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Vorschlagsliste mit Frauennamen für Straßenbenennungen Stand 14.06.2016

Frauen im Bezirk sichtbar machen!

Auf Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg wurde eine Namensliste mit Frauennamen erstellt, die für eine Straßenbenennung in Tempelhof-Schöneberg in Frage kommen. Die Namensvorschläge wurden mit einer sachlichen Erläuterung versehen.

Die Liste kann und soll ergänzt werden, auch durch direkte Vorschläge von Bürgerinnen und Bürgern. Die Namensvorschläge werden im Fachbereich Kunst, Kultur, Museen Tempelhof- Schöneberg gesammelt. In der Kommentierung sollten die Denkwürdigkeit sowie der Bezug der betreffenden Person zum Bezirk deutlich werden.

Die Vorschläge sind an folgende Adresse zu senden:

Archiv zur Geschichte von Tempelhof und Schöneberg, z.Hd. Veronika Liebau, archiv@ba- ts..de, telefonische Auskunft unter Tel. 90277 6214.

I. Schöneberg

1. Politikerinnen, Widerstandskämpferinnen, Juristinnen

Ella Barowsky (1912-2007); Politikerin

Bezirksbezug: Schöneberger Bürgermeisterin (1951-1955), danach Finanzstadträtin in Schöneberg; Direktorin des Lette-Vereins (1964-1975)

Bedeutung der Person über den Bezirk hinaus: Mitbegründerin der LDP Berlin (Vorläuferpartei der FDP); führend tätig in der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit sowie der Deutsch-Israelischen Gesellschaft; Vorsitzende des Deutschen Akademikerinnenverbandes; nach dem Berliner Bankenskandal 2001 eine der Initiatorinnen des Volksbegehrens für eine Neuwahl des Abgeordnetenhauses

Auszeichnungen/Ehrungen: u.a. Bundesverdienstkreuz, Stadtälteste von Berlin, Bürgermedaille des Bezirksamtes Wilmersdorf

Quellen: Jäkl, Reingard, “Ella Barowsky” in: Frauenpolitik und politisches Wirken von Frauen im Berlin der Nachkriegszeit 1945 bis 1949, hrsg. von Genth, Renate/Reingard Jäkl, u.a., Berlin 1996.

Margarete Berent (1887-1965); Juristin (Vorschlag SPD/Grüne)

Bezirksbezug: Ihre Kanzlei befand sich in Schöneberg in der Goltzstraße 34

Bedeutung der Person über den Bezirk hinaus: 1917 Mitbegründerin des „Deutschen Juristinnenvereins"; 1925 als erste Rechtsanwältin Preußens zugelassen; als Jüdin nach 2

der Machtübernahme der Nationalsozialisten aus der Rechtsanwaltskammer ausgeschlossen; wurde 1933 Vorstandsmitglied im Jüdischen Frauenbund und arbeitete in der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland; emigrierte 1939 nach Chile, lebte später in den USA; ihre Dissertation „Die Zugewinngemeinschaft der Ehegatten“ (1914) wurde 1958 eine der Grundlagen bei der Umgestaltung des ehelichen Güterrechts in der Bundesrepublik

Erinnerung: Gedenktafel in der Goltzstraße 34

Quellen: Dick, Jutta/Sassenberg, Marina, Jüdische Frauen im 19. und 20. Jahrhundert. Lexikon zu Leben und Werk, Reinbek bei Hamburg 1993, S. 53–55; Album in der Ausstellung „Wir waren Nachbarn“.

Liane Berkowitz (1923-1943), Widerstandskämpferin

Bezirksbezug: lebte von 1930-1943 in Schöneberg am Viktoria-Luise-Platz

Bedeutung der Person über den Bezirk hinaus: 1923 Flucht mit ihrer Familie aus der Sowjetunion nach Berlin; erste Kontakte zum Freundeskreis um Eva und (Widerstandszirkel im Umkreis der „Roten Kapelle“); Beteiligung an der Flugblattaktion im August 1942 gegen die antisowjetische Propagandaausstellung "Das Sowjetparadies"; Verhaftung im September 1942 und Verurteilung zum Tode im Januar 1943 durch das Reichskriegsgericht; Ermordung am 5. August 1943 in Berlin-Plötzensee

Quellen: Tuchel, Johannes: Motive und Grundüberzeugungen des Widerstandes der Harnack/Schulze-Boysen-Organisation. Zum Denken und Handeln von Liane Berkowitz und Friedrich Rehmer, in: Eva-Maria Buch und die "Rote Kapelle". Erinnerungen an den Widerstand gegen den Nationalsozialismus, hrsg. von Kurt Schilde, Berlin 1993 (2., überarbeitete Auflage), S. 93ff.

Jenny Hirsch (1829-1902); Frauenrechtlerin, Redakteurin, Schriftstellerin, Übersetzerin

Bezirksbezug: Mitbegründerin des Lette-Vereins

Bedeutung der Person über den Bezirk hinaus: Vorreiterin der deutschen Frauenbewegung und insbesondere der Frauen im Journalismus; Herausgeberin der Zeitschrift „Der Frauen- Anwalt“; Mitarbeiterin bei diversen Berliner Tageszeitungen und der Modezeitschrift „Bazar“; Mitbegründerin des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins; Geschäftsführerin des Lette- Vereins „zur Förderung der Erwerbsfähigkeit des weiblichen Geschlechts"; Übersetzung des 1869 in England erschienen Plädoyers des Philosophen und Nationalökonomen John Stuart Mill für das Frauenstimmrecht "The Subjection of Women“ ("Die Hörigkeit der Frau"), Verfasserin mehrerer belletristischer Werke

Quellen: Büning, Marianne, Jenny Hirsch (1829–1902). Frauenrechtlerin - Redakteurin - Schriftstellerin", Teetz/Berlin 2005; Fassmann, Maya, Jenny Hirsch. 1829-1902, auf: Jewish Women’s Archive, URL: http://jwa.org/encyclopedia/article/hirsch-jenny.

