Wettbewerblicher Dialog Stadtteil Grasbrook
Auslobung gem. § 18 VgV für die städtebauliche Funktionsplanung und Freiraumplanung Wettbewerblicher Dialog STADTTEIL GRASBROOK in Hamburg
Herausgeberin HafenCity Hamburg GmbH Osakaallee 11 20457 Hamburg Internet: www.grasbrook.de Internet: www.hafencity.com Email: [email protected] im Einvernehmen mit der
Freien und Hansestadt Hamburg vertreten durch die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen Behörde für Umwelt und Energie
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2 Wettbewerblicher Dialog STADTTEIL GRASBROOK in Hamburg
Auslobung Wettbewerblicher Dialog gem. § 18 VgV für die städtebauliche Funktionsplanung und Freiraumplanung
STADTTEIL GRASBROOK in Hamburg
ausgelobt durch die
HafenCity Hamburg GmbH Osakaallee 11 20457 Hamburg im Einvernehmen mit der
Freien und Hansestadt Hamburg vertreten durch die
Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen Behörde für Umwelt und Energie
3 Wettbewerblicher Dialog STADTTEIL GRASBROOK in Hamburg
Inhaltsverzeichnis
TEIL A AUSGANGSSITUATION...... 6
TEIL B INNOVATION FÜR DEN STADTTEIL DER ZUKUNFT...... 14
B.1 PHYSISCHE INNOVATIONSTHEMEN...... 18 B.1.1 Hochwasserschutz ...... 18 B.1.2 Erschließung/Zentrale Ver- und Entsorgung durch Medienkanal ...... 18 B.1.3 Energieversorgung ...... 19 B.1.4 Mobilität ...... 19 B.1.5 Zirkuläre Ressourcenökonomie, nachhaltige Gebäude und biodiverse Stadt ...... 20 B.1.6 Erholung, Bewegung, Stadtnatur ...... 21 B.2 SOZIALE UND SOZIOÖKONOMISCHE INNOVATIONSTHEMEN...... 22 B.2.1 Wohnen und Inklusion im Stadtteil ...... 22 B.2.2 Arbeiten...... 23 B.2.3 Urbane Erdgeschossnutzungen...... 24 B.2.4 Instrumente der langfristigen Selbstorganisation ...... 25 B.3 VORLAUFENDER BETEILIGUNGS- UND INFORMATIONSPROZESS...... 26 B.3.1 Überblick ...... 26 B.3.2 Ergebnisse der ersten Beteiligungsphase...... 28 TEIL C WETTBEWERBSGEBIET...... 36
C.1 STADTRÄUMLICHER KONTEXT...... 42 C.2 FREIRÄUMLICHER KONTEXT...... 46
TEIL D AUFGABENSTELLUNG...... 48
D.1 GEMEINSAME ZIELSETZUNGEN FÜR STÄDTEBAU UND FREIRAUM...... 50 D 1.1 Städtebauliche und freiraumplanerische Zielgrößen...... 50 D.1.2 Nutzungskonzepte und Anforderungen (Städtebau/Freiraum)...... 52 D.1.3 Identitätsbildung der Teilräume/Quartiere ...... 54 D.1.4 Dichte und Nutzungsintensität...... 55 D.1.5 Urbanität durch Nutzungsmischung...... 56 D.1.6 Lärmschutz...... 58 D.1.7 Umgang mit Bestandsgebäuden und Raumstrukturen sowie Denkmalschutz...... 58 D.1.8 Stadtklima und urbaner Wasserkreislauf...... 59 D.1.9 Uferzonen und Wasserflächen...... 61 D.1.10 Mobilität und Verkehr...... 62 D.1.11 Ver- und Entsorgung...... 64 D.1.12 Wirtschaftlichkeit...... 65 D.2 BESONDERE FREIRAUMPLANERISCHE ZIELSETZUNG...... 66 D.2.1 Anforderungen an Grünflächen und Parkanlagen ...... 67 D.2.2 Anforderungen an Plätze und Promenaden ...... 68 D.2.3 Begrünungskonzept, grüne Grundstücks- und Gebäudeflächen ...... 70
4 Wettbewerblicher Dialog STADTTEIL GRASBROOK in Hamburg
TEIL E RAHMENBEDINGUNGEN UND VORGABEN...... 72
E.1 NUTZUNGEN...... 74 E.2 HOCHWASSERSCHUTZ...... 76 E.3 UFERZONEN UND WASSERFLÄCHEN...... 78 E.4 VER- UND ENTSORGUNG...... 79 E.5 MOBILITÄT UND VERKEHR...... 80 E.6 STADTKLIMA, WASSERKREISLAUF, NATUR- UND ARTENSCHUTZ...... 86 E.7 LÄRMSCHUTZ...... 89 E.8 GEBÄUDEBESTAND UND DENKMALSCHUTZ...... 91 E.9 STÖRFALLBETRIEBSBEREICH...... 92 E.10 INTERNATIONAL SHIP AND PORT SECURITY CODE (ISPS)...... 93 E.11 HINWEISE ZUR KRIMINALPRÄVENTIVEN GESTALTUNG...... 93 E.12 PLANUNGSRECHT...... 94
TEIL F VERFAHREN...... 96
F.1 AUSLOBERIN...... 98 F.2 VERFAHRENSMANAGEMENT...... 98 F.3 VERFAHRENSAUFGABE...... 99 F.4 VERFAHRENSGRUNDLAGEN...... 99 F.5 TEILNEHMENDE BÜROS...... 101 F.6 JURY...... 102 F.7 BEARBEITUNGSHONORARE...... 107 F.8 ABLAUF DES VERFAHRENS...... 107 F.9 LEISTUNGEN DES VERFAHRENS...... 111 F.10 VERFAHRENSUNTERLAGEN...... 129 F.11 VORPRÜFUNG...... 130 F.12 BEURTEILUNGSKRITERIEN FÜR DIE QUALIFIZIERUNGSPHASE...... 131 F.13 BEURTEILUNGSKRITERIEN FÜR DIE VERTIEFUNGSPHASE...... 131 F.14 ZUSCHLAGSKRITERIEN...... 132 F.15 ZUSCHLAGSKERTEILUNG...... 132 F.16 EIGENTUM UND URHEBERRECHT...... 133 F.17 RÜCKSENDUNG DER ARBEITEN...... 133 F.18 TERMINÜBERSICHT...... 134
ABBILDUNGSNACHWEIS VERFAHRENSREGELN
5 Wettbewerblicher Dialog STADTTEIL GRASBROOK in Hamburg
Teil A Ausgangssituation
6 Wettbewerblicher Dialog STADTTEIL GRASBROOK in Hamburg
7 Wettbewerblicher Dialog STADTTEIL GRASBROOK in Hamburg
Teil A Ausgangssituation
Am 12. September 2017 stellte der damalige und Vorüberlegungen zur Bebauung angestellt, Erste Bürgermeister Olaf Scholz in Gegenwart die der öffentlichen Präsentation in 2017 zugrun- vieler politischer Entscheidungsträger und Ver- de lagen. Dieses Gebiet ist, mit weiteren Mo- treter der Hafenwirtschaft das Konzept eines difikationen, auch das Wettbewerbsgebiet für neuen Innovationsstadtteils auf dem Grasbrook dieses Verfahren. anhand einer ersten Präsentation vor. Zielset- zung war und ist es, die innere Stadtentwicklung Hamburgs („Stadt in der Stadt“) angesichts stei- gender Bevölkerungs- und Arbeitsplatzzahlen weiter zu stärken, nachdem die HafenCity-Ent- wicklung auf die letzte Phase ihrer Entwicklung zusteuert und der Billebogen in modifizierter Form diesen Entwicklungsansatz nördlich der Elbe entlang der Bille seit 2015 vorantreibt. Der Grasbrook setzt diese innere Stadtentwicklung auf der Südseite der Norderelbe fort und ver- bindet sie mit der Stadtentwicklung Hamburgs, dem Sprung über die Elbe, auf der Veddel und in Wilhelmsburg (siehe Übersicht auf folgender Doppelseite). Abb. 2 | Blick auf die Elbphilharmonie aus Rich- tung Moldauhafen
Der zukünftige Stadtteil Grasbrook liegt im Her- zen von Hamburg und kann einen eigenstän- digen Charakter ausprägen. Seine besondere Lage gegenüber der HafenCity an der Norder- elbe, in unmittelbarer Nachbarschaft zur Ved- del, und seine Prägung durch drei Hafenbecken, die Verkehrseinbettung und die räumlichen Möglichkeiten bieten Potenzial, innerstädtische Qualitäten am südlichen Elbufer zu schaffen und mit der angrenzenden Veddel räumlich und kon- zeptionell zu verbinden. Gleichzeitig bietet sich Abb. 1 | Grasbrook - Stadt und Hafen in enger die Chance, einen Innovationsstadtteil mit wich- Nachbarschaft tigen Impulsen für eine nachhaltige umweltbe- zogene, gesellschaftliche und wirtschaftliche Um die Entwicklung im Einvernehmen mit der Entwicklung Hamburgs zu realisieren. Dazu ge- Hafenwirtschaft zu vollziehen, wurde 2017 ein hört die Zielsetzung, für den Stadtteil mindes-
Letter of Intent (LoI) zwischen der Behörde für tens CO2-Neutralität zu erreichen, der Planung Wirtschaft, Verkehr und Innovation (BWVI) und und Realisierung das Konzept einer zirkulären der Hafenwirtschaft geschlossen, in dem die Ökonomie zugrunde zu legen und eine soziale Aufteilung der Flächen des Kleinen Grasbrook in Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit mit den Mit- weiterhin hafenwirtschaftlich genutzte Flächen teln einer qualitativen wirtschaftlichen Entwick- und in ein zukünftig dicht und gemischt genutz- lung zu erreichen. tes, besonders zukunftsfähiges Stadtareal, den neuen Stadtteil Grasbrook, bestimmt wurde. Für Mit dem Stadtteil Grasbrook soll ein mischge- dieses Gebiet wurden vorbereitende Analysen nutzter Stadtraum mit Gewerbe-, Büro- und
8 Wettbewerblicher Dialog Teil A Ausgangssituation STADTTEIL GRASBROOK in Hamburg
