Brunnezytig 2015 4
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Herausgegeben von den Vereinigten Altstadtleisten Bern 31. Jahrgang | 4/ 2015 «… ÜBer die kÖPfe der BetrOffeNeN HiNWeG» Ladenöffnungszeiten bis spät abends und am Sonntag sollen Berns untere altstadt bei den tou - risten verkäuflicher machen. Was die Ladeninhaber und Geschäftsführer davon halten, beschäf - tigt die Politik nicht gross. Editorial die verkaufte idee In der Matte war die Not in der Bevöl - kerung im 19. Jahrhundert sehr gross. Nicht nur, aber auch aus die - sem Grund hatten in den 70er Jah - ren des 19. Jahrhunderts eine handvoll Mannen, Wirtsleute, Ge - werbler, Müller und Lehrer etc. die Idee, dem etwas entgegenzusetzen und gründeten den Matte-Leist. Vom Mitgliederbeitrag (30 Rappen) wurden 20 Rappen zur Seite gelegt, um zur Weihnachtszeit die bedürftigen Schulkinder zum Beispiel mit Schuhen zu unterstützen. In diese Zeit fiel die Gründung der Asiatische und andere Touristen bevölkern zwar die Untere Altstadt. Die Kassen lassen sie aber nicht so klingeln, Spysi; auch hier haben sich die Leiste der Unteren dass sich der (politische) Wunschtraum von längeren Öffnungszeiten an sieben Tagen in der Woche rechtfertigen würde. (Foto: Beat Schwaller) Altstadt zusammengeschlossen, um Bedürftigen zu einer Mahlzeit zu verhelfen. Keine Regel ohne Ausnahme, aber die Einigkeit in die Untere Altstadt von Bern zwischen Nydegg und der Unteren Altstadt ist gross: Über 95% der zu den Zytglogge sei als Tourismusgebiet anzuerkennen. Sämtliche politische Parteien, die heute das Zepter geforderten neuen Ladenöffnungszeiten befragten Dieses Prädikat würde es ermöglichen, die Laden - schwingen, waren noch nicht gegründet worden. Die oder sich spontan äussernden Ladenbesitzer und öffnungszeiten flexibler zu handhaben. Konkret Leiste der unteren Altstadt gibt es heute noch. Wenn Geschäftsführer wollen ihre Läden und Lokale könnten die Geschäfte täglich, inkl. Sonntag, von 6 auch die Gründe nicht mehr dieselben sind, so ist es weder am späteren Abend noch am Sonntag öffnen. bis 22.30 Uhr geöffnet bleiben, während für die immer noch der gleiche UNENTGELTLICHE EHREN - Die klaren Meinungsäusserungen sind für die Prä - Obere Altstadt weiterhin die normalen Ladenöff - AMTLICHE Einsatz der Leiste und deren Mitglieder, sidentin der Vereinigten Altstadt-Leiste (VAL), Ste - die Idee hinter allem nicht zur Ideologie zu machen. Fortsetzung Seite 2 fanie Anliker, nicht überraschend. Überraschend ist für sie aber, wie hartnäckig unter dem Deckmantel Die Vergangenheit und die Gegenwart lehren uns: «liberal» der Wille der kleinen Läden in der Unteren «Wo Politik drauf steht, ist Politik drin, aber eben iNfO AUS DEM INHALT Altstadt strapaziert wird: «Die geplante Liberalisie - auch Geld». rung der Ladenöffnungszeiten bringt unserem tra - DIE VERGESSLICHKEIT DER EICHHÖRNCHEN: ditionellen Gewerbe und den inhabergeführten Die Idee der Gründer wird in der Unteren Altstadt In unserer Serie «Natur in der Unteren Alt - Geschäften nicht Freiheiten, sondern beinhaltet stadt». Seite 3 jedoch nicht verkauft, Politik hin, Politik her. Zwänge, die für ihre Betriebsstruktur völlig unange - ADVENTLICHES ALLERLEI: passt und schlicht nicht zu bewältigen