 2013 anhand geredet haben. Auch das ist schon etwas wert. Mittlerweile des Anlagen- und Gewässerverbandes vorzulegen, für zeigen sich auch verschiedene Lösungsansätze außerhalb erledigt zu erklären. Dieser Aufforderung ist nach unserer des vorliegenden Gesetzentwurfes. Miteinander reden hilft Ansicht – wenn auch etwas verspätet, gebe ich zu – das eben fast immer. Ministerium mit seiner Berichterstattung im Agrarausschuss vollumfänglich nachgekommen, wie Frau Dr. Schwenke das Für mich und meine Fraktion wird aber auch immer deut- eben auch sehr schön dargestellt hat. licher, es wird höchste Zeit, dass an der vor langer Zeit angekündigten großen Novelle des Landeswassergeset- Ebenso ist für uns die Frage der Zuständigkeit für die zes kein Weg vorbeiführt. Immer wieder ist sie verscho- Finanzierung von Maßnahmen des Artenschutzes ge- ben, für diese Legislatur sogar abgesagt worden. klärt, sodass diese Fragestellung in Ziffer II des Ur- sprungsantrages entbehrlich geworden ist. Die entspre- (Peter Ritter, DIE LINKE: Was?!) chende Beschlussempfehlung zum Antrag der Fraktionen der CDU und SPD liegt Ihnen somit vor. Wir haben das immer heftig kritisiert. Das Landeswas- sergesetz muss novelliert werden, nicht nur, aber auch, Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sieht das, wie um die mit der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie es im Agrarausschuss dargestellt wird, natürlich anders. anstehenden Probleme in den Griff zu bekommen. Sie will mehr Berichte, wie wir es schon öfter in unter- schiedlichen Anträgen zum Thema Gewässer hatten. Ich sage es noch mal: Es ist höchste Zeit. Wir haben den Eindruck, dass Streit zwischen den Koalitionsfraktionen (Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: die größte Hürde zu sein scheint. Beenden Sie dieses Das ist eine einfache Interpretation Scharmützel, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kol- dessen, was wir wollen.) legen, und erinnern Sie sich an die Veranstaltung zur Verleihung des Umweltpreises vor wenigen Tagen hier Wir lehnen das zum gegenwärtigen Zeitpunkt ab. Insbe- im Schloss! Wasser ist unser wichtigstes Lebensmittel. sondere eine nochmalige Erhebung von Daten bei den Das zu schützen, ist unsere Pflicht. Wasser- und Bodenverbänden wäre gegenwärtig finanzi- ell, personell und zeitlich überzogen und stünde in kei- Dem Gesetzentwurf und der Beschlussempfehlung zum nem Verhältnis zu einer möglichen Informationsgewin- Antrag stimmen wir zu. – Danke schön. nung. Das Thema Gewässerunterhaltung in Mecklen- burg-Vorpommern ist damit nicht vom Tisch, mit unserem (Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE Antrag geben wir der Landesregierung aber den entspre- und Dr. Ursula Karlowski, chenden Handlungsrahmen. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir stimmen der Beschlussempfehlung zu. – Vielen Dank Vizepräsidentin Beate Schlupp: Das Wort hat jetzt für für Ihre Aufmerksamkeit. die Fraktion der SPD die Abgeordnete Frau Feike. (Beifall vonseiten der Fraktion der SPD) Katharina Feike, SPD: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Aus unse- Vizepräsidentin Beate Schlupp: Das Wort hat jetzt für rer Sicht wäre eine Aussprache zu diesem Tagesord- die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Abgeordne- nungspunkt nicht nötig gewesen. Der Gesetzentwurf im te Frau Dr. Karlowski. Agrarausschuss wurde beraten und hier im Landtag ein- stimmig in unveränderter Form zur Annahme empfohlen. Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Mit diesem Heilungsgesetz tragen wir der Notwendigkeit Diskussion um die Organisation und den Umfang der Rechnung, dass die Gewässerunterhaltungsverbände und Gewässerunterhaltung in Mecklenburg-Vorpommern be- ihre Mitgliedsgemeinden in die Lage versetzt werden, ihre schäftigte uns im Agrarausschuss über eine vergleichs- Beitrags- und Gebührenerhebung rechtssicher, verwal- weise lange Zeit, das ist wahr. tungspraktikabel und kostengünstiger gestalten zu können. Die Gründe für die Notwendigkeit des Änderungsgesetzes (Heinz Müller, SPD: Ja, warum wohl?) wurden bereits dargelegt, sowohl von Herrn Backhaus als auch von meinem werten Kollegen Herrn Lenz, und wur- Diese Zeit war in unseren Augen jedoch tatsächlich not- den auch im Agrarausschuss nicht weiter bestritten bezie- wendig, um die vielen Herausforderungen zu erfassen, Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 49 vor denen wir schon seit einigen Jahren bei der Bewirt- fangreiche Eingriffe in Gewässer, zum Beispiel eine schaftung der Gewässer stehen, denn wie schon gehört, Grundräumung, dem Gewässer als Ökosystem schaden, mit der Einführung der EU-Wasserrahmenrichtlinie im und Fakt ist ebenso, dass überall dort, wo sich Wasser- Jahre 2000 ergaben sich nun neue Grundlagen für die und Bodenverbände mit Fachleuten aus den Umweltver- Arbeit mit dem weitverzweigten Gewässersystem unse- bänden zusammengetan und gute Lösungen für eine res Landes. Gewässer sollen eben nicht mehr nur als naturnahe Gewässerunterhaltung erarbeitet haben, zahl- Entwässerungsbahnen, sondern auch wieder als Lebens- reiche Synergien erzielt werden konnten. räume für eine artenreiche Lebenswelt und als wertvolle Ökosysteme angesehen und dementsprechend behan- Meine Damen und Herren, Artenschutz steht nicht kont- delt werden. Gewässer sollen auch wieder das Wasser in rär zur Gewässerunterhaltung. Das kann wirklich Hand in der Landschaft halten und es nicht auf schnellstem Wege Hand gehen, dafür haben wir positive Beispiele in der abführen. Anhörung demonstriert bekommen. Das ist unsere feste Überzeugung. Dahin gehend waren für uns die Äußerun- Es kommt nicht allzu häufig vor, dass sich der Agraraus- gen der Wasser- und Bodenverbände mehrheitlich eher schuss derart intensiv mit einer Materie beschäftigt, wie es destruktiv ausgerichtet, wir glauben aber, dass sich über jetzt im Fall der Gewässerunterhaltung geschah – eine kurz oder lang gute Projekte der naturnahen Gewässer- Fachexkursion, eine Anhörung von Sachverständigen, ein entwicklung durchsetzen und Schule machen werden, ausführlicher Bericht des Ministeriums, dies alles bot die denn wir kommen nicht umhin, die Anforderungen der Grundlage für ein umfassendes Bild zu dem Themenkom- EU-Wasserrahmenrichtlinie erfüllen zu müssen und dann plex. Für unsere Fraktion ist es unstrittig, dass wir dem eben den guten ökologischen Zustand der Gewässer zu heute hier zur Abstimmung stehenden Gesetzentwurf garantieren. zustimmen, das ist eine notwendige Rechtsanpassung in unseren Augen, das ist ganz in unserem Sinne. Vor diesem Hintergrund lehnen wir die Ziffer 3 aus dem Antrag 6/2128 ab, die da besagt, nicht über Bundesvor- Differenzierter sehen wir hingegen die Fragen, die mit gaben oder technische Standards bei der Gewässerun- der künftigen Gewässerunterhaltung zu tun haben und terhaltung hinauszugehen. Begründet wurde dieser die sich in Ihrem Antrag, sehr geehrte Kolleginnen und Punkt mit der Befürchtung, der durch das Ministerium Kollegen von SPD und CDU, wiederfinden. Die Anhörung geplante Sorgfaltserlass würde hier zusätzliche Anforde- der zahlreichen Sachverständigen offenbarte, dass es rungen an eine naturschutzgerechte Gewässerunterhal- doch noch gehörige Meinungsunterschiede darüber gibt, tung definieren. Wir hingegen unterstützen den Ansatz welche Aufgaben die unterschiedlichen Institutionen im der Gewässerabteilung des Ministeriums, mit dem Sorg- Rahmen der Gewässerunterhaltung haben und welche faltserlass unmissverständliche und hilfreiche Vorgaben finanziellen und personellen Mittel für diese Aufgaben zum Umgang mit den Gewässern zu machen. Auch se- bereitzustellen sind. hen wir die Wasser- und Bodenverbände in der Pflicht, sich selbst Kenntnisse über die Artenausstattung ihres Eine Schlussfolgerung konnten wir allerdings erneut Gewässersystems zu verschaffen. recht eindeutig ziehen: Es fehlt ein neues überarbeitetes Landeswassergesetz, die Novelle, von der auch meine Die Landesregierung macht einen Schritt auf die Verbän- Kollegin Dr. Schwenke berichtet hat, was genau zu dem de zu und fördert künftig beispielsweise die Erarbeitung Aufgabenkomplex Gewässerunterhaltung die Aufgaben von Pflege- und Entwicklungsplänen über öffentliche und Verantwortlichkeiten dann präziser beschreiben Mittel aus dem Landeshaushalt. So können die neuen würde. Aufgaben der Wasser- und Bodenverbände im Umgang mit den Gewässern zukünftig eigentlich besser gelöst Hier nenne ich als Beispiel die dringend notwendige werden. Feststellung, dass es als fachliche Grundlage der Ge- wässerunterhaltung bei Gewässern zweiter Ordnung ver- Zum Abschluss noch ein Wort zum Biber: Ihnen, Kolle- pflichtende Gewässerunterhaltungspläne braucht. Ohne ginnen und Kollegen von CDU und SPD, war es offen- diese Pläne kommen manche Wasser- und Bodenver- sichtlich wichtig, diese streng geschützte Art mit den bände gar nicht in die Situation, ihren Anlagenbestand Wörtern „Gefahren“ und „Schäden“ in Verbindung zu und den notwendigen Rückbau-, Erhaltungs- und Ent- bringen. Angesichts der Schäden, die wir mit den von wicklungsbedarf des Gewässersystems vollständig zu uns … erfassen. Dies war auch einer der nachvollziehbaren Kritikpunkte des Umwelt- und Landwirtschaftsministeri- (Burkhard Lenz, CDU: Das ist nicht in ums. So zeigen sich einige Wasser- und Bodenverbände Verbindung gebracht, das ist tatsächlich.) unzufrieden über angeblich steigende Anforderungen und Mehrbelastungen bei der Gewässerunterhaltung, Ach, da sitzen Sie! Ich habe gerade schon gesucht, wo konnten aber trotz mehrfacher Anfrage ihren Anlagenbe- Sie hingezogen sind, Herr Lenz. Mal die Fraktionsseite stand nicht vollständig beziffern. gewechselt.

Worum geht es da eigentlich? Eine der zentralen Fragen, (Heiterkeit vonseiten der Fraktion der SPD – die sich bei der Gewässerunterhaltung stellen, ist jene Heinz Müller, SPD: Herr Lenz nach ihrer Intensität. Wie intensiv mache ich diese Ge- ist in der Biberburg.) wässerunterhaltung? Wir gehen davon aus und kennen dafür auch zahlreiche Belege, dass eine reduzierte und Angesichts der Schäden, die wir mit den von uns Men- naturnahe Gewässerunterhaltung letztlich weniger kostet. schen verursachten Eingriffen der Natur antun, findet Das wurde von den Wasser- und Bodenverbänden über- unsere Fraktion eine solche Betrachtung einer Tierart wiegend anders gesehen. Allerdings konnten uns dahin irgendwie doch ein bisschen befremdlich. Fakt ist doch gehend wiederum keine schlüssigen Zahlen vorgelegt auch hier, dass wir weit weniger Konflikte zwischen werden, die das belegen. Fakt ist, dass große und um- Landnutzern und Bibern hätten, 50 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015

(Zuruf von Thomas Krüger, SPD) Wer dem Gesetzentwurf im Ganzen in der Fassung des Gesetzentwurfes der Fraktionen der SPD und CDU auf wenn es denn gelänge – hören Sie gut zu! –, wenn es Drucksache 6/4473 zuzustimmen wünscht, den bitte ich denn gelänge, mit Landesmitteln mehr Gewässerentwick- um ein Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Stimmenthal- lungsstreifen anzukaufen und so die Tätigkeit des Bibers tungen? – Damit ist der Gesetzentwurf der Fraktionen nicht mehr mit den angrenzenden Nutzungen kollidieren der SPD und CDU auf Drucksache 6/4473 einstimmig zu lassen. angenommen.

(Zuruf von Thomas Krüger, SPD) In Ziffer II seiner Beschlussempfehlung empfiehlt der Agrarausschuss, den Antrag der Fraktionen der CDU und Herr Krüger, Sie legen schon die Hände an den Mund. SPD auf Drucksache 6/2128 entsprechend seiner Be- Ich bin ja gespannt, was jetzt trompetet wird. schlussempfehlung anzunehmen. Wer der Ziffer II der Beschlussempfehlung zuzustimmen wünscht, den bitte (Zurufe von Thomas Krüger, SPD, ich jetzt um ein Handzeichen. – Die Gegenprobe. – und Burkhard Lenz, CDU) Stimmenthaltungen? – Damit ist die Ziffer II der Be- schlussempfehlung des Agrarausschusses mit den Das heißt, die Maßnahmen, die zur Konfliktentschärfung Stimmen der Fraktionen von SPD, CDU, DIE LINKE und beitragen, sind doch bereits bekannt, sie müssen nur im NPD, bei Gegenstimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE Landeshaushalt mit entsprechenden Positionen hinterlegt GRÜNEN angenommen. werden. Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 6: Zweite Lesung (Zuruf von Thomas Krüger, SPD) und Schlussabstimmung des Gesetzentwurfes der Lan- desregierung – Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Ände- Und deshalb wollen wir im Zuge der Haushaltsberatun- rung des Straßen- und Wegegesetzes des Landes Meck- gen die Mittel für den Erwerb von Grundstücken an Ge- lenburg-Vorpommern, Drucksache 6/4088, hierzu Be- wässern erhöhen – einer unserer Vorschläge, der leider schlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für im Ausschuss abgelehnt worden ist. Energie, Infrastruktur und Landesentwicklung, Drucksa- che 6/4606. (Burkhard Lenz, CDU: Wie viel landwirtschaftliche Gesetzentwurf der Landesregierung Nutzfläche geht eigentlich verloren?) Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Straßen- und Wegegesetzes Insofern geht Ihr Antrag auf der Drucksache 6/2128 in die des Landes Mecklenburg-Vorpommern völlig falsche Richtung und den lehnen wir deshalb auch (Zweite Lesung und Schlussabstimmung) ab. – Drucksache 6/4088 –

Ich gehe davon aus, dass wir den Gesetzentwurf und die Beschlussempfehlung und Bericht damit im Zusammenhang stehenden Drucksachen ge- des Ausschusses für Energie, Infrastruktur trennt abstimmen werden. Daher werden wir also wie und Landesentwicklung (8. Ausschuss) angekündigt dem Gesetzentwurf zustimmen und den – Drucksache 6/4606 – Beschlussempfehlungen ablehnend entgegenstehen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Das Wort zur Berichterstattung wird nicht gewünscht.

(Beifall vonseiten der Fraktion Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) nicht vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Wider- spruch, dann ist das so beschlossen. Vizepräsidentin Beate Schlupp: Weitere Wortmeldun- gen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Einzelberatung über den von der Lan- desregierung eingebrachten Entwurf eines Ersten Geset- Wir kommen zur Einzelberatung über den von den Frak- zes zur Änderung des Straßen- und Wegegesetzes des tionen der SPD und CDU eingebrachten Entwurf eines Landes Mecklenburg-Vorpommern auf Drucksache Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Bildung 6/4088. von Gewässerunterhaltungsverbänden und anderer Ge- setze auf Drucksache 6/4473. Der Energieausschuss empfiehlt in seiner Beschluss- empfehlung auf Drucksache 6/4606, den Gesetzentwurf In Ziffer I seiner Beschlussempfehlung auf Drucksa- der Landesregierung auf Drucksache 6/4088 entspre- che 6/4605 empfiehlt der Agrarausschuss, den Gesetz- chend seiner Beschlussempfehlung anzunehmen. entwurf der Fraktionen der SPD und CDU auf Drucksa- che 6/4473 unverändert anzunehmen. Ich rufe auf die Artikel 1 und 2 sowie die Überschrift ent- sprechend der Beschlussempfehlung. Wer dem zuzu- Ich rufe auf die Artikel 1 bis 3 sowie die Überschrift in der stimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Fassung des Gesetzentwurfes der Fraktionen der SPD Die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit sind die und CDU. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich Artikel 1 und 2 sowie die Überschrift entsprechend der um ein Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Stimmenthal- Beschlussempfehlung des Energieausschusses mit den tungen? – Damit sind die Artikel 1 bis 3 sowie die Über- Stimmen der Fraktionen von SPD, CDU, DIE LINKE und schrift in der Fassung des Gesetzentwurfes der Fraktio- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei Stimmenthaltung der nen der SPD und CDU einstimmig angenommen. Fraktion der NPD angenommen.

Wir kommen zur Schlussabstimmung. Wir kommen zur Schlussabstimmung. Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 51

Wer dem Gesetzentwurf im Ganzen entsprechend der Gremien, zu Tagesordnungen und Abwesenheitslisten Beschlussempfehlung des Energieausschusses auf und zu Ergebnissen der Beratung. Ich meine, das alles Drucksache 6/4606 zuzustimmen wünscht, den bitte ich sind wichtige Schritte, die wir gemeinschaftlich hier mit- um ein Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Stimmenthal- tragen sollten. tungen? – Damit ist der Gesetzentwurf entsprechend der Beschlussempfehlung des Energieausschusses auf Für die Länder war ein besonders wichtiger Aspekt, dass Drucksache 6/4606 bei gleichem Stimmverhalten ange- jetzt mehr Vertreter aus der Gesellschaft im Fernsehrat nommen. mitarbeiten können. Dazu gibt es die Vereinbarung, dass jedes Land einen Vertreter entsenden darf, und zwar aus Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 7: Erste Lesung einem auf die Länder verteilten festen Bereich. Für Meck- des Gesetzentwurfes der Landesregierung – Entwurf lenburg-Vorpommern ist das der Bereich des bürger- eines Gesetzes zum Siebzehnten Rundfunkänderungs- schaftlichen Engagements. Darüber freue ich mich sehr, staatsvertrag, Drucksache 6/4566. das entspricht der Wichtigkeit, die wir in Mecklenburg- Vorpommern dem Ehrenamt beimessen. Eines ist aller- Gesetzentwurf der Landesregierung dings klar, die Regelungen sind so, dass wir nicht hier im Entwurf eines Gesetzes zum Siebzehnten Landtag über eine bestimmte Person entscheiden, die zu Rundfunkänderungsstaatsvertrag entsenden ist, sondern – das hängt wahrscheinlich mit (Erste Lesung) der Frage der Einflussnahme im politischen Bereich – Drucksache 6/4566 – zusammen – wir haben die Möglichkeit, eine Organisati- on zu benennen hier im Landtag, die dann ihrerseits eine Das Wort zur Einbringung hat der Ministerpräsident des Person entsendet. Landes Mecklenburg-Vorpommern Herr Erwin Sellering. Artikel 2 des Gesetzes, das Ihnen vorliegt, enthält den Ministerpräsident Erwin Sellering: Sehr geehrte Frau Vorschlag, wie wir das umsetzen wollen. Es ist natürlich Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben uns in nicht einfach, da die richtige Organisation zu bestimmen. diesem Haus schon öfter mit Änderungen des Rundfunk- Viele der großen, starken Verbände und Organisationen und Medienrechts beschäftigt, im Bereich des Ehrenamtes sind schon auf anderem Weg vertreten – die Wohlfahrtsverbände, die Sportver- (Heinz Müller, SPD: Wohl wahr.) bände, die Vertreter der kommunalen Ebene –, da gibt es bei anderen Bundesländern den klaren Auftrag, jeman- mit Rundfunkänderungsstaatsverträgen. Heute liegt un- den aus diesen Bereichen zu entsenden. Deshalb könnte ser Gesetz, Landesgesetz, zu dem mittlerweile Sieb- es naheliegen, darüber müssen wir reden, anderen zehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag auf dem Tisch. Gruppen auf diesem Weg eine Chance zu geben, sich Artikel 1 unseres Gesetzes sieht die Zustimmung vor zu einzubringen für das Ehrenamt. diesem Rundfunkänderungsstaatsvertrag und dafür möchte ich ausdrücklich werben. Wichtig war mir, dass wir hier am Ende eine sehr ein- vernehmliche Lösung finden über die Parteigrenzen Die Änderungen des Siebzehnten Rundfunkänderungs- hinweg, eine Lösung, die dann wirklich eine tragfähige staatsvertrages gehen zurück auf eine Entscheidung des Grundlage für die Arbeit des von uns entsandten Mit- Bundesverfassungsgerichts vom März 2014. Nach einer gliedes im Fernsehrat bietet. Deshalb ist zunächst ein- Normenkontrollklage der Länder Hamburg und Rhein- mal ganz wichtig eine Zweidrittelmehrheit vorgesehen land-Pfalz gab es die klare Aussage des Gerichts, dass und das bedeutet, dass selbstverständlich bevor die der ZDF-Staatsvertrag in seiner bisherigen Fassung nicht Regierung etwas vorschlägt für den Landtag, vorher verfassungskonform war. Speziell die Regelungen zur konstruktive Gespräche geführt werden müssen von der Zusammensetzung von Fernsehrat und Verwaltungsrat Regierung, die einen Vorschlag des entsendenden hätten bislang gegen die Rundfunkfreiheit verstoßen. Verbandes und von den demokratischen Fraktionen im Wichtigste Forderung des Gerichts: Der staatliche Ein- Landtag machen soll, deren Zustimmung dringend not- fluss ist zu vermindern, der Anteil der staatlichen Vertre- wendig ist. ter in den Gremien ist auf ein Drittel zu begrenzen. Es geht insgesamt um eine größere Staatsferne, es geht um In der Begründung des Gesetzes ist diese vorherige mehr Transparenz in der Arbeit der Gremien – ein klarer Kontaktaufnahme ausdrücklich erwähnt und ich will Auftrag also, der jetzt umgesetzt wird. noch einmal betonen, mir liegt sehr an diesem deutli- chen Signal Richtung Konsens und Gemeinsamkeit, Zunächst wird der Fernsehrat von 77 auf 60 Mitglieder wenn wir uns hier entschließen, welchen Verband wir verkleinert, davon darf nur ein Drittel von staatlichen nehmen wollen. Institutionen entsandt werden. Das sind 16 Vertreter aus den Ländern, 2 vom Bund und 2 von den kommunalen Ich bitte um gute Beratungen im Innenausschuss und um Spitzenverbänden. Auch der Verwaltungsrat wird verklei- Zustimmung zu unserem Gesetz und damit dem Rund- nert von 14 auf 12. Außerdem darf zukünftig ein staatli- funkänderungsstaatsvertrag. – Vielen Dank. cher Vertreter in einem der Gremien frühestens 18 Mona- te nach seinem Ausscheiden erneut als Mitglied berufen (Beifall vonseiten der Fraktion der SPD werden. Darüber hinaus soll durch entsprechende Rege- und Helmut Holter, DIE LINKE) lungen eine ausgeglichene Besetzung mit Männern und Frauen im Fernsehrat sichergestellt werden, und schließ- Vizepräsidentin Beate Schlupp: Vielen Dank, Herr lich geht es darum, die Transparenzvorschriften für die Ministerpräsident. Arbeit der Gremien zu erweitern, verpflichtend zu regeln. Zukünftig sollen die Sitzungen des Fernsehrates öffent- Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache lich sein. Außerdem gibt es umfangreiche Veröffentli- nicht vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Wider- chungspflichten, zum Beispiel zur Zusammensetzung der spruch, dann ist das so beschlossen. 52 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015

Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf der Lan- ständig über Gebühren finanziert werden, die nicht ver- desregierung auf Drucksache 6/4566 zur Beratung an brauchten Mittel werden dann an die Länder zurückge- den Innenausschuss zu überweisen. Wer stimmt für den zahlt. Was wäre die Alternative? Die Alternative wäre hier Überweisungsvorschlag? – für uns in Mecklenburg-Vorpommern, dass wir selbst Personal- und Sachmittel einsetzen. Nach Schätzung der (Marc Reinhardt, CDU: Schweren Herzens.) ZLS und der bisher in diesem Bereich agierenden Prüf- behörden wäre das mit Kosten von rund 135.000 Euro Die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit ist der verbunden. Insofern bitte ich Sie um Zustimmung zum Überweisungsvorschlag mit den Stimmen der Fraktio- Gesetzentwurf. – Vielen herzlichen Dank. nen von SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei Gegenstimmen der Fraktion der NPD (Beifall vonseiten der Fraktion der SPD angenommen. und Marc Reinhardt, CDU)

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 8: Erste Lesung Vizepräsidentin Beate Schlupp: Vielen Dank, Frau des Gesetzentwurfes der Landesregierung – Entwurf Ministerin. eines Gesetzes zum Abkommen zur Änderung des Ab- kommens über die Zentralstelle der Länder für Sicher- Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache heitstechnik, Drucksache 6/4567. nicht vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Wider- spruch. Dann ist das so beschlossen. Gesetzentwurf der Landesregierung Entwurf eines Gesetzes zum Abkommen Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf der Lan- zur Änderung des Abkommens über die desregierung auf Drucksache 6/4567 zur federführenden Zentralstelle der Länder für Sicherheitstechnik Beratung an den Sozialausschuss sowie zur Mitberatung (Erste Lesung) an den Finanzausschuss zu überweisen. Wer stimmt für – Drucksache 6/4567 – diesen Überweisungsvorschlag? – Die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit ist der Überweisungsvor- Das Wort zur Einbringung hat die Ministerin für Arbeit, schlag einstimmig angenommen. Gleichstellung und Soziales Frau Hesse. Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 9: Erste Lesung Ministerin Birgit Hesse: Sehr geehrte Frau Landtags- des Gesetzentwurfes der Fraktionen der SPD und CDU – präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeord- Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Dauer- nete! Die Zentralstelle der Länder für Sicherheitstechnik, grünlanderhaltungsgesetzes, Drucksache 6/4589. kurz ZLS, ist eine eigenständige Einrichtung, die von allen Bundesländern gemeinsam getragen und finanziert Gesetzentwurf der Fraktionen wird. Sie übernimmt Aufgaben nach dem Produktsicher- der SPD und CDU heitsgesetz, wie die Benennung, die Berechtigung und Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung die Kontrolle zugelassener Überwachungsstellen nach des Dauergrünlanderhaltungsgesetzes der Betriebssicherheitsverordnung. Diese Aufgabe kann (Erste Lesung) die ZLS deutlich effizienter und kostengünstiger erfüllen, – Drucksache 6/4589 – als die Länder es einzeln tun könnten. Dieser positive Effekt soll nun auf einen weiteren Punkt übertragen wer- Das Wort zur Einbringung hat für die Fraktion der SPD den, indem die Anerkennungsverfahren und die Überwa- der Abgeordnete Herr Krüger. chung von Prüfstellen für Rohrfernleitungsanlagen eben- falls auf die ZLS übergehen, und zwar zu Beginn des (Torsten Renz, CDU: Das kann kommenden Jahres. Das vorliegende Gesetz brauchen jetzt länger dauern, jetzt geht wir, weil die angestrebte Übertragung eine Änderung des es nicht mehr so schnell voran. – Staatsvertrages nötig macht und eine solche Ihrer Zu- Wolfgang Waldmüller, CDU: Ja.) stimmung wiederum bedarf. Thomas Krüger, SPD: Frau Präsidentin! Meine sehr Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, aus Sicht geehrten Damen und Herren! der Länder und der Prüfstellen ergeben sich vor allem zwei Vorteile: (Jochen Schulte, SPD: Lass dich nicht provozieren!) Erstens. Wenn die Kompetenzen bei der ZLS gebündelt werden, garantiert das aufgrund der bundesweit verbind- Ich kann Sie beruhigen, Kollege Lenz, ich … lichen Qualitätsstandards ein ebenfalls bundesweit ein- heitliches Anerkennungsverfahren ohne lokale Sonder- (Zurufe vonseiten der Fraktion der CDU: Renz!) wege. Renz, Entschuldigung, natürlich. Wie konnte ich da eine Zweitens. Zum anderen müssen die Länder dann nicht Verwechslung vornehmen?! mehr selbst Ressourcen für die Anerkennung, Folgean- erkennung und Überwachung von Rohrfernleitungsanla- Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin! gen vorhalten, sie werden also entlastet. Im Jahr 2012 hat der Landtag das Dauergrünlanderhal- tungsgesetz verabschiedet. Dieses Gesetz ist bis zum Um besagte Aufgaben an die ZLS zu übergeben, müs- 31.12.2015 befristet. Wenn der Landtag jetzt nicht handelt, sen wir in den ersten zwei Jahren etwas Geld in die Hand würde das Gesetz zum Jahresende außer Kraft treten. nehmen. Wir rechnen nach dem Königsteiner Schlüssel mit jeweils circa 2.500 Euro. Das ist aber lediglich eine Warum hat der Landtag dieses Gesetz 2012 in Kraft Anschubfinanzierung. In der Folge soll die Aufgabe voll- gesetzt? Wir wollten seinerzeit vor dem Hintergrund der Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 53 immer kleiner werdenden Dauergrünlandfläche in unse- Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache rem Bundesland den Schutz der vorhandenen Wiesen nicht vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Wider- und Weiden erreichen. Hintergrund war und ist die be- spruch, dann ist das so beschlossen. sondere ökologische Bedeutung des Grünlandes für den Klima-, Natur-, Boden- und Gewässerschutz. Zu befürch- Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf der Frakti- ten war 2012, dass weitere Flächen umgebrochen wer- onen der SPD und CDU auf Drucksache 6/4589 zur Bera- den, weil sich bei finanzieller Betrachtung mit dem Acker tung an den Agrarausschuss zu überweisen. Wer stimmt einfach besser Geld verdienen lässt. Hier war es die für diesen Überweisungsvorschlag? – Die Gegenprobe. – Aufgabe der Politik zu handeln und hier hat die Politik Stimmenthaltungen? – Damit ist der Überweisungsvor- gehandelt. schlag mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei Stimm- Was ist in der Zwischenzeit geschehen? Wir sind jetzt in enthaltung der Fraktion der NPD angenommen. einer neuen EU-Förderperiode. In dieser Förderperiode gelten neue Vorschriften, auch für den besseren Schutz Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 10: Erste Lesung des Grünlandes. Allerdings sind die Regularien der EU des Gesetzentwurfes der Fraktionen der CDU und SPD – zum Schutz des Dauergrünlandes nicht so, dass wir Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des meinen, dass unser Gesetz zum Schutz des Dauergrün- Vergabegesetzes Mecklenburg-Vorpommern, Drucksa- landes entfallen könnte. che 6/4590.

Warum muss nun das Gesetz verlängert werden? Die EU Gesetzentwurf der Fraktionen erlaubt einen Umbruch von bis zu fünf Prozent des Dau- der CDU und SPD ergrünlandes. Dem steht zwar ein durch Bundesrecht Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung geregeltes Genehmigungsgebot gegenüber, dieses greift des Vergabegesetzes Mecklenburg-Vorpommern aber nicht in jedem fachlich erforderlichen Fall. Zudem (Erste Lesung) sind Biolandwirte und Kleinerzeuger von den Regeln zum – Drucksache 6/4590 – Erhalt des Dauergrünlandes ausgenommen, soweit es sich nicht um umweltsensible Standorte handelt. Zu be- Das Wort zur Einbringung hat für die Fraktion der CDU fürchten ist auch, dass Landwirte zeitweise auf Gree- der Abgeordnete Herr Waldmüller. ningprämien verzichten beziehungsweise Teilflächen in juristisch eigenständiger Rechtsform ausgliedern, um Wolfgang Waldmüller, CDU: Sehr geehrte Frau Präsi- umwandeln zu können. Auch scheint eine Umwandlung dentin! Meine Damen und Herren! Wir haben heute eine vor einem beabsichtigten Verkauf attraktiv. Würde das Aussprache zu einem Gesetzentwurf in Erster Lesung. Dauergrünlanderhaltungsgesetz außer Kraft treten, Die Fraktionen haben hierzu in der vergangenen Woche müsste das Land bis zu einer Grenze von fünf Prozent Anzuhörende und Fragen benannt. Die Befassung ist im Umwandlungen genehmigen. Bei einer Überschreitung Wirtschaftsausschuss auf den 5. November datiert wor- müsste das Land zudem die Rückumwandlung bezie- den. Der Wirtschaftsausschuss hat also zum jetzigen hungsweise die Neuanlage von Dauergrünland organi- Zeitpunkt die Stellungnahmen im Rahmen der Anhörung sieren. noch nicht erhalten. Da die Regierungsfraktionen dieses Gesetz einbringen, erlauben Sie mir an dieser Stelle bitte Letzteres kann dann Umwandler treffen, die regulär um- vorab einige inhaltliche Anmerkungen. gewandelt haben. Wichtig ist auch, dass Flächen, die als ökologische Vorrangflächen und Flächen, die im Rahmen Wir wollen mit dem vorliegenden Entwurf eines Ände- einer Agrarumwelt- und Klimaschutzmaßnahme brachlie- rungsgesetzes die Konsequenzen aus dem Inkrafttreten gen oder als Grünland genutzt werden, nicht zu Dauer- des Mindestlohngesetzes ziehen. Dabei folgen wir in grünland werden. Das war in der Vergangenheit ein Teilen den Empfehlungen der Wegweiser GmbH. Das Problem. Zudem reagieren wir mit dem Gesetzentwurf Gutachten wurde Anfang April 2015 dem Landtag zuge- auf ein unerwartetes Urteil des Europäischen Gerichtsho- leitet und liegt als Drucksache 6/3887 vor. Mit diesem fes. Das Gericht hat festgestellt, dass Flächen zu Dauer- Gutachten haben wir uns am 22. April 2015 an dieser grünlandstandorten geworden sind, auch dann, wenn Stelle auch schon befasst. Für die Landesregierung innerhalb der fünfjährigen Frist zwischen Grünfutterpflan- sprach damals unser Wirtschaftsminister Harry Glawe, zen gewechselt wurde. Mit unserem Gesetzentwurf wer- unter anderem auch über die Verständlichkeit und An- den die zum 1. Januar 2005 entstandenen Grünflächen wenderfreundlichkeit des Vergabegesetzes. Insbesonde- ausgenommen, wenn ein Wechsel zwischen Grünpflan- re hinsichtlich der Verständlichkeit und Anwenderfreund- zenkulturen stattgefunden hat. Auf Antrag können diese lichkeit wurde die Gelegenheit für Korrekturen genutzt. Flächen in Ackerland umgewandelt werden. Wir wollen damit auch juristische Auseinandersetzungen vermei- So werden die bisherigen Paragrafen 9 und 10 des Ver- den. gabegesetzes neu strukturiert. Der bisherige Paragraf 9 Absatz 3 entfällt. Die Vorschrift enthält einen Regelungs- Ich bitte um Überweisung des Antrages in den Aus- überschuss. Die am ehesten relevanten bundesrechtli- schuss. chen Bestimmungen, die ihr unterfallen, beispielsweise das Arbeitnehmer-Entsendegesetz oder das Mindestlohn- (Beifall vonseiten der Fraktion der SPD gesetz, sehen selbst Kontrollen und Sanktionen vor, so- und Dr. Ursula Karlowski, dass auf die Anwendung von Paragraf 10 hier verzichtet BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – werden kann. Paragraf 10 wird so formuliert, dass er der Heiterkeit bei Jochen Schulte, SPD: geringen Erforderlichkeit von Kontrollen und Sanktionen, Ich hab mich auf mehr eingestellt.) die sich aus den Änderungen von Paragraf 9 ergibt, Rechnung trägt. Zudem erhält das Land die Befugnis, die Vizepräsidentin Beate Schlupp: Vielen Dank, Herr Durchführung der Kontrollen auf eine andere Stelle zu Krüger. übertragen und die Auftraggeber so davon zu befreien. 54 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015

An einigen Stellen folgen wir der Evaluation nicht, zum mern. Diese stellten damals in ihren Stellungnahmen Beispiel hinsichtlich des Verzichts auf einen vergabespe- fest, dass sie keine Chance hatten, sich an der Erarbei- zifischen Mindestlohn. Wir halten diesen vergabespezifi- tung des Gesetzentwurfes zu beteiligen, wie es eben schen Mindestlohn trotz des Mindestlohngesetzes nicht nach der GGO, also nach der Gemeinsamen Geschäfts- für entbehrlich und haben hierauf im Landtag auch am ordnung der Landesregierung notwendig gewesen wäre. 22. April bereits hingewiesen. Andere Empfehlungen der Das heißt, die Kammerbeteiligung, die Verbändebeteili- Wegweiser GmbH werden umgesetzt. Wegen Zunahme gung ist ausgeschlossen worden und kann erst jetzt, am der Bürokratie- und Prozesskosten, vor allem bei Verga- 05.11., in der Anhörung tatsächlich erfolgen. beverfahren mit geringeren Auftragsvolumina, wird die Bagatellgrenze für Direktkäufe in Verbindung mit Para- (Jochen Schulte, SPD: Bei mir hat graf 1 Absatz 3 von 500 auf 1.000 Euro angehoben. Aus sich bis jetzt noch keiner beklagt.) dem gleichen Grund wird eine neue Wertgrenze für die Pflicht zum Hinwirken auf die Beachtung der ILO-Kern- Wie bitte? arbeitsnormen eingeführt. Die Aufgreifschwelle für Zwei- fel an der Angemessenheit des Preises wird erhöht, das (Jochen Schulte, SPD: Bei mir hat sich bis jetzt entspricht der Lage im Bereich der sogenannten europa- noch keiner beklagt. – Peter Ritter, DIE LINKE: weiten Vergaben. Geklagt wird immer bei der Opposition.)

Meine Damen und Herren, ich gehe davon aus, dass sich Ja, da sehen Sie mal, wer mit wem spricht und, Herr Schul- der Aufwand für die Vergabestellen und Unternehmen te, wer da so angesprochen wird! Da kommen die Kammern aufgrund dieser Änderungen erheblich verringern wird. und die Unternehmerverbände dann zu uns und sagen, Wir reden also über Verfahrenserleichterungen und Bü- rokratieabbau. Ich denke, hiervon können Vergabestellen (Peter Ritter, DIE LINKE: Geklagt und Unternehmen im Land nicht früh genug profitieren, wird immer bei der Opposition. – und das rechtfertigt die zügige Herangehensweise alle- Zuruf von Torsten Renz, CDU) mal. Zudem jährt sich am 01.01.2016 das Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes. Mithin treten weitere Änderun- Mensch, es wäre doch richtig gewesen, den formalen, gen in Kraft. Es ist absolut sinnvoll, dass auch im Bereich den langen Weg einzuhalten. Denn eins – Herr Schulte, der öffentlichen Auftragsvergabe zeitgleich darauf rea- vielleicht kommt das ja in der Aussprache von Ihnen oder giert wird. von Herrn Waldmüller noch –, die Eilbedürftigkeit, haben Sie mir bisher weder in einem persönlichen Gespräch Darüber hinaus wollen wir, dass das Gesetz entfristet noch im Ausschuss erklären können. wird. Wir haben hier am 22. April, als wir uns das erste Mal mit dem Evaluationsgutachten befasst hatten, frakti- (Vizepräsidentin Regine Lück onsübergreifend festgestellt, dass die Befürchtungen übernimmt den Vorsitz.) hinsichtlich des vergabespezifischen Mindestlohns nicht eingetreten sind. Das Vergabegesetz ist also keine Kon- Warum wir jetzt dieses Tempo, junkturbremse und kein Jobkiller, deswegen freue ich mich jetzt auf die Aussprache. – Vielen Dank. (Jochen Schulte, SPD: Das haben die Kammern Ihnen jetzt gesagt?) (Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU) warum wir denn dieses Tempo machen, das würde mich ja wirklich mal interessieren. Vizepräsidentin Beate Schlupp: Im Ältestenrat ist ver- einbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis Also die Kammern haben sich beschwert, es gab keine zu 90 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu kei- ordnungsgemäße Vorbereitung der Anhörung innerhalb nen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröff- des Regierungsverfahrens. Gut, Sie machen Ihr Tempo ne die Aussprache. und Sie wollen offenbar diese politische Vereinbarung, die Sie getroffen haben, ohne weitere Diskussion durchwin- Das Wort hat für die Fraktion DIE LINKE der Fraktions- ken. So weit war es die Stellungnahme der Kammern vorsitzende Herr Holter. 2012, die ist aber auf heute auch wieder anzuwenden. Genau das Gleiche passiert eben jetzt. Das Wirtschaftsmi- Helmut Holter, DIE LINKE: Frau Präsidentin! Meine nisterium erarbeitet ein Gesetz, Sie bringen das ein, Sie Damen und Herren! wollen das hier durchprügeln, wollen möglichst noch bis Ende des Jahres damit durchkommen – ohne Verbände- Irgendwie, Herr Waldmüller, fühle ich mich in das Jahr 2012 anhörung, mit wenig Vorbereitungszeit und am besten zurückversetzt, ohne Änderungen –, und was dabei herauskommt, liegt uns heute hier vor. (Marc Reinhardt, CDU: Oha!) Hut ab, Sie bleiben Ihrer politischen Linie treu, auch beim denn das, was wir heute erleben, erlebten wir bereits 2012. Vergabegesetz! Es regiert die Stagnation, es regiert die Auch damals kam der Gesetzentwurf aus den Reihen der Mutlosigkeit, es regiert die Ideenlosigkeit, es regiert die Koalition in den Landtag. Arroganz, es regiert die Ignoranz, es regiert die Unproduk- tivität – zusammengefasst: Sie, SPD und CDU, regieren. (Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE) (Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE) Gut, das ist ab und zu mal Usus, aber Sie haben ja da- mals heftige Kritik bekommen von den Unternehmerver- Meine Damen und Herren, ich will Ihnen das auch deut- bänden und auch von den Industrie- und Handelskam- lich machen. Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 55

(Jochen Schulte, SPD: Das war der sondern es ist eine Kritik an dem ineffizienten, unver- Höhepunkt der heutigen Rede, Herr Holter.) ständlichen und intransparenten Kontrollsystem.

Ich will Ihnen das auch deutlich machen. Sie waren nicht Zweitens. Sie wollen – das war ja wohl ein langer Diskus- dabei, aber Ihr Kollege Albrecht und Herr Waldmüller sionsprozess, wie ich dem Vernehmen nach registriert waren unter anderem dabei und, wenn ich mich richtig habe – die 8,50 Euro weiterhin festschreiben in dem erinnere, von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN war Kollege Vergabegesetz, falls – ich weiß nicht, ob die Gefahr be- Jaeger dabei. Es gab den Parlamentarischen Abend des steht – der Mindestlohn auf Bundesebene fällt. Das nenne Ingenieurrates, ich „Verwalten des Erreichten“. Eines kann ich Ihnen aber bereits bei dieser Ersten Lesung versprechen: Wir werden (Rainer Albrecht, SPD: Korrekt.) uns mit einer weiteren Festschreibung von 8,50 Euro nicht zufriedengeben. und da haben wir auch über diese Fragen gesprochen, was eben das Vergabegesetz für die freien Berufe be- (Torsten Renz, CDU: Das ist klar. deutet. Da gab es dann eine Verwaltungsvorschrift aus Sie wollten ja schon vor zwei Jahren 10 Euro.) dem Juni 2015. Aber die Ingenieure, die Mitglieder des Ingenieurrates haben sich natürlich gewünscht, dass das, Wir wollen, dass das Land vorangeht und als gutes Bei- was jetzt mit der Verwaltungsvorschrift geregelt wurde, spiel hohe Maßstäbe setzt. auch gesetzlich geregelt wird, damit sie ihre Belange in dem Vergabegesetz Mecklenburg-Vorpommern finden Was war denn heute Morgen in der Regierungserklärung können. Deswegen frage ich mich: Wo ist denn Ihre vom Ministerpräsidenten zu hören? Es geht um Tarif- Reaktion auf diesen Parlamentarischen Abend des Inge- treue. nieurrates? Wo ist denn der Wunsch des Ingenieurrates, dass sie eingeladen werden zu der Anhörung? Das ha- (Torsten Renz, CDU: Außerdem stehen ben Sie nicht zustande gebracht! Wir haben vorgeschla- ja auch Landtagswahlen vor der Tür.) gen, den Ingenieurrat einzuladen. Genau das ist, glaube ich, eine Frage, die man hier ganz (Jochen Schulte, SPD: Sehr gut, ja. – konkret mit zur Anwendung bringen muss, Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE) (Jochen Schulte, SPD: Dass wir das am Ende miteinander verabredet haben, ist Haben Sie einen Vorschlag?) in Ordnung. Ich will bloß deutlich machen, wie Sie das umsetzen, was Bürgerinnen und Bürger, in dem Falle und wo man natürlich nicht bei 8,50 Euro stehen bleiben Ingenieurinnen und Ingenieure, Ihnen beim Parlamenta- darf, rischen Abend ins Hausaufgabenheft schreiben: Sie setzen es gar nicht um! (Wolfgang Waldmüller, CDU: Wie viel wollen Sie denn?) (Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE) sondern tatsächlich auch ein Stück höher gehen muss, Wenn ich mir jetzt den Gesetzentwurf im Einzelnen an- selbstverständlich. Und da reden wir ... schaue, dann frage ich mich: Holla, wo ist denn nun eigentlich die Aufregung? Wo ist eigentlich das Moment, (Torsten Renz, CDU: Landtagswahlen wo man jetzt euphorisch sagen müsste, das Gesetz wird stehen vor der Tür, also Zahlen raus!) geändert? Herr Renz, ich bin ja mal gespannt auf eine Ihrer nächs- Das Erste, was Sie machen – Herr Waldmüller, Sie sind ten Reden. in der Begründung darauf eingegangen –, die Landesre- gierung will Kompetenzen abschieben, weil das verwirkte (Torsten Renz, CDU: Ja.) Kontrollmanagement bei der öffentlichen Auftragsverga- be nicht umgesetzt wurde, und Sie wollen eben dieses Ja, und dann unterhalten wir uns noch mal, was vor der Kontrollmanagement unter den Tisch kehren. Das Land Tür steht oder auch nicht. selbst ist nicht in der Lage zu kontrollieren. Ich will nur mal daran erinnern, wir haben damals in der Debatte, (Torsten Renz, CDU: Ich will aber sowohl bei der Einbringung des Gesetzes als auch bei jetzt mal eine konkrete Antwort!) der Verabschiedung dieses Gesetzes und in der Debatte im April, darauf aufmerksam gemacht, dass es notwendig Das sind also Maßstäbe, die Sie hier nicht setzen, und ist, die Kontrollen zu organisieren und die Kontrollen deswegen können wir so auch nicht mitgehen. wirklich konsequent durchzuführen. Was wird also ge- macht? Sie gehen nicht einen Schritt nach vorne mit dem Drittens. Das ist ja nun überhaupt der Gipfel: Sie wollen Gesetzentwurf, sondern Sie gehen hundert Schritte zu- das Gesetz entfristen. Also es gibt hier im Zusammen- rück! Das nennt sich verschleiern und sich zu verstecken, hang mit dem Demokratieabbau, nein, mit dem Bürokra- anstatt sich den Problemen zu stellen! tieabbau, Entschuldigung,

Sie wollen die Aufgaben übertragen und delegieren. Es (Udo Pastörs, NPD: Freud‘scher Versprecher.) ist natürlich einfacher, das zu tun, als sein eigenes Ma- nagement, Herr Glawe, zu überprüfen und zu verbes- dem Bürokratieabbau in Mecklenburg-Vorpommern eine sern. Deswegen will ich hier noch mal mit aller Deutlich- Verabredung. Es gibt eine Verabredung, dass Gesetze keit hervorheben: Das ist keine Kritik am Personal, das befristet werden. Warum Sie jetzt dieses Gesetz gerade sich tagaus, tagein genau mit diesen Fragen beschäftigt, entfristen wollen, weiß ich nicht. 56 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015

Auch da werden wir nicht mitspielen, weil wir es für not- (Minister Harry Glawe: Stimmt doch nicht! – wendig halten, dass wir uns ein Mal in der Legislaturperi- Peter Ritter, DIE LINKE: Na, Ruhe da oben!) ode – mindestens ein Mal! – als Parlament mit diesem Gesetz beschäftigen, mit den Wirkungen und auch mit Das muss man doch mal regeln können! Kein Wort über den Folgen dieses Gesetzes, und möglicherweise be- die Behandlung der Freiberufler, darüber hatte ich schon steht ja tatsächlich Korrekturbedarf. im Zusammenhang mit dem Ingenieurrat gesprochen.

Mehr, meine Damen und Herren – wir haben ja kaum (Jochen Schulte, SPD: Herr Kollege, Zuschauer –, das ist doch schon geregelt.)

(Torsten Renz, CDU: Gar keine Zuschauer.) Ja, und was ist denn nun eigentlich, mehr, meine Damen und Herren, steht in diesem Ge- (Jochen Schulte, SPD: Sie müssen sich mit setzentwurf nicht. den bestehenden Gesetzen beschäftigen!)

Nun will ich Sie fragen: Was ist denn mit den Schlussfol- Herr Schulte, was ist denn nun eigentlich mit sozialen gerungen aus dem Evaluationsbericht? Wir wollten ja am und umweltbezogenen Kriterien oder Innovationen, die Donnerstag im Ausschuss genau darüber reden. Die bei der Auftragsvergabe nach unserer Auffassung be- Tagesordnung hieß „Bericht der Landesregierung über rücksichtigt werden sollten? Nichts davon finde ich in ihre Schlussfolgerungen aus der Evaluation“. Die Lan- diesem Gesetzentwurf. Also Sie machen hier im Prinzip desregierung war gar nicht anwesend. ein bisschen Verwaltung, die wird in diese Paragrafen hineingeschrieben, die werden dann verändert und es (Peter Ritter, DIE LINKE: wird entfristet. Mehr ist aber nicht zu finden! Das ist ja wohl der Gipfel!) Wir haben bereits 2012 genau auf diese sozialen und Ja. Schlussfolgerungen wurden auch nicht vorgelegt, ökologischen Belange hingewiesen, haben auch konkre- sondern die Ministeriumsmitarbeiter – die ja eigentlich gar te Vorschläge gemacht. Sie wussten es damals ja wieder keine Schuld haben, die hätten auch die Fragen beantwor- besser. ten können – wollten nur auf Fragen der Abgeordneten antworten. (Heiterkeit bei Jochen Schulte, SPD: Nicht nur damals.) (Heiterkeit bei Torsten Renz, CDU) Aber wie die Evaluierung zeigt, und genau die Evaluie- Herr Glawe, ich muss Ihnen sagen, Sie waren nicht da, rung beschreibt das: Sie wussten es eben nicht besser! Ihre Hausspitze war nicht da und die Ministeriumsmitarbei- ter haben nicht die Schlussfolgerungen, weder schriftlich Ich will mich noch auf das Europäische Parlament und den noch mündlich, vorlegen können. Und wenn das Gesetz, Europäischen Rat berufen. Die haben in einer Richtlinie das heute hier vorliegt, die Schlussfolgerungen aus der zur öffentlichen Auftragsvergabe klargestellt, ich darf kurz Evaluation enthält, dann frage ich, wie Sie arbeiten und zitieren, Zitat: „Forschung und Innovation, einschließlich wie Sie Ihr Haus, das Wirtschaftsministerium führen. Öko-Innovation und sozialer Innovation, gehören zu den Haupttriebkräften künftigen Wachstums und stehen im (Minister Harry Glawe: Mittelpunkt der Strategie Europa 2020 für intelligentes, Ich führe das gut, sehr gut.) nachhaltiges und integratives Wachstum. Auftraggeber sollten die öffentliche Auftragsvergabe strategisch optimal Und deswegen … nutzen, um Innovationen voranzutreiben.“ Soweit dieses Zitat. (Zuruf von Minister Harry Glawe) Wie weit halten Sie sich eigentlich an diese Richtlinie und Ja, deutlich. Sie haben den Evaluationsbericht gelesen. was finde ich davon in dieser Novelle des Vergabegeset- Heißt es nicht in der Evaluation, dass es einen Rückgang zes? Nichts! Auch die Modernisierungen der öffentlichen von kleinen und mittleren Unternehmen an den öffentli- Vergaben auf Bundesebene gehen in diese Richtung. chen Aufträgen gibt? Sie beteiligen sich nicht mehr. Wel- Aber das scheint Ihnen alles wurscht zu sein, Sie ziehen che Schlussfolgerungen ziehen Sie denn daraus? Wollen hier Ihren Stiefel durch. Wie sagte bereits Johann Wolf- Sie dabei bleiben oder wollen Sie Möglichkeiten schaf- gang von Goethe? „Der eine wartet, daß die Zeit sich fen, dass sich mehr kleine und mittelständische Unter- wandelt, der andere packt sie kräftig an und handelt.“ nehmen daran beteiligen? Aber vom Anpacken und Handeln sind Sie weit entfernt!

Kein Wort finde ich darüber, wie es denn um das Verhält- (Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE) nis vom billigsten zu dem wirtschaftlichsten Angebot steht. Nach wie vor wird das billigste Angebot genommen. Meine Damen und Herren, es wäre sinnvoll und geboten gewesen, wenn wir uns als Erstes über die Schlussfolge- (Minister Harry Glawe: Das stimmt ja nicht!) rungen der Landesregierung aus dem Evaluationsbericht unterhalten hätten und dann ein Gesetzentwurf vorgele- Wir sind uns doch politisch alle einig, gen hätte. Dazu ist es nicht gekommen, die Chance wurde vertan. Jetzt haben wir ein anderes Verfahren, (Minister Harry Glawe: Stimmt ja nicht!) aber ich kann Ihnen auch so sagen, denn wir haben uns mit dieser Frage – nicht nur mit der Evaluation, sondern dass das wirtschaftlichste Angebot genommen werden auch mit dem Leben – intensiv auseinandergesetzt, das, sollte. was Sie hier vorlegen, ist keinen Schuss Pulver wert. Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 57

Dieses Vergabegesetz ist ein Instrument, um bedeutende Nach Erkenntnissen der Gutachter sind die mit der Einfüh- strategische und politische Ziele zu erreichen, aber Sie rung des Vergabegesetzes befürchteten negativen Auswir- vergeben diese Chance und nutzen dieses Instrument kungen weitestgehend nicht eingetreten. Also alles das, was nicht, und wir sind mit der Europäischen Union hier im Sie hier an Beispielen gebracht haben, ist nicht eingetreten. Einklang, das habe ich eben bewiesen. (Dietmar Eifler, CDU: Aha!) (Jochen Schulte, SPD: Na, das ist noch die Frage, Herr Holter!) Das Gesetz hat danach einen positiven Beitrag zur Rechtssicherheit bei der Vergabe öffentlicher Aufträge Deswegen bin ich der Überzeugung, wir haben noch eine geleistet, in gewissem Maße auch zur Erreichung wirt- spannende Zeit vor uns. schafts- und sozialpolitischer Ziele, Herr Holter. Unter- nehmen und Vergabestellen hatten zuvor eine Steige- Das, was Sie hier vorlegen, ist juristisch alles in Ordnung, rung der internen Bürokratie- und Prozesskosten sowie Herr Schulte, aber es wird, glaube ich, den Herausforde- der Bearbeitungsdauern zu verzeichnen. Ein dauerhafter rungen und dem, was für die öffentliche Auftragsvergabe Mehraufwand konnte aber nicht bestätigt werden, Herr in Mecklenburg-Vorpommern notwendig ist, in keiner Holter. Bei den befragten Vergabestellen ist somit auch Weise gerecht. – Ich danke für die Aufmerksamkeit. kein zusätzlicher Personalbedarf entstanden. Es wurden interne Umstrukturierungen vorgenommen. (Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE) Die Steigerungen haben dazu beigetragen, dass eine Vizepräsidentin Regine Lück: Das Wort hat nun der gewonnene Routine im Umgang mit dem Vergabegesetz Minister für Wirtschaft, Bau und Tourismus Herr Glawe. festzustellen ist. Auf der Grundlage der gewonnenen Bitte. Erkenntnisse hat die Wegweiser GmbH Empfehlungen für eine behutsame Weiterentwicklung des Vergabege- Minister Harry Glawe: Sehr geehrte Frau Präsidentin! setzes Mecklenburg-Vorpommerns gegeben. Mit dem Meine Damen und Herren! Im Zusammenhang mit der jetzt beabsichtigten Änderungsgesetz werden die Konse- Aufnahme der Mindestlohnregelung in das Vergabege- quenzen aus dem Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes setz Mecklenburg-Vorpommerns hat der Landtag Meck- auf Bundesebene gezogen, Herr Holter. Zugleich wird die lenburg-Vorpommern im Juni 2012 die Evaluierung des Gelegenheit für Korrekturen genutzt, die unter anderem Vergabegesetzes beschlossen. Verständlichkeit und Anwenderfreundlichkeit des Geset- zes erhöhen, Herr Holter, ich kann Ihren Ärger verstehen, das Verga- begesetz ist ja ein Ergebnis von Koalitionsverhandlun- (Peter Ritter, DIE LINKE: Herr Holter!) gen, an denen Sie nicht teilgenommen haben. Herr Holter. (Helmut Holter, DIE LINKE: Da kennen Sie mich aber schlecht!) (Heiterkeit vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Ja, so ist das, und von daher kann ich auch Ihren Ärger Im Wesentlichen geht es um folgende Punkte: Es wird verstehen. sichergestellt, dass bei öffentlichen Aufträgen in jedem Fall ein Mindestlohn von 8,50 Euro gezahlt wird. Außer- (Helmut Holter, DIE LINKE: dem werden verfahrenstechnische Erleichterungen für Das ärgert mich überhaupt nicht.) Unternehmen und Vergabestellen vorgesehen. Nament- lich werden die bisherigen Vorschriften über weiterge- Aber entscheidend ist, hende Anforderungen sowie Kontrollen und Sanktionen neu gefasst, Herr Holter. (Helmut Holter, DIE LINKE: Ich hätte ein besseres Vergabegesetz (Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: gemacht, und das ärgert mich.) Geben Sie ihm doch Ihre Rede!) entscheidend ist, dass wir dieses Vergabegesetz auf den Im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs können Weg gebracht haben und dass mittlerweile der Bund künftig nicht nur Tarifverträge aus Mecklenburg-Vorpom- nachgezogen hat. mern, sondern auch Verträge aus dem übrigen Bundesge- biet als repräsentativ angesehen werden. Die Palette der (Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/ Tarifverträge, die künftig als Maßstab für eine angemesse- DIE GRÜNEN: Speerspitze!) ne Entlohnung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Bereich dienen kann, wird damit erweitert. Von daher müssen wir nicht mehr alles regeln, sondern wir haben Dinge, Kontrollen, wie sie zum Beispiel durch (Peter Ritter, DIE LINKE, und den Zoll gewährt werden müssen. Das Wirtschaftsminis- Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Herr Holter!) terium hat 2013 hierzu ein Gutachten auf den Weg ge- bracht, das Sie auch haben, Herr Holter. Das stärkt den Wettbewerb. Vielen Dank, Herr Holter.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Ja.) (Heiterkeit vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Das Gutachten wurde im April dem Landtag zugeleitet Der bisherige Paragraf 9 Absatz 3 des Vergabegesetzes und liegt auf Drucksache 6/3887 vor. entfällt. Die Vorschrift enthält einen sogenannten Rege- lungsüberschuss. Sie verlangt die Einhaltung ohnehin (Helmut Holter, DIE LINKE: Habe ich gelesen.) geltender bundesrechtlicher Bestimmungen, Herr Holter, 58 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 wie zum Beispiel des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sehr geehrte und neuerdings des Mindestlohngesetzes, Herr Holter. Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kolle- Diese Gesetze sehen für sich selbst Kontrollen und gen! Sehr geehrter Herr Kollege Renz, Sanktionen vor, sodass auf eine Anwendung des Para- grafen 10 des Vergabegesetzes hier verzichtet werden (Simone Oldenburg, DIE LINKE: kann, Herr Holter. Lieber Herr Holter!)