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Luise Kautsky (1864-1944), Sozialistin, Theoretikerin, Schriftstellerin

Bezirksbezug: lebte in in der Saarstraße 14

Bedeutung der Person über den Bezirk hinaus: Mitglied der deutschen Arbeiterbewegung; verheiratet mit dem Theoretiker und Redakteur der sozialistischen Zeitschrift „Neue Zeit“ Karl Kautsky; Übersetzerin mehrerer sozialistischer Schriften aus dem Englischen, Französischen und Russischen; enge Vertraute Rosa Luxemburgs; 1917 Eintritt in die USPD; Mitarbeiterin der Frauenzeitschrift „Die Gleichheit“; Autorin der ersten Biographie Rosa Luxemburgs; 1938 Flucht mit ihren Mann nach Holland; 1944 wurde Luise Kautsky nach Auschwitz deportiert und dort ermordet

Quellen: Dick, Jutta/Sassenberg, Marina, Jüdische Frauen im 19. und 20. Jahrhundert. Lexikon zu Leben und Werk. Reinbek bei Hamburg, 1993; S. 209-211; von Chamier, Astrid, Luise und Karl Kautsky. Saarstraße 14, in: Orte des Erinnerns, hrsg. vom Kunstamt Schöneberg, Schöneberg Museum in Zusammenarbeit mit der Gedenkstätte Haus der Wannsee-Konferenz, Bd. 2, Berlin 1995, S. 197-199; Album in der Ausstellung „Wir waren Nachbarn“; Miller, Susanne, Jüdische Frauen in der Arbeiterbewegung. Rosa Luxemburg und Luise Kautsky, in: Juden und deutsche Arbeiterbewegung bis 1933, hrsg. von Ludger Heid und Arnold Paucker (Schriftenreihe wissenschaftlicher Abhandlungen des Leo- Baeck-Instituts 49), 1992 London (u.a.), S. 147-154.

Helene Stöcker (1869-1943); Literaturwissenschaftlerin, Schriftstellerin, Frauenrechtlerin, Sexualreformerin, Pazifistin

Bezirksbezug: lebte von 1908 bis1912 in Friedenau in der Sentastraße 5; zwischen 1909 und 1910 befand sich hier auch der Sitz des von ihr gegründeten Deutschen Bund für Mutterschutz und Sexualreform

Bedeutung der Person über den Bezirk hinaus: 1902 Promotion als erste deutsche Frau in Literaturwissenschaften an der Universität Bern; Mitbegründerin mehrerer Frauenverbände, Initiatorin des Bundes für Mutterschutz und Sexualreform; Entwicklung der „neuen Ethik“ als Plädoyer für die sexuelle und körperliche Selbstbestimmung der Frau; zwischen 1905 und 1932 Herausgeberin der Zeitschrift „Neue Generation“; Befürworterin der Straffreiheit von Abtreibungen; während des Ersten Weltkriegs aktives Mitglied in der deutschen Friedensbewegung; nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten Emigration über Schweiz und Schweden in die USA

Quellen: Wickert, Christl, Helene Stöcker 1869-1943. Frauenrechtlerin, Sexualreformerin und Pazifistin, Bonn 1991; Sander, Sabine, „Lieben muss ich, da ich lebe“. Helene Stöcker (1869-1943), in: Ich bin meine eigene Frauenbewegung, hrsg. von Petra Zwaka u.a./Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg, Berlin 1991, S. 50-52; Schroeder, Hiltrud, Helene Stöcker, auf: Fembio. Frauen. Biographieforschung, URL: http://www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/helene-stoecker/.

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Erna Proskauer (1903-2001), Juristin

Bezirksbezug: lebte in Schöneberg in der Bundesallee

Bedeutung der Person über den Bezirk hinaus: Abschluss des Jurastudiums als eine der ersten Frauen Deutschlands; wurde nach Erlassung des "Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" als Jüdin aus dem vorbereitenden Justizdienst 1933 entlassen; nach Berufsverbot für den Ehemann Max Proskauer gemeinsame Emigration über Paris nach Palästina; 1953 Rückkehr nach Berlin; Beginn eines jahrelangen Rechtsstreits um Wiederaufnahme in den Justizdienst; Ablehnung ihres Antrags mit dem Hinweis, dass sie nicht als Jüdin, sondern „in erster Linie als verheiratete Frau“ aus dem Justizdienst scheiden musste; wird daraufhin juristische Beraterin für Entschädigungsanträge; nach dem Tod ihres Mannes 1968 übernimmt sie seine Kanzlei

Auszeichnungen/Ehrungen: 1995 Verleihung des Bundesverdienstkreuzes für ihre "Verdienste um die Berliner Justiz".

Quellen: Proskauer, Erna, Wege und Umwege. Erinnerung einer Rechtsanwältin, Berlin 1989; Album in der Ausstellung „Wir waren Nachbarn“; Rowekamp, Marion, Erna Proskauer, 1903-2001, auf: Jewish Women’s Archive, URL: http://jwa.org/encyclopedia /article/proskauer-erna; Emmerich, Marlies, Erna Proskauer mit 65 Jahren Anwältin geworden, auf: Berliner Zeitung, URL: http://www.berliner-zeitung.de/erna-proskauer--mit- 65-jahren-anwaeltin-geworden-17355596.

Annemarie Renger (1919-2008), Politikerin

Bezirksbezug: Schülerin der Augusta-Schule in Schöneberg (heute Sophie-Scholl-Schule)

Bedeutung der Person über den Bezirk hinaus: Familie in der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung tief verwurzelt; 1934 verliert Renger durch den Entzug des Schülerstipendiums ihren Schulplatz auf der Augusta-Schule; begann daraufhin eine Verlagskaufmannslehre; nach 1945 wurde Renger als Sekretärin Kurt Schumachers zur engsten Vertrauten des SPD-Vorsitzenden; trotz Kritik aus den eigenen Reihen folgte 1972 ihre Wahl zur Präsidentin des Bundestages; war damit nicht nur die die erste Sozialdemokratin, sondern auch die erste Frau in diesem Amt; ihr politisches Engagement galt bis zuletzt der Förderung des deutsch-israelischen Dialogs

Auszeichnungen/Ehrungen: 2006 Heinz-Galinski-Preis, Ehrendoktorwürde der Ben- Gurion-Universität; seit 2013 verleiht der Arbeiter-Samariter-Bund den Annemarie-Renger- Preis für bürgerschaftliches Engagement

Quellen: Annemarie Renger: Leidenschaftliche Demokratin, auf: Textarchiv des Deutschen Bundestages, URL: https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv /2014/25609379_praesidenten_05/200106; Annemarie Renger. 1919-2008, auf: LEMO – Lebendiges Museum online, URL: https://www.hdg.de/lemo/biografie/annemarie- renger.html; Interview mit Annemarie Renger, auf: Gedächtnis der Nation, URL: https://www.youtube.com/watch?v=EczcfWq6rNA.

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Käthe (Kitty) Kuse (1904-1999), Aktivistin, Journalistin

Bezirksbezug: lebte mit ihrer Familie auf der „Roten Insel“; ihr Grab liegt auf den Alten St. Matthäus-Friedhof in Schöneberg

Bedeutung der Person über den Bezirk hinaus: wuchs in einer sozialdemokratischen Familie auf; half während der Zeit des Nationalsozialismus der jüdischen Malerin Gertrude Sandmann mit Lebensmitteln zu überleben; gründete nach der Trennung von ihrer langjährigen Lebensgefährtin die Gruppe „L 74“ (Lesbos 74); schuf damit die erste Organisation für ältere Lesben nach dem Krieg; ab 1975 gab die Gruppe eine eigene Zeitung heraus (ukz – unsere kleine zeitung)

Erinnerung: Gedenkstein auf den Alten St. Matthäus-Friedhof in Schöneberg

Quellen: Kokula, Ilse/von Lengerke, Christiane/Rieger, Eva, Kitty Kuse, auf: Fembio. Frauen. Biographieforschung, URL: http://www.fembio.org/biographie.php/frau/ biographie/kaethe-kitty-kuse/.

