10. März 1956 Rhein-Westfalen Hineinbringen! (Müller: „
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Nr. 12-13: 24. Februar - 10. März 1956 rhein-Westfalen hineinbringen! (Müller: „... die Koalition mit denjenigen fortzusetzen, die das Verhalten mißbilligt haben und mißbilligen werden!") Also, meine Damen und Herren, jetzt haben wir: „... mit denjenigen, die ihre Koalitionstreue dadurch bewiesen haben, daß sie das Verhalten in Nordrhein-Westfalen mißbilligt [haben] und sich von ihm lossagen." (Müller: „... dadurch beweisen!" - Kiesinger: Wenn wir es auf Nordrhein-Westfalen beschränken, wird der Eindruck erweckt, als ob wir nur wegen einer Landespolitik den Vorwurf machten!) Sie haben es nicht richtig gehört, Herr Kiesinger! Wir haben doch gesagt: „... die ihre Koalitionstreue beweisen und das mißbilligen." (Zurufe: Sehr richtig!) Sollen wir es so machen? (Zustimmung.) Ich brauche nicht abstimmen zu lassen? (Bach: Lassen Sie abstimmen!) Dann lasse ich abstimmen. Wer dem Beschluß, wie besprochen - vorbehaltlich einiger redaktioneller Änderungen -, zustimmen will, den bitte ich, eine Hand zu erheben! Wer ist dagegen? - Gegen eine Stimme (Dr. Gradl) angenommen.59 Ich danke Ihnen sehr, meine Damen und Herren, insbesondere unseren Freunden aus Nordrhein-Westfalen, und darf damit die Sitzung schließen. 13 Bonn, 10. März 1956 Anwesend: Adenauer, Altmeier, Bauknecht, Bitter, Dufhues, Eplee, Farny1, Fay, von Fisenne, Gerstenmaier, Gradl, Gurk, von Hassel, Heck, Frau Heiler, Johnen, Kaiser, Krone, Meyers, Noltenius, Riesebrodt2, Schneider, Schröder, Sieveking, Simpfendörfer, Strickrodt, Wackerzapp, Wuermeling, Zimmer. Bericht über die Lage. Wahlrecht: Bundesliste und Listenverbindungen. Bundesparteitag in Stuttgart. Beginn: 10.00 Uhr Ende: 16.20 Uhr 59 Wortlaut des Beschlusses in UiD vom 1. März 1956. 1 Dr. h.c. Oskar Farny (1891-1963), 1919-1921 MdL Württemberg (Zentrum), 1930-1945 MdR (bis 1933 Zentrum), 1953 MdB (CDU), 1953-1960 Minister für Bundesangelegen- heiten des Landes Baden-Württemberg. 2 Dr. Günter Riesebrodt (1911-1989), vor 1933 DDP, 1945 Mitgründer der LDPD, dann CDU Berlin, 1945-1947 Bezirksbürgermeister von Berlin-Lichtenberg, 1954-1958 geschäftsfüh- render Landesvorsitzender der CDU Berlin, 1958-1971 MdA. 835 Nr. 13: 10. März 1956 Adenauer: Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie zu entschuldigen, weil ich Sie etwas habe warten lassen müssen. Ich hatte den Besuch des ägyptischen Wirtschafts- ministers.3 Das ist nach Nasser4 der mächtigste Mann z.Z. in Ägypten. Ich konnte ihm nicht gut sagen, bitte gehen Sie weg. Ich darf zunächst etwas zur technischen Seite sagen. Ich bin gefragt worden, wie wir es heute halten wollen. Ich möchte Ihnen vorschlagen, daß wir um die Mittagszeit am Büfett etwas zu uns nehmen und dann weitertagen; wie lange, das hängt von uns allen ab. Ich würde sagen bis 3 oder 4 Uhr. Sollen wir es so halten, daß wir um 1 Uhr den Imbiß nehmen, wenn man allerdings darauf verzichtet, nach dem Essen gleich abzureisen? Sonst würde ich vorschlagen, daß wir den Imbiß später machen. (Zustimmung.) Also, sagen wir um 1 Uhr, und nachher kommen wir noch einmal zusammen. Entschuldigt haben sich: Dr. Weber, Samsche, Wegmann, Cillien, Dr. Fricke. Hier auf