„Mich Muss Keiner
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Unternehmen Holtzbrinck „Mich muss keiner Verlagsgruppe Holtzbrinck: Dafür, dass der Stuttgarter Medienriese nichts so sehr hasst wie Aufsehen, hat er in jüngster Zeit ziemlich viel Radau veranstaltet. Jetzt geht man wieder in sich. as Nichtganzdichte tritt zu- Eine Ausnahme bildete lange Zeit mal im Medienwesen in viel- nur die Verlagsgruppe Georg von Dfältige Erscheinung, beson- Holtzbrinck: Von den Ekstasen des ders in jüngster, wirtschaftlich rauer Wohls und Wehs drang wenig hinauf Zeit. Zum Großteil liegt dies daran, ins schön spießige, zurzeit herbstlich dass Neugier und Nachrede – jene schwer belaubte Wohnquartier Stutt- Spezialkräfte, die der Journalismus gart-Gänsheide, wo der drittgrößte so braucht wie das Kreischen der Re- Medienkonzern der Republik seine klame – leicht in Wichtigkeitskaspe- Zentrale hat in einem Gebäude, das rei und Weltfremdheit umschlagen. aussieht wie eine Frauenklinik von Viele der verrücktesten deutschen 1974 und wo die Stille so schwer las- Manager, darf man sagen, allerdings tet, dass selbst das Summen des auch einige der fabelhaftesten und Stroms in den Leitungen den Lärm wohl auch miserabelsten, gehen mor- der Welt noch übertönt. gens in Sende- und Verlagshäusern ein Auf dieser Insel liberaler Bieder- und abends wieder aus. Durchschnitt männerei schätzt man mehr noch ist selten. Man glaubt es ja nicht. als alles Marketing die Schriften Max Besonders scharf zutage treten die Webers, der den Geist des Kapita- Extreme, wenn die Geschäfte sehr lismus in „innerweltlicher Askese“ gut (wie bis 2000) oder sehr schlecht wirken sah, weil er nichts halte von (wie seit 2000) laufen: Keine andere Vergnügungs- und Verschwendungs- Branche lebte so lange so bravourös sucht, ja nicht einmal vom Vergnügen Ein Mann in seiner Zentrale: über ihre Verhältnisse, hat so vie- und vom Verschwenden allein. Stefan von Holtzbrinck liebt Fotos. le irrsinnige Projekte (interaktives Auf die Frage, welchen seiner Ma- Aber keine von sich selbst. TV!), Programme (Neun Live!) und nager man kennen sollte, munkelt der Trotzdem sitzt er 20 Minuten FOTOS: BORIS SCHMALENBERGER, THOMAS KIENZLE BORIS SCHMALENBERGER, FOTOS: Pleiten (Kirch!) auf- und hingelegt. in Statur und Gesinnung in die Höhe lang klaglos Modell. 78 managermagazin 12/03 Unternehmen Holtzbrinck geratene Hausherr Stefan von Holtz- brinck (1,91 Meter) freundlich und folgerichtig: „Ich glaube, gar keinen, kennen“ mich eingeschlossen.“ Auch der Name Holtzbrinck, sagt er ebenso heiter bis wolkig, sei nichts, was „be- kannt sein müsste oder sollte“. Das, freilich, kann man auch an- ders sehen. Zur rummelfreien Ver- lagsanstalt, die den Brüdern Dieter (62) und Stefan (40) sowie ihrer Schwester Monika Schoeller (63) gehört, zählen vornehme Buchhäuser wie S. Fischer, Kindler und Rowohlt, meinungsmächtige Blätter wie „Die Zeit“ und „Handelsblatt“ und Nobel- verlage in England und den USA. Ein machtvolles Kompott erhabe- ner Schriften: Kein Schmutz-, Sudel-, Schandblatt ist darunter, nicht ein- mal eine kleine Beteiligung an einem kleinen dreckigen Fernsehsender. Der publizistische Anspruch ist so hoch, als sollte demnächst Schnee darauf liegen. Hohe