Der Rentenkauf Im Mittelalter

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Der Rentenkauf Im Mittelalter Der Rentenkauf im Mittelalter Von Hans-Jörg Gilomen (1984 von der Philosophisch-Historischen Fakultät der Universität Basel angenommene Habilitationsschrift) Einleitung I. Entstehung und Funktion des Rentenkaufs. Das Ende einer «herrschenden Lehrmeinung»? 1. Drei Thesen der deutschen Forschung und ihre Kritik 2. Der Zusammenhang des Rentenkaufs mit der Kirchenrente und mit der Zinssatzung 3. Die wirtschaftlichen Funktionen des Rentenkaufs Kirche – Adel und Bauern 4. Die Rente in den Städten a) Der Übergang zur Geldform b) Die Funktionen c) Die Grundlage städtischer Privatrenten: Kapitalisierung steigender Liegenschaftswerte d) Das Marktvolumen Ergebnisse II. Bestrebungen zur strukturellen Veränderung des Rentenmarktes 1. Der Streit um die Basler Wucherpredigt des Johannes Mulberg. Eine Einführung in die Fragestellung 2. Die Ablösungsgesetze a) Landesfürstliche Ablösungsgesetze b) Städtische Ablösungsgesetze c) Ländliche Ablösungsgesetze Exkurs: Zur Interpretation der Überlinger Ablösungsgesetze und der vierten Rachtung von Worms Überlingen – Worms d) Zur Begründung der Ablösungsgesetze Wüstung der Güter infolge Überlastung – Die Steuerfrage – Eine Antwort des Klerus 3. Der Wiederkauf 4. Das Kündigungsrecht des Rentgläubigers Ergebnisse Chronologie der erwähnten Ablösungsgesetze Bibliographie Einleitung Die vorliegende Arbeit ist im Zusammenhang mit Forschungen zu den Kreditbeziehungen zwischen den Städten im Gebiet der heutigen Schweiz zur Finanzierung städtischer Ausgaben entstanden. Ein erstes Ergebnis dieser Studien habe ich unter dem Titel «Die städtische Schuld Berns und der Basler Rentenmarkt im 15. Jahrhundert» 1982 veröffentlicht1. Während noch bis in die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts die Städte vielfach bei plötzlich auftretendem Finanzbedarf flüssige Mittel in beträchtlichem Umfang über Juden- und Lombardendarlehen hereinholten, ist spätestens im letzten Drittel dieses Jahrhunderts der Verkauf von Leib- und Wiederkaufsrenten die überall völlig herrschende Form der Geldbeschaffung geworden. Die Städte haben sich dabei eines Kreditinstruments bedient, das bereits eine längere Entwicklung durchlaufen hatte. Im Verlaufe dieser Untersuchungen stellte sich immer dringender das Bedürfnis ein, die herrschenden Thesen zu Entstehung, Entwicklung und Funktion dieser Kreditform zu überprüfen, denn die neuere Literatur zum Thema bleibt noch stark drei Forschungstraditionen verhaftet, die in jenem 19. Jahrhundert verwurzelt sind, in dem die in ihrem Rechtsformen etwas veränderte «mittelalterliche» Rente oder Gült erst abgestorben ist2. Eine ganze Reihe rechtsgeschichtlich orientierter Arbeiten über die Grundbesitzverhältnisse in einzelnen Städten des Reichs, in denen auch der Rentenkauf behandelt oder berührt wurde, eröffnete Wilhelm Arnold 1861 mit seinem bahnbrechenden Werk über Basel, Worms, Aachen, Frankfurt und Köln3. Es folgten Studien über Lübeck4, Würzburg5, Köln6, hessische Städte7, Strassburg8 und Konstanz9. 1 Hans-Jörg Gilomen, Die städtische Schuld Berns und der Basler Rentenmarkt im 15. Jahrhundert, in: Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde 82, 1982, 5–64. Siehe auch idem, Kirche Theorie und Wirtschaftspraxis, Der Streit um die Basler Wucherpredigt des Johannes Mülberg, in: Itinera 4, 1986, 34–62. 2 Ältere Arbeiten zum Thema dienten noch praktischen juristischen Bedürfnissen. 3 Wilhelm Arnold, Zur Geschichte des Eigentums in den deutschen Städten, Basel 1861. 4 Carl Wilhelm Pauli, Die sogenannten Wieboldsrenten oder die Rentenkäufe des lübischen Rechts, Lübeck 1865 (Abhandlungen aus dem Lübischen Recht 4). 5 Eduard Rosenthal, Zur Geschichte des Eigentums in der Stadt Würzburg. Ein Beitrag zur Geschichte des Eigentums in den deutschen Städten, Würzburg 1878. 6 Joseph Gobbers, Die Erbleihe und ihr Verhältnis zum Rentenkauf im mittelalterlichen Köln des 12.