der Liste steht: aus dienstlichen Gründen. Das ist ein sehr fadenscheiniger Grund. In Niedersachsen ist Parteitag.5 Deswegen sind die Herren nicht hier. Ich bedaure es sehr, daß unsere Vorstandssitzung mit diesem Parteitag zusammenfällt. Wir wollen uns für die Zukunft merken, daß in diesen Zeiten eine Bundesparteivorstandssitzung wichtiger ist als ein Parteitag in einem Lande, den man doch eher verlegen kann. Es haben sich weiter entschuldigt: Herr Ministerpräsident Gebhard Müller, der in Säckingen zu tun hat, ich weiß nicht, was da los ist, (Eplee: Sicher Trompete blasen! - Heiterkeit.) Herr Lemmer, Herr Lensing, der, wie Sie wissen, in einem Sanatorium ist, dem es aber inzwischen bessergeht, Herr Pferdmenges und Herr Bach. Herr Bach entschuldigt sich gewöhnlich von vornherein, weil er so viel am Hals hat und ein sehr temperamentvoller Mann ist. BERICHT üBER DIE LAGE Ich darf Ihnen nun meinen Bericht über die Lage geben und anfangen mit einer kurzen Schilderung über die gestrige Sitzung der Landesvorsitzenden und Landesge- schäftsführer.6 Wir haben gestern nachmittag über vier Stunden zusammengesessen und sind auseinandergegangen mit einem Auftrag an Herrn Heck und die Landes- geschäftsführer, zwei Beschlüsse, die wir gefaßt hatten, in eine konkrete Form zu Hassan Ibrahim, war am 18. April 1954 zunächst zum Staatsminister für die Präsidentschaft, dann zum Produktionsminister berufen worden; am 2. Juli 1956 verlor er dieses Amt (AdG 1954 S. 4481, 1956 S. 5855). Zum Besuch in der Bundesrepublik vgl. „Die Welt" vom 10. März 1956. Gamal Abd el-Nasir, genannt Nasser (1918-1970), ägyptischer Politiker; seit 1954 Mini- sterpräsident, 1956-1970 Staatspräsident. Die bisherige Landesleitung (Adolf Cillien, Otto Fricke, August Wegmann und Karla Woldering) wurde bestätigt. Ausführlicher Bericht in UiD vom 17. März 1956. Protokoll in ACDP VII-004-033/1. 836 Nr. 13: 10. März 1956 bringen. Ich nehme an, daß Sie nachher, Herr Heck, darüber berichten werden. Es handelt sich um Beschlüsse von großer Bedeutung. Der erste Beschluß soll eine engere Verbindung zwischen der Organisation der Bundespartei und den Organisationen in den Landesparteien möglichst schnell herbeiführen, damit wir bei den Vorbereitungen zur Bundestagswahl 1957 schlagkräftig sind. Der zweite Gegenstand betraf die Frage der Einwirkung der Bundespartei auf die Aufstellung der Kandidaten für den Bundestag, eine Frage, die ebenfalls von besonderer Bedeutung ist. Die Sache ist deswegen sehr eilig, weil das Wahlgesetz für die Bundestagswahl 1957 in der nächsten Woche verabschiedet werden soll7 und weil angestrebt wird, eine solche Einwirkungsmöglichkeit im Gesetz vorzusehen. Darüber mag Ihnen nachher Herr Krone berichten. Er ist bisher mit diesem Gedanken in der Bundestagsfraktion auf entschiedene Ablehnung gestoßen, und zwar aus menschlichen Gründen. Nach diesen einleitenden Worten darf ich übergehen zu meinem Bericht. Ich möchte beginnen mit der Bundestagswahl 1957 und an die Spitze stellen, daß wir nach meiner Meinung noch nie einen so schweren Wahlkampf zu bestehen haben werden wie den Wahlkampf des Jahres 1957. Die Gründe dafür liegen auf der Hand. Bei der Wahl im Jahre 1953 haben uns vor allem zwei Themen geholfen: 1. der