El-Dorado-Floß als zeitgenössische Goldschmiede- arbeit, ausgestellt im Museo del Oro in

An der Eroberung Lateinamerikas durch die spanische Krone waren auch Deutsche beteiligt, die ausbeuten wollten – mit verheerenden Folgen für die Indios. Gold in der Lagune Von KAREN ANDRESEN

m Ende war es die Gier Aus den sechs Monaten wurden fünf 16. Jahrhunderts fand der Spanier Her- nach dem Gold, die ihnen Jahre, ohne dass von Hutten größere nán Cortés in Mexiko kostbare Edelme- allen zum Verhängnis Reichtümer fand. Im Mai 1546 ermor- talle. Einen Teil davon schickte er 1522 an wurde. Dem Augsburger dete ihn ein spanischer Rivale um Macht den Hof Karls V., was Begehrlichkeiten Handelshaus der Welser und Beute. quer durch Europa weckte. Der alte Kon- ebensoA wie dessen Vertretern in der Oder Ambrosius Dalfinger, erster tinent geriet in Goldgräberstimmung, Neuen Welt. Gouverneur der Welser in Venezuela, Amerika galt fortan als Paradies für lu- Philipp von Hutten etwa. Der fränki- getötet auf einem Eroberungszug durch krative Eroberungszüge. Frankreich war sche Reichsritter machte sich 1541 im den Giftpfeil eines Indios. interessiert und Portugal auch. Auftrag der Augsburger auf die Suche Oder Nikolaus Federmann, der wohl Um den Konkurrenten zuvorzukom- nach dem sagenumwobenen Schatz von findigste der Welserschen Schatzsucher, men, beschloss die spanische Krone, sich . „Ain Furer“, schrieb er vor gestorben einsam und verbittert in ei- das gewinnträchtige Land so schnell wie der Reise an seinen Bruder Moritz, habe nem Kerker im spanischen . möglich untertan zu machen. Die Sache sich „beym Kopf“ verpflichtet, „uns in- Dabei hatte alles mit guten Nachrich- hatte allerdings einen Haken: Karl V. war nerhalb sechs Monat ze furen, do wir ten begonnen, jedenfalls aus euro- hochverschuldet. Allein schon seine

alle reich und selig werden“. päischer Perspektive. Zu Beginn des Kriege gegen Frankreich und später ge- ULLSTEIN BILD / REUTERS

100 SPIEGEL GESCHICHTE 5 | 2009 Der See Guatavita, wo nach der Legende El Dorado den Göttern Gold und Edelsteine geopfert haben soll

gen die Osmanen kosteten Unsummen. Indios, die er bei seiner Reise sah, hätten bensmittel und militärische Ausrüs- Um Söldner und Siedler nach Übersee ihn an Venedig erinnert, heißt es. Des- tungsgegenstände dorthin gebracht – schicken zu können, brauchte der 1520 halb habe er das Gebiet Venezuela, also Material zur Eroberung und Versorgung zum Kaiser des Heiligen Römischen Rei- Klein-Venedig, genannt. des Festlands. ches Deutscher Nation Gekrönte drin- Besonders profitabel war die Route gend privates Kapital. Und so kam es, Die Welser waren der Region am allerdings nicht. Auf der Rückreise nach dass sich mit Hilfe der Firma „Bartleme Karibischen Meer schon näher gerückt, Europa waren die Schiffe meist schlecht Welser vnnd Geselschafft“ auch Deut- bevor sie 1528 den Vertrag mit der Kro- ausgelastet. Es fehlte an ausbeutungs- sche an der Eroberung Lateinamerikas ne abschlossen: In Santo Domingo auf fähigem, nahe gelegenem Land, das die beteiligten. der Insel Hispaniola – heute Haiti und Unternehmung deutlich gewinnbrin- Die Augsburger Familie, die mit dem die Dominikanische Republik – hatten gender hätte gestalten können. Verkauf von Tuchen und Seide, von Gold sie 1526 eine Niederlassung gegründet. Die Möglichkeit bot sich, als in Vene- und Gewürzen reich geworden war, Per Schiff wurden Luxuswaren, Le- zuelas Nachbarprovinz Santa Marta, wo gehörte seit langem zu den man in einem Indiodorf eine Gold- Geldgebern des Monarchen. Als schmelze gefunden hatte, Auf- Ausgleich für die Finanzspritzen stände ausbrachen. Karl V. wollte hatte Karl V. bisher nicht nur sie möglichst schnell niederschla- Staatseinnahmen verpfändet, gen. 6000 Dukaten gaben die Wel- sondern auch Schürfrechte in ser, um eine Truppe aufzustellen, spanischen Erzminen oder Liefe- die den Aufruhr beenden sollte. rungen von Edelmetallen aus Gleichzeitig vereinbarte die Krone Amerika geboten. mit den Augsburgern die Statthal- Nun sollte die Statthalterschaft terschaft über die benachbarte Re- für Venezuela dazukommen. Die gion Venezuela, verbunden mit Region war das Erste, was Chris- einem Handelsmonopol und dem toph Columbus 1498 vom Konti- Recht, Sklaven aus Afrika in die nent der Neuen Welt zu sehen be- Neue Welt einzuführen. kommen hatte. Später besuchte Doch der Inhalt des „Asiento“ der Italiener Amerigo Vespucci genannten Vertragswerks vom das Land, dem er angeblich den Welser-Schatzsucher 27. März 1528 verhieß den ober-