Wohnnutzung sowie öffentlichen Freiräumen chen von räumlich großer Bedeutung. Ziel ist es, entstehen. Nach aktuellen Vorstellungen ist den Grasbrook als (grünen) Nutzungsraum der die Herstellung von ca. 3.000 Wohnungen Norderelbe-Landschaftsachse sowie als Mobili- (anteilig ein Drittel öffentlich geförder- tätsachse für Fußgänger und Radfahrer und als ter Wohnungsbau) für ca. 6.000 Einwohner blaugrünen Erfahrungsraum für die Bewohner mit sozialer Infrastruktur (Grundschule, Ki- und arbeitenden Bevölkerung zu entwickeln. tas, Sportflächen) und Einkaufsmöglichkei- Die Ufer des Moldauhafens, grün oder urban ten sowie Flächen für ca. 16.000 Arbeitsplätze gestaltet, sind identitätsgebend für das Stadt- und attraktive öffentliche Freiräume vorgese- bild ebenso wie die Stromelbe und die Hafen- hen, wobei die Wohnungs- und Bewohnerzahl becken. Desgleichen sind die visuelle Erlebbar- als notwendige kritische Masse für eine gute so- keit der Gewässerlandschaft, der Hafenbecken ziale Infrastrukturausstattung gilt. Außerdem soll und der städtebaulichen Anmutung vom Wasser im westlichen Areal des Stadtteils Grasbrook der aus (für Kanu- u. Barkassenfahrten) von großer Hauptstandort des Deutschen Hafenmuseums touristischer Wertig- und Wichtigkeit. Die Infra- als eines der bedeutendsten Museumsneubau- struktur- und Freiraumqualitäten werden sich im projekte Deutschlands entstehen. Die Viermast- Stadtteil Grasbrook an den hohen Qualitätsstan- bark „Peking“, zurzeit in der Renovierungspha- dards der HafenCity orientieren, aber u.a. The- se, wird als Teil des Museums in unmittelbarer men wie Biodiversität, grüne Ufer- und Wasser- Nachbarschaft am Holthusenkai liegen. zonen sowie grüne Straßenräume und Gebäude stärker in den Fokus rücken. Insgesamt können ca. 880.000 qm BGF bei an- gemessen dichter qualitätvoller Bebauung ent- Hamburg hat vor rund vier Jahren für das Ge- stehen. Ziel ist es, eine hohe physische und in- samtareal des Kleinen Grasbrook im Rahmen der nerstädtische Dichte und feinkörnige Mischung im November 2015 abgebrochenen Bewerbung mit städtebaulich-funktionaler Vernetzung zu um die Ausrichtung der Olympischen und Para- den angrenzenden Stadtteilen, insbesondere lympischen Sommerspiele 2024 Pläne für einen der Veddel, zu erreichen. Mit einem erstmals neuen Wohn- und Bürostandort vorgelegt. Die- hergestellten Zugang zum schienengebunden- se Planung wurde nach einem negativen Refe- en ÖPNV, voraussichtlich einer Verlängerung rendum im November 2015 nicht weiterverfolgt. der U4 mit einer Haltestelle im Bereich Mol- Auch wenn der Flächenzuschnitt des in diesem dauhafen/Saalehafen, werden hervorragende Verfahren zugrunde liegenden Wettbewerbs- Voraussetzungen zur nachhaltigen Sicherung gebiet sich gegenüber der Olympia-Planung, der Mobilitätsansprüche von Beschäftigten, Be- die auch die Fläche des O’Swaldkais umfasste, wohnern und Besuchern im Stadtteil Grasbrook verändert hat, da die südliche und die zentra- und auch der benachbarten (nördlichen) Veddel le Teilfläche des O’Swaldkais auch zukünftig in geschaffen. Hafennutzung verbleibt, wurde die intensive Vorbefassung mit dem Ort für den bevorstehen- Die Entwicklung des Grasbrook wird flankiert den Prozess genutzt. mit dem Ausbau der Elbinsel-Landschaftsach- se, die für die Erholung, die Mobilität sowie für Der Stadtteil Grasbrook wird in den kommenden den Naturhaushalt eine wichtige Vernetzung Jahrzehnten eine zentrale Rolle in der Stadtent- von Freiflächen gewährleistet. Saale-, Moldau- wicklung Hamburgs spielen: Er setzt die Ent- und Segelschiffhafen sind, in Verlängerung des wicklung der innerstädtischen HafenCity, insbe- südlich gelegenen Spreehafens, als Rückgrat sondere die der östlichen HafenCity, sowie die der Landschaftsachse von großer gesamtstäd- Entwicklungen im Bereich des östlich anschlie- tischer Bedeutung. Gleichzeitig sind sie sowohl ßenden Billebogens nach Süden fort und voll- für wohnungsnahe Park- und Spielanlagen als zieht damit den Sprung direkt auf die Südseite auch für die übergeordneten Grün- und Parkflä- der Norderelbe.
9 Wettbewerblicher Dialog STADTTEIL GRASBROOK in Hamburg
HafenCity
Grasbrook
Wilhelmsburg
Abb. 3 | Areale der inneren Stadtentwicklung Hamburgs am Stadteingang Elbbrücken: HafenCity, Billebogen, Rothenburgsort, Veddel, Peute und Wilhelmsburg Nord
10 Wettbewerblicher Dialog STADTTEIL GRASBROOK in Hamburg
Billebogen
Rothenburgsort
Veddel
11 Wettbewerblicher Dialog STADTTEIL GRASBROOK in Hamburg Teil A Ausgangssituation
In der östlichen HafenCity entsteht ein attrak- serten Zugang zum öffentlichen Nahverkehr so- tiver Arbeits- und Wohnstandort von maritimer wie neue Fuß- und Radfahrverbindungen besser Prägung in direkter Nähe zum Grasbrook, des- an die Innenstadt angebunden sind und durch sen räumlichen Abschluss zukünftig der rund die neu entstehenden öffentlichen Grünanlagen 245 Meter hohe „Elbtower“ bildet. Die U- und S- über Naherholungsanlagen verfügen können, Bahnhaltestelle Elbbrücken als neuer moderner die im Stadtteil Veddel aktuell fehlen. Auch die Verkehrsknotenpunkt wird mit der vorgesehe- geplanten Flächen für Schulen, Sport, Freizeit nen Fortsetzung der U-Bahntrasse nach Süden und Einzelhandel im Stadtteil kommen den Be- und der geplanten U-Bahnstation über dem Mol- wohnerinnen und Bewohnern des Stadtteils dauhafen/Saalehafen zukünftig auch den Gras- Veddel zugute, wobei die neu zu schaffenden brook und die Veddel einbinden. Angebote im Bereich Sport und Freizeit, Nah- versorgung, Gastronomie, soziale und kulturelle Einrichtungen nicht nur am Bedarf der künftigen Bewohnerinnen und Bewohner des Grasbrook, sondern zusätzlich an den Bedürfnissen und sozioökonomischen Strukturen der Bewohner- schaft der Veddel gemessen werden sollen. Es ist wichtig, dass sowohl auf dem Grasbrook als auch auf der Veddel soziokulturelle und nahver- sorgungsrelevante Einrichtungen als Treffpunkte für die Bewohner des Grasbrook und der Veddel entstehen, um an die heterogene sozioökono- mische Struktur der Nachbarstadtteile anzu- knüpfen und damit eine soziale und funktionale Verflechtung des Stadtteils Grasbrook mit den Nachbarstadtteilen, insbesondere der Veddel, Abb. 4 | Entwurf „Elbtower", David Chipperfield zu ermöglichen und die soziale Begegnungs- Architects kapazität verstärkt auszubilden. Für die Bewoh- nerinnen und Bewohner des Grasbrook und der Der Stadtteil Grasbrook wird Teil des östlichen umliegenden Stadtteile entsteht ein gut zu er- innerstädtischen Stadteingangs, der mit der reichendes Arbeitsplatzangebot. So wird der östlichen HafenCity, Rothenburgsort und der Stadtteil Grasbrook nicht nur von zentraler Be- Veddel sowie dem nördlichen Wilhelmsburg deutung für Hamburg, sondern auch ein wich- einen gemeinsamen Stadt- und Sozialraum bil- tiger Baustein zur Verwirklichung des „Sprungs den wird. Für den Bereich des Stadteingang über die Elbe“ und damit für die Anbindung Elbbrücken läuft derzeit ein städtebauliches und der Veddel und von Wilhelmsburg an die Stadt freiraumplanerisches Testplanungsverfahren, in nördlich der Elbe sein, was heute trotz aller In- dem unter anderem die nördliche Veddel be- vestitionen und Maßnahmen noch nicht gelun- plant wird. Die Verfahrensergebnisse werden für gen ist. das vorliegende Verfahren als wichtige Kontex- tinformationen eingespeist und sollen bei den Eine solche positive Impulswirkung setzt vo- wichtigen Überlegungen zur Verknüpfung zwi- raus, dass sowohl die physische Verbindung schen den Stadtteilen Grasbrook und Veddel zwischen der Veddel und dem Stadtteil Gras- berücksichtigt werden. brook gelingt (trotz der massiven Barrierewir- kung durch Verkehrstrassen und Lärm) als auch Die Menschen auf der angrenzenden Veddel eine ökonomische, nutzungsbezogene und sozi- werden von den Entwicklungen auf dem Gras- ale Verknüpfung erreicht wird. brook profitieren, indem sie durch einen verbes-
12 Wettbewerblicher Dialog Teil A Ausgangssituation STADTTEIL GRASBROOK in Hamburg
Auch wenn die Veddel nicht Bestandteil des planung für die Freiräume und die grünen Ele- Wettbewerbsgebiets ist, ist den funktionalen mente des Stadtteils. und sozialen Wechselwirkungen mit diesem direkt benachbarten Stadtteil besondere Auf- Das Verfahren soll die Voraussetzungen dafür merksamkeit im Entwurf zu schenken. Die räum- schaffen, dass der Grasbrook ein Innovations- liche und funktionale Verknüpfung der Veddel stadtteil wird, nicht um der bloßen Innovation mit den Entwicklungen auf dem Grasbrook soll willen, sondern um zu einer umweltbezogenen, im Entwurf mitgedacht und konkret berücksich- aber auch ökonomischen Transformation der tigt werden. Stadtgesellschaft beizutragen. Als innerstädti- scher Stadtteil ist der Grasbrook mit seinen völ- lig neuen Infrastrukturen und Freiräumen auch im Hamburger Kontext auf eine hohe Qualität und Resilienz ausgelegt. Gleichzeitig lässt sich Qualität in der zukünftigen Stadt für möglichst viele Menschen und Unternehmen besonders gut in der inneren Stadt realisieren.