Qualität, glaubt, hofft, träumt man, sei ein Fels in den Gezeiten der Trends und Moden. „Ich bin ein großer Anhänger organischen Wachstums“, meldet Holtzbrinck so- gleich mit der Aura des Brisanten. Brisant insofern, als die notorisch öffentlichkeitsscheuen Edelleute na- türlich so abhängig sind von der Konjunktur wie Lawinen von der Schwerkraft. Szenekenner rätseln inzwischen: Ist dieses Refugium bildungsbürgerlicher Melancholiker doch ein ganz normales Medienhaus wie alle irrenden anderen? Holtzbrinck verlegt Nobelpreisträ- ger en gros. Und zehn Jahre lang und, wie man heute ahnt, aus Idealismus oder Daffke, jedenfalls nicht aus Ge- schäftsinteresse, den angesehenen Berliner „Tagesspiegel“, dessen Ver- luste am Ende auf klage und schreibe 83 Millionen Euro angewachsen wa- ren. Als Holtzbrinck auch noch und ausgerechnet die „Berliner Zeitung“ übernahm, gleichfalls eine Publika- tion von zweifelhaftem wirtschaft- lichen Ruf, fing der Ärger Feuer. Monatelang torkelte der Großver- lag durch die Schlagzeilen. Rund 180 Millionen Euro hatte Holtzbrinck für den Berliner Verlag und dessen „Ber- managermagazin 12/03 79 Unternehmen Holtzbrinck Schwäbischer Blätterwald Gesellschafter und wichtige Beteiligungen Monika Schoeller Dieter von Holtzbrinck Stefan von Holtzbrinck 33,3 % 33,3 % 33,3 % Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck GmbH Umsatz: 2,24 Milliarden Euro Gewinn*: ca. 70 Millionen Euro Beschäftigte: 12 500 Belletristik/Sachbuch Bildung/Wissenschaft Zeitungen Wirtschaftsinformation Elektronische Medien Umsatz: 594,2 Mio. Euro Umsatz: 704,3 Mio. Euro Umsatz: 600,7 Mio. Euro Umsatz: 341,8 Mio. Euro • S. Fischer Verlag • J. B. Metzler, Stuttgart • Die Zeit • Handelsblatt • AVE Gesellschaft für • Rowohlt Verlag • Bedford, Freeman & • Berliner Zeitung • Wirtschaftswoche Fernsehproduktion, • Kindler Verlag Worth Publishing Group, • Main-Post • Lebensmittel Praxis Berlin • Holtzbrinck • Droemer Knaur (50%) New York, Boston • Saarbrücker Zeitung • Prognos (49%) • Networxs, München • Kiepenheuer & Scientific American, • Lausitzer Rundschau • VDI-Verlag (40%) New York (90%) Witsch (85%) • Trierischer Volksfreund • vwd Vereinigte Booxtra (25%) • Nature Publishing Group • • Farrar, Straus & • Südkurier Wirtschaftsdienste • Parship (81,7%) Giroux, New York Macmillan, London (49,7%) • Henry Holt, New York *Gewinn vor Steuern, Stand: 2002, geschätzt. liner Zeitung“ bezahlt. Doch natür- eine Strategieverpuffung des vital- unserer Wettbewerber unterschätzt.“ lich verbot das Kartellamt die Über- wienerischen Holtzbrinck-Vizes Grab- Dafür verbesserte er seine Nehmer- nahme, solange die Stuttgarter auch ner, der den jungen Konzernchef fern- qualitäten: „Angriffen stehe ich jetzt den örtlichen „Tagesspiegel“ be- oder sonstwie, jedenfalls aber in die viel gelassener gegenüber.“ saßen, den Holtzbrinck und sein verkehrte Richtung lenke. Die Gelassenheit rührt sicherlich Chefstratege Michael Grabner (55) Was freilich die Dinge nicht trifft: daher, dass die Verlagsgruppe 2003 schließlich an ihren Ex-Topmanager Stefan von Holtzbrinck tritt zwar „sehr gut abschließen wird“. Eine er- Pierre Gerckens (65) verkauften. höflich und bescheiden auf. Aber staunliche Leistung, zumal über die Ein Querpass zum Zeitsparen. der liebe Gott hat eine Menge Gips Bilanzen der Vorjahre noch die Ge- Überhaupt zeigten die Schwaben zu- genommen, als er ihn schuf, und ihm spenster der Hoffnungslosigkeit ge- letzt nur selten ein kluges, schnelles viel Zeit gegeben, hart zu werden. krochen waren. 