Studien Nr. 1

Ronny Heidenreich Die Organisation Gehlen und der Volksaufstand am 17. Juni 1953

Unabhängige Historikerkommission zur Erforschung der Geschichte des Bundesnachrichtendienstes 1945–1968

Herausgegeben von Jost Dülffer, Klaus-Dietmar Henke, Wolfgang Krieger, Rolf-Dieter Müller Inhalt

Einleitung 4

1. Die Krise in der DDR in der Berichterstattung 14 der Organisation Gehlen

2. Informationsbeschaffung während 24 des Volksaufstandes

3. Interpretationen und Erkenntnisse 41 3.1. Interpretationen: Inszenierter Aufstand 42 3.2. Erkenntnisse über den Aufstand 51

4. Manöverkritik 58

5. Zur Frage einer Beteiligung an den Unruhen 70

Schlussbemerkung 81 er durchblicken, die Diffamierungskampagne sei ein indirekter Beweis für die Einleitung Schlagkraft seiner Organisation.4 Andere Autoren, die sich mit der Geschichte des Bundesnachrichtendienstes beschäftigten, griffen diesen Aspekt bei der Darstellung des 17. Juni auf. Die Spiegel-Journalisten Hermann Zolling und Heinz Höhne schilderten erstmals in ihrer 1971 erschienenen Artikelserie Seit dem frühen Morgen des 17. Juni 1953 demonstrierten zehntausende ࡐ3XOODFKLQWHUQ´ZLHGHUEHUUDVFKHQGH9RONVDXIVWDQGGHQJU|‰WHQQDFKULFK- 0HQVFKHQLQGHQ6WUD‰HQ2VWEHUOLQV%LQQHQZHQLJHU6WXQGHQHQWOXGVLFK tendienstlichen Coup des BND verhinderte: Mit Hermann Kastner sollte ein der in den zurückliegenden Jahren aufgestaute Unmut in einem landesweiten Agent der Organisation Gehlen auf Betreiben des damaligen sowjetischen VSRQWDQHQ9RONVDXIVWDQGJHJHQGDV6('5HJLPH=XUJOHLFKHQ=HLWIXKUGHU Hochkommissars in Ostberlin, Wladimir Semjonow, Ministerpräsident der Agent1GHU2UJDQLVDWLRQ*HKOHQ9]XHLQHPSODQPl‰LJHQ7UHIIQDFK DDR werden und die SED-Führung um Walter Ulbricht ablösen.5 Nach dem Westberlin, um sich als Funker ausbilden zu lassen. Gegen Mittag begleitete Fall der Berliner Mauer wurden solche Geschichten mit neuen Aspekten ihn sein Instrukteur bis an die Sektorengrenze. Im Ostteil der Stadt waren in- angereichert. Im Archiv des Ministeriums für Staatssicherheit fanden sich ]ZLVFKHQVRZMHWLVFKH3DQ]HUDXIJHIDKUHQZHOFKHGLH(UKHEXQJJHZDOWVDP einzelne Originaldokumente, die eine Beteiligung der Organisation Gehlen QLHGHUVFKOXJHQ9HUZLVFKWHQRFKGLHOHW]WH%DKQQDFK2VWEHUOLQEHYRU DEHU DXFK HLQH ]XWUHIIHQGH %HZHUWXQJ GHV 9RONVDXIVWDQGHV GXUFK GLHVH PLW9HUKlQJXQJGHV$XVQDKPH]XVWDQGHVGLH*UHQ]HQJHVFKORVVHQZXUGHQ IUDJOLFKHUVFKHLQHQOLH‰HQ(VGHXWHWHVLFKDQGDVVPDQLQ3XOODFKLQGHU Als sich die beiden am U-Bahnhof Gleisdreieck trennten, waren über dem sowjetischen Führung den Initiator des Aufstandes gesehen hatte.6 QDKH JHOHJHQHQ 3RWVGDPHU 3ODW] 5DXFKIDKQHQ ]X VHKHQ LQ GHQ 6WUD‰HQ Eine systematische Untersuchung der Frage, welche Kenntnis über Schüsse zu hören. Neugierig geworden, begab sich der Ausbilder für einige den Aufstand, dessen Ursachen, Ablauf und gegebenenfalls Anteil die Stunden an den Ort des Geschehens und kehrte am frühen Abend in seine 9RUOlXIHURUJDQLVDWLRQ GHV %XQGHVQDFKULFKWHQGLHQVWHV KDWWH XQG ZLH VLH :HVWEHUOLQHU:RKQXQJ]XUFN)QI7DJHVSlWHUODJVHLQ%HULFKWLQ3XOODFK diese Ereignisse interpretierte, erfolgte bislang nicht, da die Akten des YRU 1LFKW RKQH$QHUNHQQXQJ VFKLOGHUWH HU DXVIKUOLFK GDV 9RUJHKHQ GHU Bundesnachrichtendienstes nicht zugänglich waren.7 VRZMHWLVFKHQ7UXSSHQXQGGHURVWGHXWVFKHQ3ROL]HLJHJHQGLHDXIJHEUDFKWH Der vorliegende Aufsatz zeigt, wie die Organisation Gehlen die politische, ge- Menschenmenge.2 VHOOVFKDIWOLFKHXQGZLUWVFKDIWOLFKH(QWZLFNOXQJLP8PIHOGGHV9RONVDXIVWDQGHV Die gewaltsame Niederschlagung des Aufstandes sicherte dem SED-Regime GDVhEHUOHEHQ'LHGHVDYRXLHUWH''5)KUXQJEHVFKXOGLJWHQRFKDP 4 : Der Dienst. Erinnerungen 1942–1971, München 1973, S. 150–151. Juni westliche Dienste, so auch die Organisation Gehlen, die Erhebung herbeigeführt zu haben.3 Reinhard Gehlen, Leiter des nach ihm benannten +HUPDQQ=ROOLQJXQG+HLQ]+|KQH3XOODFKLQWHUQ*HQHUDO*HKOHQXQGGLH*HVFKLFKWHGHV%XQGHVQDFKULFK- tendienstes, Hamburg 1971, S. 133–135. Diese Erzählung wurde von Heinz Höhne in seinem 1983 erschienen *HKHLPGLHQVWHVXQGVSlWHUHUVWHU3UlVLGHQWGHV%XQGHVQDFKULFKWHQGLHQVWHV %XFKࡐ.ULHJLP'XQNHOQ´DXVJHZHLWHWXQG]XOHW]WYRQ3HWHU)0OOHUXQG0LFKDHO0XHOOHULQLKUHPhEHUEOLFNVZHUN zur Geschichte des Bundesnachrichtendienstes übernommen. Heinz Höhne: Der Krieg im Dunkeln. Macht und %1' ZHKUWHVLFKLQVHLQHQ0HPRLUHQJHJHQGLHVHQ9RUZXUI*OHLFK]HLWLJOLH‰ (LQÁXVVGHUGHXWVFKHQXQGUXVVLVFKHQ*HKHLPGLHQVWH0QFKHQ6²3HWHU)0OOHUXQG0LFKDHO 0XHOOHU*HJHQ)UHXQGXQG)HLQG'HU%1'*HKHLPH3ROLWLNXQGVFKPXW]LJH*HVFKlIWH+DPEXUJ6 ²+HUPDQQ.DVWQHUVWDQGELV]XU9RUEHUHLWXQJVHLQHU)OXFKWLQGHQ:HVWHQQLFKWPLWGHU2UJDQLVDWLRQ Gehlen bzw. dem BND in Kontakt. 8QWHU$JHQWHQZHUGHQLP)ROJHQGHQ4XHOOHQGHU2UJDQLVDWLRQ*HKOHQYHUVWDQGHQGLHLQWHUQDOV90lQQHU EH]HLFKQHWZXUGHQ'DVLQGHU=HQWUDOHXQGLQGHQ$X‰HQVWHOOHQKDXSWDPWOLFKEHVFKlIWLJWH3HUVRQDOZLUGDOV 5RJHU(QJHOPDQQXQG.DUO:LOKHOP)ULFNH'HUࡐ7DJ;´XQGGLH6WDDWVVLFKHUKHLW-XQL5HDNWLRQHQ Mitarbeiter bezeichnet. und Konsequenzen im DDR-Machtapparat, Bremen 2003, S. 75–78.

(1 %H]LUNVYHUWUHWXQJ( DQ=HQWUDOH0HOGXQJ(UHLJQLVVHLQ2VWEHUOLQ6²%XQGHVDUFKLY 7 Lediglich unter dem Blickwinkel der Militärspionage wurde auf Grundlage der im Bundesarchiv zugänglichen %$UFK %%ODWW² 7HLOEHUOLHIHUXQJGHV%1'HLQHHUVWH%HVWDQGVDXIQDKPHYRQ$UPLQ:DJQHUXQG0DWWKLDV8KOYRUJHQRPPHQ Armin Wagner und Matthias Uhl: BND contra Sowjetarmee. Westdeutsche Militärspionage in der DDR, 2007, 3 Stellvertretend: Albert Charisius und Julius Mader: Nicht länger geheim. Entwicklung, System und Arbeitswei- 6²VRZLH0DWWKLDV8KOࡐ$PIXKUHQVRZM3DQ]HUDXIGLHGDV)HXHUHU|IIQHWHQ´'LHPLOLWlULVFKHQ VHGHVLPSHULDOLVWLVFKHQGHXWVFKHQ*HKHLPGLHQVWHV%HUOLQ 2VW 6²+HLQ])HOIH,P'LHQVWHGHV ,QIRUPDWLRQHQGHUࡐ2UJDQLVDWLRQ*HKOHQ´EHUGHQ-XQLZZZMXQLGHFKURQLN8+/%1'SGI Gegners, 10 Jahre Moskaus Mann im BND, Hamburg 1986, S. 164–167. letzter Zugriff 11.02.2013.

4 5 einschätzte, auf welcher Grundlage diese Bewertungen beruhten und lem Strategien und Einschätzungen der US-Geheimdienste von Bedeutung, ZDV VLH EHU GHQ  -XQL EHULFKWHWH 'LH (UNHQQWQLVVH GHU YRQ 3XOODFK die insbesondere bei der Untersuchung einer möglichen Beteiligung zu aus betriebenen DDR-Spionage wurden der CIA als Dienstherr und dem berücksichtigen sind.11 %XQGHVNDQ]OHUDPWLQ%RQQ]XU9HUIJXQJJHVWHOOW(VZLUGJH]HLJWZHOFKH Was die DDR-Spionage der Organisation Gehlen angeht, so lassen sich zum Bedeutung den Berichten von beiden Institutionen beigemessen wurde und MHW]LJHQ =HLWSXQNW NHLQH DEVFKOLH‰HQGHQ $XVVDJHQ WUHIIHQ 'LHVH )UDJHQ welche Rückwirkungen dies auf die Organisation Gehlen hatte, deren Ziel es werden gegenwärtig von der Unabhängigen Historikerkommission unter- von Anfang an gewesen war, Auslandsnachrichtendienst der Bundesrepublik VXFKW*HVLFKHUWHUVFKHLQWGDVVGHU&,$6WDELQ3XOODFKIUGLH)HVWOHJXQJ Deutschland zu werden. In diesem Zusammenhang sind die internen der Aufklärungsschwerpunkte verantwortlich war und sie der Führung Einschätzungen und Konsequenzen zu sehen, die aus den Erfahrungen des der Organisation Gehlen übermittelte. Bis 1949 betrieb die Organisation 9RONVDXIVWDQGHV JH]RJHQ ZXUGHQ 2E HLQH %HWHLOLJXQJ GHU 2UJDQLVDWLRQ Gehlen unter Ägide der US-Army vorrangig militärische Aufklärung. Mit Gehlen an den Unruhen in der DDR nachweisbar ist, wird ebenfalls überprüft. GHU hEHUQDKPH GHV 'LHQVWHV GXUFK GLH &,$ ZXUGH VHLW  GHU$XVEDX Auch wenn über Aufgabe und Arbeitsweise der Organisation Gehlen keine anderer Aufklärungszweige forciert, um die Organisation Gehlen zu einem fundierte Forschung existiert, so kann für die Geschichte des 17. Juni funktionstüchtigen deutschen Auslandsnachrichtendienst zu entwickeln. auf eine breite Literatur zurückgegriffen werden.8 'HU 9RONVDXIVWDQG LVW LQ (QWVSUHFKHQG ZXUGHQ VHLW  YRQ 3XOODFK Z|FKHQWOLFK VR JHQDQQWH seinen Ursachen, Abläufen und Folgen für das SED-Regime, für die DDR- ࡐhEHUVLFKWHQ´ KHUDXVJHJHEHQ GLH IU (PSIlQJHU LQ GHQ SROLWLVFKHQ Bevölkerung und für den sowjetischen Herrschaftsbereich inzwischen um- Entscheidungsinstanzen der Bundesrepublik, vornehmlich dem Kanzleramt, fassend erforscht.9 hEHU GLH :DKUQHKPXQJ GHV $XIVWDQGHV LP :HVWHQ bestimmt waren.12 Die Wochenberichte wurden in der Auswertungsabteilung auch unter nachrichtendienstlichen Gesichtspunkten, liegen gleichfalls erste verfasst, dem Stab Gehlen zugeleitet, redigiert und dann verteilt. Arbeiten vor.10 In diesem Zusammenhang sind im Hinblick auf die von den Für die Informationsbeschaffung verfügte die Organisation Gehlen 1953 9HUHLQLJWHQ6WDDWHQILQDQ]LHUWHXQGNRQWUROOLHUWH2UJDQLVDWLRQ*HKOHQYRUDO- über zwei getrennte, aber miteinander verwobene Apparate. Die militärische und wirtschaftliche Aufklärung gegen die DDR wurde von der Dienststelle

'LHDXIDPHULNDQLVFKHQ*HKHLPGLHQVWTXHOOHQJHVWW]WHQMQJHUHQ0RQRJUDÀHQEHUGLH2UJDQLVDWLRQ*HKOHQ 50 D koordiniert, welche die politische Spionage der Dienststelle 40 organi- beschäftigten sich vorrangig mit deren Beziehungen zu US-Diensten sowie der politischen Führung der Bundes- satorisch unterstützte. Beide Apparate griffen auf ein Agentennetz zurück, UHSXEOLNXQG3HUVRQDOSUREOHPHQJHEHQDEHUEHUGLHHLJHQWOLFKHRSHUDWLYH7lWLJNHLWGHV'LHQVWHVNDXP$XVNXQIW Auf den 17. Juni gehen sie nicht ein. Mary Ellen Reese: Organisation Gehlen. Der Kalte Krieg und der Aufbau GDVYRQHWZDHLQHP'XW]HQG$X‰HQVWHOOHQXQWHUKDOWHQZXUGH'RUWZXUGHQ GHV'HXWVFKHQ*HKHLPGLHQVWHV%HUOLQ-DPHV+&ULWFKÀHOG$XIWUDJ3XOODFK'LH2UJDQLVDWLRQ*HKOHQ 1948–1956, München 1998. GLH*HZlKUVOHXWHUHNUXWLHUWXQGPLWGHQLQ3XOODFKIHVWJHOHJWHQ$XIWUlJHQ

.DUO:LOKHOP)ULFNHXQG,OVH6SLWWPDQQ +J -XQL$UEHLWHUDXIVWDQGLQGHU''5.|OQò,ONR versehen. Hauptsächlich mit DDR-Spionage befasst waren im Frühjahr 6DVFKD.RZDOF]XN-XQL8UVDFKHQ$EOlXIH)ROJHQ%UHPHQ-HQV6FK|QH9RONVDXIVWDQG'HU 1953 die so genannten Generalvertretungen B mit Sitz in Bremen, G in -XQLLQ%HUOLQXQGGHU''5%HUOLQ(QJHOPDQQ)ULFNH7DJ;5RJHU(QJHOPDQQ,ONR6DVFKD.RZDOF]XN 9RONVHUKHEXQJJHJHQGHQ6('6WDDW(LQH%HVWDQGVDXIQDKPH]XP-XQL*|WWLQJHQ%HUQG(LVHQIHOG )UDQNIXUW0DLQ XQG + LQ 'DUPVWDGW VRZLH GLH NOHLQHUH LQ$XJVEXUJ DQVlV- ,ONR6DVFKD.RZDOF]XNXQG(UKDUGW1HXEHUW'LHYHUGUlQJWH5HYROXWLRQ'HU3ODW]GHV-XQLLQGHUGHXWVFKHQ sige Bezirksvertretung E. Sie verfügten zusammen über schätzungsweise *HVFKLFKWH%UHPHQ=XUVRZMHWLVFKHQ'HXWVFKODQGSROLWLN*HUKDUG:HWWLJ6RZMHWLVFKH'HXWVFKODQG3ROLWLN ².RUUHNWXUHQDQ6WDOLQV(UEH&KUXVWVFKRZV$XIVWLHJXQGGHU:HJ]XP%HUOLQ8OWLPDWXP*|WWLQJHQ (ONH6FKHUVWDQRM'LHVRZMHWLVFKH'HXWVFKODQGSROLWLNQDFK6WDOLQV7RG1HXH'RNXPHQWHDXVGHP$UFKLYGHV0RV- NDXHU$X‰HQPLQLVWHULXPVLQ9LHUWHOMDKUHVKHIWHIU=HLWJHVFKLFKWH  6²$QGUiV%+HJHGVXQG 0DQIUHG:LONH +J 6DWHOOLWHQQDFK6WDOLQV7RG'HUࡐ1HXH.XUV´-XQLLQGHU''58QJDULVFKH5HYROXWLRQ %HUQG6W|YHU'LH%HIUHLXQJYRP.RPPXQLVPXV$PHULNDQLVFKH/LEHUDWLRQ3ROLF\YRP.DOWHQ.ULHJV %HUOLQ*HUKDUG:HWWLJ +J 'LHVRZMHWLVFKH'HXWVFKODQGSROLWLNLQGHUbUD$GHQDXHU%RQQ:LOIULHG ².|OQXD&KULVWLDQ2VWHUPDQQ +J 8SULVLQJLQ(DVW*HUPDQ\7KH&ROG:DUWKH*HUPDQ Loth: Die Sowjetunion und die deutsche Frage. Studien zur sowjetischen Deutschlandpolitik von Stalin bis 4XHVWLRQDQGWKHÀUVWPDMRUXSKHDYDOEHKLQGWKH,URQ&XUWDLQ%XGDSHVW1HZ

6 7 700 Agenten.13 Die eingehenden Agentenberichte wurden in mehrstufigen gerichteten Ausarbeitungen sind in erster Linie als Rechtfertigungsschriften 9HUIDKUHQ EHZHUWHW XQG QDFK SRVLWLYHU 3UIXQJ ]X 0HOGXQJHQ YHUDUEHLWHW zu lesen. Sie entstanden in dem Bemühen, eigene Fehleinschätzungen oder $QVFKOLH‰HQGHUIROJWHHLQHGLUHNWH:HLWHUOHLWXQJDQGLH&,$VRZLHLQQRFK HUNDQQWHVWUXNWXUHOOH3UREOHPHGHU1DFKULFKWHQEHVFKDIIXQJXQGDXVZHUWXQJ nicht genau geklärtem Umfang auch an das Bundeskanzleramt. Innerhalb der ]XHUNOlUHQ'DVGRUWUHNRQVWUXLHUWHXQG]XP7HLOVHKUGLFKWH0HOGXQJVELOG Organisation Gehlen gingen die Meldungen an die Auswertungsabteilung, wo kann für die Untersuchung der Frage, was die Organisation Gehlen aktuell sie zu Berichten verarbeitet wurden. EHUGLH9RUJlQJHLQGHU''5ZXVVWHQXULQVRIHUQ%HUFNVLFKWLJXQJILQGHQ 'LH PLW JUR‰HP $XIZDQG EHWULHEHQH ,QIRUPDWLRQVEHVFKDIIXQJ XQG YHUDU- als die entsprechenden Angaben tatsächlich verarbeitet bzw. weitergegeben EHLWXQJPVVWHVLFKLP%1'$UFKLYHLJHQWOLFKLQHLQHUGLFKWHQhEHUOLHIHUXQJ worden waren. Der auf Anforderung des CIA-Stabes Ende Juli 1953 erarbei- VSLHJHOQ'HPLVWOHLGHUQLFKWVRGHQQJHJHQZlUWLJLVWLQ3XOODFKQXUVHKU tete zentrale Einsatzbericht der Organisation Gehlen enthält darüber hinaus fragmentarisches Schriftgut aus den frühen 1950er Jahren greifbar. Für eine detaillierte und ausführliche Einsatzanalyse sowie einen umfangreichen den vorliegenden Aufsatz konnten trotz intensiver und breit angelegter Anhang mit Anordnungen, Berichten und Meldungen, die zwischen dem 15. Recherchen nur verstreute Quellen ermittelt werden, die mit den bereits an Juni und dem 5. Juli 1953 entstanden. Autor dieses Berichtes war der Leiter der das Bundesarchiv abgegebenen Akten ergänzt wurden. Schriftgut der CIA ''5$XINOlUXQJLQ3XOODFKXQGHKHPDOLJH$EZHKU2IIL]LHU6LHJIULHG*UDEHU16 VWDQG ELV DXI HLQH 'RNXPHQWHQHGLWLRQ QLFKW ]XU 9HUIJXQJ14 7URW] GLHVHU Er gab die Aufträge des militärisch-wirtschaftlichen sowie des politischen QRFKQLFKWEHIULHGLJHQGHQ*UXQGODJHHUODXEHQGLH]XU9HUIJXQJVWHKHQGHQ $XINOlUXQJVDSSDUDWHV DQ GLH DJHQWHQIKUHQGHQ $X‰HQVWHOOHQ ZHLWHU XQG 4XHOOHQGRFKHLQHHUVWH%LODQ]6LHLVWQLFKWDEVFKOLH‰HQGGDLP=XJHGHU hielt den Kontakt zur Führung der Organisation Gehlen sowie dem CIA-Stab. Forschungstätigkeit der Historikerkommission und der fortschreitenden In umgekehrter Richtung liefen alle eingehenden Agentenmeldungen und (UVFKOLH‰XQJQHXHU$NWHQEHVWlQGHLP%1'$UFKLYHLQ]HOQH$VSHNWHNQIWLJ Lageberichte über seinen Schreibtisch. Er hatte damit nicht nur einen unmit- noch vertieft und präzisiert werden dürften. telbaren Einblick in das Informationsaufkommen während des Aufstandes, Für den vorliegenden Aufsatz waren vier Einsatzberichte von zentraler sondern war auch an vielen Entscheidungen persönlich beteiligt. Welche Bedeutung. In diesen fassten einzelne Dienststellen im Sommer 1953 ihren 0D‰QDKPHQGDUEHUKLQDXVLQGHU=HQWUDOHXQGGHQ$X‰HQVWHOOHQLP8PIHOG Kenntnisstand über die Entwicklung in der DDR retrospektiv zusammen.15 GHV9RONVDXIVWDQGHVJHWURIIHQZXUGHQOlVVWVLFKLP%1'$UFKLYQXUEUXFK- 6ROFKHDQGLH)KUXQJGHU2UJDQLVDWLRQ*HKOHQE]ZGHQ&,$6WDELQ3XOODFK stückhaft nachvollziehen. Weder in den vorhandenen Gesprächsnotizen der Führung mit nachgeordneten Dienststellen oder dem CIA-Stab finden 6WlUNHPHOGXQJ$X‰HQVWHOOHQPLW6WDQGYRP%1'$UFKLY%ODWW+HUDQJH]RJHQ sich Hinweise auf den 17. Juni oder eine Einsatznachbereitung. Es ist nicht ZXUGHQ$QJDEHQEHULQGHU1DKDXINOlUXQJHLQJHVHW]WHQ9/HXWHGHUKDXSWVlFKOLFKJHJHQGLH''5DUEHLWHQGHQ $X‰HQVWHOOHQ%(*XQG+ DXV]XVFKOLH‰HQGDVVGLHLQ3XOODFKDQJHIHUWLJWHQ$XI]HLFKQXQJHQYHUQLFKWHW ZXUGHQ/HGLJOLFKLQHLQHU6DPPHODNWHEHUGHQ9RONVDXIVWDQGGLH]XHLQHP 14 Für die vorliegende Untersuchung fanden sich nur zwei einschlägige Dokumente in: Forging an Intelligience 3DUWQHUVKLS&,$DQGWKH2ULJLQVRIWKH%1'KJYRQ.HYLQ&5XIIQHU%lQGH&,$(XURSH'LYLVLRQ unbekannten Zeitpunkt vermutlich im Büro Gehlen entstand und nicht voll- National Clandestine Centre, 2006, National Archives Record Administration, Washington D.C. (NARA), RG 263 9ROXQG9RO ständig überliefert sein dürfte, fanden sich einschlägige Notizen.

=XU9HUIJXQJVWDQGHQLQVJHVDPWIQIVROFKHU%HULFKWH'HUYRQGHU2UJDQLVDWLRQ*HKOHQHUDUEHLWHWH(LQ- Neben den erwähnten vier Einsatzberichten wurden für diese Fallstudie die VDW]EHULFKW' 6LHJIULHG*UDEHU %HULFKWࡐ'LH8QUXKHQLQGHU2VW]RQHhEHUEOLFNXQG%HWUDFKWXQJHQLP6SLHJHO $EODJHQ GHU HLQ]HOQHQ $XINOlUXQJVJHELHWH 3ROLWLN :LUWVFKDIW XQG 0LOLWlU GHU'7lWLJNHLW´ (LQVDW]EHULFKW XQGDWLHUW>(QGH-XOL@%$UFK%%ODWW²GLHIUGLH/HLWXQJ GHU2UJDQLVDWLRQ*HKOHQEHVWLPPWH$XVDUEHLWXQJGHU:LUWVFKDIWVDXINOlUXQJ: :LUWVFKDIWVDXINOlUXQJ %HULFKW ausgewertet. Aus der politischen Beschaffung liegt im BND-Archiv ein Band ࡐ'HUࡐ1HXH.XUV´XQGGHU$XIVWDQGLQGHU6%=' $EODXI%HXUWHLOXQJXQG/HKUHQGHUZLUWVFKDIWOLFKHQ$XINOlUXQJ mit Meldungen aus dem Zeitraum von Herbst 1952 bis Ende Juni 1953 ELV]XP$XIVWDQG ´%1'$UFKLYVRZLHGLH(LQVDW]EHULFKWHGHU$X‰HQVWHOOHQ*HQHUDOYHUWUHWXQJ *9 %/HLWHU*9% +DQV+HLQULFK:RUJLW]N\ DQ=HQWUDOH%HULFKWࡐ$XIWUlJH]XU/DJHLQ%HUOLQXQGGHU2VW]RQH´ %1'$UFKLY%ODWW²XQGGHV0HOGHNRSIHV%HUOLQࡐ8QLRQYHUVLFKHUXQJ%HUOLQ´ 0HOGHNRSI %HUOLQ DQࡐ6:8´ 'LHQVWHLQKHLW %HULFKWࡐ(UIDKUXQJVEHULFKWEHU.ULVHQWDJH´ $EVFKULIW %1' 6LHJIULHG*UDEHU '1*D\ ²%HUXIVVROGDW²2IÀ]LHUGHU$EZHKU(LQWULWWLQGLH2U- Archiv 7361, Blatt 279–281. Ein fünfter Einsatzbericht liegt von der für Ernstfallplanungen zuständigen Dienststelle JDQLVDWLRQ*HKOHQ²0LWDUEHLWHUGHU%HVFKDIIXQJHWZD²/HLWHUGHU1DKE]Z''5$XINOl- YRUGLHMHGRFKQXUDXIGHP7HUULWRULXPGHU%XQGHVUHSXEOLNRSHULHUWHXQGIUGDVKLHUEHKDQGHOWH7KHPDQLFKW UXQJ²6FKXOHGHV%1'²$X‰HQVWHOOHQOHLWHU²$X‰HQVWHOOHQOHLWHULP6WUDWHJLVFKHQ relevant ist. 'LHQVW²6DFKJHELHWVOHLWHULQGHU=HQWUDOH3HQVLRQLHUXQJ

8 9 vor.17 Erkenntnisse über die wirtschaftliche Entwicklung sind, soweit sie sein.23 Unklar ist, in welchem Umfang die Organisation Gehlen neben zusam- einzelne Betriebe und Kombinate in der DDR betreffen, gegenwärtig nur menfassenden Berichten auch einzelne Meldungen an die CIA und das in den einschlägigen Objektakten greifbar. Für diesen Aufsatz wurden die Bundeskanzleramt weiterleitete. Entsprechend den normalen Arbeitsabläufen Ablagen derjenigen Fabriken ausgewertet, über die die Organisation Gehlen ist anzunehmen, dass der amerikanische Stab alle Erkenntnisse erhielt. Aus LP 8PIHOG GHV 9RONVDXIVWDQGHV NRQNUHWH (UNHQQWQLVVH YRUOHJWH18 Die so der Ablage des Bundeskanzleramtes ist ersichtlich, dass am 25. Juni 1953 genannte Standortkartei der sowjetischen Streitkräfte in der DDR gibt über HLQH0HOGXQJEHUGHQ9RONVDXIVWDQGYRUJHOHJWZXUGH24 Im BND-Archiv ist alle von der Organisation Gehlen beobachteten militärischen Entwicklungen GLH3DUDOOHOEHUOLHIHUXQJGHUQDFK%RQQDEJHVHW]WHQ(LQ]HOEHULFKWHIUGLH Auskunft.193XQNWXHOONRQQWHQGLH]HQWUDOHUIDVVWHQ0HOGXQJHQPLWGHQ hier interessierenden Monate Mai und Juni 1953 gegenwärtig nicht auffindbar. ihnen zugrunde liegenden Agentenberichten abgeglichen werden.207URW]GHU (VLVWGDKHUQRFKQLFKWDEVFKOLH‰HQG]XNOlUHQREQHEHQGHULP.DQ]OHUDPW XQWHUVFKLHGOLFKHQhEHUOLHIHUXQJVGLFKWHLQGHQHLQ]HOQHQ$EODJHQGLHGXUFK DXIJHIXQGHQHQ 0HOGXQJ QRFK DQGHUH %HULFKWH EHU GHQ 9RONVDXIVWDQG zusammenfassende Erkenntnisse in den Einsatzberichten ergänzt werden, vorhanden sind.25 HUODXEHQ GLH ]XU 9HUIJXQJ VWHKHQGHQ 4XHOOHQ HLQH GRFK YHUKlOWQLVPl‰LJ Neben den zeitgenössischen Quellen entstand 1985 im BND-Archiv eine dichte Rekonstruktion des Erkenntnishorizontes der Organisation Gehlen ]LHPOLFKZRKOZROOHQGH$XVDUEHLWXQJࡐ'HU9RONVDXIVWDQGYRP-XQL²(UVWH EHUGHQ9RONVDXIVWDQG JUR‰H %HZlKUXQJVSUREH GHU 2UJDQLVDWLRQ *HKOHQ´26 Autor dieser Studie Für die Untersuchung der Berichterstattung standen die wöchentlichen ZDU .XUW :HL‰27, der im Sommer 1953 in der politischen Beschaffung für ࡐhEHUVLFKWHQ´VRZLHHLQVFKOlJLJH6RQGHUDXVDUEHLWXQJHQ]XU9HUIJXQJ(LQ die Aufklärung gegen die SED zuständig war und von 1954 bis 1969 diese Zwischenbericht über die Unruhen wurde dem Kanzleramt am 29. Juni 1953 $EWHLOXQJ OHLWHWH 1DFK VHLQHU 3HQVLRQLHUXQJ EHDXIWUDJWH LKQ GHU GDPD- vorgelegt.21 Der Abschlussbericht der Organisation Gehlen entstand nicht OLJH %1'3UlVLGHQW (EHUKDUG %OXP 28 ]XP =HLWSXQNW GHV 9RONVDXIVWDQGHV vor Mitte Juli und wurde neben der Bundesregierung mindestens auch der persönlicher Mitarbeiter von Gehlen, mit der Anfertigung von Studien, welche 63')KUXQJEHUVDQGW22 Darüber hinaus fertigte die Organisation Gehlen die Erfolge des Dienstes während internationaler Krisen herauszustellen tägliche Lageberichte an, die aber bis auf ein Fragment vom 18. Juni nicht DXIÀQGEDUZDUHQ6LHGUIWHQLQHUVWHU/LQLHIUGLH&,$EHVWLPPWJHZHVHQ

(LQHQWVSUHFKHQGHU+LQZHLVÀQGHWVLFKLP(LQVDW]EHULFKW6%$UFK%%ODWW $XVGHQIUKHQHU-DKUHQZXUGHQELVODQJEHUKDXSWNHLQH7DJHVPHOGXQJHQDXIJHIXQGHQ 17 BND-Archiv 121285. 2UJDQLVDWLRQ*HKOHQDQ%XQGHVNDQ]OHUDPW0HOGXQJ1Uࡐ=XU5HYROWHLQ%HUOLQ´ 18 Insgesamt wurden 31 Objektakten zu Betrieben und Kombinaten ausgewertet, die sich überwiegend im 965HJLVWUDWXU%XQGHVNDQ]OHUDPW%DQG%ODWW ,QGXVWULHUHYLHU/HLS]LJ+DOOH0DJGHEXUJVRZLHLP*UR‰UDXP%HUOLQEHIDQGHQ%$UFK%² 'LH0HOGXQJHQZXUGHQYHUÀOPWXQGYHUPXWOLFKLP%1'$UFKLYQHXYHU]HLFKQHW*HJHQZlUWLJVLQG 19 In dieser Kartei wurden alle eingehenden Informationen chronologisch erfasst, allerdings lässt diese Ablage VLHYHUVFKROOHQ)UGLH:HLWHUOHLWXQJGHU0HOGXQJHQZDUGDV9HUELQGXQJVEURGHU2UJDQLVDWLRQ*HKOHQLQ%RQQ NHLQH5FNVFKOVVHGDUDXI]XZDQQGLH%HULFKWHLQ3XOODFKYRUODJHQ%$UFK%² ]XVWlQGLJ,QGHVVHQhEHUOLHIHUXQJHQVLQGLP8PIHOGGHV9RONVDXIVWDQGHVNHLQHZHLWHUJHJHEHQHQ0HOGXQJHQ nachweisbar. 20 Dies betrifft in erster Linie die von den Funkern der Organisation Gehlen aus der DDR abgesetzten Meldungen. $QRQ\P .XUW:HL‰ ࡐ'HU-XQL(UVWHJUR‰H%HZlKUXQJVSUREHIUGLH2UJDQLVDWLRQ*HKOHQ´ %$UFK% 2UJDQLVDWLRQ*HKOHQDQ%XQGHVNDQ]OHUDPW0HOGXQJ1Uࡐ.XU]RULHQWLHUXQJEHUGHQ-XQL$XIVWDQGLQ GHUVRZMHWLVFKHQ%HVDW]XQJV]RQH'HXWVFKODQGV(LJHQHU%HULFKW 6WDQG ´965HJLVWUDWXU .XUW:HL‰ '1:LQWHUVWHLQ:HLW] ²ELV2IÀ]LHUGHU:HKUPDFKW(LQWULWWLQGLH2UJD- %XQGHVNDQ]OHUDPW%DQG%ODWW² QLVDWLRQ*HKOHQDOV0LWDUEHLWHUGHUSROLWLVFKHQ$XINOlUXQJ²/HLWHUGHU$X‰HQSROLWLVFKHQ$XINOlUXQJ ²/HLWHUGHU1DFKULFKWHQEHVFKDIIXQJGHV%1'²/HLWHUGHU6FKXOHGHV%1'3HQVLRQLHUXQJ 3HULRGLVFKH%HULFKWHUVWDWWXQJ%$UFK%VRZLHGHU$EVFKOXVVEHULFKW2UJDQLVDWLRQ*HKOHQࡐ'HU-XQL 1984–1990 Wiederanstellung im BND-Archiv. $XIUXKULQ2VWEHUOLQXQGGHUVRZMHWLVFKEHVHW]WHQ=RQH'HXWVFKODQGV´ LP)ROJHQGHQ$EVFKOXVVEHULFKW XQGDWLHUW >0LWWH-XOL@%$UFK%%ODWW²'HU$XWRUGHV$EVFKOXVVEHULFKWHVLVWQLFKWEHNDQQW*UXQGVlW]OLFK (EHUKDUG%OXP '1+DUWZLJ ²ELV%HUXIVRIÀ]LHU(LQWULWWLQGLH2UJDQLVDWLRQ*HKOHQ ZDUGLH$XVZHUWXQJVDEWHLOXQJIUGLH%HULFKWVDEIDVVXQJ]XVWlQGLJ,QGHU6DPPHODNWH]XP-XQLEHÀQGHQVLFK 1948–1950 Abteilungsleiter in der Auswertung, 1950–1953 Referent im Auslandsverbindungsdienst, Juni 1953– jedoch handschriftliche Aufzeichnungen, die vermutlich auf Eberhard Blum zurückgehen und möglicherweise als SHUV|QOLFKHU0LWDUEHLWHU*HKOHQV²8QWHUDEWHLOXQJVOHLWHU3HUVRQDOZHVHQ²5HVLGHQW 9RUODJHJHGLHQWKDEHQ$QRQ\P>(EHUKDUG%OXP"@1RWL]HQXQGDWLHUW>-XQL-XOL@6²%1'$UFKLY GHV%1'LQ/RQGRQ²/HLWHUGHU$EWHLOXQJ9HUZDOWXQJLQ3XOODFK²5HVLGHQWGHV%1'LQ Blatt 241–248. :DVKLQJWRQ²3UlVLGHQWGHV%XQGHVQDFKULFKWHQGLHQVWHV

10 11 suchten.29 Diese Berichte geben in erster Linie Auskunft über die interne Selbstwahrnehmung des BND in den 1980er Jahren und sind aufgrund ihrer selektiven Darstellung sehr kritisch zu beurteilen. Da die Ausarbeitung von :HL‰EHUGHQ-XQLNHLQHDQGHUHQDOVGLHIUGLH$EIDVVXQJGHVYRUOLH genden Aufsatzes herangezogenen Quellen verwendet, wurde sie nicht weiter berücksichtigt. Mit Erscheinen dieser Studie wird eine Dokumentenedition vorgelegt, die alle zentralen Quellen dieses Aufsatzes im Faksimile wiedergibt und über den BND bezogen werden kann.30 Allen Mitarbeitern der Historikerkommission, LQVEHVRQGHUH 3URI .ODXV'LHWPDU +HQNH *HUKDUG 6lOWHU $QGUHDV +LOJHU XQG7KRPDV:ROIELQLFKVHKU]X'DQNYHUSIOLFKWHW1LFKWQXUXQWHUGHQEH- VRQGHUHQ%HGLQJXQJHQGLHVHV3URMHNWHVZDUHQLKUH%HUHLWVFKDIW]XNULWLVFKHU Lektüre und Diskussion für das Gelingen der Arbeit unverzichtbar.