Die Entwicklung des Stadtteils Grasbrook wird durch die in Hamburgs Eigentum befindliche Stadtentwicklungsgesellschaft HafenCity Ham- Abb. 5 | Getrennte Nachbarn - Veddel und Gras- burg GmbH erfolgen, die seit 1997 mit der brook Entwicklung der HafenCity Hamburg betraut Für die planerische Qualifizierung des Wett- ist. Dazu werden die Grundstücke des Wett- bewerbsgebiets soll eine qualitätvolle städte- bewerbsgebiets auf das sog. Sondervermögen bauliche und freiraumbezogene Funktionspla- Stadt und Hafen übertragen, das von der Hafen- nung erstellt werden. Als Verfahren wurde der City Hamburg gemanagt wird und die Finanzie- Wettbewerbliche Dialog gewählt, da er eine rungsgrundlage für die Arealentwicklung von kontinuierliche Bearbeitung im Dialog und eine der Flächenfreimachung über den Bau der In- weitergehende Beteiligung der Öffentlichkeit frastruktur bis zur Akquisition von Bauherren und ermöglicht. Als besonders innovatives Element dem Aufbau sozialer Netze und Institutionen si- des Wettbewerblichen Dialogs wird die Frei- chert. Dazu muss ein ökonomisches Gleichge- raumplanung nicht als „nachträgliche Begrü- wicht zwischen Ausgaben, der Intensität der nung“, sondern als gleichberechtigter Wettbe- Flächennutzung und den Qualitäten der Stadt- werbsbestandteil zeitgleich mit dem Städtebau entwicklung erzeugt werden (die Stadtarealent- bearbeitet. Als Vorarbeiten fließen die Ergeb- wicklung soll keinen monetären Überschuss für nisse der umfassenden Standortanalyse (siehe Maßnahmen außerhalb des Grasbrook generie- Anlage 1.13 „Standortanalyse Grasbrook“), die ren). Ergebnisse der vorlaufenden Beteiligungs- und Informationsprozesse (siehe Kapitel B.3) sowie Insbesondere auf der Erfahrung der östlichen erste Ansätze zu den strategischen Innovati- HafenCity aufsetzend, wo neue Innovations- onsthemen (siehe Kapitel B.1 und B.2) in diese ansätze (z.B. Mobilität, Gebäude, dazu z.B. ein Wettbewerbsauslobung ein. Auch während der Material Passport) experimentell für Einzelvor- Wettbewerbsphase wird es eine Reihe von öf- haben oder flächendeckend verfolgt werden, fentlichen Veranstaltungen geben, auf der die wurden bereits neue Standards gesetzt. Diese Konzeptideen vorgestellt und diskutiert wer- Standards sollen unter den besonderen Bedin- den. Ziel dieses mehrphasigen Verfahrens ist die gungen des Grasbrook weiterentwickelt und nachfolgende Erstellung einer städtebaulichen neue Standards der Stadtentwicklung kalibriert Funktionsplanung sowie einer Realisierungs- werden.
13 Teil B Innovationen für den Stadtteil der Zukunft
Wettbewerblicher Dialog STADTTEIL GRASBROOK in Hamburg
Teil B Innovationen für den Stadtteil der Zukunft
Für Städte stellen sich heute neue Entwick- Auf den unterschiedlichen Skalenniveaus (Stadt- lungskontexte und damit auch andere Entwurfs- teil, Quartier, Block, Gebäude) soll sich ein aufgaben. Die vielfältigen und weitreichenden schrittweiser Innovationsprozess für den Stadt- Einflüsse von Menschen und deren Wirtschafts- teil Grasbrook vollziehen, dessen erster Aus- weise auf die Nachhaltigkeit des Systems Erde gangspunkt die wesentlichen Setzungen die- haben im letzten Jahrhundert dazu geführt, das ses Wettbewerbsverfahren sind. Dabei müssen erdgeschichtlich nicht nur vom Anthropozän ge- soziale, zivilgesellschaftliche und ökonomische sprochen wird, sondern auch eine Analyse der Fragen in ein dynamisches Systembild mit den sogenannten planetarischen Grenzen forciert umweltbezogenen Fragestellungen der Nach- wird. Dabei zeigt sich, dass der Klimawandel haltigkeit und Resilienz gebracht werden. Der mit der globalen Erwärmung eines der großen kostenbezogene Sprung zwischen transformati- Themen der Entwicklung ist, aber keineswegs ver und gerechter Stadtentwicklung und „nor- das einzige. Der Verlust an Biodiversität ist viel maler“ guter Planung muss dabei auch praktisch weiter vorangeschritten, als dass er noch aufzu- bewältigt werden. Die Wettbewerbe sind dazu halten wäre, Phosphor- und Stickstoffkreisläufe ein Mittel und müssen sich an realisierbaren haben ebenfalls kritische Grenzen überschrit- funktionalen Lösungen orientieren und nicht nur ten. In all diesen Feldern lebt die Menschheit einen Kanon von Wünschen und Forderungen oberhalb eines verträglichen Verbrauchs. Daher abbilden. Daher bedeutet die Aufgabe ein ver- muss städtisches Wachstum, so wie in Ham- tieftes Durchdenken der Entwurfsaufgaben und burg, und Urbanisierung weltweit vom quali- einer detaillierten Begründung. Das gilt auch für tativen Wachstum entkoppelt werden und der den Innovationsstadtteil Grasbrook. Verbrauch der Ressourcen und der Natur allge- mein zurückgefahren werden. Weil gerade in Einen Stadtteil wie den Grasbrook zu entwi- neuen Stadtentwicklungsarealen, im Vergleich ckeln, birgt die große Chance, zukunftsfähige zu Bestandsstadtteilen, dazu die Möglichkeiten Lösungen für eine innovative Stadtentwicklung im besonderen Maße bestehen sind hier beson- zu finden und dabei auch die Möglichkeiten der dere Ambitionen in Bezug auf Nachhaltigkeit ge- Digitalisierung intelligent zu nutzen, auch wenn fordert. sie ein Hilfsmittel für diesen Prozess bleibt. Vor diesem Hintergrund werden in diesem Teil die Vor diesem Hintergrund geht es vorliegend auch wesentlichen, überwiegend technologischen nicht nur um den Entwurf für eine städtebaulich Zielperspektiven für die Entwicklung des Stadt- und freiraumplanerisch ästhetisch und funktio- teils Grasbrook als Kontextinformation für die nal überzeugende Stadt, sondern auch um das Aufgabenstellung des Wettbewerblichen Dia- Setzen von z.T. experimentellen Ansätzen für logs (siehe Teil D) vorangestellt, auch wenn sie neue Transformationen, und das Schaffen von für Entwurfsaufgaben nicht von gleicher Rele- urbanen Handlungsräumen und Möglichkeiten. vanz sind. Für die transformative Qualität der Entwicklung des Grasbrook spielen sowohl neue Grundqua- Innovationen sollen im Stadtteil Grasbrook auf litäten (z.B. Infrastruktur, Dichte und Nutzungs- verschiedenen Ebenen initiiert werden. Auf der mischung (z.B. in Verbindung mit der Möglich- physisch-technischen Ebene (siehe Kapitel B.1) keit solarer Wärmeerzeugung und Reduktion geht es um die Fragen: Wie kann es gelingen, von Hitzeinseln) Gebäude oder Freiräume) eine einen autoarmen und dennoch hoch mobilen große Rolle, die als gesamthafter Standard früh- Stadtteil zu gestalten, denn ein wesentlicher zeitig gesetzt werden, als standortbezogene Teil unserer Energie wird im Mobilitätssektor Lösungen und im weiteren Verlauf der Planung verbraucht? Wie könnte eine ressourcenscho- als experimentelle Einzelstandards. nende Energieversorgung des Stadtteils ausse-
hen und ein mindestens CO2-neutraler Stadtteil entstehen?
16 Wettbewerblicher Dialog Teil B Innovation für den Stadtteil der Zukunft STADTTEIL GRASBROOK in Hamburg
Und wie könnte bei der Gestaltung von öffentli- Ebenso wichtig ist es, über die sozialen Inno- chen und privaten Freiräumen und „grünen Ge- vationsthemen der Stadt nachzudenken (sie- bäuden“ die Konzeption der Biodiversität Ein- he Kapitel B.2), z.B. über die Fragen: Welche gang finden? Wie gelingt es, ein verträgliches Wohn- und Arbeitsmodelle sind zukunftsfähig und innovatives Nebeneinander von Wohnun- und was ist wichtig für eine möglichst vielfältige gen und Arbeitsstätten im Sinne der produkti- Stadtteilgemeinschaft? Wie lässt sich institutio- ven Stadt und kurzen Wege zu schaffen? Wie nelle Vielfalt entwickeln, denn Stadtentwicklung kann die unmittelbare Nachbarschaft zum Hafen kann nur dann zukunftsfähig sein, wenn sie auch so gestaltet werden, dass den Bedürfnissen aller sozial gerecht, inklusionsorientiert und kultu- Beteiligten, nicht nur in negativer Abgrenzung, rell vielfältig ist? Die Entwicklung des Stadtteils sondern auch in Komplementarität, Rechnung Grasbrook erfolgt unter der Zielsetzung, in der getragen wird? Wie können biologische The- Planung und Umsetzung der Stadtentwicklungs- men der Nachhaltigkeit über Straßenräume, aufgabe aussichtsreiche Antworten auf diese Dächer und Fassaden so mit den Freiräumen Fragen zu entwickeln. verknüpft werden, dass eine besondere Nach- haltigkeitsqualität entsteht, die zukünftigen An- forderungen des Klimawandels und der Klima- resilienz genügt?