(Torsten Renz, CDU: Und Frau Holter.) lieber Herr Holter!

Meine Damen und Herren, Sie sehen also, dass wir es (allgemeine Heiterkeit und Unruhe) uns nicht leicht gemacht haben mit dem, was Herr Holter hier unterstellt. Wir sind der Überzeugung, dass wir eine Ja, ich war schon, sehr geehrter Herr Kollege Glawe, Formulierungshilfe für die Fraktionen zur Verfügung ge- einigermaßen fasziniert – aber das war ich schon bei der stellt haben, die sich sehen lassen kann und die auch Debatte, die ein bisschen zurückliegt –, jeder Kontrolle standhält. Von daher kann ich nur die Annahme empfehlen. Machen Sie noch eine vernünftige (Zuruf von Johannes Saalfeld, Anhörung, und dann wird die abgewogen! BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Helmut Holter, DIE LINKE: Die Kollegen wie sich die CDU tatsächlich vom größten Skeptiker hören ja nicht auf mich. – Jochen Schulte, SPD: des Mindestlohns und des Vergabegesetzes plötzlich Wir machen schon eine vernünftige Anhörung.) zur Speerspitze dieser sozialpolitischen Errungen- schaft hervortut. Von daher glauben wir, dass wir zum Jahresende ein Vergabegesetz haben, das dem Land zur Ehre gereicht, (Minister Harry Glawe: Da können Sie mal sehen!) Herr Holter. Ich hätte nicht gedacht, dass hier mal die Argumente (Torsten Renz, CDU: Wer ist der meistgenannte vorgetragen werden, und zwar durch den Minister zu- Politiker hier im Raum? – allgemeine Heiterkeit) gunsten der Landesregierung, welche Befürchtungen alle nicht eingetreten sind bei der Realisierung des Vergabe- Meine Damen und Herren, der Aufwand für Vergabestellen gesetzes. und Unternehmen wird sich auf diese Weise erheblich ver- ringern. Er wird sich weiter durch großzügige Bagatellgren- (Minister Harry Glawe: Ja, sehen Sie!) zen vermindern. Künftig gilt das Gesetz für Bauleistungen erst ab einem Wert von 50.000 Euro und für Dienstleistun- Ich erinnere mich gut daran, gen ab einem Wert von mehr als 10.000 Euro. Also auch dort wurde einiges geleistet. Die Aufgreifschwelle für Zweifel (Beifall vonseiten der Fraktionen an der Angemessenheit des Preises wird erhöht. – Sie DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) haben ja vorhin gesagt, es passiert nichts. ich erinnere mich gut daran, dass es gerade CDU- (Heiterkeit bei Simone Oldenburg, DIE LINKE: Vertreter waren, die den Untergang der Wirtschaft in Wer hat das gesagt?) Mecklenburg-Vorpommern prophezeit haben, wenn wir hier einen Mindestlohn von 8,50 Euro über das Vergabe- Maßgeblich ist künftig eine Abweichung von mindestens gesetz einführen. 20 Prozent von den Preisen anderer Bieter, Herr Holter. Also, bitte lesen! (Minister Harry Glawe: Da gehörte ich aber nicht zu. – (Bernd Schubert, CDU: Torsten Renz, CDU: Wenn Sie so was in Er kriegt bald rote Ohren.) den Raum stellen, dann kommen Sie bitte mit Zitaten und machen das nicht so pauschal!) Von daher kann ich mir jetzt weitere Ausführungen er- sparen. Dass Ihnen das unangenehm ist und dass Sie jetzt an- fangen, mit Zitaten zu agieren, wo Sie ganz genau wis- (Helmut Holter, DIE LINKE: Schade! – sen, Herr Renz, dass die größten Skeptiker gegenüber Simone Oldenburg, DIE LINKE: Ist gut.) dem Mindestlohn in Ihren Reihen zu suchen sind – und da kann man reihenweise Zitate bringen –, Ich hoffe, dass wir dann im Dezember ein Gesetz haben, das sich sehen lässt. – Vielen Dank. (Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall vonseiten der Fraktion der CDU) das ist in der Tat ein Wegducken vor der Wahrheit, die es Vizepräsidentin Regine Lück: Das Wort hat der Frakti- hier an der Stelle gegeben hat. onsvorsitzende und Abgeordnete Herr Suhr von BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN. (Zurufe von Harry Glawe, CDU, und Torsten Renz, CDU) (Torsten Renz, CDU: Den Namen habe ich heute noch gar nicht gehört. – So, und jetzt kann man sich mal angucken, wie das denn Heiterkeit vonseiten der Fraktion der CDU – im Wirtschaftsausschuss gelaufen ist. Der Kollege Holter Torsten Renz, CDU: Der kleinere Oppositionspartner hier.) (Harry Glawe, CDU: Genau.) Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 59 ist ja darauf eingegangen. Ich möchte das noch ein biss- (Harry Glawe, CDU: Jaja, genau. Das ist auch chen weiter ausbauen. richtig so. – Jochen Schulte, SPD: Das ist auch richtig so.) (Harry Glawe, CDU: Ja.) Dass das inzwischen das Agieren der Landesregierung Da sollte ja die Landesregierung hergehen und einmal ersetzt, ist mir neu. Man kann zwar das Gefühl haben, darüber berichten, welche Konsequenzen sie aus der aber da ist, glaube ich, schon noch mal ein kleiner Unter- Evaluierung zieht. Und in der Tat gab es dann keinen schied dazwischen. Bericht, sondern die Bereitschaft, na ja, wir könnten ja Fragen beantworten – Sie haben das ausgeführt. (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Vielleicht kann man das ja abgestimmt machen?) (Harry Glawe, CDU: Fragen haben Sie nicht gestellt.) Und wenn man sich jetzt in der Tat mal anschaut, was kommt dabei heraus, dann hat die SPD – das ist jetzt eine Was ich dann in der Tat ganz erstaunlich finde, ist, dass Mutmaßung – ganz mühevoll gerettet, dass die 8,50 Euro sich plötzlich der wirtschaftspolitische Sprecher der Lan- noch im Gesetz drinbleiben, desregierung beziehungsweise des Wirtschaftsministeri- ums, Herr Waldmüller, hinstellte und sagte, (Heiterkeit bei Harry Glawe, CDU – Zuruf vonseiten der Fraktion der SPD: Nein!) (Zuruf von Torsten Renz, CDU) ja, dass die 8,50 Euro noch im Gesetz drinbleiben, na ja, im Antrag der CDU- und SPD-Fraktion sehen Sie das Ergebnis dessen, was die Landesregierung als Er- (Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD) gebnis herausgezogen hat. Also aus dem Landtag her- aus wird jetzt tatsächlich schon berichtet, was die Lan- und Sie ducken sich weg vor den zentralen Auseinander- desregierung denn für Ergebnisse aus einer Evaluierung setzungen, die wir in der Diskussion um das Vergabege- herauszieht. Das ist in der Tat etwas, was parlamenta- setz hier miteinander geführt haben. risch überhaupt nicht geht, sehr geehrte Damen und Herren! (Zuruf von Torsten Renz, CDU)

(Unruhe vonseiten der Fraktionen Es gibt überhaupt nichts im Landesregierungs-CDU- der SPD und CDU) SPD-Antragsverfahren zum Gesetzentwurf/zur Novellie- rung zu der Frage beispielsweise: Wie müsste man denn Und wenn man sich das jetzt mal inhaltlich anguckt ... möglicherweise den Mindestlohn in den nächsten Mona- ten und Jahren anpassen? (Harry Glawe, CDU: Sie haben doch das Gutachten (Torsten Renz, CDU: seit Monaten in der Tasche!) Was wünschen Sie denn?)

Wir haben, sehr geehrter Herr Kollege Glawe, das Gut- Was ist mit der Dynamisierung? achten seit Monaten in der Tasche, (Zuruf von Harry Glawe, CDU) (Harry Glawe, CDU: So ist es.) Da fragt der Kollege Renz, was ich mir wünsche. und die logische Schlussfolgerung war, (Torsten Renz, CDU: 2016, (Harry Glawe, CDU: was wünschen Sie sich?) Sie haben es in der Tasche.) Ich kann mir vorstellen, dass wir im Wirtschaftsausschuss dass der Wirtschaftsausschuss selbstverständlich auf darüber debattieren, ob wir zum Beispiel eine Regelung Antrag der Fraktion der LINKEN fragt: Welche Konse- wie in Schleswig-Holstein einführen, quenzen, welche Schlüsse (Harry Glawe, CDU: Nein.) (Helmut Holter, DIE LINKE: Das wollten wir ja mal hören.) wo es eine Dynamisierung gibt, zieht denn die Landesregierung aus dem Gutachten? (Harry Glawe, CDU: Nein.)

(Harry Glawe, CDU: die an die unterste Tarifgruppe angelehnt ist. Kein Wort Das liegt doch auf dem Tisch!) davon!

Das Gutachten ist doch nicht der alleinige Selbstzweck, (Harry Glawe, CDU: Mindestlohn ist sondern es geht doch darum, welche Konsequenzen Sie Bundesgesetzgebung, Herr Kollege.) ziehen! Das Wort „Dynamisierung“ findet sich überhaupt nicht in (Harry Glawe, CDU: Ihrem Gesetzentwurf. Sie haben doch alles liegen!) (Harry Glawe, CDU: Ich habe hier einen CDU-SPD-Antrag vorliegen. Brauchen wir ja auch nicht.) 60 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015

Kein Wort in Ihrem Gesetzentwurf zu der zentralen Fra- begesetz die entsprechenden konsequenten Regelungen ge: … definieren.

(Harry Glawe, CDU: Es gibt (Beifall vonseiten der Fraktion ein Bundesgesetz dazu.) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es war eine zentrale Auseinandersetzung hier im Landtag. Da werden wir die entsprechenden Vorschläge machen. Auf die Debatte sowohl in der Anhörung wie auch in der … Was ist denn mit den Kommunen, wenn man denn ein Auswertung freue ich mich schon heute. – Herzlichen Vergabegesetz will? Dank.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU) (Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Und kein Wort darüber: Was ist denn mit den inhaltlichen Kriterien, die man in ein Vergabegesetz hineinschreiben Vizepräsidentin Regine Lück: Das Wort hat der Abge- kann? ordnete Herr Schulte von der Fraktion der SPD.

(Harry Glawe, CDU: Wisst ihr doch alles!) Jochen Schulte, SPD: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Vorab zwei Selbstverständlich kann man soziale, ökologische Krite- Anmerkungen, einmal zu dem Punkt, den der Kollege rien in ein Gesetz hineinschreiben. Das ist auch unser Holter angesprochen hat, „wirtschaftliches Angebot“, und Selbstverständnis und ich kann Ihnen jetzt schon sagen, dass das doch endlich in das Gesetz reinformuliert wer- wir werden das zum Gegenstand der Beratungen im den sollte, und zu der Frage „zusätzliche Anforderun- Wirtschaftsausschuss machen. gen“, also zum Beispiel soziale, umweltbezogene, inno- vative Aspekte. Das haben Sie auch angesprochen, Herr (Jochen Schulte, SPD: Das werden Sie Kollege Suhr. Da kann ich Ihnen nur etwas sagen, was nicht! – Zuruf von Harry Glawe, CDU) man als Student der Rechtswissenschaften, ich glaube, im ersten Semester lernt: Ein Blick ins Gesetz erleichtert Selbstverständlich! die Rechtsfindung.

(Jochen Schulte, SPD: Schauen Sie in den Paragrafen 7 Absatz 1 rein! Da ist Das werden Sie nicht, das steht ausdrücklich geregelt, dass nicht das preiswerteste oder nämlich schon im Gesetz drin, Herr Suhr.) das billigste, sondern das wirtschaftlichste Angebot den Zuschlag erhalten soll. Wir haben bereits vor Jahren in Wenn Sie die Evaluierung, Herr Kollege Schulte, richtig dieses Gesetz hineingeschrieben, nach welchen Kriterien lesen, das wirtschaftlichste Angebot zu ermitteln ist. Im Paragra- fen 5, wenn ich das richtig im Kopf habe, Herr Kollege (Jochen Schulte, SPD: Ja.) Suhr, steht unter anderem drin, dass die jeweilige Verga- bestelle, der jeweilige Auftraggeber zusätzliche Anforde- dann können Sie auch lesen, dass 60 Prozent – so ist, rungen stellen kann: soziale, umweltbezogene und inno- glaube ich, die Zahl – aller Vergaben auf diese Möglich- vative Aspekte. Dass wir natürlich in einem Gesetz nicht keit überhaupt nicht zurückgreifen. das ausformulieren, was in der konkreten Vergabe je- weils an zum Beispiel innovativen Aspekten hineinformu- Nun kann ich mir politisch sehr wohl die Frage stellen, liert werden soll, das ist, glaube ich, etwas Selbstver- was wir tun müssen, dass in stärkerem Maße inhaltliche ständliches, weil ein Gesetz einen abstrakten Inhalt von Kriterien Berücksichtigung finden. einer Vielzahl von Fällen regelt und nicht eine einzelne Vergabe. (Jochen Schulte, SPD: Tun Sie das!) (Der Abgeordnete Jürgen Suhr Genau, bittet um das Wort für eine Anfrage.)

(Jochen Schulte, SPD: Tun Sie Und jetzt würde ich Ihnen auf die Frage ... das auch in Stralsund! Da sind Sie doch in der Stadtvertretung.) Vizepräsidentin Regine Lück: Herr Schulte! Herr Schulte! und deshalb werden wir das im Wirtschaftsausschuss Jochen Schulte, SPD: ... der Präsidentin gern das Wort thematisieren. Das ist meine Ankündigung an dieser erteilen. Stelle. Dass wir da möglicherweise unterschiedliche Auffassungen haben, das kann ich mir heute schon vor- Vizepräsidentin Regine Lück: Herr Schulte, Sie haben stellen. gar nicht das Wort zu erteilen. Das Wort erteile ich. Punkt eins. (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Möglicherweise?!) (Heinz Müller, SPD: Aber ich sage an dieser Stelle auch, wenn wir mit öffent- Er hat ja gesagt, ich würde.) lichen Geldern hantieren, wenn wir sie vergeben, dann verkommen unsere Zielsetzungen, was Klimaschutz Ja, genau. angeht, was ökologische Standards angeht, was soziale Standards angeht, die wir hier immer so schön wohlfeil Ich frage Sie: Lassen Sie die Frage des Abgeordneten halten, zu Fensterreden, wenn wir nicht in einem Verga- und Fraktionsvorsitzenden zu? Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 61

Jochen Schulte, SPD: Jetzt muss ich ganz schwer über- trag für die Beschaffung von Bleistiften, Spülen, Automo- legen, aber ja, Herr Kollege Suhr. bilen oder sonst irgendwas erteilt werden soll –, eine Mindestquote von, sagen wir mal, innovativen Aspekten (Heiterkeit bei Heinz Müller, SPD) von 60 Prozent bei jeder Vergabe einzuhalten, wenn Sie also vermuten, dass das reingeschrieben werden soll, Vizepräsidentin Regine Lück: Gut. Also dann haben dann gehen Sie recht in Ihrer Annahme, dass wir das Sie, Herr Fraktionsvorsitzender, das Wort zur Frage. nicht vorhaben.

(Torsten Renz, CDU: Da kann (Beifall Heinz Müller, SPD, nichts Gutes bei rauskommen.) und Dietmar Eifler, CDU)

Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ich danke Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Vielen Dank. Ihnen, Herr Kollege Schulte. Jochen Schulte, SPD: Sehr geehrte Frau Präsidentin, Welche Schlüsse ziehen Sie denn vor dem Hintergrund sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich Ihrer letzten Anmerkung daraus, dass im Evaluierungs- jetzt aber bitte auf dieses Landesvergabegesetz zurück- bericht unter Punkt 2.6 ausgeführt wird, dass mehr als kommen und nicht darauf, was man möglicherweise 60 Prozent der Vergabestellen in Mecklenburg-Vorpom- schon darin lesen kann, weil es bereits seit Jahren drin- mern von der Möglichkeit, zusätzliche soziale, umweltbe- steht. zogene und innovative Anforderungen zu stellen, keinen Gebrauch machen? (Unruhe bei Harry Glawe, CDU, und Torsten Renz, CDU) (Peter Ritter, DIE LINKE: Das ist schwer einzuschätzen.) Als dieses Haus, Herr Kollege Glawe, als dieses Haus das Landesvergabegesetz, … Jochen Schulte, SPD: Herr Kollege Suhr, daraus ziehe ich die ganz einfache Schlussfolgerung, dass es nicht Ich möchte den Wirtschaftsminister nicht stören mit mei- alleine durch den Umstand getan ist, dass man eine nem Redebeitrag. Möglichkeit in ein Gesetz schreibt, sondern dass es dann auch vor Ort die jeweilige Umsetzung in der Vergabestel- … als dieses Haus das Landesvergabegesetz im Jah- le braucht, und das ist ein langer Prozess. Und, Herr re 2012 novellierte und um einen landesspezifischen Kollege Suhr, wenn ich mich nicht irre, ich weiß nicht Mindestlohn ergänzte, haben wir uns auch darüber ver- mehr, ob Sie noch Mitglied der Stadtvertretung in ständigt, dass dieses Gesetz noch in dieser Wahlperiode Stralsund sind, durch die Landesregierung evaluiert und der Landtag hierüber unterrichtet werden sollte. Dass das in der Aus- (Harry Glawe, CDU: Bürgerschaft.) schusssitzung des Wirtschaftsausschusses etwas unglück- lich gelaufen ist, Herr Kollege Holter, darüber will ich nicht der Bürgerschaft, aber Sie waren es ja. mit Ihnen diskutieren.

(Harry Glawe, CDU: Ist er.) Gründe für diese Evaluation waren neben der Frage der verwaltungstechnischen Umsetzung die immer wieder Dann wissen Sie ja auch, wie das vor Ort ist und wie vorgebrachten Bedenken vor allem aus Teilen der Ar- lange es bei einzelnen Vergaben dauert, bis eine ent- beitgeberverbände, dass ein Mindestlohn massive Ver- sprechende Bereitschaft in die Köpfe der jeweiligen Per- werfungen auf dem Arbeitsmarkt, Stellenabbau und sonen eingesickert ist. Wir können nicht mehr machen, Nachteile für die einheimische Wirtschaft mit sich bringen als die Möglichkeit zu eröffnen, und das haben wir bereits würde. Ich kann mich noch an die Diskussion mit dem vor Jahren mit der entsprechenden Regelung im Landes- Wirtschaftsminister und mit den Kollegen von der CDU vergabegesetz gemacht. – Bitte schön. damals erinnern, die dann durchaus sagten, dass sie ihre Schwierigkeiten hätten, ihre Befürchtungen, dass das (Beifall vonseiten der Fraktion der SPD) tatsächlich so kommen würde.

Vizepräsidentin Regine Lück: Haben Sie noch eine Wir, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, als SPD- weitere Nachfrage? Fraktion waren uns sicher, dass diese Befürchtungen nicht tragen würden. Heute, und das haben Sie ja an den (Marc Reinhardt, CDU: Nein! Nein!) Redebeiträgen gesehen, aber das haben Sie auch schon in den Ausführungen gehört, die in der Öffentlichkeit zum Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Habe ich bestehenden Landesvergabegesetz gemacht werden, dann richtig verstanden, dass Sie nicht die Notwendigkeit heute müssen auch die damaligen Kritiker – einer der sehen, über ein Gesetzesvorhaben Änderungen mit dem Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Unternehmer- Ziel einer Steigerung dieser Quote zur Ausgestaltung von verbände war ja vor Zeiten im Wirtschaftsausschuss – sozialen und ökologischen Regeln zu definieren? einräumen, dass diese Bedenken tatsächlich ohne jeden Grund waren und sind. (Marc Reinhardt, CDU: Das war doch keine Frage.) Worauf damals viele unter uns, zumindest von meinen Kolleginnen und Kollegen der SPD-Landtagsfraktion, Jochen Schulte, SPD: Herr Kollege Suhr, wenn Sie hofften – und ich will mich da ausdrücklich einschließen – damit die Vermutung implizieren, dass wir in dieses Ge- und worauf Sie hingearbeitet haben, aber was keiner von setz reinschreiben würden, Vergabestellen haben unab- uns tatsächlich vorhersagen konnte, war die Tatsache, hängig von der Frage, was vergeben wird – ob der Auf- dass wir dank der Initiative der SPD-Bundesfraktion seit 62 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 dem 1. Januar dieses Jahres einen einheitlichen gesetz- Menschen in diesem Land eine wichtige Aussage, dass lichen Mindestlohn in Deutschland haben. daran kein Weg vorbeiführt. Für meine Fraktion, für diese Landesregierung unter der Führung von Herrn Minister- (Heinz Müller, SPD: Genau so!) präsidenten Sellering gibt es keinen Weg zurück unter den geltenden Mindestlohn von 8,50 Euro. Wir sind damit, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wir sind damit ... (Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

(Peter Ritter, DIE LINKE: Und damit, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, Angela Merkel hat ihn eingeführt.) komme ich zu dem zweiten Punkt, der meiner Fraktion und mir bei diesem Gesetzentwurf besonders am Herzen Ja, ich glaube, Frau Bundeskanzlerin Merkel ist da ge- liegt. Wir, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen – und nauso zum Jagen getragen worden wie einige Damen dabei bin ich ausdrücklich dem Ministerpräsidenten für und Herren hier im Land. seine klaren Worte heute Vormittag im Rahmen seiner Regierungserklärung dankbar –, lehnen jegliche Überle- Wir sind damit ... gung, jeglichen Versuch ab, angesichts der bestehenden und zu erwartenden Flüchtlingszahlen auch in unserem (Unruhe vonseiten der Fraktionen Land den Mindestlohn in irgendeiner Weise wieder auf- der SPD und CDU – Torsten Renz, CDU: zumachen. Jetzt wird es politisch hier.) (Beifall vonseiten der Fraktion der SPD Wir können uns ja mal außerhalb des Protokolls darüber und Dr. Hikmat Al-Sabty, DIE LINKE) unterhalten. Und deswegen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, Wir sind damit dem Bund, sehr geehrte Kolleginnen und haben wir in dieses Gesetz ausdrücklich aufgenommen, Kollegen, was die Schaffung eines gesetzlich veranker- dass auch zukünftig, auch dann, wenn auf Bundesebene ten Mindestlohnes angeht, klar einen Schritt voraus ge- wider Erwarten der Mindestlohn auf unter 8,50 Euro ge- wesen. Wir sind aber andererseits nicht nur nicht böse, senkt werden würde – und wir sprechen zumindest dar- nein, wir als SPD-Fraktion begrüßen es natürlich aus- über, dass es solche Forderungen im öffentlichen Raum, drücklich, dass der Bund jetzt flächendeckend nachge- solche Diskussionen bereits gibt, ob die dann tatsächlich zogen hat. sinnvoll sind, auch wenn einige derjenigen, die das pro- pagieren, so heißen, das will ich mal dahingestellt sein Sehr geehrte Kolleginnen und sehr geehrte Kollegen, von lassen –, in diesem Land im Rahmen des Landesverga- den zwischenzeitlich vonstattengegangenen Änderungen begesetzes weiterhin mindestens 8,50 Euro an die Be- auf Bundesebene ausgehend, liegt bei der Novellierung schäftigten gezahlt werden müssen. Mit uns, sehr geehr- des eigenen Landesvergabegesetzes der Schwerpunkt te Kolleginnen und Kollegen, wird es kein Gegeneinan- naturgemäß auf einer Vermeidung von Dopplungen auf derausspielen von Arbeitsuchenden in diesem Land bundes- und landesgesetzlicher Ebene, auf Rechtsklar- geben, völlig egal, ob der Mensch, den es betrifft, hier heit und Rechtssicherheit aus dem Zusammenwirken von Schutz vor Krieg und Terror in seiner Heimat sucht oder Landesvergabegesetz, dem Mindestlohngesetz des Bun- ob er hier schon seit Jahren seine Heimat gefunden hat. des, dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz oder auch den Wir wollen einen Mindestarbeitslohn für alle, und was wir bundesgesetzlichen Regelungen zum Vergabegesetz. dafür im Rahmen landesgesetzlicher Regelungen tun Das ist eine Seite der Novellierung und diese Seite ist in können, das werden wir tun. der praktischen Anwendung für die unterschiedlichen Vergabestellen dieses Landes, aber auch für die Unter- Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, die hier vorliegen- nehmen und die Beschäftigten in diesen Unternehmen de Novellierung des Landesvergabegesetzes ist – man sicherlich von großer Bedeutung. kann das kritisieren wie Herr Holter – sehr schlank gefasst. Natürlich hätte man sich fragen können, und das ist hier Aber, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, es gibt angesprochen worden, an welcher Stelle gibt es gegebe- auch eine zweite Seite und diese zweite Seite ist mindes- nenfalls noch weiteren, nicht unbedingt Regelungsbedarf, tens genauso wichtig, mindestens. Ich habe an dieser aber vielleicht weitere Regelungsmöglichkeiten. Wir, und Stelle schon des Öfteren gesagt, und das gehört zu mei- das möchte ich an dieser Stelle auch ausdrücklich sagen, nen wirtschaftspolitischen Grundüberzeugungen, Niedrig- haben es bei diesem Entwurf ausdrücklich nicht getan! lohn ist weder eine Perspektive für den Einzelnen noch ein Erfolgsmodell für eine erfolgreiche nachhaltige wirt- Wir sind in der Situation, sehr geehrte Kolleginnen und schaftliche Entwicklung – auch nicht in unserem Bundes- Kollegen, dass der Bund auf Bundesebene derzeit grund- land. Deswegen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, legende Änderungen im Bereich des Vergaberechtes hat meine Fraktion bei der Novellierung dieses Gesetzes beabsichtigt. Wir werden daher sehen müssen, wie am grundsätzlich auf zwei Punkte Wert gelegt, und Herr Ende des dortigen Entscheidungsfindungsprozesses das Kollege Suhr hat es ja freundlicherweise schon angedeu- Vergaberecht auf Bundesebene aussehen wird, und wir tet, dass das tatsächlich auch auf Initiative der SPD- werden gegebenenfalls hier im Land in der kommenden Fraktion geschehen ist: Wahlperiode allein aus diesem Grund eine erneute An- passung des Landesvergabegesetzes vornehmen müs- Erstens. Egal, welche Ausnahmen auf Bundesebene sen, entweder, weil dann bestimmte Punkte auf Bundes- noch von einer Verpflichtung zur Zahlung eines gesetzli- ebene geregelt sind, oder aber, weil sie eben nicht gere- chen Mindestlohnes von derzeit mindestens 8,50 Euro gelt wurden. gelten, in diesem Land sind dort, wo unser Landesverga- begesetz Anwendung findet, mindestens 8,50 Euro zu Was uns allerdings als SPD-Fraktion genauso wichtig ist, zahlen und kein Cent weniger. Ich glaube, das ist für die ist die Frage – und da komme ich auch ein bisschen zu Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 63 der Anmerkung von Herrn Kollegen Holter –: Wie können ein Mindestlohn dringend geboten sei. Die Motivation für wir als Land mit erreichen, dass immer mehr Menschen dieses frühe Befürworten einer gesetzlichen Mindestlohn- nicht nur nach einem Mindestlohn, sondern nach fairen, regelung war, dass ganz einfach der Markt nicht funktio- angemessenen und von den Tarifvertragsparteien ausge- nierte. Der Kapitalismus kennt eben keine Gnade und zahlt handelten Löhnen bezahlt werden? Dabei geht es nicht nur das, was er unbedingt herausrücken muss. Wenn die oder nicht vorrangig um die Frage, zu sagen, wir wollen Situation der Arbeitnehmerschaft sich so gestaltet, dass statt 8,50 Euro 8,75 Euro, 9,50 Euro oder 10,00 Euro. Die man hier dem Friseur nur 6 Euro oder 5,80 Euro zahlen grundsätzliche Frage, die sich in dem Zusammenhang muss, um jemanden zu bekommen, dann wird das eben stellt, oder der grundsätzliche Punkt ist in dem Zusam- nur gezahlt. Nur, langfristig wird der Staat, das ist unsere menhang: Mindestlohn kann nur das Auffangbecken sein, feste Überzeugung, nicht die Lücke schließen können die Grundlinie, die nicht unterschritten wird. Faire, aus- zwischen der tariflich ausgehandelten Lohnstruktur im kömmliche Tariflöhne müssen das Ziel sein und sie sind ganzen Land, weil der Organisationsgrad hier sehr, sehr gleichzeitig auch ein wichtiger Teil des Weges für eine niedrig ist und nur ganz wenige überhaupt einer gewerk- weitere wirtschaftlich erfolgreiche und nachhaltige Ent- schaftlich gestützten Lohnverhandlung zugänglich sind wicklung unseres Landes. und auf der anderen Seite die Masse ist, die dann als Einzelner beim Aushandeln von Lohn relativ schlechte Ich kann Ihnen nicht versprechen, und vielleicht nimmt Karten hat. Das kann langfristig so nicht weitergehen, Ihnen das ja auch ein bisschen die Bedenken, Herr Kol- das kann nicht funktionieren. lege Holter, dass wir möglicherweise in der nächsten Wahlperiode nicht noch mal an dieser Stelle über das Vielleicht noch die eine oder andere Anmerkung: Der Landesvergabegesetz diskutieren werden. Ich kann Herr Ministerpräsident Sellering hat sich hier vor einigen Ihnen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, leider Wochen, Monaten dazu hinreißen lassen, den Satz zu heute schon sagen, dass wir als SPD-Fraktion gerade äußern, mit dem Mindestlohn von 8,50 Euro hätte man natürlich unter Berücksichtigung der entsprechenden den Menschen ihre Würde zurückgegeben. Dazu muss Ergebnisse bei der Auswertung des Bundesmindestlohn- ich natürlich sagen, das ist mal wieder typisch, ein Selle- gesetzes – und deswegen sollten wir uns dann auch die ring-Spruch, der nur so vor beißendem Sarkasmus strotzt. notwendige Zeit dafür nehmen – in Ruhe diese Ergebnis- Mit 8,50 Euro ist in aller Regel nämlich nicht verbunden, se, diese Erfahrungen mit dem zu Beginn dieses Jahres dass die Leute, die vorher 6,20 Euro oder 5,20 Euro be- erst eingeführten bundesweiten flächendeckenden ge- kamen, nun mehr Netto in der Tasche hätten, sondern setzlichen Mindestlohn mit den Sozialpartnern erörtern. man hat hier ganz einfach die staatlichen Aufstocker in die Beschäftigung für 8,50 Euro hineingedrückt. Der (Torsten Renz, CDU: Frau Nahles Gewinner ist die Staatskasse, ist ganz klar der Sozialbe- hat aber schon gehandelt.) reich. Hier hat man nur die Pflicht zur Zahlung vom Land hin zum kleinen Arbeitgeber oder auch größerem Betrieb Wir sollten uns gerade auch vor dem Hintergrund dieser verlagert. Insofern begrüßen wir zwar grundsätzlich einen Erfahrungen und Ergebnisse dann die Frage stellen, wie Mindestlohn, der in dieser Höhe von 8,50 Euro am Markt eine weitere Novellierung des Landesvergabegesetzes und bei der Kostenstruktur im Lande überhaupt nicht aussehen kann, aussehen muss, um die Tariflohnsituation mehr so aufrechterhalten werden dürfte. zu verbessern, damit sich die Beschäftigten in unserem Land nicht die Frage stellen müssen, werde ich nach ei- Dann noch eine Anmerkung zu Herrn Schulte: Herr nem gesetzlichen Mindestlohn, egal, ob auf bundes- oder Schulte, im Gegensatz zur SPD sind wir von der NPD landesrechtlicher Ebene geregelt, bezahlt, sondern, ist es grundsätzlich der Meinung, dass sowohl Flüchtlinge als hier tatsächlich eine tarifvertragliche Regelung, die für faire auch Asylbewerber, deren Antrag abgelehnt ist, hier Löhne bei gerechter und auskömmlicher Arbeit sorgt. – überhaupt nicht arbeiten dürfen und komplementär zur Danke schön. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Situation und zur Verschärfung des Wettbewerbs gerade im Niedriglohnbereich herangezogen werden. (Beifall vonseiten der Fraktion der SPD) (Zuruf von Torsten Koplin, DIE LINKE) Vizepräsidentin Regine Lück: Das Wort hat nun der Abgeordnete und Fraktionsvorsitzende der Fraktion der Das unterscheidet uns vielleicht, NPD Herr Pastörs. Bitte. (Zuruf von Stefan Köster, NPD) Udo Pastörs, NPD: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Mei- ne sehr verehrten Damen und Herren! Der Entwurf liegt dass die rote Rhetorik dahin geht, dass man jeden, der Ihnen vor, im Kern schon von den verschiedensten Frak- hierherkommt, möglichst schnell in Arbeit bringen soll, tionen besprochen. Es bleibt mir daher nur, auf ein, zwei sich dadurch auch eine Verfestigung des Aufenthalts Punkte einzugehen, die aus Sicht der NPD-Fraktion mitgestalten könnte und dass Sie dann über diese Berücksichtigung finden sollten. Schiene hier einer ständigen Aufenthaltsgenehmigung vielleicht sogar das Wort reden würden. Zunächst einmal begrüßen wir, dass durch den jetzt vorliegenden Entwurf eine gewisse Verschlankung des (Jochen Schulte, SPD: Gesetzes erfolgt, dies aber nicht aus Gründen, die die Herr Pastörs, das Schlimme an der Landesregierung zu verantworten hat, sondern weil wir Sache ist, Sie glauben, was Sie reden! – hier in Teilbereichen Bundesregelungen haben, wo sich Heiterkeit bei Dr. Hikmat Al-Sabty, DIE LINKE: eine Parallelregelung erübrigen wird. Da haben Sie nicht aufgepasst!)

Zu dem Aspekt des Sozialen im Bereich des Mindest- Die Bayern machen das bis heute vorbildhaft in dem lohns so viel von unserer Seite: Unsere Fraktion war sehr Punkt, weil sie auch darüber hinaus noch sagen, es ist früh auch hier in diesem Hause dabei, zu fordern, dass gar nicht erlaubt, dass man den Leuten Deutschkurse 64 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 gibt, weil sich dadurch – so steht es in Bayern ganz klar schaftsausschuss betont habe, die Konsequenz der in der Vorschrift – etwas verfestigen würde, was eventu- Evaluierung ist, dann gehören Änderungsgesetz und ell dazu führen könnte, dass die Wahrscheinlichkeit, dass Beurteilung durch die Landesregierung doch auf die sie ein ständiges Aufenthaltsrecht bekommen könnten, gleiche Tagesordnung. Ich würde vorschlagen, dass wir damit größer würde. So ähnlich ist es formuliert. Das dann auf der nächsten Sitzung entsprechend verfahren. heißt also, hier sind wir auch der Meinung, weder Deutschkurse noch Arbeitsplätze für Ausländer, die nicht Meine Damen und Herren, in der Tat wollen wir dieses in dem Status sind, dass sie hier Asyl erhalten oder als Änderungsgesetz schnell auf den Weg bringen, und dafür Kriegsflüchtlinge nachhaltig in Deutschland ein Aufent- gibt es, ich habe das eingangs bereits gesagt, gewichtige haltsrecht bekommen. Das werden wir im Ausschuss, Argumente, einmal den Bürokratieabbau und die Verfah- das werde ich im Ausschuss auch noch unterlegen und renserleichterung. Zudem jährt sich am 01.01.2016 das Ihnen detailliert unsere Vorstellungen mitteilen. Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes, mithin treten weite- re Änderungen in Kraft. Es ist absolut sinnvoll, dass da- Ansonsten noch ein Wort zur Kontrolle: Die Möglichkeit, raufhin auch im Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe die das Gesetz eröffnet, die Kontrolle über dieses Gesetz zeitgleich reagiert wird, und das ist die Begründung. anderen zu übertragen, ist von vornherein nicht schlecht, Herr Holter, weil es durchaus sinnvoll sein kann, dass Herr Holter, wenn ich Sie beim Parlamentarischen Abend Kontrollfunktionen über ein relativ komplexes Gesetz des Handwerks richtig verstanden habe, sind Sie von der detailliert, was die Vergabe angeht, von Spezialisten Notwendigkeit eines Vergabegesetzes ebenso überzeugt außerhalb preiswerter, effizienter und manchmal auch wie wir. Ich werbe dafür, gemeinsam bis zur Zweiten sogar objektiver abgearbeitet werden können. Insofern, Lesung dieses Gesetzes im Dezember hieran zu arbei- schauen wir mal, was im Ausschuss zu diesem Thema ten. Ich freue mich auf eine konstruktive Befassung mit weiter gesagt wird! – Vielen Dank. diesem Gesetz, zum Beispiel im Rahmen der Anhörung vor dem Wirtschaftsausschuss, und wir werben und ich (Beifall vonseiten der Fraktion der NPD) bitte um Zustimmung zur Überweisung in den Wirt- schaftsausschuss. – Vielen Dank. Vizepräsidentin Regine Lück: Das Wort hat Herr Waldmüller von der CDU-Fraktion. (Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Wolfgang Waldmüller, CDU: Sehr geehrte Frau Präsi- Vizepräsidentin Regine Lück: Ich schließe die Aus- dentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte noch mal sprache. kurz das Wort ergreifen, nicht inhaltlich zum Gesetz als solches, sondern zu den durch Herrn Holter und Herrn Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf der Frak- Suhr in der Kritik stehenden Verfahren. Sie haben ja tionen der CDU und SPD auf Drucksache 6/4590 zur heute die Geschwindigkeit des Verfahrens moniert. Die federführenden Beratung an den Wirtschaftsausschuss Zeit für eine inhaltliche Befassung, für die Benennung der sowie zur Mitberatung an den Europa- und Rechtsaus- Anzuhörenden und die Fragestellungen wurde kritisiert. schuss zu überweisen. Wer stimmt für diesen Überwei- Ich habe allerdings den Verdacht, dass die Zeitknappheit, sungsvorschlag? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Da- die Sie hier kritisiert haben, ein vorgeschobenes Argu- mit ist der Überweisungsvorschlag mit den Stimmen aller ment ist. Fraktionen angenommen.

Inhaltlich dürften die Veränderungen des Vergabegeset- Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 11: Erste Lesung zes für niemanden überraschend sein. Im Juni 2012, das des Gesetzentwurfes der Fraktion der NPD – Entwurf eines ist heute auch gesagt worden, wurde das Vergabegesetz Gesetzes zur Änderung der Kommunalverfassung für das ja ergänzt. Zwischenzeitlich wurde das Vergabegesetz, Land Mecklenburg-Vorpommern, Drucksache 6/4595. wie vom Landtag gefordert, durch ein Gutachten evalu- iert. Dieses Gutachten auf der Drucksache 6/3887, die Gesetzentwurf der Fraktion der NPD wir schon ein paar Mal genannt haben, liegt dem Landtag Entwurf eines Gesetzes zur Änderung seit 9. April 2015 vor. Wir haben am 22. April hier im der Kommunalverfassung für das Landtag schon über dieses Gutachten gesprochen. Für Land Mecklenburg-Vorpommern die Landesregierung hat damals, am 22. April, der Wirt- (Erste Lesung) schaftsminister Glawe unter anderem zu den Bagatell- – Drucksache 6/4595 – grenzen und zu Verbesserungspotenzialen bei der Ver- ständlichkeit des Gesetzes gesprochen. Das vorliegende Das Wort zur Einbringung hat der Abgeordnete Herr Änderungsgesetz greift Empfehlungen wie zum Beispiel Köster. die Anhebung der Bagatellgrenze für Direkthilfe auf. Stefan Köster, NPD: Frau Präsidentin! Meine Damen Es ist also nicht richtig, dass wir uns in der Vergangen- und Herren! Gerne wird die parlamentarische Arbeit auch heit nicht damit befasst haben. Und trotzdem es eine in den Kommunen hier im Land mit dem wohlklingenden inhaltliche Befassung mit der Evaluierung vom 9. April Etikett „Demokratie“ versehen, womit aber der Blick für bereits am 22. April im Landtag gegeben hat, hatte die die Wirklichkeit wieder einmal verstellt wird, denn der Opposition vor dem Wirtschaftsausschuss am 15. Okto- Begriff „Demokratie“ kommt bekanntlich aus dem Grie- ber ein weiteres Mal die Gelegenheit, Fragen zum Gut- chischen und bedeutet nichts anderes als „Herrschaft achten zu stellen, Fragen, die über die Ausführungen der des Staatsvolkes“. Das Wort „Demokratie“ tragen Sie, Landesregierung vom 22. April hätten hinausgehen kön- selbsternannte Demokraten, immer und überall, schon nen. Nun ist das nicht passiert, stattdessen haben wir die fast einer Religion gleichend, vor sich her. Hinzu kommt Diskussion vertagt. Ich halte das übrigens für unproble- natürlich, dass Sie als wohlversorgte Personen auch matisch, mehr noch, ich halte es für richtig, denn wenn gleich bestimmen, wer ein Demokrat ist oder wer aus dieses Änderungsgesetz, wie ich das ja auch im Wirt- Ihrer beschränkten Sicht kein Demokrat zu sein hat. Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 65

Alle Staatsgewalt geht bekanntlich vom Volke aus, heißt Wir von der NPD-Fraktion fordern, dass die Bürger in einer es so schön im Artikel 20 des Grundgesetzes. In Wirklich- Sitzung einer kommunalen Vertretung das Recht haben, keit aber hat unser Volk in diesem Staat überhaupt nichts, auch zu Tagesordnungspunkten Fragen zu stellen. gar nichts zu melden. Das Staatsvolk wollen Sie ja dann zugleich durch Ihre politischen Entscheidungen, Vertreter (Tilo Gundlack, SPD: Können sie doch.) der Bundestagsparteien, gewissermaßen austauschen. Wir setzen damit unsere vielen Initiativen für mehr Mitbe- In den Paragrafen 17 und 101 der Kommunalverfassung stimmung und Transparenz bei den kommunalen Ent- des Landes Mecklenburg-Vorpommern ist das Fragerecht scheidungen fort. von Einwohnern bei öffentlichen Sitzungen der Gemeinde- vertretungen und des Kreistages geregelt. Dabei lässt das (Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Irgendwie Gesetz offen, ob auch Beratungsgegenstände der konkre- ist das zum Lachen, was Sie hier erzählen.) ten Sitzung Gegenstand der Fragestunde sein können. Die Regelung beinhaltet grundsätzlich keinerlei Beschränkun- Und die Ausreden von den sogenannten Demokraten, gen hinsichtlich der Zulässigkeit von Fragen zu Bera- Herr Ringguth, weshalb den Bürgern nicht mehr Mitbe- tungsgegenständen der laufenden Sitzung. In der Praxis stimmung eingeräumt beziehungsweise die Entschei- zeigt sich jedoch, dass sehr viele Gemeindevertretungen dungen nicht transparenter gestaltet werden können, und Kreistage von der Möglichkeit Gebrauch machen, werden immer absurder. Ich möchte hier mal ein Beispiel einschränkende Bestimmungen in der Hauptsatzung vor- nennen. zunehmen. Demnach werden keine Fragen zugelassen, die thematisch die Beratungsgegenstände derselben Sit- Im Kreistag Ludwigslust-Parchim beispielsweise hat die zung betreffen. NPD mehrfach beantragt, die öffentlichen Sitzungen des Kreistages im Internet zu übertragen, denn viele Bürger, Häufig liegt es an den Vertretern der Bundestagspartei- die sich für einzelne Themen des Kreistages interessie- en, dass den Bürgern kaum Mitwirkungsmöglichkeiten ren, haben selten tatsächlich die Möglichkeit, an einer eingeräumt werden. Das Volk soll halt nur zuhören, wenn solchen Sitzung teilzunehmen. Dazu sind die Wege, die die politische Klasse große Worte schwingt. Wir als nati- Wegstrecken schlicht und ergreifend zu weit oder die onale Opposition hingegen setzen uns seit Jahrzehnten Sitzungszeiten für normale Arbeitnehmer unmöglich zu für mehr Mitwirkungsmöglichkeiten der Bürger ein. erreichen. Auch hier wird eine Folge Ihrer verkorksten und vermurksten Kreisgebietsreform deutlich. Immer (Heinz Müller, SPD: Ach, ja? – wieder wurden diese Anträge abgelehnt, teilweise mit Peter Ritter, DIE LINKE: Seit Jahrhunderten.) obskuren Begründungen wie, Zitat, „manch einem Vertre- ter fehle die Möglichkeit, sich fehlerfrei auszudrücken“, Bislang aber, Herr Müller, wird Volkes Meinung und Vol- Zitatende, so die ehemalige Kreistagspräsidentin Gisela kes Wille von Herrschenden ignoriert. Schwarz von der SPD.

(Heinz Müller, SPD: Ist ja interessant.) Ziel des vorliegenden Gesetzentwurfes ist es, dass die Bürger in der Einwohnerfragestunde zu allen Themen Aktuellen Umfragen zufolge sind weit über 80 Prozent Fragen stellen können, auch dann, wenn diese Themen der Bürger für mehr direkte Demokratie und Mitwirkung. sich auf der aktuellen Tagesordnung befinden. Bisher ist dieses Fragerecht vom Wohlwollen der jeweiligen kom- (Peter Ritter, DIE LINKE: Das stand doch munalen Vertretung abhängig bestimmt in der Lügenpresse, oder?!) (Heinz Müller, SPD: Von der Hauptsatzung.) Die deutschen Bürger fordern richtigerweise mehr Mitbe- stimmung, Herr Ritter, und daher hier im Land Mecklenburg-Vorpommern,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Stand (Heinz Müller, SPD: Von der Hauptsatzung.) das in der Lügenpresse, oder wo?) Herr Müller, überwiegend ausgeschlossen. und unser Volk benötigt keine abgehobene politische Klasse, (Thomas Krüger, SPD: Demokratisch bestimmt, oder?) (Peter Ritter, DIE LINKE: Herr Köster?) Einige Gemeinden räumen mittlerweile ihren Bürgern die die dem Bürger eine Meinung aufzwingen will bezie- Möglichkeit ein, auch Fragen zu Sachverhalten zu stellen, hungsweise der Meinung ist, die sich auf der Tagesordnung befinden. Die überwiegen- de Mehrheit der kommunalen Gremien hier in Mecklen- (Peter Ritter, DIE LINKE: Lügenpresse, burg-Vorpommern sieht diese Mitwirkung aus unterschied- oder wo haben Sie das her?) lichen Gründen nicht vor. Die Einwohnerfragestunde ge- hört gegenwärtig zu den wenigen Möglichkeiten der den Bürgern vorschreiben zu müssen, was richtig oder Bürger, Einfluss auf die Kommunalpolitik zu nehmen falsch zu sein hat. und/oder Informationen zu aktuellen Themen zu erhalten. Es gibt keinen sachlichen Grund, den Bürgern diese Mit- (Beifall Udo Pastörs, NPD) wirkung zu versagen, auch nicht die Floskel, Herr Müller, von der kommunalen Selbstverwaltung. – Danke schön. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf der NPD-Fraktion erhalten die Bürger die Möglichkeit, mehr Mitbestimmung (Beifall vonseiten der Fraktion der NPD – und Mitwirkung in den kommunalen Gremien zu erlangen. Heinz Müller, SPD: Das ist keine Floskel.) 66 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015

Vizepräsidentin Regine Lück: Das Wort hat die Abge- in einigen Gemeinden nicht den Mut, in der Einwohner- ordnete Frau Tegtmeier von der Fraktion der SPD. fragestunde Fragen zur Tagesordnung zuzulassen. Das hat eine lange Geschichte hier im Land. Der Städte- und (Heinz Müller, SPD: Hau drauf, Martina! – Gemeindetag gibt regelmäßig nach Kommunalwahlen Zuruf von Thomas Krüger, SPD) Empfehlungen heraus für Mustersatzungen, Musterge- schäftsordnungen und macht Anleitungen zu konstituie- Martina Tegtmeier, SPD: Sehr geehrte Frau Präsidentin! renden Sitzungen. Das wird auch immer als sehr hilfreich Sehr geehrte Damen und Herren! Vorhin kam irgendwie empfunden und von den Gemeinden sehr gerne ange- aus der rechten Ecke nommen. In diesen Musterhauptsatzungen steht nun genau das drin, dass die Hauptsatzungen vorsehen soll- (Udo Pastörs, NPD: Oh!) ten, dass Anfragen zu Tagesordnungspunkten nicht zugelassen werden. Ich habe den Städte- und Gemein- die Frage nach einem passenden Psychiater. Also was detag Anfang der 2000er-Jahre, es war genau 2004, wir eben gehört haben, da hat der Psychiater grundsätz- gefragt, warum er diesen Standpunkt so vertritt. Das lich vollkommen versagt. könnte man auch ganz anders sehen. Dann hat Herr Glaser mir das mal ausführlich mit einem Artikel begrün- (Heiterkeit vonseiten der Fraktion DIE LINKE det, und daraus möchte ich mit gütiger Erlaubnis der und Thomas Krüger, SPD) Präsidentin einiges vortragen.

Was hier vorgetragen wurde, war ja eigentlich das übli- Zunächst einmal nimmt der Städte- und Gemeindetag in che Gewäsch. Es war das übliche Gewäsch: Herr Köster Kauf, dass gerade diese Regelung zu manchen Missver- hat wieder was verpasst, schwingt sich hier auf für den ständnissen und Unmut der erscheinenden Einwohner kleinen Bürger – führt, die gerade wegen einer besonderen Tagesordnung zur Gemeindevertretung kommen und zu diesem Thema (Stefan Köster, SPD: dann auch anregen oder fragen möchten. Diese zuerst Da spricht die Schlaftablette.) einmal plausible Forderung, Anfragen und Anregungen zu Tagesordnungspunkten zuzulassen, ändert nach Ansicht die Bürgerinnen lässt er immer außen vor, das kennen des Städte- und Gemeindetages aber den Charakter der wir ja auch nicht anders –, Sitzung und der Sachabstimmung. Wenn die Gegenstände auf der Tagesordnung einer Gemeindevertretersitzung (Zuruf von David Petereit, NPD) stehen, sind diese Gegenstände in der Regel vorher in den Fachausschüssen und den Fraktionen, vielleicht auch in für den kleinen Bürger und tut hier so, als wenn er der der Einwohnerversammlung und sicher in vielen Gesprä- Hüter der Demokratie wäre. chen über den Gartenzaun oder sonst wo erörtert worden. Die Gemeindevertreter haben also vor der Gemeindever- (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) tretersitzung schon manches Argument der betroffenen Einwohner, die Sitzungsvorlagen der Verwaltung, Zum einen haben wir die repräsentative Demokratie, so ist das aufgebaut. Hier wählen die Bürger frei, geheim (Udo Pastörs, NPD: Hören Sie auf!) und unabhängig ihre Gemeindevertretungen, ihre Parla- mente. die politische Meinung der anderen Seiten in den Fach- ausschüssen und der eigenen Fraktion in der Fraktionssit- (Stefan Köster, NPD: Ja, die meisten zung verinnerlicht und sich in der Regel ein Urteil gebildet, gehen ja gar nicht mehr zur Wahl, Frau Tegtmeier. Das scheint bei Ihnen (Zuruf von Tino Müller, NPD) noch nicht angekommen zu sein.) das dann in der Schlussabstimmung der Gemeindever- Bei Ihnen ist so manches nicht angekommen und wird es tretung zum Ausdruck gebracht wird. auch nie. Wenn Einwohner, in der Regel Betroffene, sich zu die- (Stefan Köster, NPD: Ihre Festplatte scheint sem Zeitpunkt erst in die Debatte einmischen, ist dies zu defekt zu sein. – allgemeine Unruhe – spät. Das wird dann teilweise dadurch kaschiert, dass Michael Andrejewski, NPD: besonders viele Einwohner erscheinen und mit Fragen, Psychiater, Festplatte – wo ist da der die mitunter auf einzelne Gemeindevertreter zielen, Unterschied? – Stefan Köster, NPD: Schlaftablette, machen Sie mal weiter!) (Zuruf von Tino Müller, NPD)

Das ist so schwach, Herr Köster, da sieht man mal, dass diese unter Druck gesetzt werden. Ihnen auch nichts Neues mehr einfällt. (Heiterkeit und Zuruf von Udo Pastörs, NPD) (Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Helfen tut schon gar nichts.) In der Einwohnerfragestunde kann dann nicht mehr eine Abwägung dargestellt werden, Man kann sich in der Tat – jetzt mal ganz sachlich be- trachtet – die Frage stellen, warum gibt es in einigen – (Zuruf von Tino Müller, NPD) und ob das die ganz überwiegende Menge ist, möchte ich mal dahingestellt sein lassen –, die zu einer bestimmen Beschlussvorlage oder einem bestimmten Meinungsbild in den Gemeindevertretungen (Zuruf von Stefan Köster, NPD) geführt hat. Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 67

(Udo Pastörs, NPD: Oh, Mann!) Aber da auch in der letzten Musterhauptsatzung genau diese Empfehlung wieder drinstand, gehe ich davon aus, Er unterstellt weiter, die Einwohner wollen auch ganz be- dass der Städte- und Gemeindetag seine Meinung zu- wusst in diesem Moment mit ihren Fragen und Anregun- mindest in diesem Zusammenhang nicht geändert hat. gen die Gemeindevertreter unter Druck setzen, um doch vielleicht noch eine positive Entscheidung zu erwirken. (Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD)

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD) Diese Beurteilung der Lage kann man teilen oder auch nicht. Mir persönlich scheint die Sicht der Dinge nicht Als ich das 2004 gelesen habe, habe ich gedacht, das ist ganz rund, weil doch ein Teil der Realität da auch ausge- ja eine ein bisschen übertriebene Panikmache. Etwas blendet wird. Kritik und etwas Gegenwind kann jede Gemeindevertre- tung gut vertragen. Wenn ich mir aber eben Herrn Köster (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) angehört habe, muss ich sagen, dass die Bedenken hier Denn die kommunale Familie Mecklenburg-Vorpommern (Udo Pastörs, NPD: Gewachsen sind.) ist so bunt und unterschiedlich wie die ganze Republik, und das ist auch gut so. damals von Herrn Glaser vielleicht gar nicht mal grund- sätzlich von der Hand zu weisen sind. Ja, es gibt die vom Städte- und Gemeindetag beschrie- bene Beteiligung der Bürger in den Fachausschüssen. Weiterhin wird vermutet, dass dieser Druck eben dazu Das ist oft so geregelt, dass alle Anträge und Beschluss- führen könnte, dass keine sachliche Auseinandersetzung vorlagen, bevor die Gemeindevertretung oder der Kreis- stattfindet, tag darüber abschließend berät, in den beratenden Fachausschüssen beraten werden. Diese sind dann (Udo Pastörs, NPD: Weil das Volk zu dumm sei.) eventuell sogar öffentlich und die Einwohnerinnen und Einwohner erhalten hier das Recht, sich zu äußern, weil wenn denn das Ganze emotionalisiert wird und deswe- da halt die fachliche Diskussion stattfindet. Wie Sie ja alle gen teilweise sachferne Entscheidungen auf äußeren wissen, können grundsätzlich alle Ausschüsse öffentlich Druck gefasst werden könnten. tagen. Es obliegt aber jeweils der Gemeindevertretung, ob sie das so für sich regelt oder aber auch nicht. (Zuruf von Tino Müller, NPD) In großen Vertretungen ist man auch darauf angewiesen, Weiterhin sagt er, es sollte Aufgabe der Sitzungsorgani- Fachausschüsse zu bilden. Das ist nicht anders als hier sation sein, dass die gewählten und nur ihrem Gewissen im Landtag. Auf Fachausschüsse kann man, um eine verantwortlichen Gemeindevertreter ohne Druck von vernünftige Beratungsfolge durchzuführen, nicht verzich- außen ihre Abstimmung ausführen. Gerade bei emotional ten. Wenn das also so geregelt ist, kann man durchaus aufreizenden Themen ist eine sachliche Verhandlungs- darauf verweisen, Fragen zu Beratungsgegenständen und Abstimmungsatmosphäre unbedingt notwendig. des Kreistages oder der Gemeindevertretung dort zu Auch unsere gemeindliche Demokratie sollte mehr sein stellen oder dort die Anregungen dazu abzugeben. als eine Stimmungsdemokratie. Diejenigen Gemeinde- vertreter, die sich fünf Jahre Mühe machen, Entschei- In Gemeinden, in denen aber lediglich die Pflichtaus- dungen möglichst gemeindeorientiert zu treffen, müssen schüsse gebildet werden, wie das ja zuhauf hier in Meck- davor geschützt werden, dass Einwohner, lenburg-Vorpommern der Fall ist, sollten unseres Erach- tens Ortansässigen Möglichkeiten eingeräumt werden, (Zuruf von Tino Müller, NPD) sich Gehör zu verschaffen und ihre Belange auch zu artikulieren, denn hier gibt es die Beteiligung in den die nur dann kommen, wenn sie selbst betroffen sind, mit Fachausschüssen ja nicht. drohendem Unterton, Wenn sich die Bürger bei einem bestimmten Vorhaben (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) oder Anliegen einbringen möchten, haben sie natürlich nach der Kommunalverfassung bereits jetzt verschiedene mit glänzender Rhetorik oder mit Tränen die Entschei- Möglichkeiten, die auch relativ weitgreifend sind. dung der Gemeinde entsachlichen. (Udo Pastörs, NPD: Für diese In unseren kleinen Gemeinden ist es aber auch stets Rede wird man Sie umjubeln.) möglich, den Gemeindevertreter, der als Mitbürger stän- dig präsent ist, auf Gemeindeangelegenheiten anzuspre- Das fängt an mit Paragraf 14, „Rechte und Pflichten der chen, die besonders interessieren. Diese Einflussnahme Einwohner“: Die Einwohnerinnen und Einwohner „haben ist nirgends so gut möglich wie in der kommunalen das Recht,“ Selbstverwaltung. Es bedarf insoweit keiner weiterge- henden Rechte für betroffene Bürger. (Zurufe von Stefan Köster, NPD, und Udo Pastörs, NPD) So weit aus dem Artikel – ich habe nicht alles vorgelesen – „sich schriftlich oder zur Niederschrift mit Anregungen und (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) Beschwerden an die Gemeindevertretung zu wenden“. Jederzeit! Und: „Sie sind über die Stellungnahme der Ge- des Städte- und Gemeindetages 2004. meindevertretung oder eines Ausschusses unverzüglich zu unterrichten.“ Das heißt im Umkehrschluss, dass durch (Udo Pastörs, NPD: Danke.) Einwohnerinnen oder Einwohner eingebrachte Anregungen 68 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015

(Udo Pastörs, NPD: Aufhören!) (Zurufe von Tino Müller, NPD, und Udo Pastörs, NPD) in der Gemeindevertretung auch beraten werden müssen. Dann gibt es andere Tagesordnungspunkte mit Bera- Paragraf 16: tungsgegenständen und so weiter und so fort. Und dann gibt es eine Einwohnerfragestunde 2. (Udo Pastörs, NPD: Ach, es geht weiter!) Und was ist damit bezweckt? Das steht auch erläutert: „Ist Die Einwohnerinnen und Einwohner haben ein Anrecht ein Tagesordnungspunkt aufgerufen, so berät zunächst die auf Unterrichtung über wichtige Angelegenheiten. Die Stadtvertretung über diesen. Liegen keine Wortmeldungen Einwohnerfragestunde kennen Sie ja bereits. Die steht mehr vor, kann die Stadtvertretervorsteherin die Beratung hier zur Debatte. unterbrechen und den Einwohnern“ und Einwohnerinnen „ab vollendetem 14. Lebensjahr, den Grundstückseigen- (Udo Pastörs, NPD: Lesen Sie doch mal vor!) tümern und Gewerbetreibenden die Gelegenheit geben, Fragen zu stellen und Stellung zu beziehen. Danach tritt In Paragraf 18 haben wir die Möglichkeit eingeräumt, die Stadtvertretung in die abschließende Beratung ein.“ einen ganz konkreten Einwohnerantrag zu stellen, um ein Das, sehr geehrte Damen und Herren, halte ich an dieser Anliegen zu befördern und auch durchzusetzen. Und wie Stelle doch mal für beispielgebend. sieht es in der Praxis aus? Die Palette ist sehr breit. Also die Palette der Beteiligungsmöglichkeiten ist bereits (Heiterkeit und Zuruf von Udo Pastörs, NPD) jetzt nicht gerade klein. Grundsatz ist jedoch, dass jede Gemeindevertretung für sich selbst bestimmt, was passt. In meiner Gemeindevertretung ist eine Geschäftsordnung oder eine Hauptsatzung beschlossen worden, die auch die (Heinz Müller, SPD: So ist das. – Aussage trifft, dass Tagesordnungspunkte von der Ein- Gelächter bei Udo Pastörs, NPD) wohnerfragestunde ausgenommen werden. Aber wie wird das gehandhabt? Wenn Familie XY in die Gemeindever- Die offene Formulierung in der Kommunalverfassung tretersitzung kommt, dann weiß die Bürgermeisterin ganz lässt diesen Spielraum, und das ist auch gut so. genau, die Familie kommt zu dem Tagesordnungspunkt, weil sie davon persönlich betroffen ist. Was macht die Wir haben – um noch mal ein anderes Beispiel aufzugrei- Bürgermeisterin? Sie sagt: Hier sitzt Familie – was weiß fen, das wird auch immer wieder hinterfragt –, wir haben ich – Preuß, nebenan soll ein Spielplatz gebaut werden, in der letzten Novellierung der Kommunalverfassung in die kommt bestimmt wegen Tagesordnungspunkt „Ausbau Bezug auf die Durchführung der Einwohnerfragestunde des Spielplatzes in der B-Straße“, wollen wir ihr das Wort einen Kannsachverhalt in einen Sollsachverhalt geän- erteilen? Dann wird sich also auf Paragraf 17 Absatz 2 dert. Also es sollen Einwohnerfragestunden in den Ge- bezogen, laut dem die Möglichkeit besteht, Sachverständi- meindevertretungssitzungen durchgeführt werden. ge oder betroffene Einwohner zu hören. Also das ist durchaus möglich und auch durchaus gängig, durchaus Da steht ja nun in der Kommunalverfassung „Einwohner- praktikabel und so wird es auch gemacht. fragestunde“, da hat man doch immer mal eine Nachfra- ge: Hier bei uns steht nur eine halbe Stunde, da ist nur (Udo Pastörs, NPD: Quatsch!) eine halbe Stunde dafür vorgesehen.