ADAM WOOLFITT/CORBIS (O.) Namen gab:. Die Pfahldörfer der (Federzeichnung von Hieronymus Köler) deutschen Geschäftsleuten durch-

SPIEGEL GESCHICHTE 5 | 2009 101 EROBERER & OPFER aus nicht nur Gutes. Die Kosten für Er- teten Gold neue Waffen, Soldaten und huldigen. Nachdem er an der Lagune von oberung und Besiedlung des Gebietes, Pferde kaufen sollte, kam unterwegs bis Guatavita seine Kleidung abgelegt hatte, das vom Kap Vela auf der heute größten- auf einen Mann ums Leben, versunken wurde er mit Balsam eingerieben und teils zu Kolumbien gehörenden Halbinsel vermutlich in einer Sumpfniederung. danach mit Gold bestäubt. Auf einem Guajira bis zum Kap Maracapaná nahe Statuen und Schmuck hatten die Män- Floß stehend warf der künftige Herr- der venezolanischen Stadt Cumaná reich- ner vorher irgendwo vergraben – sie scher dann die ihm zu Füßen liegenden te, mussten sie selbst tragen. Sie waren wurden nie wiedergefunden. Pretiosen ins Wasser, dasselbe taten sei- verpflichtet, mindestens zwei Städte zu Mühsam schleppten sich Dalfinger ne Begleiter. Anschließend wusch der gründen und jeweils 300 Europäer dort und seine Gefolgsleute entlang der Kor- Vergoldete sich in der Lagune. anzusiedeln. dilleren, immer wieder in blutige Ge- Mehr als vier Tonnen Gold und über fechte verwickelt. Oft flohen die Indios 10 000 Smaragde soll der Schatz des Do- Der erste Statthalter, den die Welser und setzten ihre Dörfer in Brand, damit rado ausgemacht haben – wenn es ihn in die neue Provinz schickten, war Am- die Eindringlinge kein Essen und kein denn wirklich gab. Weder die Welser brosius Dalfinger (auch Talfinger oder Nachtlager vorfanden. In Dalfingers noch die Spanier konnten ihn je an sich Alfinger genannt). Seit 1526 stand der Truppe wurde die Nahrung knapper und bringen. Mann in Diensten der Augsburger Kauf- knapper. Schließlich geriet er in einen Aber welch eine Geschichte! Bis heu- leute. Im März 1529 traf er in Venezuela Hinterhalt, der vergiftete Pfeil eines In- te lebt „Eldorado“ als Inbegriff für ein und brach bald darauf zu Reichtum und Wohlleben in seinem ersten Eroberungszug unserem Sprachschatz fort. auf. Ziel war der - Die Indios wurden Die Abgesandten der Welser See. Gold erbeutete er hier müssen schon bald nach ihrer zwar noch nicht, aber bei Be- vertrieben, versklavt Ankunft davon gehört haben, amten der spanischen Krone wussten nur nicht, wo genau bestellte er schon mal eine und ermordet. sie suchen sollten. Also verschließbare Truhe und machten sich Dalfinger und Geräte zum Schmelzen und seine Nachfolger immer wie- Stempeln von Gold. der auf den Weg, angetrieben Später verschlug es ihn in von Habgier und Abenteuer- das „Tal der Pacabueyes“, die lust, aber auch von dem enor- Gegend um das heutige Val- men Druck, die teuren Expe- ledupar