Abb. 6 | Die neun Felder des Konzepts der planetaren Grenzen nach Rockström et. al. (2009)
17 Wettbewerblicher Dialog STADTTEIL GRASBROOK in Hamburg Teil B Innovation für den Stadtteil der Zukunft
Kapitel B.1 Physische Innovationsthemen
B.1.1 Hochwasserschutz B.1.2 Erschließung/Zentrale Ver- und Entsor- gung durch Medienkanal Die Hafengewässer unterliegen dem Wech- sel von Ebbe und Flut mit einem Tidehub von Von besonderer Relevanz für die Nachhaltigkeit ca. 3,70 m. Das Planungsgebiet liegt im sturm- und Zukunftsfähigkeit des Stadtteils Grasbrook flutgefährdeten Bereich der Tideelbe. In den ist seine intelligente Erschließung und seine Ver- Monaten September bis April besteht die Ge- sorgung mit Energie, Informationen und Gütern fahr, dass schwere Sturmfluten auftreten kön- sowie die Entsorgung, d.h. der Umgang mit bzw. nen. die Beseitigung von Abwässern und Abfällen so- wie die Wertstoff- und Energierückgewinnung. Vor dem Hintergrund der Sturmflutgefahr wird Hierzu zählt auch der Aufbau einer Ladeinfra- ein Warftkonzept für den Stadtteil Grasbrook als struktur für elektrisch angetriebene Fahrzeuge Grundlage des Hochwasserschutzes zugrunde (insbesondere mit Batteriespeicherung oder gelegt werden. Das bereits in der HafenCity be- Brennstoffzelle) des ÖPNV (Elektrobusse, Taxis) währte Prinzip ermöglicht nicht nur eine schritt- sowie des Individualverkehrs (E-Mobile, E-Bikes, weise räumliche Entwicklung des Stadtteils, es E-Scooter). erhält durch die in Niedriglage verbleibenden Uferflächen in besonderer Weise die Beziehung Der Stadtteil Grasbrook soll daher die volks- zum Wasser und ermöglicht die unterirdische wirtschaftliche und ökologische Nachhaltigkeit Integration des ruhenden Verkehrs in Warftge- aller Ver- und Entsorgungseinrichtungen unter schossen unter den Gebäuden bei angehobe- Berücksichtigung der Lebenszykluskosten aller ner, hochwassergeschützter Lage der Erschlie- Objekte und Infrastrukturen zukunftsfähig ge- ßungsinfrastruktur. währleisten. Als zentrale Anforderungen sind die Nachhaltigkeit, der Nachweis wirtschaftlicher Bei der Festlegung der Schutzhöhe wurde unter Lebenszykluskosten und die Innovationsoffen- Nachhaltigkeitsgesichtspunkten ein erweiterter heit die wesentlichen Leitparameter, an denen Prognosehorizont von 120 Jahren zugrunde ge- sich die Planungs- und Entwicklungskonzepte legt, da Warftlösungen anders als die üblicher- für die medientechnische Erschließung orien- weise für die öffentlichen Hochwasserschutzan- tieren müssen. In allen Phasen und Sphären lagen zugrunde gelegten Deichlösungen nicht der Planung und Entwicklung (insbesondere oder nur unwesentlich an steigende Hochwas- der Bereiche der gebauten Wohn-, Arbeits-, serrisiken infolge des globalen Meereswasseran- Bildungs- und Erholungswelten, des Verkehrs stiegs oder der Veränderung von lokalen Bedin- und der Erschließung) wird die Umsetzung der gungen (z.B. Strombaumaßnahmen) angepasst zentralen Anforderungen an die Ver- und Entsor- werden können. Die Festlegung der zukünftigen gungsinfrastruktur für den Erfolg des Stadtteils Warfthöhe erfolgte vor diesem Hintergrund auf- Grasbrook und seinen Beispielcharakter für zu- bauend auf einer langfristigen Risikobetrachtung künftige vergleichbare Projekte in Hamburg und und unter Berücksichtigung der für das Wettbe- darüber hinaus entscheidend sein. werbsgebiet spezifisch berechneten Wellen- auflaufhöhen im Bemessungssturmflutfall (siehe Herkömmliche Tiefbaumaßnahmen in der of- Anlage 1.22). Daraus ergab sich eine höhere als fenen Bauweise für Erweiterungs-, Instandhal- rechtlich notwendige Bemessungshöhe. Für die tungs- und Reparaturmaßnahmen an den einge- Gestaltung der uferbezogenen Freiräume des bauten Kabeln und Rohrleitungen sind nach der Stadtteils sollen darüber hinaus weitere Maß- Ersterschließung und dem Bau der Hauptachsen nahmen zur Erhöhung der hochwasserbezoge- für die unterirdische leitungsgebundene Infra- nen Resilienz, Verbesserung des ökologischen struktur mit erheblichen negativen Effekten für Zustands und multicodierter Infrastruktur für die Qualität und Nutzbarkeit der Straßenräume Freizeitnutzungen entwickelt werden. verbunden. Für den Stadtteil Grasbrook wird
18 Wettbewerblicher Dialog Teil B Innovation für den Stadtteil der Zukunft STADTTEIL GRASBROOK in Hamburg
daher die zentrale Erschließung aller oder aller um die Energiebedarfe so weit zu reduzieren, an zentralen Erschließungsachsen gelegenen dass sie regenerativ abgedeckt werden können. Grundstücke bzw. die Ver- und Entsorgung aller Es wird mindestens das Umweltzeichen „Platin“ Liegenschaften mittels begehbarer Infrastruk- der HafenCity angestrebt. Die Energieversor- turkanäle bzw. Medienkanäle vorgesehen, die gung des Stadtteils wird unter Verzicht auf fos- über ihre gesamte Länge jederzeit – unter Be- sile Brennstoffe und dabei so flexibel in seinen achtung von Sicherheits- und Zutrittskontrollen Systemen konzipiert und ausgelegt, dass auch und -legitimierungen – zugänglich und begeh- die langfristigen Anforderungen eines urbanen bar sind (vgl. Abb. 7). Arbeits- und Wohnstandortes abgebildet wer- den können. Für die gewerblichen Nutzungen sollen dynamische Veränderungen der Energie- bedarfe sowohl hinsichtlich absoluter Mengen als auch der variablen Nutzung (z.B. Nachfrage für Kühlung bei intensiver Nutzung von IT-Infra- strukturen) als Anforderung zugrunde gelegt werden.
Die Bereitstellung der für Gebäude (Strom, Wärme und Kälte) und Mobilität notwendigen Energie soll parallel zum städtebaulichen und freiraumplanerischen Wettbewerb in einem er- gebnisoffenen Verfahren untersucht werden. Hierbei sollen alle lokal verfügbaren erneuerba- ren Energiequellen sowie die nicht vermeidbare Abb. 7 | Beispiel für einen Medienkanal (im Bau) Abwärme betrachtet werden.
Die bauliche Hülle des Infrastruktur- bzw. Me- B.1.4 Mobilität dienkanals schützt dabei die Leitungen vor Ein- wirkungen aus dem Baugrund, dem Verkehr und Im Rahmen einer Transformation zu einer mul- durch benachbarte Bauprozesse, ermöglicht timodalen Mobilität von Menschen, Waren und Reparatur- und Erweiterungsmaßnahmen sowie Dienstleistungen soll die Integration intelli- Kontrollarbeiten ohne Störungen an der Ober- genter, nachhaltiger und gesamtheitlicher Mo- fläche und weist besonders für urbane Stand- bilitätslösungen gefördert werden. Flächen- orte mit hoher Versorgungsdichte und unter nutzungseffizienz, Ressourcenschonung und Berücksichtigung der Flexibilität im Hinblick auf Energieeinsparung sollen ohne physische Mo- zukünftig veränderliche Medienerschließungs- bilitätseinschränkungen gesteigert werden. Die bedarfe ein besonderes Innovationspotenzial zukünftigen Mobilitätsangebote sollen dabei auf. Dazu bedarf es der Entwicklung eines lang- den sehr unterschiedlichen und wechselnden fristigen Kostenmodells und eines geeigneten Mobilitätsbedarfen der Bewohner, Besucher, Be- institutionellen Trägermodells. schäftigten und Unternehmen Rechnung tragen und die Attraktivität sowie die Lebensqualität B.1.3 Energieversorgung im Stadtteil Grasbrook erhöhen. Die „Straße“ soll wieder mehr als Sozialraum, also als Ort der Für die Energieversorgung des Stadtteils Gras- Begegnung, als Entdeckungs- und Spielraum, gestaltet werden können und nicht allein als brook gilt die Zielsetzung einer mindestens CO2- neutralen, möglichst positiven Gesamtbilanz. Fläche mit Wegefunktion gesehen werden. Das Die Grundvoraussetzung hierfür ist ein sehr ho- Mobilitätskonzept soll die möglichen Verände- her Energiestandard der Gebäude im Stadtteil, rungen der kommenden Jahre in so weit berück-
19 Wettbewerblicher Dialog STADTTEIL GRASBROOK in Hamburg Teil B Innovation für den Stadtteil der Zukunft
sichtigen, dass auch autonome Fahrzeuge in nenmanagement), der verstärkten Nutzung von der Zukunft eingebunden und die entsprechend Elektrokleinstfahrzeugen (u.a. zur Bewältigung erforderliche Digitalisierung der Verkehrssyste- der letzten Meile) sowie IT-unterstützten integ- me im Stadtteil umgesetzt werden können. Der rierten Mobilitätsangeboten zugeschrieben. Grasbrook bietet die Möglichkeit, anders als noch die östliche HafenCity, den Stadtteil ins- B.1.5 Zirkuläre Ressourcenökonomie, nachhal- gesamt autonom auszulegen, weil er auch von tige Gebäude und biodiverse Stadt Durchgangsverkehr freigehalten werden kann. Mittels zirkulärer Ressourcenökonomie soll für Ziele des Mobilitätskonzepts für den Stadtteil den Stadtteil Grasbrook eine durchgängige Grasbrook sind insbesondere die Zunahme und konsequente Kreislaufwirtschaft über den der verkehrlichen Optionen, eine weitgehen- gesamten Lebenszyklus der Bauwerke und für de Stärkung der aktiven, gesundheitsfördern- die urbanen Nutzungsprozesse erreicht wer- den Verkehrsformen (Fußgänger, Fahrradfahrer, den. Der Fokus liegt auf der ressourcenschonen- z.B. durch attraktive Wegeverbindungen und den, recyclinggerechten und damit möglichst eine hohe Qualität von Fahrradabstellanlagen nachhaltigen Gestaltung der gebauten Umwelt sowie die Schaffung von Lademöglichkeiten sowie der Steigerung des Einsatzes von Sekun- für z.B. Pedelecs und Elektroroller etc.) sowie därrohstoffen. Ein möglichst niedriger Aufwand insgesamt die Verringerung des motorisierten an „grauer Energie“ für die Gebäudeherstellung Verkehrs, insbesondere des motorisierten In- ist in diesem Sinne anzustreben. Ein hoher Stan- dividualverkehrs (MIV) (siehe Kapitel E.5). Wei- dard der Gebäudenachhaltigkeit und die Gene- terhin verfolgt das Mobilitätskonzept das Ziel, rierung von sehr geringen CO2-Emissionsfakto- qualitativ hochwertige Wegeverbindungen in ren auf Basis des Energieversorgungskonzeptes die angrenzenden Stadtteile und damit eine sind – neben einer sehr hohen Gebäudeenergie- Vernetzung mit dem Stadtteil herzustellen. Die effizienz – dabei entscheidende Bausteine. Schaffung einer sehr guten