FUSSBALL Der Magath-Staat Vizemeister Schalke 04 ist erfolgreich wie lange nicht, nach Raúl sollen weitere Stars kommen, doch im Verein rumort es. Ist der Trainer, Manager und Vorstandschef Felix Magath zu mächtig geworden? Skeptikern in der Geschäftsstelle kommt sein Stab wie eine Besatzungstruppe vor.

Coach Magath, Schalker Bundesligamannschaft

100 # $" 33/2010 Sport

ausende säumten in der Ferienzeit Junmin, den Chinesen, mit „Uchi“, dem Garde, der bleiben durfte, erklärt die beinahe täglich den Trainingsplatz Neuen; es klingt wie Uschi. herrschende Skepsis im Haus. Niemand Tzwischen der Vereinsgeschäftsstel - Identifikationsfiguren wie Gerald Asa - wisse, wie lange Magath mit seiner Trup - le und den Ruinen des Gelsenkirchener moah und Kevin Kuranyi sind weg, abge - pe wirklich bleibe. Womöglich hinterlasse Parkstadions, denn Raúl war erschienen. schoben auch Rafinha, Kapitän Heiko er ein Vakuum. Mit seiner manchmal un - Der kleine Spanier, in die Jahre gekom - Westermann und dessen Vorgänger Mar - freundlichen Art habe er schon Sponso - mene Ikone vom Glamour-Club Real Ma - celo Bordon. Im Gegenzug kam aus Ma - ren verärgert. „Aber seine Art ist nicht drid, ist der erste leibhaftige Weltstar drid mit Christoph Metzelder ein langjäh - angreifbar, weil er Erfolg hat.“ beim FC Schalke 04. Die Fans umschwirr - riges Feindbild: ein Repräsentant des ver - Nach der überraschenden Qualifika - ten ihn auf seinem Weg von der Kabine hassten Rivalen Borussia Dortmund. tion für die Champions League und der zur Arbeit. Alles ist machbar bei Magath, es gibt Vizemeisterschaft rief Felix Magath sogar Dann wurde es ernst. Felix Magath be - keine Tabus, und nichts hat Bestand. „Un - den Aufsichtsratschef Clemens Tönnies trat den Rasen, seine sieben Hilfskräfte ter einem anderen Trainer hätte Schalke zur Räson. Der Fleischunternehmer galt im Gefolge, alle im gleichen schwarzen nie über mich nachgedacht“, sagt Metzel - als mächtigster Mann im Verein; gern Trainingsdress wie ihr Chef, der Trainer, der in der Mittagspause zwischen zwei verkündete er in der „Bild“-Zeitung die Manager und Vorstandschef in Personal - Trainingseinheiten. Der neue Abwehr - Richtlinien und Pläne der Vereinspolitik. union. Sie sahen finster aus. chef will in der Mannschaft „ein bisschen Jetzt musste sich der Chef des Kontroll - Wie aufgereiht standen die Assistenten, Mediator sein zwischen den einzelnen gremiums von Magath, den er geholt hat - Konditionstrainer und Betreuer, alle von Gruppen“, so etwas kannten und brauch - te, den Mund verbieten lassen. Magath in dessen erstem Dienstjahr zum ten sie bisher auf Schalke nicht. Tönnies hatte öffentlich die Zahl zehn westfälischen Traditionsverein geholt, ei - Felix Magath brachte seinen Presse - Millionen genannt, so viel könne in die nen Schritt hinter dem Boss, die Hände sprecher aus Wolfsburg mit, engagierte neue Mannschaft investiert werden, mehr hinter dem Rücken gefaltet wie er. Ge - auch den Sprecher von Energie Cottbus nicht. Magath fand das nicht nur unange - meinsam betrachteten sie die Aufwärm - messen, nämlich zu wenig, sondern auch übungen der Bundesligaprofis wie ein und vor allem taktisch „unglücklich“. Hät - Zentralkomitee, das eine Parade abnimmt. te er Raúl ködern können mit der Ansage, Oben, hinter den Fenstern der Geschäfts - dass Schalke knausern muss? Hätte er stelle, waren Schatten zu sehen. Rafinha für acht Millionen Euro veräu - Wahrscheinlich wurde dort wieder ein - ßern können, wenn im Raum gestanden mal getuschelt. Es gibt dort Mitarbeiter, hätte, dass Schalke Geld braucht? die vergleichen Magaths Männer mit ei - Magath stellte Tönnies zur Rede, auch ner Art Besatzungsmacht oder einem öffentlich. So hatte der Club in der spiel - Staat im Staate. Der Trainerzampano aus freien Zeit ein veritables Sommertheater. Aschaffenburg hat in kurzer Zeit eine Magath kokettierte mit seinen Urlaubs - solche Machtfülle mit entsprechendem bekanntschaften – er traf den Aufsichts - ) eigenen Personalbestand aufgetürmt, . ratschef des Hamburger SV und in Salz - R (