8$/>"@DQ3UlVLGHQWGHV%1'$XVDUEHLWXQJHQGXUFK+HUUQ:HLW](>"@DQ8$/>"@ Informationsgewinnung des BND in Krisenfällen, 15.02.1985, beide in BND-Archiv 42507. Die Signatur BND-Archiv 42507 unterliegt einer archivischen Schutzfrist und wurde nur für die UHK freigegeben.

%RGR+HFKHOKDPPHU +J 'RNXPHQWHGHUࡐ2UJDQLVDWLRQ*HKOHQ´]XP9RONVDXIVWDQGDP-XQLEHDUEHL- WHWYRQ5RQQ\+HLGHQUHLFK 0LWWHLOXQJHQGHU)RUVFKXQJVXQG$UEHLWVJUXSSHࡐ*HVFKLFKWHGHV%1'´1U %HUOLQ

12 13 DXVGHU3HUVSHNWLYHGHU2UJDQLVDWLRQ*HKOHQLQHUVWHU/LQLHZLFKWLJ]XHU 1 kennen, welche Konzepte die Moskauer Führung in den einzelnen Staaten des sowjetischen Herrschaftsbereiches und insbesondere im Hinblick auf die Die Krise der DDR in DDR verfolgte. Die im ersten Halbjahr 1953 von der SED-Führung verstärkten innen- der Berichterstattung politischen Repressionen wurden in den Berichten der Organisation Gehlen immer wieder erwähnt. Sie galten als Beleg für die sowjetische Absicht, mit der Organisation Gehlen GHU6WlUNXQJGHU6WDDWVSDUWHLGLH''5DOVHLQHQࡐHLQGHXWLJHQ2VWVDWHOOLWHQ´ in ihren Herrschaftsbereich einzubinden.326RKHL‰WHVXQWHUDQGHUHPLQGHU Wochenübersicht vom 7. Mai 1953: 0LWGHPLP6RPPHUYRQGHU6(')KUXQJYHUNQGHWHQࡐ$XIEDXGHV 6R]LDOLVPXV´ EHJDQQ LQ GHU ''5 HLQ WLHIJUHLIHQGHU SROLWLVFKHU ZLUWVFKDIW Die Zuspitzung des Kampfes gegen die Evangelisch schen und strukturellen OLFKHUXQGJHVHOOVFKDIWOLFKHU7UDQVIRUPDWLRQVSUR]HVVGHVVHQ$XVZLUNXQJHQ Angleichung der Sowjetzone an die SU.33 HLQ -DKU VSlWHU GHQ $XVEUXFK GHV 9RONVDXIVWDQGHV KHUYRUULHIHQ 'LH +HUUVFKDIWGHV6('5HJLPHVVROOWHGXUFK=HQWUDOLVLHUXQJXQG3ROLWLVLHUXQJ Dieser Analyse folgend, ging die Organisation Gehlen bis zum Ausbruch des YRQ9HUZDOWXQJ-XVWL]XQG%LOGXQJVV\VWHPHLQHUVHLWVVRZLHGXUFKJH]LHOWH $XIVWDQGHV GDYRQ DXV GDVV GHU HLQJHVFKODJHQH .XUV GHQ 9RUJDEHQ GHU Repressionen gegen die bürgerliche Mittelschicht und die Kirchen andererseits sowjetischen Führung entsprach und auf eine Festigung des SED-Regimes ausgebaut werden. Im wirtschaftlichen Bereich gingen der forcierte Aufbau unter Walter Ulbricht hinauslaufen werde.34 Da nicht über bevorstehende der Schwerindustrie, umfangreiche Wirtschaftsleistungen für die Sowjetunion 0D‰QDKPHQ XQG 3ODQXQJHQ GHU ''5)KUXQJ EHULFKWHW ZXUGH VRQGHUQ und nicht zuletzt der beabsichtigte Aufbau von Streitkräften zu Lasten der nur eine nachträgliche Feststellung und Einordnung erfolgte, waren augen- Konsumgüterindustrie, was zusammen mit der intensivierten Kollektivierung VFKHLQOLFKNHLQH,QIRUPDWLRQHQDXVGHP3DUWHLXQG6WDDWVDSSDUDWYHUZHQGHW EHUHLWV(QGH]XHLQHUGHXWOLFKHQ9HUVFKOHFKWHUXQJGHU9HUVRUJXQJVODJH worden. IKUWH%HLGHU'XUFKVHW]XQJDOOGLHVHU0D‰QDKPHQEHGLHQWHVLFKGLH6(' Die wirtschaftliche Entwicklung in der DDR verfolgte die Organisation Gehlen )KUXQJ]XP7HLORIIHQHQ7HUURUV6WlQGLJVWHLJHQGH)OFKWOLQJV]DKOHQGLH YRUDOOHPKLQVLFKWOLFKUVWXQJVZLUWVFKDIWOLFKHU9RUJlQJH'LH%HULFKWHHQWKDOWHQ LP HUVWHQ +DOEMDKU  HLQ ELVODQJ QLFKW JHNDQQWHV$XVPD‰ HUUHLFKWHQ PLWXQWHU GHWDLOOLHUWH $QJDEHQ EHU 7UHLEVWRIISURGXNWLRQ GLH 3ODQHUIOOXQJ waren ein deutliches Zeichen für die wachsende Unzufriedenheit, die im in der Schwerindustrie, beabsichtigte Bauvorhaben an Eisenbahn- und Frühsommer 1953 den Bestand der DDR zu gefährden drohte. %UFNHQDQODJHQIUPLOLWlULVFKH7UDQVSRUWHRGHU$QDO\VHQEHUGDV3RWHQWLDO Den Wochenberichten der Organisation Gehlen ist zu entnehmen, dass diese der DDR-Wirtschaft, den Aufbau einer Rüstungsindustrie voranzutreiben.35 Entwicklungen erkannt wurden. Gleichwohl spielte die Berichterstattung über die Lage in der DDR nur eine nachgeordnete Rolle. Schwerpunkt der hEHUVLFKW6%$UFK%%ODWW QDFK%RQQEHUPLWWHOWHQ/DJHDQDO\VHQZDUHQ(LQVFKlW]XQJHQEHUDX‰HQ- hEHUVLFKW6%$UFK%%ODWWbKQOLFKH(LQVFKlW]XQJHQVLQGDXFKLQGHQ SROLWLVFKH.RQ]HSWHXQG6WUDWHJLHQGHUVRZMHWLVFKHQ6WDDWVXQG3DUWHLIKUXQJ hEHUVLFKWHQYRPXQG0DLVRZLHDP-XQL]XÀQGHQ sowie Erhebungen über Stärke und Dislozierung der sowjetischen Streitkräfte 'D]XDXFKGLH(LQVFKlW]XQJHQLQGHQhEHUVLFKWHQYRPXQG0LWGHU5FNNHKUGHVVRZMHWL- |VWOLFK GHV (LVHUQHQ 9RUKDQJV31 Den Berichten nach zu urteilen, war es VFKHQ+RFKNRPPLVVDUV6HPMRQRZQDFK%HUOLQZXUGHLQ(UZlJXQJJH]RJHQGDVVVLFKGLHVHU6FKULWWDOVࡐ.ULWLN´DP ELVKHULJHQSROLWLVFKHQ.XUVGHXWHQODVVHDEHUHVࡐLVWDQ]XQHKPHQGDVVVLH6RZMHWLVLHUXQJVSROLWLN>«@GXUFK*H- VWHQDX‰HQSROLWLVFKHQ(QWJHJHQNRPPHQVHUJlQ]WZLUG´hEHUVLFKW6%$UFK%%ODWW (EHQVR]XUFNKDOWHQGGLH%HZHUWXQJLQGHUGDUDXIIROJHQGHQhEHUVLFKW6%$UFK%%ODWW 'LH%HULFKWHJOLHGHUQVLFKLQHLQHQSROLWLVFKHQZLUWVFKDIWOLFKHQXQGPLOLWlULVFKHQ7HLOZREHLGLHMHZHLOLJHQ Entwicklungen in der Sowjetunion an erster Stelle behandelt wurden. Danach kamen die Erkenntnisse aus den hEHUVLFKWHQYRPXQG%$UFK% HLQ]HOQHQ6WDDWHQGHV2VWEORFNVXQGHUVWDQOHW]WHU6WHOOHZLUGGLHࡐ6RZMHW]RQH´EHKDQGHOW

14 15 Die Erhebung derartiger interner Informationen zeigt, dass die Organisation der Krise unterschätzt. Eine Woche später widmete sich der Wochenbericht *HKOHQ]XPLQGHVWLQ7HLOEHUHLFKHGHU''5:LUWVFKDIWJXWH(LQEOLFNHKDWWH GHU 9HUVRUJXQJVODJH LP JHVDPWHQ 2VWEORFN XQG NDP ]X GHP 6FKOXVV Entsprechend finden sich auch Hinweise auf Schwierigkeiten bei der GDVVGLHVRZMHWLVFKH)KUXQJGDV3UREOHPHUNDQQWKDEHXQGGHVKDOEGLH 3ODQHUIOOXQJ XQG 3URGXNWLRQVHQJSlVVH36 Obwohl man solche Symptome .ROOHNWLYLHUXQJQXUVRZHLWYRUDQWUHLEHQZUGHGDVVࡐUHJLRQDOH.DWDVWURSKHQ einer krisenhaften Entwicklung erkannt hatte, konstatierte die Organisation YHUPLHGHQZHUGHQ´40$OV5HDNWLRQDXIGLHGUDPDWLVFKH9HUVRUJXQJVODJHLQ Gehlen erst im Wochenbericht vom 17. Juni – als die Fehlentwicklungen GHU''5YHUZLHVGLH2UJDQLVDWLRQ*HKOHQDXIILVNDOLVFKH0D‰QDKPHQGLH von der SED-Führung bereits öffentlich eingestanden worden waren – eine den entstandenen Kaufkraftüberhang auffangen sollten.41 Wirtschaftskrise in der DDR. Nach dem Aufstand behauptete die Organisation Eine Zusammenschau der ökonomischen, politischen und gesellschaft- *HKOHQJHJHQEHUGHU&,$GDVVPLWGHU4XHOOH9HLQ*HZlKUVPDQQ lichen Entwicklungen, die möglicherweise Anhaltspunkte für eine innere LQGHU6WDDWOLFKHQ3ODQNRPPLVVLRQYRUKDQGHQJHZHVHQVHLGHUEHUHLWV Destabilisierung des SED-Regimes hätten liefern können, ist in den Berichten JHPHOGHW KDEH GDVV GHU :LUWVFKDIWVSODQ ]X ࡐDOOHUJU|‰WHQ 6FKZLHULJNHLWHQ ELV]XP$XVEUXFKGHV$XIVWDQGHVQLFKW]XÀQGHQ'HULP)UKVRPPHU IKUHQ ZUGH XQG XQGXUFKIKUEDU VHL´37 Aus den Berichten ist allerdings anschwellende Flüchtlingsstrom als unübersehbarer Indikator für die sich ver- nicht erkennbar, dass solche grundsätzlichen Zweifel bei der Lageanalyse schlechternde Stimmung wird nicht thematisiert. Dies deutet darauf hin, dass LP9RUIHOGGHV$XIVWDQGHVEHUFNVLFKWLJWZXUGHQ*UDEHUUlXPWHLQVHLQHQ der DDR-Bevölkerung als politischen Akteur in den Analysen keine Bedeutung Erinnerungen ein, dass diese Darstellung deutlich übertrieben war: beigemessen und damit die Brisanz der Lage verkannt wurde.42 Aus Sicht der 2UJDQLVDWLRQ*HKOHQZDUHLQHVROFKH3HUVSHNWLYHQHUZHLWHUXQJDXFKQLFKWQRW- Außer einer Quelle, die in Ostberlin innerhalb der Planungskommission für ZHQGLJ3ROLWLVFKH8QWHUGUFNXQJXQG|NRQRPLVFKH0LVVVWlQGHZLHVLHLQGHU die Org. arbeitete und die ganz vage Andeutungen und Vermutungen über mögliche ersten Jahreshälfte 1953 festgestellt wurden, galten als normale Erscheinungen Auswirkungen der Beschlüsse des ZK zum Thema Leicht- und Schwerindustrie im sowjetischen Herrschaftsbereich, welche die Machtverhältnisse aber nicht machte, waren keine verwertbaren Informationen eingetroffen.38 gefährden konnten. Ende Dezember 1952 konstatierte der Wochenbericht mit %OLFNDXIGLHVLFKDE]HLFKQHQGH9HUVRUJXQJVNULVH Weniger eingehend beschäftigten sich die Berichte mit den Folgen der Wirtschaftspolitik für die Bevölkerung. Zwar finden sich in den ersten Es muss aber darauf hingewiesen werden, dass die Bedeutung solcher EHLGHQ 0RQDWHQ DOOJHPHLQH $XVVDJHQ EHU HLQH 9HUVFKOHFKWHUXQJ GHU und ähnlicher Krisenerscheinungen in den Satellitenländern (einschl. 9HUVRUJXQJVODJH LQ GHU ''5 HLQH DXVIKUOLFKH 8QWHUVXFKXQJ GLHVHV Ostzone) in ihrer Auswirkung auf die gesamtpolitische Lage keines- 3UREOHPVHUIROJWHDEHUHUVWLQGHU:RFKHQEHUVLFKWYRP0DL6RVHLHQ falls überschätzt werden darf. Derartige Krisen bleiben so gut wie ohne GLHࡐMangelerscheinungen auf dem Gebiet der landwirtschaftlichen und der Einfluss auf das politische Geschehen.43 LQGXVWULHOOHQ9HUVRUJXQJVJWHU´HLQH)ROJHGHUHLQVHLWLJHQ:LUWVFKDIWVSROLWLN und der fortgesetzten Kollektivierung. Die Organisation Gehlen ging davon 'LH LP 9RUIHOG GHV 9RONVDXIVWDQGHV$QIDQJ -XQL  LQ GHU ''5 HLQJH- DXV GDVV PLW ࡐHLQHU ZHLWHUHQ 9HUVFKlUIXQJ GHU /HEHQVPLWWHONULVH´ LQ GHU leitete innenpolitische und wirtschaftliche Liberalisierung erfolgte in der DDR zu rechnen sei.397URW]GHU]XWUHIIHQGHQ$QDO\VHZXUGHGDV$XVPD‰ Wahrnehmung der Organisation Gehlen nur in zweiter Linie wegen der SUHNlUHQLQQHUHQ9HUKlOWQLVVHVRQGHUQZDUYRUDOOHPDXIHLQHbQGHUXQJGHU hEHUVLFKWHQYRPXQG%$UFK%

(LQVDW]EHULFKW6%$UFK%%ODWW hEHUVLFKW6%$UFK%%ODWW

hEHUVLFKW6%$UFK%%ODWW6LHJIULHG*UDEHU(ULQQHUXQJVEHULFKW hEHUVLFKWVRZLH%$UFK%%ODWW XQGDWLHUW>@6%1'$UFKLY1DFKODVV%DQG+HUYRUKHEXQJLP2ULJLQDO 42 Die steigende Zahl von Flüchtlingen wird den Wochenberichten nur am 15. Januar und 12. Februar 1953 hEHUVLFKW6²%$UFK%%ODWW+HUYRUKHEXQJLP2ULJLQDO HUZlKQW6LHKHhEHUVLFKWHQ%$UFK%

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16 17 deutschlandpolitischen Konzepte der sowjetischen Führung zurückzuführen. GDV =LHO YHUIROJHQ GLH ࡐ9HUWHLGLJXQJVSROLWLN GHV ZHVWOLFKHQ %ORFNV DXI]X- 1DFKGHP7RG6WDOLQVDP0lU]ZDUIUZHVWOLFKH%HREDFKWHUXQNODU ORFNHUQ´46$QJHEOLFKHbX‰HUXQJHQࡐVRZMHWLVFKHU'LSORPDWHQ´LQ:LHQGHX- ZHOFKH DX‰HQSROLWLVFKH /LQLH GLH QHXH .UHPO)KUXQJ HLQVFKODJHQ ZUGH WHWHQLQGHUhEHUVLFKWYRP0DLHUVWPDOVDQGDVVHLQH3UHLVJDEHGHV Noch im März 1953 signalisierte die Moskauer Führung Gesprächsbereitschaft Sozialismus in der DDR doch möglich sein könne. In Botschaftskreisen sei mit dem Westen, was auch die Behandlung der deutschen Frage einschloss. YHUODXWHWGDVVࡐGDVZHVHQWOLFKH+LQGHUQLVIUHLQH/|VXQJGHUGHXWVFKHQ Ob eine Wiedervereinigung auf neutraler und demokratischer Grundlage in )UDJH>@GLH6WDUUKHLWGHUZHVWGHXWVFKHQ3ROLWLNGLHYLHOXQYHUV|KQOLFKHU Moskau ernstlich zur Debatte stand, ist wenig wahrscheinlich, doch lässt sich VHL DOV GLH (QJODQGV XQG )UDQNUHLFKV´47 Eine Woche später wurde unter GDVELVKHXWHDXVGHQ4XHOOHQKHUDXVDXFKQLFKWHQGJOWLJYHUZHUIHQGLH 9HUZHLV DXI GLHVHV =LWDW EHNUlIWLJW GLH ZHLWHUH (QWZLFNOXQJ KlWWH JH]HLJW internen Machtkämpfe in der sowjetischen Führung hätten die Ausarbeitung GDVVGLHࡐIHVWHDX‰HQSROLWLVFKH+DOWXQJGHU%XQGHVUHSXEOLN>@HLQHQWVFKHL- und Umsetzung einer einheitlichen Strategie jedenfalls erschwert. Zu einer GHQGHV+LQGHUQLVIUGLH'XUFKVHW]XQJGHU3OlQH´VHL48 Am 3. Juni berichtete eigenen Deutschlandinitiative Moskaus ist es in den Wochen vor dem die Organisation Gehlen unter dem Eindruck der Ernennung von Wladimir 9RONVDXIVWDQGQLFKWJHNRPPHQ6SlWHVWHQVDE0LWWH0DLJDOWHQDOOH Semjonow49 zum Sowjetischen Hochkommissar in Ostberlin, dass nunmehr Bemühungen der sowjetischen Führung dem Ziel, die prekäre Lage in der GDVࡐDOWH6WDOLQ·VFKH=LHO´HLQHVࡐQHXWUDOLVLHUWHQXQGHQWPLOLWDULVLHUWHQ´ZLHG- DDR zu stabilisieren. HUYHUHLQLJWHQ'HXWVFKODQGVLQ0RVNDXDXIGHU7DJHVRUGQXQJVWQGH(UVWH Die öffentliche Initiative in der Deutschlandfrage lag im Frühjahr 1953 auf Anhaltspunkte, die im Bericht vom 10. Juni 1953 auf eine innenpolitische der westlichen Seite. Während sich die amerikanische Regierung zurückhal- 9HUlQGHUXQJLQGHU''5KLQGHXWHWHQN|QQWHQDXIGLH$EVLFKW6HPMRQRZV WHQGlX‰HUWHVFKOXJGHUEULWLVFKH3UHPLHUPLQLVWHU:LQVWRQ&KXUFKLOODP ]XUFN]XIKUHQ VHLQ GXUFK ࡐJHVDPWGHXWVFKH 7HQGHQ]HQ >@ GLH %RQQHU 0DLYRULP5DKPHQHLQHU.RQIHUHQ]GHU*UR‰PlFKWHEHUGLH+HUVWHOOXQJ ,QWHJUDWLRQVSROLWLN>@]XVW|UHQ´50'DVVGLHHUZlKQWHࡐ9HUVWlQGLJXQJPLW der deutschen Einheit auf neutraler und demokratischer Grundlage zu be- GHU3IDUUHUVFKDIW´51 und die Zurückstellung der vormilitärischen Ausbildung UDWHQ 'LH 9RUEHGLQJXQJHQ IU VROFKH 9HUKDQGOXQJHQ ZXUGHQ DEHU YRQ IU6('0LWJOLHGHUEHUHLWV%HVWDQGWHLOHGHVDP9RUWDJLQGHU3DUWHLIKUXQJ sowjetischer Seite abgelehnt.44 Zeitgleich trieb die Bundesregierung unter beschlossenen grundlegenden Kurswechsels in der DDR gewesen sind, war Konrad Adenauer die Westbindung der Bundesrepublik voran.45 In Reaktion LQ3XOODFKQLFKWEHNDQQW52 DXIGLHVH6FKULWWHYHUVWlUNWHGLH6RZMHWXQLRQQDFK5DWLIL]LHUXQJGHV(9* 9HUWUDJHVLP%XQGHVWDJDP0DLLQGHQ:RFKHQYRUGHP-XQLLKUH hEHUVLFKW6%$UFK%%ODWW

$QJULIIH DXI GLH %XQGHVUHJLHUXQJ 'HQ 9HUODXWEDUXQJHQ DXI GHU LQWHUQD- *UXQGODJHGLHVHUbX‰HUXQJHQZDUHLQH0HOGXQJGHV90DQQHVGHULQ.RQWDNWPLWHLQHPVRZMHWLVFKHQ tionalen Bühne folgend, gewann auch in den Berichten der Organisation Korrespondenten stand. Dieser hatte, ohne zu wissen mit wem er sich unterhielt, von Gesprächen mit Angehörigen der sowjetischen Botschaft in Wien berichtet. Obwohl intern von einer in ihrer Zuverlässigkeit nicht zu beurteilenden Quelle *HKOHQ GLH )UDJH P|JOLFKHU VRZMHWLVFKHU 3OlQH IU HLQ QHXWUDOLVLHUWHV stammend und als nur möglicherweise zutreffend bewertet (F-3), wurde diese Meldung in der Wochenübersicht ausführ- OLFK]LWLHUW0HOGXQJ6WLPPXQJVlX‰HUXQJHQYRQ:LHQHU5XVVHQ%1'$UFKLY%ODWW² *HVDPWGHXWVFKODQGDE0DLDQ%HGHXWXQJ8QWHUEHVWlQGLJHP9HUZHLV auf die anhaltende politische und wirtschaftliche Sowjetisierung der DDR hEHUVLFKW6%$UFK%%ODWW wurde betont, dass eine Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten 49 Wladimir Semjonow, 1911–1992, sowjetischer Diplomat, 1945–1953 politischer Berater der Sowjetischen Mili- WlUDGPLQLVWUDWLRQE]Z.RQWUROONRPPLVVLRQLQGHU''5(UZXUGHLP$SULOLQGDV$X‰HQPLQLVWHULXPGHU8G665 nicht ernsthaft beabsichtigt sein könne. Alle diesbezüglichen Signale würden ]XUFNEHRUGHUW1DFK$XÁ|VXQJGHU0LOLWlUYHUZDOWXQJNHKUWH6HPMRQRZDP0DLDOV&KHIGHU6RZMHWL- schen Hohen Kommission in die DDR zurück und wurde später sowjetischer Botschafter in Ostberlin.

hEHUVLFKW%$UFK%%ODWW =XUEULWLVFKHQ'HXWVFKODQGSROLWLNLP9RUIHOGGHV-XQL.ODXV/DUUHV3ROLWLNGHU,OOXVLRQHQ&KXUFKLOO (LVHQKRZHUXQGGLHGHXWVFKH)UDJH²*|WWLQJHQVRZLHGHUV*UR‰EULWDQQLHQXQGGHU-XQL 51 Otto Dibelius, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland, hatte sich am 5. Juni 1953 in einem 'LHGHXWVFKH)UDJHXQGGDV6FKHLWHUQYRQ&KXUFKLOOV(QWVSDQQXQJVSROLWLNQDFK6WDOLQV7RG Brief an den DDR-Ministerpräsidenten gewandt und um Gespräche über die Lage seiner Kirche ,Q.OH‰PDQQ6W|YHU +J 6² gebeten. Entsprechend dem Kurswechsel reagierte die DDR-Führung schnell auf diese Bitte und beraumte für den -XQL%HVSUHFKXQJHQDQDXIZHOFKHUGLHVWDDWOLFKHQ5HSUHVVDOLHQ]XUFNJHQRPPHQZXUGHQ:LONH+HJHGV 0LFKDHO/HPNH.RQUDG$GHQDXHUXQGGDV-DKU'HXWVFKODQGSROLWLNXQG-XQLLQ.OH‰PDQQ6W|YHU 6DWHOOLWHQQDFK6WDOLQV7RG6² +J 6²+DQV3HWHU6FKZDU]$GHQDXHU'HU6WDDWVPDQQ²6WXWWJDUW6² ,QGHP%HULFKWÀQGHWVLFK]ZDUGHUDOOJHPHLQH+LQZHLVDXIP|JOLFKHࡐJU|‰HUHbQGHUXQJHQGHV6WDDWVXQG

18 19 Bereits in den letzten Maitagen war in Moskau die Entscheidung gefallen, die QLFKWYROONRPPHQDEZHJLJ$XVGHQ9HUODXWEDUXQJHQGHU''53UHVVHOLH‰ tiefe gesellschaftliche und wirtschaftliche Krise in der DDR durch eine grund- sich ablesen, dass der Kurswechsel eine Doppelstrategie verfolgen könnte: OHJHQGHbQGHUXQJGHUELVKHULJHQ3ROLWLN]XEHKHEHQ'LHVH$QRUGQXQJZXUGH Einerseits ging es um dringend notwendige innenpolitische Korrekturen, mit in den ersten Junitagen der SED-Führung in Moskau übermittelt, die darauf- GHQHQDQGHUHUVHLWV9RUDXVVHW]XQJHQIUHLQH:LHGHUYHUHLQLJXQJJHVFKDIIHQ KLQGLH(LQIKUXQJGHVࡐ1HXHQ.XUVHV´YRUEHUHLWHWH9RQGLHVHU(QWZLFNOXQJ würden.56 Welchen Stellenwert mittelfristige deutschlandpolitische Absichten erfuhr die Leitung der Organisation Gehlen am 11. Juni aus der SED-Zeitung GHU0RVNDXHU)KUXQJEHLGHU$QRUGQXQJGHVࡐ1HXHQ.XUVHV´WDWVlFKOLFK ࡐ1HXHV'HXWVFKODQG´53'LH9HUlQGHUXQJOLH‰VLFKLQ3XOODFKLQGLHELVKHU- hatten, ist in der Forschung umstritten. Unumstritten ist jedoch, dass die LJHQ3URJQRVHQHLQIJHQ=LHOGHUQHXHQ3ROLWLNVHLHVPLW+LQEOLFNDXIGLH 0D‰QDKPHQDXIHLQHNXU]IULVWLJH6WDELOLVLHUXQJGHU''5DE]LHOWHQRKQHGLH 'HXWVFKODQGSROLWLN GLH ࡐ.RQ]HVVLRQVEHUHLWVFKDIW GHU 6RZMHWXQLRQ JODXEKDIW GLH6RZMHWXQLRQLKUH9HUKDQGOXQJVPDVVHYHUORUHQKlWWH57 ]XPDFKHQ´XPGLHࡐ$XIVSDOWXQJGHUZHVWOLFKHQ)URQW´YRUDQ]XWUHLEHQXQG Dieser zweite und für den Aufstand ausschlaggebende Aspekt wird in den nicht zuletzt die im September 1953 bevorstehenden Bundestagswahlen $QDO\VHQGHU2UJDQLVDWLRQ*HKOHQXQWHUEHZHUWHW:LHVHKUGDV$XVPD‰XQG zu beeinflussen. Es wird zwar ausführlich und zutreffend dargelegt, dass die Notwendigkeit zur Behebung der inneren Krise unterschätzt wurden, zeigt ZLUWVFKDIWOLFKH XQG LQQHQSROLWLVFKH 3UREOHPH EHL GHU .XUVlQGHUXQJ LQ GHU sich im Wochenbericht vom 17. Juni, der die Ereignisse seit dem Erlass des ''5HLQH5ROOHJHVSLHOWKlWWHQDEVFKOLH‰HQGDEHUEHWRQW ࡐ1HXHQ.XUVHV´]XVDPPHQIDVVWH+LHULQZXUGHQGLH(PSIlQJHUJHZDUQWDXI GLH5HIRUPHQLQGHU''5]XYHUWUDXHQ'LHVHVHLHQDX‰HQSROLWLVFKEHJUQ- Die Wirtschaftskrise trifft zeitlich mit der politischen Absicht der GHWHࡐWDNWLVFKH0D‰QDKPHQ´XQGEHGHXWHWHQࡐQXUHLQ6WLOOKDOWHQ>@NHLQHV Sowjetunion zusammen, das Deutschlandproblem mit den Westmächten zu dis- ZHJVHLQ$XIJHEHQGHUHUUHLFKWHQ3RVLWLRQHQ´2EHLQHZLUNOLFKHbQGHUXQJ kutieren. Die neuen Maßnahmen lassen sich gleichsam als Nachgeben auf GHU :LUWVFKDIWV XQG ,QQHQSROLWLN HUIROJH ZHUGH VLFK HUVW LP 9HUODXIH GHU westliche Forderungen darstellen.54 kommenden Monate zeigen.58 Eine solche Warnung erschien aus Sicht der Organisation Gehlen wohl notwendig, um die Bundesregierung in ihrem in- 1RFKGHXWOLFKHUZXUGHGHUYHUPXWHWH=ZHFNGHVࡐ1HXHQ.XUVHV´LQQHUKDOE nenpolitisch umstrittenen Kurs der Westintegration zu bestätigen, der durch der Organisation Gehlen kommuniziert: Es handele sich zwar um eine LQQHQSROLWLVFKH 0D‰QDKPH ]XU ࡐ%HKHEXQJ WDWVlFKOLFKHU 1RWVWlQGH LQ GHU 6%='´GHUHQ=LHOVHLDEHUGLHࡐWLHI]LHOHQGH6W|UXQJGHUZHVWOLFKHQ3ROLWLN´55 (LQH VROFKH ,QWHUSUHWDWLRQ GHV ࡐ1HXHQ .XUVHV´ ZDU ]X GLHVHP =HLWSXQNW

3DUWHLZHVHQVVRZLHGHU6SLW]HQEHVHW]XQJ´(VLVWXQZDKUVFKHLQOLFKGDVVGLHVH6SHNXODWLRQDXI.HQQWQLVGHU EHYRUVWHKHQGHQ.XUVlQGHUXQJEHUXKWH]XPDOSHUVRQHOOH9HUlQGHUXQJHQLQGHU6(')KUXQJQLFKW7HLOGHV 3URJUDPPVZDUHQ:LONH+HJHGV6DWHOOLWHQ6²(QWVFKHLGHQGLVWGDVVGHU%HULFKWNHLQHUOHL+LQZHLVHDXI HLQHbQGHUXQJGHU''5:LUWVFKDIWVSROLWLNHQWKlOWhEHUVLFKW6%$UFK%%ODWW² 9RQGHU5FNVWHOOXQJGHUYRUPLOLWlULVFKHQ$XVELOGXQJHUIXKUGLH2UJDQLVDWLRQ*HKOHQQDFK$NWHQODJHDXVGHU 3UHVVH'HU5XQGEULHIGHV,QIRUPDWLRQVEURV:HVW ,:( KDWWHDP-XQLHLQHHQWVSUHFKHQGH0HOGXQJ 6RZRKOLQGHU6('3DUWHL]HLWXQJࡐ1HXHV'HXWVFKODQG´ZLHDXFKLP2UJDQGHUVRZMHWLVFKHQ%HVDW]XQJVPDFKW verbreitet. Meldung IWE Berlin, 06.06.1953, BND-Archiv 120629, Blatt 2020. LQGHU''5ࡐ7lJOLFKH5XQGVFKDX´ZXUGHEHWRQWGDVVGLH0D‰QDKPHQࡐDXIGDVJUR‰H=LHOGHU:LHGHUYHUHLQLJXQJ GHVGHXWVFKHQ9RONHV´DXVJHULFKWHWVHLHQ:LFKWLJH%HVFKOVVH7lJOLFKH5XQGVFKDX6VRZLH 53 Zwar hatten zwei Gewährsleute der Organisation Gehlen vor dem 10. Juni Anhaltspunkte für eine grundlegende Neues Deutschland, 11.06.1953, S. 1. Änderung der Wirtschaftspolitik aufgefangen. Diese Informationen erreichten die Zentrale aber wegen organisatorischer 6FKZLHULJNHLWHQQLFKWUHFKW]HLWLJXQGZXUGHQLQLKUHU%HGHXWXQJHUVWQDFKWUlJOLFKHUNDQQW: :LUWVFKDIWVDXINOlUXQJ  'HUQLFKWDXIJHO|VWH=LHONRQÁLNW]ZLVFKHQࡐ%HVLW]VWDQGVZDKUXQJ´XQG:LHGHUYHUHLQLJXQJVDEVLFKWHQZLUGLQ 'LHZLUWVFKDIWOLFKH$XINOlUXQJ6%1'$UFKLYVRZLH(LQVDW]EHULFKW6%$UFK%%ODWW der Forschung diskutiert und mehrheitlich in Richtung einer primären Stabilisierung der DDR interpretiert. Wettig, 6RZMHWLVFKH'HXWVFKODQGSROLWLN6²6FKHUVWDQRM6RZMHWLVFKH'HXWVFKODQGSROLWLN6:LONH+HJGV hEHUVLFKW6%$UFK%%ODWW+HUYRUKHEXQJLP2ULJLQDO Satelliten, S. 61 und 120, Foitzik, Sowjetische Interessenpolitik, S. 112. Eine stärkere Betonung der Wiedervereini- JXQJVDEVLFKWHQÀQGHWVLFKXQWHUDQGHUHPEHL/RWK6RZMHWXQLRQXQGGHXWVFKH)UDJH  /HLWXQJ ' 6LHJIULHG*UDEHU DQDOOH'LHQVWVWHOOHQ$QZHLVXQJ-HW]LJH0D‰QDKPHQGHU2VW]RQHQ 0DFKWKDEHU6%$UFK%%ODWW hEHUVLFKW6²%$UFK%%ODWW²

20 21 die Kursänderung in der DDR weiterhin gefährdet erschien.59 Entsprechend auf unserem deutschen Rücken. Churchill hat schon einmal West-Europa an ZXUGHGHU$XIWUDJIUGLH*HZlKUVOHXWHLP2VWHQJHVWDOWHW'DࡐDQHLQHQ den Russen verkauft und verraten, dem kommt es auch nicht auf das zweite HFKWHQ *HVLQQXQJVZDQGHO QLFKW JHJODXEW ZLUG´ VROOWHQ 1DFKULFKWHQ EHL Mal an.62 JHEUDFKWZHUGHQGLHGHQࡐ1HXHQ.XUV´ZLGHUOHJHQXQGHLQ)HVWKDOWHQ DQGHUࡐEROVFKHZLVWLVFKHQ*UXQGOLQLH´EHZHLVHQVROOWHQ60 $P9RUDEHQGGHV-XQLJLQJGLH2UJDQLVDWLRQ*HKOHQDOVRGDYRQDXVGDVV :DVGLH$QDO\VHQGHU2UJDQLVDWLRQ*HKOHQLP9RUIHOGGHV9RONVDXIVWDQGHV GHU.XUVZHFKVHOLQGHU''5LQHUVWHU/LQLHHLQDX‰HQSROLWLVFKHV0DQ|YHU trübte, war die Grundüberzeugung ihrer Leitung, die Absichten der sowjeti- der sowjetischen Führung sei, um die Westintegration der Bundesrepublik zu VFKHQ )KUXQJ RKQHKLQ ]X GXUFKVFKDXHQ 9RUDXVVHW]XQJ HLQHU VROFKHQ hintertreiben. Dass die gesellschaftliche und wirtschaftliche Krise des jungen 6LFKHUKHLWZDUHLQIHVWHV:HOWELOGGDVVLFK]XPLQGHVWLQ7HLOHQGHU)KUXQJ 6WDDWHV DXVVFKODJJHEHQG IU GLHVH YHUlQGHUWH 3ROLWLN ZDU XQG GHU ࡐ1HXH auf alte Gewissheiten und neue Ressentiments gründete. Ein Beispiel hierfür .XUV´GDV=LHOYHUIROJWHGLH''5]XVWDELOLVLHUHQZXUGHLQGHQ$QDO\VHQ VLQGGLHSUlJQDQWHQ(LQODVVXQJHQGHV9HUWUHWHUVGHU2UJDQLVDWLRQ*HKOHQLQ YHUNDQQW'LH)RNXVVLHUXQJDXIGLHDX‰HQSROLWLVFKHQ9RUJlQJHOHQNWHGHQ Berlin, Helmut Kleikamp61, der am 12. Juni seine Lageeinschätzung an die Blick von den inneren Entwicklungen ab. Zentrale übermittelte:

Man darf nicht vergessen, daß alles, was jetzt drüben geschieht, nur Propagandamache ist, um auf die Bermuda-Konferenz und die Bundestagswahlen entsprechend einzuwirken. Es besteht kein Zweifel, dass der Osten Erfolge mit diesen Maßnahmen haben wird, vor allem bei den ewig Gestrigen, die aus ihren Mauslöchern herauskommen, und bei der SPD, die dem Adenauer die Butter auf dem Brot nicht gönnt und daher lieber zur Selbstentmannung schreitet. Wenn man die ganzen Maßnahmen des Ostens betrachtet, so könnte man auf die Idee kommen, daß eine gewisse Molotowklique im Kreml Stalin tatsächlich umgebracht hat, um den starren Kurs Stalins, der den westlichen Leichnam wieder zum Leben erweckt, durch Katzenpfötchenmaßnahmen abzulösen und zur Einschläferung des Westens. Wenn wir nicht sehr aufpassen und rechtzeitig furchtbar schreien, dann einigen sich diese smarten Brüder in Ost und West

59 Der Kurswechsel in der DDR sorgte in der Bundesrepublik für innenpolitische Auseinandersetzungen, indem GLH/LEHUDOLVLHUXQJYRQ7HLOHQGHU2SSRVLWLRQDOV=HLFKHQHLQHVVRZMHWLVFKHQ(QWJHJHQNRPPHQVLQWHUSUHWLHUW ZXUGHZHOFKHGDV=LHOGHU:HVWELQGXQJGHU5HJLHUXQJ$GHQDXHUJHIlKUGHWH6FKZDU]$GHQDXHU6²2WWR /HQ],P=HQWUXPGHU0DFKW'DV7DJHEXFKYRQ6WDDWVVHNUHWlU/HQ]²EHDUEHLWHWYRQ.ODXV*RWWR Düsseldorf 1989, S. 639–646.

