Goethes Berliner Beziehungen (Volltext)
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Z u m G e l e i t ! Goethe war der Stern, der in schönen, unvergessenen Vorkriegs= jahren meinem Leben leuchtete. Das Wanderlied aus Wilhelm Meister: ,,Bleibe nicht am Boden heften, Frisch gewagt und frisch hinaus ! . Daß wir uns in ihr zerstreuen, Darum ist die Welt so groß'', war das jubelnde Leitmotiv, das mir in vier Erdteilen er= tönte. ,,Wo wir uns der Sonne freuen, Sind wir jede Sorge los'' machte eine ferne Tropeninsel zur Heimat der Seele. Der Krieg, der für Deutsche die Welt so verengte, fesselte auch mich nun wieder an die Vaterstadt, unser Berlin, das so oft verkannte und verlästerte, von mir aber um so heißer geliebte. ,,Und dein Streben sei's in Liebe, Und dein Leben sei die Tat.'' So habe ich denn unternommen, Goethe und Berlin zu vereinigen. Man hat jüngst vergangenen Tagen die Schlagworte geprägt von dem Geist von Weimar und dem Geist Potsdam und einen schier unüberbrückbaren Gegensatz zwischen ihnen gefunden. Als der Geist von Weimar noch Fleisch war, gab es diesen Gegensatz nicht. ,,Es ist noch die Frage, ob es Einen Ort in Deutschland gibt, wo Du so redliche Verehrer hast als bei uns'', schreibt Zelter an Goethe. Und doch konnte Goethe sich nicht zu einem Besuche Berlins ent= schließen. Berlin liebt immer ohne Gegenliebe, wie damals -, so heute - -. Möge sich der Geist von Weimar mit dem Geist von Potsdam ver= mählen und Früchte bringen zum Segen des deutschen Vaterlandes. V I n h a l t s v e r z e i c h n i s Goethe in Berlin . 1 Wertherfieber in Berlin . 13 Goethes Berliner Verleger und seine Beziehungen zu andern Berliner Buchhändlern . 23 Anhang: Verzeichnis der Werke Goethes, die in Berlin zuerst gedruckt wurden . 33 Goethes literarische Fehden mit Berlinern . 41 Goethes Beziehungen zu den Romantikern in Berlin . 63 Goethes Beziehungen zu den Berliner Theatern . 92 Goethe und die Berliner wissenschaftlichen Kreise . 151 Goethe und die Berlinerinnen . 211 Goethes Beziehungen zu Berliner bildenden Künstlern, die Förderung seiner Sammlungen und die Gründung des Berliner Museums . 231 Anhang: Chronologisches Verzeichnis der von Berliner Künstlern nach dem Leben geschaffenen Goethe=Bildnisse . 264 Goethe und das offizielle Berlin . 265 Goethes Berliner Komponisten . 284 Goetheverehrung in Berlin . 334 Goethe im Berliner Vereinsleben . 353 August und Ottilie von Goethe in Berlin . 376 Goethes Interesse und Mitarbeit an Berliner Zeitungen und Zeitschriften . 389 Goethes Tod . 414 Verzeichnis aller Goethe bekannten Berliner. Zusammengestellt nach seinen Korrespondenzen und Tagebüchern . 431 Angaben der wichtigsten Quellen . 444 Register . 447 VII G o e t h e i n B e r l i n Goethe hat in seinem langen Leben Berlin nur einmal im Jahre 1778 gesehen. Die Reise, die er als Begleiter seines Herzogs machte und die anfangs in Weimar geheim gehalten wurde, hatte wohl den Zweck, die Stellung des Herzogtums im kurz danach ausbrechenden Bayrischen Erbfolgekriege festzulegen. Sie dauerte vom 10. Mai bis 1. Juni und führte nach Leipzig, Dessau, über Potsdam nach Berlin, wieder zurück nach Potsdam und Dessau. Der Herzog reiste inkognito als Herr v. Ahlefeld. Die am 21. Mai 1778 er= schienene Zeitung ,,Berlinische Nachrichten von Staats= und gelehrten Sachen'' brachte die Nachricht: ,,der