Die Möglichkeit einer Lüge

Der Umgang mit der Leugnung des Massenmordes an den Juden in der Nachkriegszeit Inhalt

Inhalt ...... 2 1. Einleitung ...... 4

1.1 Fragestellung und Thesen...... 5 1.2 Definition und Begriffsklärung ...... 6 1.3 Methodik und Auswahl der Fallbeispiele...... 7 1.4 Forschungsstand und Literatur ...... 9 1.5 Quellen ...... 12

2. Das Strafgesetzbuch vor der „Volksverhetzung“ ...... 13 3. Eine Idee aus Frankreich: Maurice Bardèche und Paul Rassinier ...... 16

3.1 Der Faschist als Leugner: Maurice Bardèche ...... 17 3.2 Leugnung nach KZ-Haft: Paul Rassinier ...... 19 3.3 Wechselwirkungen: Die Annäherung Bardèches und Rassiniers ...... 22 3.4 Die Rezeption der Idee in Deutschland ...... 25

4. Schreiben gegen das Gefühl der Deprivation: Hans Grimm ...... 27

4.1 „Erzbischofschrift“ und „Warum – woher – aber wohin?“...... 28 4.2 Die Rezeption der Leugnungsversuche Grimms ...... 33

5. Die gescheiterten Entwürfe eines Strafrechtsparagraphen ...... 35 6. Bei Kriegsende elf Jahre alt: Der Student Klaus Petri ...... 38

6.1 „Eine Antwort an Herrn Revermann“ ...... 39 6.2 Ein studentischer Skandal und die Veröffentlichungsfrage ...... 40 6.3 Institutionelle Reaktionen auf den „Fall Petri“ ...... 41

7. Die rechtsextreme Presse der 1950er Jahre ...... 43

7.1 Neonazismus aus Übersee: Die Emigrantenzeitung „Der Weg“ ...... 44 7.1.1 Leugnungen des Völkermordes in „Der Weg“ ...... 45 7.1.2 „Der Weg“ in und nach Deutschland ...... 50 7.2 Internationale Vernetzung: „“ ...... 54 7.2.1 „Nation Europa“ in Medien und Wissenschaft ...... 57

8. „Eine der teuflischsten Gemeinheiten“ – Der „Fall Nieland“ ...... 58

8.1 „Staatsnotstand!“ – Der „Fall Nieland“ wird zum Skandal ...... 61

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9. Wer gehört zum jüdischen Kollektiv? Die Strafverfolgung antisemitischer Äußerungen bis 1960 ...... 64 10. Der lange Weg zum Volksverhetzungsparagraphen: 1957 bis 1960 ...... 66 11. Der letzte Anstoß. Die Verabschiedung des Volksverhetzungsparagraphen ...... 69 12. Schluss ...... 71

12.1 Zwei kurze Ausblicke ...... 74

Abkürzungsverzeichnis ...... 76 Quellen ...... 78 Literatur ...... 80

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1. Einleitung Die Geschichte der Holocaustleugnung beginnt mit den Tätern des Völkermordes. Der erste Versuch, die Existenz der planmäßigen Vernichtung der europäischen Juden abzustreiten, bestand schon in der Planung der Vernichtungslager selbst. Die Abschirmung des Lagers Auschwitz1, die Täuschung der Weltöffentlichkeit über das Lager Theresienstadt2 und nicht zuletzt die Zerstörung von Krematorien, Lagergebäuden und Akten kurz vor den Befreiungen stellten Ansätze dar, den Genozid vor der eigenen Bevölkerung, den Opfern und der Welt geheim zu halten. Umso überraschender wirkt die Feststellung, dass keiner der Angeklagten im Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess die Existenz der „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ abstritt.3 Unkenntnis und Befehlsnotstand schienen ihnen geeignete Verteidigungsstrategien, die grundsätzliche Leugnung des vorgeworfenen Verbrechens offenbar nicht. Bis heute streitet eine relativ kleine, aber wortgewaltige Zahl von Menschen die Existenz des Holocaust ab. Sie verfolgt dabei unterschiedliche Motive und ist in eine Vielzahl von politischen, historischen und ethischen Weltanschauungen ausdifferenziert. Geeint ist sie nur in der nach außen getragenen Überzeugung, die Ermordung von sechs Millionen Juden in der Zeit des „Dritten Reiches“ sei nicht geschehen sowie einem diese Überzeugung gleichermaßen erzeugenden wie aus ihr erwachsenden Antisemitismus. Holocaustleugnung ist immer antisemitisch – sie setzt eine weltweite Verschwörung voraus, an der zwangsläufig Juden beteiligt gewesen wären. Außerdem delegitimiert sie Wiedergutmachungshandlungen und die Existenz des Staates Israel. Die Holocaustleugnung wird heute insbesondere im deutschsprachigen Raum synonym mit dem Begriff der „Auschwitz-Lüge“ bezeichnet. Dieser Terminus hat seinen Ursprung in Thies Christophersens bis heute für Holocaustleugner grundlegenden Schrift selben Titels von 1973 und wurde von „Die Lüge darüber, dass Auschwitz stattgefunden hat“ in Wissenschaft und Öffentlichkeit in „Die Lüge darüber, dass Auschwitz nicht stattgefunden hat“ umgedeutet.4 Christophersen wurde mit dieser Schrift zum Exponenten einer großen Welle deutschsprachiger Holocaustleugnung in

1 Meyer, Verfälschte, S. 58. 2 Frei, Führerstaat, S. 189. 3 Lipstadt, Betrifft, S. 42. 4 Als Beispiel für diese Umdeutung kann gelten, dass „Auschwitz-Lüge“ das Schlagwort für Literatur zur Holocaustleugnung in der Gemeinsamen Normdatei und damit maßgeblich für Bibliotheken im deutschsprachigen Raum ist. 4 den 1970er Jahren, im Zuge derer die „Zeitgeschichtliche Forschungsstelle Ingolstadt“ als revisionistischer Gegenpol zum Institut für Zeitgeschichte gegründet wurde.5 Diese Entwicklung, die sich den 1980er Jahren fortsetzte, führte letztlich zur Ergänzung des Strafgesetzbuches, das ab 1994 die Billigung, Leugnung oder Verharmlosung des Holocaust ausdrücklich unter Strafe stellte. Doch die Leugnung war keine Erfindung der 1970er Jahre. Die Behauptung der Nichtexistenz des Völkermordes begann schon kurz nach dem Krieg und wurde insbesondere in rechtsextremen Kreisen rezipiert, ergänzt und weiterverbreitet. Im zeitlichen Umfeld der Gründung der Bundesrepublik, als sich fast ein Viertel der Bevölkerung als demonstrativ oder gefühlsmäßig antisemitisch bezeichnete6 und der Wiedergutmachungsverhandlungen mit Israel, die solche Bekenntnisse noch populärer machten7, breitete sich die Idee weiter aus, mit einer völligen oder teilweisen Abstreitung der deutschen Verbrechen an Juden die Schuld abzuwehren. Die Möglichkeit einer Lüge war ein Mittel gegen die emotionale und wirtschaftlich- politische Belastung des Volkes der Täter. Gleichzeitig bedrohte die Leugnung als Bestandteil des sich öffentlich artikulierenden Antisemitismus und Neonazismus das Bild der jungen Demokratie. Die sich in den 1950er Jahren häufenden antisemitischen Skandale zeigten einerseits ein durchgängig vorhandenes judenfeindliches Potenzial, aber auch die erhöhte Aufmerksamkeit der öffentlichen Meinung und den oft nervösen Umgang mit Antisemitismus. Zwischen 1950 und 1960 wurden zahlreiche Gesetzesvorhaben diskutiert, die judenfeindliche Äußerungen unter Strafe stellen sollten. Der dazu zu reformierende § 130 StGB, der bis 1960 „Klassenhetze“ betraf, war den Erfordernissen der Zeit nicht mehr gewachsen.

1.1 Fragestellung und Thesen Ziel dieser Arbeit ist, Entstehung und Aufkommen von Holocaustleugnung in der Bundesrepublik zwischen 1945 und 1960 nachzuweisen. Dabei soll nachgewiesen werden, dass die Leugnung des Völkermordes schon vor der bislang in der Forschung meistbeachteten Veröffentlichungswelle der 1970er bestand und als besonderer Bestandteil von Antisemitismus, Vergangenheitsbewältigung und tendenziöser Vergangenheitspolitik wahrgenommen wurde.

5 Benz, Geschichtsmythen, S. 62. 6 Bergmann, Antisemitismus, S. 177. 7 Ebenda. Aus 23% im Jahr 1949 wurden drei Jahre später 34%. 5

Um diese Ziele zu erreichen, muss in einem ersten Schritt Fragen zu den Leugnern nachgegangen werden. Wer waren die Leugner, aus welcher Motivation und unter Verwendung welcher Kommunikationskanäle handelten sie? Welche Argumente verwendeten sie, um die Faktizität des Holocaust anzugreifen? In einem zweiten Schritt ist nach der Rezeption der Leugnungsversuche zu fragen. Welche Medien beschäftigten sich mit dem Phänomen, inwieweit wurde es von der jungen Zeitgeschichtsforschung in Deutschland aufgegriffen, gab es Zustimmung oder überwog die Ablehnung? Wie veränderte sich die Rezeption im Laufe des Untersuchungszeitraumes und welche Gründe sind dafür ausschlaggebend? Der letzte Fragenkomplex wirft die Frage des rechtlichen Umgangs mit der Leugnung auf. Dabei ist gleichermaßen zu fragen, wie die bundesdeutsche Rechtspflege geltendes Recht auf Fälle von Holocaustleugnung anwendete, und welche Versuche die Legislative unternahm, auf das Phänomen mit neuen Rechtsvorschriften zu reagieren.