Oder aber … (Zuruf von Stefan Köster, NPD)

Das ist nicht Quatsch, das ist die Realität. Wenn Sie Müsste das nicht eine ganze Stunde sein? „Quatsch“ sagen, dann, weil Sie einfach keine Ahnung haben, Herr Pastörs. (Udo Pastörs, NPD: Doch.)

(Beifall Wolf-Dieter Ringguth, CDU – Also was sollen solche Fragen? Das sind doch Erfah- Udo Pastörs, NPD: Gucken Sie doch mal rungswerte, die man für sich selber verabredet, weil man in die Gemeindesatzungen! Sie flüstern die Erfahrung hat, dass man höchstens eine halbe Stun- sich hier Ihre eigenen Lebenslügen vor.) de braucht. Dann braucht man auch nicht grundsätzlich eine ganze Stunde vorzusehen. Möglicherweise ist eine Und dann möchte ich Ihnen noch ein schönes Beispiel Ihrer nächsten Forderungen, eine ganze Stunde muss es bringen. Die Stadtvertretung Wolgast hat eine besondere sein, steht ja so da. Geschäftsordnung. Die hat meiner Meinung nach sogar ein Alleinstellungsmerkmal, Also das ist vollkommen praxisfern. Auch hier sollte das erforderliche Maß von der Gemeindevertretung weiterhin (Udo Pastörs, NPD: Oh!) selbst festgelegt werden. Ich sagte es, unsere Kommu- nalverfassung lässt zahlreiche Spielräume zur Ausgestal- denn die Gemeindevertretung oder Stadtvertretung Wol- tung der kommunalen Selbstverwaltung offen. Und wenn gast hat in ihrer Geschäftsordnung festgeschrieben, dass man bedenkt, dass sie ebenso verbindlich für eine Ge- die Sitzung wie folgt abgewickelt werden soll: meinde mit 150 Einwohnerinnen und Einwohnern wie für die Hansestadt Rostock ist, dann ist das nicht nur ge- (Udo Pastörs, NPD: Abgewickelt werden soll! rechtfertigt, sondern auch vollkommen richtig. Das ist eine schöne Formulierung.) Kleinen Gemeinden ist es durchaus zu empfehlen, Fra- erst Eröffnung der Sitzung, dann gibt es eine Einwohner- gen und Anregungen zu Tagesordnungspunkten zu er- fragestunde 1. möglichen, womöglich auch denen, die auf der Tages- Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 69 ordnung stehen, vor allen Dingen, wenn die nur einmal (Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Ja. – auf der Tagesordnung stehen. Aber zwingen werden wir Martina Tegtmeier, SPD: Genau.) sie dazu nicht. „Fragen zu Beratungsgegenständen …“ und so weiter Ihr Gesetzentwurf ist so nötig wie ein Kropf. Die Gemein- und so fort. devertretungsarbeit, die kommunale Selbstverwaltung funktioniert immer besser. Die Regelung beinhaltet keinerlei Beschränkungen hin- sichtlich der Zulässigkeit von Fragen zu Beratungsge- (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) genständen der laufenden Sitzung.

Auch die Gemeindevertreter mussten viel lernen. Sie (Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Ja, und haben viel gelernt, sie sind dazu bereit gewesen und wir das regeln die ganz alleine, ohne Sie.) haben immer mehr Offenheit auch in dem Umgang mit Bürgerbeteiligung in den Gemeindevertretungen. Und Nein, Herr Ringguth, wir wollen, dass der Bürger einen wie Sie selber richtig bemerkt haben, die Kommunalver- Rechtsanspruch hat. fassung lässt das durchaus zu, es wird nur nicht durch- gehend so angewandt. (Beifall Udo Pastörs, NPD)

Also zusammengefasst: Bürgerbeteiligung Ja, in welcher Wir wollen, dass er nicht auf die Launen von Ihnen an- Form über das festgeschriebene Maß hinaus, das soll gewiesen ist. weiterhin vor Ort den Verhältnissen entsprechend ent- schieden werden. Wir lehnen Ihren Gesetzentwurf damit (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) rundweg ab. – Vielen Dank. Wenn aber die Bürger – und deswegen ist nämlich auch (Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD die Kannbestimmung in eine Sollbestimmung der Einwoh- und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) nerfragestunde geändert worden, weil gerade die meisten Gemeinden letztendlich dieses nicht vollzogen haben –, Vizepräsidentin Regine Lück: Das Wort hat der Abge- ordnete Herr Köster von der NPD-Fraktion. (Patrick Dahlemann, SPD: Wie können Sie denn solche Aussagen machen? – Stefan Köster, NPD: Frau Präsidentin! Meine Damen Zuruf von Wolf-Dieter Ringguth, CDU) und Herren! wenn aber die Bürger in vielen Gemeindevertretungen Frau Tegtmeier, ich bedanke mich erst mal für Ihren und/oder Kreistagen Fragen zu Sachverhalten haben, die Redebeitrag. Es wird Ihnen kaum einer hier zugehört direkt oder indirekt in Tagesordnungspunkten behandelt haben, ich habe es aber gemacht. werden, haben sie meistens Pech und ihnen wird eine Mitwirkung mit Verweis auf den entsprechenden Tages- (Heiterkeit bei Michael Andrejewski, NPD) ordnungspunkt verwehrt.

Sie haben damit im Grunde unseren Antrag noch zusätz- (Udo Pastörs, NPD: Ja.) lich begründet, denn die politische Klasse entfernt sich immer weiter vom Bürger. Da für Bürger oft erst mit der öffentlichen Bekanntma- chung von Tagesordnungen die Möglichkeit besteht, (Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Oh!) (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) Und wir möchten nicht, sich mit den Beratungsgegenständen auseinanderzuset- (Martina Tegtmeier, SPD: Sie haben Wahn- zen, sollte ihnen auf den jeweiligen Sitzungen die Mög- vorstellungen, Herr Köster, Wahnvorstellungen!) lichkeit eingeräumt werden, themenbezogene Fragen zu stellen. Und das machen einige Gemeinden schon. Es dass der Bürger von den Launen oder vom Wohlgefallen gibt sogar in der Gemeinde Quickborn die Möglichkeit. von irgendwelchen abgehobenen – und mir geht es vor Zu jedem Tagesordnungspunkt nach Abschluss der Be- allem auch um die Kreistage –, ratung haben die Bürger die Möglichkeit, noch mal Fra- gen zu stellen. (Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Ihre Vorschläge, um Gottes willen!) (Martina Tegtmeier, SPD: Da brauchen Sie nicht in andere Bundesländer zu gucken. abgehobenen politischen Quacksalbern abhängig ist, Da brauchen Sie nur nach Wolgast zu gucken, das habe ich gerade vorgetragen.) (Gelächter bei Udo Pastörs, NPD) Das ist Demokratie im Vergleich oder Volksherrschaft im sondern wir wollen einen Rechtsanspruch der Bürger. Gegensatz zu dem, was Sie hier herumsalbern, Frau Tegtmeier. Da Sie schon mal die Kommunalverfassung erwähnt haben, der Herr Glaser hat ja auch den Kommentar zur (Martina Tegtmeier, SPD: Aber Sie hören über- Kommunalverfassung geschrieben, und da heißt es wie haupt nicht zu. Sie schwatzen nur dummes Zeug.) folgt, Zitat: „Das Gesetz lässt es offen, ob auch Bera- tungsgegenstände der konkreten Sitzung Gegenstand Das Amt Demmin-Land zeigt auf, dass die Ausweitung der Fragestunde sein können.“ der Mitbestimmung für die Bürger sowohl für die Kom- 70 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 munalpolitik als auch für die Bürger eine tatsächliche Der Gesetzentwurf wird gemäß Paragraf 48 Absatz 3 Bereicherung darstellt. Diese Einschränkungen, die Sie unserer Geschäftsordnung spätestens nach drei Monaten hier vollziehen, sind nicht bürgerfreundlich und verleihen zur Zweiten Lesung erneut auf die Tagesordnung gesetzt. der Politikverdrossenheit im Land weiteren Aufwind. Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 12: Beratung der Sie handeln nach einem Grundprinzip, das der bekannte Unterrichtung durch die Landesregierung – Europapolitische Staatsrechtler Professor von Arnim klipp und klar be- Schwerpunkte des Landes Mecklenburg-Vorpommern im nannt hat, Zitat: Jahr 2015 – Auswertung des Arbeitsprogramms 2015 der Europäischen Kommission –, Drucksache 6/3879, hierzu (Heiterkeit vonseiten der Fraktion der SPD – Beschlussempfehlung und Bericht des Europa- und Zurufe vonseiten der Fraktionen Rechtsausschusses, Drucksache 6/4608. der SPD und DIE LINKE: Ah! – Tilo Gundlack, SPD: Der wieder!) Unterrichtung durch die Landesregierung Europapolitische Schwerpunkte des Landes „Das Grundübel unserer Demokratie“, Herr Müller, „das Mecklenburg-Vorpommern im Jahr 2015 Grundübel unserer Demokratie liegt darin, dass sie keine – Auswertung des Arbeitsprogramms 2015 ist. Das Volk, der nominelle Herr und Souverän, hat in der Europäischen Kommission – Wahrheit nichts zu sagen.“ Zitatende. Und so ist es auch – Drucksache 6/3879 – nicht verwunderlich, dass vor allem die Bundestagspar- teien die Herrschaft des Volkes verhindern. Die Parteien Beschlussempfehlung und Bericht haben sich, wie der Staatsrechtler von Arnim treffend des Europa- und Rechtsausschusses festgestellt hat, den Staat längst zur Beute gemacht. (3. Ausschuss) – Drucksache 6/4608 – (Beifall vonseiten der Fraktion der NPD) Das Wort zur Berichterstattung hat der Vorsitzende des Die Bürger dürfen im derzeitigen System lediglich alle vier Europa- und Rechtsausschusses Herr Abgeordneter Mül- oder fünf Jahre unter großem Medientamtam an die Wahl- ler. Bitte schön. urne treten. Der bereits erwähnte Professor von Arnim hat die Ursache Ihres Handelns festgestellt. In seinem Buch (Udo Pastörs, NPD: The same „Das System“ führt er richtigerweise aus, Zitat: procedure as every year.)

(Udo Pastörs, NPD: Läuft der noch frei rum?) Detlef Müller, SPD: Vielen Dank, Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Unser Land ist „Die ‚politische Klasse‘ hat ein Netzwerk geknüpft, das verfassungsrechtlich gehalten, an der europäischen In- unsere demokratische Ordnung zu ersticken droht.“ Zitat- tegration mitzuwirken. Diese Vorgabe findet sich als ende. Staatsziel im Artikel 11 unserer Landesverfassung und auch in Umsetzung dieser Verpflichtung finden Sie vor sich Ich bin mir sicher, dass Ihre bürger- und inländerfeindli- auf der Drucksache 6/4608 die Beschlussempfehlung und che Politik dazu führen wird, dass noch mehr Bürger den Bericht des Europa- und Rechtsausschusses zur Widerstand gegen Ihre Parteien und deren Politik leisten Unterrichtung durch die Landesregierung – Europapolitische werden. Schwerpunkte des Landes Mecklenburg-Vorpommern im Jahr 2015 – Auswertung des Arbeitsprogramms 2015 der (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) Europäischen Kommission –.

Es stehen Ihnen ein heißer Herbst und Winter bevor, Die Beschlussempfehlung ist insgesamt mehrheitlich mit meine Damen und Herren. den Stimmen der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei Gegenstimmen (Martina Tegtmeier, SPD: Was seitens der Fraktion der NPD angenommen worden. war das denn für eine Drohung?) (Udo Pastörs, NPD: Fast Hoffen wir, dass am Ende eine friedliche Revolution Volkskammerabstimmung. – steht, die Ihre Parteiendiktatur überwindet. Das Recht Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE) zum Widerstand nach Artikel 20 Absatz 4 des Grundge- setzes ist schon längst gegeben. – Danke schön. Wie Sie wissen, handelt es sich bei dem Arbeitspro- gramm der Kommission um eine jährlich wiederkehrende (Beifall vonseiten der Fraktion der NPD – Angelegenheit, die wir regelmäßig von der Landesregie- Martina Tegtmeier, SPD: Der rung anfordern, damit wir darüber informiert werden, gehört doch in eine Anstalt, Mann!) welche europäischen Prioritäten die Landesregierung für sich selbst sieht, und damit wir zu dieser Schwerpunkt- Vizepräsidentin Regine Lück: Ich schließe die Aus- setzung Stellung nehmen können. Diese Ergebnisse sprache. finden Sie im Text unserer Beschlussempfehlung wieder.

Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf der Frak- Unter Nummer 1 wird die Bedeutung des Arbeitspro- tion der NPD zur Beratung an den Innenausschuss zu gramms der Europäischen Kommission als wichtige überweisen. Wer stimmt für diesen Überweisungsvor- Erkenntnisquelle über anstehende Legislativ- und Politik- schlag? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist der planungen der Europäischen Union betont. Überweisungsvorschlag mit den Stimmen von SPD, CDU, DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abgelehnt, Dementsprechend wird in dem Eingangsteil der Nummer 2 bei Zustimmung der Fraktion der NPD. die Unterrichtung durch die Landesregierung als Beitrag Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 71 zur Optimierung der Europafähigkeit des Landes aner- steht, zumindest ein bisschen, im Gegensatz zu der Brüs- kannt. Daneben werden dort auch die regelmäßigen sel regelmäßig vorgehaltenen übertriebenen Regelungs- Unterrichtungen der Landesregierung auf der Grundlage wut. der Arbeit des Informationsbüros des Landes bei der EU in Brüssel gewürdigt. (Udo Pastörs, NPD: Zumindest ein bisschen, ja.)

Daher findet sich in Nummer 3 zunächst die Aufforderung Die federführende Beratung des Arbeitsprogramms der an die Landesregierung, die Fachausschüsse des Land- Europäischen Kommission oblag dem Europa- und tages über bedeutsame Fortentwicklungen und Ergeb- Rechtsausschuss. Inhalt der Beratung war auch der euro- nisse bei den genannten Schwerpunkten zu informieren. päische Umgang mit der aktuellen Flüchtlingsproblematik. Ferner wird dort die Aufforderung zur Auswertung des Hier geht es unter anderem um die Europäische Migrati- jährlichen Arbeitsprogramms und zur Unterrichtung des onsagenda. Der Europa- und Rechtsausschuss hat diese Landtags erneuert. Frage auch wegen seiner eingeschränkten Zuständigkeit in diesem Bereich in der Beschlussempfehlung nicht weiter Die Nummer 4 enthält schließlich die an die Ausschüsse thematisiert. Bei der Stellungnahme ist die Formulierung gerichtete Aufforderung, den Legislativ- und Politikpla- gewählt worden, dass „die Bewältigung der aktuellen nungen der Europäischen Union weiterhin hohe Auf- Flüchtlingssituation in der Europäischen Union … eines merksamkeit zu widmen und dem Landtag gegebenen- EU-einheitlichen, rechtsstaatlichen, fairen und solidari- falls Beschlüsse zu empfehlen. schen Ansatzes bedarf“.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Präsi- Auch die Agenda des Rates wird in den kommenden Mo- dentin hatte die Unterrichtung im Benehmen mit dem naten von dieser Thematik dominiert sein. Dies lässt je- Ältestenrat zur Mitberatung an die übrigen Fachaus- denfalls die politische Schwerpunktsetzung des aktuellen schüsse überwiesen. Das zeigt, dass unser Umgang mit Ratsvorsitzes vermuten, die uns der luxemburgische Bot- der Unterrichtung im Parlament wesentlich von den Bera- schafter vergangene Woche im Ausschuss vorgestellt hat. tungen in den Ausschüssen abhängt. Die sich daran anschließende Landespressekonferenz fand übrigens überregional Beachtung in den Medien. (Gelächter bei Udo Pastörs, NPD) Daran und auch schon in unserer Ausschusssitzung nahm außerdem der Vertreter der Europäischen Kommission in Möglicherweise hat es an der Struktur und der Ausrich- Deutschland, Richard Kühnel, teil. Eine generelle, tung des diesjährigen Arbeitsprogamms gelegen, (Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD: (Gelächter bei Udo Pastörs, NPD: Langsamer, dann klappts auch besser.) Das trägt der im Ernst vor?) eine generell stärkere Berücksichtigung der politischen dass allein der Wirtschaftsausschuss eine inhaltliche Vorhaben des jeweiligen Ratsvorsitzes wurde zuvor mitberatende Stellungnahme abgegeben hat. Für die schon als weiteres Ergebnis der Beratung im Europa- kommenden Jahre wünsche ich mir wieder eine Mitbera- und Rechtsausschuss festgehalten. tung wie in den vergangenen Jahren auch Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Her- (Udo Pastörs, NPD: The same procedure.) ren! Die europäischen Themen werden nach alldem auch in den kommenden Jahren und darüber hinaus für unse- und eine regere Auseinandersetzung mit dem Vorhaben ren Landtag von besonderer Bedeutung sein. der Europäischen Kommission. (Vizepräsidentin Silke Gajek Dem Arbeitsprogramm 2015 hat die Kommission den übernimmt den Vorsitz.) unmissverständlichen Titel „Ein neuer Start“ gegeben, Eine verlässliche und im jeweiligen Rahmen tagesaktuel- (Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD) le Information durch die Landesregierung ist somit auch in Zukunft geboten. Ich darf Sie daher nun im Namen der und dies ist im Zuge der Europawahl im vergangenen Jahr Mehrheit des Ausschusses um Zustimmung für die Ihnen nicht nur personell zu verstehen. Das Programm steht vorliegende Beschlussempfehlung bitten. – Vielen Dank. auch für eine neu ausgerichtete Arbeitsweise der Kommis- sion, (Beifall vonseiten der Fraktion der SPD und Wolf-Dieter Ringguth, CDU) (Udo Pastörs, NPD: Oh!) Vizepräsidentin Silke Gajek: Danke, Herr Müller. denn Kennzeichen dieses Arbeitsprogramms ist die Ab- sicht der Kommission zur Verschlankung sowohl bei der Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache Behandlung zukünftiger oder schon in Bearbeitung befind- nicht vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Wider- licher Vorhaben. Zum einen werden explizit zu ändernde spruch, dann ist das so beschlossen. oder zurückzuziehende Vorschläge benannt, zum anderen werden bestimmte Maßnahmen unter dem Aspekt Büro- Wer der Beschlussempfehlung des Europa- und Rechts- kratieabbau und Deregulierung einer Prüfung unterzogen. ausschusses zuzustimmen wünscht, die oder den bitte ich um ein Handzeichen. – Danke. Die Gegenprobe. – (Udo Pastörs, NPD: Und das soll neu sein?) Danke. Und die Stimmenthaltungen? – Damit ist die Beschlussempfehlung des Europa- und Rechtsaus- Bezüglich der eigentlichen politischen Agenda benennt die schusses auf Drucksache 6/4608 angenommen, bei Kommission für das Jahr 2015 lediglich 23 Vorhaben. Dies Zustimmung der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE 72 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie Gegenstimmen glieder des Finanzausschusses recht herzlich bei allen der Fraktion der NPD und keiner Stimmenthaltung. Beteiligten für die geleistete Arbeit bedanken.

(Unruhe bei Minister Harry Glawe) (Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Mein lieber Herr Glawe! Genau. Meine Damen und Herren, die Finanzministerin hat dem Ich möchte jetzt den nächsten Tagesordnungspunkt auf- Landtag die Haushaltsrechnung und die Vermögensüber- rufen, und zwar ist das der Tagesordnungspunkt 13: sicht des Landes für das Haushaltsjahr 2013 vorgelegt. Beratung des Antrages der Finanzministerin – Entlastung Der Landesrechnungshof hat die Rechnungslegung ge- der Landesregierung für das Haushaltsjahr 2013 – Vorla- prüft. Im Ergebnis der Prüfung hat er der Landesregierung ge der Haushaltsrechnung und Vermögensübersicht des insgesamt für das Haushaltsjahr 2013 eine ordnungsge- Landes, Drucksache 6/3537, sowie die Ergänzung zu mäße Haushalts- und Wirtschaftsführung bescheinigt. dem Antrag der Finanzministerin, Drucksache 6/3729, Unabhängig hiervon hat der Landesrechnungshof in sei- und die Beratung der Unterrichtung durch den Landes- nem Bericht auch aufgezeigt, wo es noch Handlungs- und rechnungshof – Jahresbericht des Landesrechnungsho- Verbesserungsbedarf gab und teilweise auch noch gibt. fes 2014 (Teil 1) Kommunalfinanzbericht 2014, Drucksa- che 6/3676, sowie die Beratung der Unterrichtung durch Der Finanzausschuss empfiehlt Ihnen heute im Umfang den Landesrechnungshof – Jahresbericht des Landes- von immerhin drei Seiten, verschiedene Ersuchen an die rechnungshofes 2014 (Teil 2) Landesfinanzbericht 2014, Landesregierung zu richten. In einem Punkt soll bei- Drucksache 6/3841. Hierzu gibt es auch noch eine Be- spielsweise das Innenministerium ersucht werden, ge- schlussempfehlung und einen Bericht des Finanzaus- genüber den Landkreisen dafür Sorge zu tragen, dass schusses, Drucksache 6/4551. das Vollstreckungsverfahren verbessert wird und unge- klärte Zahlungseingänge unverzüglich aufgeklärt werden. Antrag der Finanzministerin Entlastung der Landesregierung Hintergrund dieses Ersuchens ist ein Beitrag im Kommu- für das Haushaltsjahr 2013 nalfinanzbericht des Jahres 2014, wonach bei einem – Vorlage der Haushaltsrechnung und Landkreis zum Zeitpunkt der Prüfung offene Forderungen Vermögensübersicht des Landes – in Höhe von mehr als 18 Millionen Euro bestanden haben. – Drucksache 6/3537 – Dieser Betrag setzte sich aus mehr als 100.000 Einzelfor- derungen zusammen. Der Landesrechnungshof hat in Ergänzung zu dem Antrag diesem Zusammenhang einen dringenden Handlungsbe- der Finanzministerin darf attestiert, da ein strukturiertes Forderungsmanage- – Drucksache 6/3729 – ment nicht ersichtlich gewesen sei. Vielmehr habe es keine Vorgaben zu Zeitpunkt und Häufigkeit von Mahnun- Unterrichtung durch den Landesrechnungshof gen gegeben und säumige Forderungen seien dem Fach- Jahresbericht des Landesrechnungs- bereich Vollstreckung erst nach einem Jahr oder auch gar hofes 2014 (Teil 1) nicht zur Beitreibung zugeleitet worden. Kommunalfinanzbericht 2014 – Drucksache 6/3676 – Im Rahmen der Beratungen haben sich die Abgeordne- ten intensiv in teils kontroversen, aber letztlich auch im- Unterrichtung durch den Landesrechnungshof mer konstruktiven Diskussionen mit den Berichten des Jahresbericht des Landesrechnungs- Landesrechnungshofes auseinandergesetzt. So hat der hofes 2014 (Teil 2) Finanzausschuss im Ergebnis seiner Beratungen bei- Landesfinanzbericht 2014 spielsweise einstimmig ein Ersuchen an den Landes- – Drucksache 6/3841 – rechnungshof beschlossen. Danach soll der Landesrech- nungshof eine Fortsetzung des bereits bestehenden Beschlussempfehlung und Bericht Gutachtens zur Analyse der kommunalen Sozialausga- des Finanzausschusses (4. Ausschuss) ben in Mecklenburg-Vorpommern und im Länderver- – Drucksache 6/4551 – gleich beauftragen, in welchem dann auch die Zahlen und Daten nach dem Jahr 2011 berücksichtigt werden Das Wort zur Berichterstattung hat der Vorsitzende des sollen. Finanzausschusses Herr Koplin. Bitte. Hintergrund dieser Empfehlung des Finanzausschusses Torsten Koplin, DIE LINKE: Frau Präsidentin! Sehr ge- ist ein erstes Analysegutachten, das bereits im Auftrag ehrte Damen und Herren! Auf der Drucksache 6/4551 des Landesrechnungshofes erstellt wurde und im Kom- des Landtages liegen Ihnen die Beschlussempfehlung munalfinanzbericht Erwähnung fand. Hierzu haben der und der Bericht des Finanzausschusses vor. Damit legt Finanzausschuss – das war auch ein Novum, drei Aus- Ihnen der Finanzausschuss heute das Ergebnis seiner schüsse –, der Innenausschuss und der Sozialausschuss umfangreichen Beratungen und Prüfungen vor. gemeinsam den Gutachter angehört und befragt.

Wir haben den Kommunalfinanzbericht und den Landes- Im Rahmen der Vorstellung des Gutachtens wurde sei- finanzbericht des Landesrechnungshofes sowie den tens des Autors ausgeführt, dass in Mecklenburg-Vor- Antrag der Finanzministerin in insgesamt neun Aus- pommern im Vergleich zu den anderen ostdeutschen schusssitzungen mit dem Finanzministerium, mit dem Flächenländern die Sozialausgaben überdurchschnittlich Landesrechnungshof sowie mit Vertretern der einzelnen hoch seien. Zum Teil könne man diese erhöhten Werte Fachressorts der Landesregierung beraten. Angesichts allerdings auch mit der in Mecklenburg-Vorpommern der sehr zeit- und arbeitsintensiven Beratungen möchte bestehenden höheren Falldichte erklären. Es lägen zu- ich die Gelegenheit nutzen und mich im Namen der Mit- dem auch größere Unterschiede bei den einzelnen Arten Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 73 der Jugend- und Sozialhilfe vor, sodass eine Betrachtung (Jochen Schulte, SPD: Die will auch nicht. – der einzelnen Bereiche notwendig sei, damit entspre- allgemeine Heiterkeit – chende Rückschlüsse gezogen werden könnten. Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Im Ergebnis dieser Anhörung des Gutachters hatten Frau Rösler von der LINKEN, bitte. einige Abgeordnete angeregt, ein Folgegutachten zu erstellen, welches auch die Zahlen und Daten nach der Jeannine Rösler, DIE LINKE: Frau Präsidentin! Meine Kreisgebietsreform mit einschließe, da im ersten Gutach- Damen und Herren! Der Vorsitzende des Finanzaus- ten lediglich die Zahlen von 2009 bis 2011 berücksichtigt schusses, mein Kollege Torsten Koplin, hat bereits einen wurden. ausführlichen Bericht zur Beschlussempfehlung des Ausschusses gehalten. Ich möchte daher nur noch ein Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, der Fi- paar wenige Anmerkungen machen, die uns besonders nanzausschuss empfiehlt Ihnen in Ziffer 1 seiner Be- wichtig sind und die von der Ausschussmehrheit, also schlussempfehlung, verschiedene Entschließungen an- SPD und CDU, nicht so gesehen wurden. zunehmen und die übrigen Textzahlen zur Kenntnis zu nehmen. Die Landesregierung wird insbesondere er- Zunächst aber bedanke ich mich namens der Fraktion sucht, im Rahmen der Rechtsaufsicht die Kommunen DIE LINKE bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des dazu anzuhalten, ihre Einnahmenpotenziale bei der Ge- Landesrechnungshofes für die Erarbeitung und für die werbesteuer und der Grundsteuer zu nutzen. Ferner soll umfassenden Erläuterungen zu den zwei Berichten. sichergestellt werden, dass die Finanzämter alle ihnen zur Verfügung stehenden Maßnahmen ergreifen, um Was den Teil 2, den Landesfinanzbericht betrifft, möchte Umsatzsteuerbetrug wirksam zu verhindern. Darüber ich nur kurz auf ein Thema eingehen, das auch Herr Koplin hinaus soll sich der Landtag ausdrücklich zu politischen schon erwähnt hat: die Vermeidung von Steuerausfällen in Stiftungen und Jugendverbänden der Parteien als wichti- den Finanzämtern. In diesem Zusammenhang haben wir ge Institutionen zur Förderung der politischen Bildung im Ausschuss beantragt, dass die Landesregierung prüfen bekennen. soll, ob und inwiefern die Finanzverwaltung noch über eine aufgabengerechte Personalausstattung verfügt. Im Unter- In den Ziffern 2 und 3 empfiehlt Ihnen der Finanzaus- schied zum Landesrechnungshof haben wir deutliche schuss, sowohl der Landesregierung als auch dem Lan- Zweifel, dass allein durch eine Gewichtung der Personal- desrechnungshof Entlastung zu erteilen. Für die Entlas- ressourcen eine höhere Bearbeitungsqualität erreicht tung der Landesregierung hat sich der Finanzausschuss werden kann. mehrheitlich und für die Entlastung des Landesrech- nungshofes einvernehmlich ausgesprochen. Meine Damen und Herren, zum Kommunalfinanzbe- richt 2014 lassen Sie mich Folgendes sagen: Die prekäre Der Beschlussempfehlung insgesamt hat der Finanzaus- kommunale Haushaltslage gibt, denke ich, keinen Anlass schuss in seiner 103. Sitzung am 17. September dieses zum Jubeln, ganz im Gegenteil. Viele Kommunalverwal- Jahres mehrheitlich mit den Stimmen der Fraktionen der tungen, Kommunalvertreter, auch von SPD und CDU, SPD und CDU, gegen die Stimmen der Fraktionen DIE und viele Bürgermeister sehen die Entwicklung der LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und NPD zuge- Kommunalfinanzen, insbesondere die steigenden Kas- stimmt. senkredite, die zunehmenden defizitären Haushalte so- wie den Rückgang der Investitionstätigkeit mit großer Abschließend bleibt mir nur noch, Sie um das Votum zur Besorgnis. Sie fordern zu Recht mehr Engagement der Beschlussempfehlung zu bitten. – Vielen Dank für die Landesregierung ein. Soforthilfen, Sonderfonds oder Aufmerksamkeit. Zusatzhilfen, alles gut und schön,

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, (Heinz Müller, SPD: Aha!) DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) aber sie ersetzen eben auf Dauer keine aufgabengerech- Vizepräsidentin Silke Gajek: Danke. te und verlässliche kommunale Finanzausstattung.

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit (Beifall vonseiten der Fraktionen einer Dauer von bis zu 120 Minuten vorzusehen. Ich DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so be- Peter Ritter, DIE LINKE: Sehr richtig.) schlossen. Ich eröffne die Aussprache. Der Landesrechnungshof verweist, … Das Wort hat die Finanzministerin? Ach nee, (Heinz Müller, SPD: Aber deswegen (Ministerin Heike Polzin: Das ist auch nicht üblich. – machen wir ja ein Gutachten und Schriftführer Burkhard Lenz: Sie soll ja entlastet darauf basiert dann ein neues Gesetz.) werden. – Ministerin Heike Polzin: Ich möchte ja entlastet werden.) Wir werden mal sehen, was dabei herauskommt. deswegen wollte ich, … Entschuldigung! (Unruhe bei Heinz Müller, SPD, Peter Ritter, DIE LINKE, (Udo Pastörs, NPD: und Johannes Saalfeld, Fragen Sie mal Herrn Sellering! BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Der spricht bestimmt gern dazu.) … der Landesrechnungshof verweist im Besonderen auf Gut, dann hätte ich jetzt gerne Frau Rösler hier vorne. zum Teil erhebliche Schwierigkeiten der Kommunen bei 74 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 der Umsetzung der sicherheitstechnischen und daten- geschlossen gegen die Ihnen vorliegende Beschluss- schutzrechtlichen Anforderungen. Schuld daran sind oft empfehlung gestimmt. Damit hat sie signalisiert, dass sie mangelnde personelle Ressourcen und eben auch eine der Landesregierung keine Entlastung für das Haushalts- unzureichende Finanzausstattung. jahr 2013 erteilen wird.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Da müssen (Peter Ritter, DIE LINKE: Richtig erkannt.) wir aber erst ein Gutachten machen! – Heinz Müller, SPD: Und dann Danke. ein neues Gesetz.) Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte Umso wichtiger ist es, dass die Landesregierung die mich mit meinen Ausführungen auch nur auf einige weni- Kommunen bei der Umsetzung der Leitlinie für die Infor- ge Punkte beschränken. Meine Vorredner haben das mationssicherheit in der öffentlichen Verwaltung unter- schon fast in Gänze ausgeführt, und daher nur ein biss- stützt. Hier sehen auch wir großen Handlungsbedarf. Wir chen. haben im Zuge der Beratungen den Vorschlag unterbrei- tet, dass die Landesregierung prüfen solle, ob und inwie- (Heiterkeit bei Ulrike Berger, fern IT-Leistungen der kommunalen Ebene durch das BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Land als Dienstleister übernommen werden können. Zuruf von Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ein anderes Problemfeld hat der Landesrechnungshof beim Zusammenwirken vom örtlichen Jugendhilfeträger Nee, alles noch nicht. mit dem überörtlichen Jugendhilfeträger beziehungswei- se dem Land ausgemacht. Die wesentlichen Forderun- Zum Kommunalfinanzbericht 2014 wurde besonders gen des Landesrechnungshofes diesbezüglich teilen wir intensiv die Analyse der kommunalen Sozialausgaben in ausdrücklich. Es geht zum einen um mehr Unterstützung Mecklenburg-Vorpommern und im Ländervergleich bera- der Landesregierung für die örtlichen Jugendhilfeträger ten. Dazu lag uns das Kurzgutachten des Landesrech- bei der Jugendhilfeplanung und zum anderen um die nungshofes vor, auf das er sich in seinem Kommunalfi- fachliche Auseinandersetzung zu überregionalen Strate- nanzbericht bezogen hat. gien und um ein besseres Angebot an überregionaler Fort- und Weiterbildung im Bereich der Jugendhilfepla- In einer gemeinsamen nicht öffentlichen Anhörung von nung – ein, wie wir meinen, sehr wichtiges Thema, das Finanz-, Sozial- und Innenausschuss am 9. April 2015 wir nicht aus den Augen verlieren dürfen. hatten wir die Gelegenheit, Herrn Professor Dr. Martin Junkernheinrich ausführlich zu seinem Gutachten zu Meine Damen und Herren, meine Fraktion wird dem befragen. In unserem Antrag zur Beschlussempfehlung Punkt 1 in der Beschlussempfehlung nicht zustimmen, da stellten wir die wichtigsten Punkte heraus. wir in Teilen die Empfehlungen und Entschließungen so nicht mittragen. – Vielen Dank. Erstens. Wie schon in den Vorjahresberichten stellte die uneinheitliche Datenerfassung ein Problem dar. Deshalb (Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE) bitten wir die Landesregierung, dafür Sorge zu tragen, dass es endlich zu einer einheitlichen Datenerfassung in Vizepräsidentin Silke Gajek: Danke. den Kommunen kommt.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Gundlack von Es war auch wichtig zu empfehlen, dass die Landesre- der SPD-Fraktion. gierung die Landkreise bei den Verhandlungen mit den Sozialträgern unterstützt, damit die Verhandlungen auf Tilo Gundlack, SPD: Frau Präsidentin! Meine sehr ge- Augenhöhe passieren und geführt werden können. Wir ehrten Damen und Herren! Erst mal auch von meiner haben festgestellt, dass auf der einen Seite Sachbearbei- Seite einen herzlichen Dank an den Landesrechnungs- ter sitzen, auf der anderen Seite sitzen Rechtsanwälte, hof, hier vertreten durch seinen Präsidenten, und seine Steuerberater und Wirtschaftsprüfer. Ich glaube, das Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die herausragenden auseinanderzuhalten und Gespräche zu führen, bringt Texte, die er uns wieder geliefert hat, ohne diesmal da- nichts, da muss schon Waffengleichheit herrschen. rauf einzugehen, wie man doch einige Texte sehr um- ständlich beschreiben kann. Drittens. Die Transparenz bei den Leistungsanbietern im Sozialbereich muss weiter erhöht werden. (Udo Pastörs, NPD: „Texte umständlich beschreiben“? Sachverhalte beschreiben!) Viertens. Dem Landesrechnungshof sollen Prüfungsrech- te bei solchen Leistungsanbietern eingeräumt werden, Das war schon ein Kompliment, dass es jetzt nach meh- die sich überwiegend über öffentliche Mittel finanzieren. reren Berichten auch einfacher geworden ist, das zu verstehen. Fünftens. Weil die Analyse der kommunalen Sozialausga- ben in Mecklenburg-Vorpommern nicht beim Jahr 2011 Meine sehr geehrten Damen und Herren, dem vorliegen- stehen bleiben darf und die Effekte der Kreisgebietsreform den Antrag der Finanzministerin auf Entlastung der Lan- nicht einbezogen werden konnten, bitten wir den Landes- desregierung für das Haushaltsjahr 2013 wird die SPD- rechnungshof, die Fortschreibung des entsprechenden Fraktion zustimmen. Kurzgutachtens in Auftrag zu geben.

Bei der Abstimmung zur Beschlussempfehlung zu den Meines Erachtens und meines Wissens – ich habe vor- Landesrechnungshofberichten Teil 1 und Teil 2 im Finanz- her mit dem Landesrechnungshofpräsidenten gespro- ausschuss am 17. September 2015 hat die Opposition chen – ist dieses auch passiert. Es wird quasi ein zweites Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 75

Gutachten – Junkernheinrich 2 – erstellt werden und zu konstruktiven Beratungen im Finanzausschuss. Ich bitte uns kommen, aber nicht der besagte Professor, sondern Sie um Zustimmung zur Beschlussempfehlung, mit der ein Hamburger Institut hat dieses in Auftrag bekommen. der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern und dem Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern für Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Prüfung das Haushaltsjahr 2013 Entlastung erteilt wird. Ich be- der Haushaltsrechnung und Vermögensübersicht des danke mich für Ihre Aufmerksamkeit. – Vielen Dank. Jahres 2013 hat keine für die Entlastung der Landesregie- rung wesentlichen Abweichungen von Beträgen der Rech- (Beifall vonseiten der Fraktion der SPD) nung und der Bücher ergeben. Das bescheinigt der Lan- desrechnungshof im Teil 2 seines Berichtes 2014. Deshalb Vizepräsidentin Silke Gajek: Das Wort hat jetzt der Ab- testiert er der Landesregierung eine ordnungsgemäße geordnete Herr Saalfeld von der Fraktion BÜNDNIS 90/ Haushalts- und Wirtschaftsführung für das Jahr 2013. DIE GRÜNEN. Daher kann der Landtag dem Antrag der Finanzministerin auf Entlastung der Landesregierung für das Haushalts- Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sehr jahr 2013 uneingeschränkt zustimmen. geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Her- ren! Zunächst auch von meiner Seite vielen Dank an die Ich habe in allen neun Sitzungen des Finanzausschusses Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landesrechnungs- zur Beratung des Landesrechnungshofberichtes immer hofes für die Erarbeitung und Vorstellung der Prüfberich- den Eindruck gewonnen, dass viele der Kritikpunkte te, aber auch an alle Häuser, die uns für die Beratungen bereits im Verfahren behoben werden konnten. Trotzdem im Finanzausschuss zur Verfügung gestanden haben, haben wir in unserem Antrag zur Beschlussempfehlung und an das Ausschusssekretariat natürlich für eine her- zehn Punkte herausgehoben, durch die wir einzelne vorragende Koordination der umfangreichen Beratungen. Verbesserungsmöglichkeiten in der Verwaltungstätigkeit sehen. Teilweise sind es aber auch unterstützende Ent- (Beifall Ulrike Berger, schließungstexte. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie werden Meine sehr geehrten Damen und Herren, die rot-schwarze auch ein Bekenntnis zur Konjunkturausgleichsrücklage in Landesregierung ist stolz auf ihre Haushaltspolitik, der der Beschlussempfehlung finden. Ich bin froh, dass wir eigenen Haushaltspolitik wird dabei gerne das Etikett „soli- diese haben, denn wir werden wahrscheinlich auch jeden de“ gegeben. Und, meine sehr geehrten Damen und Her- Euro brauchen. Wenn es nach den GRÜNEN oder nach ren, das Kabinett und die Koalition sind bekanntlich auch den LINKEN ginge, wären die Mittel bereits heute aufge- sehr stolz darauf, dass wieder einmal ein Jahr ohne neue braucht. Wir werden es in den Haushaltsberatungen Schulden abgeschlossen werden konnte. Hierfür bittet die sehen. Wie so oft haben wir hier im Landtag auch gehört, Landesregierung heute um Entlastung. dass es nicht notwendig wäre, eine solche hohe Rückla- ge vorzuhalten. Ich glaube aber doch. Die Opposition hat (Zuruf von Egbert Liskow, CDU) so viele Vorschläge – ich habe sie vorhin gelesen im Sozialausschuss – bereitgestellt, wie das Geld fix ausge- Und in der Tat, es ist ja auch zu begrüßen, dass es keine geben werden könnte. Zum Glück haben wir die Konjunk- neuen Schulden gegeben hat. Ich könnte jetzt natürlich turausgleichsrücklage jetzt im Gesetz verankert. viel über die günstigen Rahmenbedingungen sprechen, dass die Steuereinnahmen noch nie so gesprudelt sind Weitere Entschließungspunkte beinhalten die Aufforde- wie in den letzten Jahren und dass sich die Zinsausga- rung, erstens über die Entwicklung der europäischen Fis- ben auch dank der Wirtschafts- und Finanzkrise im Sink- kalregeln zu berichten, weil wir die harmonisierten Rech- flug für das Land befinden. Immerhin zahlen wir heute nungslegungsstandards der EU, die EPSAS, als nicht 200 Millionen Euro jährlich weniger Zinsen als noch im zielführend ansehen – hierzu wird es auch ein Gespräch Jahr 2009. Das muss man sich mal auf der Zunge zerge- mit der Steuerberaterkammer geben –, zweitens, die inter- hen lassen! Da profitiert Deutschland extrem von der ne Revision weiterzuentwickeln, das betriebliche Einglie- Eurokrise, von der Wirtschafts- und Finanzkrise durch derungsmanagement weiter zu erhöhen und auf eine das geringe Zinsniveau! Verbesserung des IT-Controllings hinzuwirken, die Opti- mierung der Flächen- und Mediennutzung voranzubringen, Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich den Umsatzsteuerbetrug wirksamer zu bekämpfen, ord- möchte heute und auch aufgrund der vorliegenden Prüf- nungsgemäße Zuwendungsverfahren für politische Stif- berichte des Landesrechnungshofes etwas anderes in tungen sicherzustellen, zu prüfen, wie Betreuungsverfah- den Mittelpunkt stellen. Mir geht es um eine ganz wichti- ren transparenter und familienfreundlicher gestaltet wer- ge Frage, nämlich was wir eigentlich unter solider Haus- den können, und dem Landtag auch darüber zu berichten haltspolitik verstehen. Ist es solide, wenn im Landes- sowie bessere ressortübergreifende Abstimmungen für haushalt Überschüsse entstehen, die Schulden aber Fördermaßnahmen im ländlichen Raum sicherzustellen. zulasten der Kommunen und zulasten der öffentlichen Hier darf es zu keinen Parallelförderungen mehr kommen. Infrastruktur verschoben werden? Ist es solide, wenn die Politik der Landesregierung zum Rückbau des ÖPNV, Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte auf der Gerichte und der Theater führt, wenn die Investiti- keinen der vorgenannten Punkte weiter einzeln eingehen. onsquote der Kommunen immer weiter sinkt? Ich verste- Ich glaube, darüber könnten wir noch stundenlang philo- he unter solider Haushaltspolitik etwas anderes. Für mich sophieren und auch miteinander reden. Wir werden uns im ist solide Haushaltspolitik eine Basis, ein Fundament, auf Finanzausschuss zu gegebener Zeit von der Landesregie- dem das Land gestaltet werden kann. Diese Regierung rung über die Umsetzung der Aufträge berichten lassen. ist jedoch beim Fundament stehen geblieben.

Die SPD-Fraktion dankt dem Landesrechnungshof für Sie haben vergessen, das Haus darüber, auf diesem seine geleistete Arbeit und der Landesregierung für die Fundament, aufzubauen. Anstatt eine Glasfaserleitung 76 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 an das Haus zu legen, sparen Sie lieber. Anstatt die meine sehr geehrten Damen und Herren, ist keine solide Wege rund um das Haus zu erhalten, sparen Sie lieber. Finanzpolitik! Anstatt den Anschluss dieses Hauses an den ÖPNV sicherzustellen, sparen Sie lieber, und anstatt das Haus Meine sehr geehrten Damen und Herren, beim Thema mit Kultur, Bildung und Bibliotheken zu beleben, sparen Infrastruktur müssen wir natürlich auch ein paar Sätze Sie lieber. zum Breitbandausbau sagen. Was wir in den letzten Monaten immer befürchtet haben, ist nun eingetreten. (Udo Pastörs, NPD: Ha! – Diese Landesregierung weigert sich, den Ausbau des Zuruf von Patrick Dahlemann, SPD) schnellen Internets anständig zu finanzieren. Aber nicht nur das. Das Land gibt sogar mehr Geld aus, um den Sie stecken lieber alles in das Fundament. Aber Haus- mobilen Telefon- und Internetempfang im Land zu unter- haltspolitik ist doch kein Selbstzweck, meine sehr geehr- binden, als sie für dessen Ausbau ausgibt. Das klingt ten Damen und Herren! jetzt verrückt, ist es aber nicht und ist mit dieser Landes- regierung möglich. 800.000 Euro ist SPD und CDU eine (Egbert Liskow, CDU: Ohne Mobilfunkblockierungsanlage in der JVA Waldeck wert, Fundament ist alles nichts!) (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) Es geht doch nicht um den Wettbewerb um das schönste Fundament. Sie können natürlich die Perspektive verdre- aber nicht einen zusätzlichen Landeseuro investiert sie in hen und sagen, je weniger das Fundament zu tragen hat, den Ausbau des schnellen Internets. Nur die Bundesmit- umso solider ist das Haus. Aber, meine sehr geehrten tel, die nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein Damen und Herren, schöner wird das Haus durch diese sind, werden momentan weitergereicht. Das ist, meine Logik auch nicht. sehr geehrten Damen und Herren, eine kuriose Schwer- punktsetzung, die sich wohl nur der Landesregierung Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte selbst erschließt. Ich finde, auch das hat mit solider Fi- Ihnen anhand einiger Beispiele aus dem Bericht des nanz- und Haushaltspolitik wenig zu tun. Landesrechnungshofes zeigen, warum ich glaube, dass die rot-schwarze Landesregierung ihre Haushaltspolitik Meine sehr geehrten Damen und Herren, ein weiteres neu ausrichten muss, und warum wir uns nicht mit dieser vermeintliches Erfolgsrezept der soliden Haushaltspolitik falsch verstandenen Sparpolitik begnügen dürfen. des Landes basiert auf Einsparungen zulasten der Kom- munen. Während das Land seit Jahren Millionenüber- Erstens. Wir verschulden uns zulasten unserer Infrastruk- schüsse in der Kasse hat, sieht es bei den Kommunen tur. Der Landesrechnungshof hat in seinem Kommunalfi- immer düsterer aus. Aber anstatt die anstehenden Ände- nanzbericht klar benannt, derzeit fahren wir unsere Infra- rungen des FAGs für eine Anpassung zu nutzen, werden struktur, das heißt das öffentliche Eigentum, auf Ver- Gutachten beauftragt, Herr Müller. Ich habe vorhin ge- schleiß. Der Landesrechnungshof hat in seinem Bericht sagt, still ruht der See seitdem, das ist das Problem. zum wiederholten Male darauf aufmerksam gemacht, dass die sinkenden Investitionsausgaben der öffentlichen (Heinz Müller, SPD: Aber dieses Gutachten machen Haushalte auf Dauer nicht funktionieren können. Diese wir doch gemeinsam mit der kommunalen Ebene!) Politik wird erhebliche Folgeprobleme und vor allem Folgekosten mit sich bringen, Folgekosten für die nächs- Aber anstatt die Änderung des FAGs für eine Anpassung ten Generationen. Jeden Euro, den wir jetzt scheinbar zu nutzen, werden negative Finanzierungssalden und einsparen, werden wir später doppelt bezahlen müssen. steigende Kassenkredite ignoriert. Es wäre solide und nachhaltig, jetzt fortlaufend in Schu- len und Breitbandausbau zu investieren, anstatt den Wer in der Anhörung des Innenausschusses am 8. Okto- Sanierungsstau immer weiter anwachsen zu lassen und ber war, konnte erfahren, wie die Situation wirklich ist. erst einzuschreiten, wenn uns die Schulen sozusagen Eine stärkere Beteiligung der Kommunen an der guten über dem Kopf zusammenbrechen. Entwicklung des Landeshaushaltes ist dringend ange- zeigt und vor allem auch angemessen und gerecht. Städ- In den letzten neun Jahren hat Mecklenburg-Vorpommern te und Kreise haben deutlich gemacht, welche Folgen die siebenmal eine niedrigere Investitionsquote als der Durch- rot-schwarze Sparpolitik hat: Streichungen freiwilliger schnitt der ostdeutschen Länder gehabt. Das ist nicht Aufgaben, fehlende Instandhaltung von Schulen und solide, meine sehr geehrten Damen und Herren! Straßen. Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist keine solide Finanzpolitik! Wir brauchen einen verläss- (Beifall Ulrike Berger, lichen und fairen Finanzausgleich und nicht immer neue BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Hilfspakete für unsere Kommunen.

Darum haben wir vorgeschlagen, einen Infrastrukturbe- Meine sehr geehrten Damen und Herren, ein Thema, das richt für das Land zu erstellen, denn bisher hat die Lan- uns im Finanzausschuss und auch den Landesrech- desregierung ja noch nicht einmal einen Überblick, wo nungshof in seinen Prüfberichten regelmäßig beschäftigt welcher Investitionsbedarf besteht. Aber nur wenn wir hat, ist das Baugeschehen im Land. Dabei sind mir zwei das wissen, können wir auch entscheiden, welche Inves- Dinge wichtig: Erstens müssen wir Baukosten ehrlich titionen am dringendsten und am wichtigsten sind. Nur planen und auch erst dann über einen Bau entscheiden, dann können wir Prioritäten setzen. wenn wir wirklich wissen, wie teuer er am Ende wird.

Übrigens, im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte (Tilo Gundlack, SPD: Ha, ha! So ist es.) wird voraussichtlich bereits im Jahr 2017 das Eigenkapi- tal aufgebraucht sein. So hat es Landrat Heiko Kärger Der Landesrechnungshof hat darauf aufmerksam ge- vor zwei Wochen im Innenausschuss berichtet. Das, macht, dass Baumaßnahmen in der Vergangenheit be- Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 77 reits in den Haushalt eingestellt wurden, obwohl die Ge- baus in Mecklenburg-Vorpommern abgeschlossen wer- samtplanungen noch gar nicht endgültig abgeschlossen den können. Mit diesem Geld hätten Schulen, Fahrrad- und Bedarfe nicht endgültig geklärt waren. Dann ist es wege durchsaniert natürlich klar, dass es ganz schnell zu Änderungen in der Bauphase und damit zu Kostensteigerungen kommen (Torsten Renz, CDU: Kitas!) kann, weil Planungen während des Baus noch einmal laufend angepasst werden müssen. Da müssen wir uns und ausgebaut werden können. Mit diesem Geld hätte ehrlich machen! Es darf bei Bauvorhaben keine politi- die Südbahn 50 Jahre lang weiterfahren können. schen Preise geben. Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie verstehen Darum ist es gut, dass der Rechnungshof die Kostenent- sicherlich, warum wir GRÜNEN der Landesregierung wicklung bei Baumaßnahmen eng begleitet hat und in heute keine Entlastung für ihre Haushaltspolitik erteilen Zukunft eng begleiten wird, und darum ist es wichtig, dass können. Grüne Haushaltspolitik ist nachhaltig und denkt der Finanzausschuss auch eingebunden bleibt, wenn an morgen, Mehrkosten bei Bauvorhaben bestimmte Grenzen über- schreiten. Dass diese Grenze im Entwurf des neuen (Heiterkeit vonseiten der Fraktionen Haushaltsgesetzes von derzeit 1 Million Euro auf nunmehr der SPD, CDU und NPD) 2 Millionen Euro erhöht wird, lehnen wir GRÜNEN ab. Die parlamentarische Kontrolle über Kostenexplosionen bei damit wir auch in Zukunft noch gut in unserem Land Baugenehmigungen darf nicht aufgeweicht werden. leben können.

