RKW Bd. 16.Pdf
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„Krieg und Recht - Die Ausdifferenzierung des Rechts von der ersten Haager Friedenskonferenz bis heute“ beleuchtet Aspekte des Kriegsvölkerrechts, Humanitären Völkerrechts, Völkerstrafrechts so- wie des Deutschen Strafrechts. Mit Beiträgen von Albin Eser, Claudia Fröhlich, Gerd Hankel, Bernd von Heintschel-Heinegg, Oliver Hidalgo, Thomas Hornberger, Martin Löhnig, Andrea Löw, Mareike Preisner, Edith Raim, Christoph Safferling, Thomas Schlemmer, Rainer Volk und Tonio Walter. Löhnig/Preisner/ Schlemmer (Hg.) Krieg und Recht Die Ausdifferenzierung des Rechts von der ersten Haager Friedenskonferenz bis heute Löhnig/Preisner/Schlemmer (Hg.): Krieg und Recht Löhnig/Preisner/Schlemmer ISBN: 978-3-86646-424-7 Rechtskultur Wissenschaft 9 9783866 783866464247 464247 Rechtskultur Wissenschaft 16 Rechtskultur Wissenschaft Rechtskultur Wissenschaft Band 16 Herausgegeben von Martin Löhnig (Regensburg) und Ignacio Czeguhn (Berlin) Martin Löhnig Mareike Preisner Thomas Schlemmer (Hg.) Krieg und Recht Die Ausdifferenzierung des Rechts von der ersten Haager Friedenskonferenz bis heute Rechtskultur Wissenschaft Bibliografische Informationen der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. ISBN: 978-3-86646-424-7 Eine Veröffentlichung des Instituts für Zeitgeschichte (München/Berlin) und des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Deutsche und Europäische Rechtsgeschichte sowie Kirchenrecht an der Universität Regensburg ©2014 Edition Rechtskultur in der H. Gietl Verlag & Publikationsservice GmbH, Regenstauf www.gietl-verlag.de / www.edition-rechtskultur.de Satz und Gestaltung: Simon Naczinsky und Thomas Hornberger, Regensburg ISBN: 978-3-86646-424-7 Vorwort Die Beiträge dokumentieren eine Ringvorlesung, die das Institut für Zeitgeschichte (München/Berlin) und der Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Deutsche und Europäische Rechtsgeschichte sowie Kirchenrecht (Regensburg) im Sommersemester 2012 an der Universtität Regensburg veranstaltet haben. Die Herausgeber danken dem Institut für Zeitgeschichte und der Fakultät für Rechtswissenschaft an der Universität Regensburg für die großzügige Förderung von Publikation und Vorlesungsreihe sowie Thomas Hornberger und Simon Naczinsky für die hervorragende Betreuung des Manuskripts Regensburg/München im Mai 2014 Martin Löhnig Mareike Preisner Thomas Schlemmer ©2014 Edition Rechtskultur in der H. Gietl Verlag & Publikationsservice GmbH, Regenstauf www.gietl-verlag.de / www.edition-rechtskultur.de Satz und Gestaltung: Simon Naczinsky und Thomas Hornberger, Regensburg ISBN: 978-3-86646-424-7 Inhalt Martin Löhnig/Mareike Preisner Das Haager Kriegsvölkerrecht – Scheitern und Ruhm 9 Thomas Schlemmer Pfadabhängigkeit, situative Kontingenz und „Kriegsnotwendigkeit“. Deutsche Kriegführung und Verstösse gegen das Kriegsvölkerrecht 1914 bis 1918 25 Gerd Hankel Die Leipziger Kriegsverbrecherprozesse nach dem Ersten Weltkrieg 49 Edith Raim Der Wiederaufbau der Justiz in Westdeutschland und die Ahndung von NS-Verbrechen in der Besatzungszeit 1945-1949 69 Christoph Safferling Der Nürnberger Prozess 87 Claudia Fröhlich Der „Ulmer