1.2 Definition und Begriffsklärung Der Begriff „Holocaustleugnung“ ist kein ursprünglich zeitgenössischer Begriff des Untersuchungszeitraums, da das aus dem Altgriechischen stammende Wort „Holocaust“ in der englischsprachigen Welt 1963, in Deutschland erst mit der Ausstrahlung des gleichnamigen Mehrteilers 1978 im öffentlichen Sprachgebrauch für den Völkermord an den europäischen Juden verwendet wurde.8 Zuvor herrschte eine große Begriffsvielfalt, die oft nur im Gesamtkontext eindeutig für den Holocaust stehen konnte. Oft verwendete Bezeichnungen waren „Massenvergasung“, „Judenverfolgung“ oder „KZ-Greuel“,9 die allerdings alle nicht die Gesamtheit der Verbrechen des Holocaust abdeckten. Die einzige Begriffsbildung, die dies in der frühen Nachkriegszeit ansatzweise vermochte, war die des „Massenmordes an den Juden“, wenn sie auch den genozidalen Charakter nicht umfasst.10 Diese Wendung ist daher Bestandteil des Titels der Arbeit, um die zeitliche Einordnung des Untersuchungsraumes zu betonen. Neben dem eindeutigen Begriff der „Holocaustleugnung“ werden in der Forschung synonym auch die Begriffe „Negationismus“, „Revisionismus“ und „Auschwitzleugnung“ verwendet. Der Begriff „Negationismus“ stellt dabei eine

8 Glasenapp, „Endlösung der Judenfrage“, S. 143-144. 9 Ebenda, S. 136. 10 Vom 29. November bis zum 1. Dezember 2012 fand in Wien die Simon Wiesenthal Conference 2013 zum Thema „‘Als der Holocaust noch keinen Namen hatte...' Zur frühen Aufarbeitung des NS- Massenmordes an Jüdinnen und Juden“ statt, die neue Impulse zu diesem Forschungsfeld bieten sollte, vgl. Konferenzankündigung unter http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/termine/id=20502. 6 wörtliche Übersetzung des französischen „négationnisme“ da und wird üblicherweise nur für die französische Holocaustleugnung verwendet. „Revisionismus“ hingegen ist ein Überbegriff der Holocaustleugnung, der in der Fremdzuschreibung meist rechtsgerichtete Tendenzhistoriographie bezeichnet und in der Eigenzuschreibung darauf verweist, dass die „Revisionisten“ die Geschichtsforschung kritisch werten und Erkenntnisse neu beurteilen – also eine Technik, die grundlegender Teil jeder Arbeit von Historikern ist. Um diesem Umstand Rechnung zu tragen, wird „Revisionismus“ daher in dieser Arbeit als Eigenbezeichnung in Anführungszeichen geschrieben. Das Wort „Auschwitzleugnung“ hingegen bezieht sich zwar auf Auschwitz als Metapher für die gesamte NS-Vernichtungsstrategie, weist aber aufgrund des dahinterstehenden konkreten geographisch-historischen Ortes eine mangelnde sprachliche Präzision auf.11 Hinter dem Begriff „Holocaustleugnung“ stehen verschiedene Ausprägungen und Intensitäten der Leugnung. Während Elke Mayer darunter auch verhältnismäßig geringe abweichende Meinung zu den Opferzahlen sowie Rechtfertigungstaktiken und Apologien von Nürnberger Angeklagten fasst, sollen in dieser Arbeit nur solche Äußerungen umfasst werden, in denen die Existenz eines planmäßigen, von Deutschen mit industriellen Mitteln verübten Völkermordes an ungefähr sechs Millionen jüdischen Opfern abgestritten wurde. In dieser Definition besitzt die Leugnung ein verschwörungstheoretisches Element, demzufolge die Existenz oder zumindest Dimension des Völkermords zu propagandistische Zwecken erfunden wurde.

1.3 Methodik und Auswahl der Fallbeispiele Eine Gesamtdarstellung der Holocaustleugnung ist angesichts der Vielzahl von Veröffentlichungen sowie öffentlichen und nichtöffentlichen Äußerungen nicht zu realisieren. Stattdessen wurden fünf Fallbeispiele ausgewählt, die die Vielfalt von Leugnungsvorfällen darstellen sollen. Der Untersuchungszeitraum soll dabei mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges in Europa beginnen, als die vier Siegermächte die Kontrolle über Deutschland übernahmen und erstes postnationalsozialistisches Recht schufen. Die Betrachtung endet mit der Verabschiedung des ersten „Volksverhetzungsparagraphen“ der Bundesrepublik im Juni 1960. Er stellte einen Einschnitt in der strafrechtlichen Verfolgung von Antisemitismus dar und wirkte als Fundament für die nachfolgende staatliche Bekämpfung von

11 Zum Spannungsfeld zwischen Konkretion und Metapher und den entstehenden sprachlichen Verwirrungen Heyl, Metaphern, S. 14-21. 7 judenfeindlichen und neonazistischen Äußerungen bis zum ausdrücklichen Leugnungsverbot 1994. Die ausgewählten Fallbeispiele sind hierbei auf den Rezeptionsraum der Bundesrepublik beschränkt, nicht jedoch auf den entsprechenden Produktionsraum. Die ersten publizistisch wirksamen Holocaustleugner waren mit Maurice Bardèche und Paul Rassinier zwei Franzosen, die unabhängig voneinander begannen, die Existenz eines planmäßigen Völkermords abzustreiten und dabei Standardwerke der Leugnungsliteratur schufen, die bis heute rezipiert und neu aufgelegt werden. Der zweite Fallkomplex betrifft Hans Grimm, der als Autor von „Volk ohne Raum“ im „Dritten Reich“ enorme Popularität genoss und sich nach dem Krieg mit der „Erzbischofschrift“ und „Warum – woher – aber wohin?“ zu einem führenden Vertreter einer sich wieder formierenden rechtsintellektuellen Strömung entwickelte. Er steht damit für den Teil der Deutschen, die zwar nicht zu aktiven Tätern wurden, aber in der Nachkriegszeit ihre bereitwillige NS-Gefolgschaft zu verteidigen oder entschuldigen versuchten. Der Student Klaus Petri hingegen war bei Kriegsende erst elf Jahre alt. Sein Versuch, im Jahr 1955 im Veröffentlichungsorgan der Bonner Studierendenvertretung den Nationalsozialismus durch eine gleichzeitige Bejahung von Konzentrationslagern und Negierung des Völkermordes zu glorifizieren löste einen bundesweiten Skandal aus, der auch im Ausland Beachtung fand. Der „Fall Petri“ steht damit für den Teil der jüngeren Generation, der im nationalsozialistischen Erziehungssystem aufwuchs und nach 1945 den Wandel zur Demokratie nicht vollzog. Der Bereich der rechtsextremen Pressepublizistik der Nachkriegszeit ist so umfangreich, kleinteilig und stetigen Änderungen unterworfen, dass er im Rahmen dieser Arbeit nur stichprobenartig behandelt werden kann. Herangezogen wurden für dieses Fallbeispiel die Zeitschriften „Der Weg – El Sendero“ und „Nation Europa“. Während „Der Weg“ als Emigrantenzeitschrift aus Argentinien unbeeindruckt von deutschen Gesetzen den Nationalsozialismus verherrlichte und dabei große Abonnentenzahlen in der Bundesrepublik erreichte, verfolgte „Nation Europa“ von Coburg aus das Ziel, europäische Faschisten zu vernetzen und leistete damit einen entscheidenden Beitrag zur Gestaltung eines standardisierten Narrativs der Holocaustleugnung. Das letzte ausgewählte Fallbeispiel ist der Fall des Hamburger Holzhändlers Friedrich Nieland, der 1957 eine Broschüre an die politische Elite der Bundesrepublik

8 verschickte, in der er den von Deutschen begangenen Völkermord leugnete und stattdessen jede geschehene Massenvernichtung einer jüdischen Weltverschwörung anlastete. Die in zwei Anläufen vor Gericht scheiternde Verurteilung Nielands führte zu einem bundesweiten Skandal, der die Unzulänglichkeit des geltenden Rechts deutlich machte und damit den Anlass für die Schaffung des Volksverhetzungsparagraphen bildete. Diesen fünf Beispielen ist gemein, dass sie keinerlei Handlungen von NS-Tätern beinhalten. Zwar betätigten sich insbesondere ehemalige Wehrmachtsgeneräle wie Heinz Guderian und Franz Halder schon kurz nach dem Krieg publizistisch und apologetisch, sie traten dabei aber, analog zu den Angeklagten im Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess, nicht als Holocaustleugner in Erscheinung. Die Fallbeispiele sollen auf ihre Motive, Inhalte und die Verwendung von neuen und übernommenen Argumentationselementen untersucht werden. Darauf folgt die Betrachtung der Rezeption in bundesdeutschen Medien, in der Politik und, falls nachweisbar, in der Geschichtswissenschaft. Hierbei sollen Unterschiede und Entwicklungen in der Wahrnehmung von Antisemitismus und Neonazismus sowie die Entstehung eines Problembewusstseins bezüglich der Holocaustleugnung nachgewiesen werden. Aktuell gibt es in insgesamt 13 europäischen Staaten Gesetze, die die Leugnung des nationalsozialistischen Völkermords unter Strafe stellen.12 Diese in das Grundrecht der freien Meinungsäußerung eingreifende Gesetzgebung steht in starkem Kontrast zu liberalen Rechtsgrundsätzen, wie sie beispielsweise in den USA gelten. Daher ist die Geschichte der Holocaustleugnung in der Bundesrepublik immer auch eine Geschichte ihrer strafrechtlichen Erfassung. Deshalb wird die Behandlung der Fallbeispiele mit Betrachtungen der Rechtsprechung und der verschiedenen Gesetzesinitiativen ergänzt, die sich zum Teil ausdrücklich oder implizit auf die Fälle beziehen.