2. Künstlerinnen, Schriftstellerinnen

Ilse Fehling (1896-1982), Kostümbildnerin, Bildhauerin, Bauhaus-Künstlerin

Bezirksbezug: Ausbildung 1919/20 an der privaten Kunst- und Kunstgewerbeschule „Reimann“ in Schöneberg (Gründung 1902, Zerstörung durch Luftangriffe 1943)

Bedeutung der Person über den Bezirk hinaus: ab 1920 Studium am Bauhaus in Weimar u.a. bei Oskar Schlemmer und Paul Klee; ab 1923 freischaffende Bildhauerin; zugleich tätig als Bühnen- und Kostümbildnerin; 1932 Rompreis der Preußischen Akademie der Künste; dieselbe Akademie lehnte Fehlings künstlerische Arbeiten 1933 als "entartet" ab; 1943 Beschlagnahmung ihrer Wohnung durch die Nationalsozialisten; Verlust des Großteils ihrer Skulpturen durch Bombenangriffe; von 1943 bis 1944 war Fehling am Hamburger Thalia Theater angestellt; nach dem Krieg arbeitete sie u.a. als Pressezeichnerin; 1963 letzte Ausstellung ihrer künstlerischen Arbeiten in der Münchener "Galerie Gurlitt"

Quellen: Ilse Fehling, auf: bauhaus-online, URL: http://bauhaus-online.de/atlas /personen/ilse-fehling; Müller, Ulrike, Bauhaus-Frauen, Berlin 2009; Jochens, Birgit/ Miltenberger, Sonja (Hg.), Zwischen Rebellion und Reform. Frauen im Berliner Westen, Berlin 1999.

Hannah Höch (1889-1978), Künstlerin des Dadaismus

Bezirksbezug: Atelier in Friedenau

Bedeutung der Person über den Bezirk hinaus: künstlerische Ausbildung an der Kunstgewerbeschule und an dem Kunstgewerbemuseum in Berlin; 1915 Aufnahme der Kontakte zu den dadaistischen Zirkeln ; Auseinandersetzung mit den gängigen Rollenklischees ihrer Zeit und Thematisierung der Geschlechterbilder in der Gesellschaft; etablierte mit ihrem Werk die Collage zur Kunstform; 1920 als einzige Frau an der Ersten Internationalen Dada-Messe vertreten; regelmäßige Teilnahme an den jährlichen 6

Ausstellungen der „Novembergruppe“; 1931 Öffentliche Positionierung gegen den Paragraphen 218 in der Ausstellung „Frauen in Not“; nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten galt ihre Kunst als „entartet“; um weiterhin künstlerisch Wirken zu können, wurde Hannah Höch Mitglied in der Reichskulturkammer; 1948 Ausstellung ihrer Werke im Museum of Modern Art (MoMA) in New York;1965 an die Akademie der Künste berufen

Auszeichnungen/Ehrungen: 1976 Ehrenprofessur vom Berliner Senat, Ehrengrab auf dem Friedhof in Heiligensee.

Quellen: Schweitzer, Cara, Schrankenlose Freiheit für Hannah Höch, Hamburg 2011; Hermanns, Doris, Hannah Höch, auf: Fembio. Frauen. Biographieforschung, URL: http://www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/hannah-hoech/; Schossig, Rainer B., Hannah Höch. Die Dame unter den Dada-Künstlern, auf: Deutschlandfunk, URL: http://www.deutschlandfunk.de/hannah-hoech-die-dame-unter-den-dada-kuenstlern.871. de.html?dram:article_id=301965

Jeanne Mammen (1890-1976), Künstlerin

Bezirksbezug: ihr Grab liegt auf dem Friedhof Stubenrauchstraße in Friedenau

Bedeutung der Person über den Bezirk hinaus: aufgewachsen und künstlerisch ausgebildet in Paris; flüchtete während des Ersten Weltkrieges mit ihrer Schwester nach Berlin; zeichnete von 1924 für satirische Zeitschriften wie den "Simplicissimus", „Uhu“, "Ulk" und "Der Junggeselle"; bekannt wird sie vor allem für ihre Portraits weiblicher „Großstadttypen“, die während ihres Umherstreifens in Berliner Kneipen und Cafés entstanden; 1930 erste Ausstellung in der „Galerie Gurlitt“; zog sich während der Nazizeit in ihr Haus am Kurfürstendamm zurück; 1947 Einzelschau ihrer Werke in der Galerie Gerd Rosen; wurde Ende der 1940er Jahre Mitglied des Künstler-Kabaretts „Die Badewanne“; 1997 umfassende Retrospektive in der Berlinischen Galerie

Erinnerung: Jeanne-Mammen-Stiftung

Quellen: Rochner, Renate, Jeanne Mammen, auf: Fembio. Frauen. Biographieforschung, URL: www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/jeanne-mammen/#biografie; Die Künstlerin Jeanne Mammen (1890-1976), auf: Jeanne-Mammen-Stiftung, URL: http:// www.jeanne-mammen.de/html/deutsch/inhalte/kuenstlerin.html

Dinah Nelken (1900-1989), Schriftstellerin, Drehbuchautorin

Bezirksbezug: ihr Grab liegt auf den Friedhof Stubenrauchstraße in Friedenau

Bedeutung der Person über den Bezirk hinaus: begründete mit ihrem Bruder das Kabarett "Die Unmöglichen"; zog Ende der 1920er Jahre in die Künstlerkolonie Wilmersdorf; veröffentlicht mehrere Kurzgeschichten in verschiedenen Berliner Zeitungen; 1936 Flucht mit ihren Mann und Bruder nach Wien; arbeitete dort als Drehbuchautorin für einen Theaterverlag; 1938 veröffentlichte sie ihren bekanntester Roman "ich an dich"; 1939 Flucht nach Jugoslawien, wo sie Kontakt zum antifaschistischen Widerstand hielt; 1950 Rückkehr nach West-Berlin; neben ihrer schriftstellerischen Tätigkeit engagiert sie sich auch in der deutschen Friedensbewegung („Künstler für den Frieden“) 7

Quellen: Rheinsberg, Anna (Hg.), Bubikopf. Aufbruch in den Zwanzigern. Texte von Frauen, Darmstadt 1988; Kröger, Marianne, "Nelken, Dinah" auf: Neue Deutsche Biographie; URL: http://www.deutsche-biographie.de/pnd106795392.html