 /HLWXQJ ' 6LHJIULHG*UDEHU DQ'LHQVWHLQKHLWHQXQG$X‰HQVWHOOHQ$QZHLVXQJ-HW]LJH0D‰QDKPHQ GHU2VW]RQHQ0DFKWKDEHU6²%$UFK%%ODWW²

61 Helmut Kleikamp (DN Kleiber), 1901–1985, Generalmajor der Wehrmacht, 1950 Eintritt in die Organisation *HKOHQELV+HUEVW9HUWUHWHUGHU/HLWXQJGHU2UJDQLVDWLRQ*HKOHQLQ:HVWEHUOLQ²0LWDUEHLWHUHLQHU ࡐ)HXHUYHUVLFKHUXQJ%HUOLQ´ +HOPXW.OHLNDPS DQࡐ6:8´ 'LHQVWVWHOOH %ULHI $X‰HQVWHOOH S. 1–2, hier S. 1, BND-Archiv 120826, Blatt 1536–1537, hier 1536.

22 23 *HKOHQKDWWHQXP8KULKUH%HULFKWHSHU)XQNQDFK3XOODFKGXUFKJH 2 geben, doch ohne diese Ereignisse zu erwähnen. Möglicherweise ging man davon aus, dass andere Stellen die Zentrale bereits informiert hatten. Da die Informationsbeschaffung einzelnen Agentenfilialen streng voneinander abgeschirmt arbeiteten und nur entsprechend den ihnen übertragenen Aufträgen berichteten, ist eine solche während des Volksaufstandes )HKONRPPXQLNDWLRQGXUFKDXVGHQNEDU(LQHDP0LWWDJLQ3XOODFKHLQJHJDQ- JHQH0LWWHLOXQJGHV9HUWUHWHUVGHU2UJDQLVDWLRQ*HKOHQLQ:HVWEHUOLQGDVV GHU%HUOLQ%HDXIWUDJWHGHU%XQGHVUHJLHUXQJ+HLQULFK9RFNHO 65DXV3XOODFK HLQHࡐP|JOLFKVWHLQJHKHQGHXQGVFKQHOOH´8QWHUULFKWXQJEHUࡐGLH/DJH2VW´ 'LH9HUNQGXQJGHV.XUVZHFKVHOVDP-XQLZXUGHLQGHU''5 wünsch te, zeigt, dass er in der Zentrale solche Informationen vermutete.66 Bevölkerung als Zeichen der Schwäche des SED-Regimes aufgefasst und Dies traf nach Aktenlage aber nicht zu. Gehlen traf sich am Nachmittag des VFKXI GDPLW GLH 9RUDXVVHW]XQJ IU RIIHQHQ 3URWHVW$OV YHUKlQJQLVYROO -XQLPLWGHP/HLWHUGHV&,$6WDEHVLQ3XOODFK-DPHV&ULWFKILHOG]XHLQHU VROOWH VLFK HUZHLVHQ GDVV GHU ࡐ1HXH .XUV´ ]ZDU (UOHLFKWHUXQJHQ IU7HLOH %HVSUHFKXQJ'LH9RUJlQJHLQ%HUOLQZXUGHQGHU*HVSUlFKVQRWL]QDFKQLFKWWKH- der Bevölkerung mit sich brachte, aber die prekäre Lage der Arbeiter PDWLVLHUWZDVZRKOGDUDXIVFKOLH‰HQOlVVWGDVVVLHQRFKQLFKWEHNDQQWZDUHQ67 ausklammerte. Die nicht zurückgenommene Erhöhung der Arbeitsnormen 'LHHUVWH5HDNWLRQDXIGHQEHJLQQHQGHQ9RONVDXIVWDQGLVWDP$EHQGGHV sorgte in den Betrieben für wachsenden Unmut, der sich vielerorts in ersten 16. Juni nachweisbar. Aufgeschreckt durch die Radiomeldung, versuchte der Streiks manifestierte, die von den Quellen der Organisation Gehlen bis auf Leiter der DDR-Beschaffung, Siegfried Graber, nach 20 Uhr Kontakt mit Hans eine Ausnahme allerdings nicht gemeldet wurden.63 An der Normenfrage Lutz68, dem Leiter der gegen die DDR arbeitenden Generalvertretung G auf- HQW]QGHWHVLFKVFKOLH‰OLFKDXFKGHU3URWHVWYRQ$UEHLWHUQHLQHU2VWEHUOLQHU zunehmen. Der war jedoch telefonisch nicht erreichbar. Graber wandte sich *UR‰EDXVWHOOH GHU VFKOLH‰OLFK DXI GLH %DXDUEHLWHU LQ GHU 6WDOLQDOOHH daraufhin an Heinz-Danko Herre69, der als Chef der Auswertungsabteilung übergriff und am 16. Juni in einen spontanen Demonstrationszug zum für die Erstellung des Gesamtlagebildes verantwortlich war. Beide verfügten 5HJLHUXQJVJHElXGHLQGHU/HLS]LJHU6WUD‰HPQGHWH LQ 3XOODFK EHU GLH JU|‰WH ([SHUWLVH ]XU %HXUWHLOXQJ GHU 9RUJlQJH LQ GHU )U GLH7DJH ]ZLVFKHQ 9HUNQGXQJ GHV ࡐ1HXHQ .XUVHV´ DP  -XQL XQG ''5+HUUHVFKOXJYRUGHQ$X‰HQVWHOOHQDQJHVLFKWVGHUQHXHQ(QWZLFNOXQJ GHP%HJLQQGHV$XIVWDQGHVDP-XQLODJHQLQ3XOODFKNHLQH(UNHQQWQLVVH EHVRQGHUH$XIWUlJH]XHUWHLOHQ(UOLH‰VLFKMHGRFKYRQ*UDEHUGDYRQEHU- vor, die auf eine dramatische Zuspitzung der Lage hinwiesen. Auch von ]HXJHQGDVVGLHࡐEHNDQQWH7FKWLJNHLWGHU%HUOLQHU1')KUHU´DXVUHLFKH den Ereignissen am 16. Juni erfuhren die Mitarbeiter in der Zentrale und insbesondere der für die DDR-Aufklärung zuständige Siegfried Graber – +HLQULFK9RFNHO ² :LUWVFKDIWVSROLWLNHU*UQGXQJVPLWJOLHGGHU%HUOLQHU&'8²HUVWHU Bevollmächtigter der Bundesrepublik Deutschland in Westberlin. dem Einsatzbericht nach zu urteilen – , erst aus den Abendnachrichten des ࡐ)HXHUYHUVLFKHUXQJ%HUOLQ´ +HOPXW.OHLNDPS DQࡐ6:8´ 'LHQVWVWHOOH 1RWL]8QWHUUHGXQJPLW9RFNHO %D\HULVFKHQ 5XQGIXQNV REZRKO GHU 5,$6 VHLW GHP 1DFKPLWWDJ EHU GLH 16.06.1953, BND-Archiv 120826, Blatt 1533. Lageentwicklung in Ostberlin berichtete.64'LH$X‰HQVWHOOHQGHU2UJDQLVDWLRQ 67 Besprechungsnotiz 30 mit 25 am 16.6., 17.06.1953, BND-Archiv 1107, Blatt 287. Zur Lage der CIA am 17. Juni: David E. Murphy, Sergej A. Kondrashev und George Bailey: Battleground Berlin. CIA vs. KGB in the Cold War, 1HZ+HDYHQ6²2VWHUPDQQ8SULVLQJ6²'DYLG(0XUSK\7KH&,$·V%HUOLQ2SHUDWLRQ *UDEHUEHULFKWHWLQVHLQHQ(ULQQHUXQJHQGDVVLKQVHLQ9RUJHVHW]WHUEHLGHU$EIDVVXQJGHV(LQVDW]EHULFK- %DVHDQGWKH6XPPHURILQ+HLNH%XQJHUW-DQ*+HLWPDQQXQG0LFKDHO:DOD +J 6HFUHW,QWHOOLJLHQFH tes aufgefordert hätte nachzuweisen, dass von den Quellen Anzeichen für den Ausbruch von Unruhen gemeldet LQWKH7ZHQWLHWK&HQWXU\/RQGRQ6² ZRUGHQVHLHQ'LHVVHLDEHUࡐUHLQHV:XQVFKGHQNHQ´JHZHVHQ*UDEHU(ULQQHUXQJVEHULFKW6%1'$UFKLY Nachlass 4, Band 20. Bestätigt wird dies rückblickend auch von der Wirtschaftsausaufklärung. Bis auf eine Aus- 68 Hans Lutz (DN Roth), geb. 1906, vor 1945 Oberst im Generalstab, 1946 Eintritt in die Organisation Gehlen, QDKPHKlWWHNHLQHGHU4XHOOHQEHUGLH6WUHLNVLP9RUIHOGGHV-XQLEHULFKWHW: :LUWVFKDIWVDXINOlUXQJ 'LH ²$X‰HQVWHOOHQOHLWHU²0LWDUEHLWHULQGHU=HQWUDOH wirtschaftliche Aufklärung, S. 4, BND-Archiv 3196. Die Meldung über den Sitzstreik im Stahlwerk Henningsdorf am 0DLLQ%$UFK%%ODWW² 69 Heinz-Danko Herre (DN Herdahl), 1909–1988, bis 1945 bei Fremde Heere Ost, nach Kriegsende am Aufbau der Organisation Gehlen beteiligt, 1946–1953 im Leitungsstab Gehlen, 1952–1958 Leiter der Auswertung, 0DQIUHG5H[LQ=XU5ROOH:HVWGHXWVFKODQGXQG:HVW%HUOLQVDP-XQLLQ(QJHOPDQQ ²/HLWHUPLOLWlULVFKH%HVFKDIIXQJGDQDFK5HVLGHQWGHV%1'LQ:DVKLQJWRQ3HQVLRQLHUXQJ .RZDOF]XN9RONVHUKHEXQJ6²KLHU6²

24 25 XPGLH(QWZLFNOXQJZHLWHU]XEHREDFKWHQ%HLGHNDPHQVFKOLH‰OLFKEHUHLQ der Zentrale der Organisation Gehlen Unruhe breit.73 Um 12.50 Uhr traf dann GDVVGLH'HPRQVWUDWLRQHQNHLQHZHLWHUHQ0D‰QDKPHQUHFKWIHUWLJHQZUGHQ die erste eigene Nachricht über den Aufstand ein. Sie bestätigte den seit und verabschiedeten sich – wie Graber rückblickend berichtete – unter ge- dem Morgen im Radio gemeldetem Demonstrationszug der Hennigsdorfer JHQVHLWLJHU9HUVLFKHUXQJࡐGXPSIHUXQGDKQXQJVYROOHU*HIKOH´70 Arbeiter.741DFKGHPXP8KUGHU%D\HULVFKH5XQGIXQNGLH9HUKlQJXQJ 1RFKYRU'LHQVWEHJLQQLQ3XOODFKEHULFKWHWHQGLH5XQGIXQNVWDWLRQHQDP des Ausnahmezustandes und den Einsatz sowjetischen Militärs gegen Juni 1953 schon in den Morgennachrichten über Massenkundgebungen in die Demonstranten bekanntgab, setzte sich Graber mit den Leitern der 2VWEHUOLQDQGHQHQQRFKZHLWPHKU0HQVFKHQWHLOQDKPHQDOVDP9RUWDJ $XINOlUXQJVDEWHLOXQJHQ3ROLWLNXQG)XQN9HUWUHWHUQGHV*HKOHQ6WDEHVXQG 8QWHUGHP(LQGUXFNGHU(UHLJQLVVHDP-XQLGLHLQ]ZLVFKHQDXFKDX‰HU- GHQ$X‰HQVWHOOHQLQ9HUELQGXQJXPGDV/DJHELOGGHU''5%HVFKDIIXQJPLW halb bekannt geworden waren, radikalisierte sich in der gesamten den Erkenntnissen der anderen Dienststellen abzugleichen. Nach Grabers ''5GHU3URWHVWXQGVFKOXJLQHLQHQ9RONVDXIVWDQGJHJHQGDV6('5HJLPH 6FKLOGHUXQJKHUUVFKWHZLHHUVLFKDXVGUFNWHEHUDOOGLH$QVLFKWࡐ=HQWUDOH um. Seit den Mittagsstunden wurde er durch den Einsatz sowjetischer KDWNHLQH=HLWPHKUNOHLQH+HOOH]XWULQNHQ´XQGPVVHQXQPHKUUHDJLHUHQ 7UXSSHQ QLHGHUJHVFKODJHQ :lKUHQG LQ 2VWEHUOLQ GLH 9HUKlQJXQJ GHV Ein solcher Schritt konnte aber nur von der Leitung angeordnet werden. Horst Ausnahmezustandes das Ende der Erhebung markierte, hielt der Widerstand von Mellenthin 75, Gehlens Stellvertreter, gab zwei Stunden später bekannt, LQDQGHUHQ2UWHQQRFKHLQLJH7DJHDQ dass für 16 Uhr eine Besprechung der Abteilungsleiter anberaumt sei.76 'LH 0LWDUEHLWHU GHU 2UJDQLVDWLRQ *HKOHQ LQ 3XOODFK HUIXKUHQ YRQ GLHVHU (UVW GUHL 6WXQGHQ QDFK 9HUKlQJXQJ GHV $XVQDKPH]XVWDQGHV XQG GHP dramatischen Entwicklung aus dem Rundfunk. Anfragen von Dienststellen, (LQJUHLIHQ GHU VRZMHWLVFKHQ 7UXSSHQ GHU GDV (QGH GHV 9RONVDXIVWDQGHV GLHLP9HUODXIHGHV9RUPLWWDJVEHLGHU''5$XINOlUXQJVDEWHLOXQJHLQJLQJHQ EHGHXWHWH UHDJLHUWH GLH 2UJDQLVDWLRQ *HKOHQ DXI GLH 9RUJlQJH$XV GHQ konnten nicht beantwortet werden. Es lagen keine eigenen Erkenntnisse vor. ]XU 9HUIJXQJ VWHKHQGHQ 4XHOOHQ JHKW QLFKW KHUYRU ZHVKDOE GLH /HLWXQJ 8P8KUJLQJLQGHU=HQWUDOHHLQHUQHXWHU)XQNVSUXFKGHV9HUWUHWHUV QLFKW ]X HLQHP IUKHUHQ =HLWSXQNW 0D‰QDKPHQ HUJULII )HKOHQGH .HQQWQLV der Organisation Gehlen in Berlin ein: der Ereignisse ist unwahrscheinlich, da die Mitarbeiter spätestens seit dem 9RUPLWWDJDXV3UHVVHXQG5XQGIXQNLQIRUPLHUWZDUHQ'HQNEDULVWGDVVGLH Die rasante Lageentwicklung in Ost-Berlin, die heute vormittags auch Leitung der Organisation Gehlen den Demonstrationen selbst keine beson- auf West-Berlin übergreift, macht schnellste Nachrichtenübermittlung not- GHUH%HGHXWXQJEHLPD‰GLH0RELOLVLHUXQJGHU5RWHQ$UPHHLQ2VWEHUOLQXQG wendig. Vor allem ist Volkmann 71 an Lageentwicklung Zone interessiert. anderen Orten der DDR am Mittag hingegen als potentielle Bedrohung wahr- Erbitte schnellstmögliche Nachrichtenübermittlung auch auf diesem Wege, nahm, auf die sie glaubte, reagieren zu müssen. falls neue Meldungen und Erkenntnisse.72 $QGLH$X‰HQVWHOOHQHUJLQJDPVSlWHQ1DFKPLWWDJGHV-XQLGLH$QZHLVXQJ HLQHࡐODXIHQGHVFKQHOOH%HULFKWHUVWDWWXQJEHUGLH9RUJlQJHLQ%HUOLQXQGLQ Als Radio München in den Mittagsnachrichten über den Einsatz der 9RONVSROL]HL JHJHQ GLH 'HPRQVWUDQWHQ EHULFKWHWH XQG LQ %RQQ HLQH Regierungserklärung zu den Ereignissen vorbereitet wurde, machte sich in

73 Meldung Radio München, Mittagsnachrichten,17.06.1953, BND-Archiv 7361, Blatt 264.

3 3ROLWLVFKH%HVFKDIIXQJ DQ /HLWXQJ 0HOGXQJࡐ'HPRQVWUDWLRQLQ%HUOLQ´%1'$UFKLY %ODWWVRZLHGLH]XJUXQGHOLHJHQGH0HOGXQJࡐ'HPRQVWUDWLRQHQLQ%HUOLQ´%1'$UFKLY (LQVDW]EHULFKW6%$UFK%%ODWW 121285, Blatt 1019.

ࡐ9RONPDQQ´ZDUGHU7DUQQDPHIU+HLQULFK9RFNHO 75 Horst von Mellenthin (DN Merker), 1898–1977, General der Wehrmacht, 1948 Eintritt in die Organisation Geh- len, 1949–1956 verschiedene Funktionen im Leitungsstab, 1951–1955 Stellvertreter Gehlens, 1956–1959 Resident 72 Führungsexponent Berlin (Helmut Kleikamp) an Dienststelle 33, Funkspruch Lageentwicklung in Berlin, GHV%1'LQ:DVKLQJWRQ²0LWDUEHLWHUGHU=HQWUDOH3HQVLRQLHUXQJ 17.06.1953, BND-Archiv 120826, Blatt 1531. Graber datiert im Einsatzbericht den Eingang auf 11.00 Uhr, auf GHP)XQNVSUXFKLVW8KUDOV(LQJDQJV]HLWYHUPHUNW(LQVDW]EHULFKW6%$UFK%%ODWW (LQVDW]EHULFKW6²%$UFK%%ODWW²

26 27 GHU =RQH´ VLFKHU]XVWHOOHQ77 Gleichzeitig wurden die Schwerpunkte der zu :LHJUR‰GDV(QWVHW]HQXQGGLH9HUXQVLFKHUXQJZlKUHQGGHV$XIVWDQGHV beschaffenden Informationen festgelegt. In unangefochtener Weiterführung JHZHVHQVLQGOlVVWVLFKDXVGHP%ULHIGHV%UHPHU$X‰HQVWHOOHQOHLWHUVXQG der bisherigen Lageanalyse nahm die Führung der Organisation Gehlen an, VSlWHUHQ9L]HSUlVLGHQWHQGHV%1'+DQV:RUJLW]N\ 81, ablesen, den er zwei dass die ausgebrochenen Unruhen Bestandteil der veränderten sowjetischen 7DJHQDFKGHP-XQLDQGLH=HQWUDOHVFKLFNWH 'HXWVFKODQGSROLWLNVHLQPVVWHQ3ULRULWlWEHVD‰GDKHUGLH%HLEULQJXQJYRQ Nachrichten, welche eine Inszenierung der Demonstrationen in Ostberlin Zunächst war gähnende Leere. [...] Das ist unerträglich. Wir haben so- GXUFKVRZMHWLVFKH'LHQVWVWHOOHQEHOHJHQXQGGLH*UQGHIUGDVࡐ(QWJOHLWHQ viele Nachrichtenleute in Berlin, Berlin ist wieder einmal Brennpunkt GHU5HJLH´HUNOlUHQNRQQWHQ$X‰HUGHPVROOWHQGLHࡐVRZMHWLVFKHQ$EVLFKWHQ´ der Welt, und kaum Nachrichten! [...] Wenn man in diesen Tagen die KLQVLFKWOLFK HLQHU 5HJLHUXQJVXPELOGXQJ LQ GHU ''5 XQG GLH ࡐJHVDPW- Zeitung liest, wird man neidisch und etwas traurig. Dabei haben wir GHXWVFKHQ$EVLFKWHQGHU6RZMHWV´JHNOlUWZHUGHQ$QOHW]WHU6WHOOHVWDQGGLH [...] bewiesen, dass wir auch aktuell sein können. [...] Wenn wir solche %HVFKDIIXQJYRQ%HULFKWHQEHUGLH)RUWIKUXQJGHVࡐ1HXHQ.XUVHV´XQGGDV Aufgaben [...] nicht meistern, so werden wir weltfremde Spezialisten, 9HUKDOWHQGHU9RONVSROL]HL78 Nachrichtenbeamte für historische Sonderverbindungen, alles Mögliche, nur 'LHVH $QZHLVXQJ KDWWH PLW 9HUKlQJXQJ GHV $XVQDKPH]XVWDQGHV MHGRFK keine Nachrichtenführer sein, die in die Welt passen! 82 NDXPQRFKSUDNWLVFKH%HGHXWXQJ'LHGDPLWHLQKHUJHKHQGH6FKOLH‰XQJGHU Sektorengrenzen in Berlin hatte zur Folge, dass die bislang hauptsächlich %HLGHU%HXUWHLOXQJGHU9RUJlQJHLQGHU''5ZDUGLH2UJDQLVDWLRQ*HKOHQ EHU:HVWEHUOLQODXIHQGH9HUELQGXQJ]XGHQ*HZlKUVOHXWHQXQWHUEURFKHQ in der Woche nach dem Aufstand in erster Linie auf die Berichterstattung war. Den meisten Agenten aus der DDR war es nicht mehr möglich, über YRQ 3UHVVH XQG 5XQGIXQN DQJHZLHVHQ 'HU XQHUZDUWHWH $XVEUXFK GHV GLHVWDUNEHZDFKWH*UHQ]H]XJHODQJHQ,Q3XOODFKEHVWDQG]ZDUDP 9RONV]RUQVJHJHQGDV6('5HJLPHHUZHFNWHLQWHUQDWLRQDOJUR‰HV$XIVHKHQ Juni noch die Hoffnung, die Konsequenzen der Absperrung durch vorbe- 7URW]GHU$EULHJOXQJGHU6HNWRUHQJUHQ]HQEHVWDQGHQIUGLH0HGLHQRIIHQ- UHLWHWH (QWVDW]PD‰QDKPHQ DXIIDQJHQ ]X N|QQHQ 'D GLHVH DEHU EHL GHQ VLFKWOLFKEHVVHUH0|JOLFKNHLWHQGLH9RUJlQJHLQ2VWEHUOLQXQGPLWHLQLJHU $X‰HQVWHOOHQ QRFK EHUZLHJHQG LP 3ODQXQJVVWDGLXP ZDUHQ NDPHQ VLH 9HU]|JHUXQJLQGHQDQGHUHQ5HJLRQHQGHU''5]XYHUIROJHQ,QVEHVRQGHUH NDXP]XP7UDJHQ79 Der nahezu vollständige Ausfall der Agentennetze traf die Berichterstattung des RIAS trug dazu bei, dass Informationen über das die Organisation Gehlen unerwartet. Graber konstatierte mit dem Abstand $XVPD‰ XQG GHQ$EODXI GHV 9RONVDXIVWDQGHV LP :HVWHQ UDVFK EHNDQQW YRQ HLQHP 0RQDW GDVV GLH 7DJH QDFK GHP  -XQL HLQH ࡐ3HULRGH GHU wurden.83 Innerhalb der Organisation Gehlen erlaubten die wenigen bis zum Ungeduld und des Zweifelns an der eigenen, erwiesenen Leistung und an 22. Juni vorliegenden eigenen Meldungen über den Aufstand lediglich die GHPYRUKDQGHQHQ.|QQHQGHV)HOGDSSDUDWHV´ZDUHQZDVDQJHVLFKWVGHU )HVWVWHOOXQJGDVVVLFKGLH5RWH$UPHHLQGHU''5ࡐLQ%HZHJXQJ´EHILQGH84 desaströsen Nachrichtenlage eine deutliche Untertreibung sein dürfte.80 'HU&,$6WDEZDUEHUGDVRIIHQVLFKWOLFKH9HUVDJHQGHV*HKOHQ'LHQVWHV YHUlUJHUW 1DFK *UDEHU VROO GLH ࡐEHIUHXQGHWH 6HLWH´ DP 1DFKPLWWDJ GHV

(LQVDW]EHULFKW6%$UFK%%ODWW 81 Hans-Heinrich Worgitzky (DN Wagner), 1907–1969, bis 1945 Oberst der Wehrmacht, 1946 Eintritt in die Or- 78 30 (Gehlen) an alle Diensteinheiten und CIA, Anweisung Entwicklung in der SBZD, 17.06.1953, BND-Archiv JDQLVDWLRQ*HKOHQ²$X‰HQVWHOOHQOHLWHU6WHOOYHUWUHWHU*HKOHQV²9L]HSUlVLGHQWGHV%1' (LQVDW]EHULFKW6%$UFK%%ODWW'LH$QZHLVXQJHUZlKQWGLH%HREDFKWXQJGHUVRZMHWLVFKHQ VHLWHUNUDQNWRIÀ]LHOOHU5XKHVWDQG 7UXSSHQQLFKWZDVDXFKGDUDXI]XIKUHQVHLQGUIWHGDVVGLHVHU$XIWUDJRKQHKLQEHVWDQG(VH[LVWLHUWHLQH(QW- wurfsversion dieser Anweisung, die auf den persönlichen Mitarbeiter Gehlens, Eberhard Blum, zurückgeht. /HLWHU*9% +DQV:RUJLW]N\ DQ=HQWUDOH%ULHI6²%$UFK%%ODWW²'D]X Diese wurde vermutlich mit der Führung abgestimmt, überarbeitet und in der obigen Form abgesetzt. 30d DXFK/HLWHU*9% +DQV:RUJLW]N\ DQ=HQWUDOH%HULFKW$XIWUlJH/DJH%HUOLQ6%1'$UFKLY (Eberhard Blum), Notiz, 17.06.1953, BND-Archiv 7361, Blatt 262. Blatt 301.

' 6LHJIULHG*UDEHU 0D‰QDKPHQIUGHQ$)DOO $EVFKQUXQJ%HUOLQV %1'$UFKLY 0DUWLQ.UlPHU'HU9RONVDXIVWDQGYRP-XQLXQGVHLQSROLWLVFKHV(FKRLQGHU%XQGHVUHSXEOLN %ODWW²%9( (EUXOI=XEHU DQ*D\ 6LHJIULHG*UDEHU %ULHI6%$UFK%%ODWW Deutschland, Bochum 1996, S. 167–174 sowie Manfred Rexin, Zur Rolle Westdeutschlands, S. 89–90. $QRQ\P>%9(@DQ)LOLDOH(DEJHGUXFNWLQ)ULFNH(QJHOPDQQ7DJ;6²KLHU6 ,QVJHVDPWODJHQ0HOGXQJHQYRUGLH]XDXVGHP*UR‰UDXP%HUOLQVWDPPWHQG (EHUKDUG%OXP  (LQVDW]EHULFKW6%$UFK%%ODWW 3URWRNROO*UXSSHQOHLWHUEHVSUHFKXQJ6%1'$UFKLY%ODWW

28 29  -XQL  JHlX‰HUW KDEHQ ࡐ:R EOHLEHQ 0HOGXQJHQ" :LU KDEHQ GRFK GLH6SUXFKNXU]IDVVXQJ´IHVWJHOHJWZDUHQ917DWVlFKOLFKGUIWHQGLHPHLVWHQ VR YLHO *HOG LQYHVWLHUW´85 (QWVSUHFKHQG ZXUGHQ hEHUOHJXQJHQ DQJHVWHOOW HLQJHJDQJHQHQ 6SUFKH VFKOLFKW ZHUWORV JHZHVHQ VHLQ 'HU $I8 ࡐ%lU´ wie der Nachrichtenausfall kompensiert werden könne. Abgesehen von WHLOWHDPXQG-XQLDXV2VWEHUOLQOHGLJOLFKPLWGDVVVHLQH9HUVXFKH GHU $XVZHUWXQJ GHU 3UHVVH XQG 5XQGIXQNEHULFKWHUVWDWWXQJ EOLHEHQ QXU QDFK:HVWEHUOLQGXUFK]XNRPPHQLQIROJHGHU*UHQ]VFKOLH‰XQJJHVFKHLWHUW zwei Möglichkeiten, Informationen zu beschaffen. Zum einen mussten seien.92 Aus dem an der südlichen Stadtgrenze gelegenen Schönefeld Informationsquellen im Westen erschlossen werden, die über Kontakte HUUHLFKWH3XOODFKDP-XQLGLHZHQLJEHUUDVFKHQGH0LWWHLOXQJGDVVVHLW in den Osten verfügten. Zum anderen stand das für den Kriegsfall aufge- dem 17. Juni sowjetisches Militär um Berlin zusammengezogen würde.939RQ EDXWH1HW]YRQ$X‰HQIXQNHUQ $I8 LQGHU''5]XU9HUIJXQJGLHWURW]GHU ,QWHUHVVHGUIWHQ]XPLQGHVWGLH,QIRUPDWLRQHQGHV)XQNHUVࡐ/RKHQJULQ´JH *UHQ]VFKOLH‰XQJLQGHU/DJHJHZHVHQZlUHQDNWXHOO]XEHULFKWHQ ZHVHQVHLQGHUVHLWGHP-XQLEHUGDV$XVUFNHQVRZMHWLVFKHU7UXSSHQ Da eine plötzliche Aktivierung des Funknetzes die Gefahr einer Enttarnung in Richtung Magdeburg berichtete.94 Auf diese Weise konnten im besten Fall mit sich brachte, wurde von seinem Einsatz zunächst abgesehen. Erst als am ]ZDU NQDSSH$QJDEHQ EHU PLOLWlULVFKH 9RUJlQJH GXUFKJHJHEHQ ZHUGHQ 19. Juni klar war, dass die Abriegelung in Berlin bis auf weiteres bestehen HLQHDXVIKUOLFKH%HULFKWHUVWDWWXQJEHUGDV9HUKDOWHQGHU%HY|ONHUXQJXQG bleiben würde, ordnete die Leitung der Organisation Gehlen – vermutlich auf GLH 5HDNWLRQHQ GHV 6WDDWVDSSDUDWHV ZDU DEHU QLFKW P|JOLFK (LQ 7HLO GHU Druck des CIA-Stabes – den Einsatz der AfU an.86 Allerdings erwies sich die Funksprüche erwies sich zudem als unbrauchbar, da mitunter Datum, Zeit 8PVHW]XQJGLHVHV3ODQHVDOVVFKZLHULJ(VEHVWDQGQlPOLFKSUDNWLVFKNHLQH und Ort der mitgeteilten Beobachtung fehlte.95 Möglichkeit, die 23 einsatzbereiten Agentenfunker zu alarmieren. Die Leitung $XI ZHVWOLFKHU 6HLWH VROOWH GDV LQ %HUOLQ HLQJHVHW]WH 3HUVRQDO GXUFK hatte beim CIA-Stab vergeblich versucht, in Krisenfällen die Durchgabe ein- Beobachtungen an den Sektorengrenzen Informationen über die Lage in schlägiger Codes im Rundfunkprogramm des RIAS zu erreichen.87 Es lag Ostberlin beschaffen. Solche Erkundungsgänge waren mitunter schwierig, da damit während des 17. Juni im Ermessen der einzelnen Funker, ihren Auftrag, GLHYHUGHFNWHQ(UPLWWOHUYRQGHU:HVWEHUOLQHU3ROL]HLDXVGHP*UHQ]JHELHWYHU- sich nur im Falle eines militärischen Konfliktes zu melden, zu übergehen und trieben wurden.961DFKWUlJOLFKZXUGHGLHVHUVRJHQDQQWHࡐ5HSRUWHU´(LQVDW] selbstständig den Kontakt zu den Führungsstellen im Westen herzustellen.88 kritisch beurteilt, da so etwas nach Meinung der Leitung nicht zu den Aufgaben Dem Einsatzbericht nach zu urteilen, traten bis zum 22. Juni lediglich acht eines Nachrichtendienstes gehöre. Für das Informationsaufkommen erwies Funker in Erscheinung, nur fünf von ihnen übermittelten Informationen.89 Bis HUVLFKDEHUGHQQRFKDOVZLFKWLJGDLQGHQ7DJHQQDFKGHP-XQLࡐDQGHUH zum 5. Juli meldeten sich noch elf weitere. Insgesamt gingen auf diesem .OlUXQJVP|JOLFKNHLWHQQLFKW]XU9HUIJXQJVWDQGHQ´97 Der Erkenntnisgewinn Weg innerhalb von drei Wochen lediglich 41 Meldungen ein.90 7URW] GHU DXVGHUࡐ(LJHQ0HOGHWlWLJNHLWGHV:HVW%HUOLQHU1')KUXQJVSHUVRQDOV´ZDU LQ GHQ HUVWHQ 7DJHQ JUR‰HQ %HGHXWXQJ GHU )XQNVSUFKH GLH GLH HLQ]LJH 9HUELQGXQJ LQ GLH ''5 GDUVWHOOWHQ LVW GHP (LQVDW]EHULFKW ]X HQWQHKPHQ GDVV GLH ,QKDOWH ࡐLP$OOJHPHLQHQ VFKZDFK´ XQG GLH )XQNHU ࡐ]X VWDUN DXI (LQVDW]EHULFKW6%$UFK%%ODWW 92 Funksprüche 9 und 10 von Bär, 18. und 19. Juni 1953, BND-Archiv 120817, Blatt 3328–3329 VRZLH(LQVDW]EHULFKW6XQG%$UFK%%ODWWXQG (LQVDW]EHULFKW6%$UFK%%ODWW 93 Funkspruch von Ariadne, 18.06.1953, BND-Archiv 120817, Blatt 1771 sowie Einsatzbericht, S. 17, (LQVDW]EHULFKW6%$UFK%%ODWW %$UFK%%ODWW

G (EHUKDUG%OXP 3URWRNROOGHU*UXSSHQOHLWHUEHVSUHFKXQJ6%1'$UFKLY%ODWW /HLWHU*9% +DQV:RUJLW]N\ DQ=HQWUDOH%HULFKW$XIWUlJH/DJH%HUOLQ6 BND-Archiv 7361, Blatt 295. (LQVDW]EHULFKW6%$UFK%%ODWW'HU$XIWUDJGHU)XQNHUVFKORVVLQQHUH8QUXKHQQLFKWPLWHLQ (LQVDW]EHULFKW6%$UFK%%ODWW =XU=DKOGHULQ(UVFKHLQXQJJHWUHWHQHQ)XQNHU' 6LHJIULHG*UDEHU DQ 9HUELQGXQJVRIÀ]LHU&,$  $NWHQYHUPHUN%$UFK%%ODWW²]XU=DKOGHUDP-XQLYRUOLHJHQGHQ)XQNVSUFKH  '  6LHJIULHG*UDEHU DQ '  9HUELQGXQJVRIÀ]LHU&,$  G (EHUKDUG%OXP 3URWRNROOGHU*UXSSHQOHLWHUEHVSUHFKXQJ6%1'$UFKLY%ODWW 9RUOlXÀJHU%HULFKW6%$UFK%%ODWW