1.4 Forschungsstand und Literatur Holocaustleugnung als eigenständiges Phänomen wurde in der Geschichtswissenschaft lange kaum beachtet. Der französische Althistoriker Pierre Vidal-Naquet wandte sich 1980 gegen eine unter anderem von Noam Chomsky unterschriebene Petition, die den Holocaustleugner Robert Faurisson verteidigte, und begann in der Folge, über das

12 Josephs, Holocaust Denial Legislation. 9

Phänomen zu forschen. Er beschäftigte sich dabei aber nur mit den Protagonisten der zweiten Leugnungswelle um Faurisson, Irving und Christophersen.13 Den ersten, sehr knappen Versuch einer Gesamtdarstellung veröffentlichte 1986 Gill Seidel14, der allerdings für die großen Lücken in seiner Betrachtung kritisiert wurde. Eine umfangreichere, positiver aufgenommene Gesamtdarstellung des Phänomens veröffentlichte Deborah Lipstadt im Jahr 1993.15 Darin stellte sie prominente Revisionisten in eine Reihe mit isolationistischen US-Historikern der Zeit des Zweiten Weltkriegs, ging auf die Entwicklung der Holocaustleugnung in Frankreich und den USA ein und behandelte insbesondere die Mechanismen, mit denen das „Institute for Historical Review“ und David Irving Quellen selektiv bearbeiteten. Auf deutsche Holocaustleugner wie Thies Christophersen ging Lipstadt allerdings nicht ein. Dennoch schuf Lipstadt mit diesem Buch die Grundlage für eine Fülle von Forschungsbeiträgen zur Geschichte der Holocaustleugnung, die seit Mitte der 1990er Jahre bis heute andauert. Der Mediziner und Friedensforscher Till Bastian veröffentlichte 1995 eine knappe, aber nahezu vollständige Abhandlung über die deutschsprachigen Leugner der 1970er und 1980er Jahre.16 Des Weiteren begannen Brigitte Bailer-Galanda und Wolfgang Benz über die „Auschwitzleugner“ zu forschen und veröffentlichten zahlreiche Beiträge zu individuellen Fällen17, Mechanismen18 und Motiven19. Seit Ende der 1990er Jahre ist die Geschichte der Holocaustleugnung ein etablierter Bestandteil der historischen Forschung.20 Doch erst 2003 wurde die Lücke geschlossen, die von der bisherigen Forschung offen gelassen worden war. Elke Mayer behandelte in ihrer Dissertation „Verfälschte Vergangenheit“ die Entstehung der Holocaustleugnung in der Bundesrepublik zwischen

13 Die fünf daraus entstehenden Essays wurden 1987 veröffentlicht in Vidal-Naquet, Assassins. 14 Seidel, Holocaust Denial. 15 Lipstadt, Denying. Deutsche, leicht gekürzte Übersetzung Lipstadt, Betrifft. 16 Bastian, Auschwitz. 17 Bailer-Galanda, Leuchter. 18 Benz, „Revisionismus“. 19 Bailer, Sogenannte „Auschwitz-Lüge“. 20 Eine Auswahl, die möglichst viele Aspekte der Holocaustleugnung abdeckt umfasst Erb, Public Responses, das den Umgang der Öffentlichkeit mit Antisemitismus und Holocaustleugnung nach 1990 thematisiert; Herf, Zweierlei Erinnerung, das erstmals als Teilaspekt die Leugnung in der DDR untersuchte; Rembiszewski, Endlösung, über den Herausgeber der „Vierteljahreshefte für freie Geschichtsforschung“ Germar Rudolf; Shermer, Denying, das einen ersten Versuch einer Systematisierung der Holocaustleugnung unternahm; Finkenberger, Im Dienste, ein Sammelband über den einflussreichen rechtsextremen Verleger Herbert Graber; Litvak, From Empathy, das den arabischen Umgang mit dem Holocaust thematisiert. 10

1945 und 1970.21 Dabei zog sie eine Traditionslinie von der Tendenzhistoriographie der Dolchstoßlegende zu den Verteidigungsmechanismen der Nürnberger Angeklagten und der Erfindung der ausdrücklichen Holocaustleugnung in Westdeutschland. Damit wandte sie sich gegen die bis dahin vorherrschende Forschungsposition, dass der deutsche „Revisionismus“ bis 1970 nur aus Umdeutungen der Kriegsschuldfrage bestanden habe. Obwohl seit der Veröffentlichung zehn Jahre vergangen sind, hat sich die Überzeugung, die Armin Pfahl-Traughber schon 1996 formulierte, dass es im „deutschen Rechtsextremismus […] erstaunlicherweise hinsichtlich der Holocaust- Leugnung relativ lange Zeit ruhig“22 blieb, bislang kaum etwas verändert. Der Mangel an Forschungsliteratur zur frühen Holocaustleugnung in der Bundesrepublik entspricht allerdings nicht der Literaturlage zu den einzelnen Fallbeispielen. Die Entwicklung Bardèches und Rassiniers wurde von der französischen Negationismusforschung durch Nadine Fresco23 und Valérie Igounet24 zur Jahrtausendwende umfassend untersucht und durch James Shields vor dem Hintergrund des französischen Rechtsextremismus ergänzt.25 Zu Hans Grimm existiert eine Vielzahl von germanistischen Untersuchungen, die sich allerdings meist auf seine Vorkriegstätigkeit als Romanautor beziehen. Die ersten Beurteilungen seines Nachkriegsschaffens fielen in den 1980er Jahren vergleichsweise mild aus, während die neuere Forschung den Fokus auf seine Vorreiterrolle im bundesrepublikanischen Neonazismus legt26. Der „Fall Petri“ hingegen ist, bis auf wenige Zeilen in Elke Mayers Buch und der unveröffentlichten Magisterarbeit von Bernhard Stengel27, von der Geschichtswissenschaft bislang völlig unbeachtet geblieben. Obwohl der Fall als beispielhaft für den zeitlich begrenzten Rahmen eines überregional rezipierten, aber lokal begrenzten antisemitischen Skandals gelten kann, ist er bislang nicht umfassend untersucht worden. Auch zur rechtsextremen Presse der jungen Bundesrepublik steht eine geschichtswissenschaftliche Gesamtdarstellung noch aus. Bislang veröffentlichte

21 Meyer, Verfälschte. 22 Pfahl-Traughber, Apologeten, S. 85. 23 Fresco, Fabrication. 24 Igounet, Histoire. 25 Shields, Extreme. 26 Sarkowicz, Zwischen Sympathie und Delft, Kritische Apologie interpretieren Grimms Unterscheidung zwischen Nationalsozialismus und „Hitlerismus“ als Ablehnung von durch Grimm anerkannten NS- Verbrechen, während die neuere Forschung (Gümbel, „Volk ohne Raum“ und Franke, Grimm) die apologetischen und leugnenden Argumente hervorhebt. 27 Mayer, Verfälschte, S. 150-151, Stengel, Student, S. 25-28. 11

Beiträge zur Forschung beschäftigen sich mit Einzelphänomenen, Herausgebern und bestimmten Medien.28 Eine Untersuchung, in der die Netzwerke zwischen den verschiedenen Publikationen und die gegenseitige Rezeption dargestellt werden, steht, wohl auch aufgrund der oft kurzen Lebensdauer der Zeitungen und Zeitschriften und der häufigen Verwendung von Pseudonymen, noch aus. Der „Fall Nieland“ hingegen ist wegen seiner herausragenden Bedeutung für die Antisemitismusgeschichte der Bundesrepublik außergewöhnlich gut erforscht, wenn auch nicht im Kontext der Holocaustleugnung. Kontrovers diskutiert wird dabei die Rolle der beteiligten Richter und die Frage, ob die Nichtverurteilung Nielands Ausdruck einer entsprechenden politischen Überzeugung der Juristen oder der Unzulänglichkeit der angewendeten Gesetze ist. 29 Die Entstehung des modernen Volksverhetzungsparagraphen und der Ahndung von Antisemitismus ist Gegenstand zahlreicher juristischer Forschungsbeiträge geworden. Die 1962 veröffentliche Dissertation von Peter Paepcke30 lieferte dabei eine erste Rekonstruktion des Gesetzgebungsprozesses. Die 1970 veröffentlichte Untersuchung Joachim Lömkers31 konnte den „gegenreformatorischen Eifer“32 des Autors, dass ein solches Gesetz nicht nötig sei, nicht verbergen, was sich auf die Qualität der rechtsvergleichenden Abschnitte auswirkte.33 Neuere Untersuchungen enthielten sich der Wertung und berücksichtigten die historischen Gründe deutschen Rechtstraditionen in der Gesetzgebung stärker.34 Zur Rechtsnormensetzung lieferte Norbert Frei eine historische Perspektive, die auch die Rolle der Alliierten berücksichtigte.35

1.5 Quellen Den wichtigsten Quellenbestand der Untersuchung bilden die Veröffentlichungen der Holocaustleugner. Diese sind, trotz der teilweise gerichtlich angeordneten Einziehung,