Benita Koch-Otte (1892-1976); Lehrerin, Bauhaus-Künstlerin

Bezirksbezug: Schülerin des Lette-Vereins in Schöneberg

Bedeutung der Person über den Bezirk hinaus: 1920-1925 Studentin und Mitarbeiterin der Webereiwerkstatt am Bauhaus in Weimar; 1925-1933 Leitung der Weberei in den Werkstätten Kunstgewerbeschule Kurt Giebichenstein in Halle; nach ihrer Entlassung aus dem Hochschuldienst durch die Nationalsozialisten zog sie gemeinsam mit ihren Mann nach Prag; 1934 kehrte sie nach dem Tod ihres Mannes zurück nach Deutschland; übernahm die Leitung der Weberei in den Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel; ihr Werk wurde zuletzt wegen ihrer widersprüchlichen Haltung zum Nationalsozialismus kontrovers diskutiert

Quellen: Bußmann, Anette, Benita Koch-Otte, auf: Fembio. Frauen. Biographieforschung, URL: http://www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/benita-koch-otte/; Benita Koch- Otte, auf: bauhaus-online, URL: http://bauhaus-online.de/atlas/personen/benita-koch-otte.

Gertrude Sandmann (1893-1981); Malerin, Grafikerin

Bezirksbezug: lebte in Schöneberg, u.a. in der Eisenacher Straße 89

Bedeutung der Person über den Bezirk hinaus: Studium an der Akademie der Künste in Berlin, an der ab 1919 mit der Ernennung von Käthe Kollwitz zur Professorin auch ein Studium für Frauen möglich wurde; Mitglied im Reichsverband bildender Künstler und im ersten überregionalen Künstlerinnenverein GEDOK; arbeitete in den Zwanzigern als Illustratorin für Modezeitschriften; lebte zu der Zeit bereits offen homosexuell; sagte sich aufgrund der ablehnenden Haltung der jüdischen Gemeinde gegenüber Homosexuellen von Judentum los; 1935 Ausschluss aus dem Reichsverband Bildender Künstler und Berufsverbot; nach Erhalt des Deportationsbefehl täuschte Sandmann einen Selbstmord vor und versteckte sich für drei Jahre in verschiedenen Wohnungen; erst im Zuge der Neuen Frauenbewegung in den 1970er Jahren als lesbische Malerin wiederentdeckt; war Mitbegründerin des Coming-out-Verlags und einer der ersten Lesbengruppe der Nachkriegszeit „L 74“ (Lesbos 1974)

Erinnerung: Gedenkstein auf dem Alten St.-Matthäus-Friedhof

Quellen: Havemann, Anna, Gertrude Sandmann. Künstlerin und Frauenrechtlerin. (Reihe Jüdische Miniaturen) Berlin 2010; Bührmann, Traude, Gertrude Sandmann, auf: Fembio. Frauen. Biographieforschung, URL: http://www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/ gertrude-sandmann/; Album in der Ausstellung: „Wir waren Nachbarn“.

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Alma Siedhoff-Buscher (1899-1944); Bauhaus-Künstlerin; Kunsthandwerkerin, Tischlerin, Möbeldesignerin

Bezirksbezug: studierte 1917-1920 an der „Reimann-Schule“ in Schöneberg

Bedeutung der Person über den Bezirk hinaus: 1922-1925 Studium am Bauhaus in Weimar; bekam als einer der ersten Frauen einen Platz in der Holzbildhauerei-Klasse; erhielt daraufhin den Auftrag für die Gestaltung des Kinderzimmers im Bauhaus- Vorzeigeprojekt „Haus am Horn“; wurde damit zur Wegbereiterin der Einrichtungspädagogik von Kinderzimmern; 1924 kaufte die Firma Zeiss den Entwurf für den eigenen Firmenkindergarten; Bekanntheit erlangte sie daneben auch durch ihre Entwürfe für Spielzeug wie das „Schiffbauspiel“ von 1924; starb 1944 durch einen Bombenangriff

Quellen: Bußmann, Anette, Alma Siedhoff-Buscher, auf: Fembio. Frauen. Biographieforschung, URL: http://www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/alma- siedhoff-buscher/; Alma Siedhoff-Buscher, auf: bauhaus-online, URL: http://bauhaus- online.de/atlas/personen/alma-siedhoff-buscher; Müller, Ulrike, Bauhaus-Frauen. Meisterinnen in Kunst, Handwerk und Design, München 2009.

Milly Steger (1881-1948), Bildhauerin, Grafikerin

Bezirksbezug: Mitglied der Schöneberger Kunstdeputation (Wandbild im Ratskeller Schöneberg mit Mitgliedern der Kunstdeputation von 1929)

Bedeutung der Person über den Bezirk hinaus: galt als Ausnahmeerscheinung, die sich in die „Männerdomäne“ der Bauplastik vorwagte; löste mit ihren vier monumentalen Frauenakten für die Fassade des Hagener Stadttheaters einen Skandal aus; 1916 veröffentlichte Else Lasker-Schüler ein Gedicht über die Bildhauerin; unterrichtete von 1927 bis 1942 Bildhauerei und Aktzeichnen an der Unterrichtsanstalt des Vereins der Künstlerinnen zu Berlin, zu dessen Vorstand sie gehörte; war in vielen künstlerischen Vereinigungen vertreten u.a. in der Berliner Sezession und dem Deutschen Demokratischen Frauenbund; 1937 wurden zwei Plastiken Milly Stegers als „entartet“ beschlagnahmt; kann während der Zeit des Nationalsozialismus weiterhin ausstellen, erhält jedoch keine öffentlichen Aufträge mehr

Quellen: Schulte, Birgit (Hg.), Die Grenzen des Frauseins aufheben. Die Bildhauerin Milly Steger, Hagen 1998; Jochens, Birgit/Miltenberger, Sonja (Hg.), Zwischen Rebellion und Reform. Frauen im Berliner Westen, Berlin 1999; Artinger, Kai: Milly Steger. in: Wie eine Nilbraut, die man in die Wellen wirft. Portraits expressionistischer Künstlerinnen und Schriftstellerinnen, hrsg. von Britta Jürgs, Berlin 1998, S. 250-267.

