Der Komplexe Pluralismus in Den Musiktheaterwerken Hans Zenders

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Der Komplexe Pluralismus in Den Musiktheaterwerken Hans Zenders Der komplexe Pluralismus in den Musiktheaterwerken Hans Zenders. Experimentierraum für den produktiven Umgang mit historischen, multimedialen und kulturellen Vielfalten Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Fakultät der „Musik“ der Universität der Künste Berlin vorgelegt von Jiyoung Kang aus Busan, Republik Korea Gutachterinnen: 1. Frau Prof. Dr. Dörte Schmidt 2. Frau Prof. Dr. Susanne Fontaine I INHALTSVERZEICHNIS Einleitung 1 1. Themenstellung: Hans Zender und seine Musiktheaterstücke 1 2. Stand der Forschung 6 3. Orientierung der Arbeit 10 I. Zugang zu den ästhetischen Gedanken beim Komponieren Zenders 14 1. Hans Zender: ein synthetischer Musiker mit pluralistischem Ich 14 14 1.1. Die verschiedenen Tätigkeiten als Dirigent, Komponist und Musikdenker 1.2. Selbstreflexion als „das polyphone Subjekt“ 23 2. Pluralismus in Bezug auf die Postmoderne 26 2.1. Zeitauffassung: „Komponieren in der postmodernen Situation“ 28 2.2. Pluralismus, das innere Konstruktionsprinzip in einem Werk 33 II. Stephen Climax (1979/1984) 36 1. Handlungsebene 40 1.1.Konzeption der szenischen Struktur: Libretto aus zwei unterschiedlichen Romanen 40 1.2. Thema: „Die gegenstrebige Fügung“ 42 1.3. Figuren 44 a. Stephen Daedalus 45 b. Leopold Bloom 50 c. Simeon Klimax 53 d. Sonstige Figuren 55 2. Musikalische Ebene 58 2.1. Akt I: Die Zwölftontechnik und die serielle Musik 58 2.2. Akt II: „Metamorphose des Stils“ in den zwölf Variationen 62 a. Szene 1: Zeitrücksprünge (Szenenwiederholung) 63 b. Szenen 2 – 4 & 11: Die Zitat- und Collagetechnik 66 c. Szenen 5, 6 & 9: Eine große Anzahl von Geräuschen 75 d. Szene 7: Proportionskanon 81 e. Szenen 11 & 12: „Totentanz“ 83 2. 3. Akt III 86 3. Stephen Climax: Simultaneität mehrerer gegenläufiger Formen bzw. Affekte durch Überlagerung der verschiedensten szenisch-musikalischen Elemente 88 II III. Don Quijote de la Mancha: 31 theatralische Abenteuer (1989- 1991/1994) 91 1. Libretto und Theater 95 1.1. Zender als Dramaturg: „Text nach Cervantes vom Komponisten“ 95 1.2. Die gegensätzlichen sowie sich ergänzenden zwei Hauptrollen 98 a. Der abenteuerliche Ritter: Idealist Don Quijote 98 b. Der Gegenpol des Don Quijote: Realist Sancho Panza 102 1.3. Sonstige Figuren 104 a. Das Fantasiegeschöpf von Don Quijote: Dulcinea 104 b. Die Stimmen der Autoren: die drei Lektoren 105 2. Szenen und Musik 107 2.1. Die spezifische Formgestaltung: „31 theatralische Abenteuer“ 109 2.2. „Zeit bleibt, Raum fließt“: andere Möglichkeiten der Erkenntnis von Zeit und Raum 113 a. lebendes Bild/lebende Bilder 114 b. Wechselbeziehung zwischen Bewegung und Stillstand 116 2.3. „mit den Augen hören, mit den Ohren sehen“: Szenen mit neuer Erfahrung der Sinneswahrnehmung 117 a. mit den Augen hören: Optisches hörbar machen 117 b. mit den Ohren sehen: Akustisches sichtbar machen 123 c. Inkongruenz zwischen den Figuren auf der Bühne und hinter der Szene 127 3. Don Quijote de la Mancha: neue Erfahrung der Sinneswahrnehmung durch Assoziation und Dissoziation der verschiedenen theatralischen Medien 128 IV. Chief Joseph (2001-2003/2005) 130 133 1. Entwurf des Librettos und