ÖPNV-Anbindung (mit einer Verlängerung der U-Bahnlinie U4 und In Ballungsgebieten wird vielfach bedeutend einer Haltestelle im Bereich Moldauhafen, Bus- mehr Wasser zur Versorgung von Haushalten verkehr und Einbindung in das Streckennetz der und Gewerbe aus dem Untergrund entnommen, Hafenfähren) bildet dafür eine wesentliche Vor- als Grundwasser auf natürlichem Wege über aussetzung. die Versickerung neugebildet werden kann. Der schonende Umgang mit der Ressource Wasser Die Reduzierung von ruhendem Verkehr im ist ein wichtiges Ziel. Der Einsatz innovativer Straßenraum und die verkehrliche Entlastung Umwelttechnologien bei Gebäudekonzepten der Wohn- und Freiraumbereiche wird durch stellt ein großes Potenzial für die Reduzierung die Kombination des Warftkonzepts mit einer von Betriebskosten dar und wird deshalb ver- gebündelten Erschließung der hochwasserge- stärkt zum Standort- und Exportfaktor. Ziel ist schützt ausgebildeten Tiefgaragensockel an- es, Anlagen zur Betriebswassernutzung als eine gestrebt. Unterstützend sollen Fahrzeuge mit Form der Regenwasserbewirtschaftung oder alternativen Antriebstechnologien (z.B. Was- zum Grauwasserrecycling zu betreiben. serstoff und Elektromobilität) gefördert und ein breites Angebot an Sharing-Systemen (Fahrrad, Als Beitrag zum Ansatz einer „Circular Economy“ Auto, Scooter, Roller etc.) aufgebaut werden. ist auch das Abfallentsorgungskonzept für den Zusätzliche Bedeutung wird auch weiteren Stadtteil Grasbrook zu verstehen, bei dem die Mobilitätsangeboten und -aspekten wie z.B. Steigerung der Effizienz der Entsorgungspro- nachhaltigen und innovativen Zustellkonzepten zesse sowie Anreize zur Abfallvermeidung und (Mobility- und Logistikhubs, Einsatz alternativer Rückführung von Abfällen und Wertstoffen in die Liefermöglichkeiten, automatisiertes Ladezo- Stoffkreisläufe im Mittelpunkt stehen. Digitale
20 Wettbewerblicher Dialog Teil B Innovation für den Stadtteil der Zukunft STADTTEIL GRASBROOK in Hamburg
Technologien und Sensorik werden zur Opti- tivierung und Neugestaltung von öffentlichen mierung von Stoffströmen und Entsorgungslo- Freiräumen – bestehend aus dem Inselpark, gistik genutzt. Nutzerbasierte Abrechnung der Quartiersparks, vernetzenden lokalen Grünver- Entsorgungsmengen motiviert zur nachhaltigen bindungen und erlebbaren Gewässern mit zu- Trennung der Wertstoffe und Füllstandsensoren gänglichen Gewässerufern – geplant werden. an den Sammelbehältern und Standorten in Ver- Diese städtebaulich-freiraumplanerischen Ent- bindung mit einer intelligenten Tourenplanung wicklungen sollen wie eine Perlenkette die neu- befördern mit einer Abholung „on demand“ die en Quartiere der HafenCity an der Norderelbe Minimierung der Entsorgungsfahrten. mit der entsprechenden baulichen Entwicklung des Harburger Binnenhafens an der Süderelbe B.1.6 Erholung, Bewegung, Stadtnatur verbinden. Durch die Bestandteile des Grünen Netzes, insbesondere die Landschaftsachsen Bei der Gestaltung und Nutzung der Freiräume und die Grünen Ringe als „grünes Grundgerüst“, und im Rahmen der Gebäudeplanung liegt ein wird der Stadtraum gegliedert und die für die Schwerpunkt auf der Förderung von Biodiver- Erholung sowie für den Naturhaushalt wichtige sität und der Anpassung an den Klimawandel. Vernetzung von Freiflächen gewährleistet. Die Naturbasierte Lösungen (Nature-based Solu- vorgesehene Entwicklung des neuen Stadtteils tions & Animal-Aided Design, siehe Anlagen 1.34 Grasbrook ist der bisher fehlende „Baustein“ zur und 1.35) dienen hier der nachhaltigen Lösung Darstellung des Gesamtverlaufs der Elbinsel- ökologischer, sozialer und wirtschaftlicher He- Landschaftsachse. rausforderungen durch die Nutzung bestimm- ter Eigenschaften sowie der Vielfalt der Natur. Ausgehend von den lokalen Bedingungen wird es beispielsweise um die Aufwertung von an hochwertige Süßwasserwattflächen anschlie- ßenden Uferbereichen gehen. Die Einbindung von Dach- und insbesondere inneren Fassa- denflächen in das Begrünungskonzept und der Einsatz „blau-grüner“ Lösungen verbindet die städtebaulichen mit den freiraumplanerischen hydrologischen Funktionen im Bereich der Infra- struktur und bietet Möglichkeiten zur positiven Beeinflussung des Lokalklimas und Steigerung der klimabezogenen Resilienz sowie der Biodi- versität. Abb. 8 | Einbindung historischer Raumstruk- Hohe Dichten und knappe Flächenreserven er- turen in attraktive Freiräume fordern neue Strategien der Freiraumplanung. Dachlandschaften mit gemeinschaftlich nutz- Bei der Entwicklung des Standortes soll die baren Flächen bieten ein beachtliches Poten- Transformation erlebbar werden, sowohl in Hin- zial, um das Freiflächenangebot zu verbessern blick auf die Rudimente der Hafennutzung und und zugleich besondere Freiraumqualitäten zu der Stadtnatur, z.B. auf der Inselspitze, die als schaffen. Verschiedene Lösungen sind im neuen Erinnerung an die Geschichte des Grasbrook Quartier denkbar. eingebunden werden sollen, als auch in Hinblick auf seinen Prozess, die Wandlung des Standor- Seit Anfang der 2000er Jahre sind zur Umset- tes während seiner Entwicklung mit temporären zung des „Sprungs über die Elbe“ Wohnquar- Nutzungen für die Öffentlichkeit. Der Grasbrook tiere im Entstehen, die zusammen mit der Ak- soll als ein innovativer und lebenswerter Stand-
21 Wettbewerblicher Dialog STADTTEIL GRASBROOK in Hamburg Teil B Innovation für den Stadtteil der Zukunft
ort mit einer hohen Aufenthaltsqualität wahrge- wie den Bewohnerinnen und Bewohnern und nommen werden. Die multifunktionalen Parks, machen das Einzigartige des Standortes für je- Grünanlagen und Uferzonen fördern die Kommu- den erlebbar. Die neuen öffentlichen Grünräume nikation und den nachbarschaftlichen Austausch bieten den Nutzern und Nutzerinnen in einigen zwischen den Besuchern des Hafenmuseums, Bereichen dichte, quirlige Lebendigkeit und in den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern so- anderen wiederum Entspannung und Erholung.
Kapitel B.2 Soziale und sozioökonomische Innovationsthemen
B.2.1 Wohnen und Inklusion im Stadtteil öffentlich gefördertes Wohnen bzw. Wohnen im höherpreisigen Segment/Eigentum stattfindet. Der Stadtteil Grasbrook soll für das Wohnen, aufbauend auf dem sogenannten Drittelmix, Der Stadtteil Grasbrook soll auch für Familien mit je einem Drittel öffentlich geförderten Miet- ein attraktiver Wohnort werden. Ausgehend wohnungen, frei finanzierten Mietwohnungen von den Erfahrungen zum jüngeren demografi- und Eigentumswohnungen, eine hohe Diversi- schen Strukturwandel in den innenstadtnahen tät an Eigentümermodellen, wie zum Beispiel Stadtteilen, z.B. der HafenCity, ist auch für den Baugemeinschaften, (Mikro-)Genossenschaften, Stadtteil Grasbrook von einem über dem Ham- Stiftungen und sozialen Trägern, umgesetzt burger Durchschnitt liegenden Anteil von Haus- werden. Die Eigentümerstruktur sollte zudem halten mit Kindern auszugehen (in 2017 lebten dadurch gekennzeichnet sein, dass ein hohes beispielsweise in nahezu 24 % der Haushalte Interesse besteht, Wohnungen langfristig im ei- in der HafenCity Kinder unter 18 Jahren, Ham- genen Bestand zu halten („geduldiges Kapital“). burger Durchschnitt: 18 %). Eine entsprechend Um die soziale Mischung zu stärken, sollten auch attraktive Ausstattung mit schulischer und be- mietpreisgedämpfte Wohnungen ein signifikan- treuungsbezogener Bildungsinfrastruktur wird tes Segment des Angebots abbilden. Damit soll mit der vorgesehenen fünfzügigen Grundschule eine große Diversität an Bewohnerzielgruppen sowie mehreren Kita-Standorten geschaffen. angesprochen werden: Familien, Alleinlebende und Paare, Studierende, Auszubildende sowie Wohnen beinhaltet auch den Aspekt des Wohn- ältere Menschen sollen als neue „Grasbrooker“ umfeldes (als Aufenthaltsraum, Begegnungs- willkommen sein. Auch die Weiterentwicklung raum und Nahversorgungsraum). Daher gilt neuer Wohnformen wie z.B. Co-Living ist eine auch für die wohnbezogenen privaten und die Zielsetzung für den Stadtteil. öffentlichen Freiräume, dass sie Potenzial für die Mitgestaltung oder Aneignung durch die Be- Gefordert wird eine kleinteilige Mischung der wohnergemeinschaft des Stadtteils sowie Raum Eigentumsformen und die Umsetzung des soge- für Naturerfahrungen bieten sollen. Eine gute nannten Tenant-Blind-Konzepts, d.h. u.a. die Ge- Erreichbarkeit und räumliche Verteilung der bäudequalität lässt keine Rückschlüsse auf die Nahversorgungs- und Bildungsinfrastruktur im sozioökonomische Struktur der Haushalte zu, Stadtteil für alle Bürgergruppen bilden die Basis bzw. es ist von außen nicht auszumachen, wo für eine Stadt der kurzen Wege mit einer hohen
22 Wettbewerblicher Dialog Teil B Innovation für den Stadtteil der Zukunft STADTTEIL GRASBROOK in Hamburg