Zweitens hat der Rechnungshof bei Baumaßnahmen (Michael Andrejewski, NPD: Die denkt darauf verwiesen, dass 80 Prozent der Gesamtkosten im gar nicht, würde ich mal sagen.) Lebenszyklus eines Gebäudes auf die Nutzungsphase entfallen. Darum müssen wir Maßnahmen der Energieeffi- Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist der zienz im Bau viel stärker berücksichtigen. Aber solche Unterschied. Sie lachen, aber ich frage Sie: Wo sind die Kriterien werden bisher viel zu wenig berücksichtigt, denn 300 Millionen Euro in den letzten Jahren geblieben, die sie fließen nicht ausreichend in die Wirtschaftlichkeitsbe- Ihnen durch die Lappen gegangen sind? trachtung von Baumaßnahmen ein. Anders ausgedrückt, das Land spart aktuell lieber ein bisschen an den Baukos- Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit und bitte um die ten, auch wenn der Unterhalt des Gebäudes über die ge- getrennte Abstimmung der Ziffern 1, 2 und 3 der Be- samte Nutzungsdauer dadurch teurer wird. Auch das, meine schlussempfehlung des Finanzausschusses. – Vielen sehr geehrten Damen und Herren, ist keine solide Finanzpo- Dank für Ihre Aufmerksamkeit. litik und schon gar keine nachhaltige Finanzpolitik! (Beifall Ulrike Berger, (Egbert Liskow, CDU: Aber auch das BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – ist eine Falschaussage von Ihnen.) Torsten Renz, CDU: Im Protokoll steht, es hat eine Person einsam geklatscht.) Meine sehr geehrten Damen und Herren, zum Schluss möchte ich noch auf ein besonderes politisches Phäno- Vizepräsidentin Silke Gajek: Das Wort hat jetzt der men unseres Landes eingehen, das es wahrscheinlich Abgeordnete Herr Pastörs von der NPD-Fraktion. nur hier in Mecklenburg-Vorpommern gibt. Man könnte dieses Phänomen als die schwarzen Löcher des Lan- Udo Pastörs, NPD: Frau Präsidentin! Meine sehr verehr- deshaushaltes bezeichnen. Merkmal dieses kuriosen ten Damen und Herren! Auch die NPD-Fraktion wird der Phänomens ist, dass sich stets alle Beteiligten, insbe- Landesregierung hier natürlich keine Entlastung erteilen. sondere die Landesregierung, absolut korrekt verhalten Ich hatte schon im Ausschuss die Position meiner Frakti- haben, dass niemandem ein Problem aufgefallen ist und on zu den unterschiedlichen Punkten detailliert ausge- dass am Ende dennoch gigantische Millionenbeträge führt. So bleibt mir hier nur noch, ein paar Punkte aufzu- zulasten des Landes verloren gegangen sind. greifen, die uns über das Gesagte hinaus als sehr, sehr wichtig erscheinen. Da haben wir die Werften, bekannte Schadenssumme 152 Millionen Euro, da haben wir die JVA Waldeck, da Der Schwerpunkt …, oder anders gesprochen: Unser werden wir vermutlich auch noch mal 100 Millionen Euro Land ist strukturiert von unten nach oben. Das heißt, die zu viel bezahlen, da haben wir den Fall Hohe Düne, hier Kommunen stellen die Basis, das aktive Leben dar und könnte das Land auf 13 Millionen Euro sitzen bleiben. gestalten es vor Ort, und das Land hat die Aufgabe, Und immer haben sich alle Verantwortlichen, finanztechnisch zu steuern und im Rahmen der gesetzli- chen Möglichkeiten und des gesetzlichen Auftrags dafür (Torsten Renz, CDU: Polizei- zu sorgen, dass die Kommunen auskömmlich nicht nur hubschrauber! Polizeihubschrauber!) ihre Pflichtbeiträge erbringen können, ihre Aufgaben, ihre Pflicht erfüllen können, sondern, Herr Innenminister, die insbesondere die Landesregierung, angeblich korrekt kommunale Selbstverwaltung ist erst dann eine wirkliche verhalten. Dennoch schaut der Steuerzahler in die Röhre. kommunale Selbstverwaltung, wenn darüber hinaus das Land die Kommunen in erster Linie über das Finanzaus- Allein bei diesen drei Beispielen sind der Landesregie- gleichsgesetz so ausstattet, dass auch die übrigen frei- rung rund 300 Millionen Euro durch die Lappen gegan- willigen Gestaltungsmöglichkeiten überhaupt noch prak- gen. Das hat nichts mit solider Finanz- und Haushaltspo- tisch umgesetzt werden können. litik zu tun! Mit diesem Geld könnten die Theater im Land noch mindestens 80 Jahre ausfinanziert werden. Mit Wir als Nationalopposition stellen objektiv fest, das ist diesem Geld hätten 60 bis 70 Prozent des Breitbandaus- in vielen, in den meisten – und das wissen Sie auch, 78 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015

Herr Caffier – Gemeinden und in den Kreisen gar nicht lage erfolgt, indem Sie Ihre sogenannten politischen mehr möglich. Wenn ich Sie daran erinnern darf, auch Jugendorganisationen parallel zu der Parteienfinanzie- die Finanzministerin, dass wir in den nächsten Monaten rung massiv mit Geld versorgen. Und das ist ein Kritik- und Jahren schon Risiken im Haushalt haben – ohne zu punkt, wo wir uns überlegen, wie wir als Fraktion, viel- berücksichtigen, dass jetzt vielleicht noch Hunderttau- leicht sogar mit einem Gesetzentwurf, darauf reagieren sende zusätzlich nach Mecklenburg-Vorpommern kom- werden. men –, dass wir ein strukturelles Problem, Sie ein struktu- relles Problem von zwischen 400 und 500 Millionen Euro (Heinz Müller, SPD: pro anno im Haushalt verbergen – Schuldenbremse et Na, da habe ich aber Angst.) cetera, Wegbrechen der Zuschüsse der EU, der Streit um den Länderfinanzausgleich et cetera, et cetera –, Meine sehr verehrten Damen und Herren, noch einen dann wird ganz deutlich klar, dass das, was hier bespro- Punkt zu unserem Spezialisten der GRÜNEN in Sachen chen wird, schon Schnee von gestern ist Finanzen. Da hörten wir Waldeck, Mobilfunkblockierung, das wäre also überflüssig oder es wäre besser angelegt, (Egbert Liskow, CDU: Es wenn man das in die Breitbandausbaufinanzierung hin- geht um die Jahresrechnung.) einstecken würde. Jawohl, wir brauchen ganz dringend, das ist schon längst überfällig, diese Modernisierung und und auch der neue und der zukünftige Haushalt nicht den Ausbau der Breitbandmöglichkeiten für unsere Un- angepasst sind an die Wirklichkeit im Lande und an die ternehmen, sonst läuft hier gar nichts. Das ist ganz, ganz Aufgaben, denen sich dieses Land Mecklenburg und dringend! Aber ich halte es auch für einen hinkenden Vorpommern stellen muss. Vergleich, wenn man zugunsten dieser wirtschaftlich notwendigen Infrastrukturmaßnahme auf den Sicher- Und wenn man sich dann die Verschuldungslage von heitsaspekt in Gefängnissen oder im Gefängnis Waldeck vielen Gemeinden anschaut – exemplarisch vielleicht, verzichtet. Denn wir wollen als NPD nicht, dass dem- Herr Caffier, die Landeshauptstadt, die ist handlungs- nächst Schlepper, hoffentlich verurteilt, dort im Knast unfähig, die ist fertig, die versucht sich zu retten von sitzen und dann vom Knast aus mit ihren Mobiltelefonen einem Monat in den anderen, und es ist schon eine Ver- weiterhin kriminelle Strukturen aufrechterhalten können, zweiflungstat, wenn man liest, dass hier die Parkgebüh- dass Schlepperbanden weiterhin funktionieren und, wie ren verdoppelt werden als der letzte Rettungsanker vor das durch ein Urteil in den letzten Tagen bekannt gewor- Ort. den ist, sogar irgendwelche Terroristen von Deutschland aus brutale bürgerkriegsähnliche Aktionen einleiten kön- (Torsten Renz, CDU: Wie hoch sollen die nen, dann auch zum Nachteil der Menschen im Ausland. werden? Wie hoch sollen die denn werden? – Unruhe bei Torsten Renz, CDU, Meine sehr verehrten Damen und Herren, hier ist eine Michael Andrejewski, NPD, Wahrnehmungsverschiebung der GRÜNEN, was den und Stefan Köster, NPD) Rechtsstaatscharakter angeht, den sie ja immer so vor sich hertragen, doch offenkundig, sodass wir hierzu eine Sie haben hier in diesem Land in den letzten zehn Jah- dezidiert andere Auffassung vertreten. ren keine neuen Schulden aufnehmen können und Sie haben es trotz dieser Tatsache, dass Sie keine neuen Unter dem Strich werden Sie mit Ihrer soliden Haushalts- Schulden aufgenommen haben, nicht geschafft, 10 Milli- führung, wie Sie sie immer nennen, erleben, dass die arden Schulden dieses Landes signifikant abzutragen. Infrastruktur in der Fläche, die jetzt schon verrottet, weiter verrotten wird. Das habe ich Ihnen hier schon vor (Zuruf von Egbert Liskow, CDU) sechs/sieben Jahren gesagt, da haben Sie noch gelä- chelt, heute schweigen Sie, zumindest ich sehe das Und wir haben Steuereinnahmen erlebt in den letzten Lächeln nicht mehr. zwei/drei Jahren, die man vielleicht als einmalig einstufen kann, wenn die Voraussagen der Wirtschaftsweisen (Peter Ritter, DIE LINKE: Da kommen zutreffen, dass Europa und auch Deutschland vor einem einem ja die Tränen bei Ihrer Rede.) massiven konjunkturellen Abschwung stehen. Ich werde Ihnen auch sagen, dass Sie in den nächsten (Heinz Müller, SPD: Ach?!) ein/zwei Jahren jeden Monat weit, weit über 5/6/7 Millio- nen Euro mehr brauchen, um allein die Kosten zu de- Was haben wir denn vom Landesrechnungshof gehört? cken, die auf die Gemeinden zukommen in Bezug auf die Der Landesrechnungshof sagt, na ja, es gibt so ein paar Kosten für die Schulversorgung der Ausländerkinder, Wahrnehmungsprobleme, ganz besonders auch, wenn Kosten der Verpflegung der Ausländerkinder – das geht es um die Zuwendungen an politische Stiftungen und alles kostenlos. Von den Kommunen ist das zu finanzie- politische Jugendverbände geht. Da gelten dann offen- ren aus der Grundsteuer A und B vor Ort et cetera pp., sichtlich überhaupt gar keine Kontrollen mehr, weil an aus der Gewerbesteuer und aus dem Anteil der anderen diese parteinahen Organisationen oft ohne Anträge, ohne Einnahmen, die die Kommunen noch haben. Das be- dass diese Organisationen überhaupt Anträge gestellt deutet für uns selbstverständlich, dass wir Ihrem Antrag haben, Geld ausgekehrt wird, Geld ausgekehrt wird, das und Ihrem Vorschlag, hier Entlastung zu erteilen, nicht man dann indirekt durchaus als Parteienfinanzierung zustimmen können. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksam- verstehen kann. keit.

Es gibt auch schon in Berlin-Brandenburg ein Urteil aus (Beifall vonseiten der Fraktion der NPD) dem Jahre 2012, wo klar festgestellt worden ist, dass diese Praxis, wie sie hier geübt wurde und wahrschein- Vizepräsidentin Silke Gajek: Das Wort hat jetzt der lich auch noch geübt wird, ohne jede gesetzliche Grund- Abgeordnete Herr Liskow von der CDU-Fraktion. Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 79

Egbert Liskow, CDU: Frau Präsidentin! Meine sehr vorsitzender schon mal über die umfangreichen Be- geehrten Damen und Herren! schlussempfehlungen vorgetragen.

Herr Saalfeld, wir haben hier keine Haushaltsdebatte Im 1. Teil des Jahresberichtes des Landesrechnungsho- geführt, sondern es geht um die Entlastung der Landes- fes – Kommunalfinanzbericht – wird die Landesregierung regierung für die Jahresrechnung, aber ich möchte we- unter anderem gebeten, in Bezug auf die kommunalen nigstens vorneweg noch mal sagen, lieber ein solides Sozialausgaben die Kostenoptimierung weiter voranzu- Fundament als ein grünes Luftschloss, was Sie ja gerne treiben. Die Datenerfassung bei den Sozialausgaben in bauen wollen. den Kommunen soll einheitlich erfolgen und die Transpa- renz bei Leistungsanbietern im Sozialbereich verbessert (Beifall Michael Silkeit, CDU – werden. Weiterhin spricht sich der Finanzausschuss für Zuruf von Patrick Dahlemann, SPD) eine Fortschreibung des Kurzgutachtens zur Analyse der kommunalen Sozialausgaben aus. Das Innenministerium Deswegen, glaube ich, waren Ihre, wird unter anderem gebeten, die Kommunen anzuhalten, ihre Einnahmepotenziale hinsichtlich der Gewerbe- und (Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/ Grundsteuer zu nutzen. Dies ist meiner Meinung nach im DIE GRÜNEN: Das scheint bei Ihren Übrigen auch erforderlich, um den finanziellen Spielraum Leuten auch nicht angekommen zu sein. – auf der kommunalen Ebene weiter auszubauen. Zuruf von Patrick Dahlemann, SPD) Auf Basis der Darlegung des 2. Teiles des Jahresberich- deswegen waren, glaube ich, Ihre ganzen Vergleiche hier tes des Rechnungshofes – Landesfinanzbericht – bittet nicht passend. der Finanzausschuss die Landesregierung unter ande- rem, die Einführung interner Revisionen vorzubereiten, Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Landesre- die Flächen- und Medienreduzierung in der Landesver- gierung hat durch die Finanzministerin dem Landtag über waltung weiterzuentwickeln und ordnungsgemäße Zu- alle Einnahmen und Ausgaben sowie über die Inan- wendungsverfahren bei Maßnahmen der politischen spruchnahme von Verpflichtungsermächtigungen jährlich Bildung sicherzustellen. Rechnung zu legen. Der Landesrechnungshof prüft die Rechnung sowie die Ordnungsmäßigkeit und die Wirt- Ich spare mir an dieser Stelle, vertiefend auf die erwähn- schaftlichkeit der Haushaltsrechnung und berichtet dar- ten sowie auf weitere Punkte einzugehen. Sie können über dem Landtag. Der Landesrechnungshof unterstützt dies alles in dem Ihnen vorgelegten Bericht nachlesen, damit die parlamentarische Haushaltskontrolle, indem er für dessen Erstellung der Dank dem Sekretariat des mit seinem Prüfbericht dem Parlament Informationen an Finanzausschusses gilt. Fest steht, dass die Gesuche die Hand gibt, die es zur Entlastung der Landesregierung geeignet sind, um eine weitere Prozessoptimierung in der benötigt. Kommunal- und Landesverwaltung zu erreichen und in der Konsequenz Kosten einzusparen. Bezüglich der Unterrichtung des Landesrechnungshofes empfiehlt der Finanzausschuss im Rahmen von Ent- Meine sehr geehrten Damen und Herren, vieles von dem, schließungen, eine Reihe von Ersuchen an die Landes- was der Rechnungshof bemängelt, wird von den Ministe- regierung zu richten und die Unterrichtung im Übrigen zur rien direkt berücksichtigt beziehungsweise umgesetzt. Kenntnis zu nehmen. Ferner empfiehlt der Finanzaus- Das bedeutet, dass es nicht erst eines Beschlusses des schuss dem Landtag, entsprechend dem Antrag der Landtages bedarf, damit die Landesregierung aktiv wird. Finanzministerin der Landesregierung für das Haushalts- Der Rechnungshofbericht entfaltet so mitunter bereits jahr 2013 sowie dem Landesrechnungshof für die Haus- früh die beabsichtigte Wirkung. Gleichzeitig müssen wir halts- und Wirtschaftsführung Entlastung zu erteilen. So Parlamentarier oder die Landesregierung nicht in jedem viel zum technischen Teil. Fall die Meinung des Hofes teilen. Ich glaube auch nicht, dass der Rechnungshof annimmt, dies müsse so sein. Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Entlastung der Landesregierung ist für mich eher ein formaler Akt. Sie Entscheidend ist, dass sich der Rechnungshof stets der ist bei ihrem Handeln an Recht und Gesetz gebunden. Wertschätzung von uns Parlamentariern sicher sein kann, und ich denke, dass wir daran nie einen Zweifel (Rainer Albrecht, SPD: Richtig.) gelassen haben. Meine Fraktion wird der Beschlussemp- fehlung des Finanzausschusses zustimmen. – Ich danke Außerdem enthalten die Haushaltsrechnung und die für Ihre Aufmerksamkeit. Vermögensübersicht für das Haushaltsjahr 2013 alle nach der Landeshaushaltsordnung benötigten Bestand- (Beifall vonseiten der Fraktion der CDU teile. Dies hat auch der Landesrechnungshof so ausge- und Tilo Gundlack, SPD) führt. Vizepräsidentin Silke Gajek: Mir liegen keine weiteren Die Berichte des Landesrechnungshofes sind dagegen Wortmeldungen vor. Ich schließe die Aussprache. komplexer. Der Hof hat sich, wie immer, mit seinen Be- richten viel Arbeit gemacht und wir Parlamentarier sind Wir kommen zur Abstimmung. ihm daher zu großem Dank verpflichtet. In Ziffer 1 seiner Beschlussempfehlung auf Drucksa- (Zuruf vonseiten der Fraktion der CDU: Oha!) che 6/4551 empfiehlt der Finanzausschuss, Empfehlun- gen zu den Unterrichtungen des Landesrechnungshofes Die Beschlussempfehlung des Finanzausschusses um- auf den Drucksachen 6/3676 und 6/3841 anzunehmen. fasst aber nur noch die wichtigsten Punkte. Das ist dies- Wer der Ziffer 1 der Beschlussempfehlung des Finanz- mal nicht anders. Herr Koplin hat ja hier als Ausschuss- ausschusses zuzustimmen wünscht, die oder den bitte 80 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 ich um ein Handzeichen. – Danke. Die Gegenprobe. – Damit unsere Welt so wird, braucht es noch viel Verän- Danke. Und die Stimmenthaltungen? – Danke. Zuge- derung, braucht es Entwicklungspolitik. Wir fordern mit stimmt haben die Fraktionen der SPD und CDU, dagegen unserem Antrag gerade heute, gerade in diesem Jahr, gestimmt hat die Fraktion DIE LINKE, es enthielten sich bürgerschaftliches Engagement im Bereich der Entwick- die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Fraktion lungspolitik zu würdigen. Das Jahr 2015 wurde von der der NPD. Damit ist die Ziffer 1 der Beschlussempfehlung Europäischen Union zum Europäischen Jahr der Ent- des Finanzausschusses auf Drucksache 6/4551 ange- wicklung gewählt. In der Öffentlichkeit entsteht oftmals nommen. der Eindruck, dass Entwicklungspolitik in Mecklenburg- Vorpommern nur eine geringe Rolle spielen würde. In Ziffer 2 seiner Beschlussempfehlung auf Drucksa- che 6/4551 empfiehlt der Finanzausschuss, dem Antrag Natürlich wird Entwicklungspolitik entscheidend durch die der Finanzministerin auf Drucksache 6/3537 sowie der Bundesebene geprägt und repräsentiert. Entwicklungspoli- Ergänzung zu dem Antrag auf Drucksache 6/3729 zuzu- tik steht als Überbegriff für staatliche Programme, die stimmen und damit der Landesregierung für das Haus- politische, wirtschaftliche und soziale Situationen in Teilen haltsjahr 2013 Entlastung zu erteilen. Wer dem zuzu- unserer Welt verbessern sollen. Das Bundesministerium stimmen wünscht, die oder den bitte ich um ein Handzei- für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung veröf- chen. – Danke. Die Gegenprobe. – Danke. Und die fentlicht unter anderem aktuell folgende Ziele: Armut und Stimmenthaltungen? – Danke. Zugestimmt haben die Hunger beenden, Ungleichheiten bekämpfen, Selbstbe- Fraktionen der SPD und CDU, dagegen stimmten die stimmung der Menschen stärken, Geschlechtergerechtig- Fraktionen DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und keit, ein gutes und gesundes Leben für alle, ökologische NPD, es enthielt sich niemand. Damit ist die Ziffer 2 der Grenzen der Erde respektieren, Klimawandel bekämpfen, Beschlussempfehlung des Finanzausschusses auf Druck- natürliche Lebensgrundlagen bewahren, Menschenrechte sache 6/4551 angenommen. schützen.

In Ziffer 3 seiner Beschlussempfehlung auf Drucksa- Diesen Zielen fühlen wir uns in Mecklenburg-Vorpommern che 6/4551 empfiehlt der Finanzausschuss, dem Lan- verpflichtet. Federführend für die Koordinierung der Ent- desrechnungshof gemäß Paragraf 101 Landeshaus- wicklungszusammenarbeit in Mecklenburg-Vorpommern haltsordnung für die Haushalts- und Wirtschaftsführung ist bei uns die Staatskanzlei. Die Aktivitäten konzentrieren im Haushaltsjahr 2013 Entlastung zu erteilen. Wer dem sich auf die finanzielle Unterstützung von Aus- und Wei- zuzustimmen wünscht, die oder den bitte ich um ein Hand- terbildungsmaßnahmen für Fach- und Führungskräfte aus zeichen. – Ja, danke. Die Gegenprobe. – Und die Stimm- Transformations- und Entwicklungsländern in Unterneh- enthaltungen? – Zugestimmt haben die Fraktionen der men des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Eingeladen SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, wird jährlich zum Runden Tisch Entwicklungszusammen- dagegen gestimmt hat niemand und es enthielt sich die arbeit. Fraktion der NPD. Damit ist die Ziffer 3 der Beschlussemp- fehlung des Finanzausschusses auf Drucksache 6/4551 Mecklenburg-Vorpommern ist aktives Mitglied in der angenommen. norddeutschen Partnerschaft NUN – Norddeutsch und nachhaltig: Mit Bildung Zukunft sichern! 40 Vereine und Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 14: Das ist die Be- Initiativen sowie Einzelpersonen haben sich im Eine-Welt- ratung des Antrages der Fraktionen der SPD und CDU – Landesnetzwerk Mecklenburg-Vorpommern zusammen- Bürgerschaftliches Engagement im Bereich der Entwick- geschlossen. Dieser Landesverband engagiert sich auch lungspolitik würdigen, die Drucksache 6/4591. Hierzu liegt im 14. Jahr seines Bestehens für globale Gerechtigkeit Ihnen ein Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE und eine zukunftsfähige Entwicklung. Das Netzwerk ist GRÜNEN auf Drucksache 6/4622 vor. wichtiger Partner in der beim Bildungsministerium ange- siedelten Landesarbeitsgruppe Bildung für nachhaltige Antrag der Fraktionen der SPD und CDU Entwicklung. Als Dachverband fördert es die Vernetzung Bürgerschaftliches Engagement im Bereich und Qualifizierung seiner Mitglieder und vertritt deren der Entwicklungspolitik würdigen Interessen. – Drucksache 6/4591 – Das Landesnetzwerk und die Mitgliedergruppen werden Änderungsantrag der Fraktion als Expertinnen und Experten für Entwicklungspolitik be- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN reits wahrgenommen. – Drucksache 6/4622 – (Stefanie Drese, SPD: Genau.) Das Wort zur Begründung hat die Abgeordnete Frau Kaselitz von der SPD-Fraktion. Projekte wie die Fair-Handels-Beratung M-V oder zur sozial verträglichen Beschaffung sind Partner für Behör- Dagmar Kaselitz, SPD: Sehr geehrte Frau Präsidentin! den und andere Entscheidungsträger. Mehrere Städte Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Viele von des Landes beteiligten sich an der Aktion Stadt des Fai- uns eint in Anbetracht der weltweiten Entwicklungen und ren Handels. der aktuellen Situation in unserem eigenen Land der Wunsch nach Veränderungen in der Welt. Gerechter soll (Stefanie Drese, SPD: Rostock.) sie sein für alle Menschen, friedlich soll sie sein, allen soll sie gleichberechtigt Raum geben für eine gesunde Ent- Rostock war die erste Stadt in Mecklenburg-Vorpommern, wicklung, für Bildung, für ein Leben, für Einkommen, für die diesen Titel 2013 erhalten konnte. Schwerin und Güst- Arbeit ohne Ausbeutung, für die freie Religion, die row machen mit. Wir haben rund 20 Weltläden und Fair- Selbstbestimmung der individuellen Persönlichkeit und Handels-Gruppen bei uns im Land. Viele Kirchgemeinden die Achtung gegenüber jedem menschlichen Leben und und Vereine unterstützen Projekte und unterhalten Part- der Natur. nerschaften nach Afrika. Entwicklungspolitisch engagierte Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 81

Gruppen werden von Kirchen, Stiftungen oder Kommu- dern und sie soll dazu beitragen, dass alle Menschen in nen mit Förderpreisen geehrt. Freiheit und in einer intakten Umwelt leben können. Die Einteilung in Geber und Nehmer oder in Erste, Zweite Dank einer Initiative der SPD-Landtagsfraktion beteiligt und Dritte Welt wird abgelöst vom Gedanken der ge- sich unser Land seit Januar 2014 als erstes ostdeutsches meinsamen Verantwortung in unserer einen Welt. Die Bundesland am Eine-Welt-PromotorInnenprogramm. Das Entwicklungsziele der Agenda verknüpfen das Prinzip durch dieses Promotorenprogramm geschaffene Haupt- der Nachhaltigkeit mit der ökonomischen, ökologischen amt kann das wichtige Ehrenamt im entwicklungspoliti- und sozialen Entwicklung. Zum ersten Mal werden Ar- schen Engagement in unserem Bundesland unterstützen. mutsbekämpfung und Nachhaltigkeit zusammengeführt. Sieben junge Menschen teilen sich die fünf Stellen. So arbeiten eine Landeskoordinatorin, ein Fachpromotor Die 2030-Agenda ist eines der ambitioniertesten Vorhaben Beschaffung, eine Promotorin Süd und je ein Promo- unserer Zeit. Staaten, Zivilgesellschaft, Wirtschaft, Wis- torenteam im Westen und im Osten unseres Landes. Die senschaft und Bürger müssen zusammen daran arbeiten, Organisation von Fachkonferenzen, zum Beispiel zur nachhaltige Entwicklung für alle sicherzustellen. Die Ziel- sozial verträglichen Beschaffung, die inhaltliche und vorgaben richten sich an alle Staaten der Weltgemein- organisatorische Durchführung der Entwicklungspoliti- schaft. So sind auch wir in Mecklenburg-Vorpommern schen Tage gehören ebenso zum Aufgabenspektrum wie aufgefordert, aktiv daran zu arbeiten, dass sich die Situati- die Erarbeitung von Weiterbildungsangeboten und die on der Menschen und der Umwelt bis 2030 in vielen wich- Ausweitung des Wirkungskreises auf unsere ländliche tigen Bereichen verbessern wird. Region und die Schulen im Land. Die aktuelle Flüchtlingskrise führt uns eindrücklich vor Als SPD-Fraktion setzen wir uns gegenwärtig dafür ein, Augen, wie wichtig es ist, den Menschen überall ein im laufenden Haushaltsverfahren auch für 2016/17 die Leben in Würde zu ermöglichen. Fluchtursachen be- anteilige Finanzierung des Landes noch aufzunehmen. kämpfen heißt, in Entwicklung investieren, sagt unser An dieser Stelle einmal Dank an das Bundesministerium Bundesentwicklungsminister Dr. Gerd Müller. Für mich für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und heißt das konkret, vor Ort besonders in Bildung für nach- an die Norddeutsche Stiftung für Umwelt und Entwick- haltige Entwicklung zu investieren. Wenn ich Ursachen lung, die dieses Promotorenteam in den letzten zwei erkenne, Hintergrundwissen habe, mich mit Fakten aus- Jahren maßgeblich mitgefördert haben. einandersetze, aus der Geschichte lerne, wenn ich er- kenne, welche Auswirkungen mein ganz persönliches (Beifall vonseiten der Fraktion der SPD) Verhalten auf zukünftige Entwicklungen hat, kann ich gesellschaftliche Entwicklungen, Naturerscheinungen Das Europäische Jahr der Entwicklung begann mit dem oder Reaktionen von Menschen einordnen. ersten Parlamentarischen Abend, der vom Eine-Welt- Landesnetzwerk im März hier in unserem Schloss ausge- Die Bereitschaft, Veränderungsprozesse in Gang zu richtet wurde. Viel beachtet in der Öffentlichkeit wurde setzen, beginnt im Kopf. Es ist in der Aussprache dann dann auch die Tagung im Mai mit dem Titel „Wer entwi- noch Zeit, sich dazu Gedanken zu machen. Ich würde ckelt wen wofür?“. Sie wurde vom Landesnetzwerk und mir wünschen, dass wir entsprechend dem föderalen dem Promotorenteam in Kooperation mit der Staatskanz- Konzept der Bundesrepublik, wonach der Bund für die lei und der Vertretung der Europäischen Kommission in Entwicklungszusammenarbeit und die Länder für die Deutschland durchgeführt. Fast 100 Teilnehmende re- Bildung zuständig sind, genau diesen Bereich mit dem flektierten ein neues Verständnis von Entwicklung und Ziel verbinden, entwicklungspolitische Bildungsarbeit in Entwicklungspolitik und stellten diese in einen Zusam- die Fläche und bürgerschaftliches Eine-Welt-Engagement menhang mit der Politik in Mecklenburg-Vorpommern. vor Ort nach vorn zu bringen. – Ich bitte um Zustimmung für unseren Antrag. „Wie werden wir unserer Verantwortung in der Welt ge- recht?“ Unter dieser Frage war im Oktober dieses Jahres (Beifall vonseiten der Fraktion der SPD, zum Bürgerdialog nach Greifswald eingeladen. Gemein- Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE, und sam mit Gästen und Vertretungen der Europäischen Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Kommission in Deutschland, des Europäischen Parla- ments, des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zu- Vizepräsidentin Silke Gajek: Danke, Frau Kaselitz. sammenarbeit und Entwicklung sowie Vertretern unseres Bundeslandes aus dem Parlament und vom Eine-Welt- Im Ältestenrat wurde vereinbart, eine Aussprache mit Landesnetzwerk wurde zu Aspekten der Entwicklungspo- einer Dauer von bis zu 90 Minuten vorzusehen. Da sehe litik mit Bürgerinnen und Bürgern offen diskutiert. und höre ich keinen Widerspruch, dann ist das so be- schlossen. Ich eröffne die Aussprache. All diese Beispiele belegen das breite bürgerschaftliche Engagement im Rahmen der Entwicklungspolitik in unse- Das Wort hat die Abgeordnete Frau Borchardt von der rem Land. Unser Dank gilt allen, die hier aktiv sind. Über Fraktion DIE LINKE. den Europa- und Rechtsausschuss soll künftig regelmä- ßig die Unterrichtung des Parlaments über alle Entwick- Barbara Borchardt, DIE LINKE: Frau Präsidentin! Meine lungen in dem Bereich erfolgen. Aktuelle Entscheidungen Damen und Herren! Ich muss gestehen, ich bin hier zu werden unser Handeln aber auch umfassend notwendig diesem Antrag hin und her gerissen, machen. (Marc Reinhardt, CDU: Vor allem hin.) Sehr geehrte Damen und Herren, am 25. September 2015 wurde auf dem UN-Gipfel in New York die 2030-Agenda vor allen Dingen in Bezug auf den Umgang mit diesem für nachhaltige Entwicklung verabschiedet. Sie hat die Antrag. Einerseits ist das Thema Entwicklungspolitik Form eines Weltzukunftsvertrages. Sie soll Frieden för- wichtiger denn je. Gerade die aktuellen Flüchtlingsbewe- 82 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 gungen zeigen, dass die Welt sich derzeit in einer gewal- Ja, Frau Kaselitz, Sie haben recht, „Entwicklungspolitik“ tigen Schieflage befindet. ist der Oberbegriff für staatliche Programme, die die politische und wirtschaftliche Situation in den Entwick- (Michael Andrejewski, NPD: Schon immer.) lungsländern verbessern sollen. Aber – und das frage ich Sie ganz offen – ist die jetzige Situation wirklich geeignet, Jahrhundertelange koloniale Ausbeutung und die ge- um diese Ziele zu erreichen? Ich meine, nein. genwärtige Weltwirtschaftsordnung sind für die Entwick- lungsunterschiede zwischen den Industrieländern im Allerdings reicht allein bürgerschaftliches Engagement Norden und den Ländern des Südens verantwortlich. Die keinesfalls aus. Und genau da liegt das Problem. Dieser Dominanz neoliberaler Politik in den letzten drei Jahr- Antrag spiegelt auf Landesebene die Situation wider, wie zehnten hat die soziale Ungleichheit weltweit noch ver- wir sie auch global finden: eine Anzahl gut gemeinter schärft. Während in den Ländern des Südens weiterhin Ideen, aber für die Menschen in den Entwicklungsländern Millionen Menschen hungern und in Armut leben, haben passiert am Ende nicht viel. neoliberale Reformen in Deutschland und anderen In- dustrieländern den Reichtum weiter konzentriert und die Unsere Fraktion macht kein Geheimnis daraus, dass es beschleunigte Verarmung immer größerer Bevölkerungs- für uns keinen Unterschied macht, ob die Menschen vor gruppen verursacht. Krieg oder vorm Hungertod flüchten.

Im Jahr 2000 hat sich die internationale Staatengemein- (Zuruf von Michael Andrejewski, NPD) schaft vorgenommen, die Zahl der Hungernden von da- mals 840 Millionen bis 2015 auf 420 Millionen zu halbie- Wir vertreten ebenfalls die Auffassung, dass die Flucht- ren. Im Jahr 2010 hungerten über eine Milliarde Men- ursachen bekämpft werden müssen. Genau hier muss schen. Dies offenbart das Versagen der kapitalistischen die Entwicklungspolitik ansetzen und deshalb teilen wir Globalisierung. Der ehemalige UN-Sonderbotschafter für auch den grundsätzlichen Ansatz Ihres Antrages. Nahrung Jean Ziegler spricht von Ermordung durch das kapitalistische System. Das Problem ist nur, dass es an der Umsetzung hakt. Natürlich, und auch das muss man der Fairness halber DIE LINKE fordert seit Langem eine grundlegende Neu- sagen, gab es durchaus Fortschritte. Die Europäische orientierung unserer Beziehungen zu den Ländern des Union selbst teilte dazu mit, dass sie in 150 Staaten Südens. Entwicklungspolitik muss an den strukturellen Entwicklungshilfe leiste. Hierdurch konnten in den letzten Problemen ansetzen, die durch die kapitalistische Welt- zehn Jahren in diesen Ländern fast 14 Millionen Kinder wirtschaftsordnung hervorgerufen werden. Entwicklungs- eine Grundschule besuchen, erhielten mehr als 70 Millio- politik muss die Süd-Süd-Beziehungen und die regiona- nen Menschen sauberes Trinkwasser und über 7,5 Milli- len Märkte als Gegenpol zur globalen Handelspolitik onen Geburten konnten von ausgebildetem Gesund- stärken, die Verarbeitung von Rohstoffen in den Ländern heitspersonal begleitet werden, was natürlich zu einer des Südens fördern und für gerechte Preise sorgen. verringerten Mütter- und Säuglingssterblichkeit geführt Bauern, angepasste Technologien und eine gerechte hat. Die Europäische Union sagt aber auch ganz klar, Land- und Ressourcenverteilung müssen ins Zentrum dass das alles zur Bekämpfung von Armut in der Welt der Förderung rücken, die lokalen Produzentinnen und noch lange nicht ausreicht. Produzenten vor Preisdumping und Verdrängungspro- zess geschützt werden. Deshalb müssen aus unserer Ein ganz trauriges Kapitel spielen dabei die angekündigten Sicht die Finanzmärkte reguliert werden, die Transakti- Treuhandfonds für Afrika und Syrien. Europa hat beispiels- onssteuer eingeführt und ihr Ertrag für die Armutsbe- weise für die Nothilfe-Treuhandfonds für Afrika zur Bekämp- kämpfung verwendet, die Spekulation mit Nahrungsmit- fung von Fluchtursachen 1,8 Milliarden Euro zugesagt. teln verboten und ein Moratorium für den Import von Realisiert wurden hiervon jedoch erst 24,3 Millionen Euro. Agrarstoffen zur Agrarspriterzeugung aus den Ländern Davon kommen 8,9 Millionen Euro sogar von den Nicht-EU- des Südens bereitgestellt werden. Ländern Norwegen und der Schweiz. Deutschland hat für diesen Fonds noch keinen einzigen Cent zugesagt. Beim Entwicklungspolitik muss aktive Friedenspolitik sein. Wir Treuhandfonds für Syrien und dem Welthungerprogramm fordern ein Ende der Vermischung von zivilem Engage- sieht es ähnlich aus. Trotz zugesagter Gelder aus den Mit- ment und militärischer Besatzung. Die Instrumente der gliedsstaaten ist noch nichts passiert. zivilen Konfliktprävention und -bearbeitung müssen mas- siv ausgebaut werden. Entwicklungspolitik wird auf Bun- Meine Damen und Herren, derartige Fonds haben auch desebene durch die Koalition seit Jahren als Politik der etwas mit Entwicklungshilfe zu tun, und die aktuelle Ent- Absatzmärkte, Investitionsfelder und des Zugriffs auf wicklung zeigt doch eindeutig, dass die Entwicklungshilfe Rohstoffe für die deutsche Wirtschaft gesehen. Damit des Westens bisher nicht unbedingt ein Erfolgsmodell ordnet man Entwicklungspolitik militärischen Strategien war. Auf Landesebene sieht es ähnlich aus. unter. Meine Damen und Herren, man kann sich des Eindrucks Das Konzept der Zivil-Militärischen Zusammenarbeit mit nicht erwehren, dass es insbesondere in den Punkten II dem Krieg wird als Entwicklungshilfe verkauft. Es ist und III gar nicht so sehr um das Thema selbst geht, son- zynisch, weil es Entwicklungshilfe auch für militärische dern darum, der Regierung auf die Schultern zu klopfen, Zwecke instrumentalisiert und damit zivile Aufbauhelfer nach dem Motto: Die Regierung tut zwar wenig, aber massiv gefährdet. Damit muss doch endlich Schluss immerhin, niemand bemerkt das in der Öffentlichkeit. sein! Das wäre eine Voraussetzung für ein echtes bür- Also holen wir mal mit diesem Belobigungsantrag das gerschaftliches Engagement auf diesem Gebiet, das Problem in den Landtag. unbedingt notwendig ist. Selbstverständlich ist jedes bürgerschaftliche Engagement hier zu unterstützen und Das können Sie gerne tun, aber das entwertet diesen zu loben. Antrag für uns. Ich sage Ihnen auch, warum: Der nationa- Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 83 le Koordinator für dieses Programm ist das Bundesminis- ren, und nur damit können wir ihnen helfen. – Ich danke terium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick- für Ihre Aufmerksamkeit. lung. Hier wurde ein Förderprogramm aufgelegt, wo aus Mitteln der Europäischen Union das Ministerium 27 Pro- (Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE) jekte finanziert, die der Information über Förderpolitik der Europäischen Union und der Mitgliedsstaaten, der Vizepräsidentin Silke Gajek: Das Wort hat jetzt der grundsätzlichen Sensibilisierung für dieses Thema und Abgeordnete Herr Texter von der CDU-Fraktion. der Förderung des Engagements in diesem Bereich dienen. Derartige Programmprojekte wird man in Anbe- Andreas Texter, CDU: Sehr geehrte Frau Präsidentin! tracht der Bedeutung des Themas auch für sinnvoll er- Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin sehr achten müssen. froh und dem Koalitionspartner dankbar, dass wir heute dieses Thema Entwicklungshilfe, Entwicklungspolitik in Vermutlich war es jetzt aber auch so, dass die Landesre- unserem Bundesland besprechen und darüber reden gierung gefragt wurde, was sie selbst denn für die Ent- können. So, wie eben vorweg gesagt wurde: Mecklen- wicklungshilfe tut. Die Antwort haben die Koalitionsfrakti- burg-Vorpommern – und da machen wir uns nichts vor – onen unter Punkt II gegeben: eine Abstimmung über die ist in der Entwicklungspolitik oder auch mehr noch in der Zusammenarbeit mit den Nichtregierungsorganisationen, Entwicklungshilfe ein sogenannter Zwerg. Das müssen ein jährlich stattfindender runder Tisch, die Unterstützung wir ehrlich zugeben und man muss auch nicht so tun, als von Aus- und Weiterbildung für Fach- und Führungskräf- wenn es anders wäre. Mecklenburg-Vorpommern spielt te aus Entwicklungs- und Transformationsländern sowie im Orchester aus Bund und Ländern im Bereich der Ent- die Vergabe der Überschüsse aus der BINGO!-Lotterie wicklungshilfe sinnbildlich nicht die erste Geige. Gemes- an Projekte aus dem Bereich der Entwicklungszusam- sen an der Finanzkraft, der Bevölkerungszahl und den menarbeit. strategischen Interessen unseres Bundeslandes wäre alles andere auch verwunderlich. Meine Damen und Herren, das ist alles sehr lobenswert, allerdings doch ein recht bescheidener Beitrag, zumal die Ich möchte daher zunächst kurz die Gelegenheit nutzen, im Antrag gelobte Unterstützung von Aus- und Weiterbil- ein paar grundsätzliche Worte zum Thema Entwick- dung für Fach- und Führungskräfte aus Entwicklungs- lungspolitik zu verlieren, und ich möchte ein paar Worte und Transformationsländern im kommenden Doppel- zum aktuellen Kurs der Bundesregierung sagen. Dass haushalt auf nicht einmal ein Drittel des letzten Doppel- dieser sich nämlich demnächst verändern wird, hat die haushaltes eingekürzt werden soll. Das liegt wohl daran, Bundeskanzlerin kürzlich in einem viel beachteten Fern- dass das Promotorenprogramm aus diesem Titel her- sehinterview angedeutet. Angesichts der Flüchtlingskrise ausgenommen wurde. und humanitären Katastrophen in der Welt werden die europäische und auch die deutsche Entwicklungspolitik Mein Kollege Dr. Brie hat das nämlich genau vor diesem einem großen Wandel unterzogen werden müssen. Ent- Hintergrund in den Haushaltsberatungen nachgefragt. Es wicklungshilfe wird sich in Zukunft sehr viel stärker da- kam ihm doch sehr komisch vor, dass gerade dieser Titel nach ausrichten, wie den Menschen in den Krisengebie- im Europäischen Jahr für Entwicklung eingekürzt werden ten wirksam geholfen werden kann. Flüchtlingsströme, soll. Vor dem Hintergrund dieser Reduzierung sollte man wie sie gegenwärtig unterwegs sind, wird die EU und an dieser Stelle vielleicht etwas sparsamer mit dem Lob insbesondere Deutschland so nicht ewig verkraften. für die Regierung sein. Meine Damen und Herren, wenn wir uns die Welt heute Was Punkt III angeht, muss ich sagen, dass es mich anschauen, dann zeigt sich ein eher ernüchterndes wirklich interessiert, welche Funktionen die Staatskanzlei Bild. Bis heute kommen die Fortschritte der Menschheit in dem ganzen Prozess übernimmt. Und es ist natürlich nur einer Minderheit zugute. Diese Minderheit lebt in interessant, hier einen genauen Einblick zu erhalten und den westlich orientierten Industrieländern, die Men- gewisse Inhalte und Dinge eventuell auch kritisch zu schen, die vornehmlich auf der Südhalbkugel der Erde hinterfragen. Allerdings weiß ich nicht, warum es hierfür leben, sind von einem menschenwürdigen Dasein oft eines Landtagsbeschlusses bedarf. Wenn wir etwas von weit entfernt. der Regierung wissen möchten, und das sage ich als Oppositionsmitglied, dann beantragen wir das im Aus- (Peter Ritter, DIE LINKE: Weil wir auf schuss, bereden das und aus meiner Erfahrung bekom- ihre Kosten leben, das ist doch völlig klar.) men wir auch von der Regierung entsprechende Antwor- ten, die uns weiterhelfen, die Entscheidung zu treffen Fast die Hälfte der Weltbevölkerung hat nicht mehr als beziehungsweise die notwendigen Maßnahmen dann zwei US-Dollar tagtäglich zur Verfügung, auch einzuleiten. (Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE) Was Ihren Antrag in dieser Gesamtheit angeht, kann ich sagen, dass wir uns zu ihm enthalten werden. Wie ein- über 100 Millionen Kinder haben keinen Grundschulun- gangs erwähnt, halten wir das ganze Thema für wichtig terricht und müssen durch eigene Arbeit zum Überleben und richtig. Bürgerschaftliches Engagement ist in der ihrer Familie beitragen. Entwicklungspolitik wichtig, aber auch das Engagement der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern. Gerade Die wirtschaftliche Globalisierung hat immerhin dazu hier sehen wir noch erheblich Luft nach oben, und das ist geführt, dass einige wirtschaftlich sehr schwache Staaten noch vorsichtig formuliert. Jedenfalls darf sich das Han- den Anschluss an den Weltmarkt geschafft haben in den deln des Landes nicht auf die vier im Antrag aufgeführten letzten Jahrzehnten. Dies sind zum Beispiel China, Indi- Punkte beschränken. Was das alles ist, was wir zur Ent- en und die sogenannten asiatischen Tigerstaaten. An wicklungspolitik beisteuern können, das ist in den Ent- den meisten afrikanischen Ländern – und insbesondere wicklungsländern – und da deutlich – herauszukristallisie- in den Krisengebieten des Nahen Ostens sind die am 84 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 wenigsten entwickelten Länder – südlich der Sahara ging gründen, halten wir an dieser Stelle für nicht zielführend. die Globalisierung jedoch im Wesentlichen vorbei. Den Änderungsantrag werden wir damit ablehnen. Ich bitte um Zustimmung für den Antrag der Koalition. – Wie ist Entwicklungspolitik in unserem Bundesland? Hier Vielen Dank. ist das schon durch Frau Kaselitz dargestellt worden. Federführend für Entwicklungszusammenarbeit im Land (Beifall vonseiten der Fraktion der CDU) ist die Staatskanzlei. Die überwiegenden Aktivitäten kon- zentrieren sich derzeit auf die finanzielle Unterstützung Vizepräsidentin Silke Gajek: Das Wort hat jetzt die von Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen für Fach- und Abgeordnete Frau Dr. Karlowski von der Fraktion Führungskräfte. Mecklenburg-Vorpommern ist ein aktives BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Mitglied in der norddeutschen Partnerschaft zur Unter- stützung der UN-Dekade Bildung für nachhaltige Ent- Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Frau wicklung. Hauptsächliches Ziel dieser Partnerschaft ist es Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! „Bürger- eben, einen Beitrag zur Reduzierung von Umweltbelas- schaftliches Engagement im Bereich der Entwicklungspo- tungen, zum Abbau von Armut und Ungerechtigkeit so- litik würdigen“ – ich muss sagen, bei dem Titel des An- wie zur Zukunftsfähigkeit zu leisten. Hier liegt die Feder- trages war ich sehr gespannt, welche Forderungen sich führung beim Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und dahinter verbergen. Allerdings war ich dann doch ziem- Verbraucherschutz, welches das Land auch am runden lich ernüchtert. Ich denke, Frau Borchardt hat das ähnlich Tisch des Nationalkomitees der UN-Dekade vertritt. Wei- erfahren. terhin koordiniert das Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz die Bildungsaktivitäten Ich will vorausschicken, dass ich das zivilgesellschaftli- im Rahmen der norddeutschen Partnerschaft zur Unter- che Engagement zur Entwicklungspolitik in Mecklenburg- stützung der UN-Dekade. Vorpommern großartig finde. Viele Menschen in unter- schiedlichen Verbänden, in Gruppen, in Vereinen und Ehrenamtliche Arbeit – ein weiterer Schwerpunkt der auch Einzelpersonen widmen sich mit ganz viel Enga- Entwicklungszusammenarbeit in Mecklenburg-Vorpom- gement diesem Thema in all seinen Facetten hier in mern. Hier sind die NGOs genannt worden, das ist ein unserem Bundesland. Es werden konkrete Projekte un- wichtiger Beitrag. Das Eine-Welt-Netzwerk ist hier bei- terstützt, es wird Bildungsarbeit geleistet, Kontakte wer- spielhaft zu nennen. Unter diesem Netzwerk sind zahlrei- den geknüpft. Ich finde es gut und richtig, dass diese che Organisationen versammelt, die Bildungsangebote Arbeit gewürdigt wird, von daher ist der Antrag auch bei machen, die die landesweiten Entwicklungspolitischen uns auf Zustimmung gestoßen. Tage in Mecklenburg-Vorpommern jährlich organisieren. Diese Entwicklungspolitischen Tage 2015 finden vom Angesichts der Bedeutung von Entwicklungspolitik, die ja 2. bis 22. November statt – das Motto heißt: „Ihr Einsatz auch kurz im Antrag anklingt, erscheint mir die Forderung bitte!“, zum Jahresthema Engagement und Bürgerrechte. in Ihrem Antrag aber deutlich zu kurz gegriffen. In diesen Tagen finden über 120 Veranstaltungen an 23 Orten in Mecklenburg-Vorpommern und zusätzlich in (allgemeine Unruhe) Lübeck und Stettin statt. Das komplette Programm ist im Internet natürlich zu finden. Die Landesregierung soll nun „in regelmäßigen Abstän- den“ über die entwicklungspolitische Arbeit der Staats- In Europa nehmen wir unsere Bürgerrechte als selbstver- kanzlei den Europa- und Rechtsausschuss … ständlich wahr. Freie Wohnortwahl, Selbstbestimmung, Demonstrationsrecht und Meinungsäußerung sind für uns Vizepräsidentin Silke Gajek: Frau Karlowski, bitte einen selbstverständlich, in vielen Regionen des Südens ist das kleinen Moment! eben nicht der Fall. Ich bitte … (Heiterkeit bei Jochen Schulte, SPD: Sie dürfen jetzt aber nicht so schlecht über Bayern reden. – Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: … Heiterkeit bei Stefanie Drese, SPD) unterrichten.

Die Entwicklungspolitischen Tage bieten Vorträge, Lesun- Vizepräsidentin Silke Gajek: Frau Karlowski, bitte! gen, Aktionen, Filme, Ausstellungen, Workshops und Schulprojekte. Die Entwicklungspolitischen Tage in Meck- Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete, lenburg-Vorpommern sind die wichtigste landesweite Ver- ich bitte um Ihr Gehör, und wer sonst etwas zu klären anstaltungsreihe zu entwicklungspolitischen Themen und hat, draußen gibt es die Lobby, damit Frau Karlowski ihre finden wie bereits erwähnt jährlich am Jahresende statt. Rede in Ruhe durchführen kann. An dieser Stelle möchte ich meinen Dank an die vielen ehrenamtlichen Akteure richten, die sich mit großem En- Bitte, Frau Karlowski. gagement für die Entwicklungszusammenarbeit einsetzen. Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Zum Änderungsantrag der GRÜNEN: Den können wir Danke, Frau Präsidentin! leider so nicht mittragen, denn ich denke, unter Punkt 3 ist nicht 2015 gemeint, Was ist denn ein „regelmäßiger Abstand“? Und was, bitte schön, macht dann der Europa- und Rechtsausschuss (Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, mit diesen Informationen? BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Peter Ritter, DIE LINKE: Nichts.) aber gut, okay, das ist auch nicht das Thema. Dennoch, einen eigenen Etat einzurichten und einen Beirat zu Das ist offen, vielleicht nichts. Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 85

Entwicklungspolitik ist eine Querschnittsaufgabe. Wenn gut, dass in der vorhin genannten Veranstaltung im Juni wir es ernst damit meinen, dass wir dazu beitragen wol- Kollege Rudi Borchert die Leitlinien als wichtiges Instru- len, dass Menschen in anderen Teilen der Welt nicht ment der Entwicklungspolitik im Lande ausdrücklich ge- mehr hungern und in Elend leben oder sich aus purer Not nannt und eingefordert hat. auf den lebensgefährlichen Weg Richtung Europa ma- chen, müssen wir Entwicklungspolitik herausholen aus (Peter Ritter, DIE LINKE: Eh, Rudi! – der Nische, in der sie leider viel zu oft gesehen wird. Rudolf Borchert, SPD: Da konnte Entwicklungspolitik muss alle politischen Entscheidungen ich mich leider nicht durchsetzen.) und ihre jeweiligen Auswirkungen betrachten. Wir Bünd- nisgrünen nehmen das sehr ernst und ich bin davon Ich hoffe daher sehr, dass sich seine Einschätzung nicht überzeugt, dass Entwicklungspolitik auch immer wieder geändert hat und er die Forderung, diese Leitlinie als hinterfragt werden muss, sie muss immer wieder neu gemeinschaftlich erarbeitetes Bekenntnis zur Entwick- ausjustiert und auf die Waage gestellt werden. lungspolitik in diesem Lande unterstützt. Vielleicht hören wir von Rudi Borchert dazu heute noch ein Wort. Im Juni dieses Jahres fand hier in diesem Plenarsaal die Veranstaltung statt „Wer entwickelt wen wofür?“. Veran- Wichtig ist, dass alle Ministerien und die Gruppen und stalter war das Eine-Welt-Landesnetzwerk Mecklenburg- Verbände des Eine-Welt-Landesnetzwerkes sich an der Vorpommern. Die Veranstaltung war wirklich sehr gut Erarbeitung der Leitlinien in angemessener Weise beteili- besucht, der Raum war voll und die interessanten Refe- gen können. Ich möchte, dass Mecklenburg-Vorpommern rate und anregenden Diskussionen wirken bis heute bei in der Entwicklungspolitik Verantwortung übernimmt. Dazu mir nach. Es wurde anhand konkreter Zahlen und Bei- gehört dann nach meiner Überzeugung auch die Einrich- spiele deutlich, dass viele Entwicklungsprojekte ein tung eines entwicklungspolitischen Beirates, der sowohl Hauptziel haben, das mit Entwicklungspolitik eigentlich die Erarbeitung der Leitlinien begleitet als auch deren nicht viel zu tun hat, denn oft geht es darum, und zwar Umsetzung überwacht. viel zu oft, Absatzmärkte für die eigenen Produkte zu schaffen. Dies wurde beispielhaft für die Bereiche Land- Meine Damen und Herren, holen Sie die Entwicklungspoli- wirtschaft, Fischerei und Energie dargestellt. tik in diesem Landtag heraus aus ihrem Dornröschen- schlaf! Nehmen Sie sich ein Beispiel an den vielfältigen Es wurde deutlich, dass eine verantwortungsvolle Entwick- haupt- und ehrenamtlichen Initiativen im Land, ohne die es lungspolitik nicht losgelöst von scheinbar nationalen Fra- keine Entwicklungspolitik in Mecklenburg-Vorpommern gestellungen gesehen werden kann. Das heißt für mich, geben würde! Stimmen Sie unserem Änderungsantrag auf Agrarpolitik und Entwicklungspolitik können keine zwei der Drucksache 6/4622 mit der vorhin erwähnten kleinen getrennten Politikfelder sein, genauso wie sich Entwick- Korrektur zu! Dann sind Sie einen ganzen Schritt weiter als lungspolitik auch in die Wirtschafts-, Umwelt-, Energie-, mit dem Ursprungsantrag. – Vielen Dank für Ihre Aufmerk- Sozial-, Finanz- oder Bildungspolitik hineinfinden muss. samkeit.

In Mecklenburg-Vorpommern ist, Sie haben es gehört, (Beifall vonseiten der Fraktion hauptsächlich die Staatskanzlei innerhalb der Landesre- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und gierung mit dem Thema Entwicklungspolitik befasst. Diese Dr. Hikmat Al-Sabty, DIE LINKE) Aufgabe nimmt sie sehr gewissenhaft wahr, allerdings ist für diese Aufgabe weder ein eigenes Referat noch ein Etat Vizepräsidentin Silke Gajek: Danke. vorgesehen, mit dem man irgendwelche Handlungsspiel- räume hätte. Im Haushaltsplan der Staatskanzlei werden Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Andrejewski von lediglich, ich zitiere: „Zuschüsse für die Aus- und Weiterbil- der Fraktion der NPD. dung von Fach- und Führungskräften aus Transforma- tions- und Entwicklungsländern in Mecklenburg-Vorpom- (Heinz Müller, SPD: Jetzt kommen wir zu mern“ bereitgestellt. 2015 sind das 80.000 Euro, 2016 und den deutsch-polnischen Beziehungen.) 2017 jeweils nur noch 25.000 Euro. Das ist wirklich ein schlechter Witz. Da kann doch gerade mal ein Mensch Michael Andrejewski, NPD: Frau Präsidentin! Meine eine Ausbildung erhalten. Damen und Herren! SPD und CDU haben sich hier zu- sammengetan, um bürgerschaftliches Engagement für Momentan werden zwischen 200.000 und 400.000 Euro die Entwicklungshilfe zu würdigen. Das ist frech. Denn in im Jahr aus den Einnahmen der BINGO!-Lotterie der Wirklichkeit betreiben Sie Anti-Entwicklungspolitik. Sie Norddeutschen Stiftung für Umwelt und Entwicklung zur bekennen sich ganz offen dazu, sind sogar stolz darauf, Verfügung gestellt. Das ist natürlich toll und für viele Pro- dass Sie den Entwicklungsländern das Wertvollste, was jekte eine große Hilfe. Dass das Land sich hier aber nicht diese haben, wegnehmen wollen: junge, qualifizierte mit deutlich mehr Geld einbringt, das ist nicht hinnehmbar. Leute. Damit wird ja die Aufnahme so vieler sogenannter Flüchtlinge gerechtfertigt. Sie seien hoch qualifiziert, Wir fordern daher, dass der Etat für Entwicklungspolitik jeder ist ein Herzchirurg, jeder ist ein Raketentechniker, drastisch erhöht werden muss und damit auch das erfolg- deshalb seien sie ein Gewinn für den Arbeitsmarkt und reiche Programm der Promotoren weitergehen kann. für die deutsche Volkswirtschaft. Sie würden auch die Frau Kaselitz hat ja auch angedeutet, dass die Fraktion Renten bezahlen, sie würden das überalterte deutsche der SPD daran arbeitet. Das habe ich wohl zur Kenntnis Volk verjüngen, alles wunderbar. genommen, da werden wir natürlich gemeinsam mitei- nander dafür streiten können. Wenn das stimmen würde, was soll dann bitte aus Syri- en, Afghanistan oder Eritrea werden, wenn Sie sich die Eine weitere Forderung ist, so wie in anderen Bundes- gut ausgebildeten jungen Leute schnappen? Das ist nicht ländern auch entwicklungspolitische Leitlinien für Meck- Entwicklungshilfe, das ist Vampirismus. Wie ein Vampir lenburg-Vorpommern zu formulieren. Ich erinnere mich saugen Sie die Dritte Welt und Osteuropa aus und nut- 86 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 zen den syrischen Bürgerkrieg als Gelegenheit, um sich weit treiben … viele Menschen an, setzen Energien und mit neuem Personal zu versorgen. Sie plündern die Ge- Engagement frei und zeigen, dass Entwicklungspolitik sundheitssysteme dieser Länder, holen die Ärzte raus auch Inlands- und Bildungsarbeit ist und weiter sein und preisen das als große humanitäre Tat. Sie behaup- muss.“ ten, man könne hoch moralisch sein und gleichzeitig Kasse machen, bunt, tolerant, Willkommenskultur und Als Bildungspolitikerin ist es für mich die Bildungsarbeit, maximaler Profit. die eine der wichtigsten Säulen in der Entwicklungspolitik darstellt. Und unser Einsatz für das Promotorenteam hat Das geht aber nicht. Steinreiche Heilige kennt die Heiligen- auch das Ziel, mit Bildung erste dauerhafte Schritte im geschichte der Katholischen Kirche nicht. Heilige sind in der Land zu gehen. Das menschliche Zusammenleben ist Regel arm. Sie wollen aber maximalen Profit machen. künftig auf Nachhaltigkeit in allen Lebensbereichen an- gewiesen. So ist national und international Bildung für (Zuruf von Heinz Müller, SPD) nachhaltige Entwicklung von besonderer Bedeutung. In den nächsten Jahren wird sich entscheiden, wie globale Also ist Ihr Gerede von Entwicklungshilfe und Flücht- Herausforderungen wie der Klimawandel, die Wasser- lingshilfe reine Heuchelei. Die Wahrheit ist, dass es einen knappheit oder der Rohstoffmangel zu meistern sind, wie Verlust für die Dritte Welt und Osteuropa darstellt, wenn es uns gelingt, gesellschaftliche Zusammenhänge in der Sie sich die nach den dortigen Maßstäben qualifizierten Welt zu analysieren und zu werten. Das wird wichtig. Leute greifen, womit Sie die dortigen Volkswirtschaften bewusst und bösartig zerstören. Mit der 2030-Agenda für nachhaltige Entwicklung sind neue, universelle Ziele für alle Länder der Erde aufge- Es ist aber für uns kein Gewinn, wenn diese Leute kom- stellt. Dabei wird Bildung für nachhaltige Entwicklung als men. In der neuen Ausgabe, der aktuellen Ausgabe des ein eigenes Ziel benannt und alle Staatschefs und „Focus“, können Sie einen Artikel mit der Überschrift Staatschefinnen der Welt haben diese Sache unter- „Ingenieure auf Realschulniveau“ von Professor Heiner schrieben. Bildung für nachhaltige Entwicklung hat das Rindermann lesen, Zitat mit freundlicher Genehmigung Ziel, eine zukunftsfähige Welt zu gestalten. der Präsidentin: „Der Bildungsstandard der meisten Ein- wanderer aus Vorderasien und Afrika ist niedrig, ihre (Udo Pastörs, NPD: Ja, das machen Fähigkeiten sind limitiert. Die Folgen werden bitter sein“ – wir schon ein halbes Jahrhundert.) bitter für die Entwicklungsländer, denn dort fehlen sie. Und da hilft Ihre komische Lotterie auch nichts, In den Jahren 2005 bis 2014 war mit der UN-Dekade Bildung für nachhaltige Entwicklung der Einstieg in die- (Heiterkeit bei Rudolf Borchert, SPD: ses Thema gegeben. Auf Beschluss der Vereinten Natio- Komische Lotterie!) nen im Dezember 2014 wurde mit einem Weltaktionspro- gramm Bildung für nachhaltige Entwicklung als Folge- wenn Sie den Leuten die qualifizierten Menschen weg- programm angeknüpft. Ziel ist eine Verstetigung und nehmen und dann ein paar Millionen rüberschicken aus Intensivierung der Aktivitäten in allen Bildungsbereichen, einer Lotterie oder ein paar Lotterielose schicken. Ein um den Fortschritt hin zu einer nachhaltigen Entwicklung Lotterielos ist kein Ersatz für einen Arzt. zu beschleunigen.