des Theaters 1.1. Figuren zwischen Geschichten und zwischen Kulturen 133 a. Chief Joseph 134 b. Zwei Touristen 142 c. Schlüsselkonzept: Begegnung der beiden Touristen mit Chief Joseph 145 1.2. Formplan: Die sechs verschiedenen Szenenarten 148 a. Leer-Szene 150 b. Klage 153 c. Indian-Song 155 d. Szene 157 e. Rezitativ 159 f. Rotation 160 g. Der Umgang des Komponisten mit den Materialien und die Veränderung der Rolle des Zuhörers 168 2. Vermittlung zwischen dem Eigenen und dem Fremden in musikalischen Dimensionen III 170 2.1. Mikrotonalität: „Die gegenstrebige Fügung“ 170 2.2. Polymetrik auf regelmäßigem rhythmischem Muster 178 2.3. Der Einsatz des fremden Instruments Ajeng 182 3. Chief Joseph: kompositorische Reflexion der Vermittlung von unterschiedlichen Zeiten und verschiedenen Kulturen 186 Schluss 193 Anhang 197 Literaturverzeichnis 200 IV Zusammenfassung In der vorliegenden Dissertation werden die drei Musiktheaterwerke des deutschen Komponisten Hans Zender (geb. 1936) erforscht, der beim Komponieren das ästhetische Ideal des „komplexen Pluralismus“ als Auseinandersetzung der Gegensätze, sogar der Widersprüche anstrebt. Die drei Werke Stephen Climax (1979/1984), Don Quijote de la Mancha. 31 theatralische Abenteuer (1989-91/1994) und Chief Joseph (2001-03/2005) setzen den Anspruch des „komplexen Pluralismus“ mit unterschiedlichen Schwerpunkten bzw. historischen, multimedialen und kulturellen Vielfalten um. In Stephen Climax wird durch Überlagerung der verschiedensten szenisch-musikalischen Materialien aus unterschiedlichen Epochen die Simultaneität mehrerer gegenläufiger Formen bzw. Affekte verwirklicht. Don Quijote de la Mancha zeigt, dass das Theater durch Assoziation und Dissoziation der verschiedenen theatralischen Mittel die Komplexität der Sinneswahrnehmungen öffnet und dadurch dem Publikum neue Wahrnehmungserfahrungen ermöglicht. Chief Joseph ist eine kompositorische Reflexion des Pluralismus, der unterschiedliche Zeiten und verschiedene Kulturen vermittelt. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Zenders Musiktheaterstücke einen Experimentierraum darstellen, in dem aus Differenzen und Widersprüchen anstelle von Geschlossenheit verschiedene Möglichkeiten des Archetyps der modernen Kunst hergeleitet werden. Es ist die musikalische Suche nach einem Weg, die postmoderne Gegenwart auszudrücken, und die kompositorische Antwort auf die Fragestellung der Moderne, deren Sphäre bis zum Ende der Grenze untersucht wird. V Einleitung 1. Themenstellung: Hans Zender und seine Musiktheaterstücke. Warum und wie verbinden sie sich mit dem Begriff Pluralismus? Die 60. Frühjahrstagung des Darmstädter Instituts für Neue Musik und Musikerziehung (INMM) fand 2006 unter dem Stichwort „Orientierungen. Wege im Pluralismus der Gegenwartsmusik“ statt.1 Bezüglich der Standortbestimmung der Gegenwartsmusik und zugleich der Möglichkeiten ihrer adäquaten Vermittlung wurde die aktuell maßgebliche Frage gestellt, ob das Phänomen des Nebeneinanderbestehens vieler unterschiedlicher Strömungen in unserer zeitgenössischen Musik als die durch Jürgen Habermas zum Schlagwort gewordene „Neue Unübersichtlichkeit“ 2 oder unter dem Begriff des Pluralismus als ein denkbarer Weg gelten soll. Die daraus folgenden Themenblöcke sind interkulturelle