(LQVDW]EHULFKW6%$UFK%%ODWW (LQVDW]EHULFKW6%$UFK%%ODWW

30 31 ]XGHPJHVFKPlOHUWGDHLQHDXJHQVFKHLQOLFKJUR‰H$Q]DKOYRQ0HOGXQJHQ Möglichkeit tatsächlich Gebrauch machte. Kontakte der Organisation Gehlen entweder nur Unwesentliches enthielt oder aufgrund fehlender Angaben ]XP 9HUIDVVXQJVVFKXW] RGHU GHP )ULHGULFK:LOKHOP+HLQ]'LHQVW103 sind nicht zu verwerten war. Das wiederum gab Anlass zu interner Kritik an den überhaupt nicht nachweisbar.104 Der Leiter der Bezirksvertretung E, Ebrulf 4XDOLILNDWLRQHQGHVKDXSWDPWOLFKHQ3HUVRQDOV98 Ebenfalls wenig Erfolg war Zuber105RUGQHWH]ZDUDP-XQLHLQHࡐVRIRUWLJH.RQWDNWDXIQDKPH´ 9HUVXFKHQEHVFKLHGHQGHQ2VWEHUOLQHU3ROL]HLIXQNDE]XK|UHQGDNHLQHYHU- seiner Mitarbeiter mit den Ostbüros und Widerstandgruppen an. Es gelang in wertbaren Informationen aufgefangen werden konnten.99 VHLQHP=XVWlQGLJNHLWVEHUHLFKMHGRFKELVDXI*HVSUlFKHPLWGHU9HUHLQLJXQJ Eine vergleichsweise einfache Möglichkeit, Informationen aus Ostberlin SROLWLVFKHU2VWIOFKWOLQJH 932 106 nicht, Informationen einzuholen. Die spä- und der DDR zu erhalten, war die Befragung von Flüchtlingen. Nach WHUH(PS|UXQJ=XEHUVGDVVWURW]ࡐGHV$EJHVFKQLWWHQVHLQVYRQGHQ4XHOOHQ´ GHU 1LHGHUVFKODJXQJ GHV 9RONVDXIVWDQGHV VHW]WHQ VLFK YRU DOOHP MHQH NHLQ ࡐ%HGUIQLV´ EHVWDQGHQ KlWWH GLH EHVWHKHQGHQ 9HUELQGXQJHQ ]XU DDR-Bürger in den Westen ab, die als Streikaktivisten und Anführer in ,QIRUPDWLRQVJHZLQQXQJ]XQXW]HQOlVVWGHQ6FKOXVV]XGDVVDXV3XOODFK Erscheinung getreten waren. Die Generalvertretung G meldete am 20. Juni, HLQ HQWVSUHFKHQGHV 9HUERW HUJDQJHQ ZDU107 Möglicherweise bestanden in GDVVGLH9HUQHKPXQJYRQ''5%UJHUQDQGHULQQHUGHXWVFKHQ*UHQ]HEH- der Zentrale Bedenken, dass durch ein allzu offensichtliches Bemühen um gonnen habe.100bKQOLFKH%HULFKWHJLQJHQLQGHQNRPPHQGHQ7DJHQDXFK ,QIRUPDWLRQHQ XQYRUWHLOKDIWH 5FNVFKOVVH DXI GDV 9HUP|JHQ GHU HLJHQHQ YRQDQGHUHQ$X‰HQVWHOOHQHLQ101 Jenseits der Lager war das hauptamtliche Organisation gezogen werden könnten. 3HUVRQDOLQ%HUOLQDQJHKDOWHQ(LQZRKQHUDXVGHP2VWVHNWRUDXV]XIUDJHQ Nachweisbar sind Kontakte der Organisation Gehlen zu Westberliner Ende Juni 1953 gelang es der Organisation Gehlen, mit Bauarbeitern aus Sicherheitsbehörden, die zum Informationsaustausch genutzt wurden. der Stalinallee in Kontakt zu kommen. Deren Aussagen über die Entstehung (LQH GLHVHU 9HUELQGXQJHQ EHVWDQG EHU GHQ 9HUWUHWHU GHU 2UJDQLVDWLRQ und den Ablauf der Demonstrationen am 16. und 17. Juni 1953 wurden dann *HKOHQ .OHLNDPS ]XU :HVWEHUOLQHU 3ROL]HL 'LHVHU KDWWH ࡐLQ GHQ 7DJHQ GHV zur wesentlichen Grundlage für die Berichterstattung über den Aufstand in Ostberlin.102 (LQ DQGHUHU :HJ EHVWDQG LQ GHU $XVQXW]XQJ RIÀ]LHOOHU XQG LQRIÀ]LHOOHU

.RQWDNWH ]X -RXUQDOLVWHQ 3ROLWLNHUQ ZHVWOLFKHQ 6LFKHUKHLWVEHK|UGHQ 'HU)ULHGULFK:LOKHOP+HLQ]'LHQVWZDUHLQLP-XOLJHJUQGHWHUXQGGHQ9RUOlXIHUHLQULFKWXQJHQGHV 9HUWHLGLJXQJVPLQLVWHULXPV'LHQVWVWHOOH6FKZHULQXQGVSlWHU$PW%ODQNDQJHJOLHGHUWHU*HKHLPGLHQVWGHULP$XI- und nicht zuletzt zu antikommunistischen Widerstandsgruppen wie den trag des Bundeskanzleramtes militärische und politische Spionage betrieb. Er stand in Konkurrenz zum Bundesamt Untersuchungsausschuss Freiheitlicher Juristen (UfJ), der Kampfgruppe gegen IU9HUIDVVXQJVVFKXW]XQGGHU2UJDQLVDWLRQ*HKOHQZHOFKHGLH=HUVFKODJXQJGHV+HLQ]'LHQVWHVEHWULHEHQ0LW dem Rücktritt des Leiters, Friedrich Wilhelm Heinz, am 1. Oktober 1953 verlor er an Bedeutung, bestand formal 8QPHQVFKOLFKNHLW .J8 RGHUGHQ2VWEURVYRQ63'XQG'*%(VJLEW DEHUQRFKELV]XP)UKMDKU6XVDQQH0HLQO)ULHGULFK:LOKHOP+HLQ] ² 9HUVFKZ|UHUJHJHQ+LWOHU jedoch nur wenige Anhaltspunkte, dass die Organisation Gehlen von dieser XQG6SLRQDJHFKHILP'LHQVWH%RQQVLQ'LHWHU.UJHUXQG$UPLQ:DJQHU +J .RQVSLUDWLRQDOV%HUXI'HXWVFKH *HKHLPGLHQVWFKHIVLP.DOWHQ.ULHJ%HUOLQ6²6XVDQQH0HLQO,P0DKOVWURPGHV.DOWHQ.ULHJHV )ULHGULFK:LOKHOP+HLQ]XQGGLH$QIlQJHGHUZHVWGHXWVFKHQ1DFKULFKWHQGLHQVWH²LQ:ROIJDQJ.ULHJHU XQG-UJHQ:HEHU +J 6SLRQDJHIUGHQ)ULHGHQ"0QFKHQ/DQGVEHUJD/6² (LQVDW]EHULFKW6%$UFK%%ODWW 104 Die Generalvertretung B holte über Dritte Erkundigungen ein, zu welchen Einschätzungen über den Aufstand (LQVDW]EHULFKW6VRZLH '  6LHJIULHG*UDEHU DQ '  9HUELQGXQJVRIÀ]LHU&,$  GLHVHEHLGHQ1DFKULFKWHQGLHQVWHJHNRPPHQZDUHQ(LQGLUHNWHU.RQWDNWNDPRIIHQEDUQLFKW]XVWDQGH/HLWHU*9% 9RUOlXÀJHU%HULFKW6%$UFK%%ODWWXQG (Hans Worgitzky) an Zentrale, Bericht Aufträge Lage Berlin, 24.06.1953, S. 15, BND-Archiv 7361, Blatt 299.

(LQVDW]EHULFKW6%$UFK%%ODWW 105 Ebrulf Zuber (DN Ackermann), 1920–2005, vor 1945 Angehöriger der Waffen-SS, zuletzt im Rang eines 2EHUVWXUPEDQQIKUHUV(LQWULWWLQGLH2UJDQLVDWLRQ*HKOHQ²0LWDUEHLWHUHLQHU$X‰HQVWHOOH :LHV\VWHPDWLVFKGLH)OFKWOLQJVEHIUDJXQJHUIROJWHOlVVWVLFKQRFKQLFKWDEVFKOLH‰HQGEHXUWHLOHQ1DFKZHLV- ²$X‰HQVWHOOHQOHLWHU²$EWHLOXQJVOHLWHULQGHU1DFKULFKWHQEHVFKDIIXQJLQGHU=HQWUDOH EDULVWGDVVGLH*HQHUDOYHUWUHWXQJ%GLH$XVVDJHQHLQHV6WUHLNIKUHUVDXV+DOOHQDFK3XOODFKZHLWHUJDE/HLWHU 3HQVLRQLHUXQJ *9% +DQV:RUJLW]N\ DQ=HQWUDOH%HULFKW$XIWUlJH/DJH%HUOLQ6%1'$UFKLY%ODWW ,QGHQ2EMHNWDNWHQGHUHLQ]HOQHQ%HWULHEHXQG.RPELQDWHIDQGHQVLFKQXU]ZHL9HUQHKPXQJVEHULFKWHDXVGHP 'LH9HUHLQLJXQJ3ROLWLVFKHU2VWÁFKWOLQJH 932 ZDUYHUPXWOLFKLP$XIWUDJDPHULNDQLVFKHU'LHQVWH 6RPPHUGLH$QJDEHQ]XP-XQLHQWKLHOWHQ9HUQHKPXQJVEHULFKW/HLWHU6WDKOXQG:DO]ZHUN%UDQGHQEXUJ JHJUQGHWZRUGHQIKUWH3URSDJDQGDXQG6DERWDJHDNWLRQHQLQGHU''5GXUFKXQGIXQJLHUWH]XJOHLFKDOVHLQH$UW LQ%$UFK%VRZLH9HUQHKPXQJVEHULFKW9(%2SWLVFKH:HUNH5DWKHQRZLQ%$UFK% ࡐ0LWWOHUVWHOOH´]ZLVFKHQYHUVFKLHGHQHQDQWLNRPPXQLVWLVFKHQ2UJDQLVDWLRQHQLQ:HVWEHUOLQ6W|YHU%HIUHLXQJYRP Kommunismus, S. 269–270. 3 3ROLWLVFKH%HVFKDIIXQJ 0HOGXQJ=XVDPPHQVWHOOXQJYRQ$XJHQ]HXJHQEHULFKWHQ]XGHQ(UHLJQLVVHQ DPLQ2VW%HUOLQ%1'$UFKLY%ODWW² $QRQ\P>%9(@6FKUHLEHQDQ)LOLDOH$DEJHGUXFNWLQ)ULFNH(QJHOPDQQ7DJ;6

32 33 -XQLDXIVWDQGHVZLHGHUKROW%HVSUHFKXQJHQ´LP3ROL]HLSUlVLGLXPXQGHUKLHOWYRQ im Sekretariat des Ministerpräsidenten Otto Grotewohl, hatte der Dienst dort Unterlagen.108 HLQH9HUELQGXQJLQGLH''55HJLHUXQJ'LHDXIGLHVHP:HJHJHZRQQHQHQ Dass es der Organisation Gehlen überhaupt gelang, wieder Informationen Erkenntnisse waren aber für die politische Lageanalyse nur von bedingtem aus der DDR zu erhalten, war in erster Linie der schrittweisen Aufhebung Nutzen. Zum einen wurden politische Entscheidungen in der DDR nicht GHU*UHQ]VFKOLH‰XQJVHLWGHP-XQL]XYHUGDQNHQ6RPXVVWH*UDEHU in der Regierungskanzlei, sondern in der SED-Führung gefällt. Sie waren gegenüber der CIA eingestehen: EHUGLHVYRQ9RUJDEHQGHUVRZMHWLVFKHQ)KUXQJDEKlQJLJ'DVV%DUF]DWLV Einblicke in die Unterlagen Grotewohls als Mitglied der SED-Führung erhielt, Von der Org. muss ehrlicherweise zugegeben werden, dass sie bei den Unruhen ist unwahrscheinlich. Ein deutliches Indiz hierfür ist die Berichterstattung der Glück hatte. Hätte nämlich der Gegner die Strangulierung Berlins wirklich 2UJDQLVDWLRQ*HKOHQLP9RUIHOGGHV-XQLGHQQZHGHUYRQGLHVHUQRFK hermetisch durchgeführt, dann wäre ein beachtliches Meldungsvakuum ent- YRQ DQGHUHQ 4XHOOHQ ZXUGHQ HQWVFKHLGHQGH ,QIRUPDWLRQHQ EHU 9RUJlQJH standen. Es besteht hier kein Zweifel, dass es im Laufe mehrerer Wochen LQGHU3DUWHLIKUXQJHUEUDFKW111 Eine andere und aus Sicht der Organisation und Monate gelungen wäre, auch die hermetische Abschließung zu durch- *HKOHQ YLHOYHUVSUHFKHQGH SROLWLVFKH 9HUELQGXQJ LP 8PIHOG GHV  -XQL brechen – aber wie viel Mühe hätte dies unter den Augen des Gegners ZDUGHU'LUHNWRUGHV9HUODJHVGHU1DWLRQHQXQG0LWJOLHGLP9RUVWDQGGHU gekostet! 109 %ORFNSDUWHL1'3'*QWHU+RIp,P-XQLEHVWDQGGLHVHU.RQWDNWHUVW ZHQLJH :RFKHQ +RIp ZDU QRFK NHLQH 4XHOOH VRQGHUQ DUEHLWHWH LQ HUVWHU Bei den nun eingehenden Meldungen offenbarte sich ein strukturelles Linie für den französischen Geheimdienst und hatte, ähnlich wie Barczatis, 3UREOHPGHU1DFKULFKWHQEHVFKDIIXQJ'LH2UJDQLVDWLRQ*HKOHQYHUIJWH]ZDU LQVHLQHU)XQNWLRQNDXP0|JOLFKNHLWHQEHU3OlQHGHU''5)KUXQJQDFK im Sommer 1953 in der DDR über ein dichtes Netz an Gewährsleuten, doch 3XOODFK]XEHULFKWHQ%HLGHU%HXUWHLOXQJGHUSROLWLVFKHQ9RUJlQJHZDUGLH waren diese in erster Linie auf Militärspionage ausgerichtet. Für die am 17. 2UJDQLVDWLRQ *HKOHQ VRPLW LQ HUVWHU /LQLH DXI GLH 3UHVVHEHULFKWHUVWDWWXQJ Juni von der Zentrale angeordnete Aufklärung der politischen Absichten der sowie auf Zufallserkenntnisse ihrer übrigen Quellen angewiesen. Daneben sowjetischen Führung wären aussagekräftige Quellen notwendig gewesen, versuchte die politische Auswertung aus der Beobachtung wirtschaftlicher und die Einblicke in die DDR-Führung oder gar die Sowjetische Hochkommission PLOLWlULVFKHU9RUJlQJH3URJQRVHQEHUSROLWLVFKH.RQ]HSWHDE]XOHLWHQ)U LQ .DUOVKRUVW KDWWHQ hEHU VROFKH 9HUELQGXQJHQ YHUIJWH GLH 2UJDQLVDWLRQ HLQH]HLWQDKH%HXUWHLOXQJGHUVLFKLQGHU''5YROO]LHKHQGHQ9HUlQGHUXQJHQ Gehlen im Sommer 1953 nicht.110 Dem politischen Aufklärungsapparat war ZLHVLHZlKUHQGXQGQDFKGHP9RONVDXIVWDQGGULQJHQGQRWZHQGLJJHZHVHQ lediglich die Rekrutierung einiger weniger Gewährsleute in Ostberlin ge- wäre, war dieser Ansatz ungeeignet. lungen. Deren Informationen wurde bei der Erarbeitung des Lagebildes aller- Die Umsetzung der am 17. Juni erlassenen Aufklärungsforderung war aus GLQJVXPVRJU|‰HUH%HGHXWXQJEHLJHPHVVHQ0LW(OOL%DUF]DWLV0LWDUEHLWHULQ 6LFKW GHU ''5%HVFKDIIXQJ QLFKW P|JOLFK GD HV ࡐHLQHU JHZLVVHQ$Q]DKO YRQ 6SLW]HQTXHOOHQ DXI GHP SROLWLVFKHQ 6HNWRU EHGXUIW KlWWH´112 Auch in

ࡐ8QLRQYHUVLFKHUXQJ%HUOLQ´ +HOPXW.OHLNDPS DQࡐ6:8´ 'LHQVWVWHOOH (UIDKUXQJVEHULFKWEHUGLH Krisentage, 30.06.1953, S. 2, BND Archiv 7361, Blatt 281. Im September 1953 übersandte Kleikamp umfangreiche ࡐ)LOPXQG)RWRNRSLHQ´DXVGHU$EWHLOXQJ9QDFK3XOODFKGLHࡐ$XVNXQIWEHUGLH9RUJlQJHXPGHP-XQL JHEHQ´ࡐ)HXHUYHUVLFKHUXQJ%HUOLQ´ +HOPXW.OHLNDPS DQࡐ6:8´ 'LHQVWVWHOOH %ULHI/DJH%HUOLQ %DUF]DWLVZXUGH]XGHPVHLWYRQGHU6WDDWVVLFKHUKHLWZHJHQ6SLRQDJHYHUGDFKWREHUVHUYLHUW9RQ BND-Archiv 120826, Blatt 1448. Januar bis Juni 1953 war sie zu einem Lehrgang abkommandiert und nicht im Büro Grotewohl tätig. Dorthin kehrte sie Mitte Juni zurück, wurde aber in die Eingabenbearbeitung versetzt, da das MfS sie nicht mehr für (LQVDW]EHULFKW6%$UFK%%ODWW vertrauenswürdig hielt. und Roger Engelmann: Konzentrierte Schläge. Staatssicherheits- DNWLRQHQXQGSROLWLVFKH3UR]HVVHLQGHU''5²%HUOLQ6² 8GR5LWJHQLP6RPPHU0LWDUEHLWHULQGHUSROLWLVFKHQ%HVFKDIIXQJEHULFKWHWHࡐ'DVLH>GLH ,P%1'$UFKLYLVWLP8PIHOGGHV9RONVDXIVWDQGHVQXUHLQH0HOGXQJYRQ%DUF]DWLVQDFK]XZHLVHQ$P-XQL 2UJDQLVDWLRQ*HKOHQ@EHUNHLQHUOHLSROLWLVFKH4XHOOHQYHUIJWHLVWLKU0HOGXQJVELOGEHUGLHVRHEHQJHVFKLOGHUWHQ lag von ihr eine Bestätigung für die im Wochenbericht vom 10. Juni erwähnte Meldung über die Zurückstellung 9RUJlQJH>GHQ9RONVDXIVWDQG@PHKUDOVOFNHQKDIW>@$XIGHPSROLWLVFKHQ6HNWRUJLEWHVZHGHUHLQHQDFKULFKWHQ- GHUYRUPLOLWlULVFKHQ$XVELOGXQJLQ3XOODFKYRU0HOGXQJ6%='*HVHOOVFKDIWIU6SRUWXQG7HFKQLN GLHQVWOLFKH2UJDQLVDWLRQQRFKJHQJHQGYRUJHELOGHWHV3HUVRQDO$EHUGDVDXIGLHVHQ:HJHQHUVWHOOWH/DJHELOGKLQNW BND-Archiv 121285, Blatt 1055. VWlQGLJKLQWHUGHUDNWXHOOHQ/DJHKHU'LHࡏ)DOOIKUXQJ¶LVWXPVWlQGOLFKXQG]X]HLWUDXEHQGGLH3UHVVHDQDO\VHNDQQ DXFKDQGHUVZRJHPDFKWZHUGHQ´5LWJHQ(ULQQHUXQJVEHULFKW6²%1'$UFKLY1DFKODVV%DQG (LQVDW]EHULFKW6²%$UFK%%ODWW²

34 35 GHQ$X‰HQVWHOOHQGLHPLWGHUHLJHQWOLFKHQ$JHQWHQIKUXQJEHIDVVWZDUHQ dem mitteldeutschen Industrierevier.117 Auf diese Weise war die Organisation HUVFKLHQ GLH 8PVHW]XQJ GLHVHV 9RUKDEHQV QLFKW UHDOLVWLVFK (EUXOI =XEHU Gehlen in der Lage, Angaben über den Einsatz von Sicherheitskräften, GHVVHQ %H]LUNVYHUWUHWXQJ ( HLQLJH 9HUELQGXQJHQ ]X :LUWVFKDIWV XQG Demonstrationsstärken sowie den kursorischen Ablauf der Kundgebungen 9HUZDOWXQJVIDFKOHXWHQLQGHQ0LQLVWHULHQXQG+DXSWYHUZDOWXQJHQGHU''5 in der DDR zu erheben. Insgesamt gingen dem Einsatzbericht zufolge in KDWWHlX‰HUWHVLFKDP-XQLLQHLQHP6FKUHLEHQDQGLH=HQWUDOHGDKHU 3XOODFKHLQVFKOlJLJH0HOGXQJHQHLQ118 pessimistisch: Inhaltlich beschränkten sich die Erkenntnisse zumeist auf militärische (QWZLFNOXQJHQ (LQLJH $X‰HQVWHOOHQ YHUVXFKWHQ GLHVH HLQVHLWLJH Einige wesentliche Quellen in Ostberliner SED, Polizei und SSD wären Informationserhebung durch gezielte nachträgliche Befragungen auszu- jetzt von großem Nutzen. Nur die wesentliche politische Quelle nützt in gleichen.119 Dabei handelte es sich nach Aktenlage aber nur um punk- einer solchen Situation, weil der Normalverbraucher (und das sind auch WXHOOH 0D‰QDKPHQ ZHOFKH DXI GLH (LJHQLQLWLDWLYH HLQ]HOQHU $X‰HQVWHOOHQ die meisten unserer Spitzenquellen außerhalb ihres Spezialgebietes) viel zurückgingen. Umgekehrt berichteten einige Quellen von sich aus über die zu harm- und urteilslos ist, als dass er bei Geschehnissen wie den augen- 9RUJlQJHDQLKUHP:RKQRUWRGHULQLKUHP%HWULHERKQHHLQHQEHVRQGHUHQ blicklichen hinter die Kulissen sehen könnte.113 Auftrag erhalten zu haben. Auf das Lagebild hatten diese Bemühungen kaum Auswirkung. Die Wirtschaftsaufklärung stellte rückblickend fest, dass Gleichwohl erteilte Zuber wie auch der Leiter der Generalvertretung B, zwar die militärischen Bewegungen von den eigenen Quellen umfassend Worgitzky, seinen Agenten den Auftrag, eine Klärung der politischen EHULFKWHW ZRUGHQ VHLHQ ,QIRUPDWLRQHQ EHU ࡐ6WUHLNJUQGH XQG ZLUWVFKDIW Hintergründe zumindest zu versuchen. Solche Schritte wurden nicht von OLFKH )ROJHQ >@ EHWHLOLJWH .UHLVH >XQG@ IKUHQGH$XIVWDQGVJUXSSHQ´ DEHU allen geteilt. Der Leiter der Generalvertretung G schätzte die Kapazitäten kaum vorlagen.120 Erschwerend kam hinzu, dass sich die vorhandenen seiner auf Militäraufklärung ausgerichteten Netze realistisch ein und ordnete :LUWVFKDIWVTXHOOHQ GLH ]XPHLVW LQ OHLWHQGHQ 3RVLWLRQHQ LQ 2VWEHUOLQ WlWLJ ZLH ELVKHU LQ HUVWHU /LQLH GLH %HREDFKWXQJ GHU VRZMHWLVFKHQ7UXSSHQ XQG waren, nach der Niederschlagung des Aufstandes zunächst scheuten, DDR-Sicherheitskräfte an.114 9HUELQGXQJ ]X LKUHQ )KUXQJVVWHOOHQ DXI]XQHKPHQ 'LH 0HKUKHLW GLHVHU Was die Organisation Gehlen in den letzten Junitagen aus eigenen Quellen *HZlKUVOHXWH OHJWH HUVW LP 9HUODXIH GHV -XOLV 0HOGXQJHQ YRU121 Was die EHUGHQ9RONVDXIVWDQGLQ(UIDKUXQJEULQJHQNRQQWHEDVLHUWHGDPLWDXIGHQ Aussagen ihrer militärischen Gewährsleute.115 Bis zum 5. Juli 1953 lagen zu 117 Dieses nachträglich erhobene dichte und detaillierte Meldungsbild spiegelt sich in der Standortkartei der Orga- beinahe zwei Dritteln von 90 beobachteten sowjetischen Militärstandorten QLVDWLRQ*HKOHQEHUGLH5RWH$UPHH%$UFK%²VRZLH:DJQHU8KO%1'FRQWUD6RZMHWDUPHH6² 116 Erkenntnisse vor. 'LH9HUWHLOXQJGHUHLQJHJDQJHQHQ%HULFKWHGHFNWHVLFK 118 Die im Einsatzbericht angeführte Bilanz des Meldungsaufkommens bedarf der Erläuterung. Zwar wurden PLWGHQ6FKZHUSXQNWUHJLRQHQGHV9RONVDXIVWDQGHVLP*UR‰UDXP%HUOLQXQG 0HOGXQJHQYRQ4XHOOHQDEJHVHW]W'LH=DKOGHUYRQGHQ$JHQWHQࡐDEJHVHW]WHQ0HOGXQJHQ´JLEWDEHUQXU GLH0HQJHGHULQGHU=HQWUDOHHLQJHJDQJHQHQ5RKPHOGXQJHQZLHGHUGLHNHLQH5FNVFKOVVHDXIGLHQDFK3UIXQJ WDWVlFKOLFKYHUZHUWEDUHQ,QIRUPDWLRQHQ]XOlVVW9RUGHP+LQWHUJUXQGGHUJHVFKLOGHUWHQPDQJHOKDIWHQ%HULFKWHU- VWDWWXQJEHVRQGHUVLQGHQHUVWHQ7DJHQQDFKGHP$XIVWDQGGUIWHGLH=DKOGHUEUDXFKEDUHQ0HOGXQJHQGHXWOLFK geringer gewesen sein. Ebenso ist zu berücksichtigen, dass die Masse der Informationen die Zentrale erst zwei :RFKHQQDFKGHP-XQLHUUHLFKWH8QWHUGHQ4XHOOHQVXEVXPLHUWGHU%HULFKWHQWJHJHQGHQEOLFKHQ*HSÁRJHQ- %9( (EUXOI=XEHU DQ*D\ 6LHJIULHG*UDEHU %ULHI6%DUFK%%ODWW(EHQIDOOV heiten nicht nur die Agenten aus der DDR, sondern gleichfalls einmalige Gelegenheitsquellen, das im Umfeld des LQGLHVHU5LFKWXQJlX‰HUWHVLFKDXFKGLH*HQHUDOYHUWUHWXQJ%LQLKUHP(LQVDW]EHULFKW/HLWHU*9% +DQV:RUJLW]N\  -XQLPHOGHQGH:HVWEHUOLQHU3HUVRQDOXQGGLH9HUQHKPHUGHU2UJDQLVDWLRQ*HKOHQLQGHQ$XIIDQJODJHUQ6HW]W an Zentrale, Bericht Aufträge Lage Berlin, 24.06.1953, BND-Archiv 7361, Blatt 284–303. PDQGLHDQJHIKUWH=DKOYRQPHOGHQGHQ4XHOOHQLQV9HUKlOWQLV]XGHQHWZDLQGHU''5WlWLJHQ$JHQWHQ so dürfte etwa nur ein Drittel der Gewährsleute über den Aufstand berichtet haben. Einsatzbericht, S. 33, BArch B *9*DQ'LHQVWVWHOOHQ$QZHLVXQJ(QWZLFNOXQJ/DJHLQGHU2VW]RQH%$UFK% %ODWW Blatt 102–107. 89/HLWHU(DQ=HQWUDOH%HULFKWYRP%$UFK%%ODWW² 7UDIHQDP-XQLQRFK%HULFKWHLQGHU=HQWUDOHHLQVWLHJGHUHQ=DKO]ZHL7DJHEHUHLWVDXIXP VFKOLH‰OLFKDP-XQLGHQ6WDQGYRQPHOGHQGHQ4XHOOHQ]XHUUHLFKHQ9JOGLH(LQWUlJHLP(LQVDW]EHULFKW : :LUWVFKDIWVDXINOlUXQJ 'LHZLUWVFKDIWOLFKH$XINOlUXQJ6%1'$UFKLY %$UFK% (LQVDW]EHULFKW6XQG%$UFK%%ODWWXQG$QRQ\P %9( 6FKUHLEHQDQ)LOLDOH$ .DUWH(LQ]HOPHOGXQJHQYRP%$UFK%%ODWW DEJHGUXFNWLQ)ULFNH(QJHOPDQQ7DJ;6

36 37 politischen Erkenntnisse angeht, so war die Bilanz noch schlechter ausge- eingegangenen Meldungen in die Bundesrepublik verantwortlich war. Die fallen: In der Berichterstattung über den 17. Juni sind keine Hinweise ent- Mitarbeiter verfügten offenbar über ausreichende Kapazitäten, um sich KDOWHQGLHDXIHLQH.HQQWQLVGHU9RUJlQJHLQQHUKDOEGHV3DUWHL6WDDWVRGHU während der Aufstandstage um Lohnangelegenheiten zu kümmern.127 6LFKHUKHLWVDSSDUDWHVVFKOLH‰HQODVVHQ 'LH LQ GHQ$X‰HQVWHOOHQ DXIJHODXIHQHQ %HULFKWH EHQ|WLJWHQ DQJHVLFKWV GHV 1HEHQGHPYRUEHUJHKHQGHQ9HUOXVWGHU4XHOOHQZLUNWHQVLFKQRFKDQGHUH NRPSOL]LHUWHQ .XULHUZHJHV PHKUHUH 7DJH ELV VLH LQ GHU =HQWUDOH HLQWUDIHQ Faktoren nachteilig auf den Kenntnisstand der Organisation Gehlen aus. Die Selbst die Weiterleitung eines Funkspruches hatte eine längere Laufzeit als ein $X‰HQVWHOOHQZDUHQDP-XQLDQJHZLHVHQZRUGHQQXUEHU9RUJlQJH]X ࡐ/XIWSRVW(LOEULHI´ZLH:RUJLW]N\NULWLVFKDQPHUNWH128 In der Zentrale bereiteten EHULFKWHQGLHQLFKW3UHVVHXQG5XQGIXQN]XHQWQHKPHQZDUHQ122 Angesichts VHOEVWGLHDP-XQLDQJHRUGQHWHVWlQGLJH3UHVVHXQG5XQGIXQNDXVZHUWXQJ GHUGLFKWHQ|IIHQWOLFKHQ%HULFKWHUVWDWWXQJOHLWHWHQHLQLJH$X‰HQVWHOOHQHLQHQ VRZLH GLH 9HUDUEHLWXQJ GHU ZHQLJHQ HLQJHKHQGHQ 0HOGXQJHQ ZlKUHQG GHU 7HLOGHUDQJHIDOOHQHQ(UNHQQWQLVVHQLFKWZHLWHUGDPDQVLFKXQVLFKHUZDU $XIVWDQGVWDJH RIIHQEDU JU|‰HUH 3UREOHPH 'D HV NHLQH 3ODQXQJHQ IU GLH ob die eingegangenen Informationen nicht bereits aus anderer Quelle vor- Einrichtung eines Krisenstabes gab, nahm die interne Abstimmung zwischen lagen.123 In anderen Fällen wurde diese Anweisung dahingehend interpre- GHQ HLQ]HOQHQ 5HIHUDWHQ XQG $EWHLOXQJHQ HLQHQ *UR‰WHLO GHU .DSD]LWlW LQ tiert, dass eine zeitnahe Berichterstattung nicht vordringlich sei. Der Leiter Anspruch.129 Die Erarbeitung von Lageeinschätzungen litt unter diesen der Generalvertretung G erklärte seinen nachgeordneten Stellen am 17. Juni: RUJDQLVDWRULVFKHQ3UREOHPHQ130 Erst nach einer Woche gelang es durch ad KRF0D‰QDKPHQDXIGHU$UEHLWVHEHQHGLHࡐ]HQWUDOHQ)KUXQJVLQVWDQ]HQDXI Die gegenwärtigen Ereignisse gehen so und so über uns hinweg, d.h. sie HLQDQGHUHLQ]XSHQGHOQ´131 Am 22. Juni wurde zur schnelleren Weiterleitung sind nur nachträglich erfassbar. [...] Eine Unterrichtung über Vorgänge, GHUHLQJHKHQGHQ0HOGXQJHQLQQHUKDOEGHU''5%HVFKDIIXQJHLQࡐ$UEHLWVVWDE die vermutlich kurz darauf in Rundfunk und Presse verbreitet werden, $XIVWDQG´ JHELOGHW GHU GLH $XVZHUWXQJVDEWHLOXQJ EHL GHU (UVWHOOXQJ HLQHV erübrigt sich.124 /DJHELOGHVXQWHUVWW]WHDEHUZHQLJH7DJHVSlWHUZLHGHUDXIJHO|VWZXUGH132 'HU 9RONVDXIVWDQG LQ GHU ''5 WUDI GLH 2UJDQLVDWLRQ *HKOHQ GDPLW YROONRP- 6R YHUKLHOW VLFK HLQ VLJQLILNDQWHU 7HLO GHV 3HUVRQDOV LQ GHQ$X‰HQVWHOOHQ PHQ XQYRUEHUHLWHW 'LH %HGHXWXQJ GHU 9RUJlQJH ZXUGH VSlW HUNDQQW XQG DEZDUWHQG'HU(LQVDW]EHULFKWIKUW]ZDUDXFKDEHQWHXHUOLFKH9HUVXFKHDQ XQ]XWUHIIHQG HLQJHRUGQHW 'LH 6FKOLH‰XQJ GHU 6HNWRUHQJUHQ]HQ VFKQLWW GHQ über die geschlossenen Grenzen hinweg Informationen aus der DDR zu be- *HKOHQ'LHQVWLQGHQHQWVFKHLGHQGHQ7DJHQYRQVHLQHQ*HZlKUVOHXWHQLQGHU schaffen. Die Herausstellung dieser Unternehmungen deutet aber darauf hin, ''5DE'LHVXQGGLHLQWHUQHQ3UREOHPHHUP|JOLFKWHQGHP'LHQVWQXUHLQH GDVV VROFKH$NWLRQHQ QLFKW DQ GHU7DJHVRUGQXQJZDUHQ125 Zuber empörte nachträgliche und einseitige Informationsbeschaffung. VLFKQDFKWUlJOLFKEHUGLH8QWlWLJNHLWVHLQHU0LWDUEHLWHUGLHVLFKLQGHQ7DJHQ QDFKGHP-XQL9HUZDOWXQJVDXIJDEHQ]XJHZDQGWKlWWHQDQVWDWWVLFKXP die Nachrichtenbeschaffung zu kümmern.126 'DVV VLFK VROFKHV 9HUKDOWHQ ࡐ8QLRQYHUVLFKHUXQJ%HUOLQ´ +HOPXW.OHLNDPS DQࡐ6:8´ 'LHQVWVWHOOH %ULHI6WHXHUDEJDEHQDQ&RYHU ÀUPD%1'$UFKLY%ODWWࡐ6:8´ 'LHQVWVWHOOH DQࡐ89%´ +HOPXW.OHLNDPS )HVW nicht auf seinen Bereich beschränkte, lässt sich aus den Unterlagen des setzung von Lohnpauschalen, 19.06.1953, BND Archiv 120827, Blatt 1211.

