7 /2008 Jahrgang 18 LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern der Parlamente Zusammenarbeit Föderalismusreform II Aktuell Ostseeraum Neue Minister Neuer Ministerpräsident Theaterkonzept für M-V Wechsel Debatte GASTKOLUMNE Seite 3 Spezial Ostseeparlamentarierkonferenz in Visby Für ein armes Seiten 4 – 5 Aus dem Plenum Aktuelle Stunde: Theater Auswirkungen der Föderalismus-

reform II Foto: Cornelius Kettler

Seiten 6 – 10 Weitere Themen: Novellierung Schulgesetz M-V Call-Center in M-V Claus Tantzen (45) studierte angewandte Theater- Landesblindengeld wissenschaft an der Justus-Liebig-Universität in Bibliotheken in M-V Gießen, war Mitbegründer des Theaters „Montage“ Zertifizierung der Nationalparke in Ludwigshafen. Er betreute vor seinem Volontariat einen Jugendtreff in der Nähe von Kaiserslautern. Seit 1994 arbeitet er als TV-Journalist, derzeit in der Seite 11 – 17 Schweriner Politikredaktion des NDR. Auszüge aus der Debatte: Theater- und Orchester in M-V „Wer heute Theater schleift, braucht statt. Auch wenn sich Hans Kreher von den Seite 18 Liberalen das noch so sehr wünscht. Päda- Aus den Ausschüssen morgen mehr Geld gegen Rechts“, sagte Wirtschaftsausschuss: Torsten Koplin (DIE LINKE) während der De- gogische Theaterarbeit findet statt in Thea- Anhörung Kohlekraftwerk Lubmin batte im Landtag. Das klingt wie ein Tot- terinitiativen von Jugendclubs, Schulthea- Agrarausschuss: schlagargument in einem Land, das wegen tern, Video-AGs und Projekten der Regio- Anhörung zum Steilküstenschutz seiner sich stetig festigenden rechtsextre- nalzentren für demokratische Kultur. Dort Europaausschuss: Ausschuss der Regionen mistischen Strukturen in Verruf geraten ist. werden nicht mit teurer Bühnenmaschine- Doch was meint er genau? rie Illusionen geschaffen – Kunststück. Seiten 19 – 21 Es wird mitten in einer Zielgruppe gearbei- Landesregierung Das Bild vom Theater als moralische Anstalt tet, die sich nicht für Plüschsessel und Pro- Wahl des neuen Ministerpräsidenten secco interessiert. Es ist ein armes Theater. Die neue Landesregierung wird hier beschworen. Eine schillernde Utopie des ausgehenden 18. Jahrhunderts. Dorthin sollte Geld in ausreichendem Ma- Seite 22 Plötzlich taucht sie wieder auf – in einer De- ße fließen. Pro & Kontra batte im 21. Jahrhundert – also in einer Fahrverbot statt Geld- oder Zeit, da MTV, Internetclips und Dschungel- Um es deutlich zu sagen: Dies ist kein Plä- Haftstrafe shows der Moral neue Maßstäbe setzen. doyer zur Abschaffung des bürgerlichen, Seite 23 Über 50 Prozent der Kulturausgaben des kulinarischen Theaters, sondern der Ver- Panorama Landes Mecklenburg-Vorpommern fließen such zu definieren, was dessen Aufgabe Parlamentsspiel in Ueckermünde in die Theater, war während der Debatte zu NICHT ist. Totschlagargumente, die aus- Azubis im Landtag hören. Doch wären diese Mittel gut ange- klammern, dass 35,8 Millionen Euro jähr- Titelbild (Uwe Sinnecker): legt, wenn es das Ziel der Theaterarbeit lich für die Finanzierung der Orchester und Vorbereitung auf den Winter im sein sollte, junge Menschen davon abzu- Theater bereits eine erhebliche Anstren- Muschelbrunnenhof des Schweriner halten, ihre Freizeit in Zeltlagern der „Hei- gung darstellen, gehören nicht in eine Burggartens. mattreuen Deutschen Jugend“ zu verbrin- ernst gemeinte Debatte. Dieser Art Popu- gen, Dönerbuden abzufackeln oder Stra- lismus gebührt selbst das Prädikat „Thea- Impressum ßenkämpfe vor Fußballstadien zu veran- ter“. Rüdiger Safranski hat das in seiner Herausgeber: Landtag Mecklenburg- stalten? Welches Theater hätte das je ver- Schiller-Biografie treffend beschrieben: Vorpommern - Öffentlichkeitsarbeit - mocht! „Schiller empfiehlt den seriösen Herren von Schloss, Lennéstraße 1, 19053 Schwerin der Deutschen Gesellschaft die Kunst als Fon: 0385 / 525-2183, Fax 525-2151 E-Mail: [email protected] Als Friedrich Schiller 1784 seine Vision von ultimative Lockerungsübung; sie sollen, so Internet: www.landtag-mv.de der „Schaubühne als moralische Anstalt“ spricht er sie mit einer enthusiastischen Redaktion: Referat Öffentlichkeitsarbeit, vor der deutschen Gesellschaft ausbreitete, Schlusswendung an, „jede Fessel der Küns- Claudia Richter Layout: Uwe Sinnecker, www.uwe-sinnecker.de verfolgte er ein handfestes Ziel. Er suchte telei und der Mode“ abwerfen, sich dem Druck: cw Obotritendruck.de einen Job – sein Stuhl als Theaterdichter in Drang des alltäglichen Geschicks entwin- Gedruckt auf Recyclingpapier Mannheim wackelte. Welches Ziel verfol- den und spüren, wie sie im Spiel durch ei- Zugunsten des Leseflusses und aus Platzgrün- den haben wir bei der Bezeichnung von Men- gen unsere Parlamentarier im Landtag, ne „allwebende Sympathie verbrüdert“ schengruppen manchmal nur die männliche wenn sie Geld über die Spielstätten aus- sind. Es fehlt nur noch, dass er sie auffor- Form verwendet. In solchen Fällen ist die weib- liche Form mitgedacht. schütten wollen, das nicht erwirtschaftet dert vorzutreten, sich an den Händen zu Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben werden kann, und Aufgaben formulieren, fassen und den großen Reigen zu tanzen.“ nicht in jedem Fall die Meinung des Heraus- die das Theater nicht erfüllen kann? gebers wieder. Alle Abbildungen sind urheber- rechtlich geschützt. Nachdruck nur mit Claus Tantzen schriftlicher Genehmigung des Herausgebers. „Lebenslanges Lernen“ – auch diese Voka- Die LandtagsNachrichten können kostenlos bel wurde bemüht – findet nicht im Parkett bezogen werden. Bestellungen sind an den Herausgeber zu richten. von Staatstheater und städtischen Bühnen

2 5/2008 LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern SPEZIAL

sen zur Herstellung der Versorgungssi- Klimawandel und Energie cherheit in Europa zukünftig im politi- schen Fokus stehen müsse. Ostseeparlamentarier fordern EU-Strategie für die Ostseeregion Darüber hinaus unterstützt die Ostseepar- lamentarierkonferenz die Entwicklung ei- nes europäischen Höchstspannungs- gleichstromübertragungsnetzes zur Ver- knüpfung von Regionen, die Strom im Zusammenarbeit, Klimawandel und Energiepolitik, maritime Politik sowie Norden Europas aus Wasserkraft, im Sü- Arbeitsmarkt- und soziale Fragen in der Ostseeregion waren die diesjährigen den aus Solarenergie und im Westen aus Schwerpunkte der 17. Ostseeparlamentarierkonferenz (Baltic Sea Parliamenta- Gezeitenkraft produzieren. Ziel ist ein ge- ry Conference – BSPC), die vom 31. August bis 2. September im schwedischen samteuropäischer Verbund mit möglichst Visby stattfand. Auch in diesem Jahr konnte der Landtag Mecklenburg- geringen Übertragungsverlusten beim Vorpommern gemeinsam mit Landesparlamentariern aus Bremen, Hamburg Stromtransport sowie die Verminderung und Schleswig-Holstein sowie Vertretern des Deutschen Bundestages politi- von Schwankungen des Stromangebotes. sche Handlungsempfehlungen einbringen, denen die Konferenz zustimmte. Um die Nährstoff- und Schadstoffeinlei- tungen in die Ostsee weiter zu reduzieren, fordern die Ostseeparlamentarier die An- rainerstaaten auf, den HELCOM-Ostsee- aktionsplan vorbehaltlos zu unterstützen. Außerdem setzen sie sich für ein Pro- gramm zur Entwicklung und Einführung eines satellitengestützten emissionsbezo- Foto: Johannes Jansson genen Überwachungssystems für Schiffe ein. Für in Häfen liegende Schiffe fordert die Konferenz die schrittweise Einführung der Landstromversorgung, um Schad- stoffemissionen zu vermindern. Zur besseren Zusammenarbeit in der Ost- seeregion setzen die Ostseeparlamenta- rier auf die Entwicklung einer EU-Strate- gie, die mit den bestehenden Politik- und Kooperationsformen abgestimmt ist. We- v.r. Eva Smekal (Verwaltung Schwedischer Reichstag), Sigrun Rese (FDP), Landtagspräsidentin sentlich dabei sei insbesondere die Stär- Sylvia Bretschneider, Birgit Schwebs (DIE LINKE), Detlef Müller (SPD, Vorsitzender des Europaausschusses), Renate Holznagel (CDU, Landtags-Vizepräsidentin), Sinikka Bohlin (Vors. des Ständigen Ausschusses der kung des parlamentarischen Dialogs zwi- Ostseeparlamentarierkonferenz), Gerald Gutzeit, Bodo Bahr (Verwaltung Landtag M-V) schen den Anrainerstaaten. Bei der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik Unter dem Titel „Energieeffizienz und Kli- Renate Holznagel informierte die Kon- sprach sich die Konferenz für klare und mawandel“ erörterten knapp 200 Teil- ferenz über ein innovatives Rostocker For- ausgewogene Regeln für die Mobilität nehmer aus allen Ostseeanrainerstaaten schungsprojekt zur Verbesserung von Na- von Arbeitskräften in der Ostseeregion sowie Vertreter des Isländischen Parla- vigationstechnologien. Es ermöglicht, Da- aus. Dabei soll das bereits bestehende mentes und der Parlamentarischen Ver- ten des amerikanischen GPS-, des russi- Netz von Zentren, die über grenzüber- sammlung des Europarates die auf der schen GLONASS- sowie des zukünftigen schreitende Arbeitsmöglichkeiten infor- Agenda stehenden Fachthemen. europäischen GALILEO-Systems zu verar- mieren, ausgeweitet werden. Darüber hi- Landtagspräsidentin Sylvia Bretschneider, beiten. Die Vizepräsidentin des Landtages naus wurde eine aktive Politik zur Be- die im Auftrag des Ständigen Politischen M-V warb dafür, dass sich auch andere kämpfung der Jugendarbeitslosigkeit, zur Ausschusses der BSPC den Beobachter- Häfen der Ostseeanrainerstaaten an dem Harmonisierung der Berufsbildungsmaß- status bei der Helsinkikommission zum Projekt beteiligen. nahmen und zur Stärkung des Dialogs Schutz der Meeresumwelt des Ostseege- zwischen den Sozialpartnern angemahnt. bietes (HELCOM) wahrnimmt, unterrich- Als wichtig für den Energiebereich unter- tete die Konferenzteilnehmer über den stützt die Konferenz in ihrer Resolution Ausrichter und Gastgeber der 18. Ostsee- Stand des Aktionsplanes zur Verbesse- die Empfehlungen deutscher Vertreter parlamentarierkonferenz vom 30. August rung der Meeresumwelt der Ostsee sowie zum Ersatz leistungsschwacher Wind- bis 1. September 2009 wird das Dänische über Entwicklungen im Bereich der mari- kraftanlagen an Land („repowering“) so- Folketing sein. timen Sicherheit. Die Federführung bei wie zum verstärkten Bau von „offshore“- der Wahrnehmung des HELCOM-Beob- Windkraftanlagen. Wichtig sei auch der achtermandats durch den Landtag Meck- Ausbau von Leitungsnetzen zur Aufnah- lenburg-Vorpommern wurde um ein wei- me von Windstrom, wobei insbesondere teres Jahr verlängert. die Vernetzung von Hochspannungstras-

LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 7/2008 3 AUS DEM PLENUM / AKTUELLE STUNDE

Nein zum geplanten Konsolidierungsfonds

Bundespläne zur Unterstützung finanzschwacher Länder kritisiert

Mecklenburg-Vorpommern bekräftigt sein Nein zum geplanten Konsolidie- rungsfonds für finanzschwache Bundesländer mit überdurchschnittlich hoher Zinsbelastung. Zahlreiche Redner kritisierten am 24. September in der Aktuel- len Stunde im Landtag unter anderem, dass Mecklenburg-Vorpommern jähr-

lich 7,5 Millionen Euro in den Fonds einzahlen müsste, während beispielswei- Fotos: Uwe Balewski se Sachsen-Anhalt 139,2 Millionen Euro Konsolidierungshilfe erhalten soll. „Auswirkungen der Föderalismusreform II auf Mecklenburg-Vorpommern“ hieß das Thema, das die SPD-Fraktion beantragt hatte.

Angelika Gramkow (DIE LINKE) desländer und Kommunen. Dafür könne ein Teil der Goldreserven der Bundesbank herangezogen werden, schlug sie vor. „Jeder Deal, der letztlich aber darauf hi- nausläuft, mehr Steuerautonomie zuzu- lassen, ist fatal und daher abzulehnen“, betonte sie.