Attraktivität für den Fuß- und Fahrradverkehr. B.2.2 Arbeiten Der Stadtteil und die Wohnungen sollen barriere- frei und demografiefest gestaltet werden, damit Ausgehend von den vielfältigen direkten Was- selbstbestimmtes Wohnen bis ins hohe Alter er- serlagen, entsprechend hohen Sichtbarkeiten möglicht wird. Dies bedeutet auch, dass räum- des Standortes und den hervorragenden Blick- liche Ressourcen für soziale Dienstleistungen, beziehungen auf die prägnante Stadtsilhouette wie eine ambulante Rundum-die-Uhr-Versor- Hamburgs sowie einer sehr guten Erschließung gung, und gemeinschaftliche Treffpunkte und mit einer U-Bahnhaltestelle bietet sich ein Po- Orte der Kommunikation, die allen Menschen tenzial für intensive und vielfältige Arbeits- in der Nachbarschaft offen stehen, vorgesehen platznutzungen. Die differenzierten Lagen im werden müssen. Ebenso wichtig ist die kind- Wettbewerbsgebiet ermöglichen vielgestaltige gerechte Gestaltung des neuen Stadtteils. Inf- Gebäudetypologien für moderne Formen der rastrukturen, Orte und Stadträume für Kinder Büroarbeit, wissensbasierte Zukunftstechnolo- sollen ebenso entstehen, wie die Einbeziehung gien mit Verknüpfung von Forschung und Pro- von Kindern bei der Mitgestaltung ihres urbanen duktion sowie vertikal gestapelte gewerbliche Alltagsumfeldes selbstverständlich ist. Produktion. Vom produzierenden Gewerbe oder Lowtech-Sektor (z.B. Handwerksbetriebe, Herstellung von Kleidung, Lebensmittelverar- beitung und -produktion) bis zu Hightech-Nut- zungen (beispielsweise (3-D-)Druck- und Gra- fikgewerbe, Produktion optischer Instrumente, Produktion elektronischer und medizinischer Geräte, Film- und Fernsehproduktion, techni- sche Dienstleistungen wie Architektur und In- genieurwesen) kommen eine Vielzahl von Unter- nehmensaktivitäten und Arbeitsplätzen für den Stadtteil in Betracht. Auch mit den entstehen- den Nahversorgungsangeboten, sozialen und bildungsbezogenen Dienstleistungen sowie kul- turellen Einrichtungen werden weitere Arbeits- plätze im Stadtteil entstehen. Im Rahmen der Abb. 9 | Urbanes Wohnumfeld mit Aneignungs- vertikalen Nutzungsmischung sollen mit einem potenzial erweiterten Spektrum von Erdgeschosszonen und deren kleinteiliger Gestaltung gezielt auch Die öffentlichen Räume sollten eine hohe (gene- Möglichkeiten für die Ansiedlung und Neugrün- rationsübergreifende) Begegnungskapazität für dung von Gewerbebetrieben geschaffen wer- alle Bewohner des Grasbrook und der angren- den. zenden Stadtteile aufweisen und gleichzeitig Flächen für Sport- und Trendsportarten (z.B. Die Nutzung des lokalen Arbeitsplatzpotenzials Bolzplatz, Skateboarden, Parkour oder Street- des Stadtteils für die Beschäftigung und Aus- ball), Erholung, Naturerfahrung oder gemein- bildung von Menschen aus den umliegenden same Treffpunkte/Plätze bieten (z.B. Pocket Stadtteilen Veddel, Wilhelmsburg, Rothen- Parks). Auch die Planung von Treffpunkten und burgsort und der HafenCity soll angestrebt Rückzugsorten (d. h. Orte mit eher intimerem werden. Dabei bietet gerade die Orientierung Charakter) für Jugendliche, die Cliquenbildung auf verschiedenartige Arbeitsplatznutzungen, und das Ausüben gemeinsamer Interessen und die eine breite Palette unterschiedlicher Quali- Aktivitäten ermöglichen, ist wichtiger Bestand- fikationshintergründe voraussetzen – vom Aus- teil einer zukunftsfähigen Stadtraumgestaltung. bildungsberuf über den Handwerksmeister bis
23 Wettbewerblicher Dialog STADTTEIL GRASBROOK in Hamburg Teil B Innovation für den Stadtteil der Zukunft
zum Akademiker –, die Chance, an die heteroge- Der Stadtteil Grasbrook wird mit ca. 6.000 Ein- ne sozioökonomischen Struktur der Haushalte wohnern und 16.000 Beschäftigten im Vergleich der Nachbarstadtteile anzuknüpfen und damit zu den kerninnenstädtischen Standorten einen auch eine soziale und funktionale Verflechtung relativ geringen Besucherüberschuss aufweisen. des Stadtteils Grasbrook mit dem Nachbarstadt- Es sind daher strategische Rahmensetzungen zu teilen, insbesondere der Veddel, zu ermögli- den Fragen erforderlich, wie und mit welchen chen. Eine frühzeitige Vernetzung von Schulen Schwerpunktsetzungen publikumswirksame, in der Nachbarschaft des neuen Stadtteils mit gewerbliche und soziale Nutzungen in Erdge- Unternehmen und Arbeitgebern im neuen Stadt- schosszonen nachhaltig zu einer Belebung des teil und die Integration von beruflichen Weiter- Stadtteils und auch einer Bereicherung der an- bildungsmöglichkeiten generiert sowohl einen grenzenden Stadtteile beitragen können. An- Mehrwert für lokale Unternehmen (Einstellung sätze wie die räumliche Fokussierung auf stra- von lokalen Fachkräften und Azubis) als auch tegisch wichtige Standorte und Lagen und das Entwicklungschancen und leistet damit einen Weiterdenken der bisherigen Nutzungsvorstell- positiven Beitrag zur Identifikation mit dem ungen für die Erdgeschosszonen sind erforder- heranwachsenden Stadtteil. lich. Erste interessante Ideen beziehen auch neue Arbeitsformen und -möglichkeiten wie Flä- chen für urbane Produktion, kleine Handwerks- betriebe, Makerspaces/FabLabs und Coworking Spaces, aber auch soziale und medizinische Dienstleistungen sowie Sport- und Gemein- schaftsangebote mit ein.
Die Lage und Verteilung der unterschiedlichen Angebote und Nutzungen im Stadtraum ist mit entscheidend dafür, in welcher Weise das städ- tische Leben sich hier entwickeln wird. Für eini- ge Nutzungen (z.B. Einkaufs- und Gastronomie- nutzungen) wird sich die Nachfrage erst über die Zeit entwickeln. Gleichwohl sind solche Nutzungen bereits am Anfang der Entwicklung Abb. 10 | Vertikale Produktion in Gewerbebau- des Plangebiets wichtig, um die Vernetzung des ten neuen Typs Stadtteils mit den Nachbarschaften zu stärken Damit dies gelingt, müssen innovative Lösungen und Anreize für Bewohner und Büronutzer für für die Ausprägung der Nachbarschaft unter- die Ansiedlung zu schaffen. Als mögliche Stra- schiedlich immissionssensibler Nutzungen u.a. tegien zur Berücksichtigung dieser Aspekte zur räumlichen Anordnung der Gebäude, zur Re- können im Planungs- und Realisierungsprozess duzierung von Lärmbelastungen im Bereich der für die Gebäude die (temporäre/langfristige) Wohngebäude und zur Abwicklung der entste- Vorgabe günstiger Mietkonditionen (zur Ermög- henden Liefer- und Kundenverkehre im Rahmen lichung von nicht kommerziellen, sozialen und der Verkehrsplanung gefunden werden. nachbarschaftsbezogenen Konzepten oder für Unternehmensgründungen) und das Angebot B.2.3 Urbane Erdgeschossnutzungen von Flächen in Rohbauweise oder mit niedri- gem Haustechnikstandard (beispielsweise für Den Erdgeschosszonen kommt für die Belebung Nutzungen als Makerspace bzw. als Handwerks- der Stadträume und eine als attraktiv erlebte betrieb) bei der Bauherrenauswahl zugrunde Nutzungsmischung eine besondere Bedeutung gelegt werden. Um auf veränderte Rahmenbe- zu. dingungen reagieren zu können, sind Strategien
24 Wettbewerblicher Dialog Teil B Innovation für den Stadtteil der Zukunft STADTTEIL GRASBROOK in Hamburg
wie ein aktives Flächenmanagement in zentra- nem Nachbarschaftszentrum oder angegliedert len Einkaufsbereichen sowie das Einplanen von an eine Schule). „Jokerflächen“ möglich. Zu diesen Räumen zählen auch andere nachbar- schaftlich relevante Infrastrukturprojekte, die für einen vollständig neu entstehenden Stadtteil wichtige und nachhaltige Impulse geben: eine Bücherhalle, ein Sportzentrum, Raum für spiri- tuelle oder religiöse Aktivitäten, Kneipen/Bars/ Cafés, ein Gemeinschaftshaus oder Quartiers- zentrum zur Nutzung durch nachbarschaftliche Vereine, Initiativen oder Einrichtungen (mit Ver- sammlungsraum, Bühne, Theater oder ein Kino). Diese Räume sind ein Kernbestandteil sozialer Infrastruktur im Stadtteil, denn sie fungieren als Kristallisationskerne für den Aufbau zivilgesell- schaftlicher Beziehungen, die Bildung von Pro- jekten und Initiativen und von ehrenamtlichem Engagement und erhöhen somit die Bildung Abb. 11 | Entwicklung einer attraktiven urbanen von sozialem Kapital und damit auch der Res- Nutzungsmischung ilienz eines Quartiers. Eine digitale Vernetzung im Quartier erschließt neue Möglichkeiten für B.2.4 Instrumente der langfristigen Selbstor- die Förderung und Intensivierung zivilgesell- ganisation schaftlicher Beteiligung und nachbarschaftlicher Vernetzung, zum Beispiel in Form eines digita- Die Entstehung eines neuen Stadtteils wirft len Quartiersmanagements bzw. einer Online- auch die Frage auf, welche Instrumente der plattform als Teil einer SharingEconomy (z.B. langfristigen Selbstorganisation genutzt wer- für Gemeinschaftsräume, Lasten- oder Stadtteil- den können, um selbsttragende, nachhaltige fahrräder, Dachflächen, temporär nutzbarer La- soziale Netzwerke aufzubauen. Die Etablierung den-/EG-Flächen, Einrichtung einer Zeitbank/ von zivilgesellschaftlicher Selbstorganisations- Tauschbörse, nachbarschaftliche Do-it-yourself- kapazität und ehrenamtlichem Engagement in Fahrradreparaturwerkstatt). neu entstehenden Nachbarschaften setzt ne- ben der sozialen Infrastruktur als Ressource (Quartierszentrum, Gemeinschaftsräume, Aneig- nungsmöglichkeiten für räumliches Wirken im Stadtteil) weitere Rahmenbedingungen voraus. Es bedarf einer Finanzierung von Aktivitäten und eine Koordinationsfunktion (Quartiersma- nagement), welche entstehende Interessen und Potenziale lokaler Akteure vernetzt; Räume für das Kennenlernen von Menschen, die eine hohe Aufenthaltsqualität aufweisen, sollen entstehen und als Wirkungsorte für die Organisation von nachbarschaftlichem Miteinander, von Initiati- ven oder für Vereinsarbeit im Stadtteil dienen können (Nachbarschaftsbüros oder Coworking- Räume, beispielsweise in einer Bücherhalle, ei- Abb. 12 | Aktivierung der Erdgeschosse für viel- fältige Nutzungen
25 Kapitel B.3 Vorlaufender Beteiligungs- und Informationsprozess