3. Wissenschaftlerinnen, Pädagoginnen

Lina Mayer-Kulenkampff (1886-1971), Schulleiterin

Bezirksbezug: Leiterin der Augusta-Schule (heute Sophie-Scholl-Schule) und des Pestalozzi-Fröbel-Hauses (PFH)

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Bedeutung der Person über den Bezirk hinaus: engagierte sich parallel zu ihrer Berufstätigkeit als Studienrätin für die Deutsche Demokratische Partei (DDP); 1931 Umzug nach Berlin und Übernahme der Schulleitung der Staatlichen Augusta-Schule; als sie sich in ihrer Funktion als Schulleiterin zum Nationalsozialismus bekennen soll, trat sie 1933 zurück; 1934 folgt ihr Austritt aus dem Preußischen Schuldienst, um einer Vereidigung auf Hitler zu entgehen; ab 1945 wurde sie Leiterin mehrerer Fachschulen für sozialpädagogische Berufe, darunter das PFH in Schöneberg

Auszeichnungen/Ehrungen: 1956 erhält sie das Bundesverdienstkreuz, 2007 Erinnerungstafel in der Sophie-Scholl-Schule

Quellen: Förster, Bodo, Die Sophie-Scholl-Oberschule in Berlin-Schöneberg. 175 Jahre Schulgeschichte, Berlin 2008.

Helene Lange (1848-1930); Pädagogin, Frauenrechtlerin, Politikerin

Bezirksbezug: legte 1871 an der Augusta-Schule (heute Sophie-Scholl-Schule) ihr Lehrerinnenexamen ab

Bedeutung der Person über den Bezirk hinaus: nahm entscheidend Einfluss auf die Reform des Mädchenschulwesens; Anstoß dafür gab ihr 1887 veröffentlichte Broschüre "Die höhere Mädchenschule und ihre Bestimmung“ (sog. "Gelbe Broschüre"), in der sie die Neugestaltung der Bildungseinrichtungen für Mädchen aus bürgerlichen Haushalt forderte; 1890 gründet sie zur besseren Ausbildung von Lehrerinnen den ADLV (Allgemeinen Deutschen Lehrerinnen-Verein); zusammen mit Gertrud Bäumer schrieb sie das "Handbuch der Frauenbewegung"(1901-1906) und gab die Zeitschrift "Die Frau"(1893- 1944) heraus; nach dem Ersten Weltkrieg gehörte sie zu den Mitbegründerinnen der Deutschen Demokratischen Partei (DDP)

Auszeichnungen/Ehrungen: 1923 Ehrendoktorwürde der Universität Tübingen, 1928 preußische Staatsmedaille „Für Verdienste um den Staat“; 1928 Ehrenbürgerin der Stadt Oldenburg, seit 2009 Vergabe des Helene-Lange-Preis an Nachwuchswissenschaftlerinnen aus den Naturwissenschaften

Quellen: Jochens, Birgit/Miltenberger, Sonja (Hg.), Zwischen Rebellion und Reform. Frauen im Berliner Westen, Berlin 1999; Schroeder, Hiltrud, Helene Lange, auf: Fembio. Frauen. Biographieforschung, URL: http://www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/ helene-lange/; Wolff, Kerstin; Helene Lange. Eine Lehrerin in der bürgerlichen Frauenbewegung, auf: Bpb. Dossier Frauenbewegung, URL: http://www.bpb.de /gesellschaft/gender/frauenbewegung/35312/helene-lange?p=all.

Dora Lux, geb. Bieber (1882-1959), Gymnasiallehrerin, Autorin

Bezirksbezug: wohnte in der Fregestraße 81, unterrichtete am Lette-Verein

Bedeutung der Person über den Bezirk hinaus: Nichte der Frauenrechtlerin Hanna Bieber- Böhm; war zusammen mit ihrer Schwester Schülerin eines von Helene Lange ins Leben gerufenen Gymnasialkurses für Frauen in Berlin; promovierte 1906 in München (Altphilologie) und legte mit Sondergenehmigung in Baden ihr Staatsexamen ab; 1909 wurde sie eine der ersten Gymnasiallehrerin in Preußen; unterrichtete ab 1922 am Lette- 10

Verein; 1933 musste sie als Jüdin den Schuldienst verlassen; veröffentlichte zwischen 1933 und 1936 regimekritische Beiträge in der von ihrer Tante gegründeten Zeitschrift „Ethische Kultur“; 1939 entzog sie sich der amtlichen Erfassung als Jüdin; lebte bis zum Tod ihres Mannes 1944 in Berlin; aus Angst vor einer Deportation verließ sie 1945 Berlin und lebte bis Kriegsende am Bodensee

Quellen: Schramm, Hilde, Meine Lehrerin, Dr. Dora Lux, 1882-1959. Nachforschungen, Reinbek bei Hamburg 2012; Senfft, Alexandra, Eine deutsche Intellektuelle, auf: taz. die tageszeitung, URL: http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ku&dig=2012 %2F03%2F31%2Fa0026&cHash=e6c55bb2a9.

Elsa Neumann (1872-1902), Physikerin

Bezirksbezug: Lehrerin an der Augusta-Schule in Schöneberg (heute Sophie-Scholl-Schule)

Bedeutung der Person über den Bezirk hinaus: promovierte 1899 mit Sondererlaubnis als erste Frau im Fach Physik an der Berliner Friedrich-Wilhelm-Universität (heute Humboldt- Universität); ihre Pionierleistung machte sie über Nacht zu einem „Medienstar“ in der Berliner Zeitungslandschaft; da es keine Aussicht auf eine bezahlte Stelle in Deutschland gab, lebte sie für einige Jahre in Großbritannien; starb im Alter von 29 Jahren durch einen Arbeitsunfall; ihre Mutter rief nach dem Tod ihrer Tochter den Elsa-Neumann-Preis ins Leben

Erinnerungen: das Land Berlin vergibt jedes Jahr das Elsa-Neumann-Stipendium an besonders qualifizierten Nachwuchswissenschaftler_innen

Quellen: Vogt, Anette B., Else Neumann 1872-1902, auf: Jewish Woman’s Archive, URL: http://jwa.org/encyclopedia/article/neumann-elsa; Dähn, Astrid, Das erste Fräulein Doktor in Berlin, auf: Berliner Zeitung, URL: http://www.berliner-zeitung.de/vor-hundert-jahren- promovierte-die-physikerin-elsa-neumann-an-der-friedrich-wilhelms-universitaet-das-erste- fraeulein-doktor-in-berlin-16114924

Erika Pannwitz (1904-1975); Mathematikerin

Bezirksbezug: machte 1922 Abitur an der Augusta-Schule in Schöneberg (heute Sophie- Scholl-Schule)

Bedeutung der Person über den Bezirk hinaus: studierte Mathematik in Berlin; promovierte 1931 an der Friedrich-Wilhelms-Universität (heute Humboldt-Universität); erhielt bereits während ihrer Promotion eine Stelle als wissenschaftliche Assistentin an der Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin; damit war sie eine von zwei Frauen, die zwischen 1926 und 1930 an der Akademie angestellt waren; 1940 -1945 arbeitete sie beim Chiffrier- dienst des Auswärtigen Amtes; von 1953-1969 leitete sie das "Zentralblatt der Mathematik"

Quellen: Vogt, Annette, Von der Hilfskraft zur Leiterin. Die Mathematikerin Erika Pannwitz, in: Berlinische Monatsschrift. Heft 5, 1999.