Herr Legationsrat v. Göthe und die Herren Kammer= junkers von Wedell und von Ahlefeld in Sachsen = Weimarschen Diensten sind aus Weimar allhier angelangt''. In der ,,Königl. privilegirten Berlinischen Zei= tung'' vom Montag den 25. Mai 1778 sind unter dem 19. Mai als passiert auf, geführt: ,,Sr. Hochfürstliche Durchlaucht der regierende Fürst von Anhalt=Dessau sind aus Dessau, die herzogl. Sachsen = Weymarischen Kammerjunkers Herren v. Wedell und von Ahlefeld, der gleichfalls in Sachsen = Weymarischen Diensten stehende Legationsrath Herr v. Gade sind aus Weymar hier angekommen.'' Goethe notierte in sein Tagebuch: 15 früh 6 ab (von Treuenprietzen im Preuß. Adler) Potsd um 10. Exerzierstall. Waisenhaus. Stall besehn. Nachmittag nach Sansouci. Castellan ein Flegel. Engelsköpfe pp. ab 4 in Berlin 9 Abend bey Pr. H. G. 16 früh Porzellanfabr. Opernhaus. Cath Kirche. Mittag bey Pr. Hans Georg. Nachm. Graf, Chodowiecki, Wegelin. Abends die Nebenbuhler. 17 Zu Andre durch die Stadt. Spaldings Predig. Zu Frisch. Zu Tafel Prinz Heinrich. Nacht. in Tiergarten. Abends zu Hause. 18 Arsenal. Mittag zu Hause mit Wedeln. Visiten. Karschin. Elisium. Wegeli. 19 Manoeuvre, zu Hause mit Wedeln gessen. N. T. zu Zedtliz. Conzert. Pr. v. Würtemberg. 20 zu Chodowiecki mit Serernissimus. Von Berlin um 10 über Schönhausen auf Tegeln. Mittags Essen. Über Charlottenb. nach Zehlendorf. Nachts 11 in Potsdam. 21 zu Mittag Cap. Langler kam der Fürst v. D. Nach Sans Bildergalleri. Garten. 22 Sternhaus früh. Altes Schloß. Mad. Quintus. Boulet. Garnison kirche. Gewehrfabr. 23 Früh ab über Wittenberg. - 1 Goethe in Berlin Ergänzt wird der lakonische Bericht durch die Briefe an Frau v. Stein: ,,Berlin, Sonntag 17. Abends bis Dessau Sonntag 24. Mai. In einer ganz andern Lage als ich Ihnen den Winter vom Brocken schrieb, und mit eben dem Herzen wenige Worte. Ich dacht heut an des Prinzen Heinrichs Tafel dran dass ich Ihnen schreiben müsste, es ist ein wunderbarer Zustand eine seltsame Fügung dass wir hier sind. Durch die Stadt und die mancherley Men= schen Gewerb und Wesen hab ich mich durchgetrieben. Von den Gegenständen selbst mündlig mehr. Gleichmut und Reinheit erhalten mir die Götter aufs schönste, aber dagegen welckt die Blüte des Vertrauens der Offenheit, der hingebenden Liebe täglich mehr. Sonst war meine Seele wie eine Stadt mit geringen Mauern, die hinter sich eine Citadelle auf dem Berge hat. Das Schloss bewacht ich, und die Stadt lies ich in Frieden und Krieg wehrlos, nun fang ich auch an die zu befestigen, wärs nur indess gegen die leichten Truppen. Es ist ein schön Gefühl an der Quelle des Kriegs zu sizzen in dem Augenblick da sie überzusprudeln droht. Und die Pracht der Königstadt, und Leben und Ord= nung und Ueberfluss, das nichts wäre ohne die tausend und tausend Menschen bereit für sie geopfert zu werden. Menschen, Pferde, Wagen, Geschüz, Zu= rüstungen, es wimmelt von allen. Der Herzog ist wohl, Wedel auch und sehr gut. Wenn ich nur gut erzählen kan von dem grosen Uhrwerck das sich vor einem treibt, von der Bewegung der Puppen kan man auf die grose alte Walze ## gezeichnet mit tausend Stiften schliesen, die diese Melodieen eine nach der andern hervor= bringt. Berlin d. 19. Wenn ich nur könnte bey meiner Rückkunft Ihnen alles erzählen wenn ich nur dürfte. Aber ach die eisernen Reifen mit denen mein Herz