2001 hatte das kon- Spiel in die Spitze. Folge der Werbe- Und auch ein bisschen unangefoch- junkturgeschüttelte Haus ein Minus krise, die die kreativen Kräfte lähmt. ten: Der Mann sieht sich, irgendwie, von rund 47 Millionen Euro verbucht. Bis ins Feuilleton der „FAZ“ brach auch als Opfer widriger Umstände: Der Umsatz wird zwar zum zwei- die Hölle los: „Strohmann!“ riefen „Wir haben die Wogen und Taktiken ten Mal in Folge sinken, von 2,24 auf sie. Der Verdacht liegt nicht fern, etwa 2,1 Milliarden Euro. Doch der dass das Journal bei Gerckens nur Deutsche Verlagsriesen Gewinn steigt auf geschätzte 150 abgestellt ist, bis die Fusionsregeln Umsätze 2002 in Milliarden Euro (Vorjahr: 70) Millionen Euro. Gewiss, gelockert werden. Schließlich muss die Eigenkapitalquote erreicht nicht 2,8 die treue Seele nur 10 statt 20 Millio- Gruner + Jahr mehr 45 Prozent wie einst, aber sie nen Euro bezahlen, die der Bauer- liegt bei soliden 30 Prozent. Auch die Verlag vergeblich geboten hatte. 2,77 Bruttofinanzschulden sind mit 500 Axel Springer Obendrein räumte Gerckens sei- Millionen Euro noch recht erträglich. nem Ex-Arbeitgeber ein Übernahme- 2,24 Zu verdanken ist das gute Ergebnis Georg von Holtzbrinck recht auf 75 Prozent der „Tagesspie- in erster Linie dem blühenden Aus- gel“-Anteile ein und verpflichtete 1,98 landsgeschäft, das über die Hälfte sich, bei einem Verkauf an einen Zeitungsgruppe WAZ zum Umsatz beiträgt: England und Dritten, bis zu 75 Prozent des Mehr- 1,78 die USA melden Rekordjahre. Stefan erlöses an Holtzbrinck abzuführen. Verlagsgruppe Bauer von Holtzbrinck hat die leckgeschla- Verschwörungstheoretikern zu- 1,4 gene Edelunion wieder auf Kurs ge- folge geht der Pallawatsch zurück auf Burda Verlag bracht: mit einem drastischen Perso- 80 managermagazin 12/03 Unternehmen Holtzbrinck Gute Besserung Rekonvaleszenz: Ganz auf dem Damm sind die Holtzbrinck- ab, und als sie sich trennten und auf Sparten noch nicht. Aber das Auslandsgeschäft floriert. dem Parkplatz standen im Schnee, sagte Stefan von Holtzbrinck: „Viel- Zeitungen und Zeitschriften Bildung und Bücher leicht gehen Sie. Aber wenn Sie ge- Holtzbrincks fünf Regionalblätter, von der Was die Welt über Wissenschaft er- hen, sollen Sie wissen, dass wir hier „Main-Post“ in Würzburg bis zum „Trie- fährt, bestimmt nicht nur, aber vor al- auf Sie warten.“ Worte besser als rischen Volksfreund“, lösen in finanzieller lem das britische Forscherblatt „Na- Gold. Di Lorenzo blieb. Hinsicht keine Begeisterung, aber auch ture“. Es gehört zur Macmillan Group, Wie er an diesem Herbsttag dasitzt keine Ängste aus. mit der es wiederum ständig bergauf in seinem freundlichen Büro, ist es, Die Sparte schreibt ordentliche Ge- geht: Im vergangenen Jahr stieg der als brächte er einen hellen Farbton winne. Sogar die „Lausitzer Rundschau“, Umsatz auf 550 Millionen Euro: Re- mit ins Zimmer, das nicht mehr mit zuletzt der einzige Verlustbringer im Zei- kord. In diesem