wirtschaftliche Aufstieg, den man damals noch mit Dank begrüßte, während man ihn heutzutage als etwas absolut Selbstverständliches betrachtet, so daß dieses Thema bei der Bundestagswahl voraussichtlich keine Rolle spielen wird; 2. der Europagedanke, der damals stark und kräftig war, der seinen stärksten Ausdruck damals in der EVG gefunden hat. Ich darf Sie daran erinnern, daß die Französische Nationalversammlung die EVG getötet hat und daß seit dieser Zeit der Europagedanke, gelinde gesagt, eine starke Lähmung erhalten hat und seine Zugkraft in unserem Volke, insbesondere bei der jüngeren Generation, nicht mehr so stark ist wie im Jahre 1953. Bei der Bundestagswahl 1949 hatte uns sehr geholfen einmal die geradezu unbeschreibliche Angriffstaktik der Sozialdemokratie, insbesondere des Herrn Dr. Schumacher. Ich erinnere mich einer Rede, die er in Köln gehalten hat auf einem öffentlichen Platz, die nach meiner damaligen Schätzung der CDU in Köln mindestens 20.000 Wähler zugeführt hat.8 Die Sozialdemokraten haben nun gelernt, daß sie in der Agitation klüger vorgehen müssen. Ferner hat uns im Jahre 1949 die Reaktion gegenüber dem Nationalsozialismus geholfen, die doch weiteste Volkskreise beseelte; denn die Unterdrückung durch den Nationalsozialismus, namentlich auf dem geistigen und religiösen Gebiete, war damals noch lebendig. Heute ist die Erinnerung an den Nationalsozialismus in weiten Kreisen nicht mehr stark und nicht mehr lebendig. Wir sind sogar so weit gekommen, daß man vielfach 7 Am 15. März. - BGB11 S. 383. 8 Schumacher hielt am 24. Juli 1949 vor dem Rathaus in Köln eine Wahlrede, in der er „die Kriecherei gegenüber den Alliierten" geißelte, Adenauer als „Lügenauer" und die CDU als die „heidnischste deutsche Partei" bezeichnete („Kölnische Rundschau" vom 26. Juli 1949). - Zur Kritik an Wahlreden Schumachers ALBRECHT S. 146f., 665-680; KLOTZBACH S. 175f. 837 Nr. 13: 10. März 1956 in unseren eigenen Reihen nicht mehr das richtige Verständnis dafür hat, daß eine Partei, die auf dem Boden der Grundsätze des Christentums steht, notwendig ist. Das waren einige Bemerkungen, die ich vorausschicken wollte. Ich darf nun übergehen zu einer kurzen Schilderung der innenpolitischen Lage und der Ereignisse der letzten Zeit. Die wesentlichen Tatsachen sind 1. die Vorgänge in Nordrhein-Westfalen, 2. die im Anschluß daran vollzogene Spaltung der Bun- destagsfraktion der FDP und 3. die letzten Landtagswahlen in Baden-Württemberg9. Wir wollen die ganzen Vorgänge in Nordrhein-Westfalen nicht mehr erörtern; denn wir haben dazu Stellung genommen.10 Ehe ich Ihnen etwas sage, warum ich die Vorgänge in Nordrhein-Westfalen für so außerordentlich gefährlich halte, möchte ich einige Ausführungen über die Spaltung innerhalb der FDP machen. Innerhalb der Bundestagsfraktion der FDP hatte sich schon seit geraumer Zeit insofern eine Spaltung abgezeichnet, als ein erheblicher Prozentsatz der Mitglieder dieser Bundestagsfraktion nicht mehr mit der Leitung einverstanden war. Ein überzeugender Beweis dafür ist, daß die vier FDP-Bundesminister seit längerer Zeit die Fraktionssitzungen ihrer eigenen Partei kaum noch besucht haben. Das gleiche gilt von anderen prominenten Mitgliedern der Bundestagsfraktion der FDP. Ich möchte