28 Zuvorderst zu nennen ist Medings wegweisende Untersuchung zu „Der Weg“, die sich auf bis dahin unveröffentlichte Quellen und Zeitzeugengespräche stützt. Ebenfalls zum spezifischen Medium Salzborn, „Nation Europa“. Nur knapp zum Untersuchungszeitraum, da mit starkem Gegenwartsbezug Pfeiffer, Volk und Assheuer, Rechtsradikale, S. 184-190. 29 Bergmann, Antisemitismus, S. 208-220 und Jahr, Antisemitismus vor Gericht, S. 357-360 sind hier maßgeblich. Grundlage für beide ist Hering, „Fall Nieland“, der die beteiligten Juristen im Gegensatz zu den vorgenannten mit Blick auf den fehlenden Volksverhetzungsparagraphen entlastet. 30 Paepcke, Antisemitismus. 31 Lömker, Abwertung. 32 Jahr, Antisemitismus, S. 383. 33 Ebenda, S. 384. 34 Grundlegend Krone, Volksverhetzung und Wehinger, Kollektivbeleidigung. Umfassend und erstmals den gesamten Bestandszeitraum eines § 130 StGB berücksichtigend Rohrßen, Anreizung, der allerdings andere bei Antisemitismus und Holocaustleugnung zur Anwendung kommende Paragraphen auslässt. 35 Frei, Vergangenheitspolitik, S. 309-396. 12 in zahlreichen deutschen Bibliotheken verfügbar. Einen Sonderfall stellt dabei die Zeitschrift „Der Weg“ dar, die in den 1950er Jahren vom argentinischen Verlag selbst unaufgefordert an wissenschaftliche Bibliotheken gesendet wurde und dort mitunter unbeachtet aufbewahrt wird.36 Weitere wichtige Quellenbestände wie Tages- und Wochenzeitungen sowie Drucksachen des Bundestages sind ebenfalls verfügbar, wobei aufgrund der seltenen und oft nicht ereignisgebundenen Berichterstattung über Holocaustleugnung im Volltext durchsuchbare Digitalisatdatenbanken wie jene der

FAZ, des SPIEGEL und der ZEIT den größeren Teil der untersuchten Bestände bilden. Bezüglich des „Falls Petri“ wären die Archivalien des Allgemeinen Studenten- Ausschusses Bonn, der die betreffende Zeitschrift herausgab, von Interesse gewesen, waren allerdings aufgrund einer Überarbeitung seitens des Archivs nicht verfügbar. In den Exmatrikel-Akten der Universität Bonn konnten aber zumindest bestimmte Presseberichte bestätigt werden. Einen für die gesamte Antisemitismusforschung relevanten Quellenbestand stellen die Akten des Zentralrats der Juden in Deutschland (1950-2007) dar, deren Schriftgut zum Antisemitismus vom Zentralarchiv zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland zur Verfügung gestellt wurde. Da durch das Antragserfordernis bei der Verfolgung von Beleidigungen für Ermittlungen wegen antisemitischer Taten immer ein jüdischer Bürger Anzeige erstatten musste, stellen diese Akten eine fast vollständige Zusammenstellung antisemitischer Vorfälle des Untersuchungszeitraumes dar. Ebenfalls ist an dieser Stelle die Korrespondenz des Zentralrats mit Bundesregierung und Opposition im Entstehungsprozess des Volksverhetzungsparagraphen archiviert. Der Zentralrat wurde regelmäßig um Anregungen gebeten und über den Verlauf der Verhandlungen informiert.

2. Das Strafgesetzbuch vor der „Volksverhetzung“ Nach dem Krieg wurde durch die Kontrollratsgesetze 1, 11 und 55 sowie das Militärregierungsgesetz Nr. 1 eine Reihe von „nationalsozialistischen Grundgesetzen“ und einzelnen Bestimmungen und Vorschriften des Strafrechts aufgehoben. Hierzu gehörten Rassengesetze, Kriegsstrafrecht sowie das politische und Staatsschutz- Strafrecht37, jedoch nicht der § 130 StGB, der zwar in das Recht auf freie Meinungsäußerung eingriff, jedoch seit der Schaffung des Reichsstrafgesetzbuches

36 Laut Auskunft der Bibliothekarin wurde „Der Weg“ in der Kölner Universitäts- und Stadtbibliothek seit Einführung des elektronischen Ausleihsystems 1997 von keinem Besucher angefordert. 37 Vogel, Einflüsse, S. 23. 13

1872 nicht mehr verändert worden war.38 Eine Gesamtrevision des Strafgesetzbuches, die ab 1946 von Staatsrechtlern diskutiert und begonnen wurde, scheiterte 1948 an der zunehmenden Spaltung des Alliierten Kontrollrats.39 Somit blieb der Wortlaut des Paragraphen vom 15. Mai 1871 bestehen, der die öffentliche „Anreizung“ von „verschiedene[n] Klassen der Bevölkerung zu Gewaltthätigkeiten gegen einander“40 unter Strafe stellte. Lediglich das Strafmaß wurde im Jahr 1876 aufgrund der Außerkurssetzung des Vereinstalers aktualisiert.41 Zwar waren während der Zeit des Dritten Reiches mehrere Entwürfe einer Neufassung vorgelegt worden, die jedoch aufgrund massiver Differenzen zwischen den beteiligten Juristen nicht verabschiedet wurden.42 In den Beratungen wurde allerdings der Begriff der Volksverhetzung, in Abgrenzung zur „Klassenhetze“, erstmals zu einem leitenden Terminus für künftige Reformen des § 130 StGB, da der alte Begriff im Nationalsozialismus, der keine Klassen mehr kenne sondern nur noch Volksgenossen, keine Relevanz mehr besäße.43 In der Bundesrepublik wurde dieser Begriff unter veränderten Vorzeichen 1950 wieder in den Diskurs aufgenommen. In der unmittelbaren Nachkriegszeit konnte außer dem Kontrollrat kein Organ Entscheidungen treffen, die das gesamte deutsche Gebiet betrafen. Erste Gesetze gegen Hetze waren daher auf die Länderebene beschränkt. Das für die spätere Neufassung von § 130 StGB einflussreichste44 dieser Gesetze war das „Bayerische Gesetz gegen Rassenwahn und Völkerhaß“ vom 13. März 1946, dessen erster Artikel besagte:

„Wer durch Äußerungen oder Handlungen des Rassenwahns oder Völkerhasses die Bevölkerung beunruhigt und dadurch die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet, wird mit Gefängnis bestraft, sofern nicht nach anderen Strafgesetzen eine schwerere Strafe verwirkt ist.“45 Das mit Zustimmung der Militärregierung erlassene Gesetz entstand nach Aussage des damaligen bayerischen Ministerpräsidenten Wilhelm Hoeger als Reaktion auf die zu dieser Zeit öffentlichkeitswirksam veröffentlichten Details zum Völkermord in den Konzentrationslagern und sollte jede öffentliche Äußerung, die dem

38 Rohrßen, Anreizung, S. 151. 39 Vogel, Einflüsse, S. 25. 40 § 130 RStGB, zit. nach Vormbaum, Strafgesetzbuch 1, S. 31. 41 RGBl. 26. Februar 1876 S. 25, zit. nach Rohrßen, Anreizung, S. 301. Die Höhe der Geldstrafe blieb hierbei unverändert, gegenüber 200 Talern betrug die Höchstgeldstrafe ab 1876 600 Mark. 42 Einen Überblick über die Entwürfe zwischen 1936 und 1939 und die Gründe für das Scheitern bietet Rohrßen, Anreizung, S. 142-146. 43 Ebenda, S. 126. 44 Krone, Volksverhetzung, S. 14. 45 GVBl. S. 134, zit. nach Krone, Volksverhetzung, S. 14. 14 nationalsozialistischen Rassismus entsprang, von vorneherein unterbinden.46 Ohne die „juristisch unzulänglichste Formulierung strafbarer Äußerung“47 des „Rassenwahns“ kam das Gesetz Nr. 8 des Berliner Kontrollrats vom 30. November 1945 aus, das „Propaganda oder Agitation, die darauf hinausgeht, […] nationalsozialistischen Geist […] wieder in Leben zu rufen oder zu fördern“48 in Groß-Berlin unter Strafe stellte. Unter diese weitgehende Norm konnte auch die Leugnung des Völkermords gefasst werden, wenn auch bis zur Ablösung dieses Gesetzes durch die Gründung der Bundesrepublik kein dementsprechender Fall bekannt ist. Weitere Schritte zur Neufassung oder Präzisierung des geltenden Paragraphen endeten schon nach kurzer Zeit ergebnislos.49 Selbst die Suche nach „spezifisch nationalsozialistischem Gedankengut“ im Strafgesetzbuch sowie in der Auslegung und Anwendung deutschen Rechts blieb trotz der Einbindung renommierter Strafrechtsprofessoren erfolglos und zeichnete die restaurativen Tendenzen der frühen bundesrepublikanischen Justiz vor.50 Mit der Verkündung des Grundgesetzes nahm die Bundesrepublik das Recht der konkurrierenden Gesetzgebung für das Strafrecht wahr, sodass die bestehenden Landesgesetze außer Kraft gesetzt wurden.51 Der Versuch, öffentlich den Nationalsozialismus zu propagieren, wurde so ausdrücklich nur noch durch §130 StGB strafbewehrt. In der Rechtsprechung setzte sich jedoch schnell die Ansicht durch, dass auch verschiedene andere Tatbestände in Betracht kamen, um insbesondere antisemitische, aber auch neonazistische Äußerungen durch bestehendes Strafrecht zu erfassen. Die Affäre um den DP-Bundestagsabgeordneten Wolfgang Hedler, der 1949 die Vergasung von Juden als zumindest diskutables Mittel bezeichnet hatte52, führte sowohl zur gerichtlichen Klärung, welche Straftatbestände zur Verfolgung solcher Äußerungen in Frage kamen, als auch zu verschiedenen Bundestagsinitiativen von Koalition und Opposition, das geltende Recht zu dieser Problematik zu reformieren. Nachdem ein erstes Verfahren zum Freispruch geführt hatte, wurde Hedler 1952 im Revisionsverfahren wegen Beleidigung, Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener

46 Krone, Volksverhetzung, S. 15-16. Hoegers Aussage gegenüber Krone stammt aus dem Jahr 1974, Materialien zur Entstehung des Gesetzes sind nicht erhalten. Ob diese Begründung zutrifft oder erst in den 28 Jahren danach an Begründungskraft gewann ist daher nicht festzustellen. 47 Lömker, Abwertung, S. 21. 48 VOBl. Berlin, S. 158, zit. nach Lömker, Abwertung, S. 21. 49 Vogel, Einflüsse, S. 24-26. 50 Ebenda, S. 26-28. 51 Rohrßen, Anreizung, S. 152. 52 Ausführlich zur „Hedler-Affäre“ und ihren Auswirkungen in Politik, Öffentlichkeit und Bildungswesen siehe Bergmann, Antisemitismus, S. 117-144. 15 und übler Nachrede zu neun Monaten Gefängnis verurteilt.53 Diese „justitielle Normsetzung“54 sollte bis 1960 maßgeblich für die Bewertung von antisemitischen und neonazistischen Taten bleiben.