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Clara von Simson (1897-1983); Chemikerin

Bezirksbezug: 1918 Abitur an der Augusta-Schule in Schöneberg (heute Sophie-Scholl- Schule); Direktorin des Lette-Vereins (1952-1963)

Bedeutung der Person über den Bezirk hinaus: promovierte 1923 an der Friedrich- Wilhelm-Universität (heute Humboldt-Universität) in Experimentalphysik; arbeitete dort bis 1933 als Assistentin am Physikalisch-Chemischen Institut; musste aufgrund ihrer Gegner- schaft zum NS-Regime die Universität verlassen; nach dem Krieg wurde sie Mitglied in der LPD und im Berliner Frauenbund; 1951 habilitierte sie sich als erste Frau in Physik an der TU Berlin; 1963-1971 war sie Mitglied im Berliner Abgeordnetenhaus für die FDP.

Quellen: Jochens, Birgit/Miltenberger, Sonja (Hg.), Zwischen Rebellion und Reform. Frauen im Berliner Westen, Berlin 1999.

Franziska Tiburtius (1843-1927); Ärztin; Frauenrechtlerin

Bezirksbezug: Vorreiterin der 1908 in der Karl-Schrader-Straße eröffneten "Chirurgische Klinik weiblicher Ärzte"; wohnte mit ihrer Lebensgefährtin zeitweise in der Bülowstraße

Bedeutung der Person über den Bezirk hinaus: um Ende des 19 Jh. Medizin studieren zu können, musste sie nach Zürich ziehen, da es in Preußen bis 1908 Frauen untersagt war, zu studieren und zu promovieren; 1876 eröffnete sie in Berlin mit einer Studienkollegin eine Privatpraxis mit rein weiblichen Medizinpersonal; musste sich immer wieder gegen den Versuch ihrer männlichen Kollegen zu Wehr setzen, ihren Doktortitel aberkennen zu lassen; gemeinsam mit Emilie Lehmus eröffnete sie eine „Poliklinik weiblicher Ärzte für Frauen“, aus der 1908 die Chirurgische Klinik weiblicher Ärzte" in Schöneberg hervorging (bis 1930); ebnete damit den Weg für Frauen in der Medizin

Quellen: Tiburtius, Franziska, Erinnerungen einer Achtzigjährigen, Autobiografie, Berlin1923; Franziska Tiburtius, auf: Charité. Ärztinnen im Kaiserreich, URL: http://geschichte.charite.de/aeik/biografie.php?ID=AEIK00138

Luise Zickel (1878-1942); Lehrerin, Schulleiterin

Bezirksbezug: leitete die sog. Zickelschule in Schöneberg; lebte am Bayrischen Platz

Bedeutung der Person über den Bezirk hinaus: leitete ab 1911 die „Gehobene Mädchenschule von Frl. Lucie Zickel“ in der Kufsteiner Straße; nachdem die Nationalsozialisten den Zugang für Juden und Jüdinnen an deutschen Schulen immer mehr beschränkten, wandelte Luise Zickel 1936 ihre Einrichtung zu einer rein jüdischen Schule um; bis 1937 gab es an der Schule 200 Schüler und Schülerinnen; viele von ihnen beschreiben in der Ausstellung „Wir waren Nachbarn“ die Schule als „Ort der Normalität in einer Zeit, in der nichts normal war“; 1939 musste Zickel die Schule schließen; Luise Zickel lebte noch bis zu ihrer Deportation als Privatdozentin am Bayrischen Platz; wurde 1942 nach Riga deportiert und dort ermordet

Quellen: Album in der Ausstellung: „Wir waren Nachbarn“

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II. TEMPELHOF

1. Politikerinnen, Widerstandskämpferinnen, Juristinnen

Marianne Cohn (1922-1944); Kinderfürsorgerin, Widerstandskämpferin

Bezirksbezug: lebte in Tempelhof am Wulfila-Ufer 52; besuchte u.a. das Lyzeum in der Tempelhofer Ringstraße (heute Dag-Hammerskjöld-Oberschule)

Bedeutung der Person über den Bezirk hinaus: 1934 Emigration der Familie nach Spanien, nach Ausbruch des spanischen Bürgerkriegs flüchtete die Familie weiter und landet schließlich 1938 in Frankreich; seit März 1943 arbeitete Marianne Cohn als Kinderfürsorgerin bei einer zionistischen Jugendorganisation und wurde Mitglied einer Widerstandsbewegung, die von Deportation bedrohte Kinder illegal über die französisch- schweizerische Grenze brachte; 1944 wurde sie an die Gestapo verraten und am 30. Mai während eines Transports festgenommen; am 8.Juli 1944 wurde Marianne Cohn mit 21 Jahren von der Gestapo erschossen

Quellen: Schilde, Kurt, Erinnern und nicht vergessen, Berlin 1988; Album in der Ausstellung: „Wir waren Nachbarn“; Federspiel, Dr. Ruth/Emmerich, Hannelore, Marianna Cohn, auf: Stolpersteine in Berlin, URL: http://www.stolpersteine-berlin.de/de /biografie/1269

Gertrud Hanna (1876-1944), Gewerkschafterin, Politikerin

Bezirksbezug: lebte zeitweilig in Tempelhof in der Hoeppnerstraße 41

Bedeutung der Person über den Bezirk hinaus: setzte sich zeitlebens für die Verbesserung der Arbeitssituation von Frauen ein; ihr Hauptanliegen galt vor allem dem Recht auf Erwerbstätigkeit für Frauen und der gleichen Bezahlung von Männern und Frauen; seit 1897 Vorstandsmitglied der Buchdruckereigewerkschaft; ab 1907 hauptamtliche Gewerkschaftsangestellte; 1908 Eintritt in die SPD; 1909-1933 einzige Frau in der Generalkommission der Gewerkschaften; 1915-1933 Schriftleiterin der Zeitschrift "Gewerkschaftliche Frauenarbeit"; 1919-1933 Hauptausschuss der Arbeiterwohlfahrt und Abgeordnete im Preußischen Landtag; in der NS-Zeit Überwachung durch die Gestapo und wiederholte Verhöre; beging zusammen mit ihrer Schwester 1944 Suizid

Quellen: Hamann, Christoph, „Der halbe Preußische Landtag“. Tempelhof als Wohnort für politische Prominenz aus SPD und KPD, in: Tempelhofer Einblicke, hrsg. von Matthias Heisig und Sylvia Walleczek, Berlin 2002, S. 85-95; Notz, Dr. Gisela, Wegbereiterinnen. Gertrud Hanna. 1876-1944. Gewerkschafterin für das Recht der Frauen auf Erwerb, auf: AdsD – Archiv der sozialen Demokratie, URL: https://www.fes.de/archiv/adsd_ neu/inhalt/recherche/wegbereiterinnen/hanna.htm

