Rote Kapellen

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Rote Kapellen Karl Heinz Roth/Angelika Ebbinghaus (Hrsg.) Rote Kapellen – Kreisauer Kreise – Schwarze Kapellen Neue Sichtweisen auf den Widerstand gegen die NS-Diktatur 1938-1945 V VS Karl Heinz Roth/Angelika Ebbinghaus (Hrsg.) Rote Kapellen – Kreisauer Kreise – Schwarze Kapellen Karl Heinz Roth/Angelika Ebbinghaus (Hrsg.) Rote Kapellen – Kreisauer Kreise – Schwarze Kapellen Neue Sichtweisen auf den Widerstand gegen die NS-Diktatur 1938-1945 VSA-Verlag Hamburg Für Hans Deichmann www.vsa-verlag.de © VSA-Verlag 2004, St. Georgs Kirchhof 6, 20099 Hamburg Alle Rechte vorbehalten. Umschlagfotos (jeweils von links nach rechts): Cäsar von Hofacker, Erwin von Witzleben, Ludwig Beck, Friedrich Olbricht, Claus Schenk von Stauffenberg Julius Leber, Sophie Scholl, Henning von Tresckow, Helmuth von Moltke, Peter Yorck von Wartenburg Franz Jacob, Georg Elser, Mildred Harnack, Harro Schulze-Boysen, Anton Saefkow Druck- und Buchbindearbeiten: Idee, Satz & Druck, Hamburg ISBN 3-89965-087-5 Inhalt Vorwort .......................................................................................................................... 7 I. Schwarze Kapellen: Der lange Weg zum bürgerlichen Widerstand ................................................ 13 Karl Heinz Roth Der 20. Juli 1944 und seine Vorgeschichte ................................................................... 16 Eine Katastrophe im Juli ........................................................................................... 16 Jahre der Koalition: 1933-1937 ................................................................................. 26 Der strategische Dissens von 1937/38 ...................................................................... 34 Die Entstehung der bürgerlichen Opposition im ersten Kriegsjahr...................... 42 Konzeptionelle Klärungsprozesse ............................................................................ 52 Angelika Ebbinghaus Neue Initiativen: Der Kreisauer Kreis........................................................................... 69 Karl Heinz Roth Von der Offiziersopposition zur Aktionsgruppe des 20. Juli 1944 ................................. 91 Die Entstehung der Offiziersopposition ................................................................. 91 Die Hypothek der Kriegsverbrechen und der Militärjustiz ................................. 109 Umsturzplanungen seit dem Sommer 1943 ........................................................... 139 Vor dem Abgrund: Die Aktionsgruppe Stauffenberg-Leber- Yorck-Hofacker und ihre Kontrahenten ............................................................... 156 II. Die Geschichte des Widerstands als Erinnerung: Angehörige und Zeitzeugen ............................................................................... 183 Stefan Roloff Die Entstehung der Roten Kapelle und die Verzerrung ihrer Geschichte im Kalten Krieg ....................................................... 186 Die Zeit des Nachkriegs .......................................................................................... 197 Stefan Roloff im Gespräch mit Hartmut Schulze-Boysen ......................................... 206 Der Kreisauer Kreis – ein bemerkenswerter Widerstandskreis Freya von Moltke antwortet Angelika Ebbinghaus .................................................... 218 Dokument: Marion Yorck von Wartenburg und Freya von Moltke Erster Bericht über den Kreisauer Kreis aus dem Jahr 1945 ...................................... 243 III. Der Widerstand »von unten« ........................................................................ 249 Ludwig Eiber Widerstand der »kleinen Leute« 1938/1939 bis 1945 ................................................... 252 Rahmenbedingungen des Widerstands zwischen 1938/39 und 1945 ................... 254 Widerstand und Widersetzlichkeit aus den Arbeitermilieus ................................ 261 Arbeiteropposition in den Betrieben – Widerstand im Krieg .............................. 269 Der Jugendwiderstand ............................................................................................. 274 Widersetzlichkeit und Widerstand von Frauen ..................................................... 277 Kriegsdienstverweigerer und Deserteure ............................................................... 280 Jüdischer Widerstand ............................................................................................... 282 Hinweise zur Bibliographie ....................................................................................... 287 Zu den Autorinnen und Autoren ................................................................................. 288 Personenregister ..................................................................................................... 