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Thüringer Landtag Drucksache 7/1592 7. Wahlperiode 09.09.2020

Kleine Anfrage des Abgeordneten Cotta (AfD) und

Antwort der Thüringer Staatskanzlei

Die Ausweitung des Sendebereichs der Deutschen Welle (DW), die verfassungs- rechtliche Landeskompetenz im Rundfunkbereich und die Staatsferne der DW- Rundfunkaufsicht

Die (DW) ist eine Anstalt des öffentlichen Rechts des Bundes und gemäß § 1 Abs. 1 Deut- sche-Welle-Gesetz (DWG) für den Auslandsrundfunk der Bundesrepublik Deutschland zuständig. Sie be- treibt Radio- und Fernsehprogramme und einen umfangreichen Internet-auftritt. Darüber hinaus unterhält sie Auftritte bei Sozialen Netzwerken (YouTube, , Facebook) und bietet eigene Smartphone-Apps an. Im 17-köpfigen Rundfunkrat der Deutschen Welle sitzen zehn Mitglieder, die von sogenannten gesellschaftli- chen Gruppen entsandt werden. Weitere sieben Mitglieder (41 Prozent) werden von Bundesregierung, Bun- destag und Bundesrat gewählt beziehungsweise benannt. Das lineare Fernseh- und Radioprogramm der Deutschen Welle wird weltweit verbreitet. Eine Verbreitung in Deutschland über Kabelnetze oder DVB-T erfolgt allerdings auf Grund des Charakters als Auslandsrund- nicht. Durch das Aufkommen des Internets und die inzwischen weite Verbreitung von Breitband-Internetzugängen, die den Empfang audiovisueller Inhalte auf diesem Wege ermöglichen, setzt die Deutsche Welle vermehrt auf den Übertragungsweg Internet und hat ihre Kapazitäten für linearen Rundfunk (zum Beispiel Kurzwel- lensender) reduziert. Dabei werden - anders als beim linearen Rundfunk - anscheinend keinerlei Anstren- gungen unternommen, um die Verbreitung der DW-Sendungen in Deutschland zu unterbinden oder zumin- dest zu reduzieren, obwohl eine Reihe von Social-Media-Anbietern und Internetplattformen Inhalteerstellern die Möglichkeit geben, die Verbreitung ihrer Inhalte auf bestimmte Länder zu begrenzen ("Geoblocking"). Beispielsweise werden auf der Video-Plattform YouTube, die übrigens die Möglichkeit des Geoblockings bie- tet, mehrmals täglich deutschsprachige redaktionelle Videobeiträge eingestellt. Diese befassen sich häufig auch mit innenpolitischen Themen. Hinzu kommt, dass YouTube die Deutsche Welle als Teil des öffentlich- rechtlichen (Inland-)Rundfunks kennzeichnet und bei der Ausgabe von Suchergebnissen privilegiert (also vor anderen, unabhängigen Angeboten) auflistet. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 28. Februar 1961 ("1. Rundfunkurteil"; BVerfGE 12, 205) entschieden, dass die Veranstaltung von Rundfunk eine Angelegenheit der Länder ist. Es untersagte dem Bund den Betrieb eines eigenen Fernsehprogramms. In seinem Urteil vom 25. März 2014 (BVerfGE 136, 9) entschied das Bundesverfassungsgericht, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk "staatsfern" zu organisieren sei. Der Anteil der staatlichen und staatsnahen Mitglieder dürfe insgesamt ein Drittel der ge- setzlichen Mitglieder des jeweiligen Gremiums nicht übersteigen. Es erscheint vor diesem Hintergrund fraglich, ob die heutige Praxis der Deutschen Welle mit den verfas- sungsrechtlichen Vorgaben des Grundgesetzes in Einklang steht.

Druck: Thüringer Landtag, 18. September 2020 Drucksache 7/1592 Thüringer Landtag - 7. Wahlperiode

Der Thüringer Minister für Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei hat die Kleine Anfrage 7/974 vom 17. Juli 2020 namens der Landesregierung mit Schreiben vom 7. Sep- tember 2020 beantwortet:

1. Wie definiert die Landesregierung den Begriff "Auslandsrundfunk"?

Antwort: Maßgeblich für den deutschen Auslandsrundfunk ist das Deutsche-Welle-Gesetz (DWG) des Bundes. § 1 Abs. 1 DWG lautet: „Die Rundfunkanstalt des Bundesrechts Deutsche Welle ist eine gemeinnützi- ge Anstalt des öffentlichen Rechts für den Auslandsrundfunk.“ Das Deutsche-Welle-Gesetz enthält kei- ne ausdrückliche Legaldefinition des Begriffs "Auslandsrundfunk". Eine solche Definition ist jedoch in- direkt durch die Aufgabenstellung der Deutschen Welle in § 3 Abs. 1 DWG gegeben. Diese Vorschrift lautet: „Die Deutsche Welle bietet für das Ausland Rundfunk (Hörfunk, Fernsehen) und Telemedien an.“

2. Welche Rechtsauffassung vertritt die Landesregierung zur gegenwärtigen Praxis der Deutschen Welle und stimmt sie zu, dass diese de facto auch als Inlandsrundfunk fungiert?

Antwort: Vorausgeschickt sei, dass nach § 62 Absatz 1 des DWG die Bundesregierung die Rechtsaufsicht über die Deutsche Welle führt. Damit obliegt es der Bundesregierung, die Gesetz- und Rechtmäßigkeit der Tätigkeit der Deutschen Welle zu überwachen und die Einhaltung der Bestimmungen des materiellen Rechts zu kontrollieren.