Paula Kurgaß, (1892-1937); Politikerin

Bezirksbezug: lebte in Tempelhof in der Friedrich-Karl-Straße 51 (Neu-Tempelhof)

Bedeutung der Person über den Bezirk hinaus: nach dem Erste Weltkrieg kümmerte sie sich über die Organisation der Quäker um die Versorgung verarmter Kinder; 1933 wurde 13

sie für die SPD in die Berliner Stadtverordnetenversammlung gewählt; nach dem SPD- Verbot wurde sie im Juni 1933 verhaftet und nach ihrer Entlassung unter Polizeiaufsicht gestellt; konnte 1934 als Sekretärin der Quäker-Flüchtlingshilfe nach Frankreich emigrieren; starb 1937 bei einem Kuraufenthalt in Zürich

Quellen: Hamann, Christoph „Der halbe Preußische Landtag“. Tempelhof als Wohnort für politische Prominenz aus SPD und KPD, in: Tempelhofer Einblicke, hrsg. von Matthias Heisig und Sylvia Walleczek, Berlin 2002, S. 92ff; Verein Aktives Museum (Hg.), Vor die Tür gesetzt. Im Nationalsozialismus verfolgte Berliner Stadtverordnete und Magistratsmitglieder 1933-1945, Berlin 2006, S. 263.

Elisabeth Schumacher (1904-1942), Grafikerin, Widerstandskämpferin

Bezirksbezug: lebte in Tempelhof am Hansakorso 2

Bedeutung der Person über den Bezirk hinaus: erhielt wegen ihres Status als „Halbjüdin“ unter den Nationalsozialisten keine feste Anstellung; 1934 Heirat mit dem Bildhauer Kurt Schumacher; beide werden Mitglieder der Widerstandsgruppe um Harro Schulze-Boysen; Verhaftung am 12.9.1942 wegen "Vorbereitung zu Hochverrat, Feindbegünstigung und Spionage"; Verurteilung zum Tode und Hinrichtung am 22.12.1942 im Zuchthaus Plötzensee zusammen mit ihrem Mann sowie Harro Schulze-Boysen und

Quellen: Scheel, Heinrich, Kurt und , in: Die Rote Kapelle im Widerstand gegen den Nationalsozialismus, hrsg. von , Jürgen Danyel, Johannes Tuchel, Berlin 1994; Griebel, Regina/Coburger, Marlies/Scheel, Heinrich, Erfasst? Das Gestapo-Album zur Roten Kapelle, Halle 1992.

Hedwig Wachenheim (1891-1969) Politikerin, Historikerin

Bezirksbezug: lebte zeitweilig in Tempelhof; studierte zwischen 1912 und 1914 an der "Sozialen Frauenschule" von Alice Salomon in Schöneberg

Bedeutung der Person über den Bezirk hinaus: nahm entscheidend Einfluss auf die Professionalisierung der sozialen Wohlfahrt, die zu Beginn des 20. Jh. von Frauen noch ehrenamtlich geleistet wurde;1914 Eintritt in die SPD; 1919 Mitbegründerin der AWO; 1922 bis 1933 Angestellte und später Regierungsrätin in der Reichsfilmprüfstelle Berlin; 1928- 1933 SPD-Abgeordnete im Preußischen Landtag; als Sozialdemokratin und Jüdin flieht sie 1933 über Frankreich in die USA; 1967 Veröffentlichung ihres wissenschaftlichen Hauptwerks zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung

Quellen: Hamann, Christoph „Der halbe Preußische Landtag“. Tempelhof als Wohnort für politische Prominenz aus SPD und KPD, in: Tempelhofer Einblicke, hrsg. von Matthias Heisig und Sylvia Walleczek, Berlin 2002, S. 92ff; Harm, Stine, Bürger oder Genossen? Carlo Schmid und Hedwig Wachenheim - Sozialdemokraten trotz bürgerlicher Herkunft, Stuttgart 2010; Liebchen, Eva, Hedwig Wachenheim, auf: SPD Berlin, URL: https://www. spd.berlin/partei/landesverband/unsere-geschichte/personen/l-z/wachenheim-hedwig/

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Hildegard Wegscheider-Ziegler (1871-1953); Lehrerin, Politikerin, Frauenrechtlerin

Bezirksbezug: lebte zeitweilig in Tempelhof in der Manteuffelstraße 39

Bedeutung der Person über den Bezirk hinaus: machte als erste Frau in Preußen Abitur; promoviert 1898 als erste Frau in Preußen (Halle) zum Dr. phil.; gründete 1901 mit Hilfe des Vereins „Frauenwohl“ eine der ersten Gymnasialkurse für Mädchen in Charlottenburg; gehörte 1919-1921 der verfassungsgebenden preußischen Landesversammlung und danach als SPD-Abgeordnete dem Preußischen Landtag an; 1929-1933 Oberschulrätin in Berlin; zu Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft musste sie alle ihre Ämter niederlegen

Auszeichnungen/Ehrungen: 1952 Bundesverdienstkreuz; in Berlin-Grunewald ist eine Schule nach ihr benannt

Quellen: Hamann, Christoph „Der halbe Preußische Landtag“. Tempelhof als Wohnort für politische Prominenz aus SPD und KPD, in: Tempelhofer Einblicke, hrsg. von Matthias Heisig und Sylvia Walleczek, Berlin 2002, S. 93ff; Jochens, Birgit/Miltenberger, Sonja (Hg.), Zwischen Rebellion und Reform. Frauen im Berliner Westen, Berlin 1999.

2. Künstlerinnen, Schriftstellerinnen

Ottilie Ehlers-Kollwitz (1900-1963), Malerin, Graphikerin

Bezirksbezug: lebte in Tempelhof im Franziusweg 42 (Lichtenrade)

Bedeutung der Person über den Bezirk hinaus: Schülerin von Max Hertwig und Emil Orlik an der privaten Kunst- und Kunstgewerbeschule („Reimann-Schule“) in Schöneberg; Ehefrau von Hans Kollwitz und Schwiegertochter von Käthe Kollwitz; 1923 erschien ihr „Buch vom kleinen Peter“ mit Versen und kolorierten Holzschnitten; in Zusammenarbeit mit Hans Baluschek entstehen später Werke wie die Radierungen zu „Kasperles Abenteuer“ oder „Grimms Märchen“; bekannt wurde sie auch durch die Serie „Traumbilder“ und diverse Landschaftsbilder; 1964 Ausstellung ihrer Arbeiten im Rathaus-Schöneberg

Quellen: Lorenz, Detlef, Künstlerspuren in Berlin vom Barock bis heute. Ein Führer zu Wohn-, Wirkungs- und Gedenkstätten bildender Künstlerinnen und Künstler, Berlin 2002.