%HUOLQHU 0HOGHNRSIHV DEOHVHQ GHU IU GLH hEHUPLWWOXQJ DOOHU LQ :HVWEHUOLQ /HLWHU*9% +DQV:RUJLW]N\ DQ=HQWUDOH%HULFKW$XIWUlJH/DJH%HUOLQ6%1'$UFKLY %ODWW$P-XQLODJHQLQ3XOODFKNDXP2ULJLQDOPHOGXQJHQVRQGHUQKDXSWVlFKOLFK)XQNVSUFKHYRU  '  6LHJIULHG*UDEHU DQ   9HUELQGXQJVRIÀ]LHU 9RUOlXÀJHU%HULFKW6%$UFK% 122 30d (Eberhard Blum), Berichterstattung wegen besonderer Lage, 17.06.1953, BND-Archiv 7361, Blatt 261. %ODWW

/HLWHU*9% +DQV:RUJLW]N\ DQ=HQWUDOH%HULFKW$XIWUlJH/DJH%HUOLQ6%1'$UFKLY (LQVDW]EHULFKW6²%$UFK%%ODWW² 7361, Blatt 301. &KLHIRI%DVH3XOODFKDQ&KLHI((LQ5XIIQHU,QWHOOLJHQFH3DUWQHUVKLS%DQG61$5$ /HLWHU*9*DQ$X‰HQVWHOOHQ$QZHLVXQJ6XQG%$UFK%%ODWWXQG (LQVDW]EHULFKW6%$UFK%%ODWW

)XQNVSUXFKDQ*9*%$UFK%%ODWW (LQVDW]EHULFKW6%$UFK%%ODWW

$QRQ\P %9( 6FKUHLEHQDQ)LOLDOH$DEJHGUXFNWLQ)ULFNH(QJHOPDQQ7DJ;6² 6WDEVPLWWHLOXQJ%$UFK%%ODWW²

38 39 3 Interpretationen und Erkenntnisse

)U GLH 0LOLWlUDXINOlUXQJ GHU 2UJDQLVDWLRQ *HKOHQ ZDU GHU 9RONVDXIVWDQG ein Glücksfall. Der massierte Einsatz der sowjetischen Armee und der DDR- Sicherheitskräfte ermöglichte es, die bisherigen Erkenntnisse über Stärke, Dislozierung und Ausrüstung zu überprüfen und zu ergänzen. Zudem JDEHQ GLH 7UXSSHQEHZHJXQJHQ $XIVFKOXVV GDUEHU ZHOFKH PLOLWlULVFKHQ 3ODQXQJHQDXIVRZMHWLVFKHU6HLWHIUGHQ(UQVWIDOOYRUODJHQ'DV9HUKDOWHQ GHUHLQJHVHW]WHQ7UXSSHQLQVEHVRQGHUHDEHUGHU.DVHUQLHUWHQ9RONVSROL]HL ermöglichte Rückschlüsse über die Zuverlässigkeit und die Moral der Sicherheitskräfte. Diesen Fragen schenkte die Organisation Gehlen in ihren %HULFKWHQEHUGHQ9RONVDXIVWDQGJUR‰H$XIPHUNVDPNHLW,QGHUDP-XQL GHP.DQ]OHUDPWEHUPLWWHOWHQHUVWHQࡐ.XU]RULHQWLHUXQJ´ZXUGHGHU$EODXIGHV 9RONVDXIVWDQGHVDQKDQGGHV(LQVDW]HVGHUVRZMHWLVFKHQ$UPHHGDUJHOHJW Knapp zwei Wochen nach dem Ausbruch der Unruhen war die Organisation Gehlen in der Lage, Angaben über den Einsatz einzelner Divisionen im *UR‰UDXP %HUOLQ VRZLH LQ +DOOH :HLPDU XQG DQ GHU 2VWVHHNVWH YRU]XOH- gen.133 Der im Juli vorgelegte Abschlussbericht beschreibt auf dreizehn Seiten ausführlich Mobilisierung, Einsatz und Rückverlegung der Sicherheitskräfte, JHJOLHGHUWQDFK7HLOVWUHLWNUlIWHQXQGDXIGHPJHVDPWHQ7HUULWRULXPGHU''5 Diese umfassende und dichte Darstellung zeigt, dass die Militäraufklärung QDFKHLQHP0RQDWLQGHU/DJHZDUHLQYHUPXWOLFKLQZHLWHQ7HLOHQYROOVWlQGL- ges Lagebild zu rekonstruieren.134

2UJDQLVDWLRQ*HKOHQ0HOGXQJ1Uࡐ.XU]RULHQWLHUXQJ´6²965HJLVWUDWXU%XQGHV NDQ]OHUDPW%DQG%ODWW²

134 Dazu ausführlich Wagner, Uhl, BND contra Sowjetarmee, S. 87–93. Das dichte und kleinteilige Informations- DXINRPPHQEHUGLHPLOLWlULVFKHQ9RUJlQJHVSLHJHOWVLFKDXFKLQGHU6WDQGRUWNDUWHLEHUGLHVRZMHWLVFKHQ7UXSSHQ GHU2UJDQLVDWLRQ*HKOHQ%$UFK%²

40 41 Die neusten Ereignisse in Ostberlin zeigen an, dass Ulbricht und Grotewohl schwere Tage bevorstehen. Es besteht kein Zweifel, dass die Demonstrationen der Arbeiterschaft, zumindest in der Anfangsphase, inszeniert wurden, um damit die scheinbare Bereitschaft der Sowjets anzukündigen, den Sowjetisierungskurs zugunsten der Wiedervereinigung Deutschlands nachhaltig zu bremsen – vielleicht sogar unter Preisgabe der mit ihm verbundenen hohen Funktionäre. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt (17.6. 15 Uhr) scheint die Bewegung allerdings den Regisseuren aus der Hand geglitten zu sein.135

'LH7KHVHHLQHVLQV]HQLHUWHQDEHUVFKOLH‰OLFKGHQ$EVLFKWHQGHU,QLWLDWRUHQ 3.1 zuwiderlaufenden Aufstandes gegen die SED-Führung wurde nicht nur von GHU 2UJDQLVDWLRQ *HKOHQ YHUWUHWHQ 'LH 9RUVWHOOXQJ GDVV HV VLFK EHL GHQ Interpretationen: 9RUJlQJHQLQGHU''5XPHLQHQVSRQWDQHQ$XIVWDQGKDQGHOQN|QQWHEHU- VWLHJ ]XQlFKVW GLH 9RUVWHOOXQJVNUDIW YLHOHU ZHVWOLFKHU %HREDFKWHU136 9RU Inszenierter Aufstand allem der Umstand, dass der am 16. Juni formierte Demonstrationszug unge- hindert bis vor das Regierungsgebäude ziehen konnte, galt als Indiz für eine Inszenierung der Erhebung.137$XFK$GHQDXHUWHLOWHGLHVH9HUPXWXQJXQGlX- Die Organisation Gehlen benötigte etwa vier Wochen, um die politischen, ‰HUWHVLFKLQVHLQHUDP)UKQDFKPLWWDJDEJHJHEHQHQ5HJLHUXQJVHUNOlUXQJ ZLUWVFKDIWOLFKHQXQGJHVHOOVFKDIWOLFKHQ$VSHNWHGHV9RONVDXIVWDQGHVHLQ- über die Entstehungszusammenhänge unbestimmt und zurückhaltend: ]XRUGQHQ]XEHZHUWHQXQG]XHLQHUHLQLJHUPD‰HQ]XWUHIIHQGHQ(LQVFKlW]XQJ zu gelangen. Wie aus der am 17. Juni erlassenen Aufklärungsforderung Wie auch die Demonstrationen der Ost-Berliner Arbeiter in ihren HUVLFKWOLFKEHVFKlIWLJWHPDQVLFKLQ3XOODFKYRUDOOHPPLWGHU)UDJHZHOFKH Anfängen beurteilt werden mögen, sie sind zu einer großen Bekundung Ursachen dem plötzlich ausbrechenden Aufstand zugrunde lagen. des Freiheitswillens des deutschen Volkes in der Sowjetzone und Berlin Am 17. Juni selbst ging die Organisation Gehlen davon aus, der Aufstand geworden.138 sei von der sowjetischen Führung herbeigeführt worden. Der um 15 Uhr ab- geschlossene Wochenbericht führt an, dass im Rahmen des primär gegen hEHUVLFKW%$UFK%ODWW²KLHU+HUYRUKHEXQJLP2ULJLQDO6LHKHGD]XDXFK GLH:HVWELQGXQJGHU%XQGHVUHSXEOLNJHULFKWHWHQࡐ1HXHQ.XUVHV´LQOHW]WHU GLHYHUPXWOLFKYRQ(EUXOI=XEHUYHUIDVVWH$QZHLVXQJDQVHLQH'LHQVWVWHOOHQ$QRQ\P %9( 6FKUHLEHQDQ)LOLDOH Konsequenz auch eine Entmachtung der SED-Führung mit Hilfe eines insze- $RKQH7LWHODEJHGUXFNWLQ)ULFNH(QJHOPDQQ7DJ;6²KLHU6'DV'RNXPHQW VWDPPWDXVGHU)LOLDOH$GHU%9(XQGZXUGHYRP0I6LP=XJHGHU9HUKDIWXQJGHV0LWDUEHLWHUVGHU2UJDQLVD QLHUWHQ$XIVWDQGHVZDKUVFKHLQOLFKVHL6RKHL‰WHVHLQOHLWHQGGLHVRZMHWLVFKH tion Gehlen, Werner Haase, im November 1953 sichergestellt.

)KUXQJ KlWWH ࡐLKUH SROLWLVFKH $NWLYLWlW >@ QRFK JHVWHLJHUW´ XQG VHL 9RUDOOHPDXIGHU(EHQHGHULQWHUQDWLRQDOHQ3ROLWLNZXUGHQGLH(UHLJQLVVHLQ2VWEHUOLQDOV0DQ|YHUGHU ࡐQXQPHKU]XP(QGVSXUWJHJHQGLH2UJDQLVDWLRQGHUZHVWOLFKHQ9HUWHLGLJXQJ sowjetischen Führung wahrgenommen. Für die amerikanische Regierung siehe Ostermann, Uprising, S. 175–176. =XU3UHVVHEHULFKWHUVWDWWXQJ0DQIUHG5H[LQ=XU5ROOH:HVWGHXWVFKODQGVXQG:HVW%HUOLQVDP-XQL6 DQJHWUHWHQ´ 'LH 9HUlQGHUXQJHQ GHU OHW]WHQ :RFKHQ VHLHQ QXU ࡐWDNWLVFKH ²VRZLHGHUV'LHVVHLWVGHV3RWVGDPHU3ODW]HV:HVW%HUOLQDPXQG-XQL%HUOLQ6²

0D‰QDKPHQ PLW VWDUN SURSDJDQGLVWLVFKHU )lUEXQJ´ JHZHVHQ -HW]W ࡐPXVV 137 Meinungsbildend wirkte sich die Einschätzung des Chefkorrespondenten der amerikanischen Nachrichten- aber damit gerechnet werden, dass Sowjets noch weitergehende, echte DJHQWXU$VVRFLDWHG3UHVVDXVGHUDQJHVLFKWVGHU.XQGJHEXQJHQDP-XQLYRQHLQHULQV]HQLHUWHQ.DPSDJQH ausging. Rexin, Zur Rolle Westdeutschlands, S. 84. .RQ]HVVLRQHQ>@DQELHWHQZHUGHQ´XQGEHUHLWVHLHQࡐ2SIHU´]XEULQJHQ 5HJLHUXQJVHUNOlUXQJYRQ%XQGHVNDQ]OHU.RQUDG$GHQDXHULQ9HUKDQGOXQJHQGHV'HXWVFKHQ Bundestages, Stenographische Berichte, Band 16, Bonn 1953, S. 13449.

42 43 In der Literatur wird verschiedentlich vermutet, dass die Wahrnehmung 'D 3UHVVH XQG 5XQGIXQN GLH +DXSWLQIRUPDWLRQVTXHOOHQ GHU 2UJDQLVDWLRQ des Bundeskanzlers auf eine Unterrichtung durch die Organisation Gehlen Gehlen waren, dürften diese widersprüchlichen Einschätzungen aufgefallen zurückzuführen sei.139 (LQ .RQWDNW ]ZLVFKHQ GHP .DQ]OHUDPW XQG 3XOODFK sein. Zu einer Differenzierung der eigenen Bewertung führte dies nicht. Am 18. YRU 9HU|IIHQWOLFKXQJ GHU 5HJLHUXQJVHUNOlUXQJ LVW QLFKW QDFKZHLVEDU Juni lag die Meldung eines Gewährsmannes vor, wonach die Demonstration Adenauer dürften neben einer immerhin denkbaren Unterrichtung noch die DP9RUWDJYRQGHU6(')KUXQJDQJHRUGQHWZRUGHQVHLHQ$XV6LFKWGHV Einschätzungen des Friedrich-Wilhelm-Heinz-Dienstes sowie möglicherweise %HDUEHLWHUVLQ3XOODFKKDWWHGLH4XHOOH]ZDUGHQ$NWHXUIDOVFKHUNDQQWGLH auch Stellungnahmen westlicher Botschafter in Bonn vorgelegen haben, die Meldung wurde aber in der Grundaussage als zutreffend eingeschätzt und in zunächst ebenfalls von der einer Inszenierung ausgingen.140 Eine Bestätigung die eigenen Ansichten eingepasst: DXV 3XOODFK GUIWH GLHVH$QQDKPH EHVWlUNW DEHU NDXP XUVlFKOLFK KHUEHL geführt haben. Die Regierungserklärung wurde auf einer Sondersitzung des Die Meldung unterstützt hiesige Auffassung hinsichtlich Entstehungsgrund Bundeskabinetts am Mittag des 17. Juni beschlossen, nachdem der über die und unplanmäßiger Weiterentwicklung der Unruhen in Ost-Berlin und der Lage in der Ostzone gut unterrichtete Bundesminister für gesamtdeutsche Sowjetzone. Anzunehmen, dass eine derartige Inszenierung (wenn auch mit )UDJHQEHUGLH9RUJlQJHLQGHU''5%HULFKWHUVWDWWHWKDWWH141 unbeabsichtigtem Ausmaß) ohne ausdrückliche Billigung bzw. ohne Anstoß 'HUࡐ6SLHJHO´EHKDXSWHWHLQVHLQHUHUVWHQ$XVJDEHQDFKGHP9RONVDXIVWDQG von sowjetischer Seite her erfolgt sein könnte, ist abwegig. Seit wann VRJDU QRFK DP  -XQL GDVV GLH 9RUJlQJH ࡐJDQ] DQGHUV JHSODQW´ wäre eine Partei bzw. Regierung des sowjetischen Machtbereichs zu einer ge wesen seien.142 Ungeachtet solcher Annahmen ging der Grundtenor in Selbstbezichtigung – und gar in dieser selbstmörderischen demonstrativen GHQ7DJHV]HLWXQJHQMHGRFKGDKLQGLH*UQGHIUGHQ$XIVWDQGVHLHQLQGHU Form – ohne Weisung oder Zwang aus Moskau bereit gewesen? 144 SUHNlUHQSROLWLVFKHQXQGZLUWVFKDIWOLFKHQ/DJHLQGHU''5]XVHKHQ9RUDOOHP GLH%HULFKWHUVWDWWXQJGHV5,$6GHUHQJH9HUELQGXQJ]XGHQ$XIVWlQGLVFKHQ (QWVSUHFKHQG ZXUGH GHU %HLWUDJ GHU SROLWLVFKHQ $XVZHUWXQJ ]XU 7DJHV und der DDR-Bevölkerung hatte und aus erster Hand berichten konnte, prägte meldung vom 18. Juni formuliert: die öffentliche Wahrnehmung der Erhebung.143 Zum Spektrum der zeitgenössis- chen Interpretationen gehörte auch die von der SED-Führung noch am 17. Juni Der aus den bisher vorliegenden Hinweisen (auch der Presse) zu ge winnender erhobene Behauptung, der Aufstand sei vom Westen herbeigeführt worden. Gesamteindruck über die Unruhen in Ost-Berlin und der Sowjetzone bestäti- gen unsere in der Übersicht vom 17.6. [ein Wort unleserlich] Auffassung, dass es sich bei den betreffenden Vorgängen im Ansatz u m e i n e v o n o f f i z i e l - ler sowjetischer Seite in Szene gesetzte Aktion handelt, mit dem Ziel, die .DUO:LOKHOP)ULFNH=XU*HVFKLFKWHXQGKLVWRULVFKHQ'HXWXQJGHV$XIVWDQGHVYRP-XQLLQ+HLGL Roth, Der 17. Juni in Sachsen, Köln 1999, S. 13–100, hier S. 84–85. Frage der Wiedervereinigung in innerdeutschem Rahmen ins Rollen zu brin-

'HU%RWVFKDIWHU)UDQNUHLFKVlX‰HUWHVLFKDP-XQLJHJHQEHU$X‰HQPLQLVWHU+DOOVWHLQLQGLHVHU5LFKWXQJ gen und hierfür bestimmte Hemmnisse auf östlicher Seite (Ulbricht etc.) zu $XI]HLFKQXQJGHV6WDDWVVHNUHWlUV+DOOVWHLQLQ$NWHQ]XU$XVZlUWLJHQ3ROLWLNGHU%XQGHVUHSXEOLN Deutschland, hg. im Auftrag des Auswärtigen Amtes vom Institut für Zeitgeschichte, 1953, Band 1, 1. Januar bis beseitigen, um auf diese Weise eine für den Osten günstige Ausgangsbasis -XQL0QFKHQ6²KLHU=XP+HLQ]'LHQVW)+:'LHQVWF/DJHLQ%HUOLQ für evtl. nachfolgende Verhandlungen zu schaffen, (Alte Parole: zuerst 965HJLVWUDWXU%XQGHVNDQ]OHUDPW%DQG%ODWW² Gesamtdeutsche Beratungen!) Im tatsächlichen Verlauf ist die ausgelöste 6RQGHUVLW]XQJGHU%XQGHVUHJLHUXQJLQ'LH.DELQHWWVSURWRNROOHGHU%XQGHVUHJLHUXQJ hg. von Hans Booms, Band 6, Boppard am Rhein 1989, S. 348–349. Egon Bahr führt in seinen Erinnerungen aus, Bewegung über das beabsichtigte Maß hinausgegangen durch Entfesselung von dass am Morgen des 17. Juni bereits eine erste Stellungnahme des Kanzlers verbreitet werden sollte, die klar eine in diesem Umfang145 offenbar nicht vermuteten Widerstandskräften. Inzwischen sowjetische Urheberschaft unterstrich. Im RIAS sei die Ausstrahlung dieser Mitteilung unterblieben und Bahr hätte VLFKPLWGHP.DQ]OHUDPWLQ9HUELQGXQJJHVHW]WXPGLH5HJLHUXQJYRQGHU$EZHJLJNHLWGLHVHU,QWHUSUHWDWLRQ]X überzeugen. Egon Bahr: Zu meiner Zeit, München 1996, S. 78–79 sowie Fricke, Zur Geschichte, S. 85. 0HOGXQJࡐ'HPRQVWUDWLRQHQLQ2VW%HUOLQ´6²KLHU6%1'$UFKLY 142 Juni-Aufstand. Was in der Luft liegt, , 24.06.1953, S. 6–7, hier S. 6. Blatt 1028–1029, hier 1029.

.UlPHU9RONVDXIVWDQG6² ,P2ULJLQDOXUVSUQJOLFK0D‰HKDQGVFKULIWOLFKJHlQGHUWLQ8PIDQJ

44 45 scheint es jedoch gelungen zu sein, die Kettenreaktion abzufangen und über- Am 24. Juni legte die Organisation Gehlen ihre erste Stellungnahme zum schießende Tendenzen als Störaktionen „westlicher Agenten“ zu erklären.146 Aufstand vor. Aus dem Bericht lässt sich ablesen, dass sie ihre bisherige ,QWHUSUHWDWLRQQLFKWJUXQGOHJHQGLQ)UDJHVWHOOWH6RPVVHࡐGHU.UHPO>@ Wurde in dieser Bewertung die Grundthese nicht infrage gestellt, so fallen GLH 7DWVDFKH >@ EHUFNVLFKWLJHQ GDVV GLH QLFKWNRPPXQLVWLVFKH :HOW GLH hinsichtlich ihres Zwecks und der Akteure Differenzierungen auf. Ein Erhebung der Arbeiterschaft in der deutschen Sowjetzone als Fanal des erster Hinweis findet sich in der Entwurfsfassung für eine Unterrichtung der )UHLKHLWVZLOOHQVEHWUDFKWHW´ZDVDOV%HNUlIWLJXQJGHU7KHVHYRQHLQHPLQ- $X‰HQVWHOOHQ GLH DXI GHU EHVDJWHQ7DJHVPHOGXQJ EHUXKW +LHU ZXUGH GLH szenierten, aber aus dem Ruder gelaufenen Aufstand verstanden werden YRQ GHU $XVZHUWXQJ IHVWJHVWHOOWH ࡐRIIL]LHOOH VRZMHWLVFKH´ ,QLWLDWLYH YRQ GHU NDQQ'HUDQJHRUGQHWH.XUVZHFKVHOVHLࡐLQHLQHLQGLHVHP0D‰HXQHUZDUWHWH politischen Abteilung dahingehend abgeschwächt, dass es sich um eine 9RONVHUKHEXQJ´ JHPQGHW GLH VFKOLH‰OLFK QXU PLW :DIIHQJHZDOW QLHGHU- $NWLRQYRQࡐ|VWOLFKHU6HLWH´KDQGHOH147 geschlagen werden konnte. Dass die Demonstrationen in Szene gesetzt $XV GHQ IROJHQGHQ VLHEHQ7DJHQ OLHJHQ NHLQH 4XHOOHQ YRU LQ GHQHQ VLFK ZRUGHQVHLQPVVWHQZLUGPLWGHPYHUNODXVXOLHUWHQ9HUZHLVDXIHLQHYRQ 9HUlQGHUXQJHQGHULQWHUQHQ:DKUQHKPXQJDEOHLWHQODVVHQ=ZLVFKHQ]HLWOLFK 6HPMRQRZ EHDEVLFKWLJWH ࡐ)RUP HLQHU GHPRQVWUDWLYHQ 5FNRULHQWLHUXQJ ]XU hatte die Organisation Gehlen Erkundigungen eingeholt, zu welchen Schlüssen ࡏ9RONVPHLQXQJ¶´ XPVFKULHEHQ151 Dass sich hinter solchen Formulierungen andere geheimdienstlich gegen die DDR arbeitende Organisationen gekom- ZHLWHUKLQ GLH hEHU]HXJXQJ YHUEDUJ GHU $XIVWDQG VHL WDWVlFKOLFK KHUEHL PHQ ZDUHQ 'LHVH ࡐ*HVSUlFKVHUNXQGXQJHQ´ HUJDEHQ GDVV GHU )ULHGULFK JHIKUW ZRUGHQ ]HLJW HLQH DP IROJHQGHQ 7DJ GHP .DQ]OHUDPW YRUJHOHJWH :LOKHOP+HLQ]'LHQVW GDYRQ DXVJLQJ GDVV GLH ࡐ8QUXKHQ XQWHU |VWOLFKHU DQJHEOLFKHbX‰HUXQJHLQHV$QJHK|ULJHQDXVGHP8PIHOGGHU6RZMHWLVFKHQ 5HJLHVWDQGHQ´ZRKLQJHJHQDXVDQGHUHU4XHOOHGHP.DQ]OHUDPWEHULFKWHW +RFKNRPPLVVLRQGHUࡐDXV*HVSUlFKHQEHL6HPMRQRZ´ZLVVHQZROOWHGDVV ZRUGHQZDUGDVVGLHࡐ9RUJlQJHVSRQWDQXQGRKQH5HJLH´HUIROJWZDUHQ148 ࡐGHU6WUHLNGHU%DXDUEHLWHULQGHU6WDOLQ$OOHHYRQVRZMHWLVFKHU6HLWH Inwiefern die Organisation Gehlen Einblicke in die Einschätzungen der CIA LQV]HQLHUWZRUGHQLVWXPGHQ$EWULWWGHU''55HJLHUXQJYRU]XEHUHLWHQ´152 erhielt, ist schwer zu beurteilen. Ein offizieller Informationsabgleich fand $EJHVHKHQ YRQ GHU 3UHVVHEHULFKWHUVWDWWXQJ ODJHQ LQ 3XOODFK ]X GLHVHP während des Aufstandes jedenfalls nicht statt, wie die Leitung später ge- Zeitpunkt durchaus Meldungen vor, die eine andere Deutung der genüber dem CIA-Stab beklagte.149 Andererseits waren die Arbeitskontakte +LQWHUJUQGH GHV 9RONVDXIVWDQGHV QDKH OHJWHQ ,Q GHU 0HOGXQJ HLQHV eng und boten Gelegenheit für einen informellen Austausch. Der amerika- SURPLQHQWHQ SROLWLVFKHQ *HZlKUVPDQQHV YRP  -XQL KHL‰W HV EHLVSLHOV- QLVFKH 1DFKULFKWHQGLHQVW KLHOW ]XPLQGHVW (QGH -XQL  GLH LQ 3XOODFK ZHLVH GDVV GLH ࡐ'HPRQVWUDWLRQHQ XQG 8QUXKHQ nicht YRQ PD‰JHEOLFKHQ vertretene Einschätzung nicht für ausgeschlossen, dass es sich um einen 6WHOOHQLQV]HQLHUW´ZRUGHQVHLHQ153 Am 26. Juni ging ein Befragungsbericht inszenierten Aufstand gehandelt haben könnte.150 ein, der detaillierte Aussagen von Bauarbeitern aus der Stalinallee und Demonstrationsteilnehmern über die Entwicklung der Ereignisse zwischen dem 15. und 17. Juni enthielt. Der Bericht bot keinerlei Anhaltspunkte für

3' 3ROLWLVFKH$XVZHUWXQJ DQ3 3ROLWLVFKH%HVFKDIIXQJ ࡐ%HLWUDJ]XU7DJHVPHOGXQJYRP´ >(QWZXUI@%1'$UFKLY%ODWW+HUYRUKHEXQJLP2ULJLQDO hEHUVLFKWYRP%$UFK%%ODWW²KLHU 3' 3ROLWLVFKH$XVZHUWXQJ DQ3 3ROLWLVFKH%HVFKDIIXQJ ࡐ=ZLVFKHQEHXUWHLOXQJ]XGHQOHW]WHQ 'LH2UJDQLVDWLRQ*HKOHQEHULHIVLFKDXI$..UMXWNRGHQGLH0HOGXQJDOV0LWDUEHLWHUGHU9HUZDOWXQJGHV 9RUJlQJHQLQ%HUOLQXQGLQGHU6RZMHW]RQH´6²%1'$UFKLY%ODWW² VRZMHWLVFKHQ9HUP|JHQVLQGHU''5DXVZHLVW'LHVHULQWHUSUHWLHUWHDQJHEOLFKHbX‰HUXQJHQGHVVRZMHWLVFKHQ /HLWHU*9% +DQV:RUJLW]N\ DQ=HQWUDOH%HULFKW$XIWUlJH/DJH%HUOLQ6%1'$UFKLY +RFKNRPPLVVDUVLQ2VWEHUOLQLQGLHVHU5LFKWXQJ'LHLQGHU0HOGXQJVLQQJHPl‰ZLHGHUJHJHEHQHQbX‰HUXQJHQ %ODWW'LH]ZHLWH0HOGXQJEH]LHKWVLFKP|JOLFKHUZHLVHDXIGHQ9HUIDVVXQJVVFKXW]GHUQHEHQGHP Semjonows zeigen jedoch nur, dass auch dieser vom Ausbruch des Aufstandes überrascht wurde. Organisation Heinz-Dienst für die nachrichtendienstliche Unterrichtung des Kanzleramtes sorgte. *HKOHQ0HOGXQJ1Uࡐ=XU5HYROWHLQ%HUOLQ´965HJLVWUDWXU%XQGHVNDQ]OHUDPW Band 1, Blatt 36.  +RUVWYRQ0HOOHQWKLQ DQ -DPHV&ULWFKÀHOG /HVVRQV/HDUQHGIURPWKH8SULVLQJV6XPPHU LQ5XIIQHU,QWHOOLJHQFH3DUWQHUVKLS%DQG61$5$ *HQHUDOYHUWUHWXQJ%,,,DQ3 3ROLWLVFKH%HVFKDIIXQJ 0HOGXQJࡐ/DJH''54XHOOH+RUD]´XQGDWLHUW >YRU@VRZLHGLHGDUDXIEDVLHUHQGH0HOGXQJ/DJH''53DQ3EHLGHLQ%1'$UFKLY 150 Ostermann, Uprising, S. 176. Die Aussage bezieht sich auf eine CIA-Meldung vom 26.06.1953. 35426, Blatt 70–71. Hervorhebung im Original.

46 47 die Inszenierungstheorie. Die daraus abzuleitende Schlussfolgerung, dass Eine zumindest teilweise Abkehr von diesem Interpretationsmuster lässt sich sich der Aufstand vollkommen ohne Wissen oder Duldung der SED-Führung in den ersten Julitagen nachvollziehen. Obwohl die Agenten in der DDR am 17. E]Z GHU VRZMHWLVFKHQ +RFKNRPPLVVLRQ HQWZLFNHOW KDEHQ VROOWH OLH‰ VLFK Juni den dringlichen Auftrag erhalten hatten, Beweise für eine Inszenierung MHGRFK QLFKW LQ GLH 9RUVWHOOXQJHQ HLQSDVVHQ$XFK ZHQQ MHJOLFKHU %HZHLV EHL]XEULQJHQ EHOHJWHQ GLH QXQ ZLHGHU ]DKOUHLFK LQ 3XOODFK HLQJHKHQGHQ fehlte, wurde vermutet, dass zumindest der Beginn der Kundgebungen 0HOGXQJHQGDVVVLFKHLQHVROFKH$QQDKPHQLFKWHUKlUWHQOLH‰,P*HJHQWHLO in der Stalinallee am 16. Juni von der SED mit Billigung der sowjetischen GHXWHWHQGLH%HULFKWHGDUDXIKLQGDVVGHU9RONVDXIVWDQGDQGHUH8UVDFKHQ Hochkommission gesteuert gewesen sein musste: haben musste.156 Zudem hatte in der öffentlichen Diskussion die Erörterung GLHVHU)UDJHNDXPQRFK%HGHXWXQJVLHOLHIOHW]WOLFKDXIHLQH'LVNUHGLWLHUXQJ Dass der Affekt zum Aufbruch aus den Reihen der Arbeiter selbst kam, kann des Aufstandes und vor allem der Opfer hinaus. Diese Entwicklungen dürften immerhin sein. Unberührt davon bleibt aber die Auffassung gültig, dass von dazu beigetragen haben, dass die Einschätzungen intern einer kritischen der SED-Regierung eine demonstrative Form der Kritik [...] erwartet und hEHUSUIXQJ XQWHU]RJHQ ZXUGHQ 8QWHU QRFKPDOLJHU +HUDQ]LHKXQJ GHV zugelassen wurde – und dies zweifellos auf Wunsch der sowj. Hochkommission Befragungsberichtes sowie weiterer Erkenntnisse über den Ablauf der [...] Dass dem späteren Massenaufstand zugrundeliegende Experiment der Demonstrationen, sprachen nunmehr alle zusammengetragenen Indizien „Selbstkritik“, die unter Zuhilfenahme eines für zuverlässig gehaltenen JHJHQHLQH6WHXHUXQJ6RZRKOGLH(QWVWHKXQJGHU3URWHVWEHZHJXQJLQGHU Teils der Arbeiterschaft durchgeführt werden sollte, fehlgegangen ist, Stalinallee wie auch das Zustandekommen der erste Demonstration am wird selbst von Grotewohl nicht geleugnet.154 Folgetag waren allein in der geforderten Zurücknahme der Normerhöhungen EHJUQGHWhEHUKDXSWVHLHLQH,QV]HQLHUXQJDEZHJLJ$QJHVLFKWVGHULQQHQ- ,Q DEJHVFKZlFKWHU )RUP ZXUGH GLH 7KHVH HLQHU 6WHXHUXQJ DXFK DP  politischen Lage in der DDR vor Ausbruch der Unruhen hätten sowohl die SED- Juni dem Kanzleramt vorgetragen, ohne dass allerdings Ziele und Akteure )KUXQJDOVDXFKGLHVRZMHWLVFKH+RFKNRPPLVVLRQࡐGDPLWUHFKQHQPVVHQ benannt werden konnten: GDVVVLFKPLWGLHVHU$NWLRQ(LQÁVVHYHUELQGHQXQGVLFK%HY|ONHUXQJVDEVLFKWHQ DQVFKOLH‰HQGHUHQ$XVZHLWXQJHLQIDFKQLFKWYRUDXV]XEHUHFKQHQ´ZDU'DV Es ist erwiesen, dass beide Seiten [Sowjetische Hochkommission und SED- Ergebnis der Untersuchung mündete in dem Fazit: Führung] den Versuch gemacht haben, sie [die Demonstrationen] in den Dienst ihrer Absichten zu stellen und sie zu diesem Zweck stellenweise Zusammenfassend können diese Überlegungen dazu führen, den Ursprung zunächst sogar zu fördern. [...] Erst als die Bewegung sich zum Aufstand für die Demonstrationen und den folgenden Aufstand tatsächlich in dem ausgewachsen hatte, der jeder Lenkung Hohn sprach, und im Begriff stand, Entschluss einer verbitterten Arbeitergruppe zu sehen, die – ohne eine beide Seiten hinwegzufegen, fanden sich die Spitzen notgedrungen zu ge- Lenkung, deren sie gar nicht bedurfte – unbewusst und ungewollt den Anstoß meinsamer Abwehr zusammen. [...] Die Auseinandersetzung zwischen Sowjets gegeben hat. Dass sich aus einem – zunächst fast harmlos erscheinenden und SED – die schon lange befürchtete im Interesse der sowjetischen – Protest die machtvolle Volkserhebung entwickelte, kann nur auf die Friedenspolitik geopfert zu werden – wurde vertagt.155 Verhältnisse in der SBZD zurückgeführt werden.157

3 3ROLWLVFKH%HVFKDIIXQJ 0HOGXQJࡐ=XVDPPHQVWHOOXQJYRQ$XJHQ]HXJHQEHULFKWHQ]XGHQ(UHLJQLVVHQ 'D]XGLH0HOGXQJHQGHU*9%GLHDP-XQLLQGHU=HQWUDOHYRUODJHQ/HLWHU*9% +DQV:RUJLW]N\  DP-XQLLQ2VW%HUOLQ´6²KLHU6%1'$UFKLY%ODWW²KLHU an Zentrale, Bericht Aufträge Lage Berlin, 24.06.1953, S. 5–6, BND-Archiv 7361, Blatt 289–290.

2UJDQLVDWLRQ*HKOHQ0HOGXQJࡐ.XU]RULHQWLHUXQJ´6965HJLVWUDWXU%XQGHVNDQ]OHUDPW $QRQ\P%HULFKWࡐ'HU$XVJDQJVSXQNWIUGLH8QUXKHQLQ2VWEHUOLQ´XQGDWLHUW>$QIDQJ-XOL@ %DQG%ODWW+HUYRUKHEXQJLP2ULJLQDO BND-Archiv 7361, Blatt 265–282, hier 276.

48 49 'LH(LQVLFKWGDVVPLWGHQELVKHULJHQ9HUPXWXQJHQIDOVFKJHOHJHQ]XKDEHQ setzte sich trotz dieser zutreffenden Analyse innerhalb der Organisation 3.2 Gehlen nur zögerlich durch. Entsprechend konnte man sich Mitte Juli im Abschlussbericht auch nicht zu einem klaren Dementi durchdringen. Erkenntnisse über den Aufstand 9LHOPHKU]RJHQVLFKGLH$XWRUHQGDUDXI]XUFNDOOH6SHNXODWLRQHQEHUHLQH Inszenierung hätten nunmehr an Bedeutung verloren:

Der nachträglichen Betrachtung erscheint es unerheblich, ob der anfäng- (LQH HUVWH XPIDVVHQGH 8QWHUVXFKXQJ GHV 9RONVDXIVWDQGHV OHJWH GLH lich kleine Protestmarsch möglicherweise amtlich inspiriert war, ob die Organisation Gehlen am 29. Juni vor. Der Wochenbericht vom 24. Juni behan- vorhandene Empörung über die Normenerhöhung regiemässig ausgenutzt wurde GHOWHGHQ$XIVWDQGQXUNXUVRULVFKXQGEHVFKUlQNWHVLFKDXI3URJQRVHQEHU oder ob die zweifellos bekannte Streikabsicht nur toleriert wurde. Dass P|JOLFKH$XVZLUNXQJHQGLHVHV(UHLJQLVVHVDXIGLHVRZMHWLVFKH$X‰HQSROLWLN161 eine echte Empörung nach 8 Jahren Unterdrückung vorhanden war, ist nicht Wie stark diese spät einsetzende Berichterstattung vom Meldungsausfall in zu bezweifeln.158 GHQ7DJHQQDFKGHP-XQLEHHLQIOXVVWZDUOlVVWVLFKDXJHQIlOOLJDXVGHQ $QJDEHQEHUGLHPLOLWlULVFKHQ9RUJlQJHXQGGLH$XVEUHLWXQJGHU8QUXKHQ /HW]WH=ZHLIHODQHLQHUVSRQWDQHQ(QWVWHKXQJGHU3URWHVWHOLH‰HQVLFKJOHLFK- ablesen. Während die Organisation Gehlen am 29. Juni über den Einsatz der wohl nicht ausräumen, denn für die Organisation Gehlen stand Roten Armee nur wenig berichten konnte und sich hinsichtlich des Ablaufes XQGGHV$XVPD‰HVGHU8QUXKHQDXIGLH)HVWVWHOOXQJEHVFKUlQNWHGDVVGLH außer Zweifel, dass von der sowjetzonalen Regierung eine demonstrative (UKHEXQJࡐGLHJHVDPWH=RQH´HUIDVVWKlWWHVLQGLP$EVFKOXVVEHULFKWXPIDV- Form der Kritik in begrenztem und kontrolliertem Umfang erwartet und zuge- VHQGH$QJDEHQEHU7UXSSHQEHZHJXQJHQHQWKDOWHQGLHPLWHLQHUDXVIK- lassen wurde, und zwar fraglos auf Wunsch der Sowjetischen Oberkommission UOLFKHUHQ 'DUVWHOOXQJ GHV$XIVWDQGHV DX‰HUKDOE %HUOLQV HLQKHUJLQJHQ 'LH [...].159 ,QIRUPDWLRQHQEDVLHUHQIUGLH9RUJHVFKLFKWHGHU8QUXKHQIDVWYROOVWlQGLJ auf den Meldungen der vergleichsweise kleinen Generalvertretung B, deren Diese Feststellung gründete sich auf der Beobachtung, dass die DDR-Führung Erkenntnisse am 29. Juni in der Zentrale vor lagen.162 Die Darstellung der GHQVLFKLQGHQ7DJHQYRUGHP-XQLRIIHQDUWLNXOLHUHQGHQ3URWHVWQLFKW (UHLJQLVVHLQ2VWEHUOLQJHKWLQZHVHQWOLFKHQ7HLOHQDXIGLH$QIDQJ-XOLEHU- sofort durch den Einsatz von Sicherheitskräften unterband. Die naheliegende DUEHLWHWH 9HUVLRQ GHV HUZlKQWHQ %HIUDJXQJVEHULFKWHV ]XUFN (V PXVV Erklärung, dass die SED-Führung ebenso wie die Organisation Gehlen die offen bleiben, weshalb sich die Organisation Gehlen bei der Abfassung (QWZLFNOXQJXQWHUVFKlW]WHXQGYRQGHU:XFKWGHV9RONV]RUQVVFKOLFKWEHU LKUHV$EVFKOXVVEHULFKWHVLQGLHVHQ]HQWUDOHQ3XQNWHQQXUDXIGLHVHEHLGHQ UDVFKWZXUGHOLH‰VLFKQLFKWLQGLHLQ3XOODFKJHKHJWH9RUVWHOOXQJHLQHUWRWDOLWlU Quellen stützte. Denkbar wäre, dass abgesehen von der Generalvertretung B durchherrschten Gesellschaft einpassen.160 GLHEULJHQ$X‰HQVWHOOHQNHLQHIUGLHVH)UDJHQHLQVFKOlJLJHQ,QIRUPDWLRQHQ liefern konnten. Dies wiederum würde die geringe Leistungsfähigkeit der vorhandenen Netze bestätigen. $EVFKOXVVEHULFKW6%$UFK%%ODWW'LHVH)RUPXOLHUXQJZXUGHZ|UWOLFKDXVGHP(LQVDW]EH- ULFKW:RUJLW]N\VEHUQRPPHQ/HLWHU*9% +DQV:RUJLW]N\ DQ=HQWUDOH%HULFKW$XIWUlJH/DJH%HUOLQ Im Gegensatz zur Berichterstattung über die Lage in der DDR vor dem 17. S. 6, BND-Archiv 7361, Blatt 290. Juni, die sich vor allem auf die sowjetische Deutschlandpolitik konzentrierte, $EVFKOXVVEHULFKW6%$UFK%%ODWW

=XGHQ5HDNWLRQHQGHU6(')KUXQJXQGGHV6LFKHUKHLWVDSSDUDWHV)ULFNH(QJHOPDQQ7DJ;7RUVWHQ 'LHGULFK:DIIHQJHJHQGDV9RON'HU-XQLLQGHU''50QFKHQ7RUVWHQ'LHGULFK:DIIHQJHJHQ hEHUVLFKW%$UFK% GDV9RONRGHU0DFKWXQG2KQPDFKWGHV0LOLWlUV1HXH$VSHNWH]XU1LHGHUVFKODJXQJGHV9RONVDXIVWDQGHV LQ.OH‰PDQQ6W|YHU6² /HLWHU*9% +DQV:RUJLW]N\ DQ=HQWUDOH%HULFKW$XIWUlJH/DJH%HUOLQ%1'$UFKLY