sind. Bereits Bernhard Bürkli Vorweihnächtliche Aktivitäten und Anlässe in der Unteren heute werden die möglichen Öffnungszeiten nicht Präsident Matte-Leist Altstadt. Seiten 4 –5 ausgenutzt. Eine Liberalisierung auf einem derart kleinen Raum ist nicht liberal, sondern wettbe - DIE FASZINATION DES HIMMLISCHEN HOFES: Ein Ortstermin im Chorgewölbe des Berner Münsters. werbsverzerrend.» Seiten 8 –9 Aber beginnen wir von vorne. Ausgelöst hat die er - DER LEISE KITZEL DES NONKONFORMEN: neute heftige Debatte in der Unteren Altstadt eine Betrachtungen zum allmählichen Verschwinden der Stadt- Motion von FDP-Grossrat Adrian Haas. Er verlangte, Originale. Seite 13 2 BrunneZytig 20. November 2015 Titelgeschichte nungszeiten gelten. Seine Motion begründet Adrian ton festgelegt. Aber die Beschäftigung von Personal Haas folgendermassen: «Die Anzahl Touristen ins wird durch das Arbeitsgesetz auf Bundesebene ge - iNfO GELTENDES RECHT Berns Strassen wächst. Vor allem viele Asiaten kom - regelt. Dieses macht klare Einschränkungen und be - men in die Untere Altstadt. An Sonntagen stehen sie stimmt, dass an Sonntagen nur in touristischen Für die Bestimmung der Öffnungszeiten fast nur vor geschlossenen Geschäften. Anders im Gebieten Personal beschäftigt werden kann. In tou - von Ladengeschäften gilt es Vorgaben von Kan - Berner Oberland. Und diesem Beispiel könnte man ristischen Gebieten muss «mehr als die Hälfte aller ton und Bund zu beachten. Die kantonalen Bestimmungen auch hier folgen.» Grossrat Haas ist sich aber sehr wirtschaftlichen Aktivitäten touristischer Natur für Bern finden sich im Gesetz über Handel und Gewerbe wohl bewusst, dass die Berner Altstadt und Interla - sein». von 1992 und in der Verordnung vom Januar 2007, in der ken zwei Paar Schuhe sind: «Es geht keineswegs die Ladenöffnungszeiten definiert werden. Da wird festge - darum, jeden Abend bis zehn Uhr die Läden offen Der Regierungsrat spricht der Unteren Altstadt eine legt, dass Verkaufsgeschäfte unter der Woche bis 20 Uhr zu halten.» gewisse touristische Attraktivität nicht ab, er gibt offen bleiben können, einmal in der Woche ein Abendver - aber zu bedenken, für die ganze Stadt Bern liege der kauf bis 22 Uhr möglich ist, am Samstag um 17 Uhr ge - unerwünschter Spielraum führt zu touristische Beschäftigungsgrad nur bei rund 6 Pro - schlossen wird und jedes Geschäft an zwei Sonntagen im Jahr offen bleiben kann. Bäckereien, Confiserien, Metzge - verdrängungskampf zent der Gesamtbeschäftigung. Von einem bedeuten - reien, Milchhandlungen und Blumengeschäfte können an Hätte Adrian Haas die Geschäftsinhaber gefragt, den Anteil an der Volkswirtschaft könne deshalb jedem Sonntag offen halten. dann wäre ihm wohl rasch bewusst geworden, dass selbst in der Unteren Altstadt, wo der Anteil etwas er sich anschickte, in ein Wespennest zu stechen. Er höher liegen mag, nicht die Rede sein. Dieser Rahmen wird im Kanton Bern schon heute nicht lässt sich aber nicht aus der Ruhe bringen: «Am ausgeschöpft. In überwiegend vom Tourismus abhängigen Schluss wird das nicht mehr so heiss gegessen! Ich Von den arbeitsrechtlichen Vorschriften nicht be - Gemeinden, sogenannten Tourismuszonen (z.B. Interlaken), war zehn Jahre Geschäftsführer im City-Verband. Da