Rudolf Borchert (SPD) Ministerpräsident Dr. Der SPD-Finanzexperte Rudolf Borchert nanziellen Rahmenbedingungen den Bür- verwies unter anderem auf die Gefahr ei- gern nicht zu erklären. Bundesländer wie nes Steuer-Flickenteppichs in Deutsch- Mecklenburg-Vorpommern, die große land, wenn es zu Steuerautonomie der Sparanstrengungen unternommen hät- Bundesländer käme. Zudem sei ein gerin- ten, würden demotiviert. Ziel des Konso- geres Steueraufkommen des Staates ins- lidierungsfonds ist es, die Zinsausgaben je gesamt zu befürchten. An den Plänen für Einwohner auf 125 beziehungsweise 250 Konsolidierungshilfen zum Abbau von Prozent des Länderdurchschnitts abzu- Altschulden kritisierte er, dass Mecklen- senken. Zuschüsse würden dabei laut burg-Vorpommern so genanntes Geber- Ringstorff neben Bremen und dem Saar- land werden solle. „Wir sollen Geld ge- land auch Sachsen-Anhalt, Schleswig- ben, damit die fünf am höchsten verschul- Holstein und Berlin erhalten. deten Bundesländer ihre Altschulden ab- Dr. Armin Jäger (CDU) bauen könnten. Das macht keinen Sinn“, Nach Worten der finanzpolitischen Spre- sagte er. Schließlich erhalte MV derzeit cherin der Linksfraktion, Angelika Der CDU-Fraktionsvorsitzende Dr. Armin noch Solidarpaktmittel, um künftig eine Gramkow, droht die Föderalismusreform Jäger wies auf die gute Konsolidierungs- Angleichung an die Lebensverhältnisse „in kleinlichem Zank und Streit“ stecken politik Mecklenburg-Vorpommerns hin. der anderen Bundesländer zu erreichen. zu bleiben. Statt die Finanzen von Kom- Dafür dürfe das Land nicht bestraft wer- Seine Fraktion lehne die Vorschläge der munen und Ländern auf eine solide Basis den. Die Politik müsse aber auch immer Föderalismus-Kommission ab. zu stellen, „geht es nur noch um Geld Investitionen im Auge behalten, beispiels- und darum, wer bekommt von wem wie weise im Bildungsbereich. Das bedeute Dass Mecklenburg-Vorpommern einzah- viel“. Der Linkspolitikerin zufolge reichen nicht, soviel auszugeben, dass man nichts len solle, ist Ministerpräsident Dr. Harald die derzeit diskutierten Konsolidierungs- mehr abzugeben brauche. „Das ist nicht Ringstorff zufolge angesichts der für al- hilfen nicht aus. Sie forderte eine nachhal- meine Haltung“, betonte er. Aber man le neuen Flächenländer vergleichbaren fi- tige Entschuldung finanzschwacher Bun- dürfe auch nicht einseitig in Richtung

4 7/2008 LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern AUS DEM PLENUM / AKTUELLE STUNDE

Sparpolitik denken. Er forderte, das The- Schleswig-Holstein und dem Saarland ma noch einmal in einer Landtagsdebat- steht nämlich das Wasser förmlich bis FÖDERALISMUSREFORM II te aufzugreifen. Im Landtag müsse ein zum Halse“, sagte er. Konsens in der Föderalismus-Diskussion geschaffen werden. Beim „Ausstatten Nach dem Inkrafttreten der ersten mit Meinungen“ habe der Landtag bis- Stufe der Föderalismusreform im Sep- lang noch Defizite. Dies sei aber wichtig tember 2006 sollen in einem zweiten für die Arbeit in der Föderalismuskommis- Schritt die Finanzbeziehungen zwi-

sion. Fotos: Uwe Balewski schen Bund und Ländern modernisiert werden. Der FDP-Fraktionsvorsitzende Michael Ein wichtiges Ziel der Reform ist die Roolf bezweifelte die Aktualität des The- Begrenzung der Staatsverschuldung mas der Aktuellen Stunde. Er wies darauf und die Vermeidung von Haushaltskri- hin, dass der Konsolidierungsfonds noch sen. Zur Erarbeitung entsprechender gar nicht festgelegt sei. „Es sind alles Ver- Reformvorschläge haben Bundestag mutungen. Es sind Mutmaßungen“, be- und Bundesrat im März 2007 eine ge- tonte er. Das Bundesfinanzministerium meinsame Kommission unter Vorsitz sage selbst, dass der Konsolidierungs- des SPD-Fraktionsvorsitzenden Peter fonds und dessen Ausgestaltung noch Udo Pastörs (NPD) Struck und des baden-württembergi- gar nicht zu Ende überlegt seien. Roolf schen Ministerpräsidenten Günther kritisierte, dass bei der Föderalismusre- Der CDU-Abgeordnete Mathias Löttge Oettinger (CDU) eingesetzt. Bundes- form einige Probleme ausgeklammert sagte, Steuerautonomie und Konsolidie- tag und Bundesrat entsenden jeweils wurden. „Das können wir dauerhaft aber rungshilfe würden erhebliche Standort- 16 Mitglieder sowie 16 Stellvertreter nicht machen. Wir müssen Probleme nachteile für Mecklenburg-Vorpommern in die Kommission. Unter den vom auch irgendwann einmal zu Ende disku- bedeuten. Er widersprach der Auffas- Bundestag entsandten Mitgliedern tieren“, forderte er. sung, dass dieses Thema nicht auf die Ta- sind dem Einsetzungsbeschluss ent- gesordnung der Aktuellen Stunde gehö- sprechend auch mehrere Bundesmi- re. Es sei nötig, dass Landesparlamente nister. Fast alle Länder, so auch Meck- Einfluss auf die Bundesgesetzgebung lenburg-Vorpommern, haben ihre Re- nehmen. Mecklenburg-Vorpommern ha- gierungschefs in die Kommission ent- be zwar Erfolge bei der Haushaltskonsoli- sandt. Mit Rede- und Antragsrecht, dierung, in der Wirtschaft und auf dem jedoch ohne Stimmrecht, sollen stets Arbeitsmarkt vorzuweisen. Dennoch sei vier Abgeordnete aus den Landtagen es noch längst kein Geberland. Für eine an den Kommissionssitzungen teil- Konsolidierungshilfe müssten „sehr klare nehmen. Ebenso sollen die Kommu- und harte Kriterien“ festgeschrieben wer- nen in „geeigneter Weise“ einbezo- den. Schulden zu tilgen, wie es Mecklen- gen werden. burg-Vorpommern getan habe, müsse auf jeden Fall das Ziel sein. Das von der Kommission vorgelegte Eckpunktepapier sieht unter anderem einen je zur Hälfte von Bund und Län- Michael Roolf (FDP) dern finanzierten Fonds vor, aus wel- chem hoch verschuldete Länder Hilfen Solidarität sei keine Einbahnstraße, sag- beim Abbau von Altschulden bekom- te der NPD-Fraktionsvorsitzende Udo men sollen. Über Finanzthemen hi- Pastörs. Er kritisierte die Föderalismusre- naus erstrecken sich die Beratungen form als Ganzes. Das sei keine Reform, auch auf die Verbesserung der Quali- sondern „Klassenkampf in gepflegter tät und der Wirtschaftlichkeit der öf- Form“. Bundesländer würden gegenei- fentlichen Verwaltung. nander gehetzt. „Sie tun dies, weil sie kei- ne Gemeinschaft kennen, und schachern Ziel der Großen Koalition in Berlin ist um das Geld wie einst Judas um die Sil- es, die Reformbeschlüsse noch vor der berlinge. Jeder rafft, was er bekommen Bundestagswahl 2009 zu verabschie- kann“, warf er den anderen Fraktionen den. vor. Für ihn und seine Partei bedeute So- Mathias Löttge (CDU) lidarität die „Durchsetzung des Gemein- nutzes als oberstes Prinzip“. Man werde Mecklenburg-Vorpommern zur Zahlung zwingen müssen. „Den Ländern Bremen,

LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 7/2008 5 AUS DEM PLENUM

Kleine groß Foto: Jens Büttner rausbringen

Neues Schulgesetz im Landtag diskutiert

Den Schulen Mecklenburg-Vor- pommerns stehen umfangreiche Neu- erungen bevor. Bildungsminister Henry Tesch hat den Entwurf für ein neues Schulgesetz am 24. September in den Landtag eingebracht. Das Ge- setz soll vom nächsten Schuljahr an gelten. Der Entwurf sieht unter ande- rem mehr Selbstständigkeit für die Toleranz vermittelt werden. Das Lehrer- fördern, dass es ein Mindestmaß an Kom- Schulen, freie Schulwahl ab Klasse personalkonzept ist ihrer Ansicht nach petenzen erlangt, die ihm ermöglichen, fünf und individuelle Förderpläne für noch immer alternativlos. „Aber es wird an der Gesellschaft teilzuhaben“, forder- die Schüler vor. Auch die Finanzierung sich irgendwann von allein erledigt ha- te sie. soll umgestellt werden, künftig sol- ben, weil wir bald ein adäquates Verhält- Für die oppositionelle FDP kritisierte Hans len die Schulen Zuweisungen je Schü- nis von Schüler- und Lehrerzahlen haben Kreher, das Lehrerpersonalkonzept, mit ler und nicht mehr je Klasse erhalten. werden.“ dem über Teilzeit-Regelungen Kündigun- Zudem sollen die Erziehungsberech- Der bildungspolitische Sprecher der Lin- gen von Pädagogen verhindert werden, tigten über einen „Pflichtenkatalog“ ken, Andreas Bluhm, sagte, es gebe vie- mache eine wirkliche Selbstständigkeit für Eltern zur Mitwirkung an der le Chancen in diesem Gesetzentwurf. Al- der Schulen unmöglich. Tesch hielt dem Schule herangezogen werden. lerdings gebe es auch Risiken und Proble- entgegen, dass bei Aufkündigung des me. So würden Gesamtschulen im Ver- Lehrerpersonalkonzepts Massenentlas- Von den Neuregelungen erwartet sich die gleich zu den Gymnasien benachteiligt. sungen anstünden. Das könne niemand Landesregierung mehr Wettbewerb und Die freie Schulwahl werde für ärmere Fa- wollen. Hans Kreher kritisierte auch die eine bessere Qualität der Schulen im milien dadurch eingeschränkt, dass die Kürzungspläne für Schulen in freier Trä- Land. Der Entwurf der Gesetzesnovelle Kosten für den Schülertransport nur bis gerschaft. Von 2011 an sollen dort sechs folge damit den bildungspolitischen Fest- zur nächstgelegenen Schule erstattet Millionen Euro pro Jahr gespart werden. legungen des Koalitionsvertrages, beton- würden. Mit Skepsis sehe DIE LINKE auch Durch die Kürzungspläne der Finanzminis- te Bildungsminister Henry Tesch. Von der die Übertragung einiger Aufgaben der terin und des Bildungsministers werde der frühkindlichen Bildung bis zur Erwachse- Schulkonferenz an die Schulleitungen so- „Zugang zu diesen Schulen finanziell un- nenbildung liege jetzt die gesamte Ver- wie die neue Rolle der Personalräte. „Die möglich“ gemacht oder „diesen Schulen antwortung bei einem Ministerium. Mit Stärkung der Eigenverantwortlichkeit der gleich die Existenz verweigert“. dem Gesetz wolle man das grundsätzliche Einzelschule darf nicht mit einem Verlust Birger Lüssow (NPD) sieht in dem Ge- Anliegen der Koalition umsetzen, das an demokratischer Mitbestimmung ein- setzentwurf eine „Knebelung der Famili- dem Minister zufolge lautet: „Wie brin- hergehen.“ en“ und sprach von „Totalitarismus im gen wir die Kleinen groß raus?“ Für Ilka Lochner-Borst (CDU) war es ein 21. Jahrhundert“. Eltern würden unter Tesch erhielt für den Entwurf Lob aus den „Fehler, die Wende für Bildungsfragen Generalverdacht gestellt und dem „Über- eigenen Reihen, vom Koalitionspartner nicht derart zu nutzen, dass aus beiden wachungsstaat“ Tür und Tor geöffnet. Zu- SPD und auch aus der Opposition. Systemen das Beste zusammengefasst dem seien freie Schulträger nicht gleich- Heike Polzin, bildungspolitische Spre- wurde“. Ihre Fraktion sehe nun die Frage gestellt. Er kritisierte auch, dass die Her- cherin der SPD-Fraktion, sieht mit dem der Qualitätsverbesserung an den Schulen kunft „noch nie“ für die Bildung so ent- geplanten Gesetz die Weichen für die flä- im Mittelpunkt. Dazu gehöre auch, Bil- scheidend gewesen sei wie jetzt. Im Übri- chendeckende Einführung der „Selbst- dung und Erziehung als untrennbare Ein- gen sei für die Schüler mindestens bis zur ständigen Schule“ gestellt. Den Schulen heit zu sehen. Für die Erziehung der Kin- 9. Klasse „Autorität und geführter Unter- werde mehr Freiraum zur eigenverant- der seien weiterhin die Eltern zuständig. richt“ wichtiger als Selbstständigkeit. Sei- wortlichen Gestaltung des Schulalltags Dennoch habe die CDU Wert darauf ge- ne Fraktion fordere ein dreigliedriges gegeben. „Im Kern geht es um eine hö- legt, den „Erziehungsbegriff“ in das Schulsystem. here Qualität des Unterrichts durch eine Schulgesetz aufzunehmen. Künftig könn- Jörg Vierkant (CDU) sprach von einem bessere individuelle Förderung der Schü- ten die Schulen selbst in pädagogischen „steinigen und schweren Weg“ zur lerinnen und Schüler.“ Dabei sollen Be- Konzepten festlegen, wie sie die vorgege- selbstständigen Schule. Bei all den Zielen nachteiligungen aufgrund der sozialen benen Bildungsstandards erreichen. „Ziel wie mehr Qualität des Unterrichts und ein Herkunft verringert und Demokratie und muss es sein, jedes einzelne Kind so zu bedarfsgerechtes Bildungsangebot müsse

6 7/2008 LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern AUS DEM PLENUM / BERICHTE eines immer im Mittelpunkt stehen: „Das gungen für Callcenter als Hamburg, wo Kind als Maß aller Dinge.“ Weitgehende die Telekom die Dienstleistungen konzen- Selbstbestimmung an den Schulen sei trieren will. „Das sind insbesondere die oberstes Gebot. Das bedeute mehr Eigen- Kosten, was Immobilien und Löhne be- verantwortung für schulinterne Lehrplä- trifft“, erläuterte er. Im Nordosten gebe es Foto: Jens Büttner ne und Stundentafeln, aber in einem Rah- derzeit 110 Servicecenter mit fast 15.000 men, den das Land vorgibt. Die Mitarbeit Mitarbeitern. Der Konzern, der noch zu der Erziehungsberechtigten sei nicht nur rund einem Drittel in Staatsbesitz sei, ha- beim „Kuchen backen“ gefordert, son- be eine strukturelle Verantwortung. Die dern müsse auch bis zur Erstellung päda- Gespräche mit der Telekom und der Deut- gogischer Konzepte reichen. schen Post würden weitergeführt, ver- Der Gesetzentwurf wurde zur Beratung sprach der Minister. „Wir hören nicht auf, an die Ausschüsse überwiesen. für den Standort M-V in Sachen Service- Center und IT-Dienstleister zu kämpfen.“ Redner von CDU, Linke, SPD und FDP schlossen sich der Kritik an. Servicecenter Die Abgeordnete Angelika Gramkow (DIE LINKE) sprach von einem „Schlag ins Landtag kritisiert Standort- Gesicht“ der rund 200 Telekom-Beschäf- schließungen von Telekom und Post tigten in Schwerin. Den Teilzeitkräften, vor allem Frauen, sei die Fahrt nach Ham- burg nicht zuzumuten. Bei Anfahrtszei- Der Landtag hat am 25. September ten von 60 Minuten und mehr würden Be- einhellig die geplante Schließung ei- troffene nicht nur zeitlich, sondern auch Die Gewerkschaft ver.di hatte für den Tag der nes Telekom-Callcenters in Schwerin finanziell „extrem belastet“. Zu den Fak- Parlamentsdebatte zu einer Demonstration vor dem und eines IT-Standortes der Deut- ten, die für den Erhalt des Standortes Schweriner Schloss aufgerufen. schen Post in Stralsund kritisiert. Die Schwerin sprechen, zählte sie unter ande- Landesregierung wurde aufgefor- rem hervorragende infrastrukturelle Rah- Eigentlich lehne er grundsätzlich Eingriffe dert, sich für den Erhalt beider Nieder- menbedingungen und hohes Qualifikati- in unternehmerische Entscheidungen ab, lassungen einzusetzen. onsniveau der Mitarbeiter. „Die Konzen- sagte der CDU-Abgeordnete Wolfgang tration der Standorte geschieht aus unse- Waldmüller. Aber bei einem Konzern, bei Die Telekom AG befinde sich noch zu rer Sicht ohne Not. Mehr noch, die von dem der Staat Miteigentümer ist, sei das et- rund 30 Prozent in den Händen des der Telekom betriebene Zentralisierung ist was anderes. „Hier ist eine Einflussnahme Bundes und der Kreditanstalt für Wie- überhaupt nicht zeitgemäß“, betonte sie. der Politik gerechtfertigt“, betonte er. deraufbau, sagte CDU-Fraktionschef Der Schweriner Abgeordnete Dr. Gottfried Auch er sieht keine betriebswirtschaftli- Dr. Armin Jäger, der den Antrag, auf Timm (SPD) bezeichnete die geplante Ver- chen Gründe, die eine Verlagerung des den sich die vier demokratischen Fraktio- lagerung nach Hamburg als „strukturpoli- Standortes nach Hamburg rechtfertigen nen geeinigt hatten, einbrachte. Daraus tische Fehlentscheidung“. Die Pläne seien würden. Die Spitze der Telekom werde mit ergebe sich eine besondere strukturpoliti- nicht nur „betriebswirtschaftlich unsin- ihrer Entscheidung ihrer Verantwortung als sche Verantwortung des Unternehmens. nig“, sondern auch „für die Mitarbeiterin- Unternehmer nicht gerecht. Er hofft auf ei- „Wenn sich ein solcher Konzern gänzlich nen und Mitarbeiter nicht akzeptabel“. Bei nen positiven Ausgang der Gespräche. aus unserem Bundesland zurückziehen einer Fusion könne seiner Meinung nach Für Udo Pastörs (NPD) zeigt sich an die- will, dann sind wir gefordert“, betonte er. doch auch der Hamburger Standort nach sem Fall die „faktische Machtlosigkeit der Das ehemalige Bundesunternehmen habe Schwerin verlegt werden. Der Telekom Politik gegenüber den Großkonzernen“. viel investiert, aber auch „erhebliche Ge- warf er vor, die falschen Signale zu senden, Der Staat gebe durch die Privatisierung winne“ gemacht. Er erinnerte an die So- wenn sie die Wirtschaft in einer ohnehin von Post und Telekom die Möglichkeiten zialverantwortung, zu der Eigentum dem strukturschwachen Region weiter schwä- einer konkreten Mitbestimmung aus der Grundgesetz nach verpflichte. Jäger che. Hand. Die Arbeitnehmer würden bei den räumte aber ein, dass unternehmerische FDP-Fraktionschef Michael Roolf be- geplanten Umstrukturierungen für einen Entscheidungen akzeptiert werden müss- zeichnete die Debatte als „wichtiges Sig- Hungerlohn noch einen Drei-Stunden-Ar- ten. Er sei da jedoch „etwas angesäuert“. nal“ auch an die unternehmerische Ver- beitsweg in Kauf nehmen müssen, be- Die Telekom müsse nachweisen, dass die antwortung der Telekom. Die Entschei- mängelte er. Schließung „eines erstklassigen Service- dung des Konzerns sei auch für ihn „po- Helmut Holter (DIE LINKE) betonte: „Wir centers“ wirtschaftlich sinnvoll sei. litisch nicht nachvollziehbar“. Mecklen- als zufriedene Kunden der Telekom erwar- Wirtschaftsminister Jürgen Seidel sagte, burg-Vorpommern könne sich als Wirt- ten die Solidarität auch zurück.“ Es müs- die Gründe der Telekom für die Standort- schaftsstandort selbstbewusst präsentie- se am Vortag der Deutschen Einheit bei schließung seien „absolut unverständ- ren. Hier gäbe es unter anderem „super den unternehmerischen Entscheidungen lich“. Mecklenburg-Vorpommern habe Rahmenbedingungen“ und qualifizierte auch ein Signal für Ostdeutschland ausge- bessere wirtschaftliche Rahmenbedin- und motivierte Mitarbeiter. hen, unterstrich er.

LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 7/2008 7 AUS DEM PLENUM / BERICHTE

tungen im Sozialbereich noch möglich kussion ist scheinheilig und hat mit einer Landes- sind. „Kürzungen fallen nie leicht“, be- Politik, die sich mit den Interessen körper- tonte die Abgeordnete. „Aber gar nichts lich Benachteiligter angemessen ausei- blindengeld tun, das geht auch nicht.“ Die Regierung nandersetzt, nichts zu tun.“ Er forderte habe ihre Hausaufgaben gemacht. Nun die Landesregierung auf, die Streichpläne Sparpläne stießen auf Widerstand müsse das Parlament kritisch bewerten, „endgültig zu den Akten“ zu legen. der Opposition was zu ertragen ist und was nicht. „Wir Nach Ansicht des NPD-Abgeordneten müssen mit den Betroffenen reden und Stefan Köster gibt es keinen sachlichen dann entscheiden, was bestmöglich ist“, Grund für die geplanten Kürzungen. So Die von der Regierung geplante unterstrich sie. „Wir werden alle Spielräu- lange „Steuergelder im vergeblichen Kürzung des Landesblindengeldes me ausloten. Ich denke, dass wir einen Kampf gegen Volkstreue verschwendet“ hat am 24. September zu einer hefti- Kompromiss finden werden, mit dem alle würden, seien Streichungen in diesem Be- gen Debatte im Landtag geführt. So- leben können.“ reich nicht nötig. Er erinnerte zudem an zialminister Erwin Sellering, der den Die Linke-Abgeordnete Irene Müller sag- die hohen Preissteigerungsraten der ver- Gesetzentwurf einbrachte, hat die te, eine Kürzung würde die Teilhabe blin- gangenen Jahre. Die Sozialdemokratie, so vorgesehene Änderung verteidigt. der Menschen am Leben einschränken. der NPD-Politiker, habe sich zu einem Mecklenburg-Vorpommern habe der- Die Regierungspläne nannte sie skandalös „Verfechter des Neoliberalismus“ gewan- zeit das zweithöchste Landesblinden- und bösartig. Den blinden Menschen delt. Der Gesetzentwurf gehöre in den geld bundesweit und müsse sparen, werde massiv und ohne Grund in die Ta- Papierkorb. sagte er. Ab 2019 bekomme das Land sche gegriffen. „Alle Bundesländer, die Der Fraktionsvorsitzende der Linken, keine Transferleistungen mehr. Dem bisher ihr Landesblindengeld gekürzt ha- Prof. Dr. Wolfgang Methling, forderte: Entwurf zufolge soll der monatliche, ben, haben es an einer fachlichen Begrün- „Hände weg vom Landesblindengeld!“ einkommensunabhängige Zuschuss dung fehlen lassen und aus rein fiskali- Etwas anderes komme für seine Fraktion für blinde Erwachsene von derzeit schen Gründen gestrichen“, betonte sie. nicht in Frage. „Kürzung ist Kürzung. 546,10 Euro auf 333 Euro gesenkt „Dass die Kürzung des Landesblindengel- Auch wenn sie niedriger ausfällt, als ur- werden. Hochgradig sehbehinderte des im Jahr 2009 um mehr als acht Millio- sprünglich geplant.“ Seine Fraktion lehne Erwachsene würden statt bisher nen Euro nötig ist, um im Jahr 2020 ein eine Überweisung in die Ausschüsse ab. 273,05 Euro nun noch 166,50 Euro er- starkes, eigenständig lebendes Bundes- Sebastian Ratjen (FDP) fragte rhetorisch: halten. land zu sein, das erklären Sie bitte noch „Minister Sellering ist doch noch Vorsit- mal für alle nachvollziehbar, insbesonde- zender der Sozialdemokratie?“ Er kriti- Sozialminister Erwin Sellering hob den re den betroffenen Menschen“, forderte sierte, dass die Kürzungen ohne Rück- ab 2010 geplanten Härtefallfonds hervor, sie die Regierungsfraktionen auf. sprache mit den Verbänden geplant wor- der mit jährlich 500.000 Euro ausgestat- Der parlamentarische Geschäftsführer der den seien. Den betroffenen Menschen tet sein soll. Damit können Blinde, aber mitregierenden CDU, Harry Glawe, ver- würden von heute auf morgen 40 Pro- auch Taube und anderweitig Behinderte sicherte, auch künftig werde das Landes- zent der Zuschüsse gestrichen werden. in besonderen Lebenssituationen unter- blindengeld ein hohes Niveau haben, ob stützt werden. Dies sei ein Beitrag zu es nun „333 oder 400 Euro“ betragen mehr sozialer Gerechtigkeit, sagte der Mi- werde. Er verwies aber auch darauf, dass nister. Das Gesetz soll nach den Plänen Mecklenburg-Vorpommern in einigen BLINDENGELD der Regierung bereits 2009 in Kraft tre- Jahren aus eigener Finanzkraft leben müs- IM LÄNDERVERGLEICH ten. se. Dazu sei dieses Gesetz nötig. Er kün- Der Gesetzentwurf wurde nach der De- digte zugleich an, dass seine Fraktion die Bundesland Volljährige Minderjährige batte mit den Stimmen der Koalitionsfrak- vorgeschlagenen Kürzungen genau ana- tionen zur Beratung an die Ausschüsse lysieren werde. „Erst am Ende einer aus- Nordr.-Westf. 588,16 € 294,58 € überwiesen. Die Oppositionsparteien führlichen Beratung mit den Betroffenen M-V 546,10 € 273,05 € lehnten die Regierungspläne dagegen in den Fachausschüssen des Parlaments Hessen 505,80 € 294,08 € rundweg ab und stimmten auch der wird ein Beschluss stehen“, versicherte er. Bayern 500,00 € 500,00 € Berlin 470,53 € 470,53 € Überweisung des Entwurfs zur weiteren Er regte an, bei den Beratungen auch Hamburg 448,00 € 448,00 € Diskussion in die Ausschüsse nicht zu. Sie über einkommensabhängige Zuschüsse Baden-Würt. 409,03 € 204,52 € wollen das Landesblindengeld in der bis- nachzudenken. Saarland 438,00 € 293,00 € herigen Höhe beibehalten. Redner von Der sozialpolitische Sprecher der FDP- Rheinl.-Pfalz 410,00 € 205,00 € SPD und CDU erklärten, sich in den bevor- Landtagsfraktion, Ralf Grabow, bezeich- Schleswig-Hol. 400,00 € 200,00 € stehenden Ausschuss-Beratungen für ge- nete die Vorschläge als „grotten- Bremen 345,86 € 172,93 € ringere Kürzungen starkmachen zu wol- schlecht“. Der Gesetzentwurf sei nicht Brandenburg 266,00 € 133,00 € len. Drei Abgeordnete der SPD stimmten einmal beratungswürdig. Er warf dem So- Sachsen-Anh. 350,00 € 250,00 € ebenfalls gegen die Überweisung. zialminister fehlendes soziales Bewusst- Sachsen 333,00 € 250,00 € Niedersachsen 220,00 € 300,00 € Nach Aussage von Heike Polzin (SPD) sein vor. „Die Diskussion, wie viel Geld ein Thüringen 220,00 € 220,00 € müssten jetzt viele Landesgesetze auf den erblindetes Auge wert ist, darf nicht fort- Quelle: Finanzministerium M-V Prüfstand, um festzustellen, welche Leis- gesetzt werden“, betonte er. „Diese Dis-

8 7/2008 LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern AUS DEM PLENUM / BERICHTE

„Nun haben wir einmal auch im Bundes- schichte und als Wissensvermittler auch vergleich vernünftige Leistungen, dann Teil der Bildungsgeschichte, hieß es zur tut der Minister so, als müsse er sich da- Begründung. Sie seien zudem für ein de- für entschuldigen“, bemängelte er. mokratisches Gemeinwesen unverzicht-

Das Landesblindengeld war 1991 von der bar. Foto: Jens Büttner damaligen CDU/FDP-Regierung einge- DIE LINKE verlangte in einem Änderungs- führt worden, um die höheren Aufwen- antrag ein Entwicklungskonzept und dungen Blinder im Alltag auszugleichen. nicht nur die Prüfung eines solchen. Die NPD forderte, private Initiativen zu un- terstützen. Alle Anträge der Oppositions- Fraktionen wurden nach langer Debatte Bibliotheks- abgelehnt. Dem Antrag der Koalitions- fraktionen SPD und CDU stimmten die konzept M-V Abgeordneten schließlich mit großer Mehrheit zu. Landtag für Gespräche mit „Die öffentlichen Bibliotheken genießen Kommunen innerhalb der Landesregierung einen ho- hen Stellenwert“, versicherte Bildungsmi- nister Henry Tesch. Sie befänden sich In jüngerer Vergangenheit haben aber in kommunaler Trägerschaft. Des- Bibliotheksschließungen der Landes- halb hänge ihre Strukturentwicklung im politik Sorge bereitet. Am 24. Septem- Wesentlichen von der Planung der Land- ber beschäftigte sich das Parlament kreise ab. Kernaufgabe der Bibliotheken deshalb gleich mit mehreren Anträ- sei es, allen Bürgern die gleiche Chance wecken, und zeigte sich skeptisch über gen zu diesem Thema. Bibliotheken auf Zugang zu den Wissensquellen zu bie- den Sinn eines Bibliotheksgesetzes oder in Mecklenburg-Vorpommern sollen ten. Der Minister regte den Aufbau von Förderprogramms. „Wer suggeriert, dass auch künftig flächendeckend und in digitalen, virtuellen Bibliotheken an. Die damit unter Umständen die Schließung hoher Qualität den Bürgern als Bil- Landesregierung werde gemeinsam mit einer konkreten Bibliothek verhindert dungseinrichtungen zur Verfügung den Kommunen die Entwicklungsmög- werden könnte, täuscht die Öffentlich- stehen, hieß es im Antrag der Regie- lichkeiten der Bibliotheken beraten, ver- keit.“ Deshalb werde seine Fraktion die rungskoalitionen. Darin wurde die sprach der Minister. Anträge der Opposition ablehnen. Öf- Landesregierung aufgefordert, im Ge- Die Prüfabsicht der Koalition geht der fentliche Bibliotheken stünden in kom- spräch mit den Kommunen zu prüfen, Fraktion DIE LINKE nicht weit genug. Dies munaler Verantwortung. Deren Erhalt ob ein Entwicklungskonzept notwen- reiche nicht aus, um die besorgniserre- und Ausbau sei eine freiwillige kommuna- dig ist. Die Zahl der „weißen Flecken“ gende Entwicklung im öffentlichen Biblio- le Leistung. „Das Land sollte sich hier in der Bibliothekslandschaft soll ge- thekswesen im Land zu stoppen, erklärte nicht über Gebühr einmischen“, sagte er. ringer werden. deren kulturpolitischer Sprecher Torsten Birger Lüssow (NPD) warf den demokra- Koplin. Eine Anhörung von Experten auf tischen Parteien „Versagen“ vor. Sie hät- Deshalb sei der Antrag notwendig, sagte Antrag der Linksfraktion habe deutlich ten es nicht geschafft, eine flächende- Dr. Klaus-Michael Körner (SPD). Sollte gemacht, dass „wir sowohl ein Landesbi- ckende Versorgung mit Bibliotheken zu sich das Konzept als erforderlich heraus- bliotheksgesetz als auch ein Bibliotheks- gewährleisten. Dabei wäre Geld dafür stellen, müsse es unter anderem die Si- entwicklungskonzept brauchen“. Ein Ent- vorhanden, sagte er und nannte als Bei- cherung der flächendeckenden Biblio- wicklungskonzept soll nach Auffassung spiel Mittel aus „unsäglichen Projekten theksversorgung nach Qualitätsstandards der Linksfraktion insbesondere Standards gegen die NPD“. Er sprach sich für eine festschreiben. Auch die Instandsetzung benennen. Ein Bibliotheksgesetz müsse „nationale Bibliothek“ im Landtag aus und Materialversorgung von „Fahrenden die grundsätzlichen Rahmenbedingun- und forderte, wie im Antrag seiner Frakti- Bibliotheken“, die Präsenz von Bibliothe- gen für die Arbeit der Bibliotheken und on formuliert, unter anderem die „Pom- ken im Internet sowie die Fort- und Wei- Aussagen zur Finanzierung treffen. Die mersche Volksbücherei in Anklam“ zu un- terbildung für Bibliotheksmitarbeiter soll- virtuelle, digitale Bibliothek wird seinen terstützen. ten festgelegt werden, meinte Körner. Worten nach eine immer größere Rolle Dr. Klaus-Michael Körner (SPD) sprach „Die Zeit des Redens ist vorbei. Jetzt müs- spielen. Sie sei aber kein „Instrument“ ge- sich als Redner in der Debatte gegen den sen Taten folgen“, betonte dagegen gen bereits entstandene weiße Flecken. FDP-Antrag aus: „Sie sagen nicht, woher Landtagsvizepräsident Hans Kreher, der „Ich kann nur vor einer Reduzierung der die Mittel für ein Förderprogramm kom- den Antrag der FDP-Fraktion einbrachte. tatsächlichen Bibliotheken warnen. Denn men sollen. So ist der Antrag unvollstän- Die Liberalen fordern von der Landesre- damit einher ginge eine Abwertung des dig und wir lehnen ihn ab.“ Hans Kreher gierung, bereits bis Frühjahr 2009 ein Bi- Buches selbst.“ Ein starkes Bibliothekswe- (FDP) widersprach: Es gehe nicht um eine bliotheksförderprogramm vorzulegen. Bi- sen stärke auch die Demokratie. weitere Erhöhung der Mittel, sondern vor bliotheken seien als Erinnerungsorte ein Der CDU-Abgeordnete Jörg Vierkant allem um „Verlässlichkeit“. wesentlicher Bestandteil der Kulturge- warnte davor, falsche Erwartungen zu

LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 7/2008 9 AUS DEM PLENUM / BERICHTE

glieder an: neun Vertreter werden von Nationalparke Gewählt den ostdeutschen Bundesländern Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpom- FSC-Zertifizierung hinterfragt Mothes im Beirat der Birthler-Behörde mern, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thü- ringen benannt, weitere acht vom Bun- destag gewählt. Die Beiratsmitglieder Auf Antrag der FDP-Fraktion debat- Auf Vorschlag der Landesregierung werden für fünf Jahre gewählt. Das Gre- tierte der Landtag am 25. September wählte der Landtag Jörn Mothes in den mium begleitet die Arbeit der Bundesbe- die Frage, ob eine FSC-Zertifizierung Beirat der Bundesbeauftragten für die Un- hörde, berät die Bundesbeauftragte Ma- in Nationalparken verzichtbar ist und terlagen des Staatssicherheitsdienstes der rianne Birthler und bewertet die Tätig- deshalb die bisher geltende Regelung ehemaligen DDR. Mothes löst Landessu- keitsberichte. auslaufen soll. Die Liberalen begrün- perintendent Christoph Stier ab, dessen Mothes war von 1998 bis 2008 Landesbe- deten ihren Antrag damit, dass Natio- Amtszeit abgelaufen ist. Laut Stasiunter- auftragter für die Stasiunterlagen in nalparke Naturschutzgebiete seien lagengesetz gehören dem Beirat 17 Mit- Mecklenburg-Vorpommern. und somit eine direkt forstliche Nut- zung nicht erfolge.

Was ist FSC und zu welchem Zweck gibt Was das Plenum es für Nationalparke ein Zertifikat, sprich ein Zeugnis, mag sich der Leser fragen. noch beschäftigte Antworten hierauf hat es während einer Anhörung des Ausschusses für Landwirt- Polnisch im Kindergarten Nichtraucherschutz schaft, Umwelt und Verbraucherschutz (Agrarausschuss) gegeben, die bereits am Der Landtag unterstützt die Bemühun- Der Landtag lehnte am 25. September 29. Mai 2008 durchgeführt worden war. gen der Landesregierung sowie insbeson- eine Novellierung des Nichtraucherschutz- FSC steht für „Forest Stewardship Coun- dere der Deutsch-Polnischen Gesellschaft, gesetzes ab. Die FDP hatte gelockerte Re- cil“, was auf deutsch wörtlich „Wald Ver- Polnisch als Sprache des Nachbarn in Kin- gelungen für „getränkeorientierte Klein- walteramt Rat“ oder im übertragenen dertagesstätten im grenznahen Bereich gastronomie“ („Eckkneipen“) gefordert Sinne „Sachwalter des Waldes“ bedeutet. anzubieten. Einem entsprechenden An- und sich dabei auf das Urteil des Bundes- Der Rat ist eine internationale, gemein- trag der Koalitionsfraktionen stimmte der verfassungsgerichts vom 30. Juli 2008 be- nützig und unabhängig arbeitende Orga- Landtag am 25. September zu. Wer He- rufen. Die Mehrheit der Parlamentarier nisation, die sich einer verantwortungs- ranwachsenden beiderseits der Grenze sprach sich jedoch dafür aus, den Nicht- vollen Waldbewirtschaftung verschrieben Perspektiven und Zukunft geben wolle, raucherschutz nicht aufzuweichen, und hat. Dabei wird sie von Umweltverbän- müsse ihnen das Erlernen der Sprache des lehnte Sonderregelungen ab. den, Gewerkschaften, Waldbesitzern und Nachbarn ermöglichen, heißt es zur Be- (Drucksache 5/1713) Holzwirtschaftsunternehmen unterstützt. gründung. Die Überwindung der Sprach- Mit der Zertifizierung wird nach außen barriere stehe an erster Stelle, um ein gu- Hochschulgesetz sichtbar dokumentiert, dass bei der Nut- tes Miteinander zu gestalten. zung der Forsten bestimmte Kriterien ein- (Drucksache 5/1794) Der Antrag von SPD und CDU zur Än- gehalten werden, die sowohl wirtschaftli- derung des Landeshochschulgesetzes che als auch soziale und Umweltaspekte Ausschüsse nicht öffentlich wurde nach Erster Lesung am 24. Sep- berücksichtigen. tember in den Bildungsausschuss über- Auch künftig werden gemäß Artikel 33 wiesen. Die Gesetzesnovelle sieht vor, Die während der Anhörung kontrovers der Landesverfassung die Ausschüsse des dass die Hochschulen für die Verwaltungs- diskutierte Frage, ob ein Zertifizierungs- Landtages in der Regel nicht öffentlich be- leistungen, die sie für die Studierenden system für die Bewirtschaftung von Wäl- raten. Einen Antrag der FDP, Ausschuss- außerhalb der fachlichen Betreuung er- dern Anwendung finden sollte, die in Na- beratungen öffentlich durchzuführen und bringen (Immatrikulation, Beurlaubung, tionalparken liegen, also irgendwann ein- die Verfassung entsprechend zu ändern, Rückmeldung, Exmatrikulation, Prüfungs- mal nicht mehr genutzt werden sollen, fand im Landtag keine Mehrheit. Die FDP organisation, allgemeine Studienbe- hat die FDP mit ihrem Antrag erneut the- argumentierte mit mehr Transparenz von ratung, Benutzung der Bibliotheken und matisiert. politischen Entscheidungsprozessen. Die EDV), einen Verwaltungskostenbeitrag in Öffnung der Ausschussberatungen wür- Höhe von 50 Euro pro Semester erheben. Nach kontroverser Aussprache im Plenum den insbesondere Lobbyisten zur Einfluss- Ziel sei es, Einnahmeverluste der Hoch- wurde der Antrag an den Agrarausschuss nahme auf Entscheidungen nutzen, so die schulen zu vermeiden, da diese wegen der überwiesen. Gegner des Vorschlags. Eine unabhängige fehlenden Ermächtigungsgrundlage der- Meinungsbildung sei dann nicht möglich. zeit auf die Erhebung von Einschreibe- (Drucksache 5/1707) und Rückmeldegebühren verzichten. (Drucksache 5/1796)

10 7/2008 LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern AUS DEM PLENUM / DEBATTENAUSZÜGE

Regierung bringt Theaterkonzept

Heftige Debatte um Pläne des Kultusministers auf die Bühne

Kultusminister Henry Tesch hat am 26. September das Theater- und Orches- terkonzept der Regierung im Landtag gegen heftige Kritik der Opposition ver- teidigt. Anträge von FDP und LINKE, mit der die Landesregierung zu einer Än- derung ihrer Vorschläge aufgefordert werden sollte, wurden mehrheitlich ab- gelehnt. LandtagsNachrichten veröffentlichen Auszüge aus der Debatte.

lehnt worden, ebenso wie die Forderung „ Theater und Orchester nach einem Kulturkonzept des Landes. sind kein Luxus“ Die Diskussionen um eine Änderung der Theater- und Orchesterstrukturen sind (DIE LINKE), der den Antrag seiner Fraktion Methling zufolge keine Folge einer Krise begründete. Der Proteststurm aus den der Theater, sondern der Krise der öffent- kommunalen Vertretungen und der Bevöl- lichen Finanzen. Heute würden Kunst und kerung sei mehr als berechtigt. Der Vorsit- Kultur als eine Garnierung auf dem Teller zende der Linksfraktion bezeichnete es als angesehen, die man sich nur in guten Zei- Prof. Dr. Wolfgang den größten politischen Fehler, dass auf ten leisten könne. „Theater und Orches- Methling, die Einbeziehung der Theater, Orchester ter sind kein Luxus“, betonte er. „Sie ge- DIE LINKE und deren Träger verzichtet worden sei. hören zur Daseinsvorsorge, für die das Seine Fraktion habe bereits Ende 2007 die Land, die Kreise und die Kommunen zu- „Das Eckpunktepapier der Landesregie- Landesregierung aufgefordert, ein Kon- ständig sind.“ Eine Diskussion über den rung zur Weiterentwicklung der Theater- zept zur Sicherung der Theater und Or- Stellenwert der Orchester und Theater sei und Orchesterstrukturen ist eine Kampf- chester des Landes sowie Maßnahmen zur eine zutiefst politische Frage und müsse ansage an die Theater und Orchester, ein Umsetzung des UNESCO-Übereinkom- auch als eine solche geführt werden. Das Angriff auf die Vielfalt der künstlerischen mens über den Schutz und die Förderung Wichtigste sei das Gespräch mit den Be- Handschriften und auf deren Eigenständig- der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen teiligten. „Und dies muss schnellstens keit“, sagte Prof. Dr. Wolfgang Methling zu erarbeiten. Beide Anträge seien abge- hergestellt werden, um zu Lösungen zu kommen“, so Methling.

de das angesichts der Kostensteigerun- „Theater und Orchester gen der Situation der Spielstätten in kei- sind kulturelle Leuchttürme“ ner Weise gerecht, kritisierte Kreher. Er warnte vor Qualitätsminderung bis hin dungsministers allerdings seien selbst in zur Aufgabe einzelner Sparten oder gan- den eigenen Reihen umstritten. „Mit sol- zer Spielstätten. „Sind erst einmal Sparten chen Ideen kann man keine Würstchen- und Spielstätten geschlossen, ist es eher bude leiten“, zitierte Kreher einen Inten- unwahrscheinlich, dass diese Strukturen danten, „der sich von dieser Landesregie- wiederhergestellt werden können“, sagte rung verraten und abgewickelt fühlt“. Die er. Daher dürfe ein neues Konzept nicht Hans Kreher, Theater und Orchester des Landes sind einfach auf Zwangsfusionen und Umver- FDP Kreher zufolge nicht nur ein Teil der kul- teilungen der Finanzen aufbauen. Viel- turellen Identität des Landes, sondern mehr müssten die Ressorts Kultur, Wirt- „Was ist uns Kultur wert? Welchen auch „kulturelle Leuchttürme, die weit schaft, Soziales und Agrar gemeinsam ein Wert schafft Kultur?“, fragte Hans Kreher über die Landesgrenzen hinaus strahlen“. differenziertes und zukunftsweisendes (FDP), der den Antrag seiner Fraktion zur Dieses kulturelle Fundament gelte es in Konzept zur Theater- und Orchesterförde- Theater- und Orchesterfinanzierung in der gesamten Fläche des Landes und über rung entwickeln. Seine Fraktion wolle da- den Landtag einbrachte. Der rot-roten alle Alters- und Sozialstrukturen hinweg rüber gemeinsam mit den Koalitionsfrak- Vorgängerregierung warf er vor, dieses zu entwickeln und zu stärken. tionen und mit der Linken im Kulturaus- Problem einfach ausgesessen zu haben. Selbst wenn die Landesregierung von ei- schuss beraten. „Für die Theater tragen Die nun vorliegenden Vorschläge des Bil- ner Verstetigung der Mittel spreche, wer- wir alle Verantwortung“, betonte Kreher.

LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 7/2008 11 AUS DEM PLENUM / DEBATTENAUSZÜGE

Minister Henry Tesch: Das Innenministerium als oberste Rechts- aufsichtsbehörde wird dies bei den Ent- „Künstlerische Qualität durch scheidungen zu den Haushalten der unter ihrer Aufsicht stehenden Kommunen be- tragfähige Strukturen sichern“ rücksichtigen und den unteren Rechtsauf- sichtsbehörden Hinweise für die Prüfung der von ihnen beaufsichtigten kreisange- hörigen Gemeinden geben.

Bei der Erarbeitung des Konzeptes waren folgende Rahmenbedingungen zu be- rücksichtigen: Fotos: Cornelius Kettler Erstens […] Mit den Einwohnerzahlen sin- ken auch die Mittel aus dem länderüber- greifenden Finanzausgleich, der derzeit rund 2.400 Euro pro Jahr und Einwohner ausmacht. Zweitens […]: Der Rückgang der Einnah- men aus dem Solidarpakt II wird bis 2020 circa zwei Milliarden Euro betragen. […] „Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten gung stehenden Finanzmitteln tragbar ist Der dritte Punkt: […] Im Ländervergleich Damen und Herren Abgeordnete! für unser Bundesland […] In diesem fällt der Anteil der öffentlichen Ausgaben In Mecklenburg-Vorpommern werden Zusammenhang hat das Kabinett am für Theater und Musik am Bruttoinlands- zurzeit vier Mehrspartentheater – Musik- 26. August 2008 einstimmig das Diskus- produkt in Mecklenburg-Vorpommern theater mit Oper, Operette, Musical, Bal- sions- und Eckpunktepapier der Landesre- mit 0,24 Prozent deutlich höher aus als in lett, Schauspiel, Konzertwesen mit einge- gierung zur Weiterentwicklung der Thea- anderen finanzschwachen Flächenlän- bundenen Orchestern –, drei Einsparten- ter- und Orchesterstrukturen in Mecklen- dern […] theater und zwei Bespieltheater ohne ei- burg-Vorpommern 2010 bis 2020 be- Vierter Punkt muss die gesamte Kulturför- genes Ensemble betrieben. Das künstleri- schlossen. […] derung in Mecklenburg-Vorpommern be- sche Leistungsniveau der Theater und Or- Noch am gleichen Tage habe ich mich zu rücksichtigt werden: […] Der Anteil der chester in Mecklenburg-Vorpommern fin- einem ersten Gespräch mit der Gewerk- Theater- und Orchesterförderung beträgt det bundesweit Beachtung. […] schaft der Mitglieder der professionellen dabei rund 53 Prozent dieser Ausgaben Träger der Theater sind die jeweiligen Kulturorchester, Rundfunkchöre und Big- […] Mehr als die Hälfte der Kulturausga- Kommunen. […] Sie sind dafür verant- bands in Deutschland und der Deutschen ben des Landes fließen also in diesen ex- wortlich, welches und wie viel Theater Orchestervereinigung getroffen […] Und ponierten Bereich. Es ist auch weiter un- vorgehalten und angeboten wird. Und ich es hat erste Gespräche mit den Theater sere Aufgabe, die Balance zwischen den weise darauf hin, dass jedes Jahr knapp tragenden Kommunen aus dem Kulturko- einzelnen Kulturbereichen zu halten […] 36 Millionen Euro aus Mitteln des Finanz- operationsraum I und II* an dem Tag und ausgleiches FAG kommen. am Folgetag gegeben. […] Und, meine sehr geehrten Damen und Und das ist seit 1997 gesichert worden. Herren, trotz der weiterhin notwendigen Auch die Zuweisungen der einzelnen Die Landesregierung betrachtet die Siche- Haushaltskonsolidierung, trotz sinkender Kommunen sind in den letzten Jahren rung einer hohen künstlerischen Qualität Einnahmen verpflichtet sich das Land, sei- weitgehend stabil geblieben […], und die des Theater- und Konzertwesens durch nen Beitrag zur Förderung der Theater- Haushaltslage der Theater tragenden tragfähige personelle und finanzielle und Orchesterlandschaft bis 2020 auf die- Kommunen ist angespannt. Strukturen als einen wichtigen Schwer- sem Niveau von 35,8 Millionen Euro zu punkt der Kulturförderung. Sie wird daher halten. Die Landesregierung unterstreicht […] Bei einer Fortführung der Betriebe den Vorwegabzug im Finanzausgleichs- damit nachhaltig die Bedeutung, die sie wie bisher […] ist eben die Theater- und gesetz Mecklenburg-Vorpommern Para- den Theatern und Orchestern, der Kultur Orchesterlandschaft in Mecklenburg- graf 10 c für die Theater tragenden Kom- in diesem Land beimisst, und nimmt ihre Vorpommern in der jetzigen Qualität und munen bis zum Jahr 2020 mit jährlich Verantwortung für die Schaffung der mit den vorhandenen Mitteln des Landes 35,8 Millionen Euro verstetigen. […] Rahmenbedingungen zur Weiterentwick- und der Kommunen einschließlich eigener Die Landesregierung geht davon aus, dass lung der Theater- und Orchesterland- Einnahmen langfristig nicht zu sichern […] die Theater tragenden Kommunen sich schaft in Mecklenburg-Vorpommern aus- angemessen an der Finanzierung ihrer drücklich wahr. […] Herzlichen Dank.“ Gemäß Koalitionsvertrag Ziffer 199 soll Einrichtung beteiligen. Das bedeutet min- die Theater- und Orchesterlandschaft des destens […] eine Höhe von 50 Prozent * Nach den Plänen der Regierung soll es Landes so strukturiert werden, dass sie ih- der jeweiligen fixen Landesanteile aus im Land künftig zwei Kulturkooperations- rer kulturpolitischen Bedeutung gerecht Grundbetrag und Einwohnern in der räume mit je einem Mehrspartentheater wird und langfristig mit den ihr zur Verfü- Theaterregion. und einem Orchester geben.