in Kolumbien. Die ditionen zu finanzieren. Eingeborenen dort waren rei- Denn das ökonomische Risi- cher als alle Indiostämme, die ko, das die Eroberung Vene- der Welser-Statthalter bisher zuelas bedeutete, gaben die getroffen hatte. Mit 170 Sol- Augsburger an ihre Statthal- daten zu Fuß und zu Pferde ter vor Ort weiter: Die Gou- drang Dalfinger in die 1000- verneure mussten die Kosten Hütten-Siedlung Tamara ein für ihre Expeditionen selbst und raffte, was er an Kost- aufbringen und dafür oft so- barkeiten kriegen konnte: gar Kredite bei ihrem Arbeit- Schmuck, Statuen, religiöse geber aufnehmen. Ihre finan- Utensilien. Was ihm die In- zielle Lage glich deshalb dios nicht freiwillig überga- Welser-Galeone „La nostra Segnora qua da Lupa“ der eher der eines „Subunter- ben, holte er sich mit Mord Venezuela-Flotte (Federzeichnung von Hieronymus Köler) nehmers“ als eines Ange- und Folter. stellten, so der Historiker „Zerstörend und verwüstend, mit dios traf ihn am Hals, vier Tage später Jörg Denzer in seinem Buch über die blutiger Härte tobend“, sei Dalfinger war er tot. Welser in Venezuela*. vorgegangen, berichtete später ein Chro- Das Goldfieber aber, das ihn angetrie- Selbst wenn die Expeditionen erfolg- nist. Ureinwohner wurden in Holzkäfi- ben hatte, überdauerte. Unter den ver- reich waren, konnten die Statthalter nur gen gefangen gehalten, um von den Fa- grabenen Schätzen aus dem Tal der Pa- einen Teil der Beute für sich und für die milien Gold zu erpressen. Spurten die cabueyes war die große Statue einer in- Bezahlung ihrer Söldner behalten, den Angehörigen nicht, mussten die Gefan- dianischen Göttin aus feinstem Gold. Sie Rest beanspruchten in jedem Fall die genen verhungern. beflügelte die Phantasie der Venezuela- Welser. Doch der brutale Beutezug brachte Eroberer über Dalfingers Tod hinaus. Diese finanzielle Knebelung hatte ver- dem Welser-Statthalter kein Glück. Das Und dann gab es da noch den Mythos heerende Folgen für die gesamte Provinz, weiter südlich gelegene „Goldland“ des vom vergoldeten Herrscher El Dorado, vor allem aber für die indianische Bevöl- -Volkes, nach Erzählungen der der damals begann, die Menschen zu be- kerung. Die Indios wurden vertrieben, Indios reicher noch als das „Tal der Pa- schäftigen: In der Heimat des Muisca- versklavt, ausgeplündert und ermordet. cabueyes“, bekam er nie zu sehen. Der Volkes im Hochland von Bogotá, so die nötige Nachschub für den Weitermarsch Legende, musste sich der Thronfolger, * Jörg Denzer: „Die Konquista der Augsburger blieb weitgehend aus. Eine Delegation, bevor er König wurde, einem feierlichen Welser-Gesellschaft in Südamerika 1528–1556“. die mit dem von den Pacabueyes erbeu- Ritual unterziehen, um der Gottheit zu Verlag C.H. Beck, München; 340 Seiten; 58 Euro.