Aus Sicht der Landesregierung führt die in der Vorbemerkung zu der Kleinen Anfrage thematisierte Ver- fügbarkeit von Fernseh- und Hörfunkangeboten der Deutschen Welle über Satellit sowie von diesen und weiteren Angeboten der Deutschen Welle über das Internet auch in Deutschland nicht zu einer Betäti- gung der Deutschen Welle als Inlandsrundfunk. Soweit in der Vorbemerkung die vormalige Verbreitung auch des früheren deutschen Hörfunkprogramms über Kurzwelle angesprochen ist, sei daran erinnert, dass insbesondere die jahrzehntelang genutzte "Europafrequenz" 6075 KHz in weiten Teilen Deutsch- lands meist gut zu empfangen war. Seit einigen Jahren werden die deutschsprachigen Angebote der Deutschen Welle jedoch weder über Kurzwelle noch anderweitig terrestrisch verbreitet.

Ebenso wenig führt die in der Vorbemerkung zu der Kleinen Anfrage thematisierte Berichterstattung der Deutschen Welle über innenpolitische Themen zu einer faktischen Stellung der Deutschen Welle als In- landsrundfunk. Vielmehr gehört die Berichterstattung gerade auch über innenpolitische Themen zu den in § 4 des Deutsche-Welle-Gesetzes (DWG) zwingend vorgegebenen Aufgaben der Deutschen Wel- le. § 4 DWG lautet: „Die Angebote der Deutschen Welle sollen Deutschland als europäisch gewachse- ne Kulturnation und freiheitlich verfassten demokratischen Rechtsstaat verständlich machen. Sie sollen deutschen und anderen Sichtweisen zu wesentlichen Themen vor allem der Politik, Kultur und Wirtschaft sowohl in Europa wie in anderen Kontinenten ein Forum geben mit dem Ziel, das Verständnis und den Austausch der Kulturen und Völker zu fördern. Die Deutsche Welle fördert dabei insbesondere die deut- sche Sprache.“

3. Wie geht die Landesregierung mit den Rechtsfragen um, die sich aus einer möglichen Überschneidung des Sendegebiets des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (Inlandsrundfunk) und des DW-Auslandsrund- funks ergeben?

Antwort: Aus Sicht der Landesregierung ist die Deutsche Welle nicht gehalten, die Nutzung ihrer Online-Ange- bote im Inland durch technische Mittel wie Geoblocking oder anderweitige Maßnahmen zu erschweren, wie dies in der Vorbemerkung zu der Kleinen Anfrage erwähnt ist. Vielmehr trägt auch die Verfügbarkeit der Angebote der Deutschen Welle im Inland zu einer grundsätzlich begrüßenswerten Erhöhung der Me- dienvielfalt bei. Zudem würde eine Erschwerung des Zugangs zu den Angeboten der Deutschen Welle im Inland dazu führen, dass interessierte Bürgerinnen und Bürger sich nicht mehr ohne weiteres darü- ber informieren könnten, wie Deutschland durch die Deutsche Welle gegenüber dem Ausland dargestellt wird. Gerade in Zeiten zunehmender globaler Beziehungen erscheint es nicht sinnvoll, Inländer von der Wahrnehmung ihres eigenen Auslandsrundfunks auszuschließen.

2 Thüringer Landtag - 7. Wahlperiode Drucksache 7/1592

Soweit in der Vorbemerkung zu der Kleinen Anfrage speziell deutschsprachige Beiträge der Deutschen Welle problematisiert werden, verweist die Landesregierung auf § 3 Abs. 2 DWG. Diese Vorschrift lau- tet: „Die Angebote der Deutschen Welle werden in deutscher Sprache sowie auch in anderen Sprachen verbreitet.“ Ferner verweist die Landesregierung nochmals auf § 4 Satz 3 DWG. Dieser lautet: „Die Deut- sche Welle fördert […] insbesondere die deutsche Sprache.“

4. Was unternimmt die Landesregierung, um eine drohende Umwandlung des Auslandsrundfunks der Deut- schen Welle in einen Inlandsrundfunk zu unterbinden?

Antwort: Da es keinerlei Anzeichen dafür gibt, dass eine Umwandlung der Deutschen Welle in einen Inlandsrund- funk bevorsteht, entfaltet die Landesregierung keine gegenläufigenAktivitäten.

5. Wie beurteilt die Landesregierung die Zusammensetzung des DW-Rundfunkrates vor dem Hintergrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 25. März 2014?

Antwort: Mit seinem so genannten ZDF-Urteil vom 25. März 2014 hat das Bundesverfassungsgericht das Postu- lat der Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks unter anderem dahin gehend konkretisiert, dass höchstens ein Drittel der Mitglieder des ZDF-Fernsehrates staatsnah sein dürfen. Dieses Urteil bezieht sich zunächst nur auf das ZDF, wurde jedoch überwiegend so aufgefasst, dass auch die Rechtsgrundla- gen für die übrigen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten im Zuständigkeitsbereich der Länder im Lau- fe der Zeit nötigenfalls an die mit dem Urteil aufgestellten Grundsätze anzupassen sind. Ob darüber hin- aus auch die Regelungen zur Zusammensetzung des Rundfunkrates der Deutschen Welle im Lichte des ZDF-Urteils verändert werden sollten oder nicht, ist allein vom Bund zu beurteilen und zu entscheiden.

Prof. Dr. Hoff Minister

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