50 51 bezog die Organisation Gehlen bei der Untersuchung des Aufstandes jene GHUGLH(VNDODWLRQGHU3URWHVWHEHI|UGHUWHPDFKWHGLH2UJDQLVDWLRQ*HKOHQ inneren Entwicklungen ein, die zu den Unruhen geführt hatten. Nunmehr LQGHU9HUXQVLFKHUXQJGHV6WDDWVXQG3DUWHLDSSDUDWHVDXV+LHUZDUHQGLH wurde auch die Bevölkerung als Akteur berücksichtigt. So führt der Bericht $XVZLUNXQJHQGHVࡐ1HXHQ.XUVHV´HQWVFKHLGHQGYRQGHPGLH2UJDQLVDWLRQ YRP  -XQL DQ GDVV GLH 8QUXKHQ ࡐNHLQ VSRQWDQHU$NW´ JHZHVHQ VHLHQ Gehlen weiterhin glaubte, er sei der SED-Führung am 28. Mai vom sondern Ergebnis eines sich seit dem Frühjahr 1952 steigernden Unmutes, Sowjetischen Hochkommissar befohlen worden.1677URW]LKUHUUDVVLVWLVFKHQ der frühzeitig auf einen Legitimationsverlust des SED-Regimes hingewie- hEHUIRUPXQJ ZHUGHQ GLH )ROJHQ GHV DQJHRUGQHWHQ .XUVZHFKVHOV IU GHQ VHQKDEH$OV%HOHJZHUGHQ%HLVSLHOHIU3URWHVWHXQG:LGHUVHW]OLFKNHLWHQ 6WDDWVXQG3DUWHLDSSDUDWHV]XWUHIIHQGGDUJHOHJW zwischen Frühjahr 1952 und den ersten beiden Monaten des Jahres 1953 angeführt, die möglicherweise von Quellen der Organisation Gehlen erfasst Die öffentliche Selbstanklage und Selbsterniedrigung ist dem slawischen und für die Abfassung des Berichtes aus den Karteien zusammengetragen Volkscharakter schon seit altersher nicht fremd; sie ist vielmehr ein wurden.163 Bekräftigt wird diese Argumentation mit angeblich vorliegenden Bestandteil seines Wesens. Sie ist von den Sowjets zur sogenannten ࡐ%HULFKWHQDXV.DUOVKRUVW´DXVGHQHQGLH=XVSLW]XQJGHU/DJHEHUHLWV)HEUXDU „Selbstkritik“ weiterentwickelt worden. Für den deutschen und west- und März 1953 zu erkennen gewesen sei. Dass derartige Ausarbeitungen lichen Menschen kommt eine solche öffentliche Selbsterniedrigung aber WDWVlFKOLFKMHPDOVLQ3XOODFKJHOHVHQZXUGHQLVW²XQJHDFKWHWGHURSHUDWLYHQ der Vernichtung der Persönlichkeit gleich. Wer sie begeht, verliert Möglichkeiten – wenig glaubhaft, da die Berichterstattung der Sowjetischen jegliche Achtung seiner Mitmenschen. [...] Semjonow [zog] durch die Kontrollkommission nach Moskau die innere Krise in der DDR bis Mai 1953 abrupte Bekanntgabe der „neuen Linie“ [...] den bestehenden Staats- kaum berücksichtigte.164hEHUGLH(QWZLFNOXQJHQLQGHQ:RFKHQXQPLWWHOEDU und Parteiapparat den Boden unter den Füssen weg. Als er die Vertreter vor dem Aufstand liefert der Bericht nur allgemeine Angaben, da noch keine des Regimes vom Minister bis zum Zellenleiter [sic!] aber auch noch NRQNUHWHQ ,QIRUPDWLRQHQ LQ 3XOODFK YRUODJHQ ,P$EVFKOXVVEHULFKW ZHUGHQ zur persönlichen, öffentlichen Selbsterniedrigung zwang, machte er GDQQ]ZDQ]LJ6WUHLNVXQG8QUXKHQDQJHIKUWGLHVLFKLP9RUIHOGGHV sie zum Freiwild der empörten Massen. Dass ein Mann wie Semjonow ein en Juni ereignet hatten und im Zuge der Befragung von Demonstranten bekannt so entscheidenden Fehler begehen konnte, ist erstaunlich. geworden waren.165 Semjonow beging offensichtlich noch einen weiteren Fehler. Er ist :DUXP GLH DOOJHPHLQH 8Q]XIULHGHQKHLW VFKOLH‰OLFK LQ HLQHQ $XIVWDQG XP- hauptsächlich Diplomat und zu wenig Verwaltungsfachmann um zu wissen, schlug, bleibt im ersten Bericht noch vage. Dass ein Zusammenhang dass ein aufgeblähter und schwerfälliger Apparat wie die staatliche und mit der Normenfrage bestand, wird zwar angedeutet, jedoch erst im parteiorganisatorische Befehlsmaschinerie der SBZD nicht schnell und ge- Abschlussbericht zutreffend dargelegt.166 Einen zweiten wesentlichen Faktor, schmeidig reagieren kann. [...] Semjonow kam wahrscheinlich mit seinen Maßnahmen des „Ventilöffnens“ zu spät.168

.RQNUHWZHUGHQQXU3URWHVWHDXIGHP)OXJSODW]6FKRUIKHLGH]XU-DKUHVZHQGHHUZlKQW'LHDQGHUHQ Beispiele sind weder örtlich noch zeitlich genau zu fassen und daher nicht nachprüfbar. Organi sation Gehlen, Mel- Die Schlussfolgerung, dass das Zusammentreffen der Unzufriedenheit in der GXQJ1Uࡐ.XU]RULHQWLHUXQJ´6²965HJLVWUDWXU%XQGHVNDQ]OHUDPW%DQG%ODWW² %HY|ONHUXQJ PLW GHP (UODVV GHV ࡐ1HXHQ .XUVHV´ VFKOLH‰OLFK GHQ$XIVWDQG 164 Scherstanoj, Sowjetische Deutschlandpolitik, S. 513. KHUEHLJHIKUWKDEHVWDQGLP(LQNODQJPLWGHU]HLWJHQ|VVLVFKHQ3UHVVHXQG

$EVFKOXVVEHULFKW6²%$UFK%%ODWW²VRZLHGLH(UZlKQXQJGLHVHU3URWHVWHLQ$XVDUEHLWXQJ Rundfunkberichterstattung und lag dem Kanzleramt bereits aus anderen Quellen $QRQ\P%HULFKWࡐ'HU$XVJDQJVSXQNWIUGLH8QUXKHQLQ2VWEHUOLQ´XQGDWLHUW>$QIDQJ-XOL@6%1'$UFKLY YRU+LQVLFKWOLFKGHU0RWLYHGLH]XP(UODVVGHVࡐ1HXHQ.XUVHV´IKUWHQEOLHE 7361, Blatt 266.

166 Der Bericht vom 29. Juni verweist darauf, dass es eine am 1. Mai verkündete Normenerhöhung zu Unzufrieden- KHLWXQWHUGHQ$UEHLWHUQIKUWH2UJDQLVDWLRQ*HKOHQ0HOGXQJ1Uࡐ.XU]RULHQWLHUXQJ´6965HJLVWUDWXU%XQGHV- $EVFKOXVVEHULFKW6%$UFK%%ODWW kanzleramt, Blatt 42. Ausschlaggebend war jedoch die nicht erfolgte Zurücknahme der am 28. Mai verkündeten Normen- HUK|KXQJQDFKGHP(UODVVGHV1HXHQ.XUVHV$QIDQJ-XQLXQGGLHVLFKGDUDQHQW]QGHQGHQ3URWHVWHLQ2VWEHUOLQ 2UJDQLVDWLRQ*HKOHQ0HOGXQJ1Uࡐ.XU]RULHQWLHUXQJ´6²965HJLVWUDWXU%XQGHVNDQ]OHUDPW ZLHGHU$EVFKOXVVEHULFKWULFKWLJGDUVWHOOW$EVFKOXVVEHULFKW6VRZLH6²%$UFK%%ODWWXQG² %DQG%ODWW²

52 53 die Organisation Gehlen aber bei ihrer bisherigen Argumentation. So stand GDVVGLH2UJDQLVDWLRQ*HKOHQ9HUVDW]VWFNHGHU.XUVlQGHUXQJDXIJHIDQJHQ ZHLWHUKLQIHVWGDVVGLHVHUࡐHLQHYRUZLHJHQGDX‰HQSROLWLVFKH=LHOVHW]XQJ´KDWWH hatte, die zur nachträglichen Bestätigung herangezogen werden konnten. Die eigentliche Darstellung der Ereignisse in der DDR während des Er strebt an, die westliche Konzeption einer politischen, wirtschaftlichen 9RONVDXIVWDQGHVHUVFK|SIWVLFKLQHLQHUPLWXQWHUPLQXWL|VHQ&KURQRORJLHGHU und insbesondere militärischen Einbeziehung der Bundesrepublik in ein von (UHLJQLVVH%UHLWHQ5DXPQLPPWGLH%HVFKUHLEXQJGHUlX‰HUHQ$EOlXIHGHU den USA dirigiertes, betont antisowjetisches System durch eine inner- Kundgebungen in Ostberlin bis zum Nachmittag des 17. Juni ein. Erkenntnisse deutsche Annäherung unter dem Deckmantel der fiktiven Einheitskonstruktion EHU5HDNWLRQHQLQQHUKDOEGHU6WDDWV3DUWHLXQG6LFKHUKHLWVDSSDUDWHVGHU von Potsdam zu zerstören.169 ''5VRZHLWVLHQLFKWDXV3UHVVHXQG5XQGIXQNEHNDQQWJHZRUGHQZDUHQ enthält der Bericht nicht.172 Hinsichtlich der Ausbreitung des Aufstandes Diese Einschätzung ist erstaunlich, da beide Berichte auf die prekäre über Berlin hinaus war es immerhin gelungen, Unruhen in 70 Orten fest- wirtschaftliche und innenpolitische Situation sowie deren Rückwirkung auf zustellen.173 $XV GHP *UR‰UDXP +DOOH/HLS]LJ0DJGHEXUJ HLQHU GHU GLH%HY|ONHUXQJLP9RUIHOGGHV$XIVWDQGHVHLQJHKHQXQGVLHDOV8UVDFKHQ Schwerpunktregion des Aufstandes, konnte die Organisation Gehlen recht GHV$XIVWDQGHVHUNDQQWHQ'LH9RUVWHOOXQJGDVVVROFKH(QWZLFNOXQJHQDOOHLQ ausführliche Angaben über Zahl und Herkunft der Demonstranten, den Ablauf die Stabilität der Regime im sowjetischen Machtbereich ernsthaft gefährden der Kundgebungen und sowie den Einsatz des sowjetischen Militärs und der N|QQWHQ OLH‰ VLFK DEHU ZHLWHUKLQ QLFKW LQ GDV :HOWELOG GHU 2UJDQLVDWLRQ 9RONVSROL]HLPDFKHQ$OOHUGLQJVZDUHQVROFKH$QJDEHQ]XP7HLOGHU3UHVVH Gehlen einpassen. Entsprechend hebt der Abschlussbericht hervor, dass zu entnehmen.174 Weniger ausführliche Berichte lagen über die Ereignisse in auch die offensichtliche krisenhafte Entwicklung in der DDR der südwestlichen DDR und Brandenburg vor. Aus entfernteren Regionen, ZLH EHLVSLHOVZHLVH *|UOLW] JDE HV QXU 7HLOHUNHQQWQLVVH ZLH ࡐ*HIlQJQLV die Aufhebung der verschiedenen die radikale Zwangsbolschewisierung der wird von Demonstranten erstürmt, Häftlinge werden befreit, Bürgermeister Sowjetzonenrepublik zum Ziel habenden Maßnahmen vielleicht beschleunigt ZLUG VHLQHV$PWHV HQWKREHQ´ YRU175$XVGLHVHQ$QJDEHQOLH‰VLFKHLQ]X haben; die Veranlassung für dieses Einlenken der sowjetzonalen Partei- treffendes Bild über die unterschiedliche Intensität des Aufstandes ableiten, und Regierungsstellen waren sie sicher nicht.170 der im Gegensatz zur Entwicklung in Berlin in einigen Orten sogar zur YRUUEHUJHKHQGHQ (QWPDFKWXQJ GHV 6WDDWV XQG 3DUWHLDSSDUDWHV JHIKUW Für die Entstehung des Aufstandes war der Erlass des Neuen Kurses von KDWWH(LQHWLHIHUJHKHQGH$QDO\VHGHU=LHOHXQG$NWHXUHGHV$XIVWDQGHVOLH‰ zentraler Bedeutung. Wie aus der Wochenübersicht vom 10. Juni 1953 er- dieser Informationsstand aber nicht zu. Da detailliertere Angaben über die sichtlich, lagen der Organisation Gehlen darüber keine Informationen vor. Unruhen nur aus den Industriezentren vorlagen, identifizierte der Bericht Im Abschlussbericht wurden später eingegangene Meldungen angeführt, die GLH ࡐYRP EUJHUOLFKHQ 6LFKHUKHLWVGHQNHQ IUHLH $UEHLWHUVFKDIW´ DOV 7UlJHU den Eindruck erwecken konnten, der Dienst hätte den Kurswechsel verfol- des Aufstandes. Die Beteiligung anderer Bevölkerungsteile wird mit dem gen können. Doch die Meldungen über eine Änderung der Wirtschaftspolitik, 9HUZHLVDXIHLQHࡐ9RONVHUKHEXQJ´XQWHUVWHOOWGHUVLFKGLH0LWWHOVFKLFKWQXU die Zurückstellung der vormilitärischen Ausbildung oder der Baustopp von

5VWXQJVSURMHNWHQODJHQIDVWDXVVFKOLH‰OLFKQDFKGHP-XQLLQGHU=HQWUDOH $OVHLQ]LJH$XVQDKPHLVWGLHHUZlKQWH=XVDPPHQNXQIWYRQ5HGDNWHXUHQGHU''53UHVVHDP9RUPLWWDJ vor.171$EJHVHKHQYRQGHU]HLWOLFKHQ9HU]|JHUXQJ]HLJHQGLHVH%HLVSLHOHQXU GHV-XQLDQ]XVHKHQDXIZHOFKHU+HUPDQQ$[HQGLHRIÀ]LHOOH,QWHUSUHWDWLRQGHU3DUWHLIKUXQJEHUGLH9RU JlQJHEHNDQQWJDE$EVFKOXVVEHULFKW6%$UFK%%ODWW

173 Nach dem gegenwärtigen Stand der Forschung kam es in mehr als 700 Orten im Umfeld des 17. Juni zu $EVFKOXVVEHULFKW6%$UFK%%ODWW Unruhen. Kowalczuk, 17. Juni, S. 284.

$EVFKOXVVEHULFKW6²%$UFK%%ODWW² 174 Beispielsweise die Darstellung des Aufstandes im Raum Halle: Wie ich mich schäme, Der Spiegel, 01.07.1953, S. 6–8. $EVFKOXVVEHULFKW6²%$UFK%%ODWW²VRZLH/HLWHU*9% +DQV:RUJLW]N\ DQ=HQWUDOH Bericht Aufträge Lage Berlin, 24.06.1953, S. 2–3, BND-Archiv 7361, Blatt 286–287. $EVFKOXVVEHULFKW6%$UFK%%ODWW

54 55 zögerlich angeschlossen habe.176hEHUGLH=LHOHGHU$XIVWlQGLVFKHQJLEWGHU Bericht überhaupt keine Auskunft. Immerhin wird festgestellt, dass es einen ࡐhEHUJDQJ YRQ UHLQ |NRQRPLVFKHQ ]X SROLWLVFKHQ )RUGHUXQJHQ´ JHJHEHQ habe. Einem aufmerksamen Radiohörer oder Zeitungsleser hätten die Berichte der 2UJDQLVDWLRQ*HKOHQEHUGLH9RUJHVFKLFKWHXQGGHQ$EODXIGHV-XQLNDXP neue Erkenntnisse bieten können. Der Wert der vorgelegten Untersuchungen bestand allein in der ausführlichen Darlegung der militärischen Entwicklung. Die Einschätzungen über die sowjetische Deutschlandpolitik, die einer fundi- erten Grundlage entbehrten, sind eher als Bestätigung des in der Leitung der 2UJDQLVDWLRQ*HKOHQRKQHKLQEHVWHKHQGHQ%LOGHVVRZMHWLVFKHU$X‰HQSROLWLN anzusehen.

$EVFKOXVVEHULFKW6²%$UFK%%ODWW²2UJDQLVDWLRQ*HKOHQ0HOGXQJ1U ࡐ.XU]RULHQWLHUXQJ´6965HJLVWUDWXU%XQGHVNDQ]OHUDPW%DQG%ODWW

56 57 Meldungen vorübergehend die Beziehungen zwischen der Organisation 4 Gehlen und der CIA. Das militärische Aufklärungsnetz in der DDR war mit erheblichem finanziellem und logistischem Aufwand aufgebaut worden, Manöverkritik XPHLQHP|JOLFKVWOFNHQORVHhEHUZDFKXQJGHUVRZMHWLVFKHQ6WUHLWNUlIWH auch in Krisenzeiten zu gewährleisten. Diese Erwartungen erfüllte die Organisation Gehlen während des 17. Juni nicht. Aus den Quellen lässt sich ablesen, dass der CIA-Stab den Nachrichtenausfall nicht hinnahm, Während der Unruhen des 17. Juni 1953 sorgte die Unfähigkeit der sondern auf die Beibringung militärischer Erkenntnisse aus der DDR drängte Organisation Gehlen, Nachrichten aus der DDR zu beschaffen, für Konflikte XQG VLFK EHU HLQJHOHLWHWH 0D‰QDKPHQ XQG HU]LHOWH )RUWVFKULWWH EHL GHU PLWGHP&,$6WDE9LHU:RFKHQVSlWHUEHULFKWHWH-DPHV&ULWFKILHOGMHGRFK :LHGHUKHUVWHOOXQJ GHU 9HUELQGXQJHQ EHULFKWHQ OLH‰181 Was zwischen der QDFK:DVKLQJWRQGLH/HLVWXQJGHU$XINOlUXQJLQ3XOODFKVHLࡐHLQLJHUPD‰HQ Leitung und dem CIA-Stab während des Aufstandes besprochen wurde, ist ]XIULHGHQVWHOOHQGZHQQDXFKQLFKWKHUDXVUDJHQG´JHZHVHQHVVHLJHOXQJHQ bei der gegenwärtigen Quellenlage nicht zu beantworten. Auch für die spätere ࡐDXVUHLFKHQGH,QIRUPDWLRQHQIUHLQNRQWUROOLHUWHV2UGHURI%DWWOH/DJHELOG´ Zeit finden sich in den vorhandenen Aufzeichnungen keine Hinweise auf zu erheben.177*HQHUDO7UXVFRWW&KHIGHU&,$LQ'HXWVFKODQGEHUPLWWHOWH eine Einsatznachbereitung. Dass aber entsprechende Gespräche statt- *HKOHQVHLQHQ'DQNIUGLHࡐJUR‰DUWLJHQ2UGHURI%DWWOH%HULFKWHLP1DFKJDQJ gefunden haben müssen, belegt eine am 22. Juni erlassene Anweisung GHU(UHLJQLVVHYRP-XQLLQ%HUOLQ´178 Gehlens. In den einzelnen Dienststellen durften die aufgetretenen Beide Einschätzungen beziehen sich auf die militärische Berichterstattung 3UREOHPH QLFKW LP 5DKPHQ GHU EHVWHKHQGHQ HQJHQ $UEHLWVNRQWDNWH PLW EHUGHQ9RONVDXIVWDQGGLHZLHJH]HLJW]XGHQ6WlUNHQGHU2UJDQLVDWLRQ GHQ &,$9HUELQGXQJVRIIL]LHUHQ EHVSURFKHQ ZHUGHQ *HKOHQ EHKLHOW VLFK Gehlen gehörte. Eingehende Meldungen aus anderen Bereichen wur- die Klärung aller Fragen mit Critchfield persönlich vor.182 'LHVHV 9HUERW den an den amerikanischen Stab weitergeleitet.179 Bei der Beurteilung GHXWHW GDUDXI KLQ GDVV GLH ]X HU|UWHUQGHQ 3XQNWH EHU GDV 0D‰ HLQHU der Leistungsfähigkeit spielten sie offensichtlich keine Rolle. Dass normalen Einsatznachbereitung hinausgingen. Ein weiteres Indiz dafür, die Bewertung der amerikanischen Seite angesichts der schwierigen GDVV HLQH XPIDVVHQGH LQWHUQH 3UREOHPGLVNXVVLRQ VWDWWJHIXQGHQ KDEHQ Nachrichtenbeschaffungslage später nicht kritischer ausfiel, dürfte darauf dürfte, ist das Drängen des CIA-Stabes auf Erstellung eines ausführlichen zurückzuführen sein, dass auch die amerikanischen Geheimdienste in den Einsatzberichtes. Bei der Abfassung war die Organisation Gehlen bemüht, 7DJHQQDFKGHP-XQLNDXPLQGHU/DJHZDUHQ,QIRUPDWLRQHQEHUGLH HLQ P|JOLFKVW GLFKWHV 0HOGXQJVELOG YRU]XOHJHQ XQG GLH 9HU]|JHUXQJHQ 9RUJlQJHLQGHU''5]XEHVFKDIIHQ180 in der Nachrichtenbeschaffung zu erklären.183 Es ist zu bezweifeln, dass Auch wenn die Ergebnisse der nachträglichen Informationsbeschaffung zu- GLHGRUWIRUPXOLHUWHQ7KHVHQQDFKGHQHQHLQH%HULFKWHUVWDWWXQJEHUGHQ friedenstellend gewesen sein mögen, belastete das Ausbleiben zeitnaher 9RONVDXIVWDQG ࡐDX‰HUKDOE GHU QDFKULFKWHQGLHQVWOLFKHQ =XVWlQGLJNHLW´ GHU Organisation Gehlen gelegen habe und in Krisenfällen das Ausbleiben von &KLHIRI%DVH3XOODFKDQ&KLHI((LQ5XIIQHU,QWHOOLJLHQFH3DUWQHUVKLS%DQG61$5$ 0HOGXQJHQLQGHQHUVWHQ7DJHQDOVQRUPDODQ]XVHKHQVHLGLHXQJHWHLOWH 7UXVFRWWDQ*HKOHQ%1'$UFKLY%ODWW,QZLHIHUQGLH0LWWHLOXQJYRQ7UXVFRWWDOV Zustimmung des amerikanischen Stabes gefunden haben.184 Ausdruck echter Wertschätzung zu lesen ist oder vor dem Hintergrund der Auseinandersetzungen zwischen der CIA und der Organisation Gehlen im Sommer 1953 nur eine freundliche Geste war, muss dahingestellt bleiben. ' 6LHJIULHG*UDEHU 7KHVHQ]XGHQMQJVWHQ(UHLJQLVVHQLQGHU2VW]RQH6 179 Die politischen Meldungen wurden als EGL-Meldungen an die CIA und den britischen Nachrichtendienst BND-Archiv 120100, Blatt 850. weitergeleitet, BND-Archiv 121285. G (EHUKDUG%OXP 3URWRNROO*UXSSHQOHLWHUEHVSUHFKXQJ6%1'$UFKLY%ODWW 2VWHUPDQQ8SULVLQJVRZLH)X‰QRWH'LHVH3UREOHPHZDUHQ]XPLQGHVWLP1DFKJDQJGHU8QUXKHQDXFK LQQHUKDOEGHU2UJDQLVDWLRQ*HKOHQEHNDQQWJHZRUGHQ,QGHPDQVHLQHQ9RUJHVHW]WHQJHULFKWHWHQ%HJOHLWVFKUHLEHQ 183 Siegfried Graber, Erinnerungsbericht, S. 49, BND-Archiv Nachlass 4, Band 20. ]XP(LQVDW]EHULFKWHUZlKQW*UDEHULQ%H]XJDXIGLH&,$GDVࡐHLJHQH9HUVDJHQZlKUHQGG8QUXKHQ´*UDEHUDQ /HLWHU$XINOlUXQJ %HJOHLWVFKUHLEHQ]XP(LQVDW]EHULFKW6%$UFK%%ODWW (LQVDW]EHULFKW6%$UFK%%ODWW

58 59 Inwiefern die von der Organisation Gehlen erbrachten Erkenntnisse innerhalb worden waren, wurden noch im gleichen Jahr wieder vernichtet.188 Andere des amerikanischen Sicherheitsapparates bei der Beurteilung des 17. Juni 0HOGXQJHQGHU2UJDQLVDWLRQ*HKOHQEHUGHQ9RONVDXIVWDQGVLQGGHU]HLWQLFKW eine Rolle spielten, ist aus den vorliegenden BND-Quellen nicht schlüssig zu nachweisbar. Aus einer internen Aufzeichnung vom 17. Juni geht jedoch her- rekonstruieren. Einer von Critchfield vorgebrachten Beschwerde kann man vor, dass Gehlen persönlich für die Unterrichtung des Kanzleramtes sorgte.189 LPPHUKLQHQWQHKPHQGDVVGLH%HULFKWHDXV3XOODFKLKUH(PSIlQJHUDX‰HU Graber betonte später, das Kanzleramt sei zumin dest über die militärischen halb der CIA infolge organisatorischer Schwierigkeiten nicht erreichten. Die für Entwicklungen in der DDR laufend unterrichtet worden.190 Es ist allerdings das amerikanische Armeehauptquartier USAREUR bestimmten Meldungen zweifelhaft, dass er persönliche Kenntnis über die Meldungsweitergabe an ZXUGHQ ELV ]XP  -XQL  IHKOJHOHLWHW ² RIIHQEDU RKQH GDVV GLHV die Bundesregierung haben konnte. Die gesamte Berichterstattung nach aufgefallen wäre. Daraus lässt sich ableiten, dass die amerika nischen Bonn wurde über das Leitungsbüro Gehlens abgewickelt. Dass Graber die Streitkräfte nicht auf die Erkenntnisse der Organisation Gehlen angewiesen Unterrichtung des Kanzleramts unterstrich, hatte möglicherweise einen an- waren, sondern auf andere Quellen zurückgriffen.185 In der amerikanischen GHUHQ*UXQG$QJHVLFKWVGHUIUGHQ$SULODYLVLHUWHQhEHUQDKPHGHU %RWVFKDIW LQ %RQQ NDPHQ GLH %HULFKWH DXV 3XOODFK ]ZDU DQ ZXUGHQ DEHU Organisation Gehlen in den Bundesdienst war die erstmals in seiner Rede vor aus unbekannten Gründen nicht nach Washington weitergeleitet, während 0LWDUEHLWHUQGHU$X‰HQVWHOOHQDP-XOLJHWURIIHQH$XVVDJHYLHOOHLFKWQXUHLQH Dienststellen in Berlin diese Meldungen nicht recht verwerten konnten. Art moralische Aufrüstung seiner Zuhörer.191 Der zeitliche Zusammenhang /HW]WHUHVZDUZHQLJHUDXIRUJDQLVDWRULVFKH3UREOHPHVRQGHUQDXIGLH4XDOLWlW zwischen den eingehenden Agentenmeldungen und der nachweisbar ein- GHU%HULFKWH]XUFN]XIKUHQ'LHVHVHLHQIU1LFKW0LOLWlUVࡐQRWDOZD\VLQ setzenden Berichterstattung legt nach gegenwärtiger Aktenlage den Schluss XVDEOHIRUP´JHZHVHQGDKDXSWVlFKOLFKDXIEHUHLWHWHV5RKPDWHULDOXQGQLFKW nahe, dass die politische Führung in Bonn wohl tatsächlich erst eine Woche die sonst üblichen zusammenfassenden Lageanalysen abgesetzt wurden.186 QDFKGHP-XQL%HULFKWHDXV3XOODFKHUKLHOW192 +LQVLFKWOLFKGHU&,$%HULFKWHUVWDWWXQJLVW]XPLQGHVWHLQH3DUDOOHOLWlWPLWGHQ Aus Sicht des Kanzleramtes dürfte es in der Sache nicht sehr er heblich LQ 3XOODFK DQJHIDOOHQHQ (UNHQQWQLVVHQ HUNHQQEDU 'LH LP &,$%HULFKW YRP gewesen sein, ob Lageeinschätzungen des Gehlen-Dienstes vorla- 24. Juni enthaltenen Informationen über den Einsatz der sowjetischen Armee JHQ RGHU QLFKW 0LW GHP %XQGHVDPW IU 9HUIDVVXQJVVFKXW] XQG GHP LP *UR‰UDXP %HUOLQ GHFNHQ VLFK PLW GHQ$QJDEHQ LP :RFKHQEHULFKW GHU Friedrich-Wilhelm-Heinz-Dienst verfügte die Bundesregierung über zwei 2UJDQLVDWLRQ *HKOHQ YRP JOHLFKHQ7DJ187 Ob diese Meldungen tatsächlich Nachrichtendienste, die eingehend und zeitnah über die Lage in der DDR zu DXV3XOODFKVWDPPWHQOlVVWVLFKJHJHQZlUWLJQLFKWEHOHJHQ berichten ver mochten.193 Flankiert wurde diese Berichterstattung durch das hEHU GHQ 8PIDQJ GHU ,QIRUPDWLRQHQ ZHOFKH GLH 2UJDQLVDWLRQ *HKOHQ DQ die Bundesregierung weiterleitete, liegen widersprüchliche Angaben vor. $NWHQLQKDOWVYHU]HLFKQLV965HJLVWUDWXU%XQGHVNDQ]OHUDPW%DQGRKQH%ODWW]lKOXQJ Gesichert ist, dass die wöchentlichen Lageberichte nach Bonn abgesetzt wur- *HKOHQVROOGDV.DQ]OHUDPWࡐ]7WHOHIRQLVFK´XQWHUULFKWHWKDEHQG (EHUKDUG%OXP %HULFKWHUVWDWWXQJ den. Daneben ist aus der Ablage des Kanzleramtes ersichtlich, dass am 25. wegen besonderer Lage, 17.06.1953, BND-Archiv 7361, Blatt 261.

XQG-XQL$XVDUEHLWXQJHQDXV3XOODFKHLQJLQJHQXQGGHU$EVFKOXVVEHULFKW ' 6LHJIULHG*UDEHU 7KHVHQ6%1'$UFKLY%ODWW zu einem unbekannten Zeitpunkt vorgelegt wurde. Zwei weitere Berichte un- 191 Andere Quellen, in denen eine Unterrichtung des Kanzleramtes thematisiert wird, gehen ebenfalls auf Graber bekannten Inhalts, die allerdings erst in der zweiten Augusthälfte übersandt ]XUFNXQGULFKWHWHQVLFKDQHLQHQJU|‰HUHQ0LWDUEHLWHUNUHLV(LQVDW]EHULFKW6%$UFK%%ODWW

192 Die am 29. Juni übersandte Kurzorientierung liefert weitere Indizien, dass es sich um den ersten zusammenfas- senden Bericht handelt. Erstens sind keine Bezüge zu früheren Unterrichtungen erkennbar, zweitens berücksichtigt die Darstellung alle Aspekte des Aufstandes, die möglicherweise bereits Gegenstand vorheriger Meldungen hätten sein &KLHIRI%DVH3XOODFKDQ&KLHI((LQ5XIIQHU,QWHOOLJHQFH3DUWQHUVKLS%DQG61$5$ N|QQHQXQGGULWWHQVZLUGGLH9RUODJHHLQHUZHLWHUHQࡐDXVIKUOLFKHQ8QWHUVXFKXQJ´DQJHNQGLJW2UJDQLVDWLRQ*HKOHQ 0HOGXQJ1Uࡐ.XU]RULHQWLHUXQJ´6965HJLVWUDWXU%XQGHVNDQ]OHUDPW%DQG%ODWW &KLHIRI%DVH3XOODFKDQ&KLHI((LQ5XIIQHU,QWHOOLJLHQFH3DUWQHUVKLS%DQG61$5$ )UGLH%XQGHVUHJLHUXQJJDOWGLH''5DOV,QODQGZHVKDOEGDV%XQGHVDPWIU9HUIDVVXQJVVFKXW]DXFK hEHUVLFKW6²%$UFK%%ODWW²VRZLH&,$,QWHOOLJLHQFH0HPRUDQGXP |VWOLFKGHU(OEHDXINOlUWH%I9XQG2UJDQLVDWLRQ*HKOHQE]ZGHUVSlWHUH%1'EHPKWHQVLFKELV(QGHGHU ࡐ,QGLFDWLRQVRI6RYLHW,QWHQWLRQVLQ(XURSH´DEJHGUXFNWLQ2VWHUPDQQ8SULVLQJ6²KLHU6 1950er Jahre um eine Zuständigkeitsabgrenzung.

60 61 Gesamtdeutsche Ministerium, das Bundespresseamt sowie das Auswärtige wirtschaftlichen Lage.198 'HU 9HUIDVVXQJVVFKXW] YHUIJWH ² GHQ %HULFKWHQ Amt.194'HU9HUIDVVXQJVVFKXW]VHW]WHDOOHLQDP-XQLGUHL%HULFKWH QDFK ]X XUWHLOHQ ² DXJHQVFKHLQOLFK EHU DXVVDJHNUlIWLJH 9HUELQGXQJHQ LQ an das Kanzleramt ab, die durch Ausarbeitungen am Folgetag sowie einer die SED, das Ministerium für Staatssicherheit und die Blockparteien. Das ersten umfassenden Analyse des Aufstandes am 20. Juni ergänzt wurden. ermöglichte eine realistische Einschätzung der Lage. Auffällig ist zudem, Am 2. Juli lag der Abschlussbericht aus Köln vor.195 Die Berichterstattung GDVV GDV %I9 QDFK 9HUKlQJXQJ GHV $XVQDKPH]XVWDQGHV .RQWDNWH ]X des Heinz-Dienstes setzte am 18. Juni ein, ist jedoch im Kanzleramt nicht Quellen in Ostberlin aufrechterhalten konnte. So enthält der am Abend des vollständig überliefert. Diese umfassende zeitnahe Unterrichtung dürfte 17. Juni abgefasste Bericht detaillierte Angaben über eine am Nachmittag dazu beigetragen haben, dass die später übersandten Ausarbeitungen der VWDWWJHIXQGHQH 6LW]XQJ GHV 1'3'3DUWHLYRUVWDQGHV XQG HLQH 6FKLOGHUXQJ 2UJDQLVDWLRQ*HKOHQLP*HJHQVDW]]XP9HUIDVVXQJVVFKXW]XQGGHP+HLQ] GHU9RUJlQJHLP6WDDWVVHNUHWDULDWIU6FKLIIIDKUWGDVYRPVSlWHUHQ&KHIGHU Dienst im Kanzleramt nur wenig Beachtung fanden. Deren Analysen wurden Staatssicherheit, Ernst Wollweber, geleitet wurde.199 Am 18. Juni berichtete YRQ 6WDDWVVHNUHWlU 2WWR /HQ] JHOHVHQ XQG DQVFKOLH‰HQG DQ +DQV *ORENH GHU9HUIDVVXQJVVFKXW]EHU0D‰QDKPHQGHU6('%H]LUNVOHLWXQJ%HUOLQXQG zur Kenntnisnahme übersandt.196 Die beiden Ende Juni 1953 übersand- JDEbX‰HUXQJHQHLQHV)XQNWLRQlUVGHV=HQWUDONRPLWHHVZLHGHU200 Die zahl- WHQ%HULFKWHDXV3XOODFKZXUGHQQXUYRQ*ORENH]XU.HQQWQLVJHQRPPHQ reichen Angaben über den Ablauf der Kundgebungen und die Stimmung in während der Abschlussbericht nur Sichtungsvermerke von dessen Mitarbeiter Ostberlin lassen den Schluss zu, dass neben den politischen Gewährsleuten und Leiter des für Nachrichtendienste zuständigen Referates im Kanzleramt, noch andere Quellen aus dem Ostsektor berichtet hatten. Karl Gumbel, aufweist.197 Den gegenwärtig vorliegenden Quellen nach zu urteilen, scheinen die Abgesehen von der zeitnahen Unterrichtung durch andere Dienste, zu denen Schwächen des Gehlen-Dienstes im Kanzleramt keine nachteilige Reaktionen die Organisation Gehlen in scharfer Konkurrenz stand, unterscheidet sich die hervorgerufen zu haben.201 In den Gesprächen zwischen Gehlen und Globke, %HULFKWHUVWDWWXQJGHV%I9KLQVLFKWOLFKGHU4XDOLWlWGHUHUKREHQHQ,QIRUPDWLRQHQ die sich nach dem Aufstand erstmals am 7. Juli wieder trafen, wurde den wie auch in den Bewertungen deutlich von den Schlussfolgerungen der 1RWL]HQ *HKOHQV QDFK ]X XUWHLOHQ GDV7KHPD QLFKW HUZlKQW$XFK LQ GHQ 2UJDQLVDWLRQ*HKOHQ:lKUHQGVLFKGLH$QDO\VWHQLQ3XOODFKEHPKWHQGLH Aufzeichnungen über die weiteren Begegnungen spielte die Lage in der DDR Ereignisse in der DDR in den Kontext der vermuteten deutschlandpolitischen entweder keine oder nur eine ungeordnete Rolle.202 Dies legt den Schluss .RQ]HSWHGHUVRZMHWLVFKHQ6WDDWVXQG3DUWHLIKUXQJHLQ]XRUGQHQXQGDXV nahe, dass die Bundesregierung an den Ergebnissen der DDR-Spionage HLJHQHQ 4XHOOHQ QXU EHU PLOLWlULVFKH 9RUJlQJH EHULFKWHQ NRQQWH IRNXV DXV3XOODFKNHLQYRUUDQJLJHV,QWHUHVVHKDWWH]XPDOVLHDXIGLHVHP*HELHW VLHUWHGDV%I9DXIGLHLQQHQSROLWLVFKHQ9RUJlQJHLQGHU''5XQGHUNOlUWH GHQ9RONVDXIVWDQG]XWUHIIHQGYRUGHP+LQWHUJUXQGGHUJHVHOOVFKDIWOLFKHQXQG 'LHLQGHU/LWHUDWXUDQJHIKUWH%HKDXSWXQJGDV%I9ZUGHlKQOLFKZLHGLH2UJDQLVDWLRQ*HKOHQYRQHLQHP LQV]HQLHUWHQ$XIVWDQGDXVJHKHQEDVLHUWDXIHLQHU1RWL]GHVEULWLVFKHQ1DFKULFKWHQGLHQVWHVÀQGHWDEHULQGHQ%H- ULFKWHQGHV9HUIDVVXQJVVFKXW]HVNHLQH%HVWlWLJXQJ.RZDOF]XN-XQL6)ULFNH(QJHOPDQQ7DJ;6

194 Die Ablage des Bundeskanzleramtes zum 17. Juni besteht aus einem im Bundesarchiv offenen und bislang in %I9:HLWHUH(QWZLFNOXQJXQG(UHLJQLVVHLQ%HUOLQ965HJLVWUDWXU%XQGHVNDQ]OHUDPW GHU965HJLVWUDWXUGHV.DQ]OHUDPWHVJHKHLPHQ7HLOXQGHQWKlOWDOOHHLQVFKOlJLJHQ%HULFKWH1LFKWYHUWUHWHQLVWGLH Band 1, Blatt 18-22. 8QWHUULFKWXQJGHV$XVZlUWLJHQ$PWHV'HVVHQ(LQVFKlW]XQJHQVLQGLQGHQSXEOL]LHUWHQ$NWHQ]XU$XVZlUWLJHQ3ROLWLN GHU%XQGHVUHSXEOLN'HXWVFKODQG%DQG,6²]XPLQGHVWLQ7HLOHQJUHLIEDU %I9:HLWHUH(QWZLFNOXQJGHU(UHLJQLVVHLQ%HUOLQ965HJLVWUDWXU%XQGHVNDQ]OHUDPW Band 1, Blatt 23-27. $P-XQLOHJWHGHU9HUIDVVXQJVVFKXW]LQVHLQHP0RQDWVEHULFKWHLQHZHLWHUH]XVDPPHQIDVVHQGH$QDO\VH EHUGHQ9RONVDXIVWDQGYRUGLHQHEHQGHP.DQ]OHUDPWDOOHQ0LQLVWHULHQXQGREHUVWHQ%HK|UGHQGHU%XQGHVUHSX- ,QHLQHP9HUPHUNEHUHLQ*HVSUlFKPLW*ORENHDPÀQGHWVLFKHLQH1RWL]YRQ*HKOHQGDVV EOLN]XJHVWHOOWZXUGH,QIRUPDWLRQHQGHV%XQGHVDPWHVIU9HUIDVVXQJVVFKXW]%$UFK%%ODWW $GHQDXHUHLQHQࡐEHVRQGHUHQ'DQNIUGDVELVKHU*HOHLVWHWH´KDEHDXVULFKWHQODVVHQXQGDQHLQHU=XVHQGXQJGHU 1015–1061. ࡐZLFKWLJVWHQSROLWLVFKHQ0HOGXQJHQ´LQWHUHVVLHUWVHL'DVVVLFKGLHVHbX‰HUXQJDXIGLH''5%HULFKWHUVWDWWXQJGHU Organisation Gehlen bezieht, ist nicht erkennbar. Gesprächsnotiz Globke und Gehlen, 22.07.1953, BND-Archiv 196 In zwei Fällen gingen die Berichte auch an Globke und wurden dann Lenz vorgelegt. Die Möglichkeit, dass 1197, Band 1, Blatt 78. Die Signatur BND-Archiv 1197, Band 1 unterliegt einer archivischen Schutzfrist und wurde die Berichte der Organisation Gehlen aus besonderen Geheimhaltungsgründen Lenz vorenthalten wurden scheidet nur für die UHK freigegeben. DXVGDLKPDQGHUH%HULFKWHDXV3XOODFKYRUODJHQ/HQ],P=HQWUXPGHU0DFKW6 202 Auch in allen weiteren Gesprächsnotizen aus dem Sommer 1953 fehlen jegliche Bezüge zur DDR und zum 6LFKWXQJVYHUPHUNH.DUO*XPEHO965HJLVWUDWXU%XQGHVNDQ]OHUDPW%DQG%ODWW 17. Juni. BND-Archiv 1197, Band 1.