Bitter für uns ist es aber auch, weil Ingenieure und Ärzte Auf dem Weg von Projekt zu Struktur soll sich Bildung für auf Realschulniveau unsere Wirtschaft und auch unseren nachhaltige Entwicklung künftig stärker und breiter auf- Patienten schaden und nicht nützen. Deshalb ist es zy- stellen. Wichtig ist dabei unter anderem die politische nisch, wenn SPD und CDU die großen Entwicklungshelfer Unterstützung durch strukturelle und inhaltliche Veranke- geben. Sie sind das Gegenteil. Es ist widersinnig, dass wir rung im Bildungsbereich und in der Nachhaltigkeitspolitik Millionen als Entwicklungshilfe nach Afghanistan geben der Länder, die Multiplikator/-innen-Qualifikation von und gleichzeitig arbeitsfähige junge Männer aus Afghanis- Lehrkräften, Erzieher/-innen, Ausbilder/-innen und weite- tan begrüßen und für die Willkommenspartys feiern. Es ist rer Akteure bei einer Neuorientierung der Lehrinhalte und widersinnig, wenn wir unsere Soldaten nach Afghanistan Lehrmethoden, die Verstärkung der lokalen Vernetzung, schicken und wehrfähige junge Männer aus Afghanistan die Stärkung und Mobilisierung der Jugendlichen sowie hier begrüßen mit Willkommenspartys. Das alles ist dumm die Etablierung von Netzwerken. und bösartig, genau wie Sie. – Vielen Dank. (Udo Pastörs, NPD: Ja, (Beifall vonseiten der Fraktion der NPD – das ist wichtig, Netzwerke.) Udo Pastörs, NPD: Sehr gut.) In der Landesarbeitsgemeinschaft Bildung für nachhal- Vizepräsidentin Silke Gajek: Das Wort hat jetzt noch tige Entwicklung und über das Institut für Qualitätsent- einmal die Abgeordnete Frau Kaselitz von der Fraktion wicklung werden Ideen entwickelt zur Umsetzung des der SPD. Weltaktionsplanes. Dazu wurden bereits Zukunftswerk- stätten, eine Tagung und Fortbildungen genutzt. Als Dagmar Kaselitz, SPD: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ergebnis, zum Beispiel für den Bereich Schule, wurde die Meine Damen und Herren! Ich hatte es angekündigt, in Arbeit in vier Schwerpunktfeldern angeregt: Bildung für einem der letzten Newsletter vom Eine-Welt-Landes- nachhaltige Entwicklung im Unterricht, in der Lehr-, Aus- netzwerk war zu lesen: und Fortbildung, Schaffung von Netzwerken und ein ganzheitlicher Ansatz in der Schule. Und weiterhin ist für (Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD: Newsletter!) 2016 eine Konferenz zu den Themen Friedenserziehung, Konfliktbewältigung, Flucht, gemeinsam in Frieden leben, „… die aktuellen Ereignisse rund um die Situation und Umgang mit Lebensmitteln, Kleidung und Technik ge- den Umgang mit Geflüchteten in Deutschland und welt- plant. Eine ähnliche Landestagung gab es in diesem Jahr Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 87 bereits zum Thema Inklusion und Bildung für nachhaltige Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, derzeit Entwicklung. sind im Land 18 außerschulische Bildungsanbieter nach speziellen Kriterien im Bereich der Bildung für nachhal- Auch im Schulgesetz unseres Landes finden wir in Para- tige Entwicklung zertifiziert. Diese sogenannte NUN- graf 3 Lernziele, die dem Anspruch an Bildung für nach- Zertifizierung, haltige Entwicklung gerecht werden, zum Beispiel: Die Schülerinnen und Schüler sollen in der Schule insbeson- (Udo Pastörs, NPD: NUN!) dere lernen, soziale und politische Mitverantwortung zu übernehmen, die eigene Meinung zu vertreten und die das steht für „norddeutsch und nachhaltig“, ist sehr be- Meinung anderer zu respektieren, für Gerechtigkeit, Frie- gehrt. den und Bewahrung der Schöpfung einzutreten, Konflikte zu erkennen, zu ertragen und sie vernünftig zu lösen, (Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD: Ursachen und Gefahren totalitärer und autoritärer Herr- Das glaube ich. Da kann man viel Geld schaft zu erkennen, ihnen zu widerstehen und entgegen- mit verdienen, Schwarzgeld einkassieren.) zuwirken, Verständnis für die Eigenart und das Existenz- recht anderer Völker, für die Gleichheit und das Lebens- Am 19. September fand in Zusammenarbeit mit der Aka- recht aller Menschen zu entwickeln, demie für Nachhaltige Entwicklung in Güstrow gerade die letzte NUN-Zertifikatsverleihung statt. Mit dem Bildungs- (Udo Pastörs, NPD: träger Soziale Bildung Rostock, dem Biosphärenreservat Jaja, grau ist alle Theorie.) Schaalsee-Elbe/Zarrentin, dem LandWert Schulbauern- hof in Stahlbrode und dem Landeszentrum für erneuer- mit der Natur und Umwelt verantwortungsvoll umzugehen, bare Energien Neustrelitz werden vier Einrichtungen als Bildungszentren für Nachhaltigkeit ausgezeichnet. Von (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) hier aus herzliche Glückwünsche! für die Gleichstellung von Frauen und Männern einzu- (Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD treten. und CDU und Udo Pastörs, NPD)

In Paragraf 5 Schulgesetz sind als relevante Gegen- Zuletzt möchte ich noch auf die Wettbewerbe zum The- standsbereiche des Unterrichts genannt: Demokratie-, menbereich Entwicklungspolitik und Bildung für nachhal- Rechts- und Friedenserziehung, die Förderung des Ver- tige Entwicklung hinweisen. Beim Umweltwettbewerb ständnisses von wirtschaftlichen und ökologischen Zu- „Schule auf dem Weg zur Nachhaltigkeit – Nachhaltigkeit sammenhängen, interkulturelle Erziehung, Europaerzie- in der Schule“ agieren das Bildungsministerium, das hung, Bildung für eine nachhaltige Entwicklung. Energieministerium und die Deutsche Bahn gemeinsam. Am laufenden Wettbewerb „Umweltschule in Europa“ der (Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD: Deutschen Gesellschaft für Umwelterziehung nehmen Interkulturelle Erziehung!) derzeit circa 30 Schulen teil.

Bereits seit 2008 sind in der Verwaltungsvorschrift des (Udo Pastörs, NPD: Oh!) Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur Bil- dung für eine nachhaltige Entwicklung an den Schulen Er wird gemeinsam vom Landwirtschaftsministerium, Ziele, Auswahlkriterien für die Themenwahl, Methoden Bildungsministerium und der Akademie für Nachhaltige zur Entwicklung von Gestaltungskompetenz, alters- und Entwicklung begleitet und durchgeführt. schulartspezifische Schwerpunkte festgelegt. Die Schüle- rinnen und Schüler sind danach unter anderem zu befä- Wenn ich ehrlich bin, habe ich vor der Erarbeitung dieses higen, sich Lebensformen anderer Kulturen erschließen Redebeitrags nicht genau gewusst, wie umfangreich zu können, um Wirkungszusammenhänge in der Weltge- bereits bisher unsere Möglichkeiten bei der Umsetzung sellschaft zu erkennen, entwicklungspolitischer Themen sind. Dass Ihnen das auch so geht und dass wir auch an uns allen selber noch (Udo Pastörs, NPD: Weltgesellschaft!) lange arbeiten müssen,

Empathie, Mitverantwortung und Solidarität entwickeln zu (Udo Pastörs, NPD: Ja.) können, um sich stärker für eine weltweite Gerechtigkeit zu engagieren. Die Themen ermöglichen sowohl das bis wir das Verständnis für diese Aufgabe aufbringen, Erkennen der Wechselwirkungen zwischen dem eigenen das erkennen wir heute hier selbst. Handeln und dessen Folgen als auch zwischen lokalem und globalem Handeln und dessen Folgen. (Udo Pastörs, NPD: Mea culpa, mea maxima culpa!) Zur Unterstützung der Bildung für eine nachhaltige Ent- wicklung gibt es pro Schulamt eine Lehrkraft als Regional- Aber unterstützen wir unsere Kinder und unsere Jugend- berater für nachhaltige Entwicklung und an jeder Schule lichen und all die, die sich beruflich und ehrenamtlich eine Lehrkraft als Schulberater. Das Ministerium für Bil- diesem Thema zuwenden! Lernen wir selber immer wie- dung, Wissenschaft und Kultur, das Ministerium für Land- der dazu und lernen wir, uns gegen solches Geschwätz wirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz, das Sozialmi- zu wehren! nisterium und die Schulämter berufen Vertreter in eine Landesarbeitsgruppe Bildung für eine nachhaltige Entwick- (Udo Pastörs, NPD: Jaja.) lung. Die Federführung liegt beim Ministerium für Bildung. Die Arbeitsgruppe vernetzt sich mit anderen Akteuren und Angekommen ist das Thema in unserer alltäglichen Wirk- unterstützt die Regional- und Schulberater. lichkeit längst. 88 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015

(Udo Pastörs, NPD: Bei Ihnen Fraktion DIE LINKE. Damit ist der Antrag der Fraktionen zu Hause am Küchentisch.) der SPD und CDU auf Drucksache 6/4591 angenommen.

Auf der Internetseite eines neu gegründeten Vereins für Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 15: Das ist die Flüchtlingshilfe und Integration war zu lesen: „Die große Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – CETA- Weltpolitik ist“ in unserer Kleinstadt „angekommen. Auch Handelsabkommen ablehnen, die Drucksache 6/4581. wir bieten Flüchtlingen eine sichere Unterkunft und das Nötigste zum Leben. Der Kampf um Märkte, Rohstoffe, Antrag der Fraktion DIE LINKE Wachstum und Macht produziert weltweit riesige Flücht- CETA-Handelsabkommen ablehnen lingsströme.“ – Drucksache 6/4581 –

(Udo Pastörs, NPD: Das Wort zur Begründung hat die Abgeordnete Frau Sie produzieren die mit.) Borchardt von der Fraktion DIE LINKE.

„Das ist die andere Seite des Wohlstandes der Industrie- Barbara Borchardt, DIE LINKE: Frau Präsidentin! nationen. Ungefragt sind wir nun vor Ort gefordert, die Meine Damen und Herren! Am 10. Oktober 2015 haben Integration der hier gestrandeten Menschen aktiv zu unter- unter dem Motto „TTIP & CETA stoppen! – Für einen stützen.“ gerechten Welthandel!“ etwa 250.000 Menschen bei einer Großdemonstration im Herzen von Berlin gegen Ich würde mich freuen, wenn wir uns zur Eröffnung der die Freihandelsabkommen zwischen der EU und den Entwicklungspolitischen Tage am 2. November hier in USA sowie Kanada protestiert. Auch in anderen europä- Schwerin oder zu einer der vielen anderen Veranstaltun- ischen Staaten gab es Proteste. Insgesamt gingen gen während dieser Woche irgendwo im Land unter mehrere Millionen Europäer/-innen auf die Straße ge- besseren Bedingungen als heute hier treffen werden. gen TTIP und CETA – ein noch nie da gewesener euro- paweiter Protest. (Beifall vonseiten der Fraktion der SPD) Phantasievoll und fachkompetent wurde durch die Teil- Vizepräsidentin Silke Gajek: Danke, Frau Kaselitz. nehmerinnen und Teilnehmer auf die Risiken und Ne- benwirkungen der entsprechenden Freihandelsabkom- Mir liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor und men aufmerksam gemacht. Mehr als 3,5 Millionen Men- ich schließe die Aussprache. schen haben europaweit die Bürgerinitiative gegen die Freihandelsabkommen unterschrieben. Wir kommen zur Abstimmung. Auf Drängen meiner Fraktion hat sich das Parlament in Ich lasse zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion den letzten Monaten mit TTIP und seinen allgemeinen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/4622 ab- beziehungsweise spezifischen Auswirkungen auf die stimmen. Wer dem zuzustimmen wünscht, die oder den unterschiedlichsten Bereiche des gesellschaftlichen Le- bitte ich um ein Handzeichen. – Ja, danke. Die Gegenpro- bens auseinandergesetzt. Heute nun thematisieren wir be. – Danke. Und die Stimmenthaltungen? – Zugestimmt aus aktuellem Anlass das CETA-Abkommen, sprich das haben die Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE Abkommen zwischen der Europäischen Union und Ka- GRÜNEN, dagegen stimmten die Fraktionen der SPD nada, und das aus gutem Grund. und CDU und die Fraktion der NPD und es enthielt sich niemand. Damit ist der Änderungsantrag der Fraktion Richtig ist, dass der Text des Abkommens seit fast einem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/4622 ab- Jahr vorliegt und ausverhandelt ist. Die Ratifizierung gelehnt. dieses Abkommens steht unmittelbar bevor, es gilt nur noch, ein paar Formalitäten zu klären. Es ist davon aus- Wir kommen jetzt zur Abstimmung des Antrages der zugehen, dass es sich bei CETA um ein gemischtes Fraktionen der SPD und CDU auf Drucksache 6/4591. Abkommen handelt und die Ratifizierung im Europapar- Und wer dem zuzustimmen wünscht … lament nicht ausreichen wird. Auch die Parlamente der Mitgliedsstaaten, einschließlich des Bundesrates, werden (allgemeine Unruhe) über CETA abstimmen müssen.

Wir sind in der Abstimmung. Ich bitte um entsprechende Selbstverständlich ist uns bewusst, dass wir der Regie- Ruhe. rung nicht vorschreiben können, wie sie abzustimmen hat, aber sie sollte aus unserer Sicht (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Dann stimmen Sie doch ab!) (Peter Ritter, DIE LINKE: Mal ein bisschen auf uns hören.) Ich bitte einfach um Ruhe. schon wissen, wie wir als Landtag bestimmte Fragen (Heinz Müller, SPD: Frau Berger! – bewerten und welche Anforderungen wir stellen. Peter Ritter, DIE LINKE: Frau Berger, bitte!) Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Warum sind Wer dem Antrag 6/4591 zuzustimmen wünscht, die oder wir der Auffassung, dass das CETA-Abkommen abzu- den bitte ich um ein Handzeichen. – Danke. Die Gegen- lehnen ist? Bei CETA handelt es sich um ein umfassen- probe. – Ja, danke. Und die Stimmenthaltungen? – Dan- des Freihandelsabkommen zwischen Kanada und der ke. Zugestimmt haben die Fraktionen der SPD und CDU Europäischen Union. Dabei geht es im Wesentlichen um und Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, dagegen umfassende Zoll- und Handelserleichterungen. Wenn stimmte die Fraktion der NPD und es enthielt sich die man das so hört, meine Damen und Herren, werden Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 89 natürlich sofort die Parallelen zu TTIP deutlich oder bes- Allerdings halte ich diese Ankündigung für nichts weiter ser gesagt die Parallelen von TTIP zu CETA, schließlich als eine Beruhigungspille. Warum ist das so? Kürzlich hat war CETA schon vorher da. die Nichtregierungsorganisation Foodwatch die Verhand- lungsmandate der Europäischen Kommission für CETA Und in der Tat ist es wirklich so: CETA galt als die maß- öffentlich gemacht. Daraus geht hervor, dass ISDS im gebliche Blaupause für TTIP. Damit sind natürlich auch ursprünglichen Mandat von 2009 nicht vorkam. Erst im alle Kritikpunkte die gleichen. Insofern verweise ich auf Jahre 2011 wurde ISDS auf Drängen der EU-Kommission die Debatten, die wir hier schon zu TTIP geführt haben. hineinverhandelt – auf Drängen der Kommission, meine Deshalb möchte ich an dieser Stelle auch nicht so detail- Damen und Herren! Die kanadische Seite hatte also an liert auf die Kritiken eingehen, die wir zu TTIP hier vorge- diesen Schiedsgerichten gar kein Interesse. bracht haben, seien es die unzureichende Transparenz, die Gefährdung von Standards oder Eingriffe in die Das bringt mich zu zwei beziehungsweise sogar zu drei kommunale Daseinsvorsorge. Erkenntnissen:

Nun werden Sie mir sicherlich erwidern, dass im Prozess Erstens ist es nicht ersichtlich, warum ISDS erst später der Erarbeitung von TTIP aus Ihrer Sicht kleine und be- neu verhandelt werden muss. Die europäische Seite hat scheidene Erfolge erzielt worden sind. Das kann man über dieses Thema in CETA hineinverhandelt, also kann sie CETA in keinster Weise behaupten, im Gegenteil. Als es auch einfach wieder herausnehmen. Das ist ganz Beispiel nehme ich einmal die ISDS-Schiedsgerichte. einfach. Zu sagen, wir müssen später noch einmal dar- Hintergrund der Schiedsgerichte war Folgendes: Als die über reden, ist einfach Hinhaltetaktik. Bundesrepublik Deutschland in den 50er- und 60er-Jahren die ersten Handelsabkommen abschloss, hatte man es Zweitens sind Verhandlungen immer ein Geben und häufig mit Staaten ohne entwickelte Rechtssysteme zu Nehmen. Ich möchte an dieser Stelle nicht wissen, wel- tun. Man musste also einen rechtlichen Schutzbereich für che eigentlichen europäischen Interessen geopfert wor- Unternehmen schaffen und auch eine Gerichtsbarkeit, vor den sind, um ISDS in das CETA-Abkommen hineinzu- der sie diesen Schutzbereich verteidigen konnten. Das verhandeln. waren die privaten Schiedsgerichte. In vielen damaligen Fällen machte dieses durchaus Sinn. Im Falle von Europa Drittens bringt mich das zu TTIP. Wenn es nachweislich und Kanada oder auch den USA bedarf es dieser Gerichte bei CETA die Europäische Kommission war, die ISDS aber nicht. Die rechtlichen Schutzbereiche sind klar festge- unbedingt haben wollte, und wenn ich daran sehe, dass legt, sie sind einander ähnlich und es gibt überall gut funk- die USA mit Australien ein Freihandelsabkommen ohne tionierende Gerichtsbarkeiten. ISDS abgeschlossen haben, dann liegt es doch sehr nahe anzunehmen, dass ISDS auch bei TTIP durch die Wozu will man also solche privaten Schiedsgerichte? Die Kommission eingebracht wurde. Insofern ist auch der Antwort gibt uns Vattenfall. Hier wurde die Bundesrepub- Kompromiss mit dem internationalen Handelsgerichtshof lik Deutschland vom Energiekonzern Vattenfall wegen ganz anders zu bewerten. Dieser Handelsgerichtshof ist ihres Atomausstieges verklagt. Vor keinem Verwaltungs- offensichtlich kein Beweis für die Durchsetzungsfähigkeit gericht hätte Vattenfall eine Chance gehabt. Der Konzern der Europäer, sondern einfach nur ein Zurückrudern der nutzte also die Investorenschutzklausel des internationa- Kommission von der eigenen Position aufgrund des öf- len Energiecharta-Vertrages und ging über die Schieds- fentlichen Drucks. Ich denke da an die durchgeführte gerichte, um an die gewünschten Milliarden zu kommen. europaweite Konsultation, wo sich 97 Prozent der Teil- nehmer gegen ISDS ausgesprochen haben. Ich halte es Und da wird das Problem deutlich, was heutzutage bei dann für fragwürdig, sich für diesen Erfolg selbst auf die ISDS auftritt. Es geht nicht mehr darum, einen rechtlichen Schulter zu klopfen. Schutzbereich zu schaffen, sondern den bereits vorhande- nen und eigentlich ausreichenden Schutzbereich extrem Das bringt mich wieder zu CETA zurück. Die eigentliche zu erweitern, nämlich auf den Bereich demokratischer Auseinandersetzung bei diesen Freihandelsabkommen – Parlamentsentscheidungen, die den Konzerninteressen sei es CETA oder auch TTIP – liegt nicht zwischen Euro- zuwiderlaufen. Insofern ist auch der für TTIP angedachte pa und Kanada oder den USA, sie liegt zwischen den Handelsgerichtshof durchaus mit Vorsicht zu genießen. Bürgerinnen und Bürgern und der Demokratie auf der Sicherlich ist er deutlich transparenter und er kommt auch einen Seite und den mächtigen Lobbygruppen und Groß- im Ganzen einem anständigen Gericht deutlich näher. konzernen auf der anderen Seite. Denn machen wir uns Trotzdem wohnt ihm immer noch die fragwürdige Erweite- nichts vor, von ISDS und der Absenkung von Standards rung des rechtlichen Schutzbereiches der Konzerne inne. profitieren nicht nur Konzerne auf der Seite des Atlantiks, Es kommt also ganz maßgeblich darauf an, was dieser sondern alle Großkonzerne. Gerichtshof am Ende entscheiden soll. Insofern wird das Problem der undemokratischen Schiedsgerichte durch Darüber hinaus gebe ich zu bedenken, dass die Festle- einen Handelsgerichtshof nicht wirklich beseitigt, da auch gungen im TTIP durch andere Regelungen bei CETA er die Gefahr birgt, dass demokratische Entscheidungen auch schnell unterwandert werden können. Zum Beispiel aus Angst vor Schadensersatzklagen nicht so getroffen könnten Firmen aus Amerika eine Tochter oder sogar werden, wie sie eigentlich getroffen werden sollten. Und eine Briefkastenfirma in Kanada eröffnen. Damit könnten das, meine Damen und Herren, sollten wir nicht vergessen. sie die ISDS-Regelungen in Anspruch nehmen. Wollen wir das alles wirklich? Sie mögen anführen, dass Frau Malmström in Aussicht gestellt hat, über die Schiedsgerichte irgendwann in (Burkhard Lenz, CDU: Ja.) Zukunft noch einmal verhandeln zu wollen. Ich denke nicht, denn das kam in der Aussprache zum (Burkhard Lenz, CDU: Kanada Antrag von SPD und CDU im April 2015 deutlich zum will die gar nicht anerkennen.) Ausdruck. 90 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015

Aber es geht noch weiter. Ganz deutlich wird die ganze der aufgemacht werden, um Verbesserungen durchzu- Geschichte bei der regulatorischen Kooperation. Hier soll setzen. Bernd Lange unterstreicht in diesem Interview ein regulatorisches Kooperationsforum geschaffen wer- noch einmal ausdrücklich die Rolle und die Macht des den, in dem die Aspekte diskutiert werden sollen. Parlaments bei den Handelsabkommen. Und dass das Parlament als Bürgerparlament selbstbewusst genug ist, Meine Damen und Herren, ich bin gespannt auf die Aus- um Murks zu erkennen und folgerichtig abzulehnen, sprache und ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. wenn seine Forderung nicht berücksichtigt wurde, haben die Ablehnung von ACTA und des Handelsabkommens (Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE und mit Marokko gezeigt. Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) An dieser Stelle muss ich aber auch sagen, dass mich Vizepräsidentin Silke Gajek: Im Ältestenrat wurde ver- die Qualität der Fragen doch sehr überrascht hat. Vom einbart, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu „Deutschlandfunk“ habe ich in diesem Zusammenhang 90 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Wi- mehr erwartet. derspruch, dann ist das so beschlossen. Und ich eröffne die Aussprache. Wir Sozialdemokraten stehen zu unserem Konsensbe- schluss, der ISDS eindeutig ablehnt. Gerade deshalb Das Wort hat die Abgeordnete Frau Drese von der SPD- haben wir immer gefordert, dass CETA erst parafiert Fraktion. werden soll, wenn ISDS aus dem vorläufigen Ver- tragstext herausgenommen wurde. An dieser Stelle war Stefanie Drese, SPD: Sehr geehrte Frau Präsidentin! die Kommission leider taub. An diesem Beispiel sieht Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Europäi- man aber auch, was dabei herauskommt, wenn man sche Handelspolitik ist aktueller denn je. Auch in unse- einen konservativen Kommissionspräsidenten und einen rem Landtag ist das der Fall, und das ist gut so. liberalen Handelskommissar derartige Abkommen ver- handeln lässt, nämlich nichts Gutes. Insofern ist es gut, Nachdem DIE LINKE in der letzten Sitzung des Landtags dass wir durch die Beratung solcher Anträge immer wie- einen Antrag mit sehr undifferenzierter Kritik am TTIP der für Verhandlungen statt Blockaden werben können. eingebracht hat, soll der Landtag sich in dieser Sitzung für eine Ablehnung des EU-Handelsabkommens mit Werben möchte ich bei der LINKEN auch dafür, sich die Kanada aussprechen. Bei aller sozialdemokratischen zur Verfügung stehenden Texte wirklich noch einmal Kritik, die wir im Moment noch an diesem Abkommen genau durchzusehen. Unter Punkt 1b wird die regulatori- haben, ist eine solche Ablehnung verfrüht. sche Kooperation angesprochen. Diese wird von Ihnen als vertraglich garantierter Lobbyismus bezeichnet. Viel- Allen in diesem Parlamentssaal wird die ablehnende mehr haben die EU und Kanada im Rahmen der umfas- Haltung der SPD gegenüber undemokratischen privaten senden Wirtschafts- und Handelsabkommen die Schaf- Schiedsstellen, dem ISDS-System, wohl bekannt sein. fung eines Forums für die Zusammenarbeit in Regulie- Deshalb hat sich die Koalition auf Initiative meiner Frakti- rungsfragen vereinbart. In diesem Forum tauschen die on bereits im Frühjahr mit dem Antrag „Globalisierung Regulierungsbehörden auf freiwilliger Basis Erfahrungen nach europäischen Standards gestalten“ gegen ISDS und Informationen aus und ermitteln Bereiche, in denen ausgesprochen und gleichzeitig die sozialen Gestal- eine weitgehende Zusammenarbeit denkbar wäre. Die tungsmöglichkeiten der europäischen Handelspolitik Änderung geltender oder die Entwicklung neuer Rechts- aufgezeigt. Dies ist nur mit einem gut ausverhandelten vorschriften fällt nicht in dessen Zuständigkeitsbereich. Es und fairen Handelsabkommen möglich. ist auch nicht befugt, Entscheidungen zu treffen. Es wird den Regulierungsbehörden und Gesetzgebern lediglich Das Umdenken der Kommission bei ISDS im TTIP darf beratend zur Seite stehen und ihnen Vorschläge unterbrei- nicht darüber hinwegtäuschen, dass Frau Malmström im ten. Keinesfalls wird es die Entscheidungsbefugnis der CETA an den undemokratischen privaten Schiedsstellen Regulierungsbehörden in den Mitgliedsstaaten oder auf festhalten will. Bei CETA ist inzwischen klar: Zwar wird EU-Ebene einschränken. Transparenz eingehalten – dazu zählen die Veröffentli- chung sämtlicher Unterlagen, die Durchführung öffentlicher Gestatten Sie mir, dem Hohen Haus einige Grundpositi- Anhörungen sowie die Möglichkeit zur Abgabe von Stel- onen der Sozialdemokratie lungnahmen durch interessierte Gruppen und NGOs –, aber gerade deshalb stellt sich für uns Sozialdemokraten (Udo Pastörs, NPD: Sozialdemokratie!) die Frage: Warum brauchen wir ISDS, wenn man all diese Punkte sowieso vor den ordentlichen Gerichtsbarkeiten zu einer fairen und gerechten Handelspolitik der Europäi- der EU und Kanadas juristisch einwandfrei klären kann? schen Union darzulegen. CETA gilt als eines der mo- dernsten Handelsabkommen, das die EU je ausverhan- Die SPD hat durch Verhandlungen und die Erarbeitung delt hat. Es kann als Anhaltspunkt für zukünftige von der von neuen Konzepten erreicht, dass die Kommission Europäischen Kommission zu verhandelnde Abkommen ISDS im TTIP ad acta gelegt hat. Deshalb unterstützen dienen. Europäische Unternehmen sollen nicht nur einen wir das Europaparlament und insbesondere Bernd Lange verbesserten Zugang zum kanadischen Markt erhalten, in der Forderung, dass Frau Malmström bei CETA drin- sondern können auf die Öffnung des kanadischen öffent- gend nachverhandeln muss, ansonsten wird CETA im lichen Beschaffungswesens zählen. Das stellt einen der Europaparlament Schiffbruch erleiden. wichtigsten Verhandlungserfolge der EU dar, denn gera- de der Beschaffungsmarkt in den kanadischen Provinzen In diesem Zusammenhang empfehle ich Ihnen das Inter- war für europäische Anbieter nahezu geschlossen. Ganz view des „Deutschlandfunks“ mit Bernd Lange zur Frage klar ist für uns, dass sichergestellt werden muss, dass der Nachverhandlungen. Die Wahlen und der Wahlkampf das von der EU parallel zum Handelsabkommen mit in Kanada sind vorbei. Nun kann das Paket endlich wie- Kanada verhandelte strategische Partnerschaftsabkom- Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 91 men eine bindende Menschenrechtsklausel enthält. Soll- nur noch daran erinnern, dass bei der Atomfrage – Ab- te diese Klausel verletzt werden, muss garantiert sein, schalten der Atomkraftwerke, Laufzeitverlängerungen – dass auch die durch das Handelsabkommen geschaffe- und, wenn man lange zurückgeht, in Westdeutschland nen Präferenzen suspendiert werden. bei den Demonstrationen zum NATO-Doppelbeschluss mehr Menschen auf der Straße waren. Sehr geehrte Damen und Herren, aber wie sieht nun eigentlich der Zeitplan des CETA-Abkommens aus? Der (Udo Pastörs, NPD: Der gekommen ist, trotzdem.) Europäische Rat mit den Staats- und Regierungschefs und das Europäische Parlament werden frühestens Ich glaube, dass wir sehr gut beraten sind, das Engage- Ende 2015, eher Anfang/Mitte 2016 über das Abkommen ment, was es inzwischen gibt in vielen gesellschaftlichen entscheiden. Erst dann kann das Abkommen in Kraft Gruppen, sehr ernst zu nehmen, weil sich in dieser De- treten, jedoch nur vorläufig. Wenn es sich um ein ge- monstration und dem dahinterstehenden Engagement mischtes Abkommen handeln sollte, müssten alle 28 Mit- um dieses Thema viel Skepsis verbirgt. gliedsstaaten das Abkommen ratifizieren. Das würde dann wohl eher 2017 der Fall sein. Sollte es sich tatsäch- Ich glaube übrigens auch – das ist jetzt eine Spekulation –, lich um ein gemischtes Abkommen handeln, ist der Bun- dass ein Großteil der Menschen, die vor zehn Tagen auf desrat aber nicht automatisch an der Abstimmung betei- die Straße gegangen sind, vor vielleicht eineinhalb oder ligt, es muss dann erst einmal geprüft werden, ob in dem zwei Jahren mit den Begriffen „TTIP“ oder „CETA“ noch Abkommen überhaupt Zuständigkeiten der Länder be- nicht so viel anzufangen wussten und dass das dazu rührt werden. In dieser Zeit werden wir weiter für Nach- beigetragen hat, dass es inzwischen doch ein großes verhandlungen kämpfen und das Abkommen auf Herz Interesse und eine intensive Auseinandersetzung in viele und Nieren prüfen. gesellschaftliche Gruppen hinein gibt, weil eine Geheim- haltungspolitik gefahren worden ist, die viele erst neugie- Sehr geehrte Damen und Herren, in der letzten Sitzung rig gemacht hat. NGOs und viele Institutionen sowie der des Europa- und Rechtsausschusses klang es bereits eine oder andere Whistleblower haben inzwischen ein an, dass uns dieses wichtige Thema auch zukünftig be- wenig Licht ins Dunkel gebracht. schäftigen wird. Wir sollten uns im zuständigen Europa- ausschuss im Rahmen der Selbstbefassung mit CETA Im Mittelpunkt stehen die beiden Punkte, die DIE LINKE auseinandersetzen, um dem Landtag eine fachlich ver- zum Inhalt des Antrags gemacht hat, nämlich die Frage sierte und einwandfreie Beschlussempfehlung vorlegen ISDS-Schiedsgerichtsbarkeit, aber auch die Frage – und, zu können. Den Antrag in seiner originären Version kön- Frau Drese, da bin ich nicht so ganz bei Ihnen –, inwieweit nen wir nicht überweisen, da nach einer Bearbeitung ein Forum geschaffen wird, Sie haben ja „Forum“ gesagt, durch unsere Europapolitiker wahrscheinlich nur noch in dessen Rahmen Konzerne, Großindustrielle ihren Ein- das Wort „CETA“ übrig bliebe und alles andere gestri- fluss geltend machen können. Ich glaube, dass das, mal chen werden müsste. Wir werben unter den Demokraten unabhängig davon, ob „beratend“ drinsteht, weit über eine allerdings für eine Befassung im Europaausschuss. – Ich Beratung hinausgeht, sondern dass es hier um eine hand- danke für Ihre Aufmerksamkeit. feste Einflussnahme gehen wird, wenn wir das zulassen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD Ich glaube, wir müssen seit Berlin, allerspätestens seit und Wolf-Dieter Ringguth, CDU) Berlin zur Kenntnis nehmen, die Bürger sind nicht einver- standen mit der Entmachtung der Justiz, die sich hinter Vizepräsidentin Silke Gajek: Das Wort hat jetzt der ISDS schlussendlich verbirgt. Sie sind nicht einverstan- Abgeordnete Herr Suhr von der Fraktion BÜNDNIS 90/ den damit, dass Umweltstandards und Verbraucher- DIE GRÜNEN. schutzstandards geschliffen werden sollen, und sie sind nicht einverstanden damit, dass der Einfluss der Wirt- (Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Schon wieder?) schaftslobbyisten und der Verbände erhöht werden soll. Und das völlig Paradoxe an dieser Situation ist, dass sie Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sehr geehrte eigentlich für etwas auf die Straße gehen, was in unse- Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! rem Interesse ist. Sie treten nämlich dafür ein, dass wir, diejenigen, die mit darüber bestimmen, hier in diesem Sehr geehrte Frau Drese, ich habe es mit Wohlwollen Bundesland letztendlich über eine Bundesratsentschei- gehört, dass Sie dafür werben, dass wir uns mit dem dung darauf achten, dass das Primat der Politik nicht Thema im Europaausschuss noch mal befassen. Ich eingegrenzt wird. Also sie sind eigentlich die Interessen- hatte in der letzten Sitzung des Europaausschusses vertreter auf der Straße für diejenigen, die in den Parla- darum geworben, dass wir möglicherweise auch über menten sitzen. einen Verweisantrag nachdenken. Den will ich jetzt hier nicht stellen. Ich nehme Sie beim Wort, weil ich glaube, (Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD: Die misstrauen dass das Thema so wichtig ist, dass wir uns im Europa- euch, deswegen gehen sie auf die Straße.) und Rechtsausschuss in der Tat noch einmal damit be- schäftigen sollten. Das ist die völlig paradoxe Situation.

Wir haben seit zehn Tagen auch öffentlich eine nachhalti- (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) ge Rückendeckung erhalten, alle diejenigen – auch die SPD hat ja gerade etwas zur skeptischen Haltung gegen- Und es gibt das klare Zeichen: Lasst euch eure Hand- über ISDS gesagt –, die sich mit dem Thema auseinan- lungsfähigkeit, lasst euch eure Einflussmöglichkeiten dersetzen wollen. Etwa 250.000 Menschen haben in Berlin nicht nehmen! vor zehn Tagen demonstriert. Frau Borchardt hat darauf hingewiesen. Wenn ich mich richtig erinnere, dann war Interessant ist inzwischen, wie breit dieses Spektrum das eine der größten Demonstrationen. Ich kann mich ist. Unter dem Demoaufruf letzte Woche standen nicht 92 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 nur die sogenannten üblichen Verdächtigen Campact, (Barbara Borchardt, DIE LINKE: Greenpeace, Foodwatch, Attac, BUND oder NABU, son- Ich habe an der Anhörung teilgenommen. dern alle Gewerkschaften des Deutschen Gewerk- Da waren auch Vertreter des Mittelstandes.) schaftsbundes von ver.di bis hin zur IG Metall und zur Gewerkschaft der Polizei. Auch der Deutsche Kulturrat, Ja. Ich bin selber mal davon betroffen gewesen und ich der Verband Deutscher Schriftsteller, der Mieterbund, die kann nur empfehlen, vielleicht mal zu Weber Schneid- Jugend des Deutschen Alpenvereins, technik nach Neubrandenburg zu fahren, der einige Un- ternehmen auch in den USA hat, und andere kleine mit- (Heiterkeit bei Julian Barlen, SPD) telständische Unternehmen zu fragen, wie die im Augen- blick mit den Klauseln, die im Handel mit den USA die Vereinigung demokratischer Juristinnen und Juristen vorhanden sind, zurechtkommen. Das führt nämlich da- und die Arbeiterwohlfahrt hatten den Aufruf unterzeich- zu, dass gerade kleine und mittelständische Unterneh- net. Es waren Motorradklubs dabei, der Paritätische, der men im Handel mit den USA einen unheimlichen Nachteil Verein demokratischer Pharmazeutinnen und Pharma- haben. zeuten, insgesamt 150 Organisationen, 150 NGOs von den Gewerkschaften bis hin zum Alpenverein. Ich zumin- (Zuruf von Rudolf Borchert, SPD) dest habe so ein Bündnis noch nicht erlebt in der Ge- schichte Deutschlands. Also es ist wahrscheinlich bei TTIP so, dass das, wenn die Zölle wegfallen, Herr Rudi Borchert, und die ganzen Ich glaube, dass die Tatsache, dass uns diese Institutio- Aufenthalte an den Zollstationen, die zu Verzögerungen nen sagen, achtet darauf, dass Ihr eure Einflussmöglich- führen, zu ständigen Umbauten der entsprechenden keiten behaltet, unterschreibt nicht, stimmt nicht zu, genü- Maschinen, das werden Sie wahrscheinlich auch gelesen gend Grund ist, uns auch in diesem Haus noch einmal haben, zu teuer ist für den Mittelstand hier in Deutsch- intensiv mit den Konsequenzen aus CETA zu beschäftigen land und der deshalb nicht in die USA und auch nicht und die Landesregierung dabei zu begleiten, wie sie sich nach Kanada exportieren kann. Ich würde Ihnen vor- dann zu einem Zeitpunkt – die Zeitschiene ist ja vorhin schlagen, ganz einfach mal mit solchen Betrieben zu genannt worden, sie ist noch nicht so klar fixierbar – in reden, damit Sie wissen, worüber Sie reden. einer entsprechenden Bundesratsentscheidung positionie- ren soll. Sehr geehrte Frau Borchardt, in einem gebe ich Ihnen recht, ISDS ist nicht mehr zeitgemäß und gerade zwi- (Vizepräsidentin Regine Lück schen zwei Staaten wie den USA und auch Deutschland übernimmt den Vorsitz.) oder der EU, zwischen zwei solchen, sage ich mal, Märk- ten ist ISDS nicht mehr zeitgemäß. Ich gebe Ihnen recht, Wir werden heute dem Antrag der LINKEN in den Einzel- dass man nach anderen Lösungen suchen muss. punkten zustimmen, weil wir nach wie vor auf grüner Seite wissen, dass wir in eine schwierige Situation gera- Was CETA betrifft, ist mir bekannt, dass Kanada dem ten werden, wenn wir vor den Bundesratsentscheidungen CETA-Abkommen, solange die ISDS-Schutzklauseln drin stehen in rot-grünen und schwarz-grünen Regierungen. sind, nicht zustimmen wird. Jetzt hat sich das Parlament Dieses wissend erteilen wir dem Antrag der Fraktion DIE in Kanada neu konstituiert und ich bin der Meinung, dass LINKE unsere Zustimmung. – Ich danke Ihnen für die wir auch für ein Abkommen zwischen Kanada und der Aufmerksamkeit. EU, also für CETA, keine Schiedsgerichtsbarkeit brau- chen. Ja, da gebe ich Ihnen vollkommen recht, da bin ich (Beifall vonseiten der Fraktionen auf Ihrer Seite. Wir brauchen nicht Instrumente, die über DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) die Gerichtsbarkeiten in Kanada und in der EU hinweg- gehen. Vizepräsidentin Regine Lück: Das Wort hat nun der Abgeordnete Herr Lenz von der Fraktion der CDU. Sie haben angefangen in Ihrer Einbringung, und deswe- gen war ich ein bisschen überrascht und auch nicht über- (Zuruf von Egbert Liskow, CDU – Unruhe rascht, über TTIP zu sprechen. Dann kamen Sie auf vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – CETA, auf die Schiedsgerichtsbarkeit im CETA-Abkom- Zuruf von Jochen Schulte, SPD – men, aber Sie sprachen auch von der regulatorischen Burkhard Lenz, CDU: Jetzt haben Sie mich Zusammenarbeit. Herr Suhr hat den Hauptausschuss ein bisschen durcheinandergebracht. – angesprochen. Ich kann Ihnen eigentlich nur empfehlen, Heinz Müller, SPD: Was machst du denn?!) sich mal die Bundestagsdrucksache 18/5882 anzu- schauen. Da wird über den Hauptausschuss, der ge- Burkhard Lenz, CDU: Wenn ich die … gründet werden soll, im Zusammenhang mit CETA ge- sprochen. Entschuldigung, sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich zitiere mal aus der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Partei DIE LINKE: „Der Hauptaus- Ich weiß nicht, ob ich die Sorgen nehmen kann, aber als schuss hat keinerlei Befugnis, völkerrechtlich verbindli- Erstes: Ich bin ein bisschen überrascht gewesen, Frau che Entscheidungen über eine Änderung der Anhänge, Borchardt, werte Kollegin Borchardt, über die Einbrin- Anlagen, Protokolle und Anmerkungen von CETA zu gung, denn über TTIP haben wir ja hier nun lange genug treffen. Er kann lediglich Empfehlungen an die Vertrags- gesprochen. Eine Frage aus der Praxis: Haben Sie mal parteien aussprechen. Kapitel 34, Artikel X.02 Absatz 2 mit jemandem gesprochen aus dem Mittelstand, der mit bestimmt ausdrücklich und klar, dass die Vertragspartei- den USA oder mit Betrieben auf der anderen Seite des en eine Änderung der Anhänge, Anlagen, Protokolle und Atlantiks versucht, Verträge zu schließen und dort ir- Anmerkungen von CETA nach ihren jeweiligen internen gendwie Fuß zu fassen? Vorschriften und Verfahren beschließen müssen und die Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 93

Änderung erst nach Erteilung ihrer Zustimmung völker- Geld machen, wenn wir einem Staat nachweisen, dass er rechtlich verbindlich wird. Eine entsprechende Regelung gegen Bestimmungen verstößt, die im Abkommen unter- speziell für das Kapitel zu sanitären und phytosanitären schrieben worden sind, und das können wir sogar noch Maßnahmen enthält Kapitel 07 ...“ tun – und das ist Sachlage im Moment bei diesem Ab- kommen – 20 Jahre nach dem Auslaufen solcher Verträ- Es wurde auch gesprochen über die regulatorische Ko- ge. Das heißt, wir haben hier eine Verjährungsfrist, einen operation. Im Rahmen der regulatorischen Kooperation Anspruch auf Schadensersatz faktisch von 20 Jahren, verpflichten sich die Parteien zu einem hohen Schutzni- noch nachdem diese Abkommen überhaupt keine Gültig- veau unter anderem im Einklang mit dem geltenden keit mehr haben. Jetzt geht man schon her und überlegt, WTO-Übereinkommen über sanitäre und pflanzenschutz- wie macht man denn das. Man verbrieft nämlich, so ist rechtliche Maßnahmen, das für die Vertragsparteien die Planung. Lesen Sie mal die einschlägige Literatur rechtlich bindend ist und durch CETA nicht ausgehebelt dazu. In amerikanischen Tageszeitungen, also in ganz wird. einschlägigen Zeitungen,

Ich komme noch mal kurz zum Hauptausschuss, zur (Thomas Krüger, SPD: Besetzung dieses Hauptausschusses, weil da auch Oh Gott, das ist ja Ausland! – schon wieder auf Konzerne und so was abgestellt wor- Unruhe vonseiten der Fraktion der NPD) den ist. In der Antwort der Bundesregierung steht zum Hauptausschuss, ich zitiere wieder aus der Antwort: wird beschrieben, dass man es für juristisch möglich „Diese sollen eine ausgewogene Repräsentation von hält, dass man diese Sachen verbrieft. Das heißt also, Gewerkschaften, Arbeitgebern und anderen relevanten man geht her und sagt, wir haben eine relativ hohe Aus- Interessenvertreter aufweisen. Außerdem wird ein ge- sicht, Deutschland auf 10 Milliarden zu verklagen. Die meinsames Zivilgesellschaftsforum der Vertragsparteien Chancen, das sagt das Gutachten, liegen bei 60 Prozent, gegründet, um den Dialog zu nachhaltiger Entwicklung 70 Prozent und dann wird verbrieft und an der Wallstreet zu begleiten.“ verscheuert. Das erzeugt natürlich eine Begehrlichkeit dieser Finanzindustrie, die der erklärte Feind der freien (Udo Pastörs, NPD: Schön. Machtlos! Machtlos!) Nationen ist, hier möglichst genau zu schauen, wo man Gewinnmaximierung herausholen kann zum Nachteil der Ich möchte damit schließen. Steuerzahler in diesen Staaten, die so etwas unter- schreiben. Dieser Aspekt ist von Ihnen hier nicht mit Wir werden uns über CETA im Europaausschuss unter- einer Silbe erwähnt worden, aber er ist es wert, auch von halten. Da danke ich meiner Kollegin Drese, dass wir uns Ihnen einmal zur Kenntnis genommen zu werden. in der Selbstbefassung darüber unterhalten werden. Den Antrag lehnen wir natürlich ab. – Danke schön. Die sogenannte Zombie-Klausel hatte ich Ihnen schon erklärt mit den 20 Jahren, dass man, nachdem das schon (Beifall vonseiten der Fraktion der CDU – vorbei ist, immer noch klagen kann. Dazu kommt dann Peter Ritter, DIE LINKE: Natürlich.) noch eine Anmerkung hier zu der GRÜNEN-Fraktion, wo man, wenn 250.000 demonstrieren, das als Beweis dafür Vizepräsidentin Regine Lück: Das Wort hat der Frakti- interpretiert, dass man die Parlamente stärken will. Das onsvorsitzende und Abgeordnete Herr Pastörs von der ist genau das Gegenteil. Das ist nämlich das tiefe Miss- Fraktion der NPD. trauen der Menschen, weil sie ganz genau die korrupten Strukturen in der EU kennen, die korrupten Strukturen Udo Pastörs, NPD: Frau Präsidentin! Meine sehr verehr- kennen in den Parlamenten – auch dieser Republik ten Damen und Herren! Comprehensive Economic and nachweislich –, dass sie zu so großer Zahl auf die Straße Trade Agreement, so heißt das Abkommen, und hier gehen, weil man ihnen nicht über den Weg traut. wurde schon zu Recht bemerkt, dass damit in Deutsch- land wahrscheinlich nur 10 oder 15 oder 20 Prozent Letzter Punkt, und da hebe ich ab auf den Sprecher der etwas anfangen können. Das scheint auch beabsichtigt, CDU-Fraktion eben, der fragte: Na ja, haben Sie sich denn was in diesem Abkommen seinen Niederschlag schon mal drum gekümmert, was für ein Problem ent- findet, ist absolut eine Kriegserklärung an die Souveräni- steht bei kleinen und mittelständischen Unternehmen, tät von Nationalstaaten. Deswegen sind wir von Grund wenn sie exportieren wollen nach Amerika? Ja, das ist auf schon mal gegen solche Abkommen, ganz gleich, mit ein Riesenproblem. Aber es kann nicht Aufgabe der welchen Titeln sie versucht werden, weltweit eingeführt Politik sein, hier Zollbestimmungen zu unterschreiben mit zu werden. einem riesigen Risiko für den Steuerzahler, dass an- schließend daraus Milliardenforderungen erwachsen Aber ich möchte auf einen ganz besonderen Aspekt, der könnten, denn in erster Linie profitieren nämlich die hier noch gar nicht Erwähnung fand, kommen, der viel- Großkonzerne, die internationalen großen Konzerne von leicht für Sie auch interessant sein könnte. Sie wissen, diesen Abkommen. Hier findet statt eine Risikoübernah- dass in Amerika fast alles zu Geld gemacht werden kann me des Steuerzahlers, wenn irgendetwas nicht vertrags- oder dass man es zumindest versucht. Nun gibt es an konform geregelt ist, und daraus auch eine Verurteilung der Wallstreet schon seit einem Jahr große Financial jenseits von formaler juristischer Behandlung in vorortli- Companies, chen Gerichten, indem ein Schadensersatzanspruch hier geltend gemacht wird letztendlich. (Zuruf von Julian Barlen, SPD) Das sind Gründe, meine sehr verehrten Damen und die in diesem Abkommen und auch im TTIP einen Milli- Herren, die natürlich jeden Nationalisten in Europa auf ardenmarkt sehen. Das heißt, es gibt Leute, Rechtsan- den Plan rufen, nicht nur den Alpenverein und nicht nur waltskanzleien, Financial Companies, die sagen, da den Wanderverein, sondern ganz besonders die Leute, kommt ein Riesenmarkt auf uns zu, da können wir richtig die sehr ehrlich schon seit Jahrzehnten vor dieser EU- 94 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015

Krake gewarnt haben, wo Leute ohne Mitbestimmungs- verstehen. Eine bessere Begründung, diesen Antrag recht der Völker darüber befinden, was in fünf oder zehn abzulehnen beziehungsweise auch nicht mal zu überwei- Jahren mit ihnen geschieht. Das ist etwas, wo wir nicht sen, hätte ich mir schon gewünscht. mitmachen. Angesichts der Beschlussfassung hier im Landtag zum Ich schaue mal gerade, ob ich keinen Punkt vergessen TTIP frage ich mich: Warum kann der Landtag nicht habe. Das scheint mir nicht der Fall zu sein, feststellen, dass, und so steht es bei uns im Antrag unter Punkt a): „private Schiedsstellen (ISDS) zwischen Staa- (Peter Ritter, DIE LINKE: Das würde ten mit entwickelten juristischen Systemen nicht notwen- uns auch nicht interessieren, ob Sie dig und zudem als undemokratisch abzulehnen sind“? was vergessen haben oder nicht.) Nun kann ich mich ja noch anfreunden damit. Ich denke, insofern brauche ich Ihnen nicht zu sagen, dass wir die- dass sie nicht notwendig sind, hat der Landtag hier in sem Antrag der Neokommunisten Bezug auf TTIP festgestellt – Sie, mit Koalitionsmehrheit, auch mit Stimmen der Fraktion DIE LINKE. (Peter Ritter, DIE LINKE: Postkommunisten, bitte!) Wo ist der Unterschied zu CETA? Ich habe es versucht, deutlich zu machen. Wenn man auf der einen Seite das im in diesem Falle zustimmen werden, und werden mal Abkommen zwischen Amerika und der Europäischen sehen … Union nicht will, frage ich mich: Warum kann man das dann nicht auch für das Abkommen zwischen Europäi- Ja, Postkommunisten auch, Herr Ritter, Post auch, aber scher Union und Kanada ablehnen? Das erschließt sich Neo auch. mir nicht.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ja, (Udo Pastörs, NPD: Das können Post kriege ich nämlich jeden Tag.) wir gar nicht ablehnen.)

Noch, ne? Man kann sicherlich darüber diskutieren, ob es undemo- kratisch oder aus Ihrer Sicht vielleicht demokratisch ist. (Zuruf von Stefan Köster, NPD) Dazu hätten wir uns im Ausschuss vielleicht mal verstän- digen können. Wir werden zustimmen und werden dann im Ausschuss sehen, Die Frage der regulatorischen Kooperation, Ihre Auffas- sung, Herr Lenz, ist, dass alle Beteiligten, die an diesem (Peter Ritter, DIE LINKE: Herr Pastörs! – Tisch sitzen müssten, sozusagen auch beteiligt werden Tino Müller, NPD: Der Postillion!) und es aus Ihrer Sicht diesbezüglich dann aus unserer Kritik heraus keine Kritikwürdigkeit gibt. Wir befürchten, inwieweit wir da einen Beitrag leisten können. – Danke und dem hätten wir uns ja mal stellen können, dass zu- für Ihre Aufmerksamkeit. künftig noch mehr als bisher die Lobbyisten den Politi- kern die Gesetze schreiben und nicht umgekehrt, (Beifall vonseiten der Fraktion der NPD) (Udo Pastörs, NPD: Das wollen Vizepräsidentin Regine Lück: Das Wort hat die Abge- Sie doch nicht sagen, dass das ordnete Frau Borchardt von der Fraktion DIE LINKE. Vorgehen undemokratische Praxis ist.)

(Tino Müller, NPD: Jetzt kommt die … – dass Standards festgelegt werden an der Politik vorbei Stefan Köster, NPD: Nee, sieht beziehungsweise unter Druck der Lobbyisten. Dieser aus wie die Weihnachtsfrau.) Prozess läuft auch in der Europäischen Union schon sehr, sehr stark, Barbara Borchardt, DIE LINKE: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! (Udo Pastörs, NPD: Was?!)

Herr Pastörs, auf Ihre Zustimmung können wir gerne dass die Lobbyisten mit am Tisch sitzen, wenn die Euro- verzichten, aber jetzt zur Debatte. päische Kommission bestimmte Fragen diskutiert

Frau Drese ist jetzt leider nicht mehr da, (Udo Pastörs, NPD: Das glaube ich nicht.)

(Heinz Müller, SPD: Die ist und dort ganz deutlich gesagt wird, in welche Richtung gleich wieder da, keine Sorge!) sie es haben wollen, aber das ist schon sehr bemerkenswert, was sie hier zum (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) Antrag gesagt hat. Zum Schluss hat sie gesagt, wir könn- ten den Antrag überweisen in den Europa- und Rechts- dass Rechtsanwälte die Kommissionsberichte schreiben ausschuss, sie habe nur die Befürchtung, dass am Ende und vieles andere mehr. Also insofern kann ich Ihnen nur nur noch dastehen wird: CETA. Nun frage ich Sie ange- sagen, Ihre Ablehnung kann ich da nicht verstehen. sichts der Debatte, die wir hier im Mai beziehungsweise April zu TTIP hatten auf Antrag von SPD und CDU, wo Es geht aber noch weiter. In der Debatte zum Antrag von genau diese Fragen thematisiert worden sind, was denn SPD und CDU zu TTIP wurde deutlich gesagt, dass die am Ende der Widerspruch dazu ist. Ich kann es nicht SPD einer ISDS nicht zustimmen wird und dass sie hofft, Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 95 dass dieses Registerhandelsabkommen, das sozusagen (Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE) transparenter ist, auch durchkommen wird. Vizepräsidentin Regine Lück: Ich schließe die Aus- (Udo Pastörs, NPD: Wer glaubt denen sprache. denn überhaupt noch irgendwas?) Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Frak- Gabriel hat deutlich gesagt, mit ISDS kann man keinem tion DIE LINKE auf Drucksache 6/4581. Wer dem zuzu- Vertrag zustimmen. Wenn es aber in CETA fixiert ist, stimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – frage ich mich, warum die SPD dann nicht sagen kann, Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist der Antrag der CETA ist abzulehnen. Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/4581 mit den Stimmen von SPD und CDU abgelehnt, bei Zustimmung Herr Lange hat – ich habe leider an der Sitzung nicht der Fraktion DIE LINKE, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE teilgenommen, aber das kann man aus dem Protokoll GRÜNEN und NPD. ersehen – deutlich gemacht und Frau Drese hat es hier heute auch erklärt, dass man erst mal in Bezug auf Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 16: Aussprache ISDS die Wahlen in Kanada abwarten wollte und die zum Thema gemäß Paragraf 43 Ziffer 2 der Geschäfts- politische Stimmung. Das macht doch auch keinen ordnung des Landtages – Agrarstruktur in Mecklenburg- Sinn, denn nicht Kanada hat ISDS eingebracht, sondern Vorpommern. die Europäische Union hat es in die Vertragsverhand- lungen eingebracht. Aussprache zum Thema gemäß § 43 Ziffer 2 GO LT (Zuruf von Burkhard Lenz, CDU) Agrarstruktur in Mecklenburg-Vorpommern

Weshalb muss man dann abwarten, wie die Wahlen dort Im Ältestenrat wurde vereinbart, eine Aussprache mit laufen, wenn die gar kein Interesse hatten daran? Dies einer Dauer von bis zu 120 Minuten vorzusehen. Ich erschließt sich mir auch nicht. sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so be- schlossen. Ich eröffne die Aussprache. Wenn die Bundesrepublik Deutschland ein Interesse in der Europäischen Union hat und das im Wahlkampf be- Das Wort hat die Abgeordnete Frau Dr. Karlowski von tont, dann kann man sagen, okay, aber Wahlkampf ab- der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. warten, wenn man zurückrudern oder einen Kompromiss machen will, diesbezüglich erschließt sich das nicht. Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kolle- (Zuruf von Burkhard Lenz, CDU) gen! Unsere Fraktion bewegen die Fragen: Welche Ag- rarstruktur wollen wir? Wie wollen wir eine möglichst Wenn eine Regierung kein Interesse hatte, ist es fraglich, große Vielfalt an Betriebsstrukturen, Betriebsgrößen und warum man Wahlen abwarten muss. Nein, es ist doch Betriebsausrichtungen erhalten beziehungsweise fördern andersrum. Die Europäische Union hatte von Anfang an und welche landespolitischen Instrumente wollen wir für sowohl in Bezug auf Amerika als auch in Kanada das diese Ziele ansetzen? Und damit jede demokratische Interesse, ISDS zu fixieren im Vertrag. Nur durch den Fraktion einmal dazu ihre Position darstellen kann, haben Druck ist vom Prinzip her das Abkommen bei TTIP ein wir dieses Thema in Form einer offenen Aussprache auf Stückchen abgemildert worden und dieser Druck in Be- die Tagesordnung gesetzt. zug auf CETA ist nicht vorhanden. (Egbert Liskow, CDU: Das ist ja toll!) Ich kann nur eins sagen: Die Verhandlungen sind abge- schlossen. Ob wir dann wirklich mit in das Abstimmungs- Es geht hier um die Effekte von Landgrabbing, von explo- prozedere einbezogen werden – das hatte ich in der Ein- dierenden Bodenpreisen bei gleichzeitigem Preisverfall bringungsrede gesagt –, ist abzuwarten. Aber ich glaube, für landwirtschaftliche Produkte, etwas, was wir gerade es hilft auch weiter – zum Beispiel dem Europäischen am Beispiel der Rohmilch erleben. Es geht um die Effek- Parlament – zu wissen, dass das Parlament in Mecklen- te, die durch Spekulanten, die Landwirtschaftsflächen als burg-Vorpommern sagt, dieses CETA ist abzulehnen, lukrative Anlagemöglichkeit entdeckt haben, ausgelöst wenn ISDS drin ist. werden. Ich bin gespannt auf die einzelnen Beiträge.