3. Eine Idee aus Frankreich: Maurice Bardèche und Paul Rassinier Die Frühphase der Holocaustleugnung ist in ihrer ideen-, begriffs- und rezeptionsgeschichtlichen Dimension in einem derart besonderen Maße an Frankreich geknüpft, dass die Leugnung dort mit Négationnisme einen eigenen, international ansonsten nicht gebräuchlichen Begriff erhalten hat.55 Der spezifisch französische Umgang mit dem Völkermord erwuchs aus der eigenen, nach 1945 diskreditierten Rolle des Vichy-Regimes, das bis 1944 76.000 französische Juden hatte deportieren lassen.56 Zugleich fokussierte sich die Aufmerksamkeit der französischen Öffentlichkeit nach dem Krieg in einer Kombination aus Aufarbeitung und Schuldabwehr auf die Rückkehr und Reintegration der Deportierten und Kriegsgefangenen.57 Die geringe Verbreitung des frühen Wissens über den Holocaust machte es den ersten Vertretern von Leugnung und Relativierung einfacher, der besonderen Dimension der Verbrechen an Juden im „Dritten Reich“ zu widersprechen oder sie abzuschwächen.58 Ihre Publikationen wurden auch in Frankreich, in besonderem Maße aber international rezipiert, Übersetzungen erschienen oft kurz nach der Erstveröffentlichung. Die dort vorgebrachten Argumente wurden zur bis heute zitierten und als Quelle angeführten Grundlage des internationalen „Revisionismus“.59 Die herausragenden Protagonisten waren Maurice Bardèche und Paul Rassinier, die ab 1948 unabhängig voneinander und aus unterschiedlichen Motivationen heraus publizierten, dabei jedoch jeweils auf den Veröffentlichungen des anderen aufbauten. Auch wenn Rassiniers Hauptwerk „Die Lüge des Odysseus“, in Frankreich 1949 erschienen, erst 1959 ins Deutsche übersetzt wurde, konnten seine Kernthesen durch die wesentlich früher übersetzten Schriften Bardèches in Deutschland schon zu Beginn der 1950er Jahre rezipiert werden. Hervorzuheben ist hierbei der biographische und politische Hintergrund der beiden

53 Frei, Vergangenheitspolitik, S. 324. Die in der Zeit zwischen der strafbewehrten Rede und der Revisionsverhandlung erwogenen Strafrechtsreformen und –zusätze werden in Kapitel [*XYZ] behandelt. 54 Frei, Vergangenheitspolitik, S. 309. 55 Der Begriff ist eine Schöpfung, die erst im Jahr 1987 eingeführt wurde, vgl. Rousso, Political, S. 67. 56 Ebenda, S. 71. 57 Atkins, Holocaust Denial, S. 84. 58 Ebenda. 59 Benz, Funktion, S. 404. 16

Autoren, der abgesehen von der Holocaustleugnung keinerlei Berührungspunkte aufweist.

3.1 Der Faschist als Leugner: Maurice Bardèche Der Literaturwissenschaftler Maurice Bardèche war in Frankreich mit dem Buch „Histoire de la guerre de l’Espagne“60 im Jahr 1939 erstmals öffentlich in Erscheinung getreten, das er mit seinem Schwager Robert Brasillach im Anschluss an mehrere Reisen nach Spanien verfasst hatte.61 Schon in diesem Werk äußerte er sich äußerst wohlwollend über den Staatsstreich Francos. Zugleich veröffentlichte er regelmäßig Artikel in der offen faschistischen Zeitung „Je suis partout“.62 Während der Besatzungszeit trat er nur selten als Exponent der Vichy-Befürworter in Erscheinung, was sich auch in seiner kurzen Haftzeit von wenigen Monaten nach der Befreiung Frankreichs niederschlug.63 1947 veröffentlichte er unter dem Eindruck der Hinrichtung seines Schwagers Brasillach sowie der umfangreichen „Èpuration légale“ das Buch „Lettre à François Mauriac“64, in dem er auf einen offenen Brief des späteren Literaturnobelpreisträgers Mauriac antwortete.65 Das Buch verteidigte in erster Linie die Legitimität des Vichy-Regime, bestritt jene der Nachfolgeregierung und rechtfertigte die Kollaboration.66 Der Völkermord an den Juden kam in diesem Werk nicht vor, es ist daher noch nicht dem leugnenden Schrifttum zuzuordnen. Erst in „Nuremberg ou la Terre Promise“67 im darauf folgenden Jahr stritt Bardèche die Existenz von Gaskammern ausdrücklich ab. Im ersten Kapitel vollzog er den argumentativen Schritt von der Ablehnung der „Èpuration légale“, die auf „der von der Resistance erfundenen Fälschung“ beruhe, zur „Propaganda der Demokratien“68, zum „Betrug“, der „Tausende von Deutschen betroffen hat.“69 In erster Linie meinte er damit die Kriegsschuldfrage und die Anklage wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess, die für Bardèche, wenn überhaupt, nicht von

60 Bardèche, Histoire. 61 Vidal-Naquet, Holocaust Denial, S. 27. Brasillach war während der deutschen Besatzungszeit ein im Vergleich zu Bardèche deutlich prominenterer Anhänger des Vichy-Regime und wurde aufgrund dessen im Februar 1945 hingerichtet. 62 Berzel, Literatur, S. 227 Anm. 177. 63 Vidal-Naquet, Holocaust Denial, S. 27. 64 Bardèche, Lettre. 65 Ebenda, S. 10. 66 Vidal-Naquet, S. 27-28. 67 Bardèche, Promise. Im Folgenden wurde, soweit nicht anders angegeben, die deutsche Erstübersetzung herangezogen, vgl. Bardèche, Gelobte. 68 Bardèche, Gelobte, S. 11. 69 Ebenda, S. 12. 17 den Alliierten, sondern nur „durch Vertreter, die im Namen des jüdischen Volkes sprechen“70 vorgebracht werden dürfe. Doch hätten die Juden durch die „Säuberung“ der Nachkriegszeit ihr Schicksal im Nachhinein legitimiert.71 Eine „planmässige Ausrottung der Juden“ verurteilte Bardèche zwar, stellte sie aber in eine Reihe mit den „neuen Verfahrensweisen dieses Krieges“ wie den „Bombardierungen der grossen deutschen Städte.“72 Die „Lösung der Judenfrage, die die Billigung der nationalsozialistischen Leiter hatte“ sei jedoch lediglich die Planung eines „im Osten wieder errichtete[n] jüdische[n] Vaterland[es]“ gewesen und habe keine Massenhinrichtungen beinhaltet.73 Diese seien einzig durch Himmler veranlasst worden und zu verantworten.74 Die Existenz und Verwendung von Gaskammern zur Tötung von KZ-Häftlingen stritt Bardèche vollkommen ab: Der durch beschlagnahmte Rechnungen nachgewiesene Kauf von Gas sei lediglich zur „Gesundmachung“ durch Läusevernichtung verwendet worden, um das Leiden der Internierten zu lindern75, zum Zwecke der Unterstützung alliierter Propaganda habe „man die Maurerkelle in Gang gesetzt und wie im Kino vollständige Folterdemonstrationen an Orten erbaut, wo sie nie bestanden haben.“76 Zugleich seien, um die angeblich gefälschten Gräuelberichte zu stützen, „in Auschwitz und in Dachau zum Beispiel zusätzliche Verbrennungsöfen errichtet“77 worden. Bardèche schloss seine Beweisaufnahme über die Nichtexistenz von industriellen Tötungseinrichtungen deutlich:

„So wird man Geschichte schreiben: man ersieht daraus sogar, dass man sie erfinden kann! Das beweist, dass wir in der schwierigen Kunst der Propaganda viel Fortschritte gemacht haben. Wenn die Rasse der Geschichtsschreiber nicht zum Verschwinden verurteilt ist, wird es klug sein, ihnen allen eine harte archeologische Bildung zu geben.“78 Bardèche wurde nach der Veröffentlichung des Buches wegen Staatsgefährdung angeklagt und nach einem langwierigen Prozess im Jahr 1952 zu einer einjährigen Haftstrafe verurteilt, von der allerdings nur zwei Wochen ableisten musste,79 bis er