I dass es den verbliebenen Altgedienten Y burg den Red-Bull-Boss Dietrich Mate - N E R

schwer- fällt, ihn und seine Crew als Teil E schitz, der den Retortenclub RB Leipzig P

I C

der blau-weißen Vereinsfamilie zu akzep - A aus der Regionalliga in die ka - L

; ) tieren. Man blieb sich fremd. . tapultieren will. Abwerbeversuche? U

. L ( Dem Verein geht es gut, die Mannschaft Am Ende gab Tönnies nach. Er sagt, O R I F spielt in der Champions League, in der ihm sei klargeworden, dass man in Schal - ; ) . O

Bundesliga nimmt Schalke den ersten . ke „das Produkt verbessern“ müsse. Vor L (

Meistertitel seit 1958 in Angriff, und finan - 2 allem verbal. Nun ist ständig die Rede M A E ziell droht diesmal zumindest kein Kol - T von 30 oder sogar 35 Millionen Euro, die laps. Man kann sich Raúl, 33, leisten und Zugänge Metzelder, Raúl für neue Spieler ausgegeben werden wohl noch ein, zwei Stars, und doch neh - „Ein bisschen Mediator“ könnten, mindestens. men die atmosphärischen Störungen zu. So erweist sich der Hickhack der Som - Wie Magath, 57, und Schalke 04 ein wei - als Assistenten für die Administration. merpause bloß als ein Machtspielchen teres Jahr miteinander auskommen wol - An einem einzigen Tag ließ er die Tren - jener Art, wie es jetzt auch um die Ver - len, dies ist das interessanteste Experi - nung von gleich sechs Betreuern aus dem pflichtung des Stuttgarter Managers Heldt ment der neuen Fußballsaison. alten Trai nerstab verkünden. Allein dem ausgetragen wird. Magath sagt, er sei die Vielleicht ist es das Tempo des Sanie - Kondi tionstrainer Christos Papadopoulos treibende Kraft gewesen. Tönnies sagt, rers, das die Leute irritiert. Selbst Fans musste Schalke 130 000 Euro Abfindung er, Tönnies, habe Heldt ausgesucht. haben Probleme, sich so schnell alle Na - zahlen . Felix Magath sitzt im hellbraunen Som - men der Spieler zu merken, die kommen Schon beim VfL Wolfsburg hatte Ma - meranzug im Frühstücksrestaurant eines und gehen. Im Schnitt sieben Neue hat gath in zwei Jahren mehr als 50 Spieler Düsseldorfer Hotels, kurz vor der Abreise Magath in jeder der drei Transferperio - ausgetauscht. Das verschaffte ihm eine zum Supercup-Spiel in Augsburg; er hat den innerhalb eines Jahres geholt, elf Hausmacht in der Kabine. Bei Schalke Hunger. Das Gespräch dreht sich darum, wurden allein in diesem Sommer abge - hat er aber auch noch den Job als Spre - ob Narben geblieben sind nach dem geben. Den „zweiten Spanier“ nennen cher des Vorstands. Einer von jetzt drei Hauskrach, Magath diskutiert konzen - die Auto grammjäger der Einfachheit hal - Vorstandsposten wurde zudem mit einem triert, und am Ende kommt er nicht mal ber den Verteidiger Sergio Escudero, der Mann seines Vertrauens besetzt: Aus dazu, ans Buffet zu gehen. Das sei aber nach Raúl gekommen ist, stumm halten Stuttgart kam der frühere Profi Horst nicht schlimm, sagt er, denn morgens nur sie den namenlosen Zugängen ihre Poster Heldt, den Magath einst in Frankfurt und Wasser und Tee zu sich zu nehmen, das und Filzschreiber hin. „Der andere Chi - Stuttgart trainierte. Er nennt ihn einen solle gesund sein. Er meint das ernst. nese“, sagt einer zu , der Freund. Wenn er über den Teil der Vereins - aber Japaner ist. Selbst Magaths Assistent Auch im Marketing installierte er einen belegschaft redet, den er nicht selbst zu - Sep po Eichkorn verwechselt einmal Hao Experten seiner Wahl. Einer aus der alten sammengestellt hat, spricht er von der