Mit der Initiierung eines Beteiligungs- und Infor- cherinnen und Besucher des Infostands hatten mationsprozesses im Sommer 2018 wurde die darüber hinaus die Möglichkeit, ihre Ideen, An- Einbindung der Bevölkerung und von wichtigen regungen oder Befürchtungen zu notieren. Eine Stakeholdern frühzeitig begonnen. Die Infor- Beteiligung beim Stadtteilfest Veddel am 31. Au- mations- und Mitwirkungsmöglichkeiten sollen gust und 1. September 2019 ist wieder geplant. kontinuierlich – insbesondere auch im Rahmen des Wettbewerblichen Dialogverfahrens – fort- Von Dezember 2018 bis Februar 2019 fanden vier geführt und weiterentwickelt werden und so „Grasbrook-Werkstätten“ mit der Ausloberin, einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung eines Fachexperten, Akteuren aus der Nachbarschaft zukunftsfähigen Stadtteils leisten. und interessierten Bürgerinnen und Bürgern aus Hamburg statt. Die Themenfelder Nachbarschaft B.3.1 Überblick und Wohnen, Arbeiten und Innovation, Städ- tebau und Freiraum sowie Nachhaltigkeit und Der Grasbrook soll nicht nur ökonomisch, so- Mobilität wurden mit Input-Vorträgen von der zial und umweltbezogen als innenstädtischer Ausloberin, Fachexperten und im Anschluss dar- Transformationsstadtteil, sondern gleichzeitig an an Thementischen intensiv diskutiert und die im engen Kontext mit den umliegenden Stadt- verschiedenen Perspektiven ausgelotet. Beglei- räumen und im intensiven Dialog mit den Men- tend dazu gab es vom 30. November 2018 bis schen in Hamburg und insbesondere aus den 24. Februar 2019 die Möglichkeit einer Online- Nachbarstadtteilen entwickelt werden. Eine an- beteiligung unter www.hamburg.de/grasbrook. spruchsvolle Aufgabe, die einen urbanen Stadt- Die Ergebnisse des gesamten bisherigen Dis- teil pointiert formuliert und gleichzeitig inter- kussionsprozesses, der aus Fach- und Bürger- pretiert, wichtige Impulse für die Nachbarschaft perspektiven sowie den Beiträgen der Online- generiert und zugleich aus der Nachbarschaft beteiligung besteht, wurden dokumentiert, aufnimmt. Von Beginn an wird daher auch die ausgewertet und fließen in die Auslobung für Einbettung des Stadtteils in die Nachbarschaft, den Wettbewerblichen Dialog mit ein (siehe An- insbesondere der Veddel, aber auch Rothen- lage 1.14 „Dokumentation der vorlaufenden Be- burgsorts, Wilhelmsburgs und der HafenCity, teiligung“ und Teil D). mitgedacht und als wichtige Fragestellung in den städtebaulichen und freiraumplanerischen Auch während der Wettbewerbsphase wird es Wettbewerblichen Dialog eingespeist. eine Reihe von öffentlichen Veranstaltungen geben, auf der die Konzeptideen vorgestellt Der Grasbrook hat auch die große Chance, ein und diskutiert werden. Nach einer Auftaktver- Innovationsstadtteil von gesamtstädtischer Be- anstaltung im September 2019 werden zum Ab- deutung, ein „Fortschrittslabor“ der Stadtent- schluss der Qualifizierungsphase die Arbeiten wicklung Hamburgs zu werden. Die Einladung unter Beteiligung der Öffentlichkeit präsentiert des Mitdenkens richtet sich daher an eine brei- und durch eine Jury die jeweils drei vielver- te Hamburger Öffentlichkeit sowie an Fach- sprechendsten Beiträge der Städtebauer und experten und -expertinnen aus Wissenschaft, Freiraumplaner ausgewählt sowie zur Weiter- Wirtschaft und Politik. Eine öffentliche Stadt- bearbeitung Teams (Städtebau/Freiraumplaner) werkstatt am 1. Juni 2018 diente als Auftakt zur gebildet. Auch in der zweiten Wettbewerbs- öffentlichen Information und Diskussion der phase, der Vertiefungsphase, soll der Dialog künftigen Entwicklung des Stadtteils. Im Rah- zwischen den dann arbeitenden Teams mit der men des Stadtteilfestes auf der Veddel am 1. und Ausloberin und der Öffentlichkeit ein wichtiges 2. September 2018 präsentierte die HafenCity Verfahrenselement bleiben. Nach einer öffentli- Hamburg GmbH mit einem Infostand die Vor- chen Werkstatt wird eine öffentliche Vorstellung überlegungen zum neuen Stadtteil und kam mit der finalen Entwürfe stattfinden (siehe Teil F). vielen Menschen vor Ort ins Gespräch. Die Besu-
26 Übersicht der bisherigen Veranstaltungen
STADTWERKSTATT Auftakt zum Stadtteil Grasbrook TERMIN: Freitag, 1. Juni 2018, 18:00 bis 21:00 Uhr VERANSTALTUNGSORT: Veranstaltungszelt auf dem Baakenhöft (mit Blick auf das Entwicklungsgebiet des Grasbrook) circa 250 Gäste
STADTTEILFEST 250 Jahre Veddel TERMIN: Samstag/Sonntag, 1. und 2. September 2018 VERANSTALTUNGSORT: Veddeler Brückenstraße; Infozelt zum neuen Stadtteil Grasbrook mit Passantenumfrage/Fragebögen
WERKSTATT 1 „Der neue Stadtteil und seine Nachbarn“ TERMIN: Mittwoch, 5. Dezember 2018, 18:00 Uhr bis 21:00 Uhr VERANSTALTUNGSORT: Immanuelkirche Veddel mit Café Nova circa 180 Gäste
WERKSTATT 2 „Zukunft Arbeit und Innovation“ TERMIN: Montag, 21. Januar 2019, 18:30 Uhr bis 21:30 Uhr VERANSTALTUNGSORT: Bürgerhaus Wilhelmsburg circa 200 Gäste
WERKSTATT 3 „Grasbrook bauen – Freiräume gestalten“ TERMIN: Donnerstag, 7. Februar 2019, 18:00 Uhr bis 21:00 Uhr VERANSTALTUNGSORT: Patriotische Gesellschaft, Hamburg circa 200 Gäste
WERKSTATT 4 „Grasbrook nachhaltig und mobil“ TERMIN: Mittwoch, 20. Februar 2019, 18:00 Uhr bis 21:00 Uhr VERANSTALTUNGSORT: Hamburg Cruise Center HafenCity circa 220 Gäste
27 B.3.2 Ergebnisse der ersten Beteiligungsphase
Die bisherigen Werkstatt- und Veranstaltungs- den Teilnehmern aus der bisherigen Beteiligung formate waren ein sehr intensiver und gelunge- besonders wichtig ist, und nehmen als „Visio- ner Start für einen vorlaufenden Ideenprozess nen und Werte für den Grasbrook“ sowohl das zur Entwicklung des Stadtteils Grasbrook. Im lokale Wissen als auch die Innovationsthemen engen Dialog der Ausloberin mit Experten und des Stadtteils auf. Darüber hinaus wurden un- Expertinnen unterschiedlicher Fachrichtungen zählige Ideen zu konkreten Nutzungen sowie sowie der Hamburger Stadtgesellschaft sind be- zum künftigen Planungsverfahren und der Um- sondere Chancen und Zukunftsthemen hervor- setzung des Grasbrook in einem nach Themen gehoben worden. Es sind aber auch mögliche sortierten „Ideenspeicher“ gesammelt und sol- Konflikte, spezifische Herausforderungen und len den Planer/innen als auch den Entwickler/ drängende Aufgaben im Zusammenspiel mit innen des Grasbrook als Inspirationsquelle die- der Nachbarschaft des Grasbrook ins Blickfeld nen (siehe Anlage 1.14 „Dokumentation der vor- gerückt. Vor allem wurden erste Impulse zu der laufenden Beteiligung“). Des Weiteren wurden Frage gesetzt, was den Stadtteil Grasbrook in in Form von „Prüfaufträgen", die in einem Plan Zukunft lebenswert und innovativ macht. Nach konkret verortet sind, räumliche Bedarfe und dieser ersten Phase des Beteiligungsprozesses besondere Aufgabenstellungen im Planungs- findet sich hierzu eine beachtliche Fülle an Ideen raum und im Zusammenhang mit dem Umfeld und Anregungen, allerdings kein Gesamtbild. identifiziert.
Aus den Beiträgen von Bürgern, Stakeholdern Auf diesen Ergebnissen der vorlaufenden Betei- und Fachexperten haben sich einige allgemeine ligungsphase soll im vorliegenden Wettbewerbs Leitlinien und Kernbotschaften für die Entwick- und Planungsprozess ebenfalls aufgebaut wer- lung herauskristallisiert. Diese zeigen auf, was den.
28 Methodik der Auswertung
29 Vision und Werte für den Grasbrook
INSEL DER MÖGLICHKEITEN – NEU VER- 1 großen Unternehmen, Forschungseinrichtungen NETZT bis zu kleinen Start-ups mischen sich mit loka- lem Handwerk, Manufakturen, urbaner Produkti- Der Grasbrook ist in der glücklichen Lage, am on sowie Kultur und Kreativwirtschaft. Elbufer und mitten in Hamburg ein eigenes Sze- nario von Stadt entwickeln zu können. Die Vor- teile offener Wasserlagen ermöglichen einen 3 LEBENDIGE NACHBARSCHAFTEN besonderen Charakter und eine eigenständige Identität des Stadtteils. Innovationen in Städ- Der Grasbrook ist zusammen mit der Veddel tebau und Freiraum, Mobilität und Infrastruktur ein größeres Ganzes. Beide profitieren in Zu- und der sozialen Institutionen bieten die Chan- kunft gemeinsam von sozialen und kulturellen ce, zu einem „Experimentierort“ für Nachhal- Angeboten, neuen Bildungseinrichtungen, Ver- tigkeit und zukunftsfähiger Stadtentwicklung sorgungszentren und öffentlichen Freiräumen. zu werden. Gleichwohl ist gerade die „Öffnung Gemeinschaftsräume, Treffpunkte und soziale der Insel“ in enger Beziehung zur umliegenden Infrastruktur wie Schule, Ärztehaus, Einkaufs- Stadt von großer Bedeutung: Es gilt, bestehen- möglichkeiten und Kultur- und Sporteinrichtun- de physische Barrieren zu überwinden oder gen werden von Anfang an mitgedacht. Zentrale klein zu halten und im ersten physischen Pla- Begegnungsräume fördern den nachbarschaftli- nungsschritt neue Verbindungen von Fuß- und chen Austausch und die kulturelle Vielfalt des Radwegen, Querungen und Übergängen zur Ha- Stadtteils. Die unmittelbare Nachbarschaft von fenCity, Rothenburgsort, Wilhelmsburg und al- Stadt und Hafen auf dem Grasbrook erfordert len voran zur Veddel zu schaffen. Für die Anbin- wiederum innovative und modellhafte Ideen für dung des Grasbrook und der nördlichen Veddel eine verträgliche Koexistenz und den Umgang ist die Verlängerung der U-Bahnlinie U4 auf den mit Lärm, Erschütterungen und anderen Emissi- Grasbrook essenziell; eine Weiterführung nach onen. Wilhelmsburg sollte möglichst vorgeplant und kommuniziert werden. Auch durch neue öffent- 4 TRANSFORMATION - AKTIVIEREN UND BE- liche Fährverbindungen kann der Stadtteil sehr STAND NUTZEN attraktiv mit den umgebenden Stadtteilen ver- netzt werden. Vorhandene Bestandsgebäude und Freiräume verleihen dem Stadtteil eine besondere Identi- 2 KLEINTEILIGE MISCHUNG tät und werden – wenn möglich – in den schritt- weisen Transformationsprozess einbezogen und Den Stadtteil Grasbrook zeichnen vielfältige und auch mit temporären Nutzungen für die Öffent- gemischt genutzte Quartiere aus. Ein differen- lichkeit erschlossen. Über einen (Teil-)Erhalt zierter Städtebau und flexibel nutzbare Gebäu- der Hallen des Überseezentrums sollte nachge- detypologien ermöglichen nicht nur ein breites dacht werden. Insbesondere der historischen Spektrum von Wohnformen für verschiedene Bedeutung des denkmalgeschützten Lagerhau- Lebensmodelle und Bedürfnisse, sondern auch ses G und der benachbarten denkmalgeschütz- ein (relativ) dichtes Nebeneinander von Wohnen ten Gebäude F und D. sollte Rechnung getragen und Arbeiten unter Berücksichtigung der Lärm- werden. Der Grasbrook wird frühzeitig erlebbar pufferfunktion der Arbeitsorte. Wichtig für die gemacht. Zwischennutzungen sind fester Be- Mischung sind Konzepte u.a. für familienfreund- standteil in den Phasen der Entwicklung und liches Wohnen und generations-übergreifendes leisten einen wichtigen Beitrag für die Aktivie- Zusammenleben. Gewerbestrukturen von klein rung von besonderen Orten wie den Uferzonen bis groß erlauben einen „Mix von High- und sowie den denkmalgeschützten Gebäuden am Lowtech“. Verschiedene Arbeitswelten von Saalehafen.