Das sind übrigens auch Ihre Begründungen, wenn Sie Im August konnte man eine Pressemitteilung aus dem sich hier hinstellen und Anträge verteidigen, die Sie stel- Landwirtschaftsministerium lesen, in der Sie, Herr Minister len, wo wir sagen, ja, Sie müssen Ihre Regierung zum Backhaus, mit dem Satz zitiert werden, ich zitiere: „Agrar- Jagen tragen. Ich meine, wir sind Opposition, wir können strukturpolitik funktioniert nur über den Bodenmarkt“, Zitat- die Regierung auffordern. Bei Ihnen ist das ein bisschen ende. Ist das so, meine Damen und Herren? Nun ja, in anders. Da, denke ich, stimmt die Kommunikation auf Mecklenburg-Vorpommern trifft das ziemlich genau den eine andere Art und Weise. Punkt. 1990 verfügte die Bundesregierung über die Treu- hand beziehungsweise die BVVG über rund zwei Millio- Also insofern verstehe ich die Ablehnung nicht und schon nen Hektar landwirtschaftlicher Nutzflächen im Osten gar nicht den Satz von Frau Drese, so nach dem Motto, Deutschlands. Die Agrarstrukturpolitik, die mit diesen Flä- wenn man ihn überweisen würde, würde nur ein Wort chen betrieben wurde, kann man heute in Mecklenburg- stehen bleiben, CETA. Das halte ich angesichts der Vorpommern so zusammenfassen: Es erfolgte eine sys- Ernsthaftigkeit, die man im Hinblick auf das CETA- tematische Begünstigung großer und sehr großer Betriebe. Abkommen, in Bezug auf die Entwicklung auch in Meck- Herr Backhaus sieht das natürlich anders. Seiner Meinung lenburg-Vorpommern haben sollte, für unangebracht. – nach habe Mecklenburg-Vorpommern eine natürliche Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. Prägung zu großen Strukturen. 96 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015

(Egbert Liskow, CDU: Da hat er recht.) Während also kleinere Betriebe in ihrer Entwicklung behindert oder sogar gefährdet sind, werden die großen Tatsächlich existierten in Mecklenburg-Vorpommern immer größer und verdrängen so nach und nach die schon vor der Zwangskollektivierung deutlich mehr Be- ortsansässige Landwirtschaft. Die, die hier in Land inves- triebe mit mehr als 100 Hektar, als es im damaligen tieren, tun das nicht aus Liebe zur Landwirtschaft, son- Deutschen Reich üblich war, und es gab bereits 13 Güter dern weil hier derzeit die höchsten Renditen zu erzielen mit einer Fläche von über 1.000 Hektar. Aber auch diese sind. Das Thünen-Institut für Agrarforschung benennt in damalige Vorherrschaft des Landadels hatte weitrei- einer Studie von 2013, dass mittlerweile 20 bis 50 Pro- chende und, wie ich finde, negative Folgen für die kultu- zent landwirtschaftlicher Nutzfläche nicht landwirtschaftli- relle und soziale Entwicklung unseres Landes. Handwer- chen Investoren gehören, Tendenz steigend. ker und kleinere landwirtschaftliche Betriebe verschwan- den aus den Dörfern, die bald hauptsächlich aus großen Das ist eine Entwicklung, meine Damen und Herren, die Gutshöfen und Landarbeiterhäusern bestanden. Viele uns alle nicht kaltlassen kann. Schon jetzt sind Arbeits- Menschen verließen damals ihre angestammte Heimat, plätze in der Landwirtschaft massiv verloren gegangen, um in wirtschaftlich expandierenden Regionen ihr Aus- und eine Landwirtschaft, die sich nach Aktionärsinteres- kommen zu finden, eine deutliche Parallele zur heutigen sen richtet, die jedes Jahr eine Dividende ausgeschüttet Situation. bekommen wollen, kann in meinen Augen nicht nachhal- tig sein. Die Betriebsdimensionen in unserem Bundesland lassen sich an ein paar Eckdaten zeigen: 332 Betriebe sind über Was also sind die Folgen einer Agrarstruktur, die auf 1.000 Hektar groß, 11 Betriebe sind über 3.000 Hektar Großstrukturen setzt? In Mecklenburg-Vorpommern ist groß und ein Betrieb sogar über 7.000 Hektar. Mit 100 Hek- die Bruttowertschöpfung der agrarindustriell dominierten tar gilt man heute in Mecklenburg-Vorpommern als Klein- Landwirtschaft von ihrem 4,3-prozentigen Anteil an der betrieb. Auch die Anzahl der Betriebe schrumpft zusam- Gesamtbruttowertschöpfung im Jahr 2000 auf nur noch men. Waren es 2007 noch 5.400 Betriebe, so sind es mit 3,1 Prozent im Jahr 2014 gesunken. Dieses so oft zitierte den neusten Zahlen aus 2013 4.700 Betriebe. Wenn das angebliche wirtschaftliche Rückgrat, das die Landwirt- so weitergeht, sehe ich genau das, was im Grundstückver- schaft in Mecklenburg-Vorpommern darstellen soll, be- kehrsgesetz vermieden werden soll, nämlich eine tatsäch- zieht sich also auf 3,1 Prozent der Bruttowertschöpfung. lich ungesunde Verteilung von Grund und Boden, nämlich eine Verteilung auf immer weniger Betriebe in immer grö- (Thomas Krüger, SPD: Im ßeren Strukturen. Und das, meine Damen und Herren, ist Durchschnitt in Deutschland 1,5.) weder für die Bruttowertschöpfung der Landwirtschaft noch für den Arbeitsmarkt, noch für den ländlichen Raum ein Wenn das tatsächlich das Rückgrat dieses Landes sein Gewinn. soll, dann ist diese Wirbelsäule aber ein äußerst dünnes Säulchen, meine Damen und Herren. In den Vorbemerkungen der Antwort zu der Kleinen An- frage auf der Drucksache 6/2681 heißt es dann auch, ich Knapp 70 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche in zitiere: „Die Politik der Landesregierungen musste an die unserem Land wird von Betrieben bewirtschaftet, die grö- historisch gewachsenen landwirtschaftlichen Strukturen ßer als 500 Hektar sind. Hat man 500 Hektar, bekommt im Land anknüpfen.“ Das Landwirtschaftsanpassungsge- man schon mal rund 140.000 Euro EU-Subventionen. Baut setz ermöglichte den Mitgliedern der LPG „selbstbestimmt man dann wenig arbeitsintensive Kulturen an, wie zum zu entscheiden, ob sie im Unternehmen neuer Rechtsform Beispiel Raps oder Getreide, hat man auch geringe Lohn- verblieben oder ausschieden, um gegebenenfalls eigene kosten und macht trotzdem einen guten Gewinn. Wir wür- landwirtschaftliche Betriebe wiedereinzurichten“, Zitatende. den das gerne mal in einem neuen Landesagrarbericht nachlesen, der seit Jahren aussteht. Das ist leider auch zu Und das ist ein frommer Wunsch, meine Damen und bemängeln. Herren, das wissen wir alle. Viele LPG-Mitglieder erhiel- ten nur einen Bruchteil des ihnen eigentlich zustehenden (Marc Reinhardt, CDU: Fragen Sie Auszahlungsbetrages und konnten über ihre eigenen mal Herrn Jaeger, wie er mit seinen Flächen oft eben nicht verfügen, weil sie inmitten der Windenergieanlagen da verdient!) riesigen Schläge der Großbetriebe lagen. Hinzu kam, dass die zur Pacht oder zum Verkauf angebotenen Flä- Eine Folge der Großstrukturen ist also die zunehmende chen in viel zu großen Losen angeboten wurden, um für Spezialisierung und damit verbunden ein stetiger Ar- einen Neugründer erschwinglich zu sein. beitsplatzabbau.

Seit 2008 steigen die Boden- und Pachtpreise in Deutsch- (Heiterkeit und Zuruf von Marc Reinhardt, CDU) land dramatisch an, durchschnittlich um 64 Prozent. In Mecklenburg-Vorpommern stiegen die Preise 2013 inner- Bezieht man die landwirtschaftliche Bruttowertschöpfung halb eines Jahres sogar um 25 Prozent an. Das hat mit auf die landwirtschaftliche Nutzfläche, dann kommen wir Landwirtschaft natürlich rein gar nichts zu tun. Diese Prei- zur Flächenproduktivität. Diese ist in Mecklenburg-Vor- se werden in der Regel von außerlandwirtschaftlichen pommern nur halb so hoch wie beispielsweise in Nord- Investoren gezahlt. Grund und Boden ist zum Teil ein rhein-Westfalen. Dies ist eine direkte Folge davon, dass Spielball von Spekulanten geworden und immer mehr man in Mecklenburg-Vorpommern eher auf Raps und Landwirtschaft wird von Holdings und börsennotierten Weizen setzt, statt auf vielfältige Fruchtfolgen und ar- Agrarunternehmen betrieben. Die sind dann in der Lage, beitsintensive Produkte wie Obst, Gemüse oder auch Preise zu zahlen, die sich durch landwirtschaftliche Nut- Kartoffeln. zung eben nicht erwirtschaften lassen. Und das führt dazu, dass Familienbetriebe und Genossenschaften kaum noch Und nein, kommen Sie mir jetzt bitte nicht wieder mit dem Land hinzukaufen oder pachten können. Argument, wir bräuchten doch einfach mehr Tierhaltung, Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 97 um die Flächenproduktivität anzuheben, und die GRÜNEN nahme der BVVG-Flächen in Landeseigentum kommt sind wie immer nur gegen Tierhaltung. aus meiner Sicht viel zu spät und vor allem nicht voran. Natürlich wünschen wir GRÜNEN uns auch, dass das (Thomas Krüger, SPD: Ja, stimmt doch.) Land diese Flächen übernehmen kann. Aber während man darauf wartet, dass sich hier etwas tut, geben weite- Das ist eigentlich totaler Unsinn. re Betriebe auf, geht der Ausbau des Ökolandbaus nicht voran und sinkt die Bruttowertschöpfung im Agrarsektor (Egbert Liskow, CDU: Warum?) weiter ab.

Wie Sie alle genau wissen, möchten wir GRÜNEN mehr Um die Entwicklung der Agrarstruktur und der ländli- Ökolandbau haben. chen Räume positiv zu beeinflussen, braucht Mecklen- burg-Vorpommern ein klares agrarstrukturelles Leitbild, (Bernd Schubert, CDU: Bienenzüchter.) auf dem alle Entscheidungen aufbauen. Das Land muss ein Leitbild formulieren, in dem man sich zu nachhaltig Und was gehört zum Ökolandbau dazu? wirtschaftenden landwirtschaftlichen Betrieben bekennt, die von qualifizierten, mit den Betriebsstandorten sozial (Zuruf von Marc Reinhardt, CDU) verbundenen Landwirten geführt werden, die ihrer öko- logischen Verantwortung auch gerecht werden. Das Die Kreislaufwirtschaft und damit selbstverständlich auch bedeutet, dass möglichst viele zukunftsfähige landwirt- die Tierhaltung. schaftliche Unternehmen entstehen sollen. Eine breite Eigentumsstreuung stärkt die Verbundenheit mit der (Marc Reinhardt, CDU: Wie groß darf denn ein Region und dem Dorf und wirkt der im Grundstückver- Betrieb noch sein? 50 Hektar, oder was? 5?) kehrsgesetz formulierten „ungesunden Verteilung“ von Grund und Boden entgegen. Auch würde das zu einem Was wir nicht wollen, ist die Konzentration von Tierhaltung deutlich steigenden Arbeitskräftebedarf führen. auf wenige Standorte unter solchen Bedingungen, die unse- ren Vorstellungen von tiergerechter Haltung nicht entspre- Sachsen-Anhalt und auch Sachsen machen in Ost- chen. Aber das sei hier nur mal am Rande erwähnt. deutschland den Anfang und arbeiten an einem landes- eigenen Agrarstrukturgesetz. Dieses fordern wir auch für Diese oben erwähnten spezialisierten Großbetriebe, die Mecklenburg-Vorpommern, denn andernfalls sehen wir ihre Massenprodukte für den Weltmarkt produzieren, tra- einen Strukturwandel in der Landwirtschaft, der nur eini- gen eben auch mit dazu bei, dass die Wertschöpfung in gen wenigen Investoren zugutekommt: Großinvestoren, Mecklenburg-Vorpommern erschreckend gering ist. Die die weder in der Region zu Hause sind noch sich für die Landwirtschaft wird wirtschaftlich niemals das schon zitier- Region verantwortlich fühlen, denen die ökonomische te Rückgrat sein. Dass aber in einem stark agrarisch ge- und ökologische Entwicklung einer Region herzlich egal prägten Land lediglich drei Prozent der Bruttowertschöp- ist, solange die Gewinne stimmen. Es bleiben nicht nur fung auf den Agrarsektor entfällt, das ist bestürzend. Natur und Umwelt auf der Strecke, die Menschen wan- dern ab, und selbst der Tourismus ist in einem Gebiet, in (Thomas Krüger, SPD: Im Durchschnitt dem nur noch Großbetriebe das Landschaftsbild bestim- 1,5 in Deutschland, doppelt so viel.) men, nicht mehr möglich.

Ich sehe deutliches Potenzial, hier mehr herauszuholen. Wenn wir ein solches Gesetz und ein solches Leitbild nicht auf den Weg bringen, setzt sich die derzeitige Art (Zuruf von Egbert Liskow, CDU) von Strukturwandel fort. Dem dürfen wir nicht tatenlos zusehen. Ich rufe dazu auf, dass wir uns wirklich mit Das kann zum einen über die Zunahme arbeitsintensiver einer Novelle des Agrarstrukturgesetzes für Mecklen- Produktionen wie Obst- und Gemüsebau, aber auch burg-Vorpommern beschäftigen, im Ausschuss. Der An- durch die Weiterverarbeitung im Lande erfolgen. Hier trag der Fraktion DIE LINKE aus dem Jahr 2012 ist ja sehe ich ein riesiges Feld. Wir können uns in Mecklen- leider nicht einmal in den Ausschuss überwiesen wor- burg-Vorpommern ja nicht einmal mit Obst selbst versor- den, sodass sich der Ausschuss mit dem Thema noch gen, ebenso wenig mit Kartoffeln oder Gemüse. Das ist nie richtig befasst hat. Und so können wir das heute eigentlich völlig absurd. Und gleichzeitig liegen die Bal- hier im Landtag noch einmal neu anstoßen und das lungszentren Hamburg, Stettin und Berlin vor der Haus- aufgreifen, was in Sachsen-Anhalt und in Sachsen auf tür. Das sind gute Absatzregionen für Qualitätsprodukte den Weg gebracht wurde, auch die Ergebnisse der aus Mecklenburg-Vorpommern. Bund-Länder-Arbeitsgruppe noch mal genauestens be- leuchten. Ich hoffe, dass die Stillstandsbewahrerkoaliti- Sie werden vielleicht jetzt an die Nahrungsmittelbetriebe on sich heute mal dazu durchringt, einen weiteren denken, die es im Lande gibt. Aber schauen Sie mal Schritt nach vorne zu machen. – Vielen Dank für die genauer hin, wo die ihre Rohstoffe herbekommen! Seit Aufmerksamkeit. wann wachsen Kaffeebohnen für Nestlé-Kaffeekapseln in Mecklenburg-Vorpommern? Und auch biosanica muss (Beifall vonseiten der Fraktion seine Bioäpfel importieren, weil hier vor Ort zu wenige BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Bioäpfel wachsen. Vizepräsidentin Regine Lück: Das Wort hat jetzt der (Thomas Krüger, SPD: Nein, des Preises Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucher- wegen. – Zuruf von Egbert Liskow, CDU) schutz Dr. Backhaus. Bitte.

Welche Rolle spielt nun das Land in Bezug auf die Agrar- Minister Dr. Till Backhaus: Sehr geehrte Frau Präsiden- struktur? Der Einsatz von Minister Backhaus zur Über- tin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! 98 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015

Also wenn Sie mich hier auffordern, wir sollen ein Leitbild (Dr. Ursula Karlowski, erarbeiten, Frau Karlowski, dann bitte ich Sie, einfach zur BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oha!) Kenntnis zu nehmen, dass wir im Jahr 1999 bereits ein Agrarkonzept vorgelegt haben, in dem die Grundsätze für Und ich glaube, auch bei allem Wohlwollen für diesen die weitere Ausrichtung und die Zukunftsfähigkeit der Land- Antrag, wirtschaft und der ländlichen Räume vorgelegt worden sind. (Dr. Ursula Karlowski, (Zuruf von Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Antrag? Das ist doch kein Antrag!)

Insofern wurden da schon mal ein paar Dinge angespro- er ist politisch-ideologisch aufgerüstet. chen. Ich könnte es mir im Übrigen auch leicht machen: Bitte schauen Sie wirklich mal in die konzeptionellen Ich muss auch sagen, ich habe natürlich gerade die 25- Themen hinein, die wir in den letzten Jahren auf den Jahr-Feiern zum Thema Landwirtschaft überall ein biss- Weg gebracht haben! „Land hat Zukunft“, das gehört chen begleitet. Wenn man sich das insgesamt anschaut, auch dazu oder der Masterplanprozess. Also wenn Sie dann ist es natürlich auch so, was Sie hier versuchen hier so tun, als ob die Landesregierung oder die Fraktio- vorzustellen, das erinnert mich schon an frühere Zeiten nen sich mit dem Thema befassen, nachdem Sie kurzzei- und an die Überzeugung, im Besitz der einzigen wahrhaf- tig hier sind – ich habe das ja auch zur Kenntnis genom- tigen Wahrheit sein zu wollen. Ich sage Ihnen auch noch men, wie das so weitergehen soll –, mal ausdrücklich, politische Realitäten sind Ihnen wahr- scheinlich ein Stückchen zuwider. (Wolf-Dieter Ringguth, CDU: War das ein Blick nach vorn?) (Heiterkeit bei Wolf-Dieter Ringguth, CDU) dann nehme ich zur Kenntnis, Die Landwirtschaft, wenn man so will, haben Sie offen- sichtlich als letztes verbliebenes Kampfmittel und Kampf- (Zuruf von Wolf-Dieter Ringguth, CDU) feld ausgewählt, auch wenn im Übrigen die meisten von Ihnen – und aus Ihrer Fraktion überhaupt niemand – dann nehme ich zur Kenntnis, dass ich es mir hätte leicht nicht davon leben müssen oder jemals in diesem Bereich machen können, aber das mache ich nicht. Ich hätte gearbeitet haben. Und dann darüber zu reden, nämlich sagen können, aufgrund der natürlichen Voraus- setzungen hat Mecklenburg-Vorpommern naturräumlich, (Egbert Liskow, CDU, und ökonomisch, ökologisch, sozial und auch agrarpolitisch Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Bedingungen in Europa, die eine leistungsfähige, moder- Und auch nicht da wohnen!) ne Agrarstruktur nach bäuerlichem Leitbild in den letzten Jahren umgesetzt hat. und dann darüber zu reden, wie man denn nun ideolo- gisch dieses Land verändern will, das werden die Leute, (Präsidentin Sylvia Bretschneider die Menschen draußen schon sehr klar und auch diffe- übernimmt den Vorsitz.) renziert wahrnehmen.

Letzten Endes hat auch das Land Mecklenburg-Vorpom- (Egbert Liskow, CDU: Genau, die mern in den letzten Jahren versucht, die Bedingungen für haben ja noch gar kein Ziel gesehen.) alle Landwirte in diesem Bundesland gerecht, chancen- gleich und optimal zu gestalten. – Ich danke für Ihre Auf- Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, ein merksamkeit. bisschen zu den Fakten. Wenn man da auch die Histo- rie bewerten will und kann, dann ist es einfach so, nicht (allgemeine Unruhe – erst vor dem Zweiten Weltkrieg, sondern schon um Beifall Wolf-Dieter Ringguth, CDU) 1900 – Frau Karlowski, und das nehmen Sie bitte wahr – hat es in Mecklenburg-Vorpommern – der Ministerprä- Aber so leicht, aber so leicht will ich mir das natürlich sident ist ja heute Morgen schon darauf eingegangen – nicht machen, über 2.000 Güter gegeben – 1900! –, im Übrigen in einer Größe zwischen 500 und 800 Hektar. Ich sage es (Peter Ritter, DIE LINKE: Ich wollte mich schon noch mal: 1900! wundern. 20 Minuten sind es doch sonst.) (Egbert Liskow, CDU: Das war aber das ist doch vollkommen klar. auch verkehrt, hat sie gesagt.)

(allgemeine Heiterkeit) Erst mit der Enteignung des Großherzogs und natürlich auch mit dem Reichssiedlungsgesetz im Rahmen der Ich glaube, wenn man sich die Lage insgesamt anschaut, Weimarer Republik wurden damit im Übrigen 9.000 – dann ist es natürlich so, dass BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 9.000! – Bauernstellen geschaffen. Die Bodenreform – nicht erst seit heute den permanenten Wahlkampfmodus ich mache jetzt große Sprünge, auch wegen der Zeit, des mittlerweile, Zeitfonds –, natürlich hat die Bodenreform in der sowjeti- schen Verwaltungszone, das wissen wir alle, zur Enteig- (Zuruf von Egbert Liskow, CDU) nung von mehr als 100-Hektar-Betrieben geführt und damit im Übrigen Abertausenden Flüchtlingen überhaupt wie es neudeutsch heißt, eingeschaltet hat und dass die wieder eine Perspektive gegeben. Agrarpolitik ja nun im Fokus steht, weil sie fast keine anderen Themen mehr haben. (Zuruf von Egbert Liskow, CDU) Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 99

Es gibt einige von Ihnen, die reden ja schon wieder über der Bundesrepublik Deutschland und im Übrigen auch in eine Bodenreform und wollen damit das, was nach der Europa zu einem Paradigmenwechsel geführt haben. politischen Wende hier entstanden ist, infrage stellen. Dann stellen Sie sich doch hier hin und erklären auch, (Zuruf von Egbert Liskow, CDU) dass Sie beabsichtigen, in Kürze – wenn Sie denn Ver- antwortung tragen würden, was ich nicht glaube – eine Auch das ist mir im Übrigen wichtig: Immerhin standen Bodenreform in diesem Lande durchzuführen! 8.668 DDR-Landwirtschaftsbetrieben 686.000 bäuerliche Familienbetriebe im Westen gegenüber, im Durchschnitt Im Übrigen weise ich, auch das ist mir wichtig, auf die 1.716 Hektar Betriebsgröße Ost gegenüber 18 Hektar, Zwangskollektivierung ab dem Jahr 1952 und dann ganz Frau Karlowski, in der alten Bundesrepublik. Ich sage es verstärkt natürlich in den 1960er-Jahren und die LPG- noch mal: rund 1.700 Hektar gegen 18 Hektar im Durch- Bildung bis hin zu der fatalen Trennung zwischen der schnitt der älteren Bundesländer. Und schließlich auch, Tier- und der Pflanzenproduktion zu DDR-Zeiten hin. das haben Sie eben angedeutet, zu DDR-Zeiten 13,2 Ar- Dazu brauche ich jetzt nichts auszuführen, das ist vielen, beitskräfte je 100 Hektar. Im Vergleich zum Westen, Frau jedenfalls von denen, die hier aufgewachsen sind, und Karlowski, wie viel? 5,2. Also die Hälfte hatten Sie damals auch mir sehr, sehr geläufig. Ich komme selber aus einer in den älteren Bundesländern schon weniger als Beschäf- Genossenschaft, und zwar aus einer spezialisierten tigte in der Landwirtschaft. Pflanzenproduktion. (Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ 1989 gab es in den drei Nordbezirken 128 VEG, und da DIE GRÜNEN: Lang, lang ist es her.) sind wir uns einig, Frau Karlowski: Der kardinale Fehler im Zuge der deutschen Einheit war die reine Privatisie- Dass damit selbstverständlich ein Riesenproblem ent- rung dieses Volkseigentums. Der Boden ist nicht ver- standen war, habe ich selber in der letzten Volkskammer mehrbar und Boden ist das wichtigste Produktionsmittel. durchlebt, als wir das Landwirtschaftsanpassungsgesetz Dass Theo Waigel das damals so entschieden hat in gemacht und im Übrigen auch mit Ihren Kolleginnen und dieser Phase, auch das habe ich immer wieder als kardi- Kollegen, damals von Bündnis 90, sehr intensiv zusam- nalen Fehler dargestellt. menarbeitet haben, als nämlich die Frage aufgeworfen wurde: Welchen Weg gehen wir in der ehemaligen DDR (Beifall Thomas Krüger, SPD) und wie schaffen wir einigermaßen harmonisch diesen Übergang von der sozialistischen Planwirtschaft in die Was verkannt wird, ist, dass wir immerhin 876 LPGen europäische Planwirtschaft? Etwas anderes war es ja in gehabt haben, im Übrigen auch 33 GPGen. Ich hoffe, Europa damals auch nicht, Sie können mit den Abkürzungen etwas anfangen, es sind Landwirtschaftliche und Gärtnerische Produktions- (Heiterkeit bei Wolf-Dieter Ringguth, CDU) genossenschaften. Es gab auch 19 ZBE, also Zwi- schenbetriebliche Einrichtungen der Tierproduktion, und das ist mir natürlich nicht entgangen. Und ich glaube, 9 Produktionsgenossenschaften im Bereich der Fische- rei oder der Pelztierhaltung. Auch das hat es hier bei (Helmut Holter, DIE LINKE: Der war schön.) uns gegeben. ich glaube heute noch, beweisen zu können, dass der Der historische Glücksfall der deutschen Einheit vor einzige Volkswirtschaftszweig, in den im Übrigen sowohl 25 Jahren war für mich jedenfalls Anlass … die Einheimischen als auch die Alteigentümer gerne zurückkommen wollten oder auch die Menschen, die sich (Zuruf von Ulrike Berger, engagieren wollten, dass der einzige Volkswirtschafts- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zweig, in dem das einigermaßen gut gelungen ist, die Landwirtschaft ist. Gucken wir uns das in anderen Wirt- Ja, ich bin 1989 hier auf die Straße gegangen und ich schaftsbereichen an, dann ist das in diesen Bereichen in habe auch den Zaun an der Elbe mit abgebaut. Sie wa- der Form nicht gelungen. ren da wahrscheinlich noch gar nicht hier Im Übrigen, auch das ist mir noch mal wichtig, über alle (Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Parteigrenzen hinweg – außer damals die DSU, welcher Sie haben uns gerade unterstellt, wir Ableger das war, war klar, das war die CSU, und dass kennen die Abkürzungen nicht.) Ignaz Kiechle damals diesen Weg nicht beschreiten wollte, ist vollkommen klar – haben wir uns von der und haben damit letzten Endes auch keinen Beitrag für grundsätzlichen Strategie leiten lassen, der Wert des dieses Land geleistet. Das nehme ich hier ebenfalls zur Privateigentums soll wiederhergestellt werden und zu- Kenntnis. gleich sollen die strukturellen, aber auch die ökonomi- schen Vorzüge der gemeinschaftlichen Bewirtschaftung Auf jeden Fall ist es für mich ein Glücksfall, dass wir das weiter ermöglicht werden. Und es sollte frei entschieden erleben durften. werden, Frau Karlowski, in welcher Form man weiter zusammenarbeiten möchte oder ob man als Wiederein- (Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: richter sein Inventar aus den Betrieben herausnimmt. Gnade der frühen Geburt.) Ich glaube, Sie kennen die Verhältnisse wirklich über- Auf die 25 Jahre der agrarstrukturellen Entwicklung haupt nicht. Und heute wieder die Mär durchs Land zu Mecklenburg-Vorpommerns blicke ich jedenfalls auch ein tragen, dass damals bei der Vermögensauseinanderset- Stückchen mit Stolz zurück. Denn eins ist klar, selbstver- zung grobe Fehler gemacht worden sind! Das hat es zum ständlich war das ein Problem, dass zwei völlig unter- Teil gegeben und nicht umsonst hat es Gerichtsurteile schiedliche Landwirtschaften oder ländliche Räume in gegeben, durch die zum Teil diese Umwandlungsbe- 100 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 schlüsse auch gerichtlich wieder aufgehoben worden lenburg-Vorpommern anschauen, dann liegen wir heute sind. Also hören Sie auf mit dieser Mär! 25 Jahre nach im Übrigen an der unteren Grenze in Europa. Und wenn dieser Phase, in diesem Umbruch, in diesem gewaltigen ich die wohlgemeinten Hinweise höre, die Sie hier andeu- Prozess, dieses wieder auf den Tisch zu legen, ist aus ten, wie das in Nordrhein-Westfalen ausschaut, dann meiner Sicht nicht zielführend. nehme ich zur Kenntnis, dass wir in Mecklenburg-Vor- pommern im Vergleich zu Schleswig-Holstein, Nieder- Insofern glaube ich, dass wir mit dem Willen zur Umset- sachsen oder insbesondere Nordrhein-Westfalen mehr zung, um auch in der Richtung zu einer modernen, als 60 Prozent weniger Tiere halten. Also hören Sie auf, umweltgerechten Landwirtschaft zu kommen, einen dieses Land schlechtzureden! erheblichen Schritt weiter vorangekommen sind. Ich wage heute noch mal zu behaupten, wir haben die (Dr. Ursula Karlowski, modernste, wir haben die nachhaltigste und wir haben BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: auch die an der Sache orientierte Landwirtschaft in Sie haben überhaupt nicht zugehört!) Deutschland, die in Mecklenburg-Vorpommern stattfin- det. Heute arbeiten – und hören Sie sich bitte auch Das hilft uns, diesem Land und den Menschen in diesem diese Zahlen an! –, heute arbeiten in Mecklenburg- Lande keinen Millimeter weiter! Vorpommern 4.725 Landwirtschaftsbetriebe auf einer Durchschnittsfläche von 286 Hektar. Das ist im Schnitt (Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, die größte Betriebsfläche, die wir in Deutschland haben. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das heißt, wir haben die größten Betriebe in Mecklen- burg-Vorpommern. Und im Übrigen, der ökologische Landbau, auch da brauche ich persönlich keinen Nachhilfeunterricht, son- (Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, dern wir sind an der Spitze der Bewegung. Schauen Sie BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) sich doch einfach mal die Zahlen an! Wir liegen heute bei etwas über 9 Prozent. 3.000 Einzelunternehmen bewirtschaften 30 Prozent. Das sind im Übrigen reine bäuerlich geprägte Familien- (Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ betriebe. Was ich auch hochgradig anerkenne, sind die DIE GRÜNEN: Ja, seit wann?) 900 GbR-Gesellschaften, die wiederum 29 Prozent be- wirtschaften. Das heißt, 60 Prozent sind heute Betriebs- Das Ziel Ihrer damaligen Bundesministerin – wie hieß sie strukturen, die Ihrem und auch meinem Leitbild entspre- überhaupt noch? –: chen, die nämlich bäuerlich, rein auf Familienbasis oder in Gemeinschaft arbeiten. (Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Wie hieß die überhaupt?) (Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Das Leitbild besteht aus Frau Künast hatte das Ziel ausgegeben, 20 Prozent. mehreren Komponenten, Herr Backhaus.) Dann schauen wir uns doch einfach mal die grün geführ- ten Länder an! Nehmen wir Niedersachsen. Niedersach- Auf der anderen Seite haben wir 800 Betriebe als juristi- sen hat heute – wir, Mecklenburg-Vorpommern, 9,2 Pro- sche Personen, die in ihrer Struktur in einem Flächenan- zent Anbaufläche –, Niedersachsen liegt bei 2,7 Prozent, teil von 40 Prozent agieren, und das sind für mich Mehr- Frau Karlowski. 2,7 Prozent! Oder Schleswig-Holstein: familienbetriebe, die in der Regel auch in mein Leitbild Unsere Nachbarn beneiden uns bei 3,7 Prozent um diese hineinpassen. Wenn sie in bäuerlich geprägten Struktu- Entwicklung. Ich betone noch mal: Mecklenburg-Vor- ren zusammenarbeiten, sind das für mich voll in unser pommern bei 9,2 Prozent! Irgendetwas scheinen ja mei- Leitbild passende Betriebe. Da Ihnen das nicht passt, ne Kollegen der GRÜNEN in diesen anderen Bundeslän- weil Sie meinen, ein ideologisch anderes Muster zu ha- dern wohl verkehrt zu machen. ben, kann ich nur eins sagen: Gucken Sie sich die Be- triebe in Ruhe an! Die Ausflüge, die der Agrarausschuss Ja, meine sehr geehrten Damen und Herren, in den ver- versucht hat, mit Ihnen zu machen, haben Ihnen das ja gangenen 25 Jahren hat sich viel in dem agrarpolitischen auch gezeigt. Bereich verändert und ich habe auch sehr viel darüber gelernt und entschieden. Aber eins ist auch klar, wir Im Übrigen sage ich auch das hier noch mal in aller Deut- arbeiten heute mit Lebensmitteln, die sich am Markt lichkeit: Leider halten nur 3.000 Betriebe in Mecklenburg- durchsetzen müssen. Dabei spielt die Größe der Betriebe Vorpommern Tiere. natürlich eine wichtige, aber nicht die entscheidende Rolle. Es geht darum, mit immer weniger Ressourcen- (Zuruf von Ulrike Berger, verbrauch immer mehr Produkte in einer immer besseren BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Qualität zu erzeugen, und genau da sind wir wiederum an der Spitze der Bewegung. Und auch das ist wichtig: 510 Betriebe sind zum Glück juristische Personen. Mich schmerzt im Übrigen auch, ehrlich gesagt, jeder Betrieb, der aufgeben muss, wie gerade im Zusammen- Ob Sie darüber lachen oder mir ins Wort fallen – ich habe hang mit der Agrarministerkonferenz in Hessen erlebt, das eben nicht wahrgenommen. Es mag sein, dass Sie wenn demonstriert wird und wenn Betriebe dort aufgeben davon nichts verstehen, dafür habe ich Verständnis, aber müssen. Natürlich ist das schrecklich für diese Struktu- dann halten Sie bitte lieber Ihren Mund! ren, aber zur Wahrheit gehört auch, dass Politik diesen Milchbauern mit 20 oder 15 Tieren nicht einhauchen darf, Auf der anderen Seite, wenn Sie sich den Tierbesatz dass dieses eine Perspektive hat. Das mache ich Ihnen anschauen – auch das ist ja immer ein von Ihnen strapa- zum Vorwurf, dass Sie dieses versuchen und damit in ein ziertes Thema –, wenn Sie sich den Tierbesatz in Meck- altes Muster, sage ich mal, der Quoten- und Liefer- Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 101 rechtsproblematik wieder einsteigen wollen. Ich glaube, die Privatisierungspflicht von Grund und Boden im Zu- das hilft uns keinen Millimeter weiter. sammenhang mit der Privatisierung der ehemals volksei- genen Flächen hat eine völlig unrealistische Höhe der Und damit bin ich auch beim Boden. Agrarstruktur hat Bodenpreise sich entfalten lassen und damit natürlich natürlich maßgeblich, da haben Sie mich richtig zitiert, gerade wertschöpfungsintensive Bereiche in die Knie mit den Eigentumsstrukturen und mit der Bodenvergabe gezwungen. Das ist so und das war, ist und bleibt ein zu tun. Was ich in diesem Bereich auch immer wieder Geburtsfehler der deutschen Einheit. Das habe ich immer kritisiert habe und was sich hier vollzieht, macht mir und so festgestellt. Unter anderem gibt es natürlich damit uns große Sorgen. Auch hier wirken die Gesetze des auch den Wettbewerbsdruck. Und durch den falschen Marktes und die Macht des Geldes, meine sehr geehrten politischen Ansatz, die Landwirte – im Übrigen auch Damen und Herren! Seit 1991 sind allein in Mecklenburg- durch Ihre Partei, das ist die Strategie von Frau Künast Vorpommern 2,7 Milliarden Euro in Bodenkäufe investiert gewesen – zum Energiewirt zu machen, entstand der worden – eigentlich ein Jammer. Hätten wir die Flächen Zwang, nicht landwirtschaftliche Kapitalanleger zur Fi- von der BVVG übernommen, hätten wir diese in Wert- nanzierung der Bodenpreise mit zu gewinnen. schöpfung, in Gemüse, in Tierhaltung oder in ökologi- schen Landbau investieren können. Präsidentin Sylvia Bretschneider: Herr Minister!

Die Bodenpreise sind seit 2007 drastisch gestiegen und Minister Dr. Till Backhaus: Auch das sollten Sie nicht liegen im Durchschnitt heute in Mecklenburg-Vorpom- vergessen. mern bei 17.536 Euro, und damit nur noch knapp unter dem Bundesdurchschnitt, der heute in Deutschland bei Präsidentin Sylvia Bretschneider: Herr Minister, ge- 18.100 Euro liegt. Boden ist leider zur Kapitalanlage und statten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau zum Spekulationsobjekt geworden. Unsere Bodenpolitik – Dr. Karlowski? und hier schließe ich ausdrücklich die demokratischen Fraktionen des Landtages mit ein, denn sie haben die Minister Dr. Till Backhaus: Ja, gerne. Ja, dann mal los! Vergabekriterien mit beschlossen – ist auf eine Stärkung der arbeitsintensiven und besonders umweltverträglichen Produktionsbereiche ausgerichtet. Das Land hat in Meck- Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: lenburg-Vorpommern in einer Größenordnung von 6 Pro- Danke, Frau Präsidentin! zent einen direkten Einfluss. Herr Backhaus, zu den BVVG-Verhandlungen: Wie ist (Unruhe vonseiten der Fraktion der CDU) denn da jetzt der Verhandlungsstand in Bezug auf die Flächenübernahme durch das Land Mecklenburg-Vor- Herr Glawe, es wäre ganz nett, wenn Sie mir einmal pommern? zuhören würden, weil das Thema doch jetzt noch mal ziemlich anstrengend oder vielleicht auch interessant Minister Dr. Till Backhaus: Also ich kann Ihnen da aus- wird. drücklich sagen, dass wir im Wesentlichen die Verhand- lungen abgeschlossen haben. Der Bund hat uns erklärt, er (Harry Glawe, CDU: Wir haben wird dem Land Mecklenburg-Vorpommern nicht entgegen- aber zugehört! Wir haben zugehört.) kommen, und das bedeutet, dass wir zum vollen Markt- wert, das heißt, zum Höchstpreis diese Flächen erwerben Das Land Mecklenburg-Vorpommern, auch darauf bin ich müssten. Das kann ich im Interesse des Landes Mecklen- stolz, hat immerhin 86.000 Hektar, die sich in seinem burg-Vorpommern nicht verantworten. Wir sind jetzt noch Besitz befinden. Dazu kommen im Übrigen durch die am Restverhandeln der Flächen insbesondere für den Übernahme der Seen von der BVVG noch mal über Naturschutz und für die Umsetzung der Wasserrahmen- 2.000 Hektar und auch der Besitz von 250.000 Hektar richtlinie. Das sind 2.800 Hektar, über die wir auf aller- Wald, den wir haben. Aber dem gegenüber stehen höchster Ebene die letzten Verhandlungen führen werden. 700.000 Hektar als Privatvermögen. Das hängt natürlich Wenn dabei auch herauskommen sollte, dass wir dafür, für mit den Privatisierungen der BVVG und der Treuhand diese Flächen, 20.000 Euro bezahlen sollen, dann werden zusammen oder selbstverständlich auch der Kirchen. wir diese Verhandlungen beenden und der Bund wird die Über 60.000 Hektar sind im Besitz der Kirchen, Verantwortung dafür tragen, dass in diesem Land die Wasserrahmenrichtlinie in der Form, wie wir uns das vor- (Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, gestellt haben, nicht umgesetzt werden kann. Die Verant- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) wortung trägt dann auch diese Bundesregierung, an der Spitze Herr Schäuble. und letzten Endes gibt es immer noch 4 Prozent, nämlich auch 60.000 Hektar, die sich im Besitz der BVVG befin- Deswegen sage ich hier auch noch einmal, ich bin mit den. dem Land Sachsen-Anhalt in intensiven Verhandlungen gewesen zu dieser Bodenfrage. Und Sie können mir (Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ glauben – wenn ich das sagen darf, Herr Ministerpräsi- DIE GRÜNEN: Und wie gehts dann weiter?) dent? –, auch der Ministerpräsident hat sich in die Ver- handlungen mit eingeschaltet. Leider ist es so, dass Insbesondere durch die Privatisierungspflicht – ich habe dieses auf Bundesebene aus rein fiskalischen Gründen das kritisiert, und zwar seit 25 Jahren –, betrachtet wird und nicht aus strukturpolitischen Erwä- gungen. Das ist der Geburtsfehler, den habe ich jetzt (Dr. Ursula Karlowski, schon dreimal deutlich unterstrichen. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wie stehen denn die Verhandlungen Ich glaube, dass ein kardinales Problem insbesondere in mit der BVVG, Herr Backhaus?) den ehemals großen Gütern dieses Landes dadurch 102 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 entstehen wird, dass zunehmend eine Entfremdung zwi- (Udo Pastörs, NPD: Wie Sie schon sagten.) schen den Bewirtschaftern des Bodens und der dörfli- chen Gemeinschaft entsteht. Ich sehe das mit ganz gro- Im Übrigen, auch das ist mir wichtig, abschließend: Der ßer Sorge. Im Lichte des Generationswechsels an der Gesetzentwurf, der auch in der Bundesregierung zu dem Spitze der Betriebe in Mecklenburg-Vorpommern wird Thema vorliegt, wird das Problem nicht heilen. dieses noch weiter zunehmen. Ich will das ausdrücklich betonen. Welcher junge Landwirt soll denn das Geld (Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ aufbringen, sich als Gesellschafter, oder Genosse im DIE GRÜNEN: Es geht um landes- Übrigen, in ein solches Unternehmen einzukaufen? Und gesetzliche Kompetenzen.) andererseits, wer kann es denn einem gestandenen Landwirt, der unternehmerisch denkt, verdenken, nach all Zum Schluss auch hier noch mal ein Stichwort zur Tier- den Jahren seiner Mühe und seiner Arbeit seine Anteile haltung. Auch da hat es in den Jahren nach der Wen- zu verkaufen und sich gut situiert in den Ruhestand ver- de selbstverständlich agrarstrukturelle Entwicklungen in setzen zu lassen? Mecklenburg-Vorpommern gegeben. Mit 0,4 Großvieh- einheiten je Hektar erreichen wir gerade die Hälfte des Nehmen Sie das zur Kenntnis: Ich bedaure das, dass wir bundesdeutschen Viehbestandes und nur ein Drittel im diese Tendenz haben, ich kann es aber auch niemandem Vergleich zu den viehstarken Regionen Niedersachsens verdenken. Die Fehler, die habe ich in den letzten Jahren und Nordrhein-Westfalens. Ich betone noch mal: nur ein hier klar und immer wieder auf den Tisch gelegt. Drittel davon! Deshalb gehört das auch zur Mär von Massentierhaltungen über das ganze Land hinweg oder (Zuruf von Egbert Liskow, CDU) ins Reich der Legenden. Regional sieht es natürlich an- ders aus. Mehr als die Hälfte der Tiere, über alle Arten Mit unserer Macht in Mecklenburg-Vorpommern war in hinweg, wird in Anlagen gehalten, die nach dem Bundes- dieser Frage nichts zu machen. Und deswegen glaube Immissionsschutzgesetz genehmigt worden sind, ich auch, (Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ (Zurufe von Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Beziehen Sie sich DIE GRÜNEN, und Udo Pastörs, NPD) eigentlich noch auf meine Rede oder auf irgendwelche Allgemeinplätze?) deswegen glaube ich auch, dass es keinen Sinn macht, nur auf den reinen Familienbetrieb, der auf die reine Fami- und Sie wissen auch, was das bedeutet. Bei Geflügel, mit lie orientiert ist, als das Leitbild zu orientieren, sondern Ausnahme der Puten, sind es sogar mittlerweile 95 Pro- dass wir alles daransetzen sollten, dass nicht wieder mit zent und bei den Sauen in der Schweinehaltung sind es einer Ideologie gearbeitet wird, sondern, ich würde sagen, auch 87 Prozent nach Bundes-Immissionsschutzgesetz. dass wir eher mit dem Verstand arbeiten sollten. Denn, ich Das sind große, zum Teil sehr große Bestände an einem will das an dieser Stelle auch unterstreichen, durch mich Ort, mit all den Problemen, die damit zusammenhängen. und durch das Land Mecklenburg-Vorpommern ist die Dass das nicht meinem Leitbild entspricht, habe ich hier Bund-Länder-Arbeitsgruppe Bodenpolitik überhaupt ins immer wieder deutlich gemacht. Aber dieses Bundes- Leben gerufen worden, von der Sie hier gesprochen ha- Immissionsschutzgesetz stammt aus der Zeit von Renate ben. Das war Teil der Koalitionsverhandlungen. Künast und bis dato ist es nicht gelungen, dieses zu verändern. Ich freue mich sehr darüber, dass die Bun- Im Übrigen haben die Ergebnisse jetzt dazu geführt – desumweltministerin dieses Thema jetzt wieder angehen wenn Sie sich informiert hätten bei Ihren Kollegen –, wird. dass wir im Kamingespräch in Fulda – übrigens auch mein Vorschlag – noch mal eine Bund-Länder- Im Übrigen habe ich auch die Tierbestandsobergrenzen Arbeitsgruppe zum Thema Boden eingerichtet haben und in die Debatte geworfen, um darüber nachzudenken, ob dass damit alles darangesetzt wird, möglichst schnell wir nicht auch eine Obergrenze einziehen sollten. Ich eine bundeseinheitliche Lösung zu finden, halte das für richtig, nach wie vor, und ich glaube, dass es eine intensive Diskussion auch auf Bundesebene gibt. (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) Ich erwarte, dass der Wissenschaftliche Beirat der Bun- desregierung irgendwann in den nächsten Monaten mit damit diesem Prozess, dass Kapitalanleger ungebremst einheitlichen Zahlen für ganz Deutschland aufwarten hier im Osten Deutschlands ganze Betriebe aushöhlen, wird. ein Ende gesetzt wird. Das hat aber keinen Sinn, und Sie wissen das auch sehr genau. Im Übrigen haben die Agrarausschüsse des Bundesta- ges und unseres Landtages Expertenanhörungen zu (Udo Pastörs, NPD: Keine Chance!) diesem Thema durchgeführt, ich selbst bin ja anwesend gewesen. Auch die Perspektivkommission „Mensch und Sachsen-Anhalt hat das Gesetz zurückgezogen und wir Land“ hat noch mal einen eigenen Workshop zu diesem sind diejenigen, die den Prozess jetzt voranbringen. Ich Thema gestaltet. Deutlich geworden ist zum Abschluss, glaube auch, dass das Grundstückverkehrsgesetz nach das Wohl des Einzeltiers und die Größe der Bestände wie vor ein stumpfes Schwert ist und dass der Staat stehen nicht in einem direkten Zusammenhang. Es ist diesem Treiben nicht weiter hilflos zusehen darf. weder fachlich noch wissenschaftlich rechtssicher zu begründen, wie viele Tiere maximal an einem Standort (Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, und in einem Betrieb gehalten werden sollen. Bitte neh- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) men Sie das zur Kenntnis!

Hier muss jetzt etwas passieren, und wir sind da auf dem Regionale Lösungen in einer der viehärmsten Regionen Weg. Europas würden die Haltungsbedingungen für Nutztiere Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 103 generell nicht verbessern, aber schaden der Landwirt- irgendwas was man zusammenbauen musste, aber nicht schaft in unserem Land. Unabhängig davon führen wir zu das, was ich haben wollte. Recht eine Debatte um die Verbesserung des Tierwohls. Dazu habe ich ja auch ganz bewusst das Tierschutzkon- Allerdings habe ich nach einigen Überlegungen gedacht, zept vorgelegt. Ich hoffe, Sie haben es zumindest zur na ja, so überraschend wird dieses Ei vielleicht doch Kenntnis genommen und es gelesen. nicht sein, das Frau Dr. Karlowski hier ausgewickelt hat. Und ich kann sagen, das hat mich weder überrascht, Ich glaube auch, dass es richtig ist, dass mancher beteilig- noch hat es mich erfreut. Ich habe mal spekuliert, was te Verband – den Sie sehr gut kennen – sich ganz bewusst denn Thema dieser Aussprache sein könnte. enthalten hat, um damit wieder Kritik zu äußern. Konkret bedeutet das im Übrigen auch, wenn wir mit Niedersach- (Zuruf von Patrick Dahlemann, SPD) sen und Schleswig-Holstein zusammen dieses Konzept umsetzen, dass 2016 keine Ausnahmegenehmigungen Ich gucke auf meine erste Seite und habe geschrieben: mehr für das Schnabelkürzen erteilt werden und dass wir „Nach Auffassung der GRÜNEN sind Landwirtschaftsun- ab 2018 keine Haltung von Legehennen mit gekürzten ternehmen in Mecklenburg-Vorpommern zu groß, die Schnäbeln in Mecklenburg-Vorpommern haben werden. Produktion ist zu intensiv und der Anteil an biologischer beziehungsweise ökologischer Produktion zu gering.“ (Beifall Thomas Krüger, SPD) (Egbert Liskow, CDU: Also grüne Soße.) Deswegen glaube ich, dass wir wichtige Beiträge zum Tierwohl sowohl in der konventionellen Landwirtschaft, Ein bisschen spekuliert habe ich auch zum Bodenmarkt. aber auch in der ökologischen Landwirtschaft geleistet Das findet sich am Ende meiner Rede. haben und – etwas, was völlig neu ist, worauf überhaupt noch niemand eingegangen ist – dass wir die Ersten sein Nun habe ich allerdings Bedenken, wenn wir hier immer werden, die über einen Betreuungsschlüssel in der Tier- wieder über die gleichen Themen unter unterschiedlichen haltung nicht nur nachdenken, sondern dafür etwas auf Vorzeichen debattieren. Ich habe es schon mal gesagt, den Weg bringen werden, um damit ausdrücklich dieses es ist eigentlich völlig egal, ob ich unsere Auffassung Thema weiter voranzubringen. noch mal vortrage – ich könnte heute auch den Wetter- bericht von Timbuktu vorlesen. Ja, und ich will abschließend, wenn Sie erlauben, Frau Präsidentin, in Abwandlung eines Zitates eines saarlän- (Manfred Dachner, SPD: Nö. – dischen Politikers sagen, der einmal meinte, die Wahrheit Zurufe von Dr. Ursula Karlowski, für sich und seine Partei – für seine Partei! – zu haben, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, und da bleibt mir bei diesem Tagesordnungspunkt nur und Udo Pastörs, NPD) ein Fazit: Den Agrarstrukturwandel in seinem Lauf halten weder Suhr noch Gajek auf. Es würde ja in der Debatte überhaupt nichts ändern. Aber da ich auch gelernt habe, dass ständige Wiederho- (allgemeine Heiterkeit – lungen zu einem gewissen Lernprozess führen, Harry Glawe, CDU, und Egbert Liskow, CDU: Oi!) (Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Herzlichen Dank. werde ich mich wieder mit den von mir eben schon ver- muteten Punkten, die natürlich auch so eingetroffen sind (Beifall vonseiten der Fraktionen dank des Ministers, in kurzer Form auseinandersetzen. der SPD und CDU) Beim ersten Punkt möchte ich darauf verweisen, dass die Es gibt doch noch ein paar, die wissen, wer das mal Agrarstruktur einen wesentlichen Einfluss sowohl auf die gesagt hat. Arbeitsbedingungen der in der Landwirtschaft Beschäftig- ten als auch die Haltungsbedingungen der Tiere hat. Nur (Udo Pastörs, NPD: Ja, der Honni!) Unternehmen ab einer bestimmten Größe können sich geregelte Frei- und Urlaubszeiten für ihre Angestellten, Präsidentin Sylvia Bretschneider: Vielen Dank, Herr aber auch entsprechende Tierwohlstandards in ihren Minister. Stallanlagen leisten.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Schlupp für die Kleine bäuerliche Familienbetriebe, wie Sie, meine Damen Fraktion der CDU. und Herren von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, sie in Ihrer romantisierten Vorstellung vor Augen haben, können das Beate Schlupp, CDU: Sehr geehrte Frau Präsidentin! so nicht realisieren. Zum einen werden in diesen kleinen Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als ich das Betrieben oft die Familienmitglieder zur Arbeit herangezo- erste Mal das Thema dieser Aussprache „Agrarstruktur in gen, Freizeit und Urlaub gibt es kaum, zum anderen fehlen Mecklenburg-Vorpommern“ gelesen habe, habe ich ge- in diesen Unternehmen häufig die finanziellen Vorausset- dacht, das erinnert mich ein bisschen an ein Überra- zungen zur betrieblichen Umsetzung der ständig steigen- schungsei, das ich früher als Kind immer mit bestimmten den Umwelt- und Tierschutzstandards. Erwartungen ausgewickelt habe und dann zumeist ent- täuscht war über das, was drin war: irgendwas, was man (Egbert Liskow, CDU: zusammenpuzzeln musste, Die die GRÜNEN auch fordern.)

(Udo Pastörs, NPD: Bei den von mir heute bereits vermuteten Punkten 2 und 3 So ist der Kapitalismus.) kann ich nahtlos an die Diskussion der Vergangenheit 104 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 anknüpfen, zuletzt beim Thema Milchkrise. Die Landwirte (Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, entscheiden selbst, welche Landbewirtschaftungsformen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) sie für betriebswirtschaftlich sinnvoll halten. In der ökolo- gischen Landwirtschaft ist ein Mehrpreis erforderlich, um wo die Probleme liegen, fehlen mir – leider haben Sie selbst im Rahmen einer erhöhten Förderung wirtschaft- nicht mehr genug Redezeit, aber vielleicht wäre das mal lich produzieren zu können. Selbst wenn ein anhand ein Thema, über das man neu nachdenken könnte – konkreter Zahlen bis jetzt noch nicht nachgewiesener eigentlich die Vorschläge, Nachfrageüberhang existiert, so würde eine spürbare Erhöhung von ökologisch produzierten Produkten den (Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE: dafür zu erzielenden Preis drücken und gegebenenfalls Beschwören Sie es nicht herauf!) auch die benötigte Preisspanne zu den konventionell erzeugten Produkten unterschreiten. Auf der anderen wie man, … Seite hatte ich bereits in der letzten Plenardebatte darauf hingewiesen, dass selbst bei denjenigen, die grundsätz- (Heiterkeit bei Jochen Schulte, SPD) lich ökologisch erzeugte Produkte nachfragen würden, die Bereitschaft, tatsächlich zu kaufen, mit steigender Es ist schon spät. Nein, das bringt mich nicht aus dem Preisspanne zwischen ökologisch und konventionell Konzept, aber man muss ja auch mal lachen dürfen. erzeugten Produkten überproportional sinkt. (Peter Ritter, DIE LINKE: Ja, genau.) Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe noch darauf verwiesen, dass meine Spekulation auch in Richtung … wie man in Zukunft das Problem mit den außerlandwirt- Bodenpolitik ging. Da habe ich, wie gesagt, auch richtigge- schaftlichen Investoren rechtssicher lösen kann. Das wäre legen. Die Argumentation konnte ich mir denken, zum Bei- mal eine Debatte, über die ich mich freuen würde und dann spiel, dass die Nutzung außerlandwirtschaftlichen Kapitals würde ich auch nicht wieder den Wetterbericht von Timbuktu als Finanzierungsquelle zur Spekulation und zur Belastung bemühen wollen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. der bodengebundenen, nachhaltigen Agrarwirtschaft führt. (Beifall vonseiten der Fraktion der CDU – (Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, DIE GRÜNEN: Sehr gut.) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Natürlich beobachten wir seit einigen Jahren – gefühlt mit Präsidentin Sylvia Bretschneider: Vielen Dank, Frau Beginn der Finanzkrise 2008 –, dass außerlandwirtschaft- Schlupp. liches Kapital in Grund und Boden verstärkt investiert wird. Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Dr. Tack, Herr (Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ Professor Dr. Tack, für die Fraktion DIE LINKE. DIE GRÜNEN: Genau.) (Egbert Liskow, CDU: Natürlich ist diese Entwicklung durchaus kritisch zu bewerten. Aber jetzt nicht wieder Timbuktu.)

(Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, Dr. Fritz Tack, DIE LINKE: Sehr geehrte Frau Präsiden- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) tin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! „Für eine gerechte Bodenpolitik – Vielfalt der Besitz- und Größen- Allerdings durften wir auch die Erfahrung machen, dass verhältnisse landwirtschaftlicher Betriebe als Grundlage die rechtsstaatlichen Mittel zur Eindämmung dieser Er- für eine ökologisch, ökonomisch und sozial nachhaltige scheinung begrenzt sind. Landwirtschaft“, so lautet die Überschrift eines Beschlus- ses des Landesdelegiertenrates von BÜNDNIS 90/DIE (Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ GRÜNEN vom 27. Juni dieses Jahres. DIE GRÜNEN: Begrenzt, aber vorhanden.) (Peter Ritter, DIE LINKE: Aha!) Gerade die Erfahrung der Landesregierung in Sachsen- Anhalt mit dem Versuch einer Änderung des Grund- Was die geforderte Einheit von Ökologie, Ökonomie und stücksverkehrsgesetzes oder der Einführung eines Ag- Sozialem anbetrifft, stehen wir an Ihrer Seite, liebe Kolle- rarstrukturgesetzes sollten uns zu denken geben. ginnen und Kollegen.

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ (Helmut Holter, DIE LINKE: Da sind wir DIE GRÜNEN: Und zwar inwiefern?) viel weiter, Fritz. Wir sind viel weiter.)

Neben dem Problem, die gewünschten Wirkungen rechts- In dem genannten Beschluss fordern die Bündnisgrünen sicher zu formulieren, scheint auch eine Mehrheit der die Landesregierung auf, ich zitiere: „die Besitz- und Nut- Landwirte selbst einen solchen Eingriff des Staates in den zungsverhältnisse in der Landwirtschaft Mecklenburg- Bodenmarkt abzulehnen. Von daher habe ich von Ihnen Vorpommerns derart zu steuern, dass eine möglichst zwar viele Kritikpunkte gehört, große Vielfalt an Betriebsgrößen und Betriebsformen ent- steht, die in einem fairen Wettbewerb am Markt agieren (Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, und mit einem hohen Beschäftigungsaufkommen eine BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) hohe Wertschöpfung erzielen können“, Ende des Zitats. So weit, so gut, oder? ich habe auch gehört, dass Sie den Kauf des Bodens von der BVVG durch das Land bevorzugen würden, aber da Nach Meinung der Bündnisgrünen erreicht die Landesre- wir gerade vom Minister gehört haben, gierung dies nur über eine gerechte Bodenpolitik, die Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 105 dem Landgrabbing und der Dominanz von landwirtschaft- Betriebe sind per se gut, große Landwirtschaftsbetriebe, lichen Großbetrieben mit Flächen weit über 500 Hektar egal in welcher Form sie sind, sind das Böse schlechthin. Einhalt gebietet und auch kleine und mittelständische Unternehmen, kleiner als 250 Hektar, zum Zuge kommen (Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ lässt. Dieser Beschluss Ihrer Landesdelegiertenkonfe- DIE GRÜNEN: Wir wollen Vielfalt.) renz, liebe Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN, war wohl der Grund für die heutige Aussprache mit dem Einer solchen ideologisch verbrämten Betrachtungsweise Thema „Agrarstruktur in Mecklenburg-Vorpommern“. werden sich meine Fraktion und ich ebenfalls nicht an- schließen. (Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Eigentlich nicht, nein.) Meine kritischen Worte in Ihre Richtung bedeuten aber nicht, dass für meine Fraktion und für mich alles bestens Der Beschluss fordert die Landesregierung auf, sich mas- mit der Agrarstruktur in diesem Lande ist. Trotzdem un- siv für eine Änderung der BVVG-Verkaufspolitik einzuset- terstützen wir die Politik der Landesregierung, keine zen. Diesen Punkt betrachte ich als zum Teil bereits erle- Landesflächen zu veräußern und langfristige Pachtver- digt. Ich verweise an dieser Stelle auf mehrere Landtags- träge mit Landwirtschaftsbetrieben abzuschließen, die beschlüsse zu diesem Thema. Wir wollen sogar, dass das sich an klaren Kriterien ausrichten, nämlich die Stärkung Land die noch verfügbaren BVVG-Flächen übernimmt. Der der Veredlungswirtschaft, die Schaffung und Sicherung Minister hat gesagt, welche Hindernisse es gibt. von Arbeitsplätzen sowie die Verbesserung der Wettbe- werbsfähigkeit der Betriebe. Ebenso müssen die Betriebe (Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, einen Mindestviehbesatz von 0,4 Großvieheinheiten pro BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Hektar nachweisen und mindestens zehn Prozent der Fläche mit Intensivkulturen, wie Gemüse, Kartoffeln, Es gab vor Kurzem auch den offenen Brief der ostdeut- Zuckerrüben oder Sonder- und Dauerkulturen, bestellen. schen Agrarminister an den Bundesfinanzminister ganz Das ist der bessere Weg gegenüber einer Kündigung im Sinne der hier gefassten Landtagsbeschlüsse. aller Pachtverträge zugunsten kleinerer Betriebe ohne weitere Vorgaben. Ihr genannter Beschluss fordert die Landesregierung aber auch auf, ich zitiere an dieser Stelle, damit ich kei- Wer tatsächlich politisch auf die Ausrichtung der Landwirt- nen Fehler begehe: „Die bisherigen Pachtverträge sollten schaft in Mecklenburg-Vorpommern Einfluss nehmen will, gekündigt und die Flächen in beschränkten Ausschrei- kann genau über diesen Weg seine Ziele durchsetzen. bungen an alle bisher bei der Flächenverteilung benach- Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN, teiligten Betriebe und Betriebsneugründungen gehen.“ haben das ja mit einem Antrag zu den Verpachtungskrite- Ende des Zitats. rien des Landes im Jahre 2012 versucht, Sie haben es auch erst angesprochen, Frau Karlowski. (Udo Pastörs, NPD: Verstößt gegen die EU-Richtlinien.) Natürlich könnten sich meine Fraktion und ich auch an- dere, bessere, vielleicht neue Kriterien für die Verpach- Ich übersetze das mal für mich: Sie wollen alle Pachtver- tung vorstellen, die zu einer weiteren Ökologisierung der träge für Landesflächen kündigen, ob für große oder Landwirtschaft und zu noch mehr Tierwohl in Mecklen- kleine Betriebe. Diese Flächen sollen dann an alle Be- burg-Vorpommern führen. Aber so etwas kann und darf triebe kleiner als 250 Hektar und an kleine Neugründun- nicht – das will ich ganz klar sagen – gegen die Landwir- gen gehen, die bisher keine Landesflächen gepachtet te in unserem Lande geschehen. So etwas geht nur haben. Zu diesen Forderungen möchte ich Klartext re- gemeinsam mit unseren Bäuerinnen und Bauern. den: Das ist ökonomischer, ökologischer und sozialer Unsinn. (Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: (Beifall Thomas Krüger, SPD – So macht Sachsen-Anhalt das auch.) Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Es wär schön, wenn Sie Auch deshalb rufe ich auf, weiter am Masterplan für die sich auf die Rede beziehen würden.) Land- und Ernährungswirtschaft mitzuarbeiten.