70 Ebenda, S. 112. 71 Ebenda, S. 116: „Ihr Verhältnis zur Freiheit, zur Ehre und zur Verteidigung des Bodens ist nicht das gleiche gewesen wie das unsrige. Diese gegenseitige Verbundenheit, die zu erwarten wir das Recht hatten, selbst in Zeiten des ideologischen Krieges, von Mitbeteiligten an unserer Nationalität, haben wir von ihnen nicht erhalten. Wir können nur mehr den Eindruck einer Scheidung haben.“ 72 Ebenda, S. 116-117. 73 Ebenda, S. 117. 74 Ebenda. 75 Ebenda, S. 82. 76 Ebenda, S. 89. 77 Ebenda. 78 Ebenda. 79 Igounet, Histoire, S. 45. 18 durch den französischen Präsidenten René Coty begnadigt wurde.80 Der frühe Veröffentlichungszeitpunkt, die strafrechtliche Verfolgung seiner publizierten Meinung und die vor dem Krieg erworbenen akademischen Meriten machten Bardèche zu einer „ausgemachten Stimme des französischen und europäischen Neofaschismus.“81 Seine Publikationen entsprangen einer mehrfachen Motivation. Zu seiner schon in den 1930er Jahren ersichtlichen faschistischen Grundüberzeugung kamen die Verteidigung der Kollaboration mit dem „Dritten Reich“ sowie des Vichy-Regimes, der Kampf gegen die „Èpuration légale“ und damit einhergehend der Zorn über die Hinrichtung Brasillachs und die eigene, wenn auch kurze, Haftzeit. Um die Illegitimität der Nachkriegssäuberung zum Ausdruck zu bringen, bedurfte es einer rechtlichen und moralischen Legitimierung der Kollaboration mit den Deutschen, die im Angesicht der Schuldsprüche bei den Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozessen nur über eine Abschwächung der festgestellten deutschen Verbrechen gelingen konnte. Diese Abschwächung versuchte Bardèche dadurch zu erreichen, dass er sie in eine Reihe mit alliierten Kriegshandlungen stellte. Angesichts der argumentativ kaum vertretbaren Vergleichbarkeit von Vernichtungslagern mit Flächenbombardements musste Bardèche daher zwangsläufig die Existenz der Vernichtungslager leugnen, um seine Argumentationslinie aufrecht zu erhalten.

3.2 Leugnung nach KZ-Haft: Paul Rassinier Unter den Leugnern des Holocaust nimmt Paul Rassinier bis heute eine Sonderstellung ein. Anders als die Mehrheit der Revisionisten, deren Negation des Völkermords einer faschistischen oder neofaschistischen Disposition entsprang, war Rassinier 1922 mit 16 Jahren in die Kommunistische Partei Frankreichs (PCF) eingetreten und entwickelte sich dort schnell zu einem radikalen Pazifisten.82 1932 wurde er aufgrund seiner Nähe zum föderalistischen Flügel der sozialistischen SFIO aus der PCF ausgeschlossen83 und wendete sich unter dem Eindruck des französisch-sowjetischen Beistandspaktes vom Kommunismus ab.84 In der Besatzungszeit schloss er sich der nichtkommunistischen Résistance-Gruppe „Libération Nord“ an, stellte gefälschte Ausweispapiere für ihre Mitglieder her und half NS-Verfolgten bei der Flucht in die Schweiz.85 Im Oktober

80 Vidal-Naquet, Holocaust Denial, S. 28. 81 Shields, Extreme, S. 57. 82 Vidal-Naquet, Holocaust Denial, S. 31. 83 Lasek, Autoren, S. 358. 84 Vidal-Naquet, Holocaust Denial, S. 31. 85 Fresco, Fabrication, S. 431-433. 19

1943 wurde er vom SD verhaftet und im Januar 1944 in das Konzentrationslager Buchenwald deportiert, in dessen Außenlager Dora er als Zwangsarbeiter eingesetzt wurde.86 Nach Kriegsende kandidierte Rassinier erfolglos für die Sozialistische Partei bei den Wahlen zur Nationalversammlung und widmete sich fortan der Erforschung der Geschichte der deutschen Konzentrationslager und des Völkermordes.87 1949 veröffentlichte er mit „Passage de la ligne“ einen Erlebnisbericht seiner Zeit in den Konzentrationslagern, der im darauf folgenden Jahr als erster Teil in das mit wissenschaftlichem Selbstanspruch angelegte Werk „Le Mensonge d’Ulysse“88 eingegliedert wurde. Rassinier war sich während der Arbeit an diesem Buch seiner doppelten Autorität als KZ-Inhaftierter und Historiker stets bewusst, die er durch im gesamten Werk verteilte Hinweise auf sein eigenes Erleben während der Haft und in der Nachkriegszeit bestärkte.89 Er setzte sich daher zunächst mit bis 1950 öffentlich gewordenen Berichten aus den Konzentrationslagern Buchenwald und Dora auseinander und bestritt hierbei, stets nur unter Berufung auf sein eigenes Erleben, überfüllte Gefangenentransporte90, willkürliche Tötungen91 und besonders grausame Hinrichtungen.92 Insbesondere legte Rassinier Wert darauf, dass sadistische Handlungen stets nicht von deutschen SS- Männern, sondern von Funktionshäftlingen vollzogen wurden. Doch diese Einsprüche betrafen stets Einzelschilderungen und Alltagselemente aus Buchenwald und Dora. Die rhetorische und argumentative Wirkung entfaltete „Die Lüge des Odysseus“ daher weniger aus der eigenen Anschauung Rassiniers als aus ihrer Kombination mit seinem Geschick als Historiker und der kritischen Auseinandersetzung mit Quellen und Sekundärliteratur in Bezug auf das Ausmaß des Völkermords. Ausgiebig ging er hierbei auf Eugen Kogons „Der SS-Staat“ ein, dass aus „kleinliche[n] und rührselige[n]

86 Lasek, Autoren, S. 358. Über die Zeit im Konzentrationslager sind viele, teils widersprüchliche Informationen überliefert, zum Teil aufgrund der Selbstdarstellung Rassiniers. Diese betreffen seine angebliche Ordonnanz eines SS-Oberscharführers (Lasek, Autoren, S. 358) und die Umstände, unter denen er das KZ verließ. Rassinier selbst berichtet, er sei nach der Räumung des Außenlagers aus einem fahrenden Zug gesprungen (Rassinier, Lüge, S. 40), wohingegen Vidal-Naquet von einer Entlassung aus dem Lager spricht (Vidal-Naquet, Holocaust Denial, S. 31). 87 Totten, Genocide, S. 359. 88 Rassinier, Mensonge. Im Folgenden wurde, soweit nicht anders angegeben, die vom Verfasser autorisierte deutsche Erstübersetzung von 1959 herangezogen, vgl. Rassinier, Lüge. 89 Hier sei insbesondere auf Kapitel I des zweiten Teils der „Lüge des Odysseus“ verwiesen, das den Titel „Die Literatur über die Konzentrationslager“ trägt, aber insbesondere Rassiniers eigene Erfahrungen mit seiner akademischen Ausbildung verknüpft, vgl. Rassinier, Lüge, S. 135-138. 90 Ebenda, S. 148. 91 Ebenda, S. 151. 92 Ebenda, S. 152-153. 20

Beschreibungen […] auf Grund von albernen Erzählungen“93 bestehe. Rassinier ging dabei, um einen wissenschaftlich-objektivistischen Ton bemüht, ausdrücklich von der Existenz von Gaskammern in Lagern aus und bestritt auch nicht darin vollzogene Tötungen, wandte sich aber entschieden gegen die in den ersten Gerichtsverfahren und Kogons „SS-Staat“ geschilderten Ausmaße:

„Daß Vernichtungen durch Gas vorgenommen worden sind, erscheint mir möglich, aber nicht sicher: ohne Feuer gibt es keinen Rauch. Aber daß sie so weit verallgemeinert worden sind, wie es die Literatur über die Konzentrationslager glaubhaft zu machen versucht, und dies im Rahmen eines nachträglich aufgebauten Systems, ist bestimmt falsch. Alle Kavallerieoffiziere in unseren Kolonien sind im Besitz einer Reitpeitsche, von der sie nach ihrer persönlichen Auffassung vom militärischen Auftreten und je nach dem Temperament ihres Pferdes Gebrauch machen dürfen: die meisten bedienen sich ihrer auch, um die Eingeborenen der Länder zu schlagen, in denen sie tätig sind. So kann es auch sein, daß gewisse Lagerleitungen die für einen ganz anderen Zweck bestimmten Gaskammern zum Vergasen benutzten.“94 Rassiniers Strategie der Argumentation war dabei stets einförmig – Erkenntnisse Kogons wertete er stets als Behauptungen aufgrund mangelhafter Quellenbasis95, während er seiner Auffassung entsprechende Überlieferungen als beweiskräftig ansah.96 Als Grundmotivation derjenigen, die nach Rassiniers Auffassung den Massenmord erfunden hatten, unterstellte er zunächst ein „unbestreitbares Parteiinteresse“97 der Kommunisten: „Wenn sie die öffentliche Meinung auf die Lager Hitlers ablenkten, brächten sie die russischen Lager bei ihr in Vergessenheit.“98 Allerdings wäre es auch Rassinier schwer gefallen, bei Eugen Kogon kommunistische Überzeugungen festzustellen. Bei ihm und anderen Nichtkommunisten vermutete er Opportunität aufgrund einer befürchteten sowjetischen Herrschaft über Europa, das Abtragen von „Dankesschuld“ und schließlich finanzielle Interessen.99 Kogon selbst habe seine Dienste zunächst der Sowjetunion angeboten und sei dann zu den USA umgeschwenkt, weil sich dort mehr Geld verdienen ließe: „Es genügt zu erfahren, daß der bedürftige

