Erneut Starke Zuwächse Bei Onlinevideo Von Wolfgang Koch* Und Natalie Beisch**
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Media 482 Perspektiven 9/2020 Ergebnisse der ARD/ZDF-Onlinestudie 2020 Erneut starke Zuwächse bei Onlinevideo Von Wolfgang Koch* und Natalie Beisch** Neue Anbieter und Die Dynamik, mit der sich die Bewegtbildwelt im In- lung – haben sich S-VoD-Anbieter (Subcription-Video- wachsende Auswahl ternet in den letzten Jahren entwickelt, ist erstaun- on-Demand) ein breites Publikum erschlossen. Da- im Bewegtbild-Markt lich. Neben den Onlineangeboten der Fernsehsender mit sind heute Videos auf Portalen und nachricht- spielen Streamingdienste wie Netflix und Amazon lichen Websites, auf YouTube, Instagram oder Face- Prime Video eine große Rolle. Aber nicht nur dort zei- book, in den Mediatheken und in den Apps von Net- gen sich Trends, die aufhorchen lassen. Auch auf flix und Amazon Prime Video jederzeit für die Nutzer YouTube wird das ohnehin schon sehr umfangreiche verfügbar. und vielfältige Videoangebot unermüdlich ausge- baut. Von der Dynamik der letzten Jahre versuchen Kurz und knapp immer mehr Anbieter von Videoinhalten zu profitie- ren – zuletzt startete im Jahr 2019 in Deutschland • Bewegtbild ist einer der dynamischsten Teilbereiche des Internets. Joyn als Nachfolger von 7TV sowie Disney+ und in • 83 Prozent der Bevölkerung ab 14 Jahren nutzen zumindest diesem Jahr der Streamingdienst Sooner. Das An- gelegentlich Onlinevideos. gebot für die Nutzer (1) ist schier unerschöpflich, die • Die 30- bis 49-Jährigen sind derzeit die auffälligste Altersgruppe, Auswahl an internationalen und deutschsprachigen ihre Nutzung ist über alle Videoangebote hinweg gestiegen. fiktionalen Inhalten und Dokumentationen ist so groß • Unter den Streamingdiensten bleibt Netflix der beliebteste. wie nie zuvor. • YouTube nimmt wegen seiner Themenbreite und Inhaltsfülle nach wie vor eine besondere Position ein. Dazu beigetragen hat sicherlich auch die seit Mona- • Alle Plattformen haben in den Altersgruppen ab 50 Jahren noch ten anhaltende Corona-Pandemie und ihre Auswir- große Entwicklungspotenziale. kungen auf die Gesellschaft. Fernsehsender und andere Anbieter haben die Bewegungseinschrän- kungen für sich „genutzt“ und auf die sogenannte Im Fortschreibungsartikel zur ARD/ZDF-Onlinestudie Detaillierte Analyse neue Normalität reagiert: Etablierte Anbieter haben in diesem Heft haben Natalie Beisch und Carmen zu Videoangeboten ihre Angebote sowohl quantitativ als auch in Bezug Schäfer bereits die allgemeine Nutzungsdynamik und deren Nutzung auf ihren Content erweitert. Gleichzeitig haben An- beim Online-Bewegtbild umrissen. Der vorliegende bieter wie Netflix kurz nach dem Lockdown ab dem Artikel beschäftigt sich ausführlich mit der Entwick- 16. März ihre Übertragungsrate gedrosselt, in der lung von Videoangeboten der Fernsehsender sowie Erwartung, ein stark gesteigertes Streamen wäh- anderer Videoanbieter (3) und Plattformen im Internet. rend der Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen Dabei stellt sich die Frage, inwiefern und in welchem würde die Internetinfrastruktur an ihre Grenzen Umfang die Videoangebote in Anspruch genommen stoßen lassen. (2) werden, welche Zielgruppen mit welcher Intensität erreicht werden und welche Angebote Entwicklungs- Schrittweise Das Internet ist im Jahr 2020 ganz wesentlich ge- potenziale aufweisen. Zudem bekommt YouTube mit Etablierung von prägt von Bewegtbildangeboten. Das war jedoch nicht einem Themenschwerpunkt in diesem Jahr beson- Bewegtbild im immer so. In den ersten Jahren des Internets als dere Aufmerksamkeit. (4) Internet seit Mitte Massenmedium Anfang des Jahrtausends waren der 2000er Jahre Videos und Fernsehinhalte im Internet nur selten zu Natürlich stellt sich in Bezug auf die im März und Erhebungszeitraum finden, allein schon wegen der geringen Bandbreite, April erhobenen Daten der ARD/ZDF-Onlinestudie die muss bei mit der das Internet in dieser Zeit genutzt werden Frage, wie sich der Corona-Lockdown auf die Be- Dateninterpretation konnte. In der zweiten Hälfte der 2000er-Jahre ist wegtbildnutzung ausgewirkt hat. Die teilweise deut- berücksichtigt YouTube zu einer Größe herangewachsen, nach und lichen Zuwachsraten auf den verschiedenen Be- werden nach wurden die Übertragungsraten erhöht, Video- schreibungsebenen der Studie (Nettowerte, Tätig- formate und -player vereinheitlicht. Soziale Medien keiten, Plattformen) können jedoch leider nicht in die etablierten sich und erkannten Videoinhalte als wich- beiden Kategorien „Corona-bedingt“ und „unabhän- tige Säule, die Fernsehsender haben ihre Media- gig von Corona“ differenziert werden. Es ist kein theken auf- und ausgebaut, Smart-TVs verbreiteten Vergleich der Feldzeiten vor und während Corona sich. Schließlich – als jüngste, kraftvolle Entwick- möglich. (5) Außerdem fragt die