Einsatzgruppenprozess“ 1958. Die Wahrnehmung des ersten grossen Holocaust-Prozesses als rechtsgeschichtliche Zäsur 99 tonio Walter Der Ulmer Einsatzgruppen-Prozess – eine Urteilsanalyse 123 Andrea Löw Die „Stunde der Auseinandersetzung mit den deutschen Verbrechen“ – der Erste Frankfurter Auschwitz-Prozess 151 Rainer Volk Der Demjanjuk-Prozess 165 Bernd von Heintschel-Heinegg Strafrechtliche Vorgaben für Auslandseinsätze der Bundeswehr 179 thomas Hornberger Der Internationale Strafgerichtshof. Geschichte, Legitimation und Kontroversen eines „Weltstrafgerichts“ 191 Oliver Hidalgo Die Zukunft des Krieges: Jenseits von Recht und Gerechtigkeit? 219 Albin Eser Tötung im Krieg: auf der Suche nach einer Legitimationsgrundlage 239 Autorenverzeichnis 255 Das Haager Kriegsvölkerrecht – Scheitern und Ruhm Martin Löhnig/Mareike Preisner I. Eine kurze Chronologie der Entwicklung des Kriegsvölkerrechts 9 II. Das Haager Kriegsrecht am Vorabend des Ersten Weltkrieges 12 III. Die rechtliche Verbindlichkeit der Zweiten Haager Landkriegsordnung 16 IV. Das Scheitern des Kriegsvölkerrechts im Ersten Weltkrieg 17 V. Zur Geringschätzung des Haager Kriegsvölkerrechts 18 VI. Von Haag über Genf und Nürnberg nach Haag 21 In den Jahren 1899/1907 wurde das so genannte Haager Kriegsvölkerrecht verabschie- det, das bis heute den für alle Staaten geltenden Kern des sogenannten Humanitären Völ- kerrechts bildet, also jenen Regelungen des Völkerrechts, die für den Fall eines Krieges oder einer sonstigen bewaffneten Auseinandersetzung den bestmöglichen Schutz von Kämpfenden (Kombattanten), Nichtkombattanten, Kulturgut, Infrastruktur und Um- welt vor den Auswirkungen der Kampfhandlungen bezwecken. Deshalb ist es lohnens- wert, sich mit Entstehungsgeschichte, Inhalt und Wirkungsgeschichte dieser Regelungen zu befassen, bevor ihre Fortentenwicklung und Ausdifferenzierung beleuchtet werden. Aus der gegenwärtigen Perspektive ist man zunächst geneigt, die Geschichte des Haager Rechts als eine über hundertjährige Erfolgsgeschichte zu deuten. Nicht mit dieser Lesart so recht vereinbar ist dagegen, dass diese Regelungen in der ersten großen kriegerischen Auseinandersetzung nach ihrer Vereinbarung, dem Ersten Weltkrieg, von allen Kriegs- parteien missachtet wurden. Ist die Geschichte des Haager Kriegsvölkerrechts also zu- mindest zunächst einmal die Geschichte eines grandiosen Scheiterns? I. Eine kurze Chronologie der Entwicklung des Kriegsvölkerrechts Die Geschichte völkervertraglicher Regelungen zur Kriegsführung in dem uns heute be- kannten Sinne beginnt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Eine lange Tradition hatte bis dahin allein die Erörterung der Frage nach dem bellum iustum, dem „gerech- ten Krieg“, der auf einem rechtmäßigen Kriegsgrund beruhen musste, gestellt. Zwar han- delt es sich auch bei diesen Überlegungen um die Suche nach Regeln zur Begrenzung der Kriegsführung, allerdings in einem anderen Sinne sowie mit einer anderen Zweck- setzung: Es ging um die Beschränkung des Souveräns gegenüber seinen Staatsbürgern auf das Mittel des Kriegs nur für bestimmte Ziele und Zwecksetzungen, wobei das Recht zur Kriegsführung als solches, das ius ad bellum, nicht prinzipiell in Frage gestellt wurde, wie Oliver Hidalgo1 in einem Beitrag dieses Bandes zeigt. 