eingefaßt wird treiben sich täglich fester an daß endlich gar nichts mehr durchrinnen wird. Wenn Sie das Gleichniss fortsezzen wollen, so liege noch eine schöne Menge Alle= gorie drinn. So viel kann ich sagen ie größer die Welt desto garstiger wird die Farce und ich schwöre, keine Zote und Eseley der Hanswurstiaden ist so eckelhaft als das Wesen der Grosen Mittlern und Kleinen durch einander. Ich habe die Götter gebeten daß Sie mir meinen Muth und grad seyn erhalten wollen biss ans Ende, und lieber mögen das Ende vorrücken als mich den letzten theil des Ziels lausig hinkriechen lassen. Aber den Werth den wieder dieses Abenteuer für mich für uns alle hat, nenne ich nicht mit Nahmen. Ich bete die Götter an und fühle mir doch Muth genug ihnen ewigen Hass zu schwören, wenn sie sich gegen uns betragen wollen wie ihr Bild die Menschen. Potsdam d. 21. Durch einen schönen Schlaf hab ich meine Seele gereinigt. Gestern Abend sind wir wieder hier angekommen. Wir wollen uns noch umsehen und dann wohl morgen weiter. Mein Verlangen steht sehr vorwärts nach hause. Dessau Sonntag d. 24. Endlich kann ich Ihnen die Zettelgen schicken und Ihnen sagen dass ich Sie immer lieb habe, mich wieder nach hause sehne obgleich auch in der weiten Welt alles nach Wunsch geht. Hier haben Sie auch wie mich die Karschin beverset hat. --'' 2 Goethe in Berlin Günstig waren die Eindrücke nicht, die Goethe von Berlin empfing, so ist es auch zu erklären, daß er sich nicht weiter über die Königstadt, wie er Berlin oft auch später nennt, brieflich äußert. Nur in einem Brief an den alten Freund Merck in Darmstadt vom 5. August 1778 wird die Reise erwähnt: ,,In Berlin war ich im Frühjahr, ein ganz ander Schauspiel! Wir waren wenige Tage da und ich guckte nur drein wie das Kind in Schön=Raritäten Kasten. Aber Du weißt, wie ich im Anschauen lebe; es sind mir tausend Lichter aufgegangen Und dem alten Fritz bin ich recht nah worden, da ich hab sein Wesen gesehn, sein Gold, Silber, Marmor, Affen, Papageien und zerrissene Vorhänge und hab über den großen Menschen seine eignen Lumpenhunde raisonnieren hören. Einen großen Theil von Prinz Heinrichs Armee, den wir passiert sind, Manoeuvres und die Gestalten der Generale, die ich hab halb dutzendweis bei Tisch gegenüber gehabt, machen mich auch bei dem jetzigen Kriege gegenwärtiger. Mit Menschen hab ich sonst gar Nichts zu verkehren gehabt und hab in preußischen Staaten kein laut Wort hervorgebracht, das sie nicht könnten drucken lassen. Dafür ich gelegentlich als stolz etc. ausgeschrieen bin.'' - Wenig genug erfahren wir auch nach diesem dreifachen Bericht. Wir wissen nicht einmal, wo Goethe in Berlin wohnte. Als Absteigequartier für fürstliche Gäste des Hofes diente das Fürstenhaus. Das Gebäude, von Nering für den Minister von Dankelmann erbaut und seit dessen Sturz 1688 vom Hofe den neuen Zwecken angepaßt, stand in der Kurstraße, im Zuge der Jägerstraße und wurde erst 1886 abgebrochen. Merkwürdigerweise war die erste Besichtigung, die Goethe notiert, eine Fabrik. Sein Interesse für industrielle Unternehmungen muß sehr groß gewesen sein, denn außer der Porzellanfabrik am 16. besichtigte er am 18. die Wegelische Fabrik und in Potsdam am 22. die Gewehrfabrik. D i e P o r z e l l a n f a b r i k befand sich an derselben Stelle, wo noch heute ihre Ausstellungsräume sind, Leipziger Straße 2.