289 Vorwort 7 Seit drei Jahrzehnten beschäftigen wir uns mit der Geschichte des deutschen Wider- stands gegen die NS-Diktatur. Dabei hatten wir aber nie das gesamte Spektrum im Blick, sondern setzten uns fast ausschließlich mit dem Widerstand der Unterschich- ten und den gegen sie gerichteten Repressionen auseinander. Dass eine deutliche Minderheit der Lohnabhängigen und Zwangsarbeiter auch nach dem Untergang der organisierten Arbeiterbewegung die Zumutungen des Regimes keineswegs wi- derstandslos hingenommen hatte, machte uns neugierig. Der bürgerliche Wider- stand und seine Überhöhung zu einem legitimationsstiftenden nationalen Mythos durch die konservative Geschichtspolitik beschäftigte uns hingegen nur am Rande. Wir lehnten seine Verzeichnungen genauso ab wie die der DDR-Historiographie, die den Arbeiterwiderstand so gut wie vollständig der Exilleitung der Kommunisti- schen Partei gutschrieb. Letzterer gegenüber gingen wir kritisch auf Distanz, aber eine historisch-analytische Dekonstruktion des bürgerlichen Widerstandsmythos hielten wir für unwichtig. Im Umkreis der Stiftung für Sozialgeschichte des 20. Jahrhunderts wurde unsere thematische Beschränkung in den letzten Jahren nicht mehr verstanden, zumal sich in der Widerstandsforschung seit dem Ende des Kalten Kriegs ein neuer Aufbruch vollzog. Diesseits wie jenseits des geschleiften Eisernen Vorhangs haben die alten Legitimationszwänge und Frontstellungen an Überzeugungskraft verloren. Es ist möglich geworden, mit professioneller Unbefangenheit neu an das Thema heranzu- gehen, ohne dafür gleich politisch abgestraft und wissenschaftlich marginalisiert zu werden. Nach der Überwindung der bisherigen antikommunistischen wie antiim- perialistischen Normierungen war der Weg zu neuen Erkenntnissen offen, und ent- sprechend überraschend sind manche der seither erhobenen Befunde. Beispielswei- se war die »Rote Kapelle« keineswegs ein Spionagenetz des sowjetischen Militärge- heimdiensts, sondern ein Zusammenschluss widerständiger Freundeskreise, der das gesamte soziale Spektrum der Gesellschaft spiegelte und in Sachen »Landesverrat« an die »Schwarzen Kapellen« der Wehrmacht-Abwehr lange nicht heranreichte. Und für die Exponenten des 1942/43 reaktivierten kommunistischen Widerstands stand außer Frage, dass sie allein und unabhängig von der Moskauer Exilgruppe über ihre politischen Perspektiven entschieden. Wie aber stand es um den bürgerlichen Wi- derstand? Waren nicht auch in diesem Bereich der Widerstandsgeschichte neue Er- gebnisse und Sichtweisen zu erwarten, wenn man die Geschichtslegenden hinter sich ließ und sich mit dem handwerklichen Rüstzeug der historischen Analyse an die Arbeit machte? Im vorliegenden Buch haben wir versucht, diesen drei zentralen Aspekten des neuen Aufbruchs gerecht zu werden. Ludwig Eiber hat die neuen Forschungser- gebnisse über den Widerstand der kleinen Leute in einem Überblicksessay zusam- mengefasst. Stefan Roloff hat aus der Perspektive des mittelbar Betroffenen – er ist Sohn des Pianisten und Angehörigen der »Roten Kapelle« Helmut Roloff – einen 8 Karl Heinz Roth/Angelika Ebbinghaus Bericht über die Geschichte der »Roten Kapelle« und ihre Deformierung während des Kalten Kriegs beigesteuert. Zusätzlich verdanken wir ihm ein aufschlussreiches Interview mit Hartmut Schulze-Boysen, dem Bruder Harro Schulze-Boysens. Wir selbst haben die Hinweise unserer Freunde ernst genommen und uns einen Über- blick über die langen Wege verschafft, die die bürgerliche Opposition seit 1937/38 zurücklegte, bis im Herbst 1943 eine handlungsbereite Widerstandsgruppe entstand. Als wir die Ergebnisse dieser drei Arbeitsschwerpunkte miteinander verglichen, waren wir über einige Gemeinsamkeiten überrascht. Wir finden es erstaunlich, dass alle Strömungen des deutschen Widerstands seit dem Vorabend des zweiten Welt- kriegs trotz ihrer großen sozialen Unterschiede aus informellen Netzwerken be- standen, deren Zusammenhalt vor allem durch verwandtschaftliche und freundschaft- liche Beziehungen geprägt war. Es handelte sich um die noch intakten Lebenszu- sammenhänge der Gesellschaft, in die der Faschismus noch nicht eingedrungen war: Die proletarischen Milieus der Arbeiterwohnviertel, die großstädtische Kultursze- ne und die Enklaven des Bürgertums, die vor allem durch den niederen Adel, die bildungsbürgerlichen Lebenssphären und die höhere Beamtenschaft geprägt waren. Helmuth von Moltke, die Lichtgestalt des bürgerlichen Widerstands, brachte diese freundschaftlich-verwandtschaftlichen Netzwerke als »kleine Gemeinschaften« auf den Begriff und wies ihnen eine entscheidende Rolle beim demokratischen Neube- ginn nach dem Untergang der NS-Diktatur zu. Sie waren – zu unserer nicht gerin- gen Überraschung – als Basis des Widerstands in allen Gesellschaftsschichten vor- handen und
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