troffen sind Familienbetriebe. Aber nur, wenn aus - können Verkaufsgeschäfte jeden Tag von 6 bis 22.30 Uhr habe ich viele emotionale Diskussionen miterlebt. schliesslich Verwandte in auf- und absteigender offen sein. Die Aufzählung in der Ausführungsverordnung Tatsache ist doch, dass meine Motion einen sehr Linie beschäftigt sind. Sie dürfen schon heute ihre enthält nur Gemeinden im Berner Oberland. grossen Spielraum lässt.» Geschäfte offen halten, wobei die grosse Mehrheit von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch macht. So - Der Bund redet aber auch noch mit, und zwar über die Dieser «Spielraum» lässt viele Geschäftsführer in der bald Personal angestellt wird, ist das Arbeitsrecht Vorschriften im Arbeitsrecht. Zuletzt wurde die Sonntags - arbeit mit der Abstimmung über die Tankstellenshops im Unteren Altstadt das Schlimmste befürchten. Erst anzuwenden. September 2013 gelockert. Ein Vorstoss, die Tourismus - gerade stand in der ersten Jahreshälfte die Touris - gebiete auch auf Bundesebene neu zu definieren und so die musförderabgabe zur Diskussion, für die man die Stadt mit oder versus kanton? Beschäftigung von Personal an Sonntagen zu erleichtern, Geschäfte zur Kasse bitten wollte, obschon bei den Die Diskussion über die Ladenöffnungszeiten in der ist noch hängig. meisten die Touristen nur einen sehr kleinen Anteil Stadt Bern ist so neu nicht. Sie wurde in den letzten koe der Kundschaft ausmachen (vgl. dazu die Artikel in Jahren sowohl auf Gemeinde- wie auch Kantons - der BrunneZytig 2/2015). Und jetzt soll eben diese ebene schon mehrmals geführt. Im August 2009 spärliche zusätzliche Kundschaft als Argument für reichten CVP-Stadtrat Henri-Charles Beuchat und Unmittelbar nach dieser Ablehnung lancierte BDP- längere Ladenöffnungszeiten herhalten. Die länger - BDP-Stadträtin Claudia Meier eine Motion mit dem Grossrat Mathias Tromp trotzdem im Kantonsrat fristigen Folgen sind auch für Stefanie Anliker ab - Titel «Besser für den Tourismus – Besser fürs Ge - eine Motion mit dem Antrag, das HGG so zu ändern, sehbar: «Zweifellos würden sich – wie schon in an- werbe» ein. Inhaltlich unterschied sie sich nicht dass nicht mehr nur ganze Gemeinden als Touris - dern Schweizer Städten – noch mehr Ladenketten, gross von der Motion Haas, ausser dass sie aus - muszone anerkannt werden könnten, sondern auch Luxusboutiquen und Souvenirläden in der Unteren schliesslich die Kram- und die Gerechtigkeitsgasse kleinere Gebiete / Quartiere, und damit die Altstadt Altstadt ansiedeln und den Verdrängungsprozess der im Visier hatte. Und der Gemeinderat war im 2010 von Bern. Obschon der Regierungsrat die Motion ab - kleinen unabhängigen Geschäfte beschleunigen. bereit, die Motion als Richtlinie entgegenzunehmen. lehnen wollte, wurde sie im Kantonsrat knapp an - Wenn ein solches Geschäft oberhalb des Zytglogge Er präzisierte aber in seiner Antwort: «Die Gemein - genommen. Da sie aber mit dem heute geltenden nicht geöffnet sein darf, wird es vom Markt ja ge - den haben im Bereich Ladenöffnung keine eigenen Arbeitsrecht nicht zu vereinbaren ist, läuft gegen - zwungen, in der Untern Altstadt auch noch einen Rechtssetzungskompetenzen. Somit kann das ge - wärtig eine Fristverlängerung. Motionär Adrian