30 5 OFFENE FREIRÄUME UND ZUGÄNGE ZUM 7 STARKE MOBILITÄT WASSERT Der Grasbrook wird zum Wegbereiter für post- Ein öffentlicher Park mit Promenaden, viele Zu- fossile Mobilität. Der Fokus liegt auf der Ge- gängen zum Wasser und Sport- und Freizeitakti- staltung und Organisation eines autoarmen vitäten auf dem Wasser können den Grasbrook Quartiers und der Förderung alternativer Mobi- zu einer stadtweiten Attraktion machen. Die litätsträger. Attraktive Fuß- und Radwege, der naturbelassene „wilde Stadtnatur“ ist selbst- Ausbau des ÖPNV, alternative Verkehrsmittel, verständlicher Teil des Stadtteils, wird in die Mobilitätsträger, Leihsysteme und Sharing-Kon- Parkstrukturen integriert und möglichst ausge- zepte fördern eine nachhaltige Multimodalität. baut (Erhöhung der Biodiversität). So vielfältig die Nachbarschaft, so vielseitig auch die öffent- Nicht nur das Festland, auch das Wasser macht lichen Freiräume: Die multifunktionale Gestal- künftige Grasbrooker mobiler, indem die Was- tung von Parks, Grünanlagen und Uferzonen serrouten für den öffentlichen Nahverkehr aus- des Grasbrook richtet sich an verschiedene Nut- gebaut werden. Intelligente Logistikkonzepte zungsansprüche und das Bedürfnis an Erholung nutzen das Wasser möglicherweise als Trans- und Begegnung und verschiedene Sportange- portweg und organisieren die An- sowie Beliefe- bote. Genauso entstehen auch teilweise unbe- rung an zentralen Bring- und Verteilerstationen stimmte und nutzungsoffene Freiräume, die erst – dadurch wird Lieferverkehr auf den Straßen in angeeignet werden. Der Elbuferpark mit beson- den Quartieren stark reduziert. derem Wert für die Hamburger Öffentlichkeit soll frühzeitig entwickelt werden. 8 KOOPERATIVE ENTWICKLUNG
LOKALE KREISLÄUFE UND SELBSTVERSOR- Der künftige Grasbrook wird erst durch Mög- 6 lichkeiten der Teilhabe am Entwicklungspro- GUNG zess einer möglichst breiten Akteurslandschaft innovativ und neuartig. Erfahrungen und Ideen Der Grasbrook wird ein Labor für die ökologisch unterschiedlicher, auch lokaler Institutionen nachhaltige Stadt. Umfassende Konzepte für lo- und Initiativen werden in den Prozess einge- kale Stoffkreisläufe wie recycelte Baumateriali- bunden. Die Vergabe von Baufeldern orientiert en, eine sehr hohe Gebäudeenergieeffizienz und sich zugunsten der Leitvorstellung, möglichst die Gewinnung und der effiziente Einsatz erneu- unterschiedliche Bauherren zu adressieren und erbarer Energien und der nachhaltige Konsum neue Konzepte für durchmischte Wohn und Ge- durch lokale Wertschöpfungsketten (Direktver- werbestrukturen sowie ausreichend bezahlbare marktung regionaler Produkte und Förderung Wohnungen zu fördern. Verschiedene koopera- urbaner Landwirtschaft) sind Möglichkeiten der tive Entwicklungsmodelle für das gemeinsame nachhaltigen Entwicklung. Die Aktivierung und Bauen, Wohnen und die Schaffung von Gewer- Nutzung lokaler Energiequellen – z.B. durch beräumen werden unterstützt. Elbwasser (Tidekraftwerke und Kälte-Wärme- Pumpen), Erdwärme, Fotovoltaik, Solarthermie, nicht vermeidbare Abwärme etc. – könnten zu einer langfristig dezentralen Energieproduktion und autarken Energieversorgung des Grasbrook beitragen. Auch benachbarte Stadtteile, wie die Veddel, profitieren von neuen Energiekonzep- ten im Verbundnetz.
31 Prüfaufträge aus dem Beteiligungsprozess
Im Verlauf der vorlaufenden Beteiligung wurden durch die Teilnehmer spezifische Planungsfragen identifiziert, die sich einerseits räumlich konkret im Wettbewerbsgebiet verorten lassen oder ande- rerseits räumliche Bedarfe, gestalterische Ansätze und besondere Aufgabenstellungen im Planungs- raum und im Zusammenhang mit dem Umfeld betreffen. Alle relevanten Aussagen hierzu aus den Beiträgen wurden im Rahmen der Auswertung in ein „Vokabular“ für Planer/innen und für deren Arbeit zu den städtebaulichen und freiraumplanerischen Entwürfen übersetzt sowie nach Möglich- keit im nachfolgenden Plan konkret verortet. Die folgenden Prüfaufträge sind als Bestandteil der Aufgabenstellung (siehe Teil D) des vorliegenden Verfahrens zu bearbeiten.
Abb. 13 - 15 | Bürgerbeteiligung
32 Mobilitätsangebote wie Sharing-Konzepte, Leih- systeme und quartiersbezogene Mobilitätshubs strategisch eingebunden? GEMEINSAME ANGEBOTE FÜR GRASBROOK UND VEDDEL
Hier braucht es die richtige Choreografie: Wo liegen künftig die Standorte zentraler Angebote ETAPPEN DER ENTWICKLUNG der Bildung, Freizeit, Kultur, des Einkaufens und gemeinschaftlicher Freiräume für Grasbrooker Der Grasbrook entsteht nicht von heute auf mor- UND Veddeler und wie sind diese im Nutzungs- gen. Was sind erste „Kickstarter“ der schrittwei- konzept aufeinander abgestimmt? sen Transformation? Welche Flächen, Bestands- gebäude und wassernahen Freiräume können frühzeitig durch Zwischennutzungen aktiviert werden? Wo und wie entsteht als Erstes ein öffentlicher Park? In welchen Phasen werden Städtebau und Freiräume auf dem Grasbrook DIVERSITÄT IM STÄDTEBAU realisiert? Wie entsteht ein städtebaulich differenziertes Bild von Wohnen und Arbeiten auf dem Gras- brook? Welche städtebaulichen Strukturen (in Höhe, Dichte und Parzellierung) und Gebäude- typologien garantieren hohe Flexibilität, Durch- mischung und Vielfalt unterschiedlicher Wohn- KLIMAANPASSUNG UND BIODIVERSITÄT und Gewerberäume? Wie werden günstige stadtklimatische Vor- aussetzungen – u.a. ausreichend Sonnen- und Windschutz, Entwässerungsmanagement, Ge- bäudebegrünung – durch Städtebau und Frei- FREIRÄUME ALS VIELKÖNNER raumgestaltung geschaffen? Wie können Syner- gien zwischen Klimaanpassung und Maßnahmen Wie werden Freiräume und Grünanlagen für zur Förderung der Artenvielfalt geschaffen wer- vielfältige Bedürfnisse und Ansprüche gestaltet? den? Wie werden Gebäude so gestaltet, dass Wo entstehen Treffpunkte und aneignungsfähi- sie auch Lebensraum für Tiere und Pflanzen bie- ge Gemeinschaftsflächen? Wie werden Spuren ten? der „wilden Stadtnatur“ eingebunden und eine hohe Biodiversität (Pflanzen und Tiere) geför- dert?
EINBETTUNG DES HOCHWASSERSCHUTZES GESTALTUNG AUTOARMER QUARTIERE Wie wird ein langfristiger Hochwasserschutz Wie wird der Grasbrook zu einem hochmobi- gesichert und gleichzeitig in die Gestaltung des len Stadtteil mit Schwerpunkt auf alternativen Ufers und der öffentlichen Freiräume miteinbe- Mobilitätsträgern? Wie werden der ÖPNV, die zogen? Fuß- und Radwege ausgebaut und innovative
33 Abb. 16 | Prüfaufträge konkret verortet
34 Prüfaufträge konkret verortet
1 QUERUNGEN GRASBROOK–VEDDEL 5 ÖFFENTLICH ZUGÄNGLICHE UND DIFFE- RENZIERTE UFERGESTALTUNG UND -ENTWICK- Die Überwindung der weiträumigen Barrieren LUNG von Schienen und Straßen zwischen den beiden Teilräumen hat hohe Priorität. Wie können at- Wie werden die Uferkanten nutzbar gemacht, traktive Übergänge und Verbindungen für Fuß- abwechslungsreich gestaltet und durch Zugän- gänger und Radfahrer geschaffen werden? ge zum Wasser für die Hamburger Öffentlichkeit attraktiv? Wie können schützenswerte natürli- che Grünräume und Vegetationen (Biotope) er- 2 VORSCHLÄGE FÜR KÜNFTIGE NUTZUNGEN halten bleiben, ausgeweitet und markanter Teil DER LAGERGEBÄUDE D, F UND G des Ufers werden?
Welche Nutzungen sind für die denkmalge- schützten Gebäude denkbar? Wie kann der 6 UMGANG MIT BESTANDSHALLEN denkmalgeschützte Bestand unter den Bedin- gungen des Hochwasserschutzes integriert Können die Hallen als wertvolle Ressource für werden? Zwischen- und Nachnutzung ganz oder teilwei- se erhalten bleiben und unter den Bedingungen des Hochwasserschutzes integriert werden? 3 LÖSUNGEN FÜR LÄRMIMMISIONEN Wie lässt sich dann die „kritische Masse“ des Wohnens realisieren? Wie kann der Lärmbelastung von Verkehr- und Hafengewerbe mit städtebaulichen Ansätzen begegnet werden? Wie gelingt eine konflikt- 7 VEDDEL-NORD ALS NACHBARSCHAFT freie Entwicklung des Grasbrook zum umliegen- den Hafen? Welche städtebaulichen und freiraumplaneri- schen Gestaltungen und Nutzungen können im Rahmen der Entwicklung des Flächenpotenzi- 4 ZUGÄNGE ZUM WASSER UND WASSERBE- als im Veddeler Norden künftig eine wertvolle Scharnierfunktion zwischen Grasbrook und der ZOGENE NUTZUNGEN Veddel übernehmen? Inwieweit können die be- stehenden Zollgebäude in Kombination mit ei- Wie werden Wasserflächen erschlossen und ner neuen Nutzung einen Beitrag dazu leisten, durch Nutzungen erlebbar gemacht? Welche die Veddel mit dem neuen Stadtteil Grasbrook Chancen bieten sich für den öffentlichen Nah- zu verbinden? verkehr (Fährverbindungen) sowie die Logistik für den Grasbrook über den Transportweg Was- ser?
Planungsgebiet Fokus Flächen und Gebäude Ufergestaltung und -entwicklung
Nutzung Wasser Lärmimmissionen Querungen
35 Lucy-Borchardt-Straße
Billhafen
Norderelbe Hardenstraße Norderelbe Billhorner Brückenstraße