93 Ebenda, S. 20. 94 Ebenda, S. 22. 95 Hierbei überhöhte er oft auch die Aussagen Kogons, die durch ein so verfälschtes Zitat leicht zu widerlegen waren, vgl. ebenda, S. 190: „Aber nichts beweist unwiderlegbar, daß die gesamten Arbeitsunfähigen […] in die Gaskammern geschickt wurden.“ Gleichermaßen geht er bezüglich Miklós Nyiszli vor, indem er dessen quantitative Schilderungen von einzelnen Vergasungen auf die Jahre 1939 bis 1945 hochrechnet und daraus schlicht, nach Nyiszli hätten allein in Auschwitz-Birkenau 45 Millionen Menschen getötet werden müssen, vgl. ebenda S. 16-17. 96 Beispielhaft: Während Rassinier die Aussage des jüdischen KZ-Inhaftierten Janda Weiß als Einzelschilderung eines unzuverlässigen Augenzeugen verwirft, hält er die „Erfahrung der einstigen Frontkämpfer“ für beweiskräftig genug, vgl. ebenda S. 189 und S. 138. 97 Ebenda, S. 237. 98 Ebenda. 99 Ebenda, S. 238. 21

Journalist aus Vorkriegszeiten heute Professor an einer Hochschule in Hessen ist. Dies erklärt alles und damit ist alles gesagt.“100 Durch seine sprachlichen Wechsel zwischen vorsichtiger Abwägung, direktem Angriff ad hominem und den steten Verweisen auf die akademisch-historische Bildung und das eigene Erleben schuf Rassinier eine der kritischen Betrachtung der Zeit gewachsene Argumentationslinie. Obwohl er den organisierten und befohlenen Völkermord leugnete, reklamierte er für sich eine ausgewogene Mittelposition zwischen dem „offiziellen“ und dem „neo-faschistischen“ Geschichtsbild:

„Meine Meinung über die Gaskammern? Es waren welche vorhanden, aber nicht so viele, wie angenommen wird. Vernichtungen vermöge dieses Mittels fanden auch statt, doch nicht so viele, wie gesagt wird. Die Zahl vermindert bestimmt nicht ihre Schreckensnatur, doch die Tatsache, daß es sich um eine Maßnahme handelt, die von einem Staat im Namen einer Philosophie oder Doktrin angeordnet wurde, würde diese Natur bedeutend erhöhen.“101 Rassiniers Motive, den planmäßigen Völkermord zu leugnen, sind bis heute unklar. Die Möglichkeit, dass er tatsächlich von der objektiven Wahrheit seiner artikulierten Meinung überzeugt war, ist zwar in Betracht zu ziehen, erklärt aber nicht den am Anfang stehenden Willen, sich dem Thema in Opposition zur Mehrheitsmeinung zu widmen. Seine Erfahrungen im KZ, wo die SS-Leute ihn besser behandelten als die kommunistischen Mithäftlinge102, dürften ebenso eine Rolle gespielt haben wie ein spezifischer Antisemitismus, der sich aus einer antikapitalistischen Logik und der Überzeugung entwickelte, das jüdische Finanzwesen sei zumindest mitschuldig am Zweiten Weltkrieg und damit an Rassiniers eigenem Schicksal.103 Hinzu kam wohl auch eine „Konkurrenz der Opfer“104 nach der Befreiung der Konzentrationslager, in der sich Rassinier benachteiligt fühlte.105

3.3 Wechselwirkungen: Die Annäherung Bardèches und Rassiniers Die beiden prominenten Protagonisten der frühen Leugnung bzw. Abschwächung des Völkermords handelten vor unterschiedlichen politischen, kulturellen und

100 Ebenda, S. 242. 101 Ebenda, S. 191. 102 Nach eigener Aussage wurde Rassinier kurz nach seiner Ankunft von einem Mithäftling geschlagen, weil er Ernst Thälmann nicht erkannt hatte. Dementgegen wurde er in Dora erst im Krankenlager und dann als Hilfskraft eines SS-Oberscharführers eingesetzt, Pfahl-Traughber, Apologeten, S. 80-81. 103 Fresco, Fabrication, S. 418-420. 104 Zum Gegensatz von jüdischen und politischen Häftlingen nach der Befreiung Chaumont, Konkurrenz, S. 28-37. 105 Der Ansatz, dass Rassinier ein „verstörter Mensch“ sei, der „sich eine Welt, die er seit der Deportation nach Buchenwald nicht mehr verstand, wieder verständlich“ machen wollte, wird von Baier, Französische Zustände, S. 97, nicht weiter belegt. 22 biographischen Hintergründen. Während Rassinier in seiner ersten Publikation „vor allem ein Zeuge“106 war, betätigte sich Bardèche aus einer externen Lage als Schreiber einer aus Rechtfertigungsdruck entstehenden Version der Geschichte des Massenmords in den Konzentrationslagern. Während Bardèche sich schnell einer größeren Zahl von neofaschistischen Unterstützern und Denkschulen gewiss sein konnte, war Rassinier als Sozialist ein Einzelfall. Dies führte dazu, dass er sich schrittweise der neofaschistischen und rechtsextremen Seite annäherte, deren „Versuchungen er nicht widerstehen konnte.“107 Maurice Bardèche nahm offenbar sehr schnell Notiz von der unerwarteten Hilfe des politischen Gegners Rassinier. Noch im Jahr des Erscheinens der „Lüge des Odysseus“ veröffentlichte Bardèche sein zweites den Völkermord leugnendes Buch „Nuremberg II ou les Faux-Monnayeurs“108, das sich in großen Teilen auf Rassiniers Aussagen und Thesen stützte.109 Die politische Herkunft seines Zeugen erwähnte Bardèche dabei nicht, obwohl sie seinen Aussagen mehr Gewicht hätte verleihen können. Seine Motivation für die Auslassung bleibt dabei unklar, allerdings ist es möglich, dass Bardèche seine Argumentation möglichst frei von real- und tagespolitischer Deutung halten wollte, um den Eindruck eines der Objektivität verpflichteten wissenschaftlichen Werkes zu erzeugen. Bardèche nutzte für seine Argumentation beide Teile von Rassiniers Werk, die Aussage eigenen Erlebens und auch die historiographische Abhandlung, ohne dabei die Unterschiede zwischen beiden Teilen erkennbar zu machen. Zwar erwähnte er die Zweiteilung des Werkes einleitend, betrachtete es dann aber dennoch als Einheit, die in den einzelnen Zitaten nicht ausdifferenziert wurde.110 Nachdem Bardèche Rassinier als kenntnisreichen Zeugen und Experten für das Funktionshäftlingswesen eingeführt hatte, ging er zum Hauptteil seines Werkes über, den er aber als eher zwangsläufigen Anhang zu verschleiern gedachte:

„Ich kann aber mit diesen Aussagen nicht schließen, ohne Rassiniers Meinung über einige weitere Dinge zur Kenntnis zu bringen, von denen man immer zu glauben beliebt, die Diskussion über sie sei ein für allemal geschlossen. Man wird sehen, daß die Dinge so einfach nicht liegen.“111

106 Igounet, Histoire, S. 33. 107 Ebenda, S. 35-36. 108 Bardèche, Faux. Im Folgenden wurde, falls nicht anders angegeben, die deutsche Erstausgabe herangezogen, vgl. Bardèche, Falschmünzer. 109 Insgesamt zitiert Bardèche Rassinier dort an 45 Stellen, während Eugen Kogon, dessen Werk Bardèche als hauptsächlich zu widerlegende Quelle bezeichnet, nur 25 Mal erwähnt wird. 110 Bardèche, Falschmünzer, S. 134-135. 111 Ebenda, S. 148. 23

Bardèches eigentliches Ziel, die Leugnung des planmäßigen Völkermordes in den Vernichtungslagern, wurde somit zu einem eher ungeplanten Anhang stilisiert, der nicht aufgrund einer persönlichen Agenda publiziert würde, sondern weil es die Suche nach der Wahrheit nötig mache. Dementsprechend machte sich Bardèche schon im ersten Satz des Buches nicht zum handelnden Subjekt, sondern zum Werkzeug des höheren Zwecks: „Dieses Buch haben die Umstände veranlaßt.“112 Im Folgenden reproduzierte Bardèche in erster Linie Rassiniers Auffassungen von der Nichtexistenz von zum Massenmord bestimmten Gaskammern sowie der Übertreibung der Opferzahlen. Darüber hinaus verwendete er das selbe argumentative Muster wie Rassinier, indem er Zeugenaussagen zu Konzentrationslagern, insbesondere Dachau, als allgemeingültig für alle Lager annahm: Wenn es in Dachau keine hochleistungsfähigen Verbrennungsöfen gab, konnte es auch kein Vernichtungslager sein – also seien die Vernichtungslager in ihrer Gesamtheit eine Lüge.113 Paul Rassinier äußerte sich erstmals im Jahr 1955 öffentlich über Bardèche. Im Vorwort der zweiten französischen Auflage der „Lüge des Odysseus“ erwähnte er die Rezeption der „Falschmünzer“ und ging in einer Fußnote auf Bardèche ein:

„Man hat mir gesagt, Maurice Bardèche stehe auf der äußersten Rechten und habe in zahlreichen anderen Fällen nicht den Beweis von derselben Sorge um Objektivität erbracht: das stimmt, und ich habe nie davon Abstand genommen, dies jedesmal zu sagen, wenn ich glaubte, dazu Anlaß zu haben. Aber dies ist weder ein Grund, sein Verdienst im vorliegenden Fall zu bestreiten, noch ihm die Anerkennung zu versagen.“114 Doch schon vor dieser Veröffentlichung hatte Rassinier schriftlich Kontakt zu Bardèche aufgenommen, der zu einem regelmäßigen Briefwechsel führte.115 Spätestens mit dem Ausschluss aus der SFIO aufgrund der „Lüge des Odysseus“ begann Rassinier, sich bewusst dem rechten Flügel anzunähern.116 Als der rechtsextreme „Club national des lecteurs“, zu dem auch Bardèche gehörte, bei Rassinier anfragte, ob dieser mit einer Neuauflage der „Lüge des Odysseus“ einverstanden war, sagte dieser sofort zu und