62 63 DXI DQGHUH$SSDUDWH ]XUFNJUHLIHQ NRQQWH 'LH DXV 3XOODFK EHUPLWWHOWHQ gewesen.206 In diesem Zusammenhang ist auch eine Akzentverschiebung Einschätzungen der sowjetischen Deutschlandpolitik hingegen – wie valide der Berichterstattung im Nachgang der Unruhen zu sehen. Ab Mitte Juli sie auch gewesen sein mögen – dürften in Regierungskreisen als Bestätigung setzte die Organisation Gehlen vermehrt Berichte über die innenpolitische der eigenen Auffassungen wahrgenommen worden sein. Die Annahme, Entwicklung in der DDR nach Bonn ab. Eine solch eingehende Unterrichtung GDVV GLH LQQHQSROLWLVFKHQ 5HIRUPHQ LQ GHU ''5 DXI HLQH 9HUKLQGHUXQJ EHU GLH SROLWLVFKHQ 9RUJlQJH LQ 2VWEHUOLQ KDWWH HV YRU GLHVHP =HLWSXQNW der Westbindung der Bundesrepublik und eine Störung des Wahlkampfes nicht gegeben. Als Motiv kann der Organisation Gehlen das Bestreben unter- abziele, deckte sich mit der persönlichen Einschätzung Adenauers, der auch stellt werden, im Nachgang der Unruhen die eigene Leistungsfähigkeit unter GHU 7KHVH HLQHV LQV]HQLHUWHQ $XIVWDQGHV DQIlQJOLFK DXIJHVFKORVVHQ JH- Beweis zu stellen.207$OOHUGLQJVZDUGLHVHU0D‰QDKPHNHLQ(UIROJEHVFKLHGHQ genüber stand.203 Daraus die Schlussfolgerung zu ziehen, die Unterrichtungen 7HQRUGHU0HOGXQJHQGLHVLFKDXI*HZlKUVOHXWHLP8PIHOGGHU6RZMHWLVFKHQ DXV 3XOODFK KlWWHQ GLH :DKUQHKPXQJ GHV .DQ]OHUV JHSUlJW ZlUH HLQH Hochkommission oder der Regierungskreise beriefen, war die Feststellung hEHUVFKlW]XQJGHV(LQIOXVVHVGHU2UJDQLVDWLRQ*HKOHQ=XPHLQHQNRQNXU- HLQHU6FKZlFKXQJGHU3RVLWLRQ8OEULFKWVXQGGLH(LQVHW]XQJHLQHU5HJLHUXQJ rierte ihre Berichterstattung mit den Einschätzungen der Ministerien und an- unter Führung bzw. Beteiligung der Blockparteien.208 Die Entwicklung in der deren Nachrichtendienste.204 Zum anderen verfügte sie zwar mit dem Kontakt ''5YHUOLHILQMHQHQ7DJHQDEHUJHQDXHQWJHJHQVHW]W'DV6('5HJLPHXP ]ZLVFKHQ*HKOHQXQG*ORENHEHUHLQHQPXWPD‰OLFKHQHQJHQDEHUZHGHU Walter Ulbricht ging innenpolitisch gestärkt aus den Unruhen hervor. ständigen noch exklusiven Zugang zur Staatsführung. Denkbar ist vielmehr, In den BND-Quellen finden sich nur zwei zeitgenössische Beurteilungen GDVVVLFKGHU7HQRUGHU%HULFKWHDQGHQ9RUVWHOOXQJHQGHV.DQ]OHUVRULHQWLHUW EHU GLH HLJHQH /HLVWXQJ ZlKUHQG GHV 9RONVDXIVWDQGHV 'HU /HLWHU GHU haben könnte, aber auch das lässt sich gegenwärtig nicht beweisen. Einer DDR-Beschaffung, Graber, sprach am 9. Juli 1953 während einer zentralen QDFKWUlJOLFKHQ8QWHUVXFKXQJGHU)UDJHZHOFKH8UVDFKHQGHP9RONVDXIVWDQG (LQVDW]DXVZHUWXQJ LQ 3XOODFK GDYRQ GHU 'LHQVW KDEH ࡐGLH 1'6FKODFKW QXQJHQDX]XJUXQGHODJHQPD‰GLH%XQGHVUHJLHUXQJLP6RPPHUNHLQH LP-XQL]XJHZLQQHQYHUVXFKWXQGDXFKJHZRQQHQ´209 Ganz anders vorrangige Bedeutung mehr bei. Im Fokus der Aufmerksamkeit stand der UHVPLHUWH(EUXOI=XEHUJHJHQEHUVHLQHQ$X‰HQVWHOOHQPLWDUEHLWHUQ Wahlkampf. Der Aufstand und seine Niederschlagung durch die sowjetischen 7UXSSHQWUXJHQGD]XEHLGDVVGDVYRQGHU5HJLHUXQJ$GHQDXHUYHUIROJWHLQ- Ein Nachrichtendienst, der sich ausschließlich auf [Überwachungsquellen] nenpolitisch umstrittene Ziel der Westbindung breitere öffentliche Akzeptanz abstützt, berichtet Historie und versagt als Ratgeber seiner Staatsführung fand und wohl auch den Wahlsieg beförderte.205 genau im entscheidenden Moment. [...] Ein Nachrichtendienst, dessen $QGHUHUVHLWV UlXPWH *HKOHQ NQDSS GUHL‰LJ -DKUH VSlWHU LPSOL]LW HLQ GDVV GLH %HULFKWHUVWDWWXQJ EHU GHQ 9RONVDXIVWDQG GHU 5HSXWDWLRQ VHLQHV Dienstes im Kanzleramt zumindest nicht förderlich gewesen sei. Ein Faktor,

GHUGLHhEHUQDKPHLQGHQ%XQGHVGLHQVWELVYHU]|JHUWKDEHVHLGLH 5HLQKDUG*HKOHQ'HU$XIEDXXQGGLH,QWHJUDWLRQGHV%XQGHVQDFKULFKWHQGLHQVWHVLQ.ODXV*RWWR +J 'HU ࡐHUVFKZHUWH >@ QDFKULFKWHQGLHQVWOLFKH $UEHLW´ LP 8PIHOG GHU 8QUXKHQ 6WDDWVVHNUHWlU$GHQDXHUV3HUV|QOLFKNHLWXQGSROLWLVFKHV:LUNHQ+DQV*ORENHV6WXWWJDUW6²KLHU6 207 Ab dem 1. Juli 1953 trugen die Wochenberichte der Organisation Gehlen den Hinweis, dass Aussagen EHUSROLWLVFKH9RUJlQJHࡐQXULQVRZHLWNRQNUHWZLHGHUJHJHEHQZHUGHQ N|QQWHQ DOVGXUFKLKUH(UZlKQXQJNHLQH *HIlKUGXQJGHU4XHOOHQHLQWULWW´'LHVHU=XVDW]GUIWHDOOHUGLQJVQLFKWQXUDXIGLH6RUJHXPGLH4XHOOHQ]XUFN]X- führen sein, sondern vielmehr auf das Bestreben, die eigenen politischen Lageeinschätzungen im Bedarfsfall modi- 203 Lenz, Im Zentrum der Macht, S. 639-648. À]LHUHQ]XN|QQHQ'LH$XVVDJHYRQ.XUW:HL‰LQVHLQHU$XVDUEHLWXQJ]XP-XQLDXVGHQHU-DKUHQ GDVVGLHVH(LQVFKUlQNXQJQRWZHQGLJJHZRUGHQZlUHZHLOGLH2UJDQLVDWLRQ*HKOHQࡐEHUPHKUHUH6SLW]HQYHUELQ- 'LHYRQGHU2UJDQLVDWLRQ*HKOHQEHUPLWWHOWHQ%HXUWHLOXQJHQEHUGLH=LHOHGHVࡐ1HXHQ.XUVHV´XQGGHU GXQJHQLQ)KUXQJVJUHPLHQGHU6RZMHW]RQHYHUIJWH´NDQQQDFKJHJHQZlUWLJHP.HQQWQLVVWDQGQLFKWEHVWlWLJW VRZMHWLVFKHQ'HXWVFKODQGSROLWLNGHFNHQVLFKEHLVSLHOVZHLVHLQGHQ7DJHQYRUGHP-XQLPLWGHQ%HXUWHLOXQJHQ ZHUGHQ'HU-XQL6%$UFK%%ODWW GHV$XVZlUWLJHQ$PWHV9RUWUDJHQGHU/HJDWLRQVUDW0H\QHQ %HUOLQ :HVW DQ$XVZlUWLJHV$PW1HXHUXVVLVFKH3R- OLWLNLQGHU6RZMHW]RQHLQ$NWHQ]XU$XVZlUWLJHQ3ROLWLNGHU%XQGHVUHSXEOLN'HXWVFKODQG%DQG 208 Insgesamt wurden zwischen dem 15. und 31. Juli sieben solcher Meldungen abgesetzt. BND-Archiv 152039. 6²VRZLH$XI]HLFKQXQJHQGHV*HVDQGWVFKDIWVUDWV.UDSI3DULVLQHEHQGD6² 'LH3URJQRVHQLQGHQ:RFKHQEHULFKWHQJLQJHQLQGLHJOHLFKH5LFKWXQJ%$UFK%

/HPNH.RQUDG$GHQDXHU6FKZDU]$GHQDXHU6 (LQVDW]EHULFKW6%$UFK%%ODWW

64 65 Berichterstattung im entscheidenden Augenblick aussetzt, verliert seinen keine Notwendigkeit für eine grundsätzliche Revision der bisherigen DDR- Sinn und seine Daseinsberechtigung.210 Aufklärung bestanden haben. Die Leistungsfähigkeit auf dem militärischen Sektor war trotz erwiesener Schwächen im Nachgang ausreichend unter Diese Bewertung wurde Jahre später von Udo Ritgen211 geteilt, der im Beweis gestellt worden, während dem Kanzleramt unterstellt werden kann, Sommer 1953 Mitarbeiter der politischen Beschaffung war. Der 17. Juni habe GDVVHVVLFKPLWGHU%HULFKWHUVWDWWXQJDXV3XOODFK]XIULHGHQJDE gezeigt, dass die Organisation Gehlen seinerzeit noch weit davon entfernt Der Schwerpunkt der Einsatznachbereitung lag entsprechend auf vielen gewesen sei, ein Auslandsnachrichtendienst zu sein: RUJDQLVDWRULVFKHQ1HXHUXQJHQGLHLP)DOOHLQHU*UHQ]VFKOLH‰XQJLQ%HUOLQ die Meldungsübermittlung aus der DDR sicherstellen und beschleunigen Wir [hatten] das Gefühl, mit den bisherigen gepflogenen nachrichtendienst- VROOWHQ 3ULRULWlW EHVD‰HQ GHU$XVEDX GHV )XQNHUQHW]HV XQG GDV$QOHJHQ lichen Methoden, die auf die Zukunft ausgerichtete Zielsetzung nicht von Nachrichtenschleusen in Grenznähe. Gleichzeitig wurden Anordnungen realisieren zu können.212 HUODVVHQZHOFKHGLHhEHUPLWWOXQJYRQ0HOGXQJHQDXVGHQ$X‰HQVWHOOHQDQ die Zentrale und die interne Weitergabe vereinfachen sollten. Zu diesem Der Widerspruch in diesen Einschätzungen ist neben psychologischem und =ZHFNHQWVWDQGHQXPIDQJUHLFKH0D‰QDKPHNDWDORJHIUGHUHQ8PVHW]XQJ taktischem Kalkül auch auf unterschiedliche Ansichten über die Aufgabe Unterstützung beim CIA-Stab beantragt wurde.215 und das Selbstbild der Organisation Gehlen zurückzuführen. Graber be- :HQLJHURIIHQVLYJLQJGLH2UJDQLVDWLRQ*HKOHQGLHVWUXNWXUHOOHQ3UREOHPHGHU gründete sein positives Urteil damit, dass es nachträglich gelungen war, die Nachrichtenbeschaffung an. Grundsätzlich wurde das auf flächen deckende PLOLWlULVFKHQ9RUJlQJHZlKUHQGGHV-XQLPLWHLJHQHQ4XHOOHQUHNRQVWUX- PLOLWlULVFKH hEHUZDFKXQJ DXVJHULFKWHWH $JHQWHQQHW] QLFKW LQ )UDJH JH ieren zu können. Allerdings räumte er ein, dass diese Leistung nicht mit den stellt.216'HVVHQ3RWHQWLDOHVROOWHQDOOHUGLQJVEHVVHUJHQXW]WZHUGHQ1HEHQ 0D‰VWlEHQ HLQHV HFKWHQ 1DFKULFKWHQGLHQVWHV JHPHVVHQ ZHUGHQ N|QQH213 LKUHPHLJHQWOLFKHQ$XIWUDJZDUHQDOOH4XHOOHQDQJHKDOWHQEHUࡐDOOJHPHLQ =XEHUZLHDXFK5LWJHQOHJWHQLKUHQhEHUOHJXQJHQGLH$QQDKPH]XJUXQGH LQWHUHVVLHUHQGH´9RUJlQJH]XEHULFKWHQXQGGDEHLQDFKGHQ(UIDKUXQJHQGHV die Organisation Gehlen sei durchaus ein Nachrichtendienst, der allerdings 17. Juni auch die Lage der Bevölkerung zu berücksichtigen, ohne allerdings während des 17. Juni versagt hätte. Inwiefern diese Schlussfolgerungen ࡐODQJDWPLJH6WLPPXQJVEHULFKWH´DE]XIDVVHQ217 von der Führung der Organisation Gehlen geteilt wurden, lässt sich nach Ebenfalls beabsichtigt war die Neurekrutierung von aussagekräftigen Quellen Aktenlage nicht sagen.214 Legt man die erkennbaren Reaktionen des CIA- LQGHQELVODQJXQWHUUHSUlVHQWLHUWHQ$XINOlUXQJV]ZHLJHQ:LUWVFKDIWXQG3ROLWLN Stabes und des Kanzleramtes als Ausgangspunkt für mögliche grundsät- +LHUVLQGDEHUQXUSXQNWXHOOH0D‰QDKPHQ]XHUNHQQHQGLHDOV(UJlQ]XQJGHU ]OLFKH hEHUOHJXQJHQ ]XJUXQGH VR GUIWH DXV 6LFKW GHV *HKOHQ6WDEHV bestehenden Agentennetze anzusehen sind. Im ökonomischen Sektor sollten YHUVWlUNW%HWULHEHXQG9HUZDOWXQJVHLQULFKWXQJHQDX‰HUKDOE2VWEHUOLQVLQGLH hEHUZDFKXQJHLQEH]RJHQZHUGHQZLHDXFKHLQHVWlUNHUH$XVULFKWXQJDXI $QRQ\P %9( 6FKUHLEHQDQ)LOLDOH$DEJHGUXFNWLQ)ULFNH(QJHOPDQQ7DJ;6

211 Udo Ritgen (DN Ritter), 1916–2010, vor 1945 Major der Wehrmacht, 1953 Eintritt in die Organisation Gehlen, 1953–1956 Mitarbeiter der Abteilung Gegenspionage (bis 1954 gleichzeitig politische Aufklärung), 1956–1969 Mitar- EHLWHULP6WUDWHJLVFKHQ'LHQVW2VWDXINOlUXQJ²0LWDUEHLWHUGHUPLOLWlULVFKHQ$XVZHUWXQJ3HQVLRQLHUXQJ 'RKQH7LWHO LP)ROJHQGHQ(UIDKUXQJVEHULFKW %$UFK%%ODWW 8GR5LWJHQ)RUWVHW]XQJGHVEHUXÁLFKHQ/HEHQVODXIHV $EVFKULIW >LP)ROJHQGHQ(ULQQHUXQJVEHULFKW@ VRZLH +RUVWYRQ0HOOHQWKLQ DQ -DPHV&ULWFKÀHOG /HVVRQV/HDUQHGIURP8SULVLQJ S. 8, BND-Archiv Nachlass 28, Band 7. LQ5XIIQHU,QWHOOLJHQFH3DUWQHUVKLS%DQG6²1$5$

'LHVHUVHLVR*UDEHULQGHU2UJDQLVDWLRQ*HKOHQࡐQXULQ$QVlW]HQ´YHUWUHWHQ' 6LHJIULHG*UDEHU  *UDEHUEHWRQWHGDVVHLQ$XIJHEHQࡐGHULQGLHVHU)RUPQRFKQLHGDJHZHVHQHQ)URQWDXINOlUXQJ´]XJXQ- 7KHVHQ6²%1'$UFKLY%ODWW²(LQH=XVDPPHQIDVVXQJGLHVHU$XVIKUXQJHQ VWHQHLQHVQDFKULFKWHQGLHQVWOLFKHQ$XINOlUXQJVDSSDUDWHVHLQ)HKOHUVHL' 6LHJIULHG*UDEHU 7KHVHQ ÀQGHWVLFKDXFKLP(LQVDW]EHULFKW6²%DUFK%%ODWW² 09.07.1953, S. 2, BND-Archiv 120100, Blatt 849.

214 Den überlieferten Aufzeichnungen über Besprechungen der Leitung mit Abteilungsleitern und dem CIA-Stab 217 Graber erinnert sich, dass die von ihm angeregte verstärkte Beobachtung der Stimmung in der Bevölkerung nach zu urteilen, kam es in diesem Rahmen zu keinen Diskussionen. BND-Archiv 1107. nicht umgesetzt worden sei. Siegfried Graber, Erinnerungsbericht, 1994, S. 50, BND-Archiv Nachlass 4, Band 20.

66 67 zivile Wirtschaftsbereiche beabsichtigt war.218 Wichtiger als die Ausweitung Wochen zu ziehen. Die Behebung der aufgetretenen organisatorischen Mängel des Wirtschaftsnetzes war der Ausbau der politischen Beschaffung. Die besprachen in den kommenden Monaten die einzelnen Abteilungsleiter. Der Notwendigkeit der Rekrutierung von politischen Gewährsleuten wurde vor allem Stab Gehlen brachte sich in diese Diskussionen nicht ein.224 Erst Mitte YRQGHQ$X‰HQVWHOOHQEHWRQWGLHZlKUHQGGHV-XQLQLFKWLQGHU/DJH 1RYHPEHUHUIROJWHGDQQGLHhEHUVHQGXQJHLQHV$EVFKOXVVEHULFKWHVGHUGLH waren, die geforderten Informationen zu beschaffen.219'LHVHV3UREOHPZXUGH ࡐPHKUPRQDWLJHQ8QWHUVXFKXQJHQ]XHLQHP$EVFKOXVV´EUDFKWH'HP'XNWXV während des Aufstandes auch in der Zentrale zur Sprache gebracht.220 Für GHU $XIDUEHLWXQJ QDFK ]X XUWHLOHQ KDWWHQ GLH DQJHRUGQHWHQ 0D‰QDKPHQ diesen Zweck beantragte die Organisation Gehlen Anfang Juli 1953 bei der GHQ &KDUDNWHU YRQ (PSIHKOXQJHQ GLH ]XNQIWLJ ࡐ%HUFNVLFKWLJXQJ ILQGHQ CIA einen monatlichen Zuschuss von 15.000 DM.221'LH$X‰HQVWHOOHQZXUGHQ PVVHQ´225,QZHOFKHP$XVPD‰VLFKGLHHUNDQQWHQVWUXNWXUHOOHQXQGRU- DQJHZLHVHQࡐEHVRQGHUHV$XJHQPHUNDXIGLH0|JOLFKNHLWHQ]XUSROLWLVFKHQ JDQLVDWRULVFKHQ 6FKZDFKVWHOOHQ GHU ''56SLRQDJH VFKOLH‰OLFK EHKREHQ 1DFKULFKWHQJHZLQQXQJ´]XOHJHQ'LHHLJHQHQ3RWHQWLDOHGLHVPLW4XHOOHQ wurden, bedarf weiterer Forschung. Udo Ritgen stellte für die problembe- innerhalb des SED- und des Staatsapparates bewerkstelligen zu können, haftete politische Beschaffung rückblickend fest, dass nach dem 17. Juni ZXUGHQDOOHUGLQJVJHULQJHLQJHVFKlW]W'LH5HNUXWLHUXQJVROOHࡐLQHUVWHU/LQLH ࡐGLH HLQJHIDKUHQHQ 2UJ6WUXNWXUHQ NHLQHQ :DQGHO GHU HLQJHIDKUHQHQ EHU>@]HQWUDOH3RVLWLRQHQLQGHU:LUWVFKDIW´YHUVXFKWZHUGHQ222 1DFKULFKWHQJHZLQQXQJ´]XJHODVVHQKlWWHQ226 'LH(LQVDW]QDFKEHUHLWXQJZLHDXFKGLH8PVHW]XQJGHUVNL]]LHUWHQ9RUKDEHQ Eine durchgreifende Reorganisation wurde ohnehin durch die im Herbst 1953 KDWWHQ DXJHQVFKHLQOLFK NHLQH EHVRQGHUH 3ULRULWlW $P  -XOL  IDQG EHJLQQHQGH JH]LHOWH 9HUKDIWXQJ YRQ 0LWDUEHLWHUQ GHU 2UJDQLVDWLRQ *HKOHQ LQ 3XOODFK HLQH ]HQWUDOH (LQVDW]EHVSUHFKXQJ VWDWW DQ GHU GLH /HLWHU GHU durch das Ministerium für Staatssicherheit erschwert. Erstmals seit seinem $X‰HQVWHOOHQ XQG 9HUWUHWHU GHU =HQWUDOH WHLOQDKPHQ 9LHO 5DXP IU HLQ Bestehen musste der Dienst ernsthafte Einbrüche in seine Netze in der DDR JHKHQGH'LVNXVVLRQHQERWVLFK²GHU7DJHVRUGQXQJQDFK]XXUWHLOHQ²QLFKW223 KLQQHKPHQ'LH$XVZLUNXQJHQGLHVHV$QJULIIVOLH‰HQGLH(UIDKUXQJHQGHV Bis zum Nachmittag waren Referate der Auswertungsabteilung vorgesehen, 17. Juni rasch in den Hintergrund treten.227 GLH GHQ .HQQWQLVVWDQG EHU GLH$XINOlUXQJ GHU 5RWHQ$UPHH 9RONVSROL]HL und Wirtschaftspolitik zusammenfassten. Nur die letzten beiden Stunden GHV7DJHVZDUHQ(UIDKUXQJVEHULFKWHQGHU$X‰HQVWHOOHQYRUEHKDOWHQZREHL LP8QWHUVFKLHG]XGHQ9RUWUlJHQDP9RUPLWWDJGLH0|JOLFKNHLWIUGLUHNWH Nachfragen nicht vorgesehen war. Eine halbstündige Abschlussdiskussion musste genügen, um Lehren aus den Ereignissen der vergangenen drei

$XVGHU'LHQVWVWHOOHZXUGHDP-XQLDQ*HKOHQGHU9RUVFKODJKHUDQJHWUDJHQHLQH]HQWUDOH 8QWHUDQGHUHPZXUGHGDV0LQLVWHULXPIU+DQGHOXQG9HUVRUJXQJXQGGDV0LQLVWHULXPIU$UEHLWLQGLUHNWHU Untersuchungsgruppe zu bilden, die sowohl eine Einsatznachbereitung wie auch die Berichterstattung koordinieren .RQVHTXHQ]DXVGHQ(UIDKUXQJHQGHV9RONVDXIVWDQGHVLQGLHhEHUZDFKXQJHLQEH]RJHQ: :LUWVFKDIWVDXINOl- VROOWH*HKOHQOHKQWHGLHVHQ9RUVFKODJPLW9HUZHLVDXIGLHLQGHU$XVZHUWXQJVDEWHLOXQJEHUHLWVEHJRQQHQHLQKDOW rung), Die wirtschaftliche Aufklärung, S. 4, BND-Archiv 3196. liche Aufbereitung ab. An einer darüber hinaus gehenden zentralen Untersuchung bestand offenbar kein Interesse. *9%DQ=HQWUDOH%HULFKW$XIWUlJH/DJH%HUOLQ%1'$UFKLYVRZLH%9( (EUXOI=XEHU  D 'LHQVWVWHOOH DQ /HLWXQJ ࡐ5HYROWHLQGHU6%='´%1'$UFKLY%ODWW²VRZLH DQ*D\ 6LHJIULHG*UDEHU %ULHI6%$UFK%%ODWW GHUKDQGVFKULIWOLFKH9HUPHUN*HKOHQVDXI%ODWW

$XIHLQHU]HQWUDOHQ%HVSUHFKXQJDP-XQLlX‰HUWHGLH$XVZHUWXQJ.ULWLNDQGHQࡐQRFKQLFKWYROODXIEH- G (EHUKDUG%OXP $QVFKUHLEHQ(UIDKUXQJVEHULFKW%$UFK%%ODWW IULHGLJHQGHQ´/HLVWXQJHQGHUSROLWLVFKHQ%HVFKDIIXQJGLHNDXP0HOGXQJHQYRUOHJHQNRQQWHG>(EHUKDUG%OXP@ 226 Udo Ritgen, Erinnerungsbericht, 1983, S. 7, BND-Archiv Nachlass 28, Band 7. 3URWRNROO*UXSSHQOHLWHUEHVSUHFKXQJ6%1'$UFKLY%ODWW 'DUDXIZHLVWDXFKGDV$QVFKUHLEHQKLQࡐ'LHhEHUVHQGXQJGLHVHU=XVDPPHQVWHOOXQJHUIROJWLQHLQHP 221 Besprechungsnotiz Budget-Fragen, 02.07.1953, BND-Archiv 1107, Blatt 292–296. $XJHQEOLFNLQGHPDOOH)KUXQJVVWHOOHQYROOGDPLWEHVFKlIWLJWVLQGVLFKPLWGHQJHJHQZlUWLJHQ3UREOHPHQGHU1' (UIDKUXQJVEHULFKW6%$UFK%%ODWWVRZLH' 6LHJIULHG*UDEHU 7KHVHQ6 2IIHQVLYHGHV*HJQHUV]XEHIDVVHQ'LHVH'LQJHKDEHQIUGHQ$XJHQEOLFNVHOEVWYHUVWlQGOLFK9RUUDQJ>«@:HQQ BND-Archiv 120100, Blatt 850. GLH=XVDPPHQIDVVXQJWURW]GHPMHW]WEHUVDQGWZLUGVRGHVKDOEZHLO>«@HLQ9HUORUHQJHKHQGHU(UIDKUXQJHQ>«@ XQ]ZHFNPlVVLJHLQVSlWHUHVhEHUVHQGHQGHU=XVDPPHQVWHOOXQJDXFKQLFKWYRQ1XW]HQ ZlUH ´G (EHUKDUG %LVDXIGLH7DJHVRUGQXQJXQGGDV$EVFKOXVVUHIHUDWVLQGNHLQH$XI]HLFKQXQJHQEHUGLHVH=XVDPPHQNXQIW %OXP $QVFKUHLEHQ(UIDKUXQJVEHULFKW%DUFK%%ODWW=XGHQ0I6$NWLRQHQJHJHQGLH YRUKDQGHQ/DJHYRUWUDJXQGEHVSUHFKXQJ%$UFK%%ODWW² 2UJDQLVDWLRQ*HKOHQ)ULFNH(QJHOPDQQ.RQ]HQWULHUWH6FKOlJH6²²

68 69 $XFKLQGHUhEHUOLHIHUXQJGHV%XQGHVQDFKULFKWHQGLHQVWHVILQGHWVLFKNHLQ einziger Hinweis, der auf eine Beteiligung hindeutet. Soweit bislang er- kennbar, schloss die Organisation Gehlen im Gegensatz zu anderen ameri- NDQLVFKÀQDQ]LHUWHQ(LQULFKWXQJHQDNWLYH:LGHUVWDQGVDUEHLWLQGHU''5JUXQG- sätzlich aus.231 Angestrebt wurde lediglich eine Betätigung in den Bereichen 3URSDJDQGDXQGSV\FKRORJLVFKH.ULHJVIKUXQJGLHDOOHUGLQJVHUVWLQGHQ Anfängen steckten und noch einer eingehenden Untersuchung bedürfen. 6HOEVWZHQQPDQYRQELVODQJQRFKQLFKWEHNDQQWHQ3URJUDPPHQDXVJHKHQ ZROOWH LVW LP )DOOH GHV 9RONVDXIVWDQGHV HLQH %HWHLOLJXQJ WURW]GHP GHÀQLWLY 5 zu verneinen: Da die Organisation Gehlen erst am Nachmittag des 17. Juni den Aufstand überhaupt wahrnahm und überdies von einer sowjetischen Zur Frage einer Beteiligung 8UKHEHUVFKDIWEHU]HXJWZDUVLQGYRUEHUHLWHQGH0D‰QDKPHQDXV]XVFKOLH‰HQ $XVGHQ4XHOOHQOl‰WVLFKDX‰HUGHPDEOHVHQGDVVGLH/HLWXQJGHU2UJDQLVDWLRQ an den Unruhen Gehlen sehr besorgt war, dass sich ihre Agenten durch regimekritische bX‰HUXQJHQ RGHU JDU +DQGOXQJHQ GHU *HIDKU HLQHU 9HUKDIWXQJ DXVVHW]HQ könnten. Bereits vor Ausbruch des Aufstandes erging angesichts der innen- Unmittelbar nach der Niederschlagung des Aufstandes vom 17. Juni 1953 SROLWLVFKHQ /LEHUDOLVLHUXQJ LQIROJH GHV ࡐ1HXHQ .XUVHV´ DQ DOOH$X‰HQVWHOOHQ behauptete die SED-Führung, die Erhebung sei von westlichen Organisationen $QZHLVXQJGDIU]XVRUJHQGDVVGLH9/HXWHLQGHU''5QLFKWࡐDXVGHQ/|FKHUQ KHUEHLJHIKUWZRUGHQ,P$XIWUDJGHU3DUWHLIKUXQJYHUVXFKWHGDV0LQLVWHULXP DXIWDXFKHQ´232 Die Anordnung wurde vermutlich am 17. Juni erneuert. Ein ent- IU6WDDWVVLFKHUKHLWGLHYHUPHLQWOLFKHQ+LQWHUPlQQHUGHVࡐ7DJ;´DXVILQGLJ VSUHFKHQGHU+LQZHLVÀQGHWVLFKLQHLQHPDQGLH&,$JHULFKWHWHQ6FKUHLEHQ zu machen. Im Fokus der Ermittlungen standen zunächst die Ostbüros von ZRQDFKࡐGDVJHVDPWH3HUVRQDOGHU2UJDQLVDWLRQIUK]HLWLJJHZDUQWZXUGHVLFK 63'XQG'*%VRZLHGDV*HVDPWGHXWVFKH0LQLVWHULXP228 Der Organisation QLFKWDQ'HPRQVWUDWLRQHQ]XEHWHLOLJHQ´233'DVVGLHVH0D‰QDKPHGHU&,$]XU Gehlen wurde eine Beteiligung während der Sommermonate 1953 nur in- Kenntnis gebracht wurde, kann nochmals als Beleg gelten, dass von Seiten der direkt unterstellt.229 Erst mit Beginn der Schauprozesse gegen in der DDR Amerikaner kein Auftrag an die Organisation Gehlen ergangen war, ihre Netze verhaftete Mitarbeiter der Organisation Gehlen im Herbst des Jahres, wurde GLHVHU9RUZXUINRQNUHWLVLHUWXQGLQGHU3UHVVHEUHLWKHUDXVJHVWHOOW2EZRKO dem MfS Dokumente der Organisation Gehlen vorlagen, aus denen eindeutig (LQHP%HULFKWGHV&,$6WDEHVLQ3XOODFKQDFK]XXUWHLOHQRUGQHWHVLFKGLH/HLWXQJGHU2UJDQLVDWLRQ*HKOHQ einer 1952 getroffenen Festlegung der Bundesregierung unter, wonach aktive Widerstandsarbeit keine Unterstüt- hervorging, dass den Agenten während des 17. Juni jegliche Form einer ]XQJGHV.DQ]OHUDPWHVÀQGHW$XVGLHVHP*UXQGOHKQWHVLHHLQH%HWHLOLJXQJDQGHQDPHULNDQLVFKHQ3URJUDPPHQ DE$QRQ\P &,$6WDE3XOODFK +LVWRU\RIWKH*HKOHQ,QWHOOLJHQFH2UJDQL]DWLRQ6HSWHPEHULQ5XIIQHU Beteiligung an den Unruhen untersagt war, fand dieses Entlastungsmaterial in ,QWHOOLJLHQFH3DUWQHUVKLS%DQG,6²1$5$%HUQG6W|YHUGHUVLFKDXI*UXQGODJHDPHULNDQLVFKHU4XHOOHQ GHQ3UR]HVVHQDXVSURSDJDQGLVWLVFKHQ*UQGHQNHLQH%HUFNVLFKWLJXQJ230 PLWGHU3UD[LVGHUDPHULNDQLVFKHQ/LEHUDWLRQ3ROLF\EHVFKlIWLJWKDWOLHIHUWHEHQIDOOVNHLQH$QKDOWVSXQNWHGDVVVLFK GLH2UJDQLVDWLRQ*HKOHQDQ6DERWDJHDNWLRQHQEHWHLOLJWHRGHUGHUDUWLJH3ODQXQJHQYHUIROJWH6W|YHU%HIUHLXQJYRP .RPPXQLVPXV'LHLQGHU2UJDQLVDWLRQ*HKOHQEHVWHKHQGHQ6WD\%HKLQG3URJUDPPHZDUHQDXVVFKOLH‰OLFKIUGHQ )DOOHLQHVEHZDIIQHWHQ.RQÁLNWVYRUJHVHKHQXQGVLQGGDKHUIUGHQ-XQLQLFKWYRQ,QWHUHVVH=XP9HUKlOWQLV XQGGHQ6WUDWHJLHQGHU%XQGHVUHJLHUXQJJHJHQEHUGHUDPHULNDQLVFKHQ/LEHUDWLRQ3ROLF\6WHIDQ&UHX]EHUJHU )ULFNH(QJHOPDQQ7DJ;6 Kampf für die Einheit. Das gesamtdeutsche Ministerium und die politische Kultur des Kalten Krieges 1949–1969, Düsseldorf 2008, S. 155–177. ,QGHU''53UHVVHZXUGHGLH2UJDQLVDWLRQ*HKOHQLQ=XVDPPHQKDQJPLWGHP9RONVDXIVWDQGELV+HUEVW 1953 nur in einem Artikel erwähnt. Die Annahme einer Beteiligung begründet sich nur auf der Feststellung, dass die  /HLWXQJ ' 6LHJIULHG*UDEHU DQDOOH'LHQVWHLQKHLWHQ$QZHLVXQJ-HW]LJH0D‰QDKPHQGHU2VW]RQHQ 2UJDQLVDWLRQ*HKOHQXQWHUDPHULNDQLVFKHU)KUXQJDUEHLWH$GHQDXHUV%DQGLWHQVWUHLFKHJHJHQGLH9HUV|KQXQJ 0DFKWKDEHU6%$UFK%%ODWW Neues Deutschland, 23.06.1953, S. 2.  /HLWHU$XINOlUXQJ DQ 9HUELQGXQJVRIÀ]LHU&,$ 0HPRUDQGXP6%$UFK% )ULFNH(QJHOPDQQ.RQ]HQWULHUWH6FKOlJH6VRZLHGLHV7DJ;² %ODWWhEHUVHW]XQJDXVGHP(QJOLVFKHQ