102 SPIEGEL GESCHICHTE 5 | 2009 Im Sinne der spani- ten der privaten Conquis- schen Krone war das tadores mehr und mehr nicht unbedingt. Karl V. überdrüssig. Lange schon wollte die Ureinwohner hatte sich die spani- unterwerfen – vernichten sche Indianerschutzbe- wollte er sie nicht. Zwar wegung um den Domini- war erlaubt, Indios, die kanermönch Bartolomé sich den Europäern nicht de las Casas über die Be- fügen wollten, mit einem handlung der Ureinwoh- „gerechten Krieg“ zu ner beschwert. 1542 wur- überziehen und als Skla- den die Rechte der Indios ven gefangen zu nehmen. gegenüber den Kolonis- Ansonsten aber sollten ten mit den „Leyes Nue- die Ureinwohner zum vas“ gesetzlich gestärkt. Christentum bekehrt und angetrieben werden, als Der Grund, so Histori- willfährige Untertanen ker Denzer, war weniger zur ökonomischen Ent- Menschenfreundlichkeit wicklung des Landes bei- als die Tatsache, dass die zutragen, zum Wohle der privaten Eroberer dem Krone und ihrer Helfer. Monarchen nicht mehr Doch die Welser-Statt- nützlich waren. Um 1538 halter wollten nicht war- hatte der Welser-Abge- ten, bis die Region ir- sandte Nikolaus Feder- gendwann mehr Profit mann endlich das sagen- abwarf. Vielleicht wür- umwobene Reich des den sie ja bis dahin längst Muisca-Stammes er- nicht mehr in Diensten reicht – wenngleich nicht der Augsburger stehen. als Einziger, denn auch Also stahlen sie lieber, Südamerikanische Ureinwohner zwei Spanier reklamier- was die Indios besaßen, (Holzschnitt von Hans Burgkmaier dem Älteren) ten das Recht auf die statt beispielsweise nach Entdeckung des Ortes für Bodenschätzen zu suchen oder Planta- Die Welser wiederum lieferten zwar sich. Doch dem spanischen Monarchen gen anzulegen. Ware per Schiff an, doch die Empfänger war es nicht wichtig, wer zuerst kam. Zudem brauchten sie Sklaven. Als hatten trotz aller Eroberungszüge meist Entscheidend war, dass damit der Träger auf Expeditionen, aber auch als nicht genug Geld, um sie zu bezahlen. letzte weiße Fleck auf der Karte seiner Handelsware, um, wenn das Ergebnis Schließlich waren die Siedler so über- Landnahme beseitigt wurde. Von Peru ihrer Beutezüge mager war, die Kosten schuldet, dass das Handelshaus 1531 sei- bis Mexiko gehörten die Indianerlande, wenigstens über die Versteigerung von ne Lieferungen weitgehend einstellte. „Las Indias“, jetzt geschlossen zu sei- Einheimischen aufzubringen. Wenn sie „das Land schwimmend ver- nem Herrschaftsbereich. Die Welser Häufig wurden den verschleppten lassen könnten, gäb es niemanden, der und ihre Abgesandten hatten ihre Schul- Menschen eiserne Halskrausen ange- hier bliebe“ – so berichtete Bischof Ro- digkeit getan. legt, versehen mit langen Ketten, die sie drigo de Bastidas der spanischen Krone Das Ende des deutschen Venezuela- aneinanderbanden. Wer erschöpft zu- aus der Provinzhauptstadt Coro über die Abenteuers war turbulent. Nikolaus Fe- sammenbrach, dem wurde, wie Augen- verzweifelte Lage der Menschen, die dermann landete im Gefängnis, weil die zeugen berichteten, der Kopf abge- weder genügend zu essen noch ausrei- Welser ihn der Unterschlagung be- schlagen, um das Halseisen nicht öffnen chend Kleidung hatten. schuldigten. Federmann wiederum zu müssen. Von den Trägern überlebte Wie genau die Welser darüber Be- schwärzte die Augsburger Kaufleute an, kaum einer die Strapazen, meistens star- scheid wussten, welche Verheerungen widerrechtlich Krongut an sich gebracht ben die Indios unterwegs an Entkräf- in Venezuela angerichtet wurden, ist zu haben. Die Prozesse zogen sich eini- tung und Auszehrung. schwer auszumachen. Sicher ist, dass ge Jahre hin. die Kaufmannsfamilie kaum Kontrolle Federmann konnte seine Zelle nie Leidtragende dieser Politik waren über das ferne, ihr völlig unbekannte mehr lebend verlassen. Die Welser wur- auch die in Europa angeworbenen Kolo- Land haben konnte. Briefe zwischen den 1555 zwar freigesprochen, ihre nisten, die teilweise mit Frau und Kindern Coro und waren je Strecke bis Überseeprovinz verloren sie im Jahr in der Provinz lebten. Infolge von Ver- zu sieben Monate unterwegs, außerdem darauf dennoch. sklavungen und Plünderungen gaben die schilderten die Gouverneure ihrer Zen- Heute ist die Erinnerung an die Augs- Indios ihre Dörfer im Umfeld der von den trale wohl ohnehin nur, was in ihrem burger in Lateinamerika nahezu ver- Welsern gegründeten Städte auf. In der eigenen Interesse lag, und handelten an- blasst. Ihr Aufenthalt habe in Venezuela, Ödnis, die sie hinterließen, wurde es für sonsten nach eigenem Gutdünken. so der Historiker Eduardo Arcila Farías, die christlichen Siedler immer schwieri- Am Hofe Karls V. hingegen wurde kaum mehr „als die Asche der niederge-

TONI SCHNEIDERS / INTERFOTO ger, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. man der Nachrichten über das Wü- brannten Dörfer“ hinterlassen.

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