Perspektiven, Verhältnis im Bezug auf die musikalische Tradition, mikrotonale Ansätze und Grenzgänge zwischen verschiedenen Musikrichtungen. In diesem Zusammenhang wurde hauptsächlich ein deutscher Komponist erwähnt: Hans Zender (geb. 1936), der im Jahr 2006 seinen 70. Geburtstag feierte. Behandelt wurde auf dieser Tagung seine kompositorisch-ästhetisch verschiedenen Dimensionen mit Blick auf pluralistische Aspekte, insbesondere in seinem mikrotonalen Konzept einer „gegenstrebigen Harmonik“ 3 und in seinem kompositorischen Schaffen, wie z. B. dem mit interkulturellen Perspektiven grundierten Musiktheaterwerk Chief Joseph. Auf dem Symposium, das im Herbst desselben Jahres 2006 von der Grazer Kunstuniversität veranstaltet wurde, ist Zender einer der relevanten Komponisten in der Diskussion über die Interkulturalität der Gegenwartsmusik. Unter dem Titel „Musik und Globalisierung. Zwischen kultureller Homogenisierung und kultureller Differenz“4 behandelte die Konferenz Themen wie die Ausbreitung der 1 Die Vorträge der Tagung wurden 2007 von Hiekel herausgegeben, davon handelt die vorliegende Arbeit: Jörn Peter Hiekel (Hrsg.), Orientierungen. Wege im Pluralismus der Gegenwartsmusik, (= Veröffentlichungen des Instituts für Neue Musik und Musikerziehung Darmstadt, Bd. 47), Mainz 2007. 2 Der Titel des Band V der kleineren politischen Schriften des deutschen Philosophen Jürgen Habermas. Vgl. Jürgen Harbermas: Die Neue Unübersichtlichkeit, Bd. 5, Berlin 1985. 3 Der Hauptgedanke Zenders über die Harmonik und das Tonsystem. Er bezieht sich auf „die gegenstrebige Fügung“ zwischen Leier und Bogen von Heraklit, die eine Achse der kompositorisch- ästhetischen Gedanken von Zender ist. Siehe ausführlicher Kapitel II. 1. 2. (S. 46 ff.) und Kapitel IV. 2. 1. (S. 181.) Mikrotonalität in der vorliegenden Arbeit. 4 Der Leiter des Symposiums, Christian Utz, veröffentlichte den Sammelband der Vorträge unter 1 wirtschaftlichen kulturellen Globalisierung und den daraus hergeleiteten innerlichen Wandel der Kunstmusik sowie die neue interkulturelle Fragestellung. In den Vorträgen wurden besonders Spuren der intensiven interkulturellen Auseinandersetzung beim Komponieren Zenders gesucht und gezeigt, dass die außereuropäischen (bes. ostasiatischen) Impulse in seinen Werken zumindest konzeptionell nicht auf Homogenisierung oder Integration abzielen, sondern auf Aspekte, die desintegrierbar bleiben. Auch Zender selbst erklärte als Komponist seines dritten Musiktheaterwerks Chief Joseph (2001-2003/2005) und dessen Thema „die Konfrontation des Eigenen und Fremden“, in dem es nicht nur um künstlerische bzw. kompositorische Technik von heterogenen Materialien geht, sondern auch um den Umgang mit dem Fremden und dem Eigenen. Im darauf folgenden Jahr 2007 behandelte das Symposium im Akademie-Gebäude in Berlin den Komponisten Hans Zender, der seit 1990 ein Mitglied der Akademie der Künste Berlin ist. Die Tagung beschäftigte sich einen ganzen Tag lang mit dem Komponisten Zender, seinen kompositorischen Grundüberlegungen und einigen seiner Werke: Der Eröffnungsvortrag betitelte die Gesamtdarstellung des künstlerischen Werkes Zenders mit dem Ausdruck „Vielstimmig in sich“5 (Hiekel); in anderen Referaten wurden verschiedene
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