70 71 LP6LQQHHLQHU7HLOQDKPH]XPRELOLVLHUHQ$XFKDXIGHU(EHQHGHU$X‰HQVWHOOHQ Es sind bislang überhaupt nur zwei Fälle nachweisbar, bei denen eine sind einschlägige Anweisungen nachweisbar. Die Generalvertretung G warnte GLUHNWH 9HUELQGXQJ ]XP 9RONVDXIVWDQG JHJHEHQ LVW %HLGH VLQG GHP 1HW] am 17. Juni ihre nachgeordneten Dienststellen vielmehr: GHU *HQHUDOYHUWUHWXQJ + ]X]XRUGQHQ 'HU$JHQWHQIXQNHU ࡐ;HU[HV´ PXVVWH DP  -XQL QDFK :HVWEHUOLQ IOLHKHQ ZHLO VHLQH )UDX DOV ࡐ5lGHOVIKUHULQ´ Jegliche Beteiligung an Aktionen, ja überhaupt jegliches Hervortreten der Demonstrationen in Leipzig verhaftet worden war.238 Der zweite Fall unserer Mitarbeiter ist mit allen Mitteln zu verhindern. Nachrichtendienst EHWUDI)ULHGULFK.DUO6FKRUQGHVVHQ5ROOHZlKUHQGGHV9RONVDXIVWDQGVLQ gehört nie auf die Strasse und nirgends in die Öffentlichkeit. Äußerungen, der Forschung bereits ausführlich dargelegt worden ist. Schorn stand dass man nicht nur dagegen gewesen sei, sondern auch etwas dagegen getan mit antikommunistischen Widerstandsgruppen in Westberlin in Kontakt und habe, sind tödlich – gerade jetzt.234 ZXUGHYRP0I6PLWGHP=LHODQJHZRUEHQEHUGHUHQ7lWLJNHLW]XEH richten sowie Kontakt zu anderen westlichen Diensten aufnehmen. Während Sofern ein Kontakt zwischen den westlichen Führungsstellen und den GHV9RONVDXIVWDQGHVJHK|UWHHU]XU6WUHLNOHLWXQJLQ0HUVHEXUJXQGZDUDQGHU Agenten in der DDR noch bestand, wurde diese Anordnung auch weiter- Erstürmung der dortigen -Kreisdienststelle beteiligt. Er setzte sich nach JHEHQ 'HU /HLWHU GHU %HUOLQHU $X‰HQVWHOOH $ PHOGHWH DQ VHLQH YRU Westberlin ab und rief zusammen mit anderen Streikführern das Komitee gesetzte Dienststelle: ࡐ-XQL´LQV/HEHQ/HLWHQGH0LWJOLHGHUGLHVHU9HUHLQLJXQJZXUGHQVSlWHU vom MfS entführt und im Juni 1954 in einem Schauprozess vor dem Obersten Alle haben sich gemäß den Anweisungen vernünftig verhalten und sich nicht Gericht als vermeintliche Hintermänner des 17. Juni abgeurteilt. Schorn sollte exponiert. Bleibt zu hoffen, dass sie auch gegenwärtig aus freien Stücken Hauptangeklagter werden, entging jedoch mehreren Entführungsversuchen verschlossen bleiben und ihrem Herzen nicht Luft verschaffen.235 der Staatssicherheit.239 Mit der Organisation Gehlen kam Schorn Anfang 1953 in Kontakt. Im *HJHQHLQH%HWHLOLJXQJGHU*HZlKUVOHXWHDQGHQ8QUXKHQVSULFKWDX‰HUGHP Februar wurde er von einer Westberliner Filiale der Generalvertretung H GLHJHULQJH=DKOGHUELV(QGH-XOLEHNDQQWJHZRUGHQHQ9HUOXVWH236 Nach DOVSRWHQWLHOOH4XHOOHRGHU.XULHULQ3XOODFK]XUhEHUSUIXQJHLQJHUHLFKW,P internen Erhebungen der Organisation Gehlen wurden zwölf Quellen Opfer 0lU] HUIROJWH GLH RIIL]LHOOH$QPHOGXQJ GHV$JHQWHQ 9240 Obwohl YRQ9HUKDIWXQJHQZlKUHQGVLFKGUHLZHLWHUHLQGHQ:HVWHQDEVHW]HQPXVVWHQ Schorn als Angestellter der Finanzverwaltung der Leuna-Werke eine gute 6HW]WPDQGLHVH=DKOLQV9HUKlOWQLV]XGHQ(QGH-XQLLQGHU''5GXUFK Wirtschaftsquelle gewesen wäre, erhielt er vorrangig einen militärischen MfS und sowjetischer Geheimpolizei vorgenommenen Massenverhaftungen Spionageauftrag. Diese Entscheidung ist vermutlich darauf zurückzufüh- vermeintlicher und tatsächlicher Demonstrationsteilnehmer, so wird deutlich, UHQ GDVV GLH 'LHQVWVWHOOH VHLQHV 90DQQIKUHUV LQ :HVWEHUOLQ NHLQHQ dass es sich bei den genannten Ausfällen um Ausnahmen gehandelt haben Auftrag für Wirtschaftsaufklärung hatte. Es scheint, dass sich Schorn im muss, die auf eine Enttarnung zurückzuführen sind, die entweder unabhängig $XIWUDJGHV0I6YRQGHU2UJDQLVDWLRQ*HKOHQDQZHUEHQOLH‰GDHUVHLQH YRQGHQ8QUXKHQHUIROJWHQRGHU(UJHEQLVGHU]DKOUHLFKHQ9HUKDIWXQJHQZDU237 Kontakte zur Staatssicherheit verschwieg.241 Schorns Aussage – die er nach

/HLWHU*9* +DQV/XW] DQQDFKJHRUGQHWH'LHQVWVWHOOHQ$QZHLVXQJ(QWZLFNOXQJGHU/DJHLQGHU2VW]RQH *9%DQ=HQWUDOH%HULFKW%$UFK%%ODWW 6%$UFK%%ODWW (LVHQIHOGXD +J 'LHYHUGUlQJWH5HYROXWLRQ6)ULFNH(QJHOPDQQ7DJ;6²² 89/HLWHU(DQ=HQWUDOH%ULHI%$UFK%%ODWW .RZDOF]XN-XQL6²,ONR6DVFKD.RZDOF]XNXQG7RP6HOOR +J )UHLQIUHLHV/DQGPLWIUHLHQ Menschen. Opposition und Widerstand in Biographien und Fotos, Berlin 2006, S. 72–76. (LQVDW]EHULFKW6%$UFK%%ODWW .DUWHLNDUWH6FKRUQ$QPHOGXQJ9%1'$UFKLY2SHUDWLY9%ODWWXQG %LV]XP-XOLZXUGHQLQGHU''5PHKUDOV0HQVFKHQZHJHQYHUPHLQWOLFKHURGHUWDWVlFKOLFKHU7HLO- nahme an Kundgebungen allein durch das MfS in Gewahrsam genommen. Weitere Festnahmen erfolgten durch $QODJHD]XU$QPHOGXQJGHV9>/HEHQVODXI@XQGDWLHUW>0lU]@%1'$UFKLY2SHUDWLY VRZMHWLVFKH6LFKHUKHLWVNUlIWH)ULFNH(QJHOPDQQ7DJ;6² 9%ODWW

72 73 %HNDQQWZHUGHQVHLQHU0I69HUELQGXQJHQVSlWHULP:HVWHQPDFKWH²GDVV verfolgten alle diese Organisationen mit unterschiedlicher Intensität das HUࡐGHPRVW]RQDOHQ66'QXUIDEUL]LHUWHXQGJHIlOVFKWH%HULFKWH JHEUDFKW =LHOGXUFK6DERWDJHXQG3URSDJDQGDDNWLRQHQGHQ:LGHUVWDQGLQGHU''5 hatte), die vorher in Westberlin aufgestellt wurden und somit die Abwehr des Bevölkerung zu stärken. Sie wurden dabei im Sinne der Befreiungspolitik 66'EHZXVVWLUUHIKUWHQ´WULIIW]XPLQGHVWIUVHLQH7lWLJNHLWDOV$JHQWGHU YRQDPHULNDQLVFKHQ'LHQVWHQXQWHUVWW]W'HU9RONVDXIVWDQGRIIHQEDUWHGLH Organisation Gehlen nicht zu.242 Grenzen dieser Strategie: Denn angesichts eines drohenden bewaffneten 9RQVHLQHU5ROOHZlKUHQGGHV-XQLHUIXKUGLH2UJDQLVDWLRQ*HKOHQ Konflikts mit der Sowjetunion schreckte der amerikanische Sicherheitsapparat erst nach dessen Flucht in den Westen. Obwohl Schorn den Unterlagen zu- vor einer Unterstützung der Aufständischen zurück.245 folge bereits am 20. Juni 1953 im Berliner Flüchtlingslager Am Sandwerder 'LH )UDJH LQ ZHOFKHP$XVPD‰ XQG PLW ZHOFKHQ 0LWWHOQ YHUVXFKW ZXUGH HLQJHWURIIHQZDUXQGVHLQHP9HUELQGXQJVRIIL]LHUHLQHQXQPLWWHOEDUHQ%HULFKW auf die Dynamik der Demonstrationen Einfluss zu nehmen, beschäftigte über die Ereignisse in Merseburg hätte geben können, ist nach Aktenlage auch die Organisation Gehlen. In Berichten an die Zentrale, die aus den weder zu diesem noch zu einem späteren Zeitpunkt jemals eine gezielte 7DJHQQDFKGHP$XIVWDQGVWDPPHQILQGHQVLFK+LQZHLVHGDVVGHUDUWLJH Befragung erfolgt. Nach seiner Flucht als Quelle unbrauchbar, wurde er im %HVWUHEXQJHQZHVWOLFKHU6WHOOHQYHUIROJWZXUGHQ$X‰HUGHPLVWHLQ]XVDP- -XOLࡐVWLOOJHOHJW´XQG]XP$XJXVWDEJHVFKDOWHW243 Aus der Akte geht menfassender Bericht überliefert, der wahrscheinlich zur Unterrichtung der nicht hervor, dass Schorn je wieder mit der Organisation Gehlen oder dem Leitung anfertigt wurde.246 Diese Ausarbeitung geht vermutlich auf Ebrulf %1'LQ9HUELQGXQJJHWUHWHQLVW =XEHU]XUFNGHUEHUHLWV]XYRUEHUGLHVH)UDJHQQDFK3XOODFKEHULFKWHW (LQH %HWHLOLJXQJ 6FKRUQV DP 9RONVDXIVWDQG LP $XIWUDJ GHU 2UJDQLVDWLRQ hatte. Ob diese Unterrichtung auf Eigeninitiative zurückzuführen ist oder Gehlen ist angesichts der allgemeinen Anweisung an die Gewährsleute DXI:HLVXQJGHU=HQWUDOHHUIROJWHOlVVWVLFKQLFKWDEVFKOLH‰HQGEHXUWHLOHQ DXV]XVFKOLH‰HQ$XFKGLH(UWHLOXQJHLQHVEHVRQGHUHQ$XIWUDJHVLVWNDXPZDKU- Möglicherweise verbarg sich dahinter die Absicht, die Einflussmöglichkeiten scheinlich, da er als unerprobte Quelle erst drei Monate für die Organisation dieser Organisationen in der DDR zu untersuchen. Für Zuber dürfte die in Gehlen arbeitete und überdies wenig vertrauenswürdig erschien. Er galt als den DDR-Medien am 17. Juni erhobene Behauptung ausschlaggebend ge- ࡐVSUXQJKDIWXQGXQDXVJHJOLFKHQ´ZDVVHLQHQ90DQQ)KUHUGD]XEHZRJ wesen sein, der Aufstand sei von westlichen Stellen herbeigeführt worden.247 LKQDOVIUࡐ1'$UEHLWQLFKWJHHLJQHW´]XTXDOLIL]LHUHQ244$XV3HUVSHNWLYHGHV $P  -XQL PHOGHWH HU QDFK 3XOODFK GDVV GLH 'HPRQVWUDWLRQHQ LQ MfS war die Rolle Schorns während des 17. Juni 1953 in zweifacher Hinsicht 2VWEHUOLQ VLFK ࡐGXUFK VRIRUWLJH (QWIODPPXQJ GHU /HLGHQVFKDIWHQ VHLWHQV ärgerlich. Nicht nur, dass sich einer ihrer Zuträger an exponierter Stelle an :HVWEHUOLQHU 3DUWHLHQ *HZHUNVFKDIWHQ XQG VRQVWLJHU 2UJDQLVDWLRQHQ´ LQ der Erhebung gegen das SED-Regime beteiligt hatte, mit der Flucht Schorns HLQHQ9RONVDXIVWDQGYHUZDQGHOWKlWWHQ248 Als einzigen Beleg nannte er die in den Westen verlor das MfS auch eine Gegenspionageverbindung in den 9HUWHLOXQJYRQ)OXJEOlWWHUQGXUFKGLH9HUHLQLJXQJ3ROLWLVFKHU2VWIOFKWOLQJH 3XOODFKHU'LHQVW

Im Gegensatz zur Organisation Gehlen kann die versuchte Einflussnahme 6W|YHU%HIUHLXQJYRP.RPPXQLVPXV6²:ROIJDQJ%XVFKIRUW'DV2VWEURGHU63'9RQGHU Gründung bis zur Berlin-Krise, Oldenburg 1991, S. 98–108, Margret Bouvier: Ausgeschaltet! Sozialdemokraten DQWLNRPPXQLVWLVFKHU :LGHUVWDQGVJUXSSHQ XQG GHU 2VWEURV YRQ 63' XQG in der sowjetischen Besatzungszone und in der DDR, Bonn 1996, S. 295–302. DGB auf den Ablauf der Ereignisse am 17. Juni 1953 in der DDR als ge- $QRQ\P>(EUXOI=XEHU"@$QJHEOLFKH9RUEHUHLWXQJHQXQG6WHXHUXQJGHU8QUXKHQDPGXUFK VLFKHUW JHOWHQ (LQH +HUEHLIKUXQJ GHV$XIVWDQGHV LVW DXV]XVFKOLH‰HQ GD ZHVWOLFKH6WHOOHQXQGDNWLYH%HWHLOLJXQJZHVWOLFKHU2UJDQLVDWLRQHQDQGHQ8QUXKHQXQGDWLHUW>-XOL@%1' Archiv 1172, Blatt 147–161. Sowohl Sprachduktus als auch die angeführten Quellen deuten auf Zuber als Autor hin. alle Beteiligten vom Ausbruch des Aufstandes überrascht wurden. Gleichwohl $OV(QWVWHKXQJV]HLWWUDXPNDQQ(QGH-XQL$QIDQJ-XOLDQJHQRPPHQZHUGHQ'DVVSlWHVWHHUZlKQWH'DWXP ist der 24. Juni 1953.

247 Im zusammenfassenden Bericht werden Rundfunk- und Zeitungkommentare aus der DDR als Belege ange- 242 Zitat nach Kowalczuk, 17. Juni, S. 202. führt. Am 21. Juni 1953 berichtete er an die Zentrale, dass einer seiner Quellen in einem Ostberliner Ministerium GLHLQGHQ''50HGLHQHUKREHQH%HKDXSWXQJVWW]HQZUGH%9( (EUXOI=XEHU DQ*D\ 6LHJIULHG*UDEHU %ULHI .DUWHLNDUWH6FKRUQ%1'2SHUDWLY9%ODWW %$UFK%%ODWWVRZLH$QJHEOLFKH9RUEHUHLWXQJHQXQGDWLHUW>-XOL@%1'$UFKLY

$EVFKDOWPHOGXQJ9%1'2SHUDWLY9%ODWW %9( (EUXOI=XEHU DQ*D\ 6LHJIULHG*UDEHU %$UFK%%ODWW

74 75 932 249 +HOPXW .OHLNDPS GHU DOV 9HUWUHWHU GHU 2UJDQLVDWLRQ *HKOHQ diese aber von einem Generalstreik abgehalten haben will.2529RUVWHOOEDULVW in Berlin Gespräche mit politischen Repräsentanten und Westberliner auch die von der gleichen Quelle geschilderte Beratung zwischen der KgU 6LFKHUKHLWVEHK|UGHQ IKUWH lX‰HUWH VLFK EHU GDV ZHVWOLFKH (QJDJHPHQW und den erwähnten Ostbüros in der Nacht vom 16. auf den 17. Juni 1953, die zurückhaltender: unter dem Eindruck der ersten Kundgebungen in Ostberlin stand:

Irgendwelche neuen politischen Erkenntnisse aus der Lage sind bisher noch (Es) wurden Flugblätter hergestellt und verschickt. Auf diesen Flugblättern nicht eingelaufen. Man versucht natürlich mit allen Mitteln, die Schuld wurden die Ereignisse vom 16.6.1953 in Ost-Berlin stark übertrieben an den Geschehnissen dem Westen unterzuschieben, was allerdings all- wiedergegeben und die Regierung der SBZD als praktisch „bereits ge- seits ein gewisses Lächeln hervorruft. Ich glaube, dass unsere östlichen stürzt“ bezeichnet. Die versammelten Vertreter der erwähnten westberliner Sowjetfreunde selbst noch nicht wissen, wie sie die Lage, die ihnen das Organisationen einigten sich darauf, über „Verbindungsorgane“ auf die für Konzept verdorben hat, nun weiterführen sollen.250 17.6.1953 in Ostberlin vorgesehenen Demonstrationen Einfluss zu nehmen und eine Steuerung an bestimmten Schwerpunkten zu versuchen.253 Die später entstandene Ausarbeitung listet verschiedene Einzelerkenntnisse DXVGHP8PIHOGGHU2VWEURVYRQ63'XQG'*%VRZLH.J8XQG8I-VRZLHGHP 'LH +HUVWHOOXQJ YRQ )OXJEOlWWHUQ LQ :HVWEHUOLQ DP 9RUDEHQG GHV  -XQL Ministerium für Gesamtdeutsche Fragen auf, die mit Augenzeugenberichten VRZLH GHUHQ VSlWHUH 9HUWHLOXQJ LVW EHNDQQW254 Die weiteren Einlassungen ZlKUHQGGHU'HPRQVWUDWLRQHQVRZLH5XQGIXQNXQG3UHVVHEHULFKWHUVWDWWXQJ erscheinen gleichfalls plausibel, da sich unter den Demonstranten auch DXV GHU ''5 HUJlQ]W ZDUHQ 9RQ GHQ DXIJHIKUWHQ %HLVSLHOHQ JHKHQ QXU 9HUWUDXHQVOHXWH GHU 2VWEURV EHIDQGHQ XQG HKHPDOLJH 63'0LWJOLHGHU drei auf Berichte aus erster Hand zurück. Die übrigen Angaben beruhen auf als Streikführer in Erscheinung traten.2552EGLHVDXIGLHJH]LHOWH3ODQXQJ Aussagen von unbekannten Gewährsmännern, mithin auf Hörensagen von zurückzuführen ist, muss ebenso dahingestellt bleiben, wie die erwähnte Mitarbeitern der Organisation Gehlen. Das Fehlen einer Bewertung deutet (QWVHQGXQJYRQ9/HXWHQGHU2VWEURVXQGGHU.J8LQGLH5HJLRQHQZlKUHQG GDUDXI KLQ GDVV VLFK GHU$XWRU KLQVLFKWOLFK GHU 9HUOlVVOLFKNHLW GHU ]XVDP- GHU1DFKWDXIGHQ-XQLXPIUGHQNRPPHQGHQ7DJHLQHQ*HQHUDOVWUHLN mengetragenen Informationen wohl unsicher war. auszurufen.256 $XVVFKODJJHEHQG IU GLH $XVEUHLWXQJ GHV 9RONVDXIVWDQGHV In ihrer Substanz könnten die Erkenntnisse trotz der schwer zu beurteilenden war nach gegenwärtiger Forschungslage vor allem die Berichterstattung des 9DOLGLWlW]XWUHIIHQGVHLQ'HU%HULFKWHQWKlOW$QJDEHQYRQHLQHUࡐ]XYHUOlVVLJ RIAS.257 EHXUWHLOWHQ 4XHOOH YRQ XQEHNDQQWHP *HZlKUVPDQQ´ GLH YRQ *HVSUlFKHQ )KUWGHU%HULFKWELV]XGLHVHP3XQNWYHUPHLQWOLFKH3ODQXQJHQDQGLH]XQlFKVW GHU 63' XQG '*%2VWEURV PLW 9HUWUDXHQVOHXWHQ DXV GHU ''5 ZLVVHQ QXU 9HUVXFKH HLQH ,QVWUXPHQWDOLVLHUXQJ GHV LQ GHU ''5 ]X 7DJH WUHWHQGHQ ZROOWHEHLGHQHQHLQH9RUEHUHLWXQJYRQ6WUHLNVLQGHQ7DJHQYRUGHP Juni erfolgt sein soll.251 Dies findet in dieser Form in der Literatur bislang 252 Buschfort, Ostbüro, S. 94. keine Bestätigung. Dass Begegnungen stattfanden, stimmt hingegen mit den $QJHEOLFKH9RUEHUHLWXQJHQXQGDWLHUW>-XOL@6%1'$UFKLY%ODWW bX‰HUXQJHQGHV63'2VWEUROHLWHUV6WHSKDQ7KRPDVEHUHLQGHUDP )ULFNH(QJHOPDQQ7DJ;6²6W|YHU%HIUHLXQJYRP.RPPXQLVPXV6² 17. Juni mit Arbeitern aus dem Hennigsdorfer Stahlwerk in Kontakt stand, )ULFNH(QJHOPDQQ7DJ;6²%XVFKIRUW2VWEUR6

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257 Im Widerspruch zur gängigen Darstellung verweist Fricke darauf, dass die Bedeutung des RIAS nicht %9( (EUXOI=XEHU DQ*D\ 6LHJIULHG*UDEHU %$UFK%%ODWW überschätzt werden dürfe und macht dies am Entstehen lokaler Forderungsprogramme fest, die sich von den über ࡐ)HXHUYHUVLFKHUXQJ%HUOLQ´ +HOPXW.OHLNDPS DQࡐ6:8´ 'LHQVWVWHOOH %HULFKWEHU%HVSUHFKXQJHQ den RIAS verbreiteten Forderungen der Ostberliner Bauarbeiter unterschieden. Dass die Berichterstattung des am 19.06.1953, 20.06.1953, S. 1–2, hier S. 2, BND-Archiv 120826, Blatt 1527–1528, hier 1528. Senders selbst über die Ereignisse in Ostberlin mobilisierend wirkte, stellt er nicht in Frage. Fricke, Zur Geschichte, S. 41–42, 45. $QJHEOLFKH9RUEHUHLWXQJHQXQGDWLHUW>-XOL@6%1'$UFKLY%ODWW

76 77 Unmutes belegen, so werden im Weiteren Augenzeugenberichte angeführt, die den Erfolg dieser Absichten in Frage stellten. So verstanden es die

Westberliner Agitatoren, die den marschierenden Arbeiterkolonnen am 17.6.1953 beigegeben wurden, [...] nicht, mit den demonstrierenden Arbeitern Kontakt zu bekommen. Sie wurden schnell isoliert und konnten deshalb die Lenkung der Aktionen nicht an sich reißen.258

Andere Demonstrationsteilnehmer machten westberliner Jugendliche, die PLWGHU.J8LQ9HUELQGXQJJHVWDQGHQKDEHQVROOHQDOV8UKHEHUJHZDOW- tätiger Ausschreitungen aus. Derartige militante Aktionen gehörten zur Strategie dieser Organisation. Ob sie am 17. Juni im Auftrag oder aus eigener Initiative handelten, lässt der Bericht offen.259 Eine realistische Einschätzung der westlichen Bemühungen um den 17. Juni findet sich im Bericht von zwei Gewährsleuten aus dem Gesamtdeutschen Ministerium:

Diese Demonstrationen der ostdeutschen Bevölkerung wurden seitens West-Berlins und der Bundesrepublik ähnlich dilettantenhaft ausge- wertet, wie überhaupt der Kampf um die Einheit Deutschland geführt wird. Von Vorbereitungen irgendeiner Art seitens des Westens kann überhaupt keine Rede sein, da solche hätten mehr spürbar werden müssen. Bezeichnend ist doch schließlich gewesen, dass selbst die Alliierten dieser gegebenen Situation nicht zu begegnen wussten. Zweifellos ist es möglich, dass nach Bekanntwerden der Demonstrationen westliche Stellen nachgeholfen haben; doch ist der Ursprung in der ehrlichen Verbitterung der Bevölkerung zu suchen.260

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$QJHEOLFKH9RUEHUHLWXQJHQXQGDWLHUW>-XOL@6%1'$UFKLY%ODWW]XU5ROOHGHU.J8 DP-XQL)ULFNH(QJHOPDQQ7DJ;6²(QULFR+HLW]HU'LH.DPSIJUXSSHJHJHQ8QPHQVFKOLFKNHLW .J8 :LGHUVWDQGXQG6SLRQDJHLP.DOWHQ.ULHJ ² HUVFKHLQWLP%|KODX9HUODJ

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78 79 Schlussbemerkung

$P %HLVSLHO GHV 9RONVDXIVWDQGHV YRP  -XQL  ]HLJHQ VLFK GLH Möglichkeiten und Grenzen der DDR-Spionage der Organisation Gehlen recht deutlich. Abgesehen von der Militärspionage verfügte der Dienst da- PDOVZHGHUEHUGLHVWUXNWXUHOOHQ9RUDXVVHW]XQJHQIUHLQH$XINOlUXQJGHU SROLWLVFKHQZLUWVFKDIWOLFKHQXQGJHVHOOVFKDIWOLFKHQ(QWZLFNOXQJHQQRFKPD‰ er diesen Fragen besondere Bedeutung bei. Im Zentrum der Aufmerksamkeit stand die sowjetische Deutschlandpolitik. Deren vermutete Konzepte prägten nicht nur die Bewertung der Entwicklung in der DDR, sondern sie wurden vor DOOHPPLW%OLFNDXILKUH$XVZLUNXQJHQDXIGLH$X‰HQSROLWLNGHU%XQGHVUHSXEOLN DQDO\VLHUW ,P 9RUIHOG GHV$XIVWDQGHV JODXEWH GLH 2UJDQLVDWLRQ *HKOHQ LP 9HUVXFK GHU VRZMHWLVFKHQ )KUXQJ GLH SUHNlUH /DJH LQ GHU ''5 GXUFK einen Kurswechsel zu stabilisieren, eine deutschlandpolitische Initiative der sowjetischen Führung zu erkennen, die sich gegen die von der Regierung Adenauer verfolgte Westbindung der Bundesrepublik richtete. 'HU9RONVDXIVWDQGEUDFK²ZLHIUDOOH1DFKULFKWHQGLHQVWHLQ:HVWXQG2VW – auch für die Organisation Gehlen überraschend aus. Ob die Unruhen im 9RUIHOGKlWWHQHUNDQQWZHUGHQN|QQHQLVWEHLGHUKLVWRULVFKHQ%HZHUWXQJ weniger von Bedeutung als vielmehr die Frage nach einer zutreffenden Einordnung der Ereignisse und der daraus resultierenden Berichterstattung. In dieser Hinsicht war der 17. Juni für die Organisation Gehlen kein 5XKPHVEODWW$XIJUXQGGHU9RUDQQDKPHQYHUPXWHWHPDQLQ3XOODFKKLQWHUGHU Erhebung in Ostdeutschland politische Absichten der sowjetischen Führung. Die dem 17. Juni tatsächlich zugrunde liegenden politischen, wirtschaftlichen XQG JHVHOOVFKDIWOLFKHQ 8UVDFKHQ NRQQWHQ QXU PLW HLQLJHU 9HU]|JHUXQJ annähernd zutreffend eingeordnet werden. Dies erfolgte erst, nachdem sich GLHYHUPXWHWHVRZMHWLVFKH8UKHEHUVFKDIWQLFKWEHOHJHQOLH‰XQGGHQLQQHUHQ 9RUJlQJHQLQGHU''5EHLGHU/DJHEHXUWHLOXQJPHKU$XIPHUNVDPNHLWJH- schenkt wurde. 'HQ $EODXI XQG GLH 1LHGHUVFKODJXQJ GHV 9RONVDXIVWDQGHV NRQQWHQ WURW] HLQHVQDKH]XIOlFKHQGHFNHQGHQ$JHQWHQQHW]HVLQGHU''5YRQ3XOODFKQLFKW beobachtet werden. Als die Organisation Gehlen am Nachmittag des 17. Juni

80 81 DXI GLH 9RUJlQJH DXIPHUNVDP ZXUGH EUDFK LQIROJH GHU *UHQ]VFKOLH‰XQJ sich die Kritik der CIA wie auch des Kanzleramtes an den Leistungen der der Kontakt zu den Gewährsleuten in der DDR für etwa eine Woche ab. So 3XOODFKHU$XINOlUXQJLQGRFKUHFKWEHVFKHLGHQHQ*UHQ]HQ'HUDPHULNDQL war nur eine nachträgliche Rekonstruktion der Ereignisse möglich. Was die sche Dienst erhielt nachträglich, was ihn vorrangig interessierte: ein dichtes 2UJDQLVDWLRQ *HKOHQ VFKOLH‰OLFK EHU GHQ$XIVWDQG LQ (UIDKUXQJ EUDFKWH Meldungsbild über die militärischen Entwicklungen. Die Bundesregierung, basierte vorwiegend auf den Erkenntnissen des auf Militärspionage ausge- welche die Organisation Gehlen als Auslandsnachrichtendienst zu übernehmen richteten Agentennetzes. Da es keine aussagekräftigen Quellen gab, die eine EHDEVLFKWLJWH VFKlW]WH GHQ 3XOODFKHU 'LHQVW RIIHQEDU QXU LQ ]ZHLWHU /LQLH tiefer gehende Analyse der politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen wegen seiner Erkenntnisse über die DDR. Für die Berichterstattung über die =XVDPPHQKlQJH]XOLH‰HQEHVFKUlQNWHVLFKGLH%HULFKWHUVWDWWXQJEHUGHQ 9RUJlQJH|VWOLFKGHU(OEHNRQQWHVLHDXIDQGHUH,QVWLWXWLRQHQ]XUFNJUHLIHQ Aufstand in diesen entscheidenden Bereichen auf nur kursorische Angaben. Dieser konkurrierenden Unterrichtung dürfte es zu verdanken sein, dass die 7URW]GLHVHUGHIL]LWlUHQ,QIRUPDWLRQVJUXQGODJHNRQQWHVLFKGHU*HKOHQ'LHQVW YRQ3XOODFKQDFK%RQQEHUPLWWHOWHQ)HKOHLQVFKlW]XQJHQNHLQHEOHLEHQGHQ LP6RPPHUQLFKW]XHLQHUYROOVWlQGLJHQ5HYLVLRQVHLQHU7KHVHHLQHV 6SXUHQKLHUOLH‰HQ YRQ |VWOLFKHU 6HLWH LQV]HQLHUWHQ $XIVWDQGHV HQWVFKOLH‰HQ 6HKU GLFKW XQG 'DUDQ VFKOLH‰W VLFK GLH QRFK ]X NOlUHQGH )UDJH DQ ZHOFKH %H ]XWUHIIHQGKLQJHJHQEHULFKWHWHGLH3XOODFKHU$XINOlUXQJQDFKWUlJOLFKEHUGLH deutung die Organisation Gehlen als potentieller bundesdeutscher PLOLWlULVFKHQ9RUJlQJHZlKUHQGGHV9RONVDXIVWDQGHV $XVODQGVQDFKULFKWHQGLHQVW GHU ''5$XINOlUXQJ EHUKDXSW EHLPD‰ Eine Beteiligung der Organisation Gehlen am 17. Juni – wie von der DDR- Einstweilen muss auch offen blieben, ob die 1953 dominierende militärische 3URSDJDQGD EHKDXSWHW ² NDQQ GHILQLWLY DXVJHVFKORVVHQ ZHUGHQ 'DJHJHQ Informationserhebung etwa auf einen Mangel an Entfaltungsmöglichkeiten spricht schon die Interpretation der Unruhen als ein von Moskau herbeigeführ- unter der Ägide der CIA zurückzuführen ist. Gegenwärtig spricht nicht viel WHU$XIVWDQGGDVVSlWH5HDJLHUHQDXIGLH9RUJlQJHXQGQLFKW]XOHW]WHLQ dafür. Aus der Einsatznachbereitung ist nicht zu erkennen, dass der ameri- DOOHQ$JHQWHQHUWHLOWHV9HUERWVLFKGXUFKUHJLPHNULWLVFKHbX‰HUXQJHQRGHU kanische Dienst seine bereits vorhandene Unterstützung beim Ausbau 7DWHQGHU*HIDKUHLQHU9HUKDIWXQJDXV]XVHW]HQ(VH[LVWLHUWZHLWHUKLQNHLQ der klar defizitären Aufklärungszweige verweigert oder geschmälert hätte. 'RNXPHQWGDVDOV%HOHJIUHLQHDNWLYH5ROOH3XOODFKVJHOWHQN|QQWH Zudem bestand weiterhin die erklärte Absicht, die Organisation Gehlen 'LH)HKOZDKUQHKPXQJGHV9RONVDXIVWDQGHVZLHDXFKGLHRUJDQLVDWRULVFKHQ der Bundesregierung als Auslandsnachrichtendienst mit umfassenden 6FKZLHULJNHLWHQGHU$XINOlUXQJZDUHQQLFKWQXUHLQ3UREOHPGHU2UJDQLVDWLRQ .RPSHWHQ]HQ]XU9HUIJXQJ]XVWHOOHQ:HOFKHLQWHUQHQ)DNWRUHQKDEHQGLH Gehlen, sondern sie betrafen auch andere westliche Nachrichtendienste. /HLVWXQJVIlKLJNHLW3XOODFKVDOVRHLQJHVFKUlQNW"+DWWHGLHPLOLWlULVFKJHSUlJWH 'RFKZLHGLH%HULFKWHUVWDWWXQJGHV9HUIDVVXQJVVFKXW]HV]HLJWNDQQGLHVH Organisation Gehlen überhaupt ein Eigeninteresse an ziviler Aufklärung (LQVFKlW]XQJQLFKWYHUDOOJHPHLQHUWZHUGHQ1LFKWQXUGDV%I9VRQGHUQHWZD HQWZLFNHOW XQG YHUIJWH VLH EHU GLH GDIU QRWZHQGLJH ([SHUWLVH" 'DQDFK DXFKGDV2VWEURGHU63'VRZLH²VROHJWHVGLH)RUVFKXQJLQ]ZLVFKHQQDKH VLHKWHVJHJHQZlUWLJQLFKWDXVZLHDP%HLVSLHOGHV9RONVDXIVWDQGHVEHLP – andere geheimdienstlich gegen die DDR arbeitenden Organisationen, wie GHU]HLWLJHQ6WDQGGHU$NWHQHUVFKOLH‰XQJJH]HLJWZXUGH,P6RPPHU die Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit, verfügten über Möglichkeiten, die IKUWHQGLH'HIL]LWHGHU2UJDQLVDWLRQ*HKOHQQLFKW]XJU|‰HUHQ)ULNWLRQHQ (QWZLFNOXQJHQLQGHU''5YRUXQGZlKUHQGGHV9RONVDXIVWDQGHV]XYHUIRO- Der Dienst konzentrierte sich auf die Beseitigung organisatorischer Mängel. gen und die Fähigkeit, die Lage zutreffend einzuschätzen.261 Eine grundsätzliche Revision der defizitären DDR-Aufklärung blieb aus. Diese augenfällige Diskrepanz hinsichtlich Expertise und operativen Möglichkeiten der Organisation Gehlen und der anderen deutschen Dienste dürfte auf unterschiedliche Erkenntnisinteressen bei der Analyse der Entwicklung in der DDR zurückzuführen sein. Soweit bislang erkennbar, hielt

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82 83 Unabhängige Historikerkommission zur Erforschung der Geschichte des Bundesnachrichtendienstes 1945-1968

Wilhelm-Röpke-Str. 6c 35032 Marburg [email protected] www.uhk-bnd.de

Druck und Bindung: Bundesnachrichtendienst Gestaltung: David Löhr

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte biblio- grafische Angaben sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

2. überarbeitete Auflage, Marburg, Juni 2013

ISBN 978-3-9816000-0-1