Dorothee Goebeler (1867-1945), Schriftstellerin, Journalistin

Bezirksbezug: ihr Grab liegt auf den St. Matthias Kirchhof Tempelhof

Bedeutung der Person über den Bezirk hinaus: über 35 Buchveröffentlichungen u.a. "Als Wandervogel durch die Mark"(1922) und "Potsdamer Plaudereien"(1924); als Journalistin schrieb sie (zum Teil unter dem Pseudonym Paula Hohenfels) u.a. für die "Gartenlaube", die "Woche", die "Deutsche Frauenzeitung" und die "Berliner Morgenpost; seit 1904 Schriftleiterin der Berliner "Hausfrau"

Quelle: Dorothee Goebeler, auf: literaturport, URL: http://www.literaturport.de/ literaturlandschaft/autoren-berlinbrandenburg/autor/dorothee-goebeler/. 15

Clara Viebig (1860-1952), Schriftstellerin

Bezirksbezug: Tempelhof-Roman "Die vor den Toren"; lebte mit ihrer Familie in der Göbenstraße in Schöneberg

Bedeutung der Person über den Bezirk hinaus: wegen ihres Vorbildes Émile Zola wird Viebig auch die "deutsche Zolaide" genannt; nach der Veröffentlichung ihres Romans „Weiberdorf“ sah sie sich vor allem Anfeindungen aus katholischen Kreisen ausgesetzt; dies schmälerte aber nicht ihren Erfolg als wichtigste Schriftstellerin im deutschsprachigen Raum; ein Schwerpunkt ihres Werkes sind "Berlin-Romane"; da ihr Mann Jude war, durfte sie nach der Machübernahme der Nationalsozialisten nicht mehr publizieren; als ihr Mann 1936 starb, ließ sie sich in die Reichsschrifttumskammer eintragen, um wieder als Schriftstellerin arbeiten zu können

Quellen: Aretz, Christel/ Kämmereit, Peter (Hg.): Clara Viebig. Ein langes Leben für die Literatur 2010.

4. Weitere

Ruth Braun (1940 -1942)

Bezirksbezug: lebte in Tempelhof in der Beethovenstraße 29 (Lichtenrade)

Bedeutung der Person über den Bezirk hinaus: trotz katholischer Taufe wurde sie und ihre Mutter von den Nationalsozialisten als Juden verfolgt; kam 1942 in das Sammellager in der Levetzowstraße in Moabit; wurde von dort mit ihren Eltern in ein deutsches Vernichtungslager in Polen deportiert und dort ermordet

Quellen: Schneider, Dagmar, Juden in Lichtenrade, in: Direkt vor der Haustür, hrsg. von der Geschichtswerkstatt Berlin-Lichtenrade, Berlin 1990; Album in der Ausstellung „Wir waren Nachbarn“.

Judis Fenichel (1941-1943)

Bezirksbezug: lebte in Tempelhof in der Boelckestraße 107

Bedeutung der Person über den Bezirk hinaus: wurde im Alter von einem Jahr mit ihren Bruder und ihren Eltern nach Riga deportiert und wahrscheinlich 1943 dort ermordet; der Leidensweg ihrer Familie diente dem Historiker Kurt Schilde in seiner Studie „Die Bürokratie des Todes“ exemplarisch, um den Verwaltungsapparat hinter dem Massenmord sichtbar zu machen

Quellen: Schilde, Kurt, Erinnern und nicht vergessen, Berlin 1988, S. 55; Schilde, Kurt, Bürokratie des Todes. Die Deportation der Familie Fenichel aus Berlin im Spiegel von Finanzamtsakten, in: „Arisierung“ und „Wiedergutmachung“ in deutschen Städten, Köln (u.a.) 2014, S. 205-234. 16

Gerda Szepansky (1925-2004); Journalistin, Lehrerin, Autorin

Bezirksbezug: lebte in Tempelhof (Mariendorf); ist auf dem Friedhof Mariendorf II beerdigt worden

Bedeutung der Person über den Bezirk hinaus: ihr Mann Wolfgang Szepansky wurde als Kommunist unter den Nationalsozialisten in das KZ Sachsenhausen gebracht; beide lernten sich nach dem Krieg auf einer Versammlung antifaschistischer Lehrer kennen; ihre Aktivitäten in der West-Berliner SEW führte zur Entlassung Gerda Szepanskys aus dem Schuldienst; wurde vor allem in den 1980er Jahren mit ihren Büchern über die Emanzipationsbewegung und den Widerstand von Frauen während des Nationalsozialismus bekannt; engagierte sich u.a. für die Gedenkstätte des Frauen-KZ Ravensbrück

Auszeichnungen/Ehrungen: 1996 Bundesverdienstkreuz

Quellen: Wenzel, Kirsten, Gerda Szepansky, in: Tagesspiegel, URL: http://www. tagesspiegel.de/wirtschaft/unternehmen/gerda-szepansky/558604.html

Hatun Sürücü (1982-2005)

Bezirksbezug: lebte in Tempelhof nahe der Oberlandstraße

Bedeutung der Person über den Bezirk hinaus: Berlinerin türkisch-kurdischer Herkunft, die noch als Jugendliche mit ihren Cousin in der Türkei zwangsverheiratet wurde; als sie ihr erstes Kind erwartete, trennte sie sich von ihrem Mann und kehrte nach Deutschland zurück; dort begann sie sich immer mehr von ihrem traditionellen Elternhaus zu emanzipieren; zuletzt lebte sie als alleinerziehende Mutter in Tempelhof, die kurz vor ihrem Abschluss als Elektrotechnikerin stand; 2005 wurde sie von ihrem Bruder in der Nähe ihrer Wohnung erschossen; ihr Tod löste eine deutschlandweite Debatte über sog. Ehrenmorde und Zwangsverheiratung aus

Erinnerung: Gedenkstein, an dem jedes Jahr an die Ermordung Hatun Sürücü und den Kampf gegen Ehrenmorde und Zwangsverheiratung gedacht wird; seit 2016 verleihen die Grünen den Hatun-Sürücü-Preis

Quellen: Lau, Jörg, Wie eine Deutsche, auf: Zeit; URL: http://www.zeit.de/2005 /09/Hatin_S_9fr_9fc_9f_09/komplettansicht; Hür, Kemal, Was sich elf Jahre nach dem Tod von Hatun Sürücü getan hat, auf: Deutschlandfunk, URL: http://www.deutschlandfunk. de/ehrenmorde-und-zwangsehen-was-sich-elf-jahre-nach-dem-tod.1773.de.html ?dram:article_id=344908; Hatun Sürücü, auf: wikipedia, URL: https://de.wikipedia. org/wiki/Hatun_S%C3%BCr %C3%BCc%C3%BC;

Zusammengestellt und laufende Aktualisierung durch das Archiv zur Geschichte von Tempelhof und Schöneberg – Kontakt und weitere Informationen: Veronika Liebau, [email protected]