Es würde Arbeitsplätze und ganze, bisher gut funktionie- Ebenso wie Sie, meine Damen und Herren, kritisieren wir rende Betriebe vernichten. Es würde das Leben im länd- seit Langem die Politik der BVVG und damit der Bundes- lichen Raum schädigen und es würde vielfaches und regierung. Zukünftiges Wachstum und Wirtschaften ist neues Unrecht schaffen – mehr Unrecht, als es jemals direkt abhängig vom Eigentum am Boden, der eine nicht die Bodenreform in der Sowjetischen Besatzungszone, vermehrbare natürliche Ressource ist. Boden ist aber auch Kapital und leider zunehmend eine Kapitalanlage. (Gelächter bei Udo Pastörs, NPD: Wir erleben derzeit eine regelrechte Explosion der Bo- Großer Spaßvogel.) den- und Pachtpreise. Dazu war schon gesprochen wor- den. die auf alliiertem Recht beruhte, und die spätere Kollekti- vierung oder Vergenossenschaftlichung der Landwirt- Die BVVG gilt dabei als einer der stärksten Preistreiber. schaft, ja selbst die Zwangskollektivierung, jemals schufen. „Kaufen Spekulanten den Osten auf?“ fragte „Der Tages- Da werden meine Fraktion und ich niemals mitmachen. spiegel“ im Jahre 2013 und brachte die Befürchtungen auf den Punkt. Als LINKE haben wir das Problem schon Dieser Beschluss trägt aber auch das Grundmantra des weit vor 2013 thematisiert. Im Zentrum steht die Kritik Aktionsprogramms „Nachhaltige Landwirtschaft in Meck- an der bundeseigenen Bodenverwertungs- und -verwal- lenburg-Vorpommern“ in sich: Kleine landwirtschaftliche tungs GmbH, der BVVG. Sie verwaltet und privatisiert im 106 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015

Auftrag der Bundesregierung die Flächen der ehemaligen Kann man etwas dagegen tun, oder sind wir in Bund und volkseigenen Güter – die Anzahl war von Minister Back- Land hilflos? haus für unser Land genannt worden –, Ende Januar 2015 legte der Bundesverband der gemein- (Udo Pastörs, NPD: Volkseigene Güter!) nützigen Landgesellschaften ein Gutachten vor. Ergebnis: Entgegen bisheriger Behauptungen kann der Erwerb von die kostenfrei in Bundesvermögen übergegangen sind. Anteilen an landwirtschaftlichen Gesellschaften durch Än- derungen am Grundstückverkehrsgesetz eingeschränkt (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) werden. Durch die Einführung einer Genehmigungspflicht können unerwünschte Konzentrationsprozesse verhindert Bis 2014 hat die BVVG 800.000 Hektar Landwirtschafts- werden. Dafür seien eindeutige politische Zielvorgaben und knapp 600.000 Hektar Forstflächen privatisiert, insbe- notwendig. Ein klarer Rahmen sei dahin gehend zu setzen, sondere seit 2007 mit fatalen Folgen. Das sagen übrigens dass Bund und Länder genaue Aussagen zu den Zielen nicht nur wir, Minister Backhaus bezeichnete einst die ihrer Agrarstrukturpolitik treffen müssen. Das sei für eine Privatisierung – er hat das heute noch einmal getan, dafür restriktive Auslegung der Rechtsprechung notwendig. bin ich ihm sehr dankbar – von Grund und Boden als einen Darüber hinaus wurde ein Paradigmenwechsel bei der Kardinalfehler der deutschen Einheit. Besser wäre eine BVVG-Flächenprivatisierung gefordert. Wenn wir tatsäch- treuhänderische Übernahme eines Teils der Flächen durch lich weg wollen vom derzeitigen Wachse-oder-weiche- das Land gewesen, um sie an Agrarbetriebe weiterzuver- Prinzip, dann müssen wir da ran. Wir müssen für Mecklen- pachten. Besser kann ich es auch nicht ausdrücken. Das burg-Vorpommern klären, welche Agrarstruktur wir wollen. wäre genau die richtige Strukturpolitik gewesen. Hierbei unterstützen wir LINKEN das Konzept des Wis- Ich zitiere jetzt meine geschätzte Bundestagskollegin senschaftlichen Beirates des Bundesministeriums für Dr. Kirsten Tackmann zur BVVG-Politik. Beginn des Ernährung und Landwirtschaft für eine veränderte Wachs- Zitats: „Zwischen 2007 und 2013 stiegen die Boden- tumsstrategie, dem jeweiligen Standort angepasste Pro- preise in Ostdeutschland um 154 Prozent. Dies ge- duktionssysteme zu entwickeln und breit in die Praxis schah sehr zur Freude des Finanzministers, der jährlich einzuführen. Deshalb bin ich froh über die derzeit stattfin- etwa 500 Millionen Euro von der BVVG überwiesen dende Entwicklung des Masterplans der Land- und Ernäh- bekommt, für ostdeutsche Äcker, die er kostenfrei über- rungswirtschaft in der Perspektivkommission „Mensch und nommen hat, und auf Kosten der ortsansässigen Land- Land“. Aus voller Überzeugung fordere ich heute noch wirtschaftsbetriebe,“ einmal alle Interessierten auf, sich aktiv in diesen Prozess einzubringen. Wir tun das. Aber wir fordern die Landesre- (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) gierung auch auf, ein eigenes Agrarstrukturfördergesetz auf den Weg zu bringen, „die ihre Produktionsgrundlage, den Boden, zu Wucher- preisen kaufen müssen. Ich finde das unanständig, erst (Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ recht, weil das Geld für gute Löhne und mehr Tierwohl DIE GRÜNEN: Genau.) fehlt.“ Ende des Zitats. Auch dies hätte ich nicht besser ausdrücken können. Im Übrigen habe ich in den letzten um die Zukunft des Lebens und Wirtschaftens im ländli- Jahren bereits mehrfach darauf hingewiesen. Immer chen Raum von Mecklenburg-Vorpommern zu sichern. häufiger kauft landwirtschaftsfremdes Kapital die Äcker, Wiesen und gleich ganze Betriebe oder es werden Antei- Wir brauchen eine Agrarpolitik, die den Betrieben, egal ob le an Genossenschaften übernommen. groß oder klein, egal welcher Rechtsform, gleich ob kon- ventioneller oder ökologischer Landbau, eine Perspektive (Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ jenseits vom Dogma des „Wachse oder weiche“ ermög- DIE GRÜNEN: Richtig.) licht. Die Weiterentwicklung einer nachhaltigen Landwirt- schaft muss auf wissenschaftlicher Grundlage erfolgen. Aber auch davor hat DIE LINKE lange vergeblich gewarnt. Deshalb muss auf die Fragen, die der exportorientierte, liberale und ruinöse Weltagrarmarkt stellt, nach anderen Anfang des Jahres hat eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe als den bisherigen Antworten gesucht werden. geschätzt, dass zwischen 20 und 35 Prozent der Flächen an Nichtlandwirte gehen. Die Zahl war auch von Minister Unsere Vorstellungen lassen sich verkürzt und einfach Backhaus genannt worden. folgendermaßen zusammenfassen: Wir wollen regionale Märkte, statt sich einseitig auf Weltmärkten zu orientie- (Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, ren. Und – auch das muss dazugesagt werden – not- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) wendige Agrarexporte sind immer im Zusammenhang mit Agrarimporten zu beurteilen. Da stimme ich meiner Kol- Verlierer sind die ortsansässigen Betriebe, egal ob es legin Frau Professor Dr. Erika Czwing voll zu. Wir wollen kleine Familienbetriebe oder große Familienbetriebe langfristig möglicherweise dem Boden wieder den Cha- sind, Genossenschaften oder GmbHs. Gerade für kapi- rakter einer Allmende zuweisen. talschwache Junglandwirte und -wirtinnen ist die Preis- steigerung eine enorme Hürde. Es herrscht ein harter (Udo Pastörs, NPD: Das ist sehr Konkurrenzkampf um frei werdende Flächen oder den germanisch, was Sie da fordern.) Einstieg in die Betriebsnachfolge. Wer den dicksten Geldbeutel hat, gewinnt. Das ist ein beunruhigender Wir wollen eine Landwirtschaft, die gute Arbeit zu guten Trend und sollte von uns nicht hingenommen werden. Löhnen ermöglicht. Wir wollen, dass der Landwirt von seiner Hände Arbeit leben kann. Wir wollen die Erhaltung (Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: der Kulturlandschaft durch Nutzung nach den Prinzipien Das ist Kapitalismus.) der guten fachlichen Praxis. Wir wollen eine sichere Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 107

Zukunft für die Land- und Ernährungswirtschaft in unse- Es heißt weiter in dem Artikel: „Mit der Wiedervereinigung rem Lande Mecklenburg-Vorpommern. – Danke schön. gingen riesige Ländereien in Bundeseigentum über: die Äcker, Wälder und Wiesen der ehemaligen Großgrund- (Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE) besitzer. Diese Gutsherren, häufig Junker und andere Landadlige, waren zwischen 1945 und 1949 von den Präsidentin Sylvia Bretschneider: Vielen Dank, Herr Sowjets enteignet worden, ihre Güter gehören seit dem Professor Dr. Tack. 3. Oktober 1990 der Bundesrepublik Deutschland. Doch nicht einmal ein Fünftel dieses ‚Junker-Landes‘ wurde an Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Köster für die ‚ortsansässige Wiedereinrichter‘ verpachtet, wie die Fraktion der NPD. ehemaligen LPG-Bauern im Behördendeutsch heißen … Statt dessen gehören fast 60 Prozent der staatseigenen Stefan Köster, NPD: Frau Präsidentin! Meine Damen und Äcker, wie die Statistik ausweist, ‚juristischen Personen‘: Herren! Wie beziehungsweise warum hat sich die Agrar- Das sind die Firmen, die von den ehemaligen LPG-Chefs struktur hier in Mecklenburg-Vorpommern so entwickelt, aufgemacht wurden.“ wie sie sich jetzt darstellt? Wir haben es in Mecklenburg- Vorpommern im Vergleich zu anderen Flächenländern (Udo Pastörs, NPD: GmbHs.) weitgehend mit Großbetrieben zu tun. Der „Spiegel“ be- richtete im Jahre 1995 im Heft 24 am 12. Juni 1995 unter „Weitere zehn Prozent des Landes fielen an ‚ortsansäs- dem Titel „Bauernland in Bonzenhand – Die neuen alten sige Neueinrichter‘. Das sind Ostdeutsche, die vor der Herren im Osten – ,Belogen und betrogenʻ“. Wende keinen einzigen Hektar besaßen, aber dann ei- nen landwirtschaftlichen Betrieb aufmachten. Hinter dem (Peter Ritter, DIE LINKE: Das ist doch Lügenpresse.) unverfänglichen Begriff ‚ortsansässige Neueinrichter‘ verbergen sich im wesentlichen LPG-Versitzende, die Ich zitiere einige Passagen aus dieser Ausgabe. selbständige Bauern wurden, oft mit vielen hundert Hek- tar Pachtland.“ (Peter Ritter, DIE LINKE: Das ist doch Lügenpresse, Herr Köster.) Und weiter heißt es in dem Artikel: „Die Landwirtschaftli- chen Produktionsgenossenschaften befanden sich oft in Manchmal schreiben auch die Zeitungen richtige Sachen. besserem Zustand als die heruntergekommenen Indust- rieanlagen der DDR. Ihre Einfamilienhäuschen und (Peter Ritter, DIE LINKE: Ach, Wohnblocks waren dank eigener Reparaturbrigaden zitieren Sie nicht immer die Lügenzeitung! durchweg ordentlicher erhalten als die Mietskasernen in Sie müssen sich schon mal entscheiden. – den Städten. Von beträchtlichem Wert waren Viehher- Zuruf von Heinz Müller, SPD) den, Melkanlagen und Getreidespeicher. Ein milliarden- schweres Vermögen wäre zu verteilen gewesen – wenn Wenn es natürlich gegen Ihre kommunistischen Vorväter tatsächlich geteilt worden wäre. Die LPG-Mitglieder hät- geht, dann wollen Sie es immer als Lüge betiteln. ten eine Menge Geld erhalten – wenn die Vorsitzenden saubere Bilanzen erstellt und korrekt abgerechnet hätten. (Unruhe vonseiten der Fraktion der SPD – Anders als den einfachen Ost-Bauern geht es den frühe- Peter Ritter, DIE LINKE: Sie müssen ren LPG-Chefs zumeist blendend. Kein Berufsstand in sich schon mal entscheiden, ist es der DDR hat die Wende so glatt geschafft wie die Füh- Lügenpresse oder keine Lügenpresse?!) rungskader der sozialistischen Landwirtschaft. Weitge- hend unbemerkt von der Öffentlichkeit herrschen sie nun Zitat, Herr Ritter: „Geld verschwindet nicht, das weiß jeder wieder wie zu SED-Zeiten über das Land; mit einem Kaufmann – es wechselt den Besitzer. Dieter Tanneber- Unterschied allerdings: Früher waren sie nur mächtig, ger, Präsident der Bauernorganisation Deutscher Land- heute sind sie auch noch reich.“ bund, weiß, wohin es geflossen ist: Überall hätten LPG- Chefs ‚mit flächendeckenden Bilanzfälschungen‘ die Pro- (Beifall vonseiten der Fraktion der NPD) duktionsgenossenschaften arm gerechnet“ „Nach Schätzungen des Landbunds rissen die neuen Groß- (Thomas Krüger, SPD: agrarier ein Vermögen von mindestens 20 Milliarden Mark Das ist eine Unterstellung.) an sich. Aus den aufgelösten mehr als 3.800 LPG gingen 2.800 Nachfolgebetriebe hervor, fast alle werden von den „und Millionenbeträge in ihre Nachfolgebetriebe ge- ehemaligen LPG-Chefs geführt. In ihren Ställen stehen schleust.“ 80 Prozent des ostdeutschen Viehs, sie bewirtschaften mehr als zwei Drittel der ostdeutschen Äcker, Felder und Das ist ein Zitat, Herr Krüger. Wiesen. Wozu Raubritter und Junker“

(Thomas Krüger, SPD: (Udo Pastörs, NPD: Die neuen Junker.) Trotzdem eine Unterstellung. – Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Das „einst Jahrhunderte gebraucht hatten, schafften die roten ist deswegen trotzdem eine Unterstellung.) Kader in zwei Jahren.“ Zitatende.

„Kaum waren die Bauern billig abgefunden, entwickelten Die BVVG hat dann das Junkerland in Bonzenhand ge- sich die verarmten LPG auf wundersame Weise zu geben. Sie verpachtete die Äcker vorwiegend an die hochprofitablen Agrarfirmen – geleitet von den ehemali- Nachfolgebetriebe der aufgelösten LPG. Die hätten, so gen LPG-Vorsitzenden. Sie und ihre Partner in den neu- das Standardargument, das bessere Konzept als kleinere en Betrieben profitieren nun vom Aufschwung der ost- bäuerliche Betriebe vorgelegt. Prächtiger ist wohl, dass deutschen Landwirtschaft, die Bauern sind die Dummen.“ die alten Kader die besseren Verbindungen hatten. Ihre 108 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015

Freunde aus früheren gemeinsamen SED-Tagen sitzen über 20.000 Euro pro Hektar geklettert. So sieht die Lage überall, bei der BVVG, in Ministerien, in Landwirtschafts- hier aus, wenn man die Agrarstruktur in Mecklenburg- kammern, in den Kreisbodenkommissionen und den Vorpommern begutachten möchte. dörflichen Verwaltungen. Währenddessen fristen sehr viele bäuerliche Betriebe im (Regine Lück, DIE LINKE: Beitrittsgebiet ein eher kümmerliches Dasein. Wie Gerke Das muss wohl ein Irrtum sein.) in seinem Buch auch bemerkt, sind rund 50 Prozent von ihnen Nebenerwerbsbetriebe, die, ich zitiere, „vor allem Unter der Überschrift „BVVG in Mecklenburg-Vorpom- aufgrund des teilweisen staatlichen Quasi-Monopols bei mern verkaufte auch 2010 fast ausschließlich an ortsan- der Verteilung landwirtschaftlicher Flächen keine weite- sässige Landwirte“ lesen wir unter anderem, ich zitie- ren Flächen über ihre 15, 20, 30 oder 40 ha hinaus zur re: „Die BVVG … in Mecklenburg-Vorpommern hat im Pacht erhalten“. Vor diesem Hintergrund ist auch die Jahr 2010 rund 9.800 Hektar landwirtschaftliche Fläche Landwirtschaftspolitik hier im Land zu beobachten. veräußert, davon 90 Prozent an ortsansässige Landwirt- schaftsbetriebe. ‚Damit werden Behauptungen widerlegt, Die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern, dass die BVVG in nennenswertem Umfang an sogenann- insbesondere der zuständige Minister Backhaus, ist die te Kapitalanleger verkaufe‘, betonten die Leiter der Nie- Interessenvertretung der Großbetriebe und setzt auf die derlassungen Neubrandenburg und Schwerin, Dr. Rose- Industrialisierung der Landwirtschaft hier in Mecklenburg- marie Hildebrandt und Johann Jakob Nagel, auf der Lan- Vorpommern. despressekonferenz.“ Zitatende. (Minister Dr. Till Backhaus: Kompletter Blödsinn.) Können wir nun deshalb einfach zur Tagesordnung über- gehen? Diese Frage ist mit einem klaren Nein zu beant- Welche Lösungswege stehen denn hier offen? Als Erstes worten, Zitat: „Bei der Vergabe von Agrarflächen in Ost- muss die Anbindung der Agrarbeihilfe an die Beschäfti- deutschland“, so eine dpa-Meldung vom 9. März 2012, gung und an die sozialen Mindeststandards in den Be- „sehen sich Kleinbauern stark benachteiligt. Beim Verkauf trieben ausgerichtet werden. Dann brauchen wir eine von Ackerland auf früherem DDR-Gebiet bevorzuge die breite Streuung von landwirtschaftlichen Flächen der bundeseigene Bodenverwertungs- und Verwaltungsgesell- öffentlichen Hand zum Aufbau einer mittelständischen schaft (BVVG) noch immer große Investoren, kritisierte die und vielfältigen Landwirtschaft. Damit könnte man auch Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft … Diese die Enteigneten der Sowjets endlich gerecht entlohnen. erhielten die Flächen zu Preisen deutlich unter Marktni- Wir brauchen zudem ein Siedlungsprogramm zur Grün- veau, sagte AbL-Sprecher für Ostdeutschland, Jörg Gerke, dung neuer landwirtschaftlicher und gartenbaulicher in Berlin. Zu den Profiteuren gehörten nicht nur ,die alten Betriebe. Hier könnten gerade auch die Uniabsolventen DDR-Agrarkader‘, sondern auch große Konzerne aus endlich mal Gerechtigkeit erfahren. Westdeutschland.“ (Vizepräsidentin Beate Schlupp Laut dpa beziehungsweise Gerke gehe es um Subven- übernimmt den Vorsitz.) tionen an eine kleine Gruppe von Unternehmen. Diese hätten inzwischen einen zweistelligen Milliardenbetrag Wir von der NPD lehnen die herrschende Agrarpolitik ab, erreicht. Als Beleg führte Jörg Gerke interne Schreiben weil sie nicht der Bedarfsdeckung der Bevölkerung, son- des Bundeslandwirtschafts- und des Bundesfinanzminis- dern einzig der kapitalistischen Logik der maximalen teriums aus dem Jahre 2009 an. Aus diesen gehe un- Profitmehrung dient. Unsere Vorstellungen von einer zweideutig hervor, dass die Nachfolgebetriebe der LPG bäuerlichen Landwirtschaft ist eine gänzlich andere. Wir seit den 90er-Jahren bevorzugt worden seien. Die auch fordern daher die Zerschlagung der Agrarriesenbetriebe als rote Barone bezeichneten Altkader hätten auf dem und stattdessen viele kleine und mittelständische Land- Wege des Direkterwerbs, also ohne Ausschreibungen, wirtschaften, von der BVVG Flächen kaufen oder pachten können. Kleinere und mittlere Betriebe besäßen diesbezüglich (Beifall vonseiten der Fraktion der NPD) kaum eine Chance im Rennen um die Bodenvergabe. die mit einer größeren Artenvielfalt auf dem Acker und im Wir als NPD haben dieses Thema auch schon 2012 hier Stall gesunde Lebensmittel, die den Namen auch verdie- im Landtag behandelt. Auch wir sind dem florierenden nen, herstellen. – Danke schön. Netzwerk damals auf den Grund gegangen. Der bereits erwähnte Biobauer Jörg Gerke führt in seinem Buch (Beifall vonseiten der Fraktion der NPD) „Nehmt und euch wird gegeben: Das ostdeutsche Ag- rarkartell“, erschienen im Jahr 2008, dazu Näheres aus, Vizepräsidentin Beate Schlupp: Das Wort hat jetzt für Zitat: „Das gesamte Konglomerat im Osten aus Agrar- die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Krüger. verwaltung, Agrarpolitik, Agrarberichterstattung und der Agrarlobby in Form der Landesbauernverbände bildet Thomas Krüger, SPD: Frau Präsidentin! Meine sehr ge- eine Art Netzwerk, ein Kartell.“ Zitatende. ehrten Damen und Herren! Das Thema der Aussprache ist benannt: „Agrarstruktur in Mecklenburg-Vorpommern“. (Udo Pastörs, NPD: So ist es.) Und so wie meine Kollegen hatte auch ich Schwierigkeiten herauszubekommen, was denn mit Agrarstruktur über- Gerke: „Die großen LPG-Kaderbetriebe bekommen den haupt gemeint ist, denn es gibt ja nicht die Agrarstruktur, überwiegenden Teil der BVVG-Flächen in die Hände sondern es gibt die Strukturen in Mecklenburg-Vorpom- gespielt“, so führte er aus. Der Kaufpreis bewege sich in mern, und diese Strukturen umfassen viele Ebenen. einer Spanne von lediglich 1.500 bis 3.500 Euro je Hek- tar. Zum Vergleich: Mittlerweile sind die Marktpreise für Ich habe mir mal die Mühe gemacht, habe in Wikipedia arrondierte Ackerflächen nach offiziellen Angaben auf nachgeguckt, was heißt denn Agrarstruktur überhaupt? Da Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 109 steht, ich zitiere: „Der Begriff Agrarstruktur bezeichnet die sie hat sich in den letzten Jahrzehnten gut entwickelt. strukturellen Grundlagen der landwirtschaftlichen Produk- Geleistet haben das viele verantwortliche Frauen und tion und der Lebensbedingungen im Agrarsektor (Land- Männer. Sie waren es, die nach der Wende in einer sehr wirtschaft, Forstwirtschaft und verwandte Wirtschafts- schwierigen Zeit, in der nicht abzusehen war, wie es zweige).“ Da mir die Themenfläche zu groß war, habe ich wirklich weitergeht, die Ärmel hochgekrempelt haben. Sie meine Kollegin Frau Karlowski angerufen und wir haben haben in die Zukunft Mecklenburg-Vorpommerns inves- uns zumindest darauf geeinigt, dass wir hier heute nicht tiert, sie sind auch privat mit ihrem Vermögen ins Risiko über die Forstwirtschaft reden. Dafür danke ich, dass wir gegangen, sie haben geleistet, worauf heute das ganze diese Einschränkung hinbekommen haben. Ich denke Land stolz sein kann, nämlich eine starke Branche, und aber, es wäre, das verdient Anerkennung.

(Heinz Müller, SPD: Das ist ja schon mal was. – Und wenn Frau Gajek heute früh von einer völlig verfehl- Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, ten Agrarpolitik spricht, Frau Gajek, dann, sage ich Ihnen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) einfach, gehe ich hier von Unkenntnis aus. ich denke mal, (Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Heinz Müller, SPD: Das ist ja schon mal was.) Meine Damen und Herren von den GRÜNEN, wenn Sie es wäre nächstes Mal vielleicht fruchtbarer, sich diese Hintergründe noch einmal vor Augen führen, vielleicht können Sie dann nachvollziehen, warum die (Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE) Landwirte so empfindlich auf Ihre undifferenzierten Gene- ralangriffe reagieren. wenn das Thema einer solchen Aussprache genauer bezeichnet werden könnte. Wenn wir über Agrarstrukturen reden, gehört dazu auch, dass die Landwirtschaft nicht ohne die verarbeitende (Heinz Müller, SPD: Ja, es kommt Industrie betrachtet werden kann. Die Land- und Ernäh- darauf an, ob man ein ernsthaftes rungswirtschaft, meine Damen und Herren, ist die Bran- Interesse hat, über ein Thema zu reden. – che in Mecklenburg-Vorpommern, sie trägt fast 40 Pro- Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, zent Bruttowertschöpfung in Mecklenburg-Vorpommern BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ) bei. Und vergessen wir nicht, dass die Land- und Ernäh- rungswirtschaft auch ein wichtiger Kunde in anderen Und, meine Damen und Herren, wenn ich mir die Rede Wirtschaftsbereichen ist, beispielsweise im Maschinen- von Frau Dr. Karlowski noch mal vor Augen führe, sage bau, im Dienstleistungssektor oder bei der Logistik. Wir ich, auch wenn heute der 21.10.2015 ist, zurück in die können heute sagen, das ist eine Erfolgsgeschichte ma- Zukunft ist dennoch Utopie, sehr geehrte Frau Dr. Kar- de by Mecklenburg-Vorpommern. lowski. Meine Damen und Herren, wir haben, wenn wir uns die Meine Damen und Herren, wenn ich mir die Betriebsstruk- Strukturen ansehen, auch Herausforderungen vor uns. turen, die sich seit der Wende entwickelt haben, ansehe, So ist unsere Landwirtschaft gemeinsam mit Sachsen- kann ich feststellen, wir haben hier einen breiten Mix in Anhalt die viehärmste Region Europas mit 0,4 Großvieh- Mecklenburg-Vorpommern. Hatten wir 1989 in den drei einheiten je Hektar. Das hat der Minister bereits erwähnt. Nordbezirken noch knapp tausend LPGen und 137 volks- Hatten wir 1989 noch 3,2 Millionen Schweine in den eigene Güter, so sind es heute mehr als 4.700 landwirt- Ställen stehen, so sind es heute 820.000. Hatten wir schaftliche Betriebe. Wenn wir uns dann ansehen, wie die 1989 noch 1,4 Millionen Rinder in den Ställen und auf Betriebe aufgestellt sind, können wir feststellen, dass bei den Weiden, so sind es heute 546.000 Rinder. Wir brau- uns im Land fast zwei Drittel der Betriebe familiengeführt chen mehr Veredlung, Frau Dr. Karlowski, sind. Unsere Betriebe in der Landwirtschaft tragen mit drei Prozent Bruttowertschöpfung ungefähr doppelt so viel, (Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ Frau Dr. Karlowski, doppelt so viel bei wie im gesamtdeut- DIE GRÜNEN: Haben Sie meiner schen Durchschnitt. Und wenn Sie hier anführen, Rede denn eigentlich zugehört?)

(Udo Pastörs, NPD: Ja, wir brauchen mehr Veredlung, und Veredlung heißt weil es hier nichts gibt sonst.) Wertschöpfung. wenn Sie hier anführen, dass es früher mal vier Prozent Richtig ist aber auch, dass wir Konzentrationen in über- waren, dann ignorieren Sie, dass die industrielle Basis großen Ställen kritisch sehen. Ein Negativbeispiel dafür ist bei uns im Land sich einfach verbreitert hat und eine Alt Tellin. Die Diskussion um sozialräumlich verträgliche ganz normale Prozentrechnung eben am Ende auf die- Lösungen werden wir daher weiterführen. Wenn wir über sen Wert kommt. Es ist trotzdem doppelt so viel wie im landwirtschaftliche Strukturen reden, kommen wir nicht an Bundesdurchschnitt. den Betriebsgrößen vorbei. Richtig ist, dass wir in Mecklen- burg-Vorpommern im Bundesvergleich sehr große Betriebe (Udo Pastörs, NPD: Jaja.) haben. Richtig ist aber auch, dass das keine Erfindung und Entwicklung der Neuzeit ist, wir hatten auch vor mehr als Wir können feststellen, dass die Landwirtschaft eine hundert Jahren schon sehr große Betriebe. Die Größenord- stabile Branche ist, nung hat der Minister hier schon ausgeführt, das kann ich sehr gut weglassen. Heute haben wir 4.725 landwirtschaftli- (Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, che Betriebe, 3.000 davon sind im Haupterwerb, also eine BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) deutliche Aufsplittung der früheren Strukturen. 110 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015

Nun kann man ja behaupten, der Staat müsse stärker auf (Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, die Strukturen eingehen. Das ist nach Auffassung meiner BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Fraktion aber zuallererst Sache der Landwirte selbst. Sie agieren als Unternehmer und sie agieren am Markt. Wir eben nicht, weil der Geschäftsführer, als Politik setzen Rahmenbedingungen, die nicht immer auf ungeteilte Freude der Branche treffen, die aber auch (Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, zu einer leistungsfähigen Landwirtschaft beigetragen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) haben. Bedauerlich, aber in anderen Industrie- und Ge- werbebereichen ebenso zu beobachten, ist die Entwick- eben nicht ... lung der Beschäftigtenzahlen. Lagen sie nach der Wende bei 5,5 Arbeitskräften je 100 Hektar, so waren dies 2010 Hören Sie doch einfach mal zu! nur noch 1,4 Arbeitskräfte auf 100 Hektar. Das ist ganz klar auch eine Folge der Mechanisierung. (Heinz Müller, SPD: Frau Präsidentin, was ist denn hier los?) Nun gibt es ja auch in Mecklenburg-Vorpommern die Idee, das Land zum Garten der Metropolen zu entwickeln. Das Eben nicht, weil der Geschäftsführer darauf setzt, dass er hat indirekt Frau Dr. Karlowski hier ja auch wieder in ihrer in Hamburg absetzt, sondern darauf setzt, ganz klar, Rede genannt. Ziel wäre es, so habe ich das verstanden, Ware einzukaufen, die möglichst billig ist. Diese Produkte mit einem großflächigen Gemüse-/Obstanbau mehr Arbeit bekommt er vor allem auf dem polnischen Markt. Und die und mehr Wertschöpfung in der Fläche zu generieren. Frage, ob der deutsche Markt interessant wäre, verneint er deshalb, weil die Produktionskosten hier einfach zu (Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, hoch sind. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ Das bedeutet ja eben auch eine veränderte Agrarstruktur DIE GRÜNEN: Und wie analysieren und dann könnte man das erzeugte Gemüse oder Obst Sie denn die Agrarstruktur von in Berlin, in Hamburg, in den Metropolen absetzen. Das Mecklenburg-Vorpommern?) ist eine Vorstellung, das will ich zugestehen, die auf den ersten Blick interessant ist. Aber was heißt das denn in Das sollten Sie vielleicht mal mit dem Geschäftsführer der Praxis? Das heißt, dass wir unsere Märkte, dass die dort vor Ort besprechen. Landwirte ihre Märkte aufgeben und investieren, um ihre Produkte in einen gesättigten Markt abzugeben. Nichts (Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, anderes ist das, denn wir haben in Hamburg und Berlin BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) einen gedeckten Bedarf an Obst und Gemüse. Ich habe nicht gelesen, dass da Knappheit an Obst und Gemüse Betrachten können wir auch die Agrarstruktur nach herrscht. Und wir konkurrieren gegen den Gemüse- und ökologischer und konventioneller Wirtschaftsweise. Tun Obsthändler, der seit 30 Jahren da auf dem Markt steht, wir das, dann nehmen wir zur Kenntnis, dass Mecklen- und machen dem Konkurrenz. Das ist schwierig. Dazu burg-Vorpommern das führende Land im Ökolandbau kommt noch, dass wir, wenn wir mit unserem Plan erfolg- ist, übrigens weit vor allen Ländern, die beispielsweise reich sind, vielleicht Gemüsebauern aus Schleswig- grüne Agrarminister haben. Insofern brauchen wir hier Holstein oder Niedersachsen kaputt machen. keine Belehrung. Knapp 9 Prozent der Landesfläche werden ökologisch bewirtschaftet, im Bundesdurch- (Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, schnitt sind es 6,3 Prozent. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ Ist das unser Ziel? Ich denke, nicht. DIE GRÜNEN: Ja, das ist auch immer noch zu wenig.) Frau Dr. Karlowski, mein Arbeitskreis ist in der letzten Woche in Boddin gewesen, bei Boddinobst. Ich empfeh- Klar ist, Frau Dr. Karlowski, wir wollen hier weiterkom- le, einfach mal dahin zu fahren men, das ist unser gemeinsames Ziel. Sie wollen das, wir wollen das. Wir werden weiterhin daran arbeiten und ich (Torsten Renz, CDU: Nee, das begrüße daher ausdrücklich, dass der Minister den För- können Sie denen nicht zumuten.) derrahmen, gerade für den Ökolandbau, deutlich verbes- sert hat. Ich glaube, darin stimmen wir miteinander über- und mit den Leuten, mit den Geschäftsführern dort zu ein. reden, um festzustellen, wie die Marktsituation ist. Und Sie werden feststellen, dass die um jeden Cent kämpfen Dann, meine Damen und Herren, gibt es ja immer Ober- müssen und darum kämpfen müssen, am Markt erfolg- begriffe in der Landwirtschaft. Bisher war es die Massen- reich bestehen zu können. tierhaltung, jetzt ist es ganz viel die industrialisierte Land- wirtschaft. Deswegen will ich auf diesen Oberbegriff auch Und, Frau Dr. Karlowski, wenn Sie dann beispielsweise mal eingehen, denn auch das ist ja eine Strukturfrage. biosanica anführen und auch mal zu biosanica fahren – da war ich auch –, kann der Geschäftsführer Ihnen ge- Dazu muss man zuerst einmal klären: Was ist Industrie? nau erklären, Industrie zeichnet sich nach Wikipedia dadurch aus, dass ein hoher Grad an Mechanisierung und Automatisierung (Zuruf von Torsten Renz, CDU) vorhanden ist. Meine Damen und Herren, wenn dieser Vorwurf darauf gerichtet ist, dass das Futter durch einen warum er so günstig ist und warum er inzwischen eine Automaten in optimaler Zusammensetzung und zu einem Marktführerschaft hat. Eben nicht, optimalen Zeitpunkt zugeführt wird Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 111

(Jochen Schulte, SPD: Das ist McDonald’s.) sein, dass wir die Tiere an die Anlagen anpassen. Um- gekehrt wird ein Schuh daraus. Ich begrüße daher aus- oder aber, dass die Kuh selbst entscheiden kann, wann sie drücklich, dass die Koalition in Berlin auf Bestreben mei- zum Melkroboter geht und sich abmelken lässt, dann frage ner Partei den Passus zur Einführung eines Tieranlagen- ich: Na und? Was ist daran denn schlimm? Oder geht es TÜVs in die Koalitionsvereinbarungen mit aufgenommen darum, dass über Computertechnik Erntemengen und hat, und hoffe, dass Bundesagrarminister Schmidt nun Nährstoffzusammensetzungen im Boden durch Überfah- bald auch belastbare Vorschläge auf den Tisch legt und ren analysiert werden und dann beim Düngen der Compu- die auch in die Realität umgesetzt werden. Gleiches gilt ter einen optimalen Düngereinsatz realisiert? Oder sehen im Übrigen für die Düngemittelverordnung. Der Bundes- wir Probleme dabei, dass die ersten Maschinen GPS- minister muss nun liefern, ein Aussitzen darf es nicht gesteuert autonom über den Acker fahren – heute schon, länger geben. da ist das autonome Fahren schon Realität – und nur noch der Mensch im Vorgewende die Maschine steuert? Übrigens, mit der von mir beschriebenen Automatisie- rung lassen sich eben auch die Düngermengen viel be- Ja, das ist ein hoher Grad an Mechanisierung und Auto- darfsgenauer steuern. Ich begrüße daher ausdrücklich, matisierung, der sich wahrscheinlich auch nur auf großen dass unser Agrarminister Till Backhaus mit Vertretern Flächen rechnet. Und ja, das kann man auch als Indust- von Umwelt- und Tierschutz sowie Vertretern des Berufs- rialisierung bezeichnen. Aber was an dieser Industriali- standes einen Tierschutzplan mit ganz konkreten Zielen sierung ist schlimm? Wollen wir etwa die Rückkehr zu erarbeitet hat. Das ist ein Fortschritt und das ist gut so. einer Landwirtschaft mit Schubkarre und Forke, Zum Thema Agrarstrukturen gehört auch, dass Acker- (Dr. Ursula Karlowski, preise sich in den letzten Jahren massiv nach oben ent- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh!) wickelt haben. Das haben meine Kollegen hier auch entsprechend ausgeführt. Richtig ist auch, dass die zu einer Landwirtschaft mit kleinen Betrieben, in denen BVVG zum Anstieg mit beigetragen hat. Sie ist es, davor Wochenende und Urlaub unrealisierbare Träume sind? möchte ich warnen, aber nicht allein, das müssen wir auch zur Kenntnis nehmen. (Zuruf von Minister Dr. Till Backhaus) (Minister Dr. Till Backhaus: Sehr richtig.) Wollen wir das wirklich? Ich will es nicht. All die Dinge, die hier von meinen Kollegen über Investo- (Minister Dr. Till Backhaus: ren gesagt worden sind, kann ich unterstreichen, das Ab September kann ich hier einen kann ich alles weglassen. Ich fürchte auch, dass die Tipp geben, dass wir das machen.) Kaufpreise am Ende so hoch sind, dass durch landwirt- schaftliche, durch nachhaltige landwirtschaftliche Produk- Das ist nicht mein Ziel, das ist nicht meine Vorstellung tion sich das Ganze nicht refinanziert. Das geht dann von unserer Landwirtschaft. zulasten des Bodens, das geht zulasten der Umwelt, das geht aber auch zulasten der örtlichen Bindung des Be- (Minister Dr. Till Backhaus: Ab triebes an die dörfliche Gemeinschaft, eine Entwicklung, September kann man das machen. – die wir nicht wollen. Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Zu Sachsen-Anhalt noch mal zurück: Kollege Tack hat hier die Studie der gemeinnützigen Landgesellschaften Ich frage mal: Wer glaubt denn ernsthaft, dass sich ge- erwähnt. Ja, auch das haben die als großen Hoffnungs- nügend junge Menschen in diesem Land finden, die schimmer gesehen. Und wir müssen zur Kenntnis neh- bereit sind, sich auf ein solches Leben einzulassen? Es men, dass die Sachsen-Anhaltiner – die ja Vorreiter sind, ist doch heute schon schwierig, für die Landwirtschaft um über diese Studie, über diesen dort aufgezeigten junge Leute zu begeistern. Weg zu einem Gesetz zu kommen – momentan das Gesetz wieder in die Schublade zurückgelegt haben, weil (Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ich rechtskonform dieser Weg offensichtlich nicht möglich ist. dachte, wir hätten das gleiche Ziel, Herr Krüger.) (Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ Das ist heute schon schwer. DIE GRÜNEN: Es geht nicht um Rechtskonformität, es geht um Meine Damen und Herren, das heißt nicht, dass meine Widerstand aus dem Bauernverband.) Fraktion nicht auch Entwicklungen in der Landwirtschaft kritisch sehen würde. Das heißt es überhaupt nicht. Ich Jetzt sagt Frau Dr. Karlowski, es geht nicht um Rechts- möchte nur davor warnen, Oberbegriffe zu definieren und konformität. Mir gehts sehr wohl um Rechtskonformität, dann die Landwirtschaft pauschal darunterzusetzen und zu verurteilen. (Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Das ist aber zurzeit nicht (Heiterkeit und Zuruf das Hindernis in Sachsen-Anhalt.) von Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) weil ich glaube,

So einfach ist das Leben eben nicht. (Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Was sieht meine Fraktion kritisch? Es gab und gibt zu Recht Diskussionen zum Tierschutz. Es kann nicht richtig wir können das Recht nicht außer Acht lassen. 112 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015

(Dr. Ursula Karlowski, Aber dient das jetzt alles nur dazu, dass Sie Ihre Position BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: gegenüber dem Landesbauernverband hier aufrecht- Sie verdrehen doch die Tatsachen.) erhalten, oder was?

Meine Damen und Herren, zu unseren Agrarstrukturen (Minister Dr. Till Backhaus: gäbe es sicherlich noch viel zu sagen und viel zu disku- Ach, das ist das Feindbild!) tieren. Ich würde zusammenfassend sagen, bei allen Problemen, die wir zweifellos haben, hat sich die Bran- Wohin führt das Ganze? Ist das wirklich Ihre einzige che dennoch gut entwickelt. Die Entwicklung wollen wir Klientel, an die Sie sich wenden? auch in Zukunft konstruktiv und kritisch begleiten. – Bes- ten Dank. (Minister Dr. Till Backhaus: Das ist das Feindbild!)

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD Sind Sie als Landesminister nur für den Landesbauern- und Wolfgang Waldmüller, CDU) verband da?

Vizepräsidentin Beate Schlupp: Ums Wort gebeten hat (Minister Dr. Till Backhaus: Das ist doch Quatsch.) noch einmal für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Abgeordnete Frau Dr. Karlowski. Also ich habe in den Inhalten doch ganz viele Übereinst- immungen gehört und bedauere wirklich, dass diese (Zuruf von Michael Andrejewski, NPD) Bühne des Parlaments,

Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: (Minister Dr. Till Backhaus: Werte Frau Präsidentin! Werte Damen und Herren! Ei- Habe ich doch auch gesagt.) gentlich hatte ich nicht vor, noch meine Erwiderungsrede hier zum Besten zu geben, aber das kann man nicht alles des Landtags, genutzt wird, um Personen anzugreifen, einfach so stehen lassen. anstatt die Debatte sachlich zu führen. Ich glaube, Sie kneifen irgendwie vor der Debatte mit der Opposition. Und zwar wende ich mich vor allen anderen an Minister Wenn Sie das auf die persönliche Ebene verschieben, Backhaus. Ich musste heute erneut feststellen, er hat es dann weichen Sie ja automatisch der Sachdebatte aus. offensichtlich nötig, eine gewählte MdLerin, und zwar mich, zu diffamieren. (Minister Dr. Till Backhaus: Niemals. – Zurufe von Jochen Schulte, SPD, (Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD: MdLerin!) und Peter Ritter, DIE LINKE)

Ich frage mich wirklich: Warum, Herr Minister, warum Ich denke, heute war wirklich die Chance für jeden Wähler haben Sie das nötig? Sind Ihnen grüne Abgeordnete und jede Wählerin im Land, sich ein deutliches Bild davon irgendwie unheimlich? zu machen, wer in welcher Partei sich zu dem Thema Landgrabbing wie positioniert, und das können wir gerne (Minister Dr. Till Backhaus: Nein. für den Wahlkampf weiter nutzen. Diese Informationen Das habe ich doch gar nicht gemacht.) werden wir auswerten, und dann haben wir ja auch schon das Ziel erreicht. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Haben Sie so viel Angst vor grünen Abgeordneten? (Beifall vonseiten der Fraktion (Unruhe vonseiten der Fraktion der SPD – BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von Michael Andrejewski, NPD) Minister Dr. Till Backhaus: Frau Karlowski, ich habe Sie doch gar nicht angegriffen. – Warum nehmen Sie nicht die sachlich dargestellten As- Zuruf von Udo Pastörs, NPD) pekte meiner Rede und positionieren sich dazu? Sie haben offensichtlich eine vorformulierte Rede gehabt und Vizepräsidentin Beate Schlupp: Weitere Wortmeldun- haben das irgendwie reflexartig mit den immer gleichen gen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Gegenargumenten, Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 17: Beratung des (Minister Dr. Till Backhaus: Antrages der Fraktion der NPD – Die Schließung der Das mache ich nie.) Anklamer Kinderklinik verhindern!, Drucksache 6/4541. die wir hier schon x-mal gehört haben in Ihren früheren Antrag der Fraktion der NPD Reden, aufgegriffen. Die Schließung der Anklamer Kinderklinik verhindern! (Minister Dr. Till Backhaus: Das mache – Drucksache 6/4541 – ich nie. Das sollten Sie eigentlich wissen.) Das Wort zur Begründung hat für die Fraktion der NPD Renate Künast muss immer wieder herhalten. Ich weiß der Abgeordnete Herr Andrejewski. nicht, ob Sie das teilen, also ich warte schon fast auf die Sekunde, wo dann wieder Renate Künast kommt. Es ist Michael Andrejewski, NPD: Frau Präsidentin! Meine auch langsam … Damen und Herren! Wir haben diesen Dringlichkeitsan- trag aus der vorigen Landtagssitzung auf der Tagesord- (Zuruf von Thomas Krüger, SPD) nung belassen, weil die entscheidenden Verhandlungen und Gespräche ja noch bevorstehen, wie versprochen Meine Güte! Gut. wurde. Ende Oktober sollen sie stattfinden. Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 113

Aber warum überhaupt Verhandlungen? Was ist das für Mit einer Begründung auf diesem Niveau hat die Univer- ein Staat, der eine Kernaufgabe, nämlich die Gesundheits- sitätsmedizin beim Sozialministerium den Antrag gestellt, vorsorge, nicht selber in die Hand nimmt und in Eigenregie die Kinderstation schließen zu dürfen. Anstatt diesen betreibt, sondern der sich mit irgendwelchen Kapitalisten, Herrschaften den Antrag sofort um die Ohren zu hauen, in diesem Fall der Universitätsmedizin Greifswald und der natürlich nur verbal, gestattete das Sozialministerium mit AMEOS Klinikgesellschaft, an einen Tisch setzt, um von Wirkung ab 1. Oktober eine vorläufige Schließung, nach- denen zu erbetteln, dass sie gnädigerweise ihren Versor- dem schon mehrfach kurzzeitige Schließungen gewesen gungsauftrag für die Kinder im Raum Anklam erfüllen waren. Jetzt wird verhandelt und schon das kann nicht mögen? sein. Ein halbwegs brauchbarer Staat würde der Uni- medizin Greifswald einfach befehlen, gefälligst ihren Es gibt einen Landeskrankenhausplan, da steht unter Versorgungsauftrag zu erfüllen, und ihr mit schwersten anderem drin: „Eine leistungsfähige Infrastruktur, zu der Konsequenzen drohen. auch eine flächendeckende und leistungsfähige“ Kranken- hausversorgung „gehört, ist für die Weiterentwicklung des (Beifall vonseiten der Fraktion der NPD) ländlichen Raums unverzichtbar.“ Schöne Worte! Es ist auch im Landeskrankenhausplan festgelegt, wer in wel- Ich bin zwar kein Feind – kein Freund, kein Freund der cher Region für die Gesundheitsversorgung zuständig ist. USA, Das ist für die Region Anklam die Universitätsmedizin Greifswald, sie hat die Kinderstation für die AMEOS Kran- (Julian Barlen, SPD: kenhausgesellschaft zu betreiben. Kein Feind der USA, genau.)

Doch wie üblich in der BRD gibt es auch im Landeskran- kein Freund der USA, Feind auch nicht so richtig, dazu kenhausplan Schlupflöcher, die ganz zufällig gewissen bin ich zu klein, um ein Feind für die zu sein, Sie auch –, Interessengruppen nützen. Ausnahmen sind vorgesehen. kein Freund der USA, aber wie die mit VW umgesprun- Der Verantwortliche kann von seiner Verpflichtung ent- gen sind, war genau richtig. So geht man mit Konzernen bunden werden, wenn er nachweisen kann, dass die um, wenn sie dem Gemeinwohl nicht dienen. Und so Auslastung der von ihm zur Verfügung gestellten Kapazi- müsste man auch mit der Unimedizin Greifswald um- täten zu gering sei. springen.

So argumentiert jetzt die Universitätsmedizin Greifswald. (Heiterkeit bei Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Ihr Geschäftsführer besaß während einer Sitzung des Mit deutschen Automobilbauern!) Sozialausschusses des Landkreises Vorpommern-Greifs- wald die Frechheit, dafür den Bürgern Anklams die Schuld Bei solchen Leuten hilft nur Druck, ein internationaler, der zu geben. Diese, so sagte er sinngemäß, würden ihre deutsche Wurzeln schon längst vergessen und verloren Kinder zu oft gleich nach Wolgast oder Greifswald zur hat. Das ist alles das Gleiche. Behandlung schicken. Deshalb blieben viele Kranken- hausbetten in Anklam leer, also die Anklamer sind schuld. Noch besser wäre es, das private Krankenhauswesen Das würde dazu führen, dass die mit den Kindern befass- zu beseitigen und eine Verstaatlichung durchzusetzen. ten Ärzte und Krankenschwestern nach und nach ihre Sollte die Universitätsmedizin mit ihrem Ansinnen durch- Fähigkeiten verlören. kommen, ist als Nächstes das Krankenhaus Wolgast dran. Auch da gibt es bereits Anzeichen für ein Interesse (Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD) der Universitätsmedizin, dieses Hospital zu schließen und die Patienten nach Greifswald zu ziehen. Da gibt es Mangels Routine wären sie nicht mehr in der Lage, die jede Menge merkwürdige Vorgänge, für die noch merk- Kinder fachgerecht zu behandeln, sie würden quasi ihre würdigere Begründungen geliefert werden vom Ge- Ausbildung vergessen – schäftsführer. Das dürfte von Anfang an auch der Plan gewesen sein, alles in Greifswald zu konzentrieren, weil (Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD) das eben den größten Nutzen und Profit bringt.

Amnesie, Alzheimer wegen mangelnder Auslastung. Deshalb hat die NPD als einzige Partei im Kreistag Ost- vorpommern im Jahre 2005 gegen den Verkauf des da- Deswegen, aus reiner Fürsorge und purem Idealismus und maligen Kreiskrankenhauses gestimmt, weil klar ist, was nur um das Wohl der Kinder besorgt, sehe sich die Universi- mit Privatisierungen passiert, dass es dann immer in tätsmedizin Greifswald gezwungen, unter Tränen die Kin- Richtung Ausschlachtung und Egoismus und Profit geht derstation zu schließen – so sinngemäß der Geschäftsfüh- und gegen das Gemeinwohl. rer. Das könnte auch Herr Schubert von der CDU, wenn er da wäre, bestätigen, dass sich dieser Herr so geäußert hat, Wie immer die sogenannten Verhandlungen auch aus- denn er hat die Sitzung des Sozialausschusses geleitet. gehen mögen, die NPD wird weiter gegen die Zerstörung der Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum kämp- Typisch BRD! Schäbigster Egoismus tarnt sich immer als fen, und das tun auch viele Menschen in Anklam und höchste Moral, anderswo.

(Udo Pastörs, NPD: Jaja.) (Beifall vonseiten der Fraktion der NPD) lauter Wohltäter der Menschheit, ob ADAC, VW, Deut- Vizepräsidentin Beate Schlupp: Im Ältestenrat ist ver- sche Bank oder Universitätsmedizin, alles Gutmenschen, einbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis aber immer mit vollem Geldbeutel. zu 120 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich (Udo Pastörs, NPD: Nur dann. So lange nur.) eröffne die Aussprache. 114 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015

Das Wort hat zunächst für die Fraktion der SPD der Ab- Meine Damen und Herren, das alles, also die kon- geordnete Herr Barlen. zentrierte und sehr ernsthafte Arbeit an einer solchen Vereinbarung für die Region, geschieht – und da kann Julian Barlen, SPD: Sehr geehrte Frau Präsidentin! ich, glaube ich, für alle Planungsbeteiligten sprechen – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie die NPD- aus Verantwortungsbewusstsein für unser Land Meck- Fraktion für den Erhalt von langfristig sicheren Ver- lenburg-Vorpommern und auch aus Verantwortungsbe- sorgungseinheiten insbesondere im ländlichen Raum wusstsein für die Versorgungsbedürfnisse der Bevölke- kämpft, das erleben wir beispielsweise in der Enquete- rung. Und deshalb danke ich an dieser Stelle auch allen, kommission „Älter werden in Mecklenburg-Vorpommern“ die sich dort wirklich um eine echte tragfähige Lösung tagtäglich. bemühen.

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD – (David Petereit, NPD: Tragfähige Lösung?) Michael Andrejewski, NPD: Das ist ja hier kein Kampfplatz. – Und das möchte ich aus aktuellem Anlass auch noch mal Zuruf von David Petereit, NPD) deutlich machen:

Da kommt nämlich gar nichts. (Zuruf von David Petereit, NPD)

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD) Diese Prozesse,

Sie kämpfen ausschließlich, wie immer, wenn Sie ir- (Stefan Köster, NPD: Sie sind gendwo ein Rednerpult und ein Mikrofon sehen. Dort die Totengräber des Landes.) bringen Sie dann entsprechend scharfe Forderungen vor, aber in der Substanz sehen wir von Ihnen gar nichts. diese Prozesse geschehen ohne jegliches Zutun der NPD.

(Udo Pastörs, NPD: Gut, (Zuruf aus dem Plenum: Genau.) dass es Sie gibt, Herr Barlen.) Anstatt diejenigen nämlich zu unterstützen, die sich aktu- Und das bemängele ich mal wieder wie alle anderen ell im Interesse der Bürgerinnen und Bürger für eine gute demokratischen Abgeordneten an dieser Stelle auch. Lösung einsetzen, haben Sie sich hier mal wieder auf Ihrem Spezialgebiet ausgetobt, einfach eine simple For- (Udo Pastörs, NPD: Gut, dass es Sie gibt.) derung aufstellen, das muss man so lösen wie Amerika mit Großkonzernen und irgendwie diktatorisch sicherstel- Ich möchte aber, weil uns das Thema so am Herzen len … liegt, natürlich auch heute das hier noch mal auf die sachliche Ebene zurückholen. (Udo Pastörs, NPD: Lösen mit Groß- konzernen? Da hat er gar nichts von gesagt.) (Stefan Köster, NPD: Dafür sind Sie ja berühmt, Herr Barlen.) Haben Sie Ihrem eigenen Kollegen gerade nicht zuge- hört, ne? Bekanntlich ist es ja so, dass die Beteiligten der Kran- kenhausplanung, (Zurufe von Heinz Müller, SPD, und Udo Pastörs, NPD) (Zuruf von Stefan Köster, NPD) Anstelle dessen erwarte ich von einer Fraktion hier im also vor allem die Krankenhäuser, die Kassen, die Kom- Landtag, die für eine, sagen wir mal, Aufgabe auch ent- munen, die Ärzte und selbstverständlich auch die Lan- sprechend ausgestattet wird, dass sie sich der eigentlichen desregierung aktuell, aber auch in den vergangenen Aufgabe einer politischen Fraktion stellt, nämlich jenseits Wochen und Monaten sehr intensiv und sehr verantwor- von simplen Forderungen auch mal die Lösungsansätze tungsbewusst an einer langfristig funktionierenden Per- langfristig im Detail in den Blick zu nehmen. spektive für die stationäre kinder- und jugendärztliche Versorgung in der Region im Dreieck Wolgast, Anklam (Martina Tegtmeier, SPD: Das und Greifswald arbeiten. Gerade am gestrigen Tage ist ein bisschen zu viel verlangt.) haben die Planungsbeteiligten erneut beraten. In der nächsten Woche wird es einen weiteren Gesprächster- Und dabei verkennt und, schlimmer noch in meinen Au- min geben. Und diese Verhandlungen verlaufen erfreuli- gen, ignoriert die NPD auch beim Thema der medizini- cherweise sehr produktiv. Ich rechne für Anfang Novem- schen Versorgung bewusst die tatsächlichen Anforde- ber mit einer spruchreifen Lösung, die unserem Ziel und rungen an eine zuverlässige und am Wohl der Bevölke- unserem Anspruch gerecht wird, gute medizinische Ver- rung orientierte Landespolitik. sorgung in Anklam und Wolgast zu erhalten und durch eine sinnvolle Arbeitsteilung jeweils zu stärken. (Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

(David Petereit, NPD: Meine Damen und Herren, eine langfristig tragfähige Also wird doch geschlossen.) Vereinbarung für die Region Anklam/Wolgast/Greifswald, die wird nämlich nicht gelingen, weil die NPD-Fraktion Und damit ist der NPD-Antrag zunächst einmal hinfällig. das fordert, sondern die wird gelingen, weil sich alle Planungsbeteiligten konstruktiv und mit einem gemein- (Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD – samen Ziel vor Augen um eine solche Regelung bemü- Zuruf von Tino Müller, NPD) hen. Und Schuldzuweisungen, eigennütziges Schlecht- Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 115 reden von Versorgungsstandorten, wie Sie das übrigens (Michael Andrejewski, NPD: implizit tun, Das müsste dann auch Arbeit sein.)

(Zuruf von David Petereit, NPD) Das passt also nicht zusammen. Das müssen wir an der Stelle einfach mal feststellen. Besserwisserei und pauschale Abrechnungen mit einem System, was nicht, (Udo Pastörs, NPD: Das habe ich bei der Anhörung gesehen. Sie waren nach (Udo Pastörs, NPD: Kommen einer halben Stunde verschwunden.) Sie mal auf den Punkt!) Zweites Stichwort. was also nicht entsprechend handelt, (Stefan Köster, NPD: Sie fehlen doch (Stefan Köster, NPD: in jeder zweiten Sitzung, Herr Barlen.) Das ist eine Katastrophe für das Land. – Udo Pastörs, NPD: Ja, ich glaube, Sie wissen schon, dass wir mit sehr zahl- Das ist Gewäsch, was Sie jetzt machen.) reichen Abgeordneten in dieser Enquetekommission ver- treten sind. das führt ganz gewiss nicht zu einer guten und koopera- tiven Lösung, die wir für unser Land (Stefan Köster, NPD: Schwätzer sind Sie. – Zuruf von Rainer Albrecht, SPD) (Udo Pastörs, NPD: Bla, bla, bla, bla!) Das heißt also, für unsere Fraktion gilt das mitnichten. und für die Patientinnen und Patienten, Wir stellen sogar den Vorsitz in dieser Enquetekommis- sion. (Zuruf von Stefan Köster, NPD) (Stefan Köster, NPD: Das ist aber mit einer wirklichen großen Ernsthaftigkeit immer noch keine Auszeichnung.)