–14. Jahrhunderts, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, germanistische Abteilung 4, 1883, 130–214. 2 Dabei stand immer die Frage der rechtsgeschichtlichen Genese des Rentenkaufs im Vordergrund, wobei vor allem das Verhältnis zur freien Erbleihe das Thema in der deutschen Forschung beherrscht hat, während französische Arbeiten andere Wege gingen. Ein zweiter, kanonistischer Forschungsstrang, der in neuester Zeit von Winfried Trusen aufgenommen worden ist, knüpfte an die seit dem Mittelalter ununterbrochene Diskussion um das kirchliche Wucherverbot bzw. konkret an ihren Nachhall im späten 19. Jahrhundert in der Kontroverse zwischen Wilhelm Endemann und Max Neumann an10. Ein wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsstrang, der bald von den Historikern aufgenommen wurde, ist von Karl Bücher begründet worden, neben Gustav Schmoller, Lujo Brentano und Georg Friedrich Knapp, dem wohl bedeutendsten Vertreter der sogenannten jüngeren Historischen Schule, die sich in auch politisch begründeter Ablehnung der klassischen Theorie (Bejahung von Staatsinterventionismus und Sozialpolitik, Ablehnung des Freihandelsprinzips) der Wirtschaftsgeschichte zuwandte. Die Arbeiten der Bücher-Schüler Kuske11 und Stempell12 über den mittelalterlichen Rentenkauf sind bis heute unentbehrlich geblieben. Ein hier – wohl unter dem Eindruck der Beiträge Adolf Wagners zur Diskussion um den Einsatz der staatlichen Rentenverschuldung als Instrument der Konjunktursteuerung13 – bereits angelegtes 7 August Nagel, Zur Geschichte des Grundbesitzes und des Credits in oberhessischen Städten, ein Beitrag zur Geschichte der Institute des Immobiliarsachenrechts in deutschen Städten, in: Dritter Jahresbericht des Oberhessischen Vereins für Landesgeschichte, Giessen 1883, 3–53. 8 Otto Jaeger, Die Rechtsverhältnisse des Grundbesitzes in der Stadt Strassburg während des Mittelalters, Strassburg 1888. 9 K. Beyerle, Grundeigentumsverhältnisse und Bürgerrecht im mittelalterlichen Konstanz, Bd. 1, Heidelberg 1901. In dieser Tradition auch Alois Winiarz, Erbleihe und Rentenkauf in Österreich ob und unter der Enns im Mittelalter, Breslau 1906 (Untersuchungen zur Deutschen Staats- und Rechtsgeschichte 80). 10 Wilhelm Endemann, Die nationalökonomischen Grundsätze der kanonistischen Lehre, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 1, 1863, 26–48, 154–181, 310–367, 537–576, 679–730; derselbe, Studien in der romanistisch-kanonistischen Wirthschafts- und Rechtslehre bis gegen Ende des siebzehnten Jahrhunderts, 2 Bde, Berlin 1874–1883; Max Neumann, Geschichte des Wuchers in Deutschland bis zur Begründung der heutigen Zinsgesetze (1654), Halle 1865. Winfried Trusen, Spätmittelalterliche Jurisprudenz und Wirtschaftsethik dargestellt an Wiener Gutachten des 14. Jahrhunderts, Wiebaden 1961 (VSWG Beiheft 43); derselbe, Zum Rentenkauf im Spätmittlalter, in: Festschrift Hermann Heimpel, Bd. 2, Göttingen 1972, 140–185. 11 Bruno Kuske, Das Schuldenwesen der deutschen Städte im MIttelalter, Tübingen 1904 (Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, Ergänzungsheft 12); derselbe, Die Entstehung der Kreditwirtschaft und des Kapitalverkehrs, in: Köln, der Rhein und das Reich, Kölner Vorträge 1, Leipzig 1927, Nachruck Köln-Graz 1956. 12 Benedictus von Stempell, Die ewigen Renten und ihre Ablösung, Borna-Leipzig 1910. 13 Adolf Wagner, Die Ordnung der Finanzwirtschaft und der öffentliche Kredit, in: Schönbergs Handbuch der politischen Ökonomie, Bd. 3, Tübingen 41897, Neuabdruck in Karl Diehl und Paul Mombert (Hg.), Ausgewählte Lesestücke zum Studium der politischen Ökonomie: Das Einleitung Rentenkauf 3 Sonderinteresse für die Funktion der Rentenschuld im Haushalt mittelalterlicher Städte hat sich in einer ganzen Reihe von späteren Untersuchungen zum Finanzhaushalt einzelner Städte noch verstärkt. Einen weiteren Forschungsimpuls gab dann Sombarts weitgehend auf Büchers Forschungen zu Frankfurt beruhende These zur