ARD/ZDF-Online- studie nach der gewohnheitsmäßigen Nutzung, im * hr Medienforschung und Leiter der ARD/ZDF-Projektgruppe Sinn einer täglichen, wöchentlichen oder monatlichen Multimedia. Nutzung. Insofern kann die Frage nach dem Misch- ** ZDF-Medienforschung und stellvertretende Leiterin der verhältnis der „normalen“ Entwicklung und des ARD/ZDF-Projektgruppe Multimedia. Corona-Effekts nicht abschließend beantwortet Erneut starke Zuwächse bei Onlinevideo Media Perspektiven 483 9/2020 werden. Auch die Daten aus dem nächsten Jahr tiert also weiterhin keine einheitliche und ver- werden – nach allem, was man im Herbst 2020 wis- gleichbare Währung der Leistungswerte unter- sen kann – kein klares Bild der Onlinenutzung nach schiedlicher Streamingplattformen, wie es sie bei Corona beschreiben, denn obwohl die Pandemie und der Messung von Bewegtbild im linearen Fernse- ihre Konsequenzen sehr schnell in Deutschland den hen und in den Sendermediatheken im Rahmen Alltag bestimmt haben, werden der Gesellschaft ei- des AGF-Universums gibt. Zu weiteren Anbietern nige Auswirkungen erhalten bleiben, selbst wenn von Onlineangeboten liegt durchaus eine Auswahl die Pandemie unter Kontrolle sein sollte. Die Metho- an Mess- und Befragungsdaten auf dem Markt vor; denbeschreibung der ARD/ZDF-Onlinestudie findet deren Tools bündeln jedoch überwiegend nur die sich in diesem Heft im Beitrag von Natalie Beisch Daten, die die einzelnen Plattformen selbst erhe- und Carmen Schäfer. (6) ben und zur Verfügung stellen. Mit der Befragung zur Nutzung einer großen Bandbreite an Video-, Bislang keine Der (Medien-)Forschung stehen diverse Möglichkei- Audio- und Textangeboten im Internet ist die ARD/ konvergente ten der Datenerhebung zur Verfügung, die je nach ZDF-Onlinestudie nach wie vor die einzige bevölke- Messung der Fragestellung und Untersuchungsgegenstand zum rungsrepräsentative Langzeitstudie, die die Nutzung kompletten (Online-) Einsatz kommen. Die zwei großen Säulen sind auf von Onlineangeboten im Gesamt überblick und da- Bewegtbildnutzung der einen Seite die technische Messung und auf der mit valide und vergleichbare Daten erhebt. anderen Seite die Option, Daten mittels Befragung zu erheben. Befragungen können die Detailtiefe von Reichweite von Onlinevideo Messungen nicht erreichen, da sie auf dem Erinne- Das lineare Fernsehen hat im gesamten Bewegtbild- Online-Videonutzung rungsvermögen der Befragten basieren. Auf der an- markt mit Abstand nach wie vor die höchste Rele- im Verhältnis zum deren Seite ermöglichen Befragungen, Daten zu er- vanz. Auf hohem Niveau zeigt sich jedoch eine ab- linearen Fernsehen heben, für die es keine Messmöglichkeiten gibt. In nehmende Tendenz zugunsten der Online-Videonut- weiter im den vergangenen Jahren hat vor allem die Arbeits- zung, die zeitsouverän erfolgt und mittlerweile im Aufschwung gemeinschaft Videoforschung (AGF) nach einer Lö- Alltag der Bevölkerung einen großen und weiterhin sung gesucht, um die Nutzung der Bewegtbildange- wachsenden Stellenwert hat. Das Verhältnis der bote im linearen Fernsehen sowie von zeitsouverän Reichweiten des linearen Fernsehens zu denen der nutzbaren Angeboten – wie etwa den Streaming- unterschiedlichsten Onlinevideo-Angebote ist je- diensten oder Drittplattformen – mit einem einheit- doch stark vom Alter der Nutzer abhängig. Bei den lichen und umfassenden Messverfahren zu erheben unter 30-Jährigen ist das Verhältnis klassisch-linear und abzubilden, so, wie es für das lineare Fernsehen zu on-demand und internetbasiert im Vergleich zur und die zeitsouveränen Angebote der Fernsehsender Gesamtbevölkerung umgedreht: In dieser Alters- in ihren jeweiligen Mediatheken seit einigen bereits gruppe werden überwiegend Filme, Serien, Fern- Jahren Standard ist. Am letztjährigen Status quo, sehsendungen und sonstige Formen von Videos den Andreas Egger und Heinz Gerhard im vergan- zeitunabhängig über das Internet konsumiert, linea- genen September beschrieben haben (7), nämlich res Fernsehen spielt eher eine untergeordnete Rolle. dass sich die Erfassung der Nutzung bzw. Akzeptanz (9) aller Videoangebote noch nicht einheitlich und bis- her nur unvollständig erfassen bzw. messen lässt, Sowohl die Internetnutzung insgesamt als auch die Onlinevideo bei 30- hat sich grundlegend wenig verändert. Zum Beispiel Online-Videonutzung steigen in der Gesamtbevölke- bis 49-Jährigen mit haben AGF und Google Anfang Juli dieses Jahres rung in den letzten Jahren deutlich an (vgl. Abbil- größerem Wachstum ihre Zusammenarbeit erfolglos beendet und mitge- dung 1). Auffällig ist, dass das Wachstum der Nut- als generelle teilt, dass die angestrebte Integration der Messung zung von Onlinevideo in den mittleren Altersgruppen Internetnutzung von YouTube in die AGF-Systeme nicht realisiert wird aktuell größer ist als bei der Onlinenutzung insge- und es diesbezüglich aktuell keine konvergente