112 Ebenda, S. 7. 113 Ebenda, S. 157: „In Dachau sind vier Verbrennungsöfen vorhanden. Zwei sehr kleine wurden erbaut, um Leichen verstorbener Häftlinge einzuäschern. Der Dritte, von derselben Größe wie die vorhergehenden, wurde während des Krieges erstellt. Der Vierte, der erst bei Schluß der Feinseligkeiten beendet war, wurde von den Amerikanern vergrößert. Welche Kapazität haben diese Öfen, fragte ich einen Ehemaligen. „Es können täglich zwei Leichen verbrannt werden.“ Nun, sage ich erstaunt, um die Tausende von Leichen einzuäschern, die nach allem, was die Propaganda der demokratischen Länder erzählt, hier eingeäschert wurden, müßte es ja einer jahrzehntelangen ununterbrochenen Einäscherung bedurft haben?“ 114 Rassinier, Lüge, S. 13-14, Anm. 8. 115 Igounet, Histoire, S. 64. Der Briefwechsel ist nicht erhalten, Igounet stützt sich auf persönliche Gespräche mit Bardèche. 116 Ebenda, S. 65. 24 freundete sich mit dem Gründer Henry Coston an „aufgrund des ihnen gemeinen Nonkonformismus und trotz allem, was sie philosophisch trennte.“117 Spätestens 1958 war Rassinier so tief in der Gruppe der rechtsextremen Publizisten verwurzelt, dass er beim Begräbnis des Faschisten Pierre-Antoine Cousteau zusammen mit Bardèche, Coston und weiteren Mitgliedern des „Club“ den Trauerzug mit anführte.118

3.4 Die Rezeption der Idee in Deutschland Wie bereits erwähnt wurde Rassiniers „Lüge des Odysseus“ erst 1957 ins Deutsche übersetzt und über den Wiesbadener Verlag Karl-Heinz Priester herausgegeben. Die Schriften Maurice Bardèches erschienen dagegen mit meist nur kurzer Verzögerung auf dem deutschen Markt. „Nürnberg oder Das Gelobte Land“ wurde schon im auf die französische Erstveröffentlichung folgenden Jahr von dem in Zürich ansässigen Kreutler-Verlag herausgegeben und auch in Deutschland in den Handel gebracht. Die Übersetzung stammte von Hans Oehler, der allerdings unter dem Pseudonym Hans Rudolf arbeitete.119 Die erste Reise Bardèches nach Deutschland dauerte deutlich kürzer als ursprünglich geplant. Am 16. November 1950 sollte er auf Einladung der Europa-Union an der Hamburger Universität einen Vortrag zum Thema „Die Stellungnahme der französischen Kriegsgeneration zu Europa und Deutschland“ halten. Kurz vor der Veranstaltung entzog die Alliierte Hohe Kommission Bardèche das Einreisevisum, er musste noch am Tag des geplanten Vortrags nach Frankreich ausreisen.120 Zwar wurde die Entscheidung nicht öffentlich begründet, allerdings dürfte die Initiative von Seiten des französischen Hohen Kommissars André François-Poncet gekommen sein, da zu diesem Zeitpunkt zumindest die Veröffentlichung von „Nuremberg ou La Terre Promise“ in Frankreich bereits untersagt worden war.121 In deutschen Medien wurde Bardèche höchst unterschiedlich beurteilt. Während die Frankfurter Allgemeine in ihm einen Protagonisten der „letzten Zuckungen“ französischer Faschisten erhoffte122, sah ihn die Passauer Neue Presse als erfreulichen Gegner eines französischen Deutschenhasses, der „die Nürnberger Rechtsprechung gegen die deutschen ‚Kriegsverbrecher‘ kritisierte“ und dessen anschließende

117 Ebenda, S. 69. 118 Ebenda, S. 71. 119 Rees, Biographical Dictionary, S. 282. 120 Einreisevisum entzogen, in: Hamburger Abendblatt 16.11.1950, S. 3. 121 Igounet, Histoire, S. 45. 122 Paul Medina, Charles Maurras arbeitet wieder, in: FAZ 12. April 1953, S. 4. 25

Verurteilung „uns auf wenig demokratische Geistesfreiheit schließen“ ließe.123 Eine inhaltliche Auseinandersetzung fand allerdings nicht statt. Vielmehr wurde Bardèche zum Exponenten des Neofaschismus, dessen Namensnennung stellvertretend für ein ganzes politisches Phänomen verwendet wurde.124 Dementgegen fand Rassinier in Deutschland in den 1950er Jahren in der etablierten Presse kaum Beachtung. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung seiner Bücher in Deutschland nahm lediglich die rechtsextreme Publizistik Notiz von dem Autoren, den sie sofort als Kronzeugen annahm. In „Nation und Europa“, der „Deutschen Hochschullehrer-Zeitung“ und der „Deutschen Soldaten-Zeitung“ erschienen euphorische Rezensionen, im letztgenannten Medium wurde Rassinier in einem umfangreichen Interview Raum für seine Thesen zu den Gaskammern gewährt.125 In der rechtsextremen Presse wurde dabei aus dem Geschichtslehrer Rassinier rasch ein „großer französischer Historiker“126. Einer größeren deutschen Öffentlichkeit wurde Rassinier erst im Frühling 1960 bekannt, als er eine zweiwöchige Lesereise durch Deutschland unternahm. Der zu diesem Anlass gehaltene Vortrag erhielt den Titel „Historische Wahrheit oder politische Wahrheit“ und reproduzierte seine Thesen in noch größerer Deutlichkeit.127 Die Vorträge wurden zu einem großen Erfolg, zumindest die Veranstaltung in München war vor Beginn ausverkauft.128 In Hamburg wurde Rassinier von der Polizei untersagt, seinen Vortrag zu halten. Als sein Verleger Karl-Heinz Priester daraufhin begann, das Manuskript zu verlesen, wurde die Veranstaltung durch den Polizeipräsidenten aufgelöst.129 Über den Vorfall berichtete das Hamburger Abendblatt knapp und erläuterte: „Rassenier [sic] ist der Verfasser eines Buches, in dem er die KZ-Greuel als Propagandalüge hinzustellen versucht.“130 Somit schien dem Blatt Rassiniers Tätigkeit als Holocaustleugner die relevanteste Eigenschaft des Vortragenden zu sein, die sich von anderen antisemitischen Äußerungen und der Zusammenarbeit mit europäischen Neofaschisten abhob. Im Anschluss an diese Vortragsreise erließ das Bundesinnenministerium die Anordnung,

123 H.C. Franz, Quellen von Mißtrauen und Haß, in: Passauer Neue Presse 21. April 1952, S. 1-2. 124 Paul Hühnerfeld, Das Buch wird immer mehr zur Ware, in: Die Zeit 13. Oktober 1955, S. 7, Ein Feuer soll lodern, in: Der Spiegel 15. Juni 1955, S. 18. 125 Meyer, Verfälschte, S. 263. 126 Deutsche Soldaten-Zeitung Dezember 1959, zit. nach Meyer, Verfälschte, S. 263. 127 Zum genauen Inhalt und der rhetorischen Struktur des Vortrags Hahn, Rhetorik, S. 255-256. 128 Meyer, Verfälschte, S. 264. 129 Sprechverbot für Prof. Rassenier, in: Hamburger Abendblatt 26./27. März 1960, S. 4. 130 Ebenda. 26

Rassinier als „unerwünschten Ausländer“ am Betreten der Bundesrepublik zu hindern.131

4. Schreiben gegen das Gefühl der Deprivation: Hans Grimm Unter den deutschen Leugnern des Völkermordes war Hans Grimm der erste, der sich nach Kriegsende publizistisch betätigte.132 In Büchern, journalistischen Beiträgen und den Lippoldsberger Dichtertagen profilierte sich Grimm als führender Vertreter einer wieder aufstrebenden rechtskonservativen Intellektuellenbewegung in Westdeutschland.133 Grimm hatte nach einer durch den Burenkrieg unmöglich gewordenen Laufbahn als Überseekaufmann Staatswissenschaften studiert und sich nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg auf seine schriftstellerischen Ambitionen konzentriert. Sein begriffsbildender Roman „Volk ohne Raum“ fand erst mit der zunehmenden Popularisierung völkischer Ideen eine größere Zahl an Lesern und wurde bis 1932 zwischen 300.000 und 500.000 Mal verkauft.134 Sein Einfluss auf den öffentlichen Diskurs war so groß, dass Kurt Tucholsky ihm einen Artikel in der „Weltbühne“ widmete und das Werk die „Bibel des Deutschtums“ nannte.135 Obwohl Grimm, der den Nationalsozialismus schon 1932 begrüßt hatte, dem „Dritten Reich“ „gelegentlich die Konformität verweigerte“136 und der NSDAP nicht beitrat, profitierte er doch erheblich von der Machtübernahme. 1935 wurde er in den Präsidialrat der Reichsschrifttumskammer aufgenommen, „Volk ohne Raum“ wurde zwischen 1933 und 1940 jährlich neu aufgelegt. Nach Kriegsende geriet Grimm unmittelbar in finanzielle Schwierigkeiten. Seine bis 1945 erschienenen Schriften wurden indiziert, wodurch er innerhalb kürzester Zeit jegliches regelmäßige Einkommen verlor.137 Für den mittlerweile 70-jährigen Mann, der nach eigener Aussage zwischen 1928 und 1945 eine Dreiviertelmillion Mark Steuern bezahlt hatte138, wirkte die deutsche Niederlage also neben der Zerstörung seines deutschnationalen Weltbildes auch wirtschaftlich in besonderem Maße auf einen