1 Hierzu in diesem Band S. 221. Das Haager KriegsVölkerrecht - Scheitern und Ruhm In der Mitte des 19. Jahrhunderts verschob sich der Gegenstand der Auseinanderset- zung. Hierfür dürften eine Reihe von Faktoren, namentlich auch die geänderte Art der Kriegsführung, eine Rolle gespielt haben. Sie führte schließlich zu der neuen Unterschei- dung von zu schonender Zivilbevölkerung und Kombattanten.2 Als erste Zusammenfas- sung der allgemein anerkannten Kriegsbräuche gilt der amerikanische Lieber-Code von 1863, dem allerdings keine völkerrechtliche Verbindlichkeit zukam;3 er enthielt Regeln zur Kriegsführung der Nordstaatentruppen im Amerikanischen Bürgerkrieg. Allerdings haben die Nordstaaten diese Regeln nicht eingehalten, sondern als Reaktion auf die Gue- rillataktik der Südstaaten militärische Aktionen auch gegen die dortige Zivilbevölkerung unternommen. Der hierfür verantwortliche General William Sherman handelte folgte nach eigenem Worten dem Prinzip der „verbrannten Erde“ und ließ zahlreiche Siedlun- gen und Städte in den Südstaaten vollständig zerstören. Man müsse den Rauch von bren- nenden Dörfern sehen.4 Im Jahr 1864 wurde die erste Genfer Konvention „betreffend die Linderung des Loses der im Felddienst verwundeten Militärpersonen“ unterzeichnet, ihr sollten im 20. Jahr- hundert weitere Vereinbarungen folgen; gemeinsam werden diese Regelungen als Gen- fer Recht bezeichnet.5 Diese Konvention enthielt zwar ebenfalls keine Begrenzung des Rechts zur Kriegsführung als solche, aber Bestimmungen zur Eindämmung von Folgen der grundsätzlich als legitim erachteten Kriegsführung. Die Unterzeichnerstaaten einig- ten sich in diesem Dokument erstmals auf Regelungen zum Umgang mit Verwundeten und Zivilisten. Das Rote Kreuz auf weißem Grund wurde als international anerkanntes und von Kriegsparteien zu respektierendes Schutzzeichen festgelegt. Damit war die Rot- Kreuz-Bewegung, die auch eine Reaktion auf die von den Zeitgenossen nach der lan- gen Friedensperiode seit dem Wiener Kongress als besonders grausam und verlustreich wahrgenommene Schlacht von Solferino (1859) im italienischen Unabhängigkeitskrieg darstellte, begründet. Eine Festlegung allgemein verbindlicher Regelung zur Kriegsführung wurde erstmals zehn Jahre später versucht. 1874 fand auf Anregung des russischen Zaren Alexander II. die Brüsseler Konferenz statt. Die Teilnehmer der Konferenz verabschiedeten eine Über- einkunft „über die Gesetze und Gebräuche des Landkrieges“; diese geht weitgehend auf einem Entwurf des in St. Petersburg lehrenden Völkerrechtlers Friedrich Fromhold Mar- tens (1845-1909) zurück, welcher von der Konferenz nach einigen Kürzungen und Än- derungen bestätigt wurde. Rechtliche Wirkung entfaltete die Übereinkunft zwar nicht, sie sollte aber später zum Vorbild für die Haager Landkriegsordnung werden. Bereits die- se Vereinbarung beruhte auf drei der bis heute anerkannten Grundprinzipien des Huma- nitären Völkerrechts: (1.) Krieg ist kein rechtsfreier Raum. (2.) Es gibt Kriegshandlungen, die grundsätzlich verboten sind. (3.) Zivilisten müssen im Krieg möglichst geschont wer-