# $" 33/2010 101 Sport

„anderen Seite“. Es klingt, als gehe es um seinem Bereich im letzten Jahr Geld ge - Hauptverantwortliche und muss dafür ge - eine gegnerische Mannschaft, die es zu spart, sagt der Trainer und Manager, „in radestehen.“ Wie ein Ja klingt das nicht. besiegen gilt. Magaths Schalke gegen das anderen Bereichen ist da nichts passiert“. Aufsichtsratschef Tönnies sagt, er mer - alte Schalke. „Das Vertrauen ist nicht rest - Der Schalke-Konzern mit seinen vielen ke nichts von einem Vertrauensverlust. los wiederhergestellt“, sagt er. Tochtergesellschaften sei ihm „zu unüber - Gut, die Mitgliederversammlung sei un - Er wählt die Worte noch sorgsamer als sichtlich“, das habe er schon vor einem glücklich gelaufen. Und das Jahresminus sonst. Die Pausen sind lang, so dass Jahr „angemahnt“. Und? „Getan hat sich damals, das sich später als größer her- manchmal nicht klar wird, ob er seinen bis heute nicht viel.“ ausstellte? Seine Fehleinschätzung, erst Satz noch beenden will. Tönnies, das regt Jürgen Klinsmann, der beim DFB jeden beim Kassensturz habe man schließlich ihn auf, habe ihm im Frühjahr 2009 an- Stein umdrehen und Bayern München Gewissheit. Magath, bilanziert Tönnies dere Bilanzzahlen vorgelegt, irgendwie reformieren wollte, ist gegen Magath ein entspannt, „wird bei uns von einer Woge schönere, mit einem kleineren Fehlbetrag, angepasster Befehlsempfänger. Magath der Sympathie durchs Stadion getragen als sich später herausstellte. Außerdem ist unnachgiebig, manchmal schroff; ein wie selten ein Trainer und Manager zu - habe er ihm freie Hand versprochen in - früherer Wolfsburger Mitstreiter sagt: „Er vor. Und er ist nicht so kaltherzig, dass nerhalb eines festen Budgets. Dazu wäre kennt keine Grautöne. Mit Widerspruch er das einfach hinwirft“. eine Satzungsänderung nötig gewesen, hat er nie umzugehen gelernt.“ Sein Cha - Er wirkt nur so kühl. Kürzlich hat Felix eine Lex Magath, die den Generalmana - risma sei nach zwei Jahren aufgebraucht. Magath den Spielern verboten, während ger ermächtigt hätte, Geschäfte über Auch deshalb muss er ständig neue Rei - des Trainings Wasser zu trinken. Sie seien 300 000 Euro auch ohne Geneh migung des ze setzen. Magath sagt, er wolle jetzt eine schließlich keine Ausdauer- oder Extrem - Aufsichtsrats abzuschließen. neue Ausrichtung des Spiels, offensiver sportler, die so viel Flüssigkeit verlören. Das dauernde Trinken sei bloß Ange - wohnheit und störe den Übungsablauf. Es ging ihm auf die Nerven. Weltstar Raúl kannte an deutschen Trainern aus Madrid nur und diesen sanften Blonden, Bernd Schus - ter. Ein einziges Training unter Magath, stellte er nun fest, sei anstrengender als eine ganze Saison unter Schuster. Das Schleifer-Image ist nicht nur Klischee. Peter Peters, Magaths Vorstandskolle - ge, hat nichts gegen Männer, die Stärke zeigen. Auf seinem Schreibtisch steht eine kleine Eisenfigur von Wladimir Putin. Peters war dabei, als sich die Mäch - tigsten von Schalke zum Friedensgipfel in Tönnies’ Garten in Rheda-Wieden - brück trafen. Vielleicht habe auch Magath nur Stärke zeigen wollen, meint er. S