(Zuruf von Tino Müller, NPD) Zweites Stichwort: Nutzerzahlen. Ich bin bekannterma- ßen zweifacher Vater und kann insofern bestens verste- auch für die Region anstreben und die wir dringend brau- hen, dass Eltern sich selbstverständlich überall und in chen. unmittelbarer Nähe wünschen, dass es entsprechende stationäre Versorgungsangebote gibt. Aber auch wenn (Udo Pastörs, NPD: Unterhalten ich diesen Wunsch verstehen kann, müssen wir eine Sie sich mit Herrn Dahlemann, Sache zur Kenntnis nehmen: Es waren des Öfteren und das kann sehr fruchtbar sein. – vor allen Dingen auch im langen Mittel oft sehr wenige Zuruf von Stefan Köster, NPD) Patientinnen und Patienten in einer stationären Behand- lung. Und ganz im Gegenteil haben sich einfach viele Ich glaube, die NPD betätigt sich immer wieder, das Eltern von Kindern und Jugendlichen individuell ent- merken wir auch gerade in der Debatte, als politischer schieden, ihrem Nachwuchs eine medizinische Versor- Quacksalber. gung an einem anderen Standort zu ermöglichen. Das nennt man „mit den Füßen abstimmen“. (Zuruf von Stefan Köster, NPD) (Zuruf von Michael Andrejewski, NPD) Sie müssten nämlich zunächst mal auch in Ihrer Traum- welt anerkennen, dass der langfristige Bestand von An- Und das hat bekannte Folgen. Das hat nichts damit zu kern der medizinischen und pflegerischen Versorgung in tun, wer schuld ist oder nicht schuld ist, das ist einfach der Fläche in der Realität maßgeblich von zwei Faktoren ein Fakt, den man anerkennen muss, wenn man darüber abhängt: redet, wie eine Versorgungssystematik in einer Region aufzustellen ist. (David Petereit, NPD: Na?) Und darüber hinaus, selbst mal angenommen – was dem Vorhandensein von medizinischen Fachkräften und nicht so ist –, aber mal angenommen, die Belegung hätte von Patientinnen und Patienten, die versorgt werden langfristig keinerlei Bedeutung auch für die wirtschaftliche müssen. So, und genau diese beiden Faktoren sind übri- Darstellbarkeit einer Versorgung in einem System, was gens in unserem Bundesland nicht nur in der Gegend begrenzte Ressourcen hat, ausreichend Fachkräfte und rund um Anklam eine ernsthafte Herausforderung, ausreichend Nachwuchs lassen sich unter solchen Rah- menbedingungen auch durch staatlichen Zwang und (Zuruf von Stefan Köster, NPD) Anordnung kaum anwerben und halten. Bei den medizi- nischen Fachkräften, bei gut ausgebildeten Menschen im der sich die Planungsbeteiligten, und das ist auch denen ärztlichen, im pflegerischen Bereich handelt es sich um bewusst, sehr verantwortlich stellen müssen und auch freie Menschen, die für sich individuell entscheiden, wo stellen. Alle unsere Beratungen, auch hier im parlamen- sie arbeiten möchten. Und die wollen auch als Pflegeper- tarischen Raum in der Enquetekommission, sprechen sonal, aber auch als Ärzte selbstverständlich dort arbei- genau diese Sprache. An diesen Beratungen beteiligt ten, wo sie entsprechend eine gewisse Mindestmenge sich die NPD-Fraktion – wahrscheinlich aus Arbeits- scheu, ich kann mir das anders nicht erklären – in der (Udo Pastörs, NPD: Dann Enquetekommission weitgehend nicht. lassen sie die Patienten im Stich.) 116 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 und auch eine gewisse Mischung an Fällen haben, um (Martina Tegtmeier, SPD: Hier zählt auch ihre Fachlichkeit zu erhalten und ihre fachliche Reputati- nicht, was Herr Andrejewski da erzählt.) on zu erhalten. Das ist selbstverständlich so. Wenn Sie das abstreiten, dann haben Sie einfach keine Ahnung, Und der Druck der Straße ist das Einzige, wie es sich in diesem Personalbereich in Wirklichkeit verhält. (Julian Barlen, SPD: Sie sollten Ihre Rede abbrechen jetzt. – (Udo Pastörs, NPD: Martina Tegtmeier, SPD: Genau.) Sie reden ziemlich wirr daher.) ist das Einzige, Ohne eine echte Perspektive – (Julian Barlen, SPD: Gleich rausgehen.) (Stefan Köster, NPD: Der quatscht so einen Unfug, der Typ!) was Ihre komischen Verhandlungstypen überhaupt noch beeindrucken kann. und ich meine mit einer echten Perspektive nicht das, was hier die NPD-Fraktion vorhin vorgetragen hat –, (Beifall vonseiten der Fraktion der NPD – ohne eine solche wirklich abgestimmte Lösung wird es Zuruf von Martina Tegtmeier, SPD) langfristig, und das gilt nicht nur für diese Region, an Versorgungsstandorten einen Mangel an Personal und Vor einer Woche war in Anklam eine Demonstration, eine dadurch auch ganz logischerweise einen Mangel an asylkritische Demonstration, wo die Asylkritiker wesent- Versorgung geben. Das ist eine sehr einfache Rechnung. lich zahlreicher waren als Ihre komische Truppe, selbst Ich bin deshalb sehr dankbar dafür, dass die Landesre- wenn man mal die „Nordkurier“-Version nimmt. „Nord- gierung, aber auch die an der Versorgung Beteiligten kurier“-Version geht so: Man zieht von den Asylkritikern diese Zeichen der Zeit für bestimmte Regionen sehr wohl immer 100 ab und verdoppelt immer die Linken. Auf erkannt haben und dementsprechend an echten Lösun- diese Weise kam man dann zu 360 zu 100. Und diese gen dafür arbeiten. Das wollen wir hier an dieser Stelle Menschen haben nicht nur demonstriert und protestiert ganz explizit anerkennen. gegen mögliche neue Asylantenheime, sondern auch dagegen, dass, während neue Asylantenheime geplant Insofern, meine Damen und Herren, tun wir gut daran, sind, sogar im alten famila-Markt, trotzdem ständig etwas uns hier nicht mit Heilsversprechungen aufzuhalten, abgebaut wird in Anklam – Kreisverwaltung, Gericht und sondern weiter an solchen Versorgungsstrukturen zu auch besonders die Kinderstation. Diese Leute verlan- arbeiten. Die Enquetekommission habe ich jetzt mehr- gen, dass die Kinderstation bleibt. Und denen können Sie fach erwähnt. Wir werden dort beispielsweise als eine mit solchen wohltemperierten Erklärungen nicht kommen: Maßnahme regionale bevölkerungsbezogene und vor allem sektorenübergreifende Modelle empfehlen. Und (Beifall vonseiten der Fraktion der NPD) gleichfalls möchte ich in diesem Zusammenhang die konzertierte Aktion des Sozialministeriums und die Mo- Ja, da gibt es Verhandlungen, das ist alles so furchtbar dellregion Vorpommern-Greifswald erwähnen. Auch dort komplex und dann müssen Sie erst mal 30 Semester geht es um die pragmatische gemeinschaftliche Siche- oder in meinem Fall 88 Semester studiert haben, damit rung der medizinischen und pflegerischen Versorgung. Sie das alles begreifen.

(Zuruf von Silke Gajek, (Julian Barlen, SPD: Ach, deshalb BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) haben Sie so lange studiert.)

Selbstredend. Und vertrauen, vertrauen Sie,

Meine Damen und Herren, ich glaube, ich habe ausge- (Julian Barlen, SPD: Jetzt kommts raus.) führt, warum wir mit guten Argumenten den Antrag der NPD-Fraktion ablehnen werden. – Herzlichen Dank. vertrauen Sie den Fachleuten, vertrauen Sie denen, die den Durchblick haben, vertrauen Sie Herrn Bartelt, der (Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, Ihnen so überlegen ist, und Sie müssen erkennen, Sie DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) müssen verstehen …

Vizepräsidentin Beate Schlupp: Das Wort hat jetzt für (allgemeine Unruhe) die Fraktion der NPD der Abgeordnete Herr Andrejewski. Sie reden ja zu den Leuten wie zu kleinen Kindern! Michael Andrejewski, NPD: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Also mit solchen wohltemperierten (Dr. Hikmat Al-Sabty, DIE LINKE: Besserwisservorträgen werden Sie da, wo es zählt, kei- Der heißt Barlen.) nen Blumentopf gewinnen. Aber das sind eben nicht nur, wie Ihr Genosse Dender (Patrick Dahlemann, SPD: behauptet, irgendwelche zusammengescharrten Rechten Sie aber auch nicht.) gewesen,

Und es zählt nicht in dieser komischen Schwafelenquete- (Zuruf von Patrick Dahlemann, SPD) kommission, es zählt auch nicht in irgendwelchen Aus- schüssen und schon gar nicht in irgendwelchen Verhand- sondern das waren – und das werden Ihnen die Bot- lungsrunden, sondern auf der Straße. schafter des Friedens bestätigen, die Herr Caffier sicher- Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 117 lich in der Nähe hatte – erstmals ganz normale Bürger, Wolgast oder Greifswald, das wird man irgendwie toll die noch nie vorher an einer Demonstration teilgenom- benennen und wird versuchen, den Leuten unterzuju- men hatten, ganz unpolitische Bürger, die das einfach beln, dass das jetzt die Modernisierung sei. Das ist das satthaben, Wahrscheinlichste, es sei denn, Sie haben so viel Angst, dass Sie jetzt schon zur Kinderstation zurückkehren und (Zuruf von Patrick Dahlemann, SPD) sie wieder errichten. Das glaube ich aber nicht. Sie den- ken wahrscheinlich vor dem Volk, dass Sie das einfach dass man Asylantenheime errichtet, während Kindersta- durchziehen, tionen dichtgemacht werden. Das hat in, (Zuruf von Patrick Dahlemann, SPD) (Bernd Schubert, CDU: Das stimmt doch gar nicht.) und hoffen, dass es genauso läuft wie mit dem Amtsge- richt und wie mit der Kreisverwaltung. Die Leute regen es hat, es hat in … sich eine Weile auf, dann regen sie sich wieder ab und dann geht man einfach weiter. Eins geht nach dem ande- Natürlich stimmt das. Waren Sie da? Ich habe Sie nicht ren, bis man den ländlichen Raum total totgemacht hat. gesehen. Wir werden sehen. Ich jedenfalls verspreche mir von diesen komischen Verhandlungen nicht allzu viel. Und (Patrick Dahlemann, SPD: die Straße wird ihren Druck schon noch verstärken. Sie waren da.) Was Ihre Vorwürfe hier angeht, die müssen Sie den Und natürlich, es gab zusätzlich noch eine Unterschrif- LINKEN aber genauso machen. Nachdem wir einen tenaktion in Anklam, das heißt, die Anklamer Bevölke- Dringlichkeitsantrag hier gestellt haben, hat DIE LINKE rung in ihrer überwiegenden Mehrheit verlangt, dass im Kreistag Vorpommern-Greifswald einen ganz ähnli- diese Kinderstation bleibt. chen Antrag gestellt, Inhalt geht so ziemlich mit unserem gleich, und wir haben jetzt noch einmal unseren Dring- (allgemeine Unruhe) lichkeitsantrag hier wiederholt. Dann haben wir eben hier zwei Gruppen von ahnungslosen, verantwortungslosen Wenn das nicht geschieht, dann wird es eben größere Subjekten, nicht nur wir, sondern die LINKEN. Es ist ja Demonstrationen geben und die Leute werden sich auch auch schön, dass wir mal nicht alleine sind in der SPD- nicht mehr abschrecken lassen davon: Geht bloß nicht Kritik. Und deswegen beantrage ich auch namentliche mit den Rechten! Dann werden sie eben mit den Rechten Abstimmung, damit die LINKEN auch die Möglichkeit demonstrieren. Ich kann es nur noch mal unterstreichen: haben, ihren Genossen im Kreistag Vorpommern-Greifs- wald zu widersprechen. (Zuruf von Patrick Dahlemann, SPD) (Torsten Renz, CDU: Sie sind zahlenmäßig so weit unterlegen gewesen, dass Das können Sie abkürzen. – ich mich schon wundere, wie Sie behaupten können, das Peter Ritter, DIE LINKE: Kannst’ vergessen!) Volk steht noch hinter Ihnen. Vielen Dank. (Beifall vonseiten der Fraktion der NPD – Zuruf von Katharina Feike, SPD) (Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

Das ist das Einzige, was auf diese Verhandlungen über- Vizepräsidentin Beate Schlupp: Weitere Wortmeldun- haupt noch Einfluss nehmen kann, dass Sie sehen, dass gen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache. die Bevölkerung sich langsam wehrt, dass Sie Angst haben, dass die Bevölkerung zu den Rechten geht. Die Fraktion der NPD hat gemäß Paragraf 91 Absatz 1 unserer Geschäftsordnung zum Antrag der Fraktion der (Zuruf von Martina Tegtmeier, SPD) NPD auf Drucksache 6/4541 eine namentliche Abstim- mung beantragt. Und das wirkt hinein in diese Verhandlungen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir beginnen (Zuruf von Patrick Dahlemann, SPD) nun mit der Abstimmung. Ich bitte Sie, sich zu Ihren Plät- zen zu begeben, damit vom Präsidium aus das Stimm- Falls das nicht wirkt, dann wirkt gar nichts. verhalten eines jeden Mitglieds des Landtages zu erken- nen ist. Darüber hinaus bitte ich alle im Saal Anwesen- (Zuruf von Martina Tegtmeier, SPD) den, während des Abstimmungsvorgangs von störenden Gesprächen Abstand zu nehmen. Ich bitte nunmehr den Was ich vermute, ist, dass man irgendwo eine Beruhi- Schriftführer, die Namen aufzurufen. gungspille ausspucken wird, irgend so eine Pseudolö- sung. Dann wird es wahrscheinlich so etwas geben, dass (Die namentliche Abstimmung man sagt, ja, die Kinderstation in ihrer alten Form ist wird durchgeführt.) nicht mehr zu halten, dafür gibt es eine neue Modernisie- rung, so eine Art Reform. Einen Moment jetzt mal! Ich hatte hier irgendwas vorge- lesen, was ich nicht vorlese, weil ich das so lustig finde, (Udo Pastörs, NPD: Reform ist gut.) sondern weil es ernst gemeint ist, dass hier von stören- den Gesprächen Abstand genommen wird. Ich bitte Die besteht darin, dass es dann so eine Art Kinderkrank- doch, während des Abstimmungsvorgangs auch darauf heitsmeldestation gibt, die die Leute weitervermittelt nach Rücksicht zu nehmen. 118 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015

Um das Ganze noch zu vervollständigen und da ich das ‚Raum des Rechts, der Sicherheit und der Freiheit‘. … Mikro gerade an mich herangezogen habe, möchte ich, Europa lebt nicht nur vom Euro; es lebt von seinen Wer- damit dem Protokoll Gerechtigkeit widerfährt, Herrn ten, von der Glaubens- und Gewissensfreiheit, der Frei- Gundlack noch mal aufrufen, damit er dann, wenn ich ihn heit der Person, der Gleichheit der Menschen vor dem aufgerufen habe, sein Abstimmungsergebnis bekannt Gesetz und der Freizügigkeit.“ geben kann. Also ich rufe auf: Gundlack, Tino. (Udo Pastörs, NPD: Weltweite Freizügigkeit!) (Zurufe aus dem Plenum: Tilo! Noch mal! – Die namentliche Abstimmung „Europa lebt davon, dass es die Menschenwürde wird fortgesetzt.) schützt.“

Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Es geht, sehr geehrte Damen und Herren, um Werte, die Stimme nicht abgegeben hat? gelebt werden. Es geht darum, dass diese Werte in ei- nem Zusammenhang stehen und ihre Grundlage haben (Die Abgeordneten Dr. Till Backhaus und in der jeweiligen Kunst und Kultur. Wenn es also jetzt so Sylvia Bretschneider werden nachträglich sehr auf Hilfe und Mitmenschlichkeit, auf Solidarität, auf zur Stimmabgabe aufgerufen.) friedliches und tolerantes Miteinander in einem demokra- tischen Gemeinwesen ankommt Wenn kein weiteres Mitglied des Hauses anwesend ist, das seine Stimme noch abgeben möchte, und das (Udo Pastörs, NPD: Mit voller Breitseite.) scheint nicht der Fall zu sein, dann schließe ich die Ab- stimmung. Ich bitte die Schriftführer, mit der Auszählung und all dies eben kulturell grundiert ist, wie sehr kommt zu beginnen, und unterbreche die Sitzung für zwei Minu- es da auf stabile, verlässliche, förderliche Rahmenbedin- ten. Die Sitzung ist unterbrochen. gungen für Kultur und Kunst an! Andersherum: Wie kön- nen Kultur und Kunst stabile Grundlagen für Werte wie Unterbrechung 19.45 Uhr Mitmenschlichkeit, Solidarität et cetera sein, wenn ihre ______Grundlagen selbst fragil sind?

Wiederbeginn: 19.47 Uhr Damit habe ich die aktuelle Dimension unseres Antrages umrissen, denn wer meint, mit diesem Antrag habe die Vizepräsidentin Beate Schlupp: Meine sehr geehrten Linksfraktion ein antiquiertes Gesetzbuch aus den hinte- Damen und Herren, ich eröffne die unterbrochene Sit- ren Regalreihen der Landtagsbibliothek geholt, irrt. Die zung und gebe das Abstimmungsergebnis bekannt. An Aufforderung an die Landesregierung, sie habe den Arti- der Abstimmung haben insgesamt 54 Abgeordnete teil- kel 35 des Vertrages zwischen der BRD und der DDR genommen. Mit Ja stimmten 5 Abgeordnete, mit Nein über die Herstellung der Einheit Deutschlands, also den stimmten 49 Abgeordnete. Damit ist der Antrag der Frak- Einigungsvertrag, im Rahmen ihrer Zuständigkeit vollum- tion der NPD auf Drucksache 6/4541 abgelehnt. fänglich umzusetzen, ist so hochbrisant wie aktuell.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 18: Beratung des Was besagt nun dieser Artikel 35? Zunächst einmal stellt Antrages der Fraktion DIE LINKE – Artikel 35 des Eini- er fest, dass trotz unterschiedlicher Entwicklung beider gungsvertrages umsetzen, Drucksache 6/4582. deutscher Staaten Kunst und Kultur einen eigenständi- gen und unverzichtbaren Beitrag zur Wahrung der Identi- Antrag der Fraktion DIE LINKE tät und auf dem Weg zur europäischen Einigung geleistet Artikel 35 des Einigungsvertrages umsetzen haben – eine bemerkenswerte Feststellung, wie ich finde. – Drucksache 6/4582 – Wörtlich heißt es: „Stellung und Ansehen eines vereinten Deutschlands in der Welt hängen außer von seinem Das Wort zur Begründung hat für die Fraktion DIE LINKE politischen Gewicht und seiner wirtschaftlichen Leis- der Abgeordnete Herr Koplin. tungskraft ebenso von seiner Bedeutung als Kulturstaat ab.“ Folglich heißt es: „Die kulturelle Substanz in dem in Torsten Koplin, DIE LINKE: Frau Präsidentin! Sehr Artikel 3 genannten Gebiet“, also der ehemaligen DDR, geehrte Damen und Herren! Der Einigungsvertrag vom „darf keinen Schaden nehmen.“ Darauf folgend wird 31. Oktober 1990 ist ein historisches Dokument festgehalten: „Die Erfüllung der kulturellen Aufgaben einschließlich ihrer Finanzierung ist zu sichern, wobei (Torsten Renz, CDU: Habt ihr zugestimmt?) Schutz und Förderung von Kultur und Kunst den neuen Ländern und Kommunen entsprechend der Zuständig- und es ist ein geltendes Gesetz. In Zeiten, die wir jetzt keitsverteilung des Grundgesetzes obliegen.“ gerade erleben und mitgestalten, von besonderer Dyna- mik, gesellschaftlicher Veränderung, spielt dieses Gesetz Aus diesem Gesetzesauftrag – und es handelt sich um auch eine besondere Rolle. geltendes Recht, wie ich sagte – leiten sich mit Blick auf Kunst und Kultur der DDR drei Maßgaben ab: Das ist Ich möchte ganz kurz Heribert Prantl in der „Süddeut- zum einen Substanzerhalt, zum anderen die Verbesse- schen Zeitung“ zitieren. rung der Infrastruktur und Denkmalschutz.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD) (Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

Am 6. September schreibt er angesichts aktueller Her- Herr Reinhardt, ich verweise deshalb darauf, weil die ausforderungen: „Jetzt muss sich zeigen, was die euro- Bundesregierung unter Helmut Kohl genau diese drei päischen Grundwerte wirklich wert sind. Jetzt muss sich markanten Punkte in der Bundestagsdrucksache 12/4411 zeigen, was es wirklich auf sich hat mit dem Motto vom noch mal ausdrücklich benannt hat. Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 119

Substanzerhalt umfasst geschaffene Kunstwerke wie hier auch umgetrieben hat. Uns wurde seinerzeit gesagt, Bilder, Skulpturen, wertvolle Bücher, Filme, Werke der das wird eine Stelle, die gekoppelt – wir hatten etwas Medienkunst, aber auch ganze Bestände der Archive, anderes vor –, gekoppelt werden sollte, Hochschule Bibliotheken, Museen, von Ausstellungshäusern und öf- Neubrandenburg an eine solche fachliche Stelle. Wer fentlichen Sammlungen. Zur kulturellen Infrastruktur zählt sich dafür interessiert, muss feststellen, dass es zwar die Gesamtheit und Vernetzung von Kulturproduktion und nach einiger Verzögerung seitens der Hochschule Neu- Kulturpräsentation, also real Gebautes ebenso wie Struk- brandenburg seit April mittlerweile eine Offerte gibt, aber turen und wie freie Räume für Begegnung und Kommuni- der staatliche Gartenkonservator, gekoppelt an die Pro- kation. Beim Denkmalschutz wiederum geht es um kultur- fessorenstelle, ist bis heute keine Realität. historisch wertvolle Gebäude und Anlagen, seien sie eben- erdig oder unter Wasser, seien sie einzeln stehend oder Die Landesregierung hat allerlei Flausen, jedoch keine Ensembles wie etwa Schlösser, Parks und Gutsanlagen. Strategie.

Sehr geehrte Damen und Herren, die Linksfraktion ver- (Zuruf von Dr. Hikmat Al-Sabty, DIE LINKE) kennt nicht die ... Dafür hat sie jede Menge Kaninchen. (Zuruf von Egbert Liskow, CDU) (Heinz Müller, SPD: Hoffentlich Herr Liskow! nicht in Massentierhaltung!)

(Zuruf von Marc Reinhardt, CDU) Die holt sie je nach Belieben, abhängig von Umfragewer- ten oder dem Zeitpunkt der nächsten Wahl, geschwind Die Linksfraktion verkennt nicht die großartigen Zeugnisse aus dem Hut, so etwa geschehen bei der Vorlage des hiesiger Kunst und Kultur, die nach der politischen Zeiten- aktuellen Haushaltsentwurfs. Da brillierte der für Kultur wende im neuen Glanz erstrahlen, wie Schloss Bothmer, zuständige, aber leider häufig gegen die Kultur arbeiten- oder völlig neu entstanden sind, wie das Kulturquartier de Minister mit dem Kunststück, wie ich 2 Millionen Euro Neustrelitz. Gleichwohl sind wir zu der Erkenntnis gelangt, für Kulturprojekte hervorzaubere. Über Jahre die Kultur- dass die Landesregierung den Artikel 35 des Einigungs- szene finanziell auszutrocknen und sich dann zehn Mo- vertrags in seiner Umfänglichkeit missachtet und durch nate vor der Wahl für Mittel, über die man tatsächlich einen Beschluss des Landtags zu seiner Einhaltung ver- nicht zu entscheiden hat, denn dies ist das Vorrecht des pflichtet werden muss. Landtages, feiern zu lassen, zeugt von einem sonderba- ren Demokratieverständnis. In Fragen des Substanzerhalts ignoriert die Landesregie- rung Appelle ausgewiesener Fachleute zur Notwendig- Womit wir beim Geld wären. Im Artikel 35 des Einigungs- keit des Schutzes und der Sicherung historisch wertvoller vertrages heißt es, ich wiederhole es, die „Finanzierung ist Archivbestände. Ein entsprechendes Gutachten, unter- zu sichern“. Unter Verantwortung dieser Landesregierung setzt mit sachlich begründeten Arbeitsschritten und be- ist die Finanzierung kultureller Belange für die öffentliche scheidenen Mittelanforderungen, wird geradezu in den Hand von umgerechnet – damals noch in D-Mark, ich Wind geblasen. Der verrottete Einbaum steht wie ein rechne jetzt mal in Euro – 117,82 Euro im Jahr 1992 auf Menetekel. Mit ihm hat Mecklenburg-Vorpommerns Kul- 103,41 Euro in 2012 und 96,99 Euro in 2013 gesunken, turpolitik Scham und Schande auf sich geladen. Die nachprüfbar, wenn man sich die Daten des Statistischen Digitalisierung von Kulturgütern fristet ein Schattenda- Landesamts anschaut. sein. Eine nicht nennenswerte Erhöhung der Mittel für den kommenden Doppelhaushalt des Landes reicht ver- Diese Landesregierung verantwortet den höchsten mutlich gerade einmal für einen, zwei oder drei Filme. Kommunalisierungsgrad der Kulturausgaben der Bun- Eine Initiative, die sich verdient macht um die Bewahrung desrepublik. Das ist ein Armutszeugnis, kein Gütesie- alter deutscher Schriften, muss geradezu betteln gehen, gel. Der Kommunalisierungsgrad der Kulturausgaben um Kultur zu schützen. Sagen Sie mir, was ist das für ein bezeichnet nämlich den Anteil, den die Gemeinden zum Verständnis von Kulturpolitik, bei dem die, die sich für die Gesamtvolumen der öffentlichen Kulturausgaben bei- historisch wertvollen Güter unseres Landes engagieren, tragen. Er betrug im Jahre 2000 40 Prozent, in 2010 wie Bittsteller daherkommen müssen?! waren es schon stolze 48,1 Prozent und im Jahr 2012, dem jüngsten statistisch erfassten Jahr, waren es laut Sehr geehrte Damen und Herren, nun zum Gebot des Kulturfinanzbericht 57,4 Prozent. Das entspricht einer Erhalts und der Verbesserung der kulturellen Infrastruk- Steigerungsrate von 43,5 Prozent von 2000 auf 2012. tur. Aus ehemals sechs sind vier, sollen bald drei oder Kein Land hat eine höhere Steigerungsrate. Anders zwei, man weiß es nicht, Orchester werden. Allein in den gesagt: Kein Land wälzt die finanziellen Lasten der letzten Jahren wurden über 500 Künstlerinnen und Kulturförderung in größerem Umfang auf die kommuna- Künstler aus den Theatern und Orchestern des Landes in le Ebene ab als Mecklenburg-Vorpommern. Was für die Wüste geschickt. Ist Ihnen eigentlich bewusst, dass eine Glanztat! etablierte Theater und Orchester Ankerpunkte kultureller Infrastruktur sind, dass sie maßgeblich Strahlkraft und Sehr geehrte Damen und Herren, über Geld rede ich die Qualität künstlerischen Schaffens ihrer Region be- ganz gern auch noch mal in der Aussprache. Ihnen stimmen? Sie haben eine strukturelle Bedeutung für möchte ich nur das letztlich Entscheidende zur Abstim- kulturelle Einrichtungen und für Projekte, wie etwa AIDA mung über diesen Antrag vortragen: Sie entscheiden mit Cruises, Nordex, Scandlines oder die Unimedizin Ihrem Votum darüber, ob unsere Landesregierung auf Rostock für die tradierte Wirtschaft. geltendes Recht verpflichtet wird oder ob es zur Beliebig- keit verkommt. Stimmen Sie zu, stellen Sie rechtsstaatli- Und Denkmalschutz? Denkmalschutz – staatlicher Gar- chen Regeln Gültigkeit und der Demokratie einen Beweis tenkonservator fällt mir da ein. Das ist etwas, was uns aus. 120 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015

(Torsten Renz, CDU: Du kannst legung. Und indem Sie der Landesregierung tendenziell doch das Ergebnis nicht schon jetzt einen Rechtsbruch vorwerfen, denn immerhin heißt es in feststellen, nach der Einbringung.) der Begründung Ihres Antrages, es gebe „hinreichend Anlass“, die Umsetzung dieses Einigungsvertrages ein- Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. zufordern, indem Sie das für sich in Anspruch nehmen, nehmen Sie zugleich für sich in Anspruch, darüber zu (Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE) befinden, was Rechtsbruch ist und was nicht.

Vizepräsidentin Beate Schlupp: Im Ältestenrat ist ver- (Vizepräsidentin Regine Lück einbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis übernimmt den Vorsitz.) zu 90 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu kei- nen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröff- Es kann kein, dass ich etwas nicht verstanden habe. ne die Aussprache. (Udo Pastörs, NPD: Glaube ich nicht.) Ums Wort gebeten hat zunächst der Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur Herr Brodkorb. Aber seit 25 Jahren, Herr Koplin, ist es nicht mehr so, dass eine Partei oder einzelne Abgeordnete entscheiden, Minister Mathias Brodkorb: Sehr geehrte Frau Präsi- was ein Rechtsbruch ist oder nicht, sondern dafür gibt es dentin! Meine Damen und Herren! Wie Sie der Tages- unabhängige Institute. ordnung zur heutigen oder jetzigen Debatte entnehmen können, hatte ich beabsichtigt, eine 30-minütige Grund- (Henning Foerster, DIE LINKE: satzrede zu halten. Äußern Sie sich doch mal zur Sache!)

(Torsten Renz, CDU: Regierungserklärung!) Und deswegen, Herr Koplin, wäre es hier etwas völlig anderes gewesen, aus meiner Sicht, wenn Sie gesagt Ich habe das deshalb beabsichtigt, hätten: Herr Brodkorb, die Landesregierung, wer auch immer, hat einen unzureichenden Begriff von der kulturel- (allgemeine Unruhe – Heinz Müller, SPD: len Substanz, um die es hier im Einigungsvertrag geht, Darf es ein bisschen mehr sein?) man muss das anders sehen, da gibt es eine fachlich falsche Perspektive. Aber das haben Sie nicht gemacht. ich habe das deshalb beabsichtigt, weil ich unterstellt Sie billigen ja nicht mal zu, dass man unterschiedlicher habe, dass der Abgeordnete Koplin hier eine gewaltige Auffassung sein kann, was eigentlich zur kulturellen Rede vorträgt, die mich zu einer umfänglichen Erwiderung Substanz Deutschlands gehört. Und das finde ich für einen Kulturpolitiker bemerkenswert und anmaßend – (Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/ bemerkenswert und anmaßend, weil Sie eben nicht sa- DIE GRÜNEN: Zwingt.) gen, da gibt es eine falsche Perspektive, vielleicht ein mangelndes Verständnis von Kultur, sondern Sie werfen zwingt. der Regierung ernsthaft Rechtsbruch vor.

(Michael Andrejewski, NPD: 60 Minuten.) Und, sehr geehrter Herr Koplin, dann tun Sie doch das, was man als Abgeordneter einer Fraktion in einer sol- Allein jetzt stehe ich vor einem Riesenproblem, chen Situation machen müsste! Wenn Sie dieser Über- zeugung sind, dann gehen Sie doch den dafür nötigen (Torsten Renz, CDU: Das ist nicht eingetreten. – Rechtsweg und lassen von einem unabhängigen Gericht Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE) überprüfen, ob Ihre These oder Ihre Vermutung stimmt oder nicht! Denn seit 25 Jahren gilt in diesem Lande, denn es ist nicht eingetreten. dass nicht Sie entscheiden, was ein Rechtsbruch ist, sondern ein Gericht. Und dafür gibt es Verfahren und (Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Überprüfungsmöglichkeiten. Dann tun Sie es doch ein- Dann kann man es ja ganz kurz machen.) fach!

Deswegen muss ich jetzt eine ganz kurze Rede halten. Solange Sie es nicht tun, geben Sie ja selber zu, dass Sie an Ihre Argumente nicht glauben, sondern sie nur (allgemeine Unruhe – instrumentalisieren, um hier – ich weiß nicht, ob die Stefanie Drese, SPD: Schade! – Champions League gerade am Start ist, aber das wurde Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: mir berichtet –, … Die Dramaturgie war durchschaubar. – Zuruf von Udo Pastörs, NPD) (Rainer Albrecht, SPD: Halbe Stunde.)

Werter Herr Koplin, zum wiederholten Male steht die Kommt noch. These eines Rechtsbruches im Raum. Herr Koplin stützt sich, wie er gesagt hat, auf Artikel 35 des Einigungsver- … um sozusagen damit die Zeit zu füllen und sich zu trages, unter anderem auf den Satz: „Die kulturelle Sub- profilieren. stanz … darf keinen Schaden nehmen.“ (Torsten Renz, CDU: Das ist (Udo Pastörs, NPD: Sehr schwammig.) aber höchstens Regionalliga.)

Jetzt ist der Begriff der kulturellen Substanz für sich Wenn man ernsthaft, Herr Koplin, bestreiten möchte, allein aber nicht verständlich, sondern bedarf der Aus- dass in diesem Lande die kulturelle Substanz erhalten Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 121 wurde und erhalten wird, dann, muss ich sagen, verstehe nichts anderes übrig, als in die Geschichte zu gucken. ich die Welt nicht mehr. Ich kann Ihnen gerne ein paar Bildbände, auch ein paar Bilder von 1990 geben, wie unsere Marktplätze, wie (Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD: unsere Dörfer, unsere Denkmäler, unsere Schlösser und Das verstehen Sie eh nicht.) Kirchen zu 95 Prozent hier im Land aussahen.

Schauen Sie sich dieses Schloss an, schauen Sie sich das (Zuruf von Dietmar Eifler, CDU) Staatliche Museum an, schauen Sie sich das Schloss in Ludwigslust an! Oder schauen Sie sich einfach jedes Dorf Wenn jemand heute behauptet, diese Landesregierung, und jede Stadt in diesem Lande an! Man muss doch sa- die Gemeinden, die Kreise und auch viele Bürgerinnen gen, nach der Wende war erst mal gar nicht kultureller und Bürger haben den Artikel 35 nicht ernst genommen, Substanzerhalt die Aufgabe, sondern die Kulturzerstörung, weiß ich gar nicht, ob ich den noch ernst nehmen kann. die es in der DDR gegeben hat, aufzuhalten und rückgän- Ganz ehrlich, gig zu machen. Und dann müssen wir uns bloß die Denk- male und die Städte und Dörfer angucken. Ernsthaft zu (Beifall vonseiten der Fraktion der CDU) bezweifeln, dass das unternommen wurde, was allein mit Mitteln der Städtebauförderung, mit Mitteln (Udo Pastörs, NPD: Die Sprengung des der Dorferneuerung, mit Patronatsmitteln eigentlich an Hohenzollern-Schlosses, zum Beispiel.) Aufbauleistung in 25 Jahren hier erbracht wurde, also ich verstehe es nicht, muss ich ehrlich sagen. Ich (Dietmar Eifler, CDU: Richtig.) verstehe es nicht. Und deswegen wäre meine Bitte: Las- sen Sie uns doch auf die Ebene zurückkommen, um die das ist, glaube ich, einen Respekt wert, den wir für alle, es geht. die dazu beigetragen haben, haben sollten.

(Marc Reinhardt, CDU: Sie haben die (Beifall vonseiten der Fraktion der CDU – Aufbauleistung der Menschen schlechtgemacht.) Zuruf von Dietmar Eifler, CDU)

Sie haben vielleicht andere Auffassungen von kultureller Der Bildungsminister hat es gesagt, ich will nur an das Substanz, Schloss Schwerin erinnern. Da werden, wenn wir mit unserem Plenarsaal fertig sind, an die 150 Millionen (Michael Andrejewski, NPD: investiert sein. Palast der Republik.) (Udo Pastörs, NPD: Aber das war ein Sie nehmen eine andere Rolle wahr als Oppositionspoli- schlechtes Beispiel. Plenarsaal als Kunst!) tiker. Ich will an Bothmer, ich will an Redefin, ich will an Gra- (Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD: nitz, an Ludwigslust, ich könnte an viele andere Sachen Palast der Republik!) erinnern, was in 25 Jahren hier aufgebaut wurde. Und wir wollen das fortsetzen. Gerade auch die CDU-Fraktion hat Lassen Sie uns dann einfach über konkrete Dinge reden! immer erkannt, dass wir vielleicht – auch hier haben wir Ich jedenfalls kann dem, was Sie dort vortragen, nicht ja einiges gemacht bei den privaten Denkmälern, bei den folgen. Ich glaube, da der Antrag sehr abstrakt und all- Kirchen, auch mit der Unterstützung des Bundes, wobei gemein gehalten ist, beschränke ich mich hinsichtlich der wir dem Bund und unserem Abgeordneten Eckhardt Ausführung auf das eben Gesagte und danke Ihnen für Rehberg sehr dankbar sind, dass das immer passiert –, die Aufmerksamkeit. aber auch hier werden wir die nächsten Jahre weiter aufbauen und weiter Substanz erhalten müssen. (Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU) (Unruhe vonseiten der Fraktion der CDU – Zurufe von Minister Harry Glawe, Vizepräsidentin Regine Lück: Das Wort hat der Abge- und Rainer Albrecht, SPD) ordnete Herr Reinhardt von der Fraktion der CDU. Ich will daher, weil ich viele vorpommersche Kollegen Marc Reinhardt, CDU: Sehr geehrte Frau Präsidentin! hier sehe, an die Schlösser in Divitz, in Ludwigsburg oder Meine sehr geehrten Damen und Herren! Und monatlich in Karlsburg erinnern. grüßt das Murmeltier! (Beifall vonseiten der Fraktion der CDU – Sehr geehrter Herr Koplin, ich habe wirklich lange über- Egbert Liskow, CDU: Genau.) legt, wie Sie es wohl diesmal schaffen werden, das The- ma Kultur hier in die Plenardebatte zu bringen. Es ist nun Da sind sicherlich noch viele Aufgaben, die vor uns ste- also Artikel 35 des Einigungsvertrages gewesen. Der hen, Bildungsminister hat schon einiges darüber berichtet. Ich habe, nachdem ich Ihren Antrag gelesen hatte, der ja (Zuruf von Minister Harry Glawe) sehr abstrakt gewesen ist, auch einiges mehr hier erwar- tet. Aber ich will zu dem Kurzen, was Sie gesagt haben, denen wir uns widmen wollen und wo wir auch mit dem auch noch kurz was erwidern. nächsten Landeshaushalt einige Akzente setzen wollen.

Sie haben recht, es steht dort drin, die kulturelle Sub- Ich will noch kurz auf den Einzelplan 07 und den Einzel- stanz soll keinen Schaden nehmen. Und da bleibt mir ja plan 11 zu sprechen kommen, weil ja Herr Koplin hier 122 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 auch immer mit Statistiken kommt. Da gucken wir mal: 1990 entwickelt und wie ist diese Entwicklung zu bewer- Seit 2012 stehen in beiden Einzelplänen 82 Millionen für ten? Kulturausgaben mit den Theatern und Orchestern zu- sammen drin. Wenn wir in Ihre Regierungszeit zurück- Diese Frage kann man natürlich stellen, aber dann muss kommen, haben wir in der Zeit 70 bis 78 Millionen. Und man auch den Mut haben, hier klare und konkrete Ant- wenn Sie jetzt dieser Regierung Rechtsbruch vorwerfen, worten zu finden und das nach Möglichkeit natürlich auch Herr Koplin, dann stelle ich mal die Frage – können Sie in den Antrag so reinzuschreiben. Der Antrag zitiert den ja nachher beantworten –, ob denn die Regierung, an der Einigungsvertrag von 1990, die kulturelle Substanz dürfe Sie beteiligt waren, auch Rechtsbruch begangen hat. keinen Schaden nehmen und die Erfüllung der kulturellen Das werden Sie mir dann sicherlich erklären. Aufgaben solle gesichert werden. Aber wer diese Rege- lungen heute in Gefahr sieht, muss doch erst einmal Und dann will ich noch daran erinnern, in dem nächsten darlegen, was sind denn die kulturellen Aufgaben des Doppelhaushalt wird diese Koalition 2 Millionen mehr für Landes aus Sicht der Antragsteller und was bedeutet der die Kultur in diesem Land zur Verfügung stellen. Ich Begriff kulturelle Substanz konkret. Ist damit die heutige glaube, das ist ein wichtiger Beitrag, den auch viele Kul- Struktur von Theatern, Museen, Bibliotheken und so turschaffende begrüßen, und deshalb fordere ich Sie auf, weiter gemeint oder der Stand von 1990? Messen wir die hier keine Eulen nach Athen zu tragen, sondern diese kulturelle Substanz an den Zahlen der kulturellen Einrich- Politik der kulturellen Weitsicht dieser Koalition zu unter- tungen oder an der Personalstärke? Ist die Höhe der stützen. – Vielen Dank. Kulturförderung maßgeblich oder die Zahl derer, die die kulturellen Einrichtungen besuchen? Erst, wenn man (Beifall vonseiten der Fraktion der CDU – einen aussagekräftigen Maßstab hat, kann man doch Egbert Liskow, CDU: Toll!) entscheiden, an welchen Stellen die kulturelle Substanz denn tatsächlich in Gefahr ist. Vizepräsidentin Regine Lück: Das Wort hat die Abge- ordnete Frau Berger von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE Selbstverständlich muss sich eine Regierung an Gesetze GRÜNEN. und an Verträge halten, und selbstverständlich ist es Aufgabe der Opposition zu kontrollieren, ob die Regie- (Torsten Renz, CDU: Jetzt bin ich ja rung genau das tut. Aber Gesetze und Verträge bedürfen gespannt, auf welcher Seite sie steht. – vielfach einer Auslegung, besonders, wenn es um so Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/ unbestimmte Rechtsbegriffe wie „kulturelle Substanz“ DIE GRÜNEN: Auf der rechten.) geht. Ich hätte von dem Antrag gern gewusst, was die Landesregierung aus Sicht der Fraktion DIE LINKE tun Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Zu Recht, muss, um Artikel 35 des Einigungsvertrages vollumfäng- Herr Renz, sind Sie gespannt. lich umzusetzen. Das ist doch die entscheidende Frage, aber um die notwendige Antwort drückt sich der Antrag (Zuruf von Marc Reinhardt, CDU) leider.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich gehe da- Herren! Gleich vorweg: Wir können dem Antrag der Frak- von aus, dass wir uns sicherlich in einem einig sind: Der tion DIE LINKE in dieser Form nicht zustimmen. Einigungsvertrag kann nicht gemeint haben, dass die kulturelle Landschaft nach 25 Jahren noch genauso (Unruhe vonseiten der Fraktion der CDU) aussehen soll wie zum Ende der DDR. Kultur verändert sich, Kultur schafft Neues und überwindet dabei Altes. Wir sind uns mit der Fraktion DIE LINKE darin einig, dass wir die derzeitige Kulturpolitik, insbesondere mit der The- (Udo Pastörs, NPD: Das muss aterpolitik dieser Landesregierung, für überaus kritikwür- man nicht unbedingt überwinden.) dig halten. Mal geschieht dies in vorhandenen Strukturen, oft genug (Torsten Renz, CDU: Nicht so gut. – entstehen dafür aber auch neue Institutionen mit neuen Heiterkeit vonseiten der Fraktion der CDU) Formen und neuen Akteuren. Jede verantwortliche Kul- turpolitik steht vor der Aufgabe und auch vor dem Kon- Aber bei aller Sympathie für die Intention dieses Antrags, flikt, möglichst viele vorhandene Strukturen zu erhalten ein Satz Antragstext und zwei Sätze Antragsbegründung und zu bewahren und zugleich Innovation und Fortent- werden diesem Anliegen nicht gerecht. wicklung zu ermöglichen.

(Torsten Renz, CDU: Die Anzahl Hat dieses Land seit 1990 nun an kultureller Substanz der Anträge stimmte noch nicht. verloren? Ja, natürlich hat es das. Die Theater haben die Da musste noch was kommen.) Hälfte des Personals abgebaut, in Schwerin wurde ein ganzes Orchester abgewickelt. Von 906 Allgemeinbiblio- Tatsächlich ging es mir bei diesem Antrag ein bisschen theken im Jahr 1990 sind heute weniger als 100 übrig wie dem Bildungsminister. geblieben, viele Kulturhäuser brachen weg, ebenso die Strukturen für Amateurkunst. Und weitere Beispiele las- (Torsten Renz, CDU: Keine sen sich selbstverständlich anführen. Arbeitsmarktpolitik, da muss Kultur her.) Aber zugleich ist auch viel Neues entstanden. Wir haben Es gibt ja selten Parallelen, aber hier gab es mal eine, heute gegenüber 1990/91 mehr als doppelt so viele denn der Antrag hat auch aus meiner Sicht eine Gene- Schülerinnen und Schüler an den Musikschulen des raldebatte aufgemacht zu der Frage: Wie hat sich die Landes. Wir haben mehr Museen und wir haben mehr kulturelle Landschaft in Mecklenburg-Vorpommern seit Galerien. Die Kinos haben heute mehr Besucher als Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 123

1990. Die Theater haben sogar fast doppelt so viele (Torsten Renz, CDU: Nein.) Gäste wie zu diesem Zeitpunkt. Noch immer sind viele Baudenkmale, Schlösser und Gutshäuser nicht saniert, die Einbringung meinerseits hat deutlich gemacht, was aber viele wurden seit 1990 auch vor dem sicheren Ver- wir darunter verstehen. Ich habe praktisch Bezug ge- fall gerettet. Und jeder kennt eine Reihe kultureller Initia- nommen auf eine Untersetzung dieses Einigungsvertrags tiven, die nach 1990 entstanden sind und das kulturelle noch zu Zeiten der Regierung Kohl, Leben in Mecklenburg-Vorpommern bereichern. Viel verloren, viel gewonnen seit 1990 also. (Egbert Liskow, CDU: Rechtsbruch, hast du gesagt.) Die einen werden diese Entwicklung eher negativ bewer- ten, andere eher positiv. Was aber bedeutet diese Ent- habe definiert Substanzerhalt, Erhalt und Verbesserung wicklung für den vorliegenden Antrag? Welcher konkrete der kulturellen Infrastruktur und auch den Denkmalschutz Handlungsauftrag an die Landesregierung ergibt sich definiert. daraus? Das bleibt unklar und zeigt im Grunde eines deutlich: Dieser rückwärtsgewandte Blick, 25 Jahre zu- Und weil Herr Reinhardt die Frage gestellt hat, na ja, es rück, bringt uns in der kulturpolitischen Debatte nicht müssten dann wohl alle Regierungen …: Ich habe ein weiter. Wir müssen vielmehr heute für uns beantworten: interessantes Buch in der vergangenen Woche in die Was für eine kulturelle Landschaft wünschen wir uns Hand bekommen, „Kultur und Kunst Mecklenburg- heute für Mecklenburg-Vorpommern? Vorpommerns im Umbruch“, verfasst vom Kulturrat Mecklenburg-Vorpommern e. V., und das stellt fest, Kul- Wir als BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sagen dazu: All jene tureinrichtungen im Vergleich vor dem Beitritt/heute: kulturellen Institutionen, die wir dauerhaft bewahren wol- Volkshochschulen minus 5 Prozent, Jugendzentren mi- len, brauchen eine Anpassung der Förderung an die nus 65 Prozent, Kulturzentren minus 55 Prozent, Kostensteigerung, sonst gehen sie nach und nach kaputt. Wir wollen Neues, Innovatives fördern und brauchen (Torsten Renz, CDU: deshalb mehr Flexibilität bei den Förderrichtlinien. Wir Bleib doch mal bei dem Antrag!) wollen einen starken Bürokratieabbau bei der Kulturför- derung. Wir wollen eine bessere Einbeziehung der kultu- Bibliotheken minus 50 Prozent, rellen Akteure in kulturpolitische Entscheidungen. Wir wollen eine Stärkung der Kultur- und Kreativwirtschaft. (Torsten Renz, CDU: Da würde ich einfach Wir wollen die eigenständigen Theater bewahren. Dabei zugeben, übers Ziel hinausgeschossen.) sagen wir nicht, dass es nicht zu Veränderungen, Koope- rationen und Schwerpunktsetzungen kommen darf, aber Buchhandlungen haben sich erhöht um fast 20 Prozent, wir werden uns immer dagegen wehren, wenn Theater in Literaturklubs minus 30 Prozent, Galerien plus 50 Pro- ein Fusionsmodell gezwungen werden, das voller Unge- zent, Musik- und Kunstschulen plus 10 Prozent. reimtheiten, unrealistischer Annahmen und falscher Ver- sprechungen ist. (Torsten Renz, CDU: Welches Bezugsjahr?)

(Beifall vonseiten der Fraktion Genau, das ist die interessante Frage. Bezugsjahr hier 1993. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jochen Schulte, SPD: Tönender Beifall!) (Torsten Renz, CDU: 93.)

Das geht in der Tat sehr gefährlich an die Substanz. Aber Es richtet sich an alle. Und es soll sich niemand davon diese Debatte können wir nicht mit einem schnöden freisprechen, denn diese rechtliche Grundlage hat ja auch Verweis auf den Einigungsvertrag führen, sondern nur für alle gegolten. Aber wir haben jetzt Verantwortung, wir anhand konkreter kulturpolitischer Zielsetzungen. Darum stehen jetzt vor dieser Frage: Wie gehen wir damit um? lehnen wir den Antrag trotz des begrüßenswerten Grund- anliegens ab. Und da komme ich noch mal auf diese drei Punkte zu- rück. Was den Substanzerhalt betrifft, weil ja immer ge- (Beifall vonseiten der Fraktion sagt wurde, seien Sie doch mal konkret, also gemeint ist BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) mit dem Substanzerhalt, wir waren in dieser Region auch mal – beschieden wurde das von Experten, internationa- Vizepräsidentin Regine Lück: Das Wort hat der Abge- len Experten – das Leseland mit der bedeutendsten und ordnete Herr Koplin von der Fraktion DIE LINKE. qualitätsvollsten Infrastruktur in Sachen Bibliothekswe- sen. Es waren mal 384, 1998 waren es noch 202, jetzt (Udo Pastörs, NPD: Jetzt kommt der sind es unter 100. Stasi-Mann mit den Geheiminformationen.) (Zurufe von Jochen Schulte, SPD, Torsten Koplin, DIE LINKE: Frau Präsidentin! Sehr und Egbert Liskow, CDU) geehrte Damen und Herren! Sie haben sich jetzt zu dem Antrag geäußert und haben festgestellt, dass er Ihnen zu Die letzte Fahrbibliothek, Herr Reinhardt, der Brief von dürftig war in der Begründung, in der Ausführung. Das Frau Hoffmann hat Sie vielleicht auch erreicht, 07.10.2015. mag sein, dass Sie das so sehen. Sie verweist darauf, dass im größten Landkreis Deutsch- lands jetzt die letzte Fahrbibliothek in den letzten Zügen (Torsten Renz, CDU: Und der Einbringung inklusive.) liegt.

Die Einbringung hat deutlich gemacht, Herr Renz – aber (Torsten Renz, CDU: Die meisten in der das ist immer so eine Sache, man hört, was man hören Fraktion haben im Kreistag zugestimmt, will –, Herr Koplin. Was sagen Sie denn dazu?) 124 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015

„In M-V ist es aus finanziellen Gründen vielen Menschen Vizepräsidentin Regine Lück: Herr Abgeordneter Kop- nicht möglich, stets in die nächstliegende Stadt zu fahren,“ lin, kleinen Augenblick, bitte.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU) Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sind hier beim letzten Redner. „um für die Kinder, ältere Bürger und sich selbst“, ich zitiere gerade, „Bücher und Medien auszuleihen. Das (Michael Andrejewski, NPD: Beim allerletzten.) Internet funktioniert oftmals nur ungenügend in einigen Dörfern. Leider befinden sich keine Ausleihstationen für Ich möchte Sie darum bitten, diesen Murmelteppich doch Bücher und Medien in den Dörfern“, schreibt sie. aufzuheben.

Nun haben wir vor der Brust, wahrscheinlich wird es zum Und, Herr Renz, wenn Sie mit Ihren notorischen Gegen- Jahresende – vielleicht, vielleicht auch nicht – diese reden nicht zu Ende kommen, Onlineausleihe geben, aber sie wird nicht alle treffen. Es wird dann also noch mehr eine Asymmetrie geben von (Wolfgang Waldmüller, CDU: Menschen, Alle kurz und knackig.)

(Torsten Renz, CDU: Sagen Sie noch mal dann bitte ich Sie doch, sich zu Wort zu melden. Sie was zu den Schlössern, die wir saniert haben!) haben die Möglichkeit, hier nach vorne zu kommen und eine Wortmeldung abzugeben, wenn Sie sich zu diesem die Zugang haben zu Informationen, und welchen, die Thema inhaltlich äußern möchten. Ansonsten bitte ich abgeschnitten sind von Informationen. Das hat heute Vor- Sie doch jetzt um Ruhe. mittag schon eine Rolle gespielt und das wird morgen, wenn wir uns zum Thema Armut, Forschungsbericht der (Torsten Renz, CDU: Jawoll.) AWO, verständigen, auch noch mal eine Rolle spielen. Torsten Koplin, DIE LINKE: Frau Präsidentin! Sehr Zur Infrastruktur: Frau Berger hat zu Recht die Theater geehrte Damen und Herren! Letzter Aspekt, den ich und Orchester angesprochen. Was da abläuft, ist eine ansprechen möchte, ist die Frage des Denkmalschutzes. riesengroße Sauerei, Natürlich, Herr Reinhardt, haben wir, das habe ich aus- drücklich gesagt, keineswegs verkannt – Frau Berger (Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/ nannte es Gewinne und Verluste –, in der Tat keines- DIE GRÜNEN: Das stimmt.) wegs verkannt, was hier entstanden ist und aus welcher Substanz heraus das entstanden ist. weil es nämlich kein Aushandlungsprozess ist, kein, wie schwierig auch immer, Prozess der Meinungsbildung in (Egbert Liskow, CDU: Wahrnehmung gemeinsamer Verantwortung, sondern Ja, da war nichts mehr.) nur noch mit der Brechstange, nur noch mit Erpressung. Nein, da war etwas, sonst hätte es diesen Passus im (Torsten Renz, CDU: Du hast aber einen Einigungsvertrag nicht gegeben. schweren Job: keine Unterstützung aus der Fraktion heraus, keine (Zuruf von Egbert Liskow, CDU) Unterstützung aus der Fraktion heraus.) Der betont, dass beide Teile, DDR wie BRD, mit ihrer Es ist auch gesagt worden, wir geben doch 2 Millionen Euro Entwicklung in Sachen Kunst und Kultur beigetragen mehr für Kulturprojekte, um Substanz zu erhalten. haben zum sich jetzt vollziehenden Einigungsprozess.

(Torsten Renz, CDU: Und was ist Wenn wir über Denkmalschutz reden, dann reden wir mit den 70 Millionen zu eurer Zeit?) auch letztendlich über die Einhaltung eines Antrags, der hier einstimmig getroffen worden ist, und zwar ging es Natürlich, das ist begrüßenswert, aber gleichzeitig be- um Kunst am Bau, wenn Sie sich erinnern können. Wir kommen wir eine Resolution auf den Tisch von der Ar- hatten gebeten, dass wir von der Landesregierung eine beitsgemeinschaft der Musikpädagoginnen und Musik- Unterrichtung bekommen zur Kunst am Bau. Diese Un- pädagogen. Die machen aufmerksam auf den Punkt der terrichtung ist gekommen. Sie sagt aber letztendlich, prekären Einkommensverhältnisse besonders bei Hono- dass man da so gut wie nichts machen wird. Also die rarlehrkräften und die Diskrepanz zwischen Qualifikation Landesregierung wird, so heißt es nämlich dort, nur in und Einkommen. Ausnahmen bereit sein, Auflagen zu erteilen, um Kunst am Bau zu erhalten und zu schützen, weil sie finanzielle (Torsten Renz, CDU: Habt ihr denn dazu Verpflichtungen fürchtet. Das hier anzumahnen, das ist einen Antrag gestellt im Ausschuss, auch Aufgabe dieses Antrags gewesen. Ich freue mich dass der Zuschuss erhöht wird?) ja, dass Sie sich damit auseinandergesetzt haben.

Und dann wird auch aufgelistet, (Zuruf von Torsten Renz, CDU)

(Torsten Renz, CDU: Nein, ihr Der Minister hat anempfohlen, eine Klage zu erheben. habt das zur Kenntnis genommen.) Nein, hier ist das Podium für die politische Auseinander- setzung. Wir wollen die politische Auseinandersetzung. 1.033 Euro im Durchschnitt bei den selbstständigen Es ist überhaupt eine Untugend in diesem Land, dass Lehrkräften in der Musikpädagogik. Ist das das, was wir alle Nase lang zu Gericht gerannt werden muss, weil die wollen? Politik nicht das Primat hat. Die Politik hat in dieser Ge- Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015 125 sellschaft das Primat und wir wollen auch, dass sie es wahrnimmt.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Vizepräsidentin Regine Lück: Ich schließe die Aus- sprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Frak- tion DIE LINKE auf Drucksache 6/4582. Wer dem zuzu- stimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/4582 mit den Stimmen von SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der NPD abgelehnt, bei Zustimmung der Fraktion DIE LINKE.

Meine Damen und Herren, wir sind damit am Schluss der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Landtages für Donnerstag, den 22. Oktober, 9.00 Uhr ein. Die Sitzung ist geschlossen.

Schluss: 20.22 Uhr

Es fehlten die Abgeordneten Andreas Butzki, Jutta Ger- kan und Detlef Lindner.

126 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 103. Sitzung am 21. Oktober 2015

Namentliche Abstimmung

über den Antrag der Fraktion der NPD Die Schließung der Anklamer Kinderklinik verhindern! – Drucksache 6/4541 –

Jastimmen Renz, Torsten Ringguth, Wolf-Dieter NPD Schlupp, Beate Schubert, Bernd Andrejewski, Michael Schütt, Heino Köster, Stefan Seidel, Jürgen Müller, Tino Silkeit, Michael Pastörs, Udo Texter, Andreas Petereit, David Waldmüller, Wolfgang

Neinstimmen DIE LINKE

SPD Dr. Al-Sabty, Hikmat Bernhardt, Jacqueline Albrecht, Rainer Borchardt, Barbara Dr. Backhaus, Till Dr. Brie, André Barlen, Julian Foerster, Henning Bretschneider, Sylvia Koplin, Torsten Brodkorb, Mathias Oldenburg, Simone Dahlemann, Patrick Ritter, Peter Donig, Ingulf Rösler, Jeannine Drese, Stefanie Dr. Schwenke, Mignon Feike, Katharina Dr. Tack, Fritz Gundlack, Tilo Kaselitz, Dagmar BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Krüger, Thomas Mucha, Ralf Berger, Ulrike Müller, Detlef Gajek, Silke Müller, Heinz Dr. Karlowski, Ursula Polzin, Heike Saalfeld, Johannes Saemann, Nils Suhr, Jürgen Schulte, Jochen Tegtmeier, Martina Wippermann, Susann Endgültiges Ergebnis: CDU Abgegebene Stimmen ...... 54 Caffier, Lorenz Gültige Stimmen ...... 54 Lenz, Burkhard Jastimmen ...... 5 Liskow, Egbert Neinstimmen ...... 49 Reinhardt, Marc Enthaltungen ...... -