12 7/2008 LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern AUS DEM PLENUM / DEBATTENAUSZÜGE

haben keine andere Alternative, wir se- Dr. Klaus-Michael Körner, SPD: hen keinen anderen Weg, aber ich bitte um Verständnis, wenn wir das nicht öf- „Der gegenwärtige Status fentlich sagen. Und wenn sie dann vor die ist nicht zu erhalten“ lokale Presse treten, dann sagen die glei- chen Personen etwas anderes, dann las- sen sie den Kommunalpolitiker raushän- gen und sagen, keine Veränderung für uns, wir wollen unbedingt unseren Stand- ort erhalten. […]

Das, was die Tanzkompanie Neustrelitz Foto: Cornelius Kettler macht, begrüße ich außerordentlich, und Sie wissen, ich komme aus Neustrelitz und ich war damals Gründungsmitglied […]. Es tut mir furchtbar weh, aber ich sehe keine Alternative. Und was Herr Bordel in Anklam macht, das verdient allerhöchste Anerkennung, nicht nur im künstlerischen Bereich, son- dern auch im sozialpädagogischen Be- […] Aus meiner Sicht ist dieses Thema hat, mit dem man sich auseinandersetzen reich, alle Achtung. von Finanzen nicht loslösbar und ich muss kann, an dem man sich auch reiben kann. in diesem Raum wohl nicht extra noch […] Im Konzept der Landesregierung ist (Beifall bei Abgeordneten einmal unterstreichen, wie sich die finan- auch noch eine Alternativrechnung vor- der Fraktionen zielle Situation des Landes bis zum Jahr gestellt, dass man sagt, wir versuchen der SPD, CDU und DIE LINKE – 2020 darstellt. Ich gehe davon aus, dass noch einen weiteren Weg vorzuschlagen, IreneDr. Müller Wolfgang (PDS): Methling, DIE LINKE: alle Abgeordneten wissen, dass sich die nämlich die Bildung eines Landesorches- Stimmt.) Einnahmesituation des Landes bis dahin ters. Sie wissen alle, dass die Orchester der drastisch reduzieren wird aus den be- teure Teil bei der Gesamttheaterland- […] Ich habe auch mit Parchimer Künst- kannten Gründen Solidarpakt II, Länderfi- schaft sind. Deshalb hat die Landesregie- lern geredet. Sie wollen natürlich sagen, nanzausgleich. […] rung gesagt […] wir bilden ein Landesor- wir wollen das beibehalten. Und es ergibt Vor diesem Kontext ist es natürlich eine chester. Das ist das Teuerste, das über- sich in meinen Augen so etwas wie ein äußerste Anstrengung des Landes, hier nehmen wir mit 150 Musikern und damit Pseudokonzept, dass insbesondere die eine Mittelzuweisung von 35 Millionen sind […] die Kommunen erst einmal ent- Einspartenhäuser mittlerweile dahin ten- Euro als Landesmittel für die Theater für lastet. Bisher habe ich noch niemanden dieren, dass sie sagen, was wir machen, die nächsten zwölf Jahre zu verstetigen. gehört, der dieses unterstützt hat. Aber das ist phantastische Arbeit. Wir haben Das sind zwei Bewegungen, die nicht pa- immerhin muss man der Landesregierung ein Kosten-Nutzen-Verhältnis, also Besu- rallel laufen. Das ist eine Bewegung, die zugute halten, sie hat sich bemüht, hier cherzahlen im Verhältnis zu den finanziel- eindeutig für die Kultur läuft. einen Weg zu finden, der dauerhaft dazu len Aufwendungen. führen würde, dass die Kommunen die (Dr. Armin Jäger, CDU: zugestandenermaßen geringeren Kosten (Dr. Armin Jäger, CDU: Ja, ja.) Ja, das stimmt so. – für Schauspiel- und Musiktheater selbst Zurufe von Ministerin Sigrid Keler dauerhaft tragen könnten. […] […] Wir werden nicht alles weiterfinanzie- und Minister Henry Tesch) ren können. Aber wir müssen nach Mit- Ich war in den letzten zwei Wochen viele, teln und Wegen suchen, dass in Parchim, Sie alle wissen, dass wir, wenn wir den ge- viele Stunden unterwegs im Land, habe Anklam und so weiter auch weiterhin Kul- genwärtigen Status der Theater- und Or- mit […] Intendanten sowie […] Kommu- tur möglich ist. chesterlandschaft erhalten wollen bis zum nen geredet, und ich machte folgende Jahr 2020, enorme finanzielle Zuwächse Wahrnehmung: Hinter verschlossenen Ist das denn Ihr Konzept, dass Sie sagen, haben. Sie wissen, dass der gegenwärtige Türen sagen einem Kommunalpolitiker, wir müssen die Orchester platt machen Status, also vier Mehrspartenhäuser, drei sagen einem Intendanten, dieses Konzept und das Geld nutzen, um im Land flä- Einspartenhäuser, zwei Bespieltheater, ist alternativlos. chendeckend zu werden? Regionalliga ist nicht zu erhalten ist, ohne dass das Land auch nicht schlecht. Dann haben wir eben im zweistelligen Bereich Mittel drauflegt. (Dr. Armin Jäger, CDU: im Land nur noch eine Regionalliga und Das wissen Sie. […] Ja, das hör ich auch. keine Landesliga mehr. Bundesliga findet Genau das hör ich auch.) dann nur noch während der Festspiele Ich bin schon sehr dankbar, dass das Mi- statt. […] nisterium endlich ein Konzept vorgelegt Hinter verschlossenen Türen sagen sie, wir

LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 7/2008 13 AUS DEM PLENUM / DEBATTENAUSZÜGE

Ich habe deutlich gemacht, dass es ein Land macht, interessiert uns nicht, dann sagen. Aber dann stellt sich die Frage: Konzept der Einsparungen und auch ein wird dieses Konzept scheitern. […] Wie gehen wir mit diesem Papier der Lan- Konzept der ganz klaren Einschnitte gibt. desregierung weiterhin um? […] Es gab Was heißt rund? Aber die Frage lautet, (Heike Polzin, SPD: Ja.) zwischen 1998 und 2008 kein Konzept, gibt es Alternativen? Auch wenn hier ei- was mir bekannt ist. Es gab sicherlich nige Abgeordnete im Kreistag dieses und […] aber ich kann nur nach dem Prinzip Überlegungen in den Ministerien, wie jenes machen, ich stehe nicht dafür. Mög- gehen: „Leben und leben lassen.“ Es man das weitermachen kann […] Es gab licherweise kennen Sie die Gesamtsituati- kann doch nicht danach gehen, dass jeder in der letzten Legislaturperiode natürlich on noch nicht so deutlich, wie ich sie als nur sagt, ich will leben und das Land soll die Bemühungen – Entschuldigung in kulturpolitischer Sprecher kenne. Wir geben, und was woanders passiert, dass Richtung Haus –, ein solches Konzept zu werden uns auseinanderzusetzen haben interessiert mich nicht. Das funktioniert erarbeiten. Damals mit dem sicherlich gu- und an diesem Punkt, denke ich, kann je- doch nicht. ten Vorschlag, wir nehmen alle Beteiligte der lernfähig sein. […] an einen Tisch, reden gemeinsam und (Beifall bei Abgeordneten dann wird am Ende etwas rauskommen. Ich sehe teilweise bei den verantwortlichen der Fraktion der SPD – Es gab die so genannte Intendantenkon- Kommunalpolitikern und bei den Kultur- Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: ferenz. Da waren die Intendanten, die schaffenden […] eine unterschiedliche Äu- Das ist richtig. – Vertreter der Orchester und Theater, die ßerung dergestalt, dass sie hinter ver- Heike Polzin, SPD: Ja, ja! – Geschäftsführer und Politiker am Tisch. schlossenen Türen sagen, ja, wir haben Zuruf von Torsten Koplin, DIE LINKE) Diese Gesprächsrunden, die mehrfach an- kein Alternativkonzept und das, was das gesetzt wurden, gingen aus wie das Land vorschlägt, ist so falsch nicht, aber öf- […] Ich habe deutlich wahrgenommen: Hornberger Schießen. Es ist nichts heraus- fentlich anders votieren. Das kann […] da- […] das Ministerium führt Gespräche mit gekommen. Es ist gar nichts herausge- zu führen, dass mangels Blick über den lo- den Theater tragenden Kommunen, die kommen. […] kalen Tellerrand dieses Konzept scheitert. auch erforderlich sind. Ich mache das und Wenn alle Lokalpolitiker und alle Intendan- jeder kulturpolitische Sprecher kann das (Jörg Vierkant, CDU: Richtig.) ten weiterhin öffentlich sagen, wir schau- für sich natürlich auch tun. Damit wird en nur auf unseren Standort und was das man in der Regel klüger, das kann ich nur Danke schön.“

Torsten Koplin, DIE LINKE: Sicht ein eigentümliches Demokratiever- ständnis. Ich bin sehr dafür und halte es „Was politisch gewollt wird, auch für unabdingbar, dass wir ins Thea- das wird auch bezahlt“ ter gehen, dass wir uns für Kunst und Kul- tur interessieren und auch auf diese Art und Weise Solidarität mit den Künstlerin- nen und Künstlern zeigen beziehungs- weise Interesse an ihrer Arbeit dokumen- tieren. Aber wenn wir einander die Be- rechtigung absprechen, nur wenn dieses oder jenes gegeben ist, sich zu gesell- Foto: Cornelius Kettler schaftlichen Prozessen und Themenstel- lungen zu äußern, dann halte ich das für sehr zweifelhaft […]

Sie sagen, wir verstetigen die Mittel bis 2020 mit 35,8 Millionen Euro, und ver- kaufen das als Erfolg. Das ist ein zweifel- hafter Erfolg. Nein, nein, nein, nein, ich bezeichne das nicht als Erfolg. Ich will Ih- „Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen Unsere Arbeitsthesen, Herr Dr. Körner, nen auch sagen, warum: Sie betrachten und Herren! Was ich zu diesem Thema zu lasse ich auch von Ihnen nicht verun- nämlich nicht mit die Geldentwertung bis sagen habe, habe ich auf diese beiden glimpfen. Ich werde darauf noch einge- 2020 […] Bei einer Inflationsrate, unter- Eintrittskarten geschrieben. hen. Ich zeige sie deshalb, weil der Bil- stellt von zwei Prozent, das ist beträchtlich dungsminister in der Pressekonferenz am unter dem, was zurzeit die Inflationsrate (Angelika Gramkow, DIE LINKE: 26. August gesagt hat: Wer sich dazu äu- ausmacht, sind die 35,8 Millionen Euro Frage doch mal, wer in den letzten ßert, soll seine Billetts daneben legen. […] im Jahr 2020 nur noch 28,1 Millionen Wochen im Theater war! – Und erst habe ich gedacht, auf den Un- Euro wert. Sie geben also den Theatern Dr. Klaus-Michael Körner, SPD: sinn musst du nicht unbedingt eingehen, und Orchestern weniger Geld, weniger Ist ja ein tolles Konzept.) aber dahinter versteckt sich aus meiner Geld auf lange Sicht gesehen. […]

14 7/2008 LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern AUS DEM PLENUM / DEBATTENAUSZÜGE

Ein zweiter Punkt ist die Behauptung, das und dort angesiedelt werden. Aber im auch bezahlt […] Wir brauchen eine res- halte ich auch für widersprüchlich, dass es gleichen Atemzug muss man auch erklä- sortübergreifende Förderung. Wir brau- sich hier bei diesem Dokument der Lan- ren, dass es sich bei diesem Eckpunkte- chen ein Investitionsprogramm für Kultur- desregierung um ein Diskussionspapier und Diskussionspapier um die Streichung bauten. Investitionen in Kulturbauten sind handelt. Herr Tesch und Herr Caffier, Sie von 180 Arbeitsplätzen von Künstlerinnen Investitionen, wie sie im Buche stehen, hatten in der Pressekonferenz am 26.08. und Künstlern handelt. wie in anderen Bereichen, im gesellschaft- gesagt, dass ist unser Eckpunkte- und Dis- lichen Leben, in der Wirtschaft. kussionspapier. Über zwei Dinge lassen (Beifall bei Abgeordneten wir nicht mehr mit uns reden: erstens der Fraktion DIE LINKE – Abschließend, sehr geehrte Damen und übers Geld und zweitens über die Fusio- Angelika Gramkow, DIE LINKE: Richtig.) Herren, möchte ich verweisen auf eine nen. Ja, über was wollen Sie dann noch re- sehr bemerkenswerte Laudatio oder auf den? Was ist denn nun noch Verhand- Das hat die Dimension eines mittelständi- die Antwort auf die Preisverleihung von lungsmasse? Was ist Gestaltungsspiel- schen Unternehmens. Sind diese Arbeits- Uwe Tellkamp, der vor einigen Tagen den raum? Das ist etwas eigenartig. […] plätze weniger wert? Verdienen diese Ar- „Uwe-Johnson-Preis“ in Neubrandenburg beitsplätze keine Würdigung? […] Und wer verliehen bekommen hat vom „Nordku- Der dritte Punkt, den ich für sehr wider- heute Theater schleift, braucht morgen rier“ und von der Literaturgesellschaft. Er sprüchlich halte […] Da begrüßt Frau Ke- mehr Geld für Projekte gegen Rechts. […] hat gesagt: „Wir leben in einer kultur- ler in dieser Woche völlig zu Recht 220 Ar- Und nun zu den Alternativen: Wenn wir fremden Gesellschaft. Eine kulturfremde beitsplätze im Finanzamt Neubranden- sagen, wir wollen mehr Geld für Kunst Gesellschaft ist schlimmer als eine kultur- burg und sagt, das hat die Dimension ei- und Kultur haben, dann lasse ich das nicht feindliche Gesellschaft.“ nes mittelständischen Unternehmens. verunglimpfen. Manchmal ist es so, dass […] Die Frage ist, ob wir uns anheften las- Und das ist eine Tatsache. Ich finde es gut, man mehr Geld in die Hand nehmen muss sen wollen, eine kulturfremde Gesell- dass die Arbeitsplätze erhalten bleiben […] Was politisch gewollt wird, das wird schaft zu sein?“

Jörg Vierkant, CDU: Der Minister wies schon darauf hin, 53 „Es muss über Strukturveränderungen Prozent der Kulturausgaben Mecklen- burg-Vorpommerns fließen in die Theater- gesprochen werden“ und Orchesterfinanzierung. Allein durch die zu erwartenden Tarifsteigerungen würden laut Hochrechnung für den jetzi- gen Personalbestand in den nächsten zwölf Jahren 17 Millionen Euro plus x Kos- tenerhöhung in den Theaterbetrieben einzuplanen sein und die Solidarpakt-II- Foto: Uwe Balewski Mittel werden bis dahin auf Null zurück- gefahren. Das sind Fakten, das sind harte Fakten.