Kapitalakkumulation14, welche die von den genannten «Kathedersozialisten» vernachlässigte Auseinandersetzung mit dem Werk von Karl Marx nachholte. In diesem Argumentationszusammenhang stand noch das 1935 erschienene Buch von Ahasver von Brandt über den Lübecker Rentenmarkt, das jedoch bereits deutlich eine Verschiebung der Fragestellung hin zu Handelskonjunkturen und städtischer Sozialstruktur erkennen liess. Auf die Erhellung solcher Fragen zielen die neuesten Arbeiten von Rolf Sprandel und seinen Schülern über den Rentenmarkt hansisch-nordischer Städte15. Beim Thema des mittelalterlichen Rentenkaufs – wie auf so manchen Gebieten – verdankt also die Geschichtswissenschaft im engeren Sinne den Rechts- und Wirtschaftswissenschaften entscheidende Beiträge und Anregungen. Umso ärgerlicher ist das Fehlen einer gemeinsamen Terminologie, das eine Klarstellung gerade für den Zentralbegriff der Rente notwendig erscheinen lässt. Die klassische Rententheorie der Wirtschaftswissenschaft kannte die Differential- und Residualrente, wobei nach dem ersten Prinzip dank gegenüber anderen Produzenten günstigerer Produktionsbedingungen, nach dem zweiten dank einem Überschuss des Staatsschuldenproblem, Frankfurt – Berlin – Wien 1980, 253–266; derselbe, Artikel Staatsschulden, in Handwörterbuch der Staatswissenschaften, Bd. 6, Jena 21901. 14 Werner Sombart, Der moderne Kapitalismus. Historisch-systematische Darstellung des gesamteuropäischen Wirtschaftslebens von seinen Anfängen bis zur Gegenwart, 2 Bde., München – Leipzig 61924. 15 Ahasver von Brandt, Der Lübecker Rentenmarkt von 1320–1350, Kiel 1935; Rolf Sprandel, Der städtische Rentenmarkt in Nordwestdeutschland im Spätmittelalter, in: Öffentliche Finanzen und privates Kapital im späten Mittelalter und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, hg.
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    14 Lydia Welti-Escher (1858–1891) Die junge Lydia Escher (1858–1891) (Ausschnitt). Die Protagonisten 15 Die Protagonisten WaS als tragische Liebesgeschichte, Kriminalfall und Politskandal endete, hatte nur wenige Jahre zuvor seinen Anfang genommen: in der Villa Belvoir, dem herrschaftlichen AnweSen der Familie Escher am Zürichsee, einst Zen- trum deS wirtschaftspolitischen MachtapparateS Alfred Eschers und Ideen- schmiede für eine moderne Schweiz.Hier begegneten sich Lydia Welti-Escher und Karl Stauffer im Spätsommer1885 zum erstenMal. Bald sahensie sich durcheine Geistesverwandtschaft verbunden,aus der schliesslich1889 in Florenz eine schwärmerische Liebesbeziehung wurde. DieGeschichtevon Lydia Escher, FriedrichEmil Weltiund Karl Stauffer ist nicht vonder Art, wieSie das Lebengemeinhinschreibt. Das zeigt sich zunächst in der geSellschaftlichen Rolle der Protagonisten und in der sozia- lenStellung ihrer Familien. Dass ein vielversprechender junger KünstlerTeil Lydia Escher. Fotografie der Geschichte war,mag das nachhaltige IntereSSe der Öffentlichkeit zusätz- um 1875. lich angestachelt haben.Ferner war eine der reichsten Frauen der Schweiz im Spiel, die mit ihrer ebenso ruhmreichen wie skandalumwitterten Fami- liengeschichte Aufsehen erregte.1 Hinzu kamen schliesslich ein Mitglied der Schweizer Landesregierung,das den Zenit der Macht überschritten hatte, und deSSen Sohn, der dank dem Einfluss deS Vaters und namentlich dank seiner Heirat mit Lydia Escher über Nacht in die bedeutendsten Verwal- tungsgremien der Schweizer Wirtschaft katapultiert worden war.Das Be- sondere aber,das die vorliegende Geschichte von anderen Liebesabenteuern und gescheiterten Ehen abhebt,sind die Machenschaften hoher Amtsper- sonen, die zur schicksalshaft-tragischenWende führten; ist schliesslichder tödliche Ausgang: sowohl für den Künstler als auch für Seine Geliebte. Auguste Clementine Lydia Escher (1858–1891) war die Tochter von Alfred Escher (1819–1882), der während Jahrzehnten die zürcherische und Lydias Vater Alfred Escher.
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