E Peters, 48, ist Teil des alten Schalke. G A M

I Seit 16 Jahren im Vorstand, ist er nun für

Y T

T die Finanzen zuständig. Zuletzt hat er E G

/ die sogenannte Schechter-Anleihe abge - L E S

P löst, nachdem deren Vermittler seinen E O K

F Rauswurf und Einfluss aufs operative Ge - O T S

I schäft gefordert hatten. Am Ende musste R H

C Schalke nur 95 Prozent des Geldes an die Führungskräfte Magath, Tönnies: „Das Vertrauen ist nicht restlos wiederhergestellt“ britischen Investoren zurückzahlen, 63 Millionen Euro. Die Satzungsänderung kam in der Mit - und schöner. Daher mussten Altstars ge - Nach der Umschuldung sind nun fast gliederversammlung nicht durch. Magath hen, aber auch manche junge Perspektiv - alle Tilgungsverpflichtungen kommod ge - wittert ein Komplott. Er deutet an, die einkäufe der Vorsaison passen schon streckt. Dennoch, in den nächsten drei Opposition der Fans gegen das neue Ge - nicht mehr ins Konzept, da man nun un - Jahren sind noch hohe Raten fällig, zwei - setz sei gesteuert gewesen. Und sei nicht verhofft in der Champions League spielt. stellige Millionenbeträge jeweils. Ziel ist der langjährige Fanverbandsvertreter im „Was wir jetzt machen, ist ein Umbruch“, es, bis 2021 die rund 230 Millionen Euro Aufsichtsrat mit einem einflussreichen sagt Magath lapidar. Kontinuität ist ihm Verbindlichkeiten bis auf einen kleinen Vereinsverantwortlichen gut bekannt? suspekt. Rest los zu sein. Hier Magath, da der Verein. Der Markt des Fußballs sei offen, sagt Das macht die Arbeit für Magath nicht Magath ist misstrauisch. Er entdeckt Magath oft. Das gilt auch für ihn. Ob er leichter, der will bis 2013 größtmöglichen Fallstricke und Widersacher, die sonst seinen Vertrag bis 2013 wirklich erfüllen sportlichen Erfolg. Liegt hier ein Zwie - niemand sieht, und ist empfänglich für wird? „Sind meine Arbeitsbedingungen spalt grundsätzlicher Natur, der Ursprung jede Verschwörungstheorie. Umgekehrt so, wie sie mir ursprünglich zugesagt wor - allen Missklangs? gibt er selbst Anlass für wilde Spekulatio - den sind, dann gibt es überhaupt keinen Peters sagt, Schalke habe großes Poten - nen, zum Beispiel dass hinter seinen oft Grund, etwas anderes zu machen. Nur tial. Das könne man nur heben, indem schrulligen Andeutungen Wechselabsich - wenn die Bedingungen anders sind als man in die sportliche Substanz investiere. ten stecken. So traut die eine Seite der anfangs versprochen, dann muss ich mir Also sind sich im Grunde alle einig, altes anderen nicht. Gedanken machen. Niemand kann ver - und neues Schalke, zumindest in einem Geht es um die Finanzen, wird Magath langen, dass ich alles, was im Verein pas - Punkt. Alle wollen, dass ihre Arbeit ge - ungehalten. Bei Schalke habe nur er mit siert, akzeptiere. Schließlich bin ich der schätzt wird. J!# K# #

102 # $" 33/2010