Es muss Sie, meine Damen und Herren der Linksfraktion, ja sehr schmerzen, dass nun gerade die Große Koalition mit einem CDU-Bildungs- und Kulturminister in die- sem Bereich tätig wird und verantwortlich „Frau Präsidentin! Meine sehr geehr- strukturelle Veränderungen. Wir sind je- handelt. Aber müssen Sie deshalb die Fak- ten Damen und Herren! Die Große Koali- doch Geldgeber. Als solcher stehen wir in ten, so, wie sie nun einmal sind, auch tion in Mecklenburg-Vorpommern der 5. der Verantwortung und wir stehlen uns da gleich noch als kulturpolitisches Blend- Legislaturperiode ist die erste in unserem nicht raus. Zu dieser Verantwortung ge- werk bezeichnen, so, wie Sie es in der ver- Bundesland, die sich langfristig verpflich- hört, dass wir uns Gedanken darüber ma- gangenen Woche getan haben? Das ist tet, 35,8 Millionen Euro für die Theater chen, ob und wie mit den von uns zur Ver- unredlich. Sie setzen jeden Abend eine tragenden Kommunen bis zum Jahr 2020 fügung gestellten Mitteln langfristig Thea- Maske auf und spielen, wie die Rolle es bereitzustellen. Die Theater- und Orches- ter- und Orchesterangebote in hoher Qua- verlangt: „Theater, Theater, der Vorhang tereinrichtungen befinden sich ausnahms- lität vorgehalten werden können. Zu die- geht auf, dann wird die Bühne zur Welt.“ los in kommunaler Verantwortung bezie- ser Verantwortung gehört auch, dass wir Das ist wie ein Rausch. hungsweise Trägerschaft. alle Beteiligten natürlich darauf hinweisen müssen, dass die Einwohnerzahlen sinken (Zurufe von Dr. Wolfgang Methling, Das Land ist derzeit in keinem Falle an der und somit die Mittel aus dem länderüber- DIE LINKE, Trägerschaft beteiligt und hat somit keine greifenden Finanzausgleich. und Udo Pastörs, NPD) direkte Entscheidungskompetenz für

LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 7/2008 15 AUS DEM PLENUM / DEBATTENAUSZÜGE

Mir scheint, der eine oder andere hier ver- gehört, dass sie nun endlich einmal wis- Sind zwei A- und zwei B-Orchester künf- wechselt das Parlament mit einer Bühne. sen, woran sie sind, dass sie nun endlich tig langfristig für unser Land leistbar? einmal mit einer zugesicherten Summe Schleswig-Holstein hat beispielsweise (Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: rechnen können. Und dies hat die Große nicht ein einziges A-Orchester. Sie schaffen das auch. – Koalition ermöglicht. Dafür brauchen wir Udo Pastörs, NPD: Das ist keine jedoch nicht die Anträge von der LINKEN (Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig. – Ahnungs-, sondern Machtlosigkeit.) und der FDP. Andreas Bluhm, DIE LINKE: Da liegt ja auch Hamburg dazwischen.) Aber wir alle sitzen hier in einem Parla- Es gibt bereits einen Kabinettsbeschluss ment und haben Verantwortung, und mit entsprechenden Eckpunkten und Vor- Und wenn wir nun schon Fragen stellen, zwar Verantwortung dem Bürger gegen- schlägen zur Entwicklung und darüber frage ich auch, warum Schwerin ein Ein- über. Theater ums Theater! Ich kann ver- werden wir reden. spielergebnis von 22 Prozent und Rostock stehen, sehr geehrte Damen und Herren eines von sage und schreibe nur acht Pro- von der Fraktion DIE LINKE, wenn Sie Mas- Und im Gegensatz zu Ihnen von der LIN- zent hat. ken brauchen bei der Aufführung Ihres KEN vertrete ich schon die Auffassung, Stückes „Alles ist bezahlbar“. dass selbstverständlich auch über Struk- Der Frust, der aufgrund des letztgenann- turveränderungen gesprochen werden ten Beispiels bei den Theater- und Orches- (Udo Pastörs, NPD: Ja, wir muss. Ich denke, es ist dringend geboten, terschaffenden im östlichen Landesteil da- verkaufen auch noch was.) sowohl vorhandene Strukturen zu vernet- rüber entstanden ist, ist für mich mensch- zen als auch zu straffen. Dies kann so- lich nachvollziehbar. „Theater, Theater, Bei so viel Unredlichkeit würde ich selbst wohl qualitative als auch finanzielle Sy- gehasst und geliebt, Himmel und Hölle auch rot und würde mein Gesicht verste- nergien freisetzen. zugleich, alles ist nur Theater und ist doch cken wollen. auch Wirklichkeit.“ Da halte ich mich lieber an der Wahrheit Sicher, Theater und Orchester dürfen nicht und das sind die Fakten, die ich Ihnen eben nur unter einer ausschließlich fiskalischen Auch das ist Wirklichkeit, sehr geehrte Da- benannt habe. Zu dieser Wahrheit gehört, Weise betrachtet werden, aber ganz ohne men und Herren von der linken Seite. Ich dass ich selbstverständlich keinen Jubel- geht es jedoch auch nicht. Ein Theater ist glaube, Sie stecken noch immer in der schrei und freudiges Jauchzen von den ein Unternehmen, das Abendunterhal- Schublade, in die Sie im Jahr 2000 das Theater- und Orchestermitarbeitern erwar- tung verkauft. Da bin ich ganz nahe bei Dümcke-Gutachten versenkt haben, ein tet habe, denn natürlich ist diese festge- Brecht. Gutachten, in welchem viele Strukturvor- schriebene Summe zwar auf einem hohen schläge gemacht wurden und Sie keinen Niveau, aber eben auch ein enger Hand- (Zuruf von Dr. Wolfgang Methling, einzigen davon auch nur ansatzweise be- lungsrahmen. Dieser Rahmen lässt realisti- DIE LINKE) sprochen beziehungsweise umgesetzt ha- scherweise keine Träumereien zu. Ja, wahr- ben. scheinlich sind auch Seifenblasen zerplatzt, Und selbstverständlich müssen wir dann Dann hätten Sie nämlich mit Wahrheiten doch waren nicht wir es, die diese mit ho- auch einmal die Frage stellen dürfen, ob agieren müssen und das können Sie nicht. hen Erwartungen ins Land geblasen haben. es denn solidarisch ist, wenn wir uns zwei Sie brauchen die Bühnen und die Masken, Bei unseren Gesprächen vor Ort, meine A- und zwei B-Orchester leisten. Das, Herr aber in diesem Hause ist beides nicht ver- Damen und Herren, haben wir von vielen Kreher, ist die Schieflage, die ich erkenne. fügbar. – Vielen Dank.“

Raimund Borrmann, NPD: „Betteltheater und verarmte Orchester als Leuchttürme“

„[…] Wir Nationaldemokraten stehen uneingeschränkt für den Erhalt von Or- chestern und Theatern im Land. Doch es reicht nicht, allein auf das Geld zu schie- len. Wir betrachten das Problem – viel-

Foto: Cornelius Kettler leicht auch im Gegensatz zu FDP und LINKE – in einem umfassenden Rahmen.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Das ist klar.)

[…] Hat Mecklenburg-Vorpommern als Teil Deutschlands noch eine kulturelle

16 7/2008 LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern AUS DEM PLENUM / DEBATTENAUSZÜGE

Identität? Ist es nicht längst das erklärte seit Jahren ein anglisierter geistloser stellt sehen. Leuchttürme, dieses Wort ist Ziel der herrschenden Oligarchie und da- Schreilärm unseren Rundfunk, unser Fern- Legion für gescheiterte Visionen. Keinem mit auch zur Wirklichkeit geworden, die- sehen, ja, Kaufhäuser und Supermärkte. wird es schlechter gehen, aber vielen wird se Identität unter dem Banner einer Viel- […] es besser gehen. Bürger des Landes, wo falt, die keine Gemeinschaft mehr stiften stehen Leuchttürme? Dort, wo Menschen kann, aufzulösen in Beliebigkeit? Die FDP will Betteltheater und verarmte den festen Boden unter den Füßen und Orchester als Leuchttürme die Orientierung verloren haben, wenn sie Diese Beliebigkeit mündet in Individualis- auf dem Meer bei Dunkelheit treiben. Ein mus und parasitären Egoismus. Während (Gino Leonhard, FDP: Wie schlau! Land, das Leuchttürme braucht, erklärt die Zahl von Orchestern und Theatern und Wie schlau er doch ist!) bereits, dass das Umland wie die Polder ihre Fähigkeit ästhetisch anspruchsvoller bei Anklam abgesoffen und nicht mehr zu Ausstrahlung stetig abnehmen, überflutet gegen ein gleißendes Firmament aufge- retten ist. […]“

Hans Kreher, FDP: „Bürgerschaftliches Engagement für Theater stärken“

Herr Professor Methling, auf jeden Fall nicht durch ständige Steuererhöhungen, […] sondern dadurch, dass wir uns Ge- danken machen […] wie wir Kultur, Bil- dung besser nutzen können, um eine Foto: Cornelius Kettler wirtschaftliche Dynamik hier im Land zu- stande zu bringen. […]“

Auszüge aus dem Wortprotokoll der Plenarsitzung am 26. September 2008.

„[…] Meine Damen und Herren […] die Sie sprechen auch vom lebenslangen Ler- THEATER UND ORCHESTER FDP kann keine Verlängerung des Status nen. Dann sagen Sie uns […] welche Lern- IN M-V quo wollen, denn es ist uns klar, dass so orte wir […] entwickeln wollen. Das ist […] die Theater auf Dauer auch nicht ge- doch auch Theater. […] Da gibt es zum Mehrspartentheater sichert sind. […] Beispiel das, was Herr Bordel macht. […] • Mecklenburgisches Staatstheater Herr Tesch, […] wir Liberale befürchten, Leute mit in das Theater einzubeziehen. • Schwerin gGmbH dass das, was Sie wollen, eine Abwärtsspi- […] dass sind Menschen, Bürger, Bürge- • Volkstheater Rostock • Theater Vorpommern rale in der Theaterlandschaft einleitet […] rinnen, die sich im Theater mit engagie- • Stralsund//Putbus GmbH Wir brauchen aus unserer Sicht etwas an- ren. Es ist nicht nur […], dass die Qualität • Theater und Orchester GmbH deres. […] eines Theaters sich […] darin zeigt, wie • Neubrandenburg/Neustrelitz Wir wollen das bürgerliche Engagement viele Leute dabei sind im Theater, sondern Einspartentheater für die Theater mit fördern […] Hier sind es zeigt sich […] auch daran […] was wir • Mecklenburgisches Landestheater in Schwerin, in Rostock, in Greifswald, in hier vor dem Schloss jeden Sommer erle- • Parchim Neustrelitz, in Neubrandenburg, in Par- ben, die Hotels besser ausgelastet wer- • Vorpommersche Landesbühne chim oder wo auch immer, Leute, die sich den. […] das ist etwas, was […] im Bereich • Anklam GmbH für ihr Theater einsetzen, in Förderverei- der Wirtschaft noch stärker mit zu berück- • Stiftung Deutsche Tanzkompanie nen, […] durch Stiftungen. Wenn wir das sichtigen ist. […] • Neustrelitz durch das Land noch belobigen, […] dann Natürlich wollen wir […] keine […] unver- Bespieltheater werden die Mittel aus der Bevölkerung, antwortliche Neuverschuldung unseres • Theater der Hansestadt Wismar […] mit denen des Landes und vielleicht Landes. […] Deshalb haben […] müssen • Ernst-Barlach-Theater Güstrow der Kommunen verbunden. […] wir uns Gedanken machen, wie wir das Zweitens: Einbeziehung von Kindern und bürgerliche Engagement […] stärker mit Jugendlichen. Das ist etwas, was wir alle einbeziehen. wollen, und zwar die Qualität unserer Bil- (Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Sagen dung verbessern. Und da können Theater Sie mal, woher Sie das Geld hernehmen eine […] große Rolle einnehmen […] dazu.)

LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 7/2008 17 AUS DEN AUSSCHÜSSEN

merkwürdige Situation hin, dass aktuell mit dem Tourismuskonzept des Landes EU-Ausschuss vor allem die größten Profiteure der euro- Mecklenburg-Vorpommern unvereinbar. der Regionen päischen Einigung den weiteren Weg zu Zum anderen würden Kohlekraftwerke einem gemeinsamen Europa blockierten. hohe CO2-Emissionen verursachen und damit die Ziele des Energie- und Klima- Schweriner Abgeordneter trifft programms der Bundesregierung gefähr- irischen Premierminister den. Zudem seien durch die Emissionen Steinkohlekraft- des Kraftwerkes schützenswerte Natur- räume bedroht. Schließlich sind nach Auf- Am Rande einer internationalen werk Lubmin fassung der Kraftwerksgegner regenerati- Konferenz im irischen Athlone Ende ve Energieträger besser geeignet, September hat der Vorsitzende des Öffentliche Anhörung der Deutschlands Energieversorgung langfris- Europa- und Rechtsausschusses im Kraftwerksgegner im Wirtschafts- tig sicherzustellen. Landtag Mecklenburg-Vorpommern, ausschuss Der Wirtschaftsausschuss nimmt die Be- Detlef Müller, mit dem irischen Pre- fürchtungen der Kraftwerkskritiker sehr mierminister Brian Cowen Fragen der ernst. Bereits im Januar 2008 haben sich Unterstützung kleiner und mittlerer Arbeitsplätze und Gewerbesteuern die Abgeordneten mit der Problematik Unternehmen erörtert. oder Umweltbelastung und Touris- auseinandergesetzt und im Rahmen einer musbremse – die Meinungen zum Bau Anhörung Wissenschaftler von Universi- Irland gilt hier europaweit als Vorbild. Die eines Steinkohlekraftwerkes in Lub- täten und Forschungseinrichtungen, den irische Wirtschaft erzielte in den letzten min gehen weit auseinander. Die Investor Dong Energy, Vertreter der Ge- Jahren beeindruckende Wachstumsraten, Kraftwerksgegner haben mit ihrer meinde Lubmin, der Energiewirtschaft so- die konstant zu den höchsten in Europa ge- Volksinitiative „Kein Steinkohlekraft- wie des Hotel- und Gaststättenverbandes hören. Damit hat es Irland in einer bemer- werk in Lubmin“, die über 30.000 Bür- M-V nach ihrer Sicht zu dem geplanten kenswerten Aufholjagd in rund 15 Jahren gerinnen und Bürger unterzeichnet Kraftwerk befragt. Nach der nunmehri- von einem der ärmsten zu einem der hatten, das Thema zur erneuten Bera- gen Anhörung der Vertreter der Volksini- reichsten Länder Europas geschafft – ein tung in den Landtag gebracht. tiative hat der Ausschuss alle Argumente Modell auch für Mecklenburg-Vorpom- bewertet und schlägt dem Landtag in der mern, so die Einschätzung von Detlef Nach einer kontroversen Debatte im Ple- Oktobersitzung vor, den Antrag der Volks- Müller. num am 3. Juli (LandtagsNachrichten be- initiative abzulehnen. Die Diskussion in- Das Gespräch fand während einer zweitä- richteten) wurde der Antrag zur weiteren nerhalb des laufenden rechtsstaatlichen gigen Konferenz der Fachkommission für Beratung in den Wirtschaftsausschuss, Genehmigungsverfahrens spiegle sich Wirtschafts- und Sozialpolitik im Aus- den Agrarausschuss und den Verkehrs- durch die ca. 9.000 vorliegenden Einwän- schuss der Regionen der Europäischen ausschuss überwiesen. de wider, die in den bevorstehenden An- Union statt. Die Kommission traf sich im Gleich nach der parlamentarischen Som- hörungsverfahren ab dem 28. Oktober 120 Kilometer westlich von Dublin gele- merpause hat der Wirtschaftsausschuss Berücksichtigung finden würden. Das genen Athlone. Müller ist Mitglied der am 10. September in einer öffentlichen Vorliegen dieser Einwände bestätigt aus Fachkommission, die die Interessen der Anhörung den Initiatoren der Volksinitia- Sicht des Ausschusses die Transparenz des Regionen Europas gegenüber der Euro- tive Gelegenheit gegeben, das Anliegen Genehmigungsverfahrens. Für eine politi- päischen Kommission vertritt. Beide Poli- ihres Antrages zu erläutern. sche Einflussnahme auf das Verfahren tiker diskutierten auch das gescheiterte Die Vertreter der Volksinitiative stützten sieht der Ausschuss deshalb weder eine Referendum der Iren zum Vertrag von Lis- sich in ihrer Argumentation auf drei zen- Möglichkeit noch eine Notwendigkeit. sabon. Müller wies auf die aus seiner Sicht trale Punkte. Zum einen sei das Kraftwerk

Anhörung im Agrarausschuss Anfang des Jahres erneut öffentliches In- Ich fände es erfreulich, wenn die gewon- Als Rostocker „Stadtkind“ war ich bisher teresse erlangt hatte. Überraschend ein- nenen Übereinstimmungen parteienüber- froh über die Erkenntnis, dass Kühe nicht stimmig fiel die Einschätzung der Fach- greifend zu einer schnellen Optimierung lila sind. Auf dieser guten Grundlage leute aus: Die Küstendynamik sei ein des Küstenschutzes genutzt würden. wollte ich nun in Schwerin im Sekretariat wichtiger natürlicher Prozess, in den man des Agrarausschusses des Landtages aufgrund der weitreichenden Folgen nur Peer Klüßendorf mein Wissen erweitern. sorgfältig an besonders bedeutsamen Mein Praktikum bot mir nicht nur eine Stellen eingreifen solle. Dafür müsse der gute Vorbereitung auf mein Politikwis- bewährte Generalplan Küsten- und senschaftsstudium, sondern auch einen Hochwasserschutz des Landes von 1994 Einblick in ökologische Themen, mit de- den neuen Erkenntnissen und techni- nen ich eher wenig vertraut war. Wie der schen Möglichkeiten, wie zum Beispiel Steilküsten in M-V „Sicherung von Steilküsten an der Küste dem Monitoring, angepasst werden. des Landes M-V“, die am 18. September Auch die Einrichtung einer Expertenkom- in einer öffentlichen Anhörung des mission sei sinnvoll. Agrarausschusses thematisiert wurde. Von den kompetenten Vorträgen schie- Der Rostocker Abiturient (Note 1,1) absolvierte im Vier geladene Experten referierten über nen auch die Abgeordneten überzeugt September ein zweiwöchiges Praktikum im Landtag die Problematik des Küstenschutzes, die zu sein. Einhellig forderten sie die Über- und studiert seit 1. Oktober Politikwissenschaft und nach den Kreideabbrüchen auf Rügen arbeitung des Generalplanes. Philosophie an der Universität Rostock.

18 7/2008 LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern LANDESREGIERUNG

Erwin Sellering ist neuer Ministerprä- sident von Mecklenburg-Vorpom- Landtag wählt neuen mern. Der Landtag wählte den 58-jäh- rigen gebürtigen Westfalen am 6. Ok- Ministerpräsidenten tober zum Nachfolger von Dr. Harald Ringstorff. Erwin Sellering löst Harald Ringstorff ab Foto: Jens Koehler

Landtagspräsidentin Sylvia Bretschneider vereidigt den neuen Ministerpräsidenten Erwin Sellering.

Ringstorff war am 4. Oktober aus Erwin Sellering, dessen Kabinett drei Foto: Cornelius Kettler Altersgründen aus dem Amt ausgeschie- neue Minister angehören, kündigte den. Der neue Ministerpräsident, bislang die Fortsetzung der Großen Koaliti- Sozialminister, erhielt 40 Stimmen. Von on an, in der es „sehr gut“ laufe. Als 71 Abgeordneten waren 69 anwesend, politische Schwerpunkte nannte er es gab eine ungültige Stimme und 22 Ent- den weiteren wirtschaftlichen Auf- haltungen. Somit votierten nicht alle bau, eine „vernünftige“ Finanzpoli- 45 Mitglieder der SPD/CDU-Koalition für tik und die Stärkung der Chancengleich- telbar nach seiner Wahl zum neuen Minis- den neuen Regierungschef. NPD-Frakti- heit in der Bildung. Ferner sollen die alter- terpräsidenten von Mecklenburg-Vor- onschef Udo Pastörs, der ebenfalls zur nativen Energien weiter ausgebaut wer- pommern hat Erwin Sellering die Minister Wahl angetreten war, erhielt sechs Stim- den. berufen und ihnen in der Staatskanzlei die men, so viele wie die NPD Abgeordnete Ernennungsurkunden überreicht. Wäh- hat. Den Führungswechsel an der Regierungs- rend es bei der Union keine personellen Nach der Wahl legte Sellering den Amts- spitze hatte der 69-jährige Harald Ring- Veränderungen gab, gehören drei SPD- eid mit dem Zusatz „so wahr mir Gott hel- storff, der seit der Landtagswahl 2006 ei- Minister dem Kabinett erstmals an. So fe“ ab. Ringstorff, der zu den ersten Gra- ner Großen Koalition vorstand, im Som- wird die bisherige Landtagsabgeordnete tulanten zählte, überreichte seinem Nach- mer angekündigt. Mit ihm verlassen auch Heike Polzin (52) Finanzministerin, der bis- folger einen Hammer, mit dem er gegebe- Finanzministerin Sigrid Keler (66) und Ver- herige SPD-Landtagsfraktionschef Volker nenfalls auf den Tisch hauen könne. kehrsminister Otto Ebnet (64, beide SPD) Schlotmann (51) Verkehrsminister und die das Kabinett. Landtagspräsidentin Sylvia bisherige Schweriner Kommunalpolitike- Bretschneider überreichte den beiden zum rin (34) Chefin des So- Abschied gerahmte Zertifikate, die Keler zialressorts. und Ebnet zu symbolischen Eigentümern Nach ihrer Ernennung wurden alle Minis- von je einem Stern an der Decke der ter des neuen Kabinetts im Parlament ver-

Foto: Cornelius Kettler Schweriner Schlosskirche machen. eidigt. Die sechs Abgeordneten der NPD Der Regierung gehören wiederum jeweils hatten zu diesem Zeitpunkt den Plenarsaal vier Minister von SPD und CDU an. Unmit- verlassen.

LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 7/2008 19 LANDESREGIERUNG

Die neuen Mitglieder der Landesregierung

Die Landesregierung wird nicht nur von einem neuen Ministerpräsidenten geführt – ihr gehören auch drei neue Minister an. Während Verkehrsminister Volker Schlotmann und Finanzministerin Heike Polzin als langjährige Landtagsabgeordnete über große Erfahrungen in der Landespolitik verfügen, ist Sozialministerin Manuela Schwesig neu auf der landespolitischen Bühne. Foto: Rainer Cordes

Die neue Landesregierung: v.l. Verkehrsminister Volker Schlotmann, Finanzministerin Heike Polzin, Sozialministerin Manuela Schwesig, Ministerpräsident Erwin Sellering, Agrarminister Dr. , Innenminister , Wirtschaftsminister und stellv. Ministerpräsident Jürgen Seidel, Justizministerin Uta-Maria Kuder, Parlamentarische Staatssekretärin für Frauen und Gleichstellung Dr. Margret Seemann, Bildungsminister Henry Tesch.

1949 in Sprockhövel bei Bochum gebo- und zu arbeiten“, betonte der neue Re- ren, zog der Jurist 1994 mit Ehefrau Ant- gierungschef. „Nur eine gute Mann- je und den beiden Töchtern von Bochum schaft ist auf Dauer erfolgreich“, lautet nach Greifswald, wo er zunächst als Ver- sein Wahlspruch. Dabei setzt er auch auf waltungsrichter arbeitete. Im gleichen Nachwuchspolitiker, was ihm Rückhalt Jahr trat er in die SPD ein. Schon 1996 bei den Jusos verschafft. Bundesweit für wurde er Mitglied im Landesvorstand und Schlagzeilen hatte Sellering als Justizmi- seit 2007 ist er Vorsitzender des knapp nister mit seinem Vorstoß gesorgt, DNA- 2800 Mitglieder zählenden Landesver- Analysen in der Verbrechensbekämpfung bandes. Mit Erwin Sellering übt erstmals und -vorbeugung noch stärker zu nutzen. Ministerpräsident Erwin Sellering ein Politiker aus dem Westen das höchs- Zuletzt profilierte er sich mit seiner konse- te Regierungsamt in Mecklenburg-Vor- quenten Haltung zum Nichtraucher- „Wir wollen das kinderfreundlichste pommern aus. Sein Vorgänger Harald schutz sowie Forderungen zur Ost-West- Bundesland werden, und wir Ringstorff hatte den gebürtigen Westfa- Angleichung der Renten und zur umfas- wollen, dass jedes Kind eine gute, len 1998 als Abteilungsleiter in die Staats- senderen Kinderbetreuung. eine faire Chance bekommt.“ kanzlei geholt, ihn zwei Jahre später zum Justizminister gemacht und 2006 an die Schwerpunkte in der Regierungspolitik Spitze des Sozialressorts berufen. legt er eigenen Worten nach auf eine so- lide, vernünftige Finanzpolitik und eine „Unsere Chancen bestehen darin, dass gute Wirtschaftspolitik sowie auf das aus ganz Deutschland, von überall her, Thema Kinderland MV. Menschen hierher kommen und dieses Land wunderschön finden, nicht nur als Touristen, sondern auch, um hier zu leben

20 7/2008 LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern LANDESREGIERUNG

Verkehrsminister Volker Schlotmann Finanzministerin Heike Polzin Sozialministerin Manuela Schwesig

„Das Land bewegen – „Gute Finanzpolitik heißt für mich, „Ich stehe für ein Miteinander mit allen Verkehrsmitteln und durch nicht nur an die Gegenwart, der Generationen – ganz wichtige eine verantwortungsvolle Landes- sondern auch an das Morgen und Themen sind für mich das entwicklung.” Übermorgen zu denken. Kinderland MV, Chancengleichheit, Wir müssen heute sparsam sein, Mecklenburg-Vorpommern als das damit wir auch in Zukunft Gesundheitsland Nummer Eins Mit seiner Berufung zum Minister für handlungsfähig bleiben und und ein hervorragendes Angebot Verkehr, Bau und Landesentwicklung Schwerpunkte finanzieren können.“ für die älteren Menschen in Mecklenburg-Vorpommerns kehrt Volker unserem Land.“ Schlotmann gewissermaßen zu seinen be- ruflichen Ursprüngen zurück. Nach seiner Mit der Ernennung von Heike Polzin als Lehre als Binnenschiffer hatte der gebür- neue Finanzministerin setzt der neue Re- Manuela Schwesig als neue Ministerin tige Duisburger auf Rhein und Ruhr als gierungschef Erwin Sellering auf Konti- für Soziales und Gesundheit ist die Über- Steuermann gearbeitet. Die Entwicklung nuität in der Haushaltspolitik Mecklen- raschung im Kabinett von Erwin Sellering. der Schifffahrt, die ein wesentlicher Wirt- burg-Vorpommerns. Die frühere Lehrerin Nur fünf Jahre nach ihrem Eintritt in die schaftszweig im Nordosten ist, wird künf- für Deutsch und Kunsterziehung gilt als SPD rückt die 34-Jährige in die Regie- tig mit zu seinen Aufgaben gehören. besonnen und beharrlich. Nach Ansicht rungsmannschaft Mecklenburg-Vorpom- Schlotmann wohnt heute in einem Dorf Sellerings ist die 52-Jährige Garantin da- merns auf. Als Mitglied des SPD-Landes- am Salzhaff nördlich von Wismar, ist ver- für, dass der von ihrer Vorgängerin Sigrid vorstandes gehörte sie aber bereits zum heiratet und Vater dreier erwachsener Keler (alle SPD) eingeschlagene Weg der engsten Führungszirkel von Landespartei- Kinder. Haushaltskonsolidierung und des Schul- chef Sellering. Die bislang im Finanzminis- denabbaus weiter beschritten wird. terium beschäftigte Diplom-Volkswirtin ist Als langjähriger Chef der SPD-Landtags- verheiratet und Mutter eines Kindes. Zu fraktion hat er maßgeblich dafür gesorgt, Polzin, die verheiratet und Mutter zweier ihren Hobbys zählt sie Sport und Kultur. dass die von Harald Ringstorff geführten Kinder ist, war 1998 über die Landesliste Mit ihrem politischen Credo „Ich stehe für Landesregierungen seit 1998 in meist ru- der SPD erstmals in den Landtag gewählt ein familienfreundliches Schwerin“ emp- higem Fahrwasser schippern konnten. Die worden, 2002 und 2006 gewann sie das fahl sie sich bereits für ihre neue Aufgabe. Fraktion trug loyal alle Entscheidungen Direktmandat in ihrem Wahlkreis Nord- Bisher machte sich Schwesig, die 1974 in der Regierung mit. Der Aufstieg Schlot- westmecklenburg I. Seit 2002 ist sie stell- Frankfurt (Oder) geboren wurde und in manns auf die Regierungsbank gilt auch vertretende Fraktionschefin. Ihr bisheriges Königs Wusterhausen bei Berlin studierte, als Lohn dieser Arbeit. Betätigungsgebiet war die Bildungspoli- vor allem als Fraktionsvorsitzende in der tik. Sowohl mit der Linken, die acht Jahre Schweriner SPD-Stadtfraktion einen Na- Der heute 51-Jährige war nach dem Be- lang Regierungspartner der SPD in men. 2004 war sie in das Stadtparlament such der Sozialakademie Dortmund und Schwerin war, als nun auch mit der CDU gewählt worden, im Oktober 2007 über- einem Politikstudium in Hamburg 1988 handelte sie Reformen für das Schulwe- nahm sie den Vorsitz der Fraktion. hauptamtlicher Gewerkschaftsfunktionär sen aus. Nach dem bundesweit für Aufsehen sor- geworden, zunächst für die Gewerkschaft genden Hungertod der kleinen Lea-So- Gartenbau, Land- und Forstwirtschaft in Die in Wismar geborene und heute im be- phie im November vergangenen Jahres Bayern und ab 1990 dann in Mecklen- nachbarten Warin lebende Politikerin ge- setzte sich Schwesig mit an die Spitze je- burg-Vorpommern. hörte bis zur Wende keiner Partei an. ner Kräfte in der Stadt, die eine konse- 1990 trat sie der SPD bei und engagierte quente Aufdeckung der Versäumnisse in 1994 wurde Schlotmann über die Landes- sich zunächst in der Kommunalpolitik. den zuständigen Ämtern und der Verwal- liste in den Landtag Mecklenburg-Vor- Von 2001 bis 2007 war sie SPD-Kreisvor- tungsspitze forderten. Als nach der Ab- pommern gewählt, dem er seither unun- sitzende in Nordwestmecklenburg. Zwi- wahl des CDU-Oberbürgermeisters ein terbrochen angehört. 1996 stieg er zum schenzeitlich hatte sie auch dem SPD-Lan- neuer Verwaltungschef gesucht wurde, parlamentarischen Geschäftsführer, 1998 desvorstand angehört. war auch ihr Name im Gespräch. zum Fraktionsvorsitzenden auf.

LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 7/2008 21 PRO & KONTRA

Fahrverbot statt Geld- oder Haftstrafe?

Dr. Norbert Nieszery Barbara Borchardt Rechts- und innenpolitischer Sprecher Rechtspolitische Sprecherin der Fraktion der SPD-Fraktion DIE LINKE

Fahrverbot als Hauptstrafe ja – aber bitte mit Augenmaß! Die jahrelange Forderung von Politikern, das Fahrverbot auch als Hauptstrafe bei allgemeiner Kriminalität einzuführen, hat sich Als Rechts- und Innenpolitiker begrüße ich die Idee eines Fahr- zu Recht nicht durchgesetzt. Nun haben wir die Debatte erneut verbots als Hauptstrafe, die sich besonders für den Bereich der auf der Tagesordnung. kleineren, zum Teil auch der mittleren Kriminalität eignet. Es gibt Begründet wird dieses Anliegen mit einer angeblichen „Gerech- meiner Auffassung nach Tätergruppen, bei denen das Fahrver- tigkeitslücke“ im Sanktionssystem des geltenden Strafrechts. Die bot stärkeren Eindruck hinterlässt als beispielsweise eine Geld- Befürworter wollen, dass ein Fahrverbot als Hauptstrafe auch bei strafe. So sind mir Fälle bekannt, in denen Extremisten, die we- Straftaten, die rein gar nichts mit dem Straßenverkehr zu tun ha- gen des Verwendens verfassungsfeindlicher Symbole oder Volks- ben, möglich wird. Insbesondere junge Menschen soll dies stär- verhetzung verurteilt wurden, ihre Geldstrafe aus Spenden von ker vor Straftaten abschrecken. Einen Beweis gibt es dafür nicht. Sympathisanten bestreiten konnten. An dieser Stelle wäre die Ich teile ausdrücklich die Meinung vieler Experten, die aus ver- Verurteilung zum Fahrverbot eine geeignete Alternative mit schiedenen Gründen vor einer Ausweitung der bisherigen Sank- deutlich höherem Abschreckungscharakter gewesen. Auch bei tionsmöglichkeiten warnen. So sprechen sich u.a. der Deutsche Straftätern, für die eine Geldstrafe aufgrund der Einkommenssi- Verkehrsgerichtstag, der Auto Club Europa und die Gewerk- tuation nicht als spürbare Sanktion wirkt, halte ich das Fahrver- schaft der Polizei dagegen aus. bot für eine geeignete Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme. Zum einen dient der Entzug der Fahrerlaubnis nach geltendem Recht vor allem der Verkehrssicherheit und nicht der Sanktion et- Allerdings ist bei der richterlichen Verhängung dieser Strafart Au- wa eines Betruges oder einer Körperverletzung. genmaß gefragt. Dort, wo das Fahren zum Erhalt des Lebensun- Fahrverbot als Hauptstrafe ist auch im Hinblick auf den Gleich- terhaltes dient, muss genau abgewogen werden, ob die Strafe heitsgrundsatz mehr als bedenklich. Denn nur die Inhaber von nicht unangemessen starke Fol- Führerscheinen wären betroffen. Warum gen nach sich zieht, zum Beispiel Nach bisherigem Recht kann ein Fahrver- sollen sie im Strafrecht schlechter gestellt den Verlust des Arbeitsplatzes bot nur als Nebenstrafe zu einer Geld- oder werden? Dafür gibt es keine Rechtferti- usw. Das heißt allerdings nicht, gung. Freiheitsstrafe verhängt werden. Zudem dass dies auch bei Verkehrsdelik- Schließlich gäbe es erhebliche Probleme bei setzt ein Fahrverbot eine Straftat voraus, die ten gelten muss. Wer am Steuer der praktischen Umsetzung des Führer- nicht verantwortungsbewusst im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr scheinentzugs. Jeder weiß doch aus eigener handelt, obwohl er auf das Füh- begangen worden ist. Das Bundesjustizmi- Erfahrung, wie vergleichsweise selten Ver- ren eines Fahrzeugs nicht ver- nisterium prüft, ob diese Beschränkungen kehrskontrollen durchgeführt werden. zichten kann, muss im Interesse künftig entfallen sollen. Der Führerschein Ich sehe auch aufgrund der Entwicklung der Sicherheit anderer Verkehrs- könnte dann auch bei anderen Delikten ent- von Straftaten keinen Handlungsbedarf. teilnehmer im wahrsten Sinne Gerechtigkeitslücken im Sanktionssystem zogen werden. des Wortes aus dem Verkehr ge- kann ich in diesem Zusammenhang nicht zogen werden. Mit allen Konse- erkennen. quenzen. Der Führerscheinentzug sollte als Nebenstrafe bei Straßenver- Fazit: Das Fahrverbot isoliert oder in Kombination mit einer wei- kehrsdelikten beschränkt bleiben. Jedes weitere Herumdoktern teren Geld- oder Freiheitsstrafe erweitert das Sanktionsspektrum am Sanktionskatalog ist zu unterbleiben. Sonst sind wir irgend- sinnvoll und kann den Gerichten eine flexiblere und individuel- wann soweit, dass wir Straftäter mit dem Entzug des Bibliotheks- lere Strafzumessung ermöglichen. ausweises oder des Anglerscheines sanktionieren.

22 7/2008 LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern PANORAMA Landtag vor Ort Foto: Sylvie Rese Parlamentsspiel in Ueckermünde

Wenn es nach dem Willen der Elft- klässler des Greifen-Gymnasiums Ueckermünde ginge, würden künftig die Schülerinnen und Schüler ihre Lehrer bewerten – zuvor allerdings soll hierfür ein Standardverfahren entwickelt werden, das nach einer zweijährigen Probephase für alle Schulen in Mecklenburg-Vorpom- Politikunterricht mit Spaßfaktor mern verbindlich würde. Damit hat sich die Fraktion Blau bei der Schluss- – und Spaß hat es auch gemacht! Die Pro- tag kommen, um als Gäste auf der Besu- abstimmung mit ihrem Vorschlag jektteilnehmer werden übrigens im No- chertribüne die „richtigen“ Abgeordne- durchgesetzt. Aber trotz der Abstim- vember auf Einladung von Parlamentsprä- ten bei ihren Plenardebatten live zu erle- mungsniederlage sind auch die Frak- sidentin Sylvia Bretschneider in den Land- ben. tionen Grün, Orange, Gelb und Weiß zufrieden. Denn es war nur ein Spiel, bei dem alle Spaß hatten und zugleich einiges über den Weg von Entschei- Azubis gendliche eine Ausbildung im Landtag dungen im Landtag gelernt haben. durchlaufen oder befinden sich zurzeit im Schloss noch in der Lehre. Mit seinem Engage- Im Rahmen der Kampagne „Landtag vor ment für die Ausbildung von Schulabgän- Ort“ nahmen am 9. Oktober 40 Schüle- Landtag bildet seit 1995 aus gern nimmt der Landtag Mecklenburg- rinnen und Schüler des Gymnasiums Vorpommern eine Spitzenposition im Ueckermünde an dem Landtagsprojekt bundesweiten Vergleich der Länderparla- „Parlamentsspiel“ teil. Bei dem dreistün- Denise Timm aus Ludwigslust, An- mente ein. Einige der früheren Azubis ge- digen Projekt spielten die Schüler an Hand ne-Cathrin Lüttke aus Feldberg, Anne hören mittlerweile zur Stammbelegschaft des Themas „Benotung der Lehrer durch Gartzke aus Demmin und Christian des Landtages. die Schüler“ parlamentarische Verfahren Busse aus Neustrelitz sind die neuen Ob sie ihre Zukunft in der Landtagsverwal- – Einbringung eines Antrags, Meinungs- Auszubildenden in der Landtagsver- tung sehen oder nach der Berufsausbil- bildung in den Fraktionen, Parlamentsde- waltung. Seit 1. Oktober lernen sie im dung ein Studium beginnen, wissen die batte und Abstimmung – nach. Sie wähl- wohl schönsten Ausbildungsbetrieb vier Neulinge noch nicht genau. Erst ein- ten einen Landtagspräsidenten und bilde- der Landeshauptstadt, im Schweriner mal heißt es, sich in die neue Lern- und Ar- ten fünf Fraktionen, die jeweils unter- Schloss, den Beruf Kauffrau/mann für beitssituation hineinzufinden und die schiedliche Positionen zum Thema vertra- Bürokommunikation, Fachangestellte Chancen einer Ausbildung im Landtag als ten. In ihren Fraktionssitzungen sammel- für Medien- und Infodienste sowie optimalen Start ins Berufsleben zu nutzen. ten sie Argumente und bereiteten ihre Re- Veranstaltungskauffrau. den für die Plenardebatte vor: Bewertung der Lehrer ja oder nein? Als verbindliches Zurzeit erhalten 13 junge Men- Gesetz oder lieber als Empfehlung zur schen ihre Ausbildung bei der freiwilligen Entscheidung durch die Schul- Landtagsverwaltung. Neun Ju- konferenz? Einführung sofort oder erst gendliche werden Kaufleute nach einer Probephase? Exemplarisch er- für Bürokommunikation. Da- lebten die Schüler, was in einer Demokra- rüber hinaus gibt es Lehrlinge Foto: Claudia Richter tie selbstverständlich ist: unterschiedliche in den Berufen Gärtner (Gar- Lösungsvorschläge werden debattiert, ten- und Landschaftsbau), Pro- und Kontraargumente ausgetauscht, Fachinformatiker (Systeminte- Mehrheiten für den eigenen Vorschlag gration), Veranstaltungskauf- gesucht. Und ganz nebenbei konnten die frau sowie Fachangestellte für Rednerinnen und Redner in der Debatte Medien- und Informations- ihr rhetorisches Wissen und Können unter dienste. Denise Timm, Christian Busse, Anne-Cathrin Lüttke und Anne Beweis stellen. Der Landtag Mecklenburg- Gartzke (v.l.) sind stolz, dass sie ihre Berufsausbildung beim Landtag Mecklenburg-Vorpommern erhalten. Einhelliges Fazit am Ende des Projekts: Vorpommern bildet seit 1995 Landespolitik ist transparenter geworden aus. Seitdem haben 62 Ju-

LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 7/2008 23 Am 2. Oktober besuchte der Botschafter der Syrischen Arabischen Republik, S.E. Dr. Hussein Omran, den Landtag. Hier wurde er von Vizepräsident Hans Kreher begrüßt und trug sich ins Gästebuch des Landtages ein. Omran, der in den sechziger und sieb- ziger Jahren in Leipzig Germanistik studiert hat, war nach der Feier zum Tag der deut- schen Einheit vor einem Jahr nun zum zweiten Mal in Schwerin. Mit seinen Besuchen (Adressfeld für Abonnenten) wolle er die Tür öffnen für kulturelle und wirtschaftliche Kontakte, betonte der Botschafter. Er sei überzeugt, dass nur über Kontakte Vorurteile ausgeräumt werden können. Die Weltkultur ist eine Einheit, sagte er. Jedes Land, jede Kultur leiste ihren Beitrag dazu. Nach einer Besichtigung der historischen Räume des Schweriner Schlosses nahm der syrische Diplomat in der FDP-Fraktion an einer Gesprächsrunde mit Unternehmern aus Mecklenburg-Vorpommern zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit teil. Foto: Claudia Richter Foto: Cornelius Kettler

Zum Abschied aus dem Amt des Ministerpräsidenten überreichte Landtagspräsidentin Sylvia Bretschneider Dr. Harald Ringstorff ein Sternenzertifikat. „Damit sind Sie symbo- lisch Eigentümer eines Sternes des Schlosskirchenhimmels, der Sie immer an Ihr Wirken im Schweriner Schloss zum Wohle des Landes erinnern möge“, sagte sie. Ringstorff, der am 4. Oktober aus dem Regierungsamt ausschied, bleibt dem Schweriner Schloss treu – als Abgeordneter der SPD-Fraktion.

„Augen auf – Schule gegen Gewalt“ war das Motto eines Projekttages an der Beruflichen Schule der Landeshauptstadt Schwerin, an dem sich am 18. September rund 800 Jugendliche beteiligten. Unter der Schirmherrschaft von Landtagspräsidentin Sylvia Bretschneider beschäftigten sich die Berufsschüler in über 20 Workshops mit den unterschiedlichsten Aspekten von Gewalt in Schule und Alltag, darunter unter Leitung von Sylvia Bretschneider mit dem Thema „Demokratie und Rechtsextremismus“. Organisiert hatten das Megaprojekt die zukünftigen Veranstaltungskaufleute der Berufsschule, die in Rahmen ihrer Ausbildung vom Konzept über Organisation, Gewinnung von Partnern und Sponsoren, Durchführung und Nachbreitung alles geplant und realisiert haben. Die Mitwirkung des Landtages am Projekttag war Bestandteil der Aktion „Landtag vor Ort“, mit welcher der Landtag die Kampagne „WIR. Erfolg braucht Vielfalt“ unterstützt. Foto: Reinhard Klawitter

Am 15. Oktober besuchte eine chinesische Jugenddelegation den Landtag und wurde hier von Parlamentspräsidentin Sylvia Bretschneider empfangen. Im Rahmen eines zwi- schen Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem chinesischen Ministerpräsidenten ver- einbarten Jugendaustausches informieren sich bundesweit insgesamt 400 Vertreter von chinesischen Jugendbehörden und Jugendverbänden über die staatlichen und nicht- staatlichen Strukturen der Jugendpolitik und Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland. Zudem gewannen sie einen Eindruck von der deutschen Kultur und Lebensweise. 25 Gäste wurden hierbei vom Sozialministerium Mecklenburg-Vorpommern betreut. Der deutschen Delegation, die im Frühjahr nach China gereist war, gehörten auch Vertreter aus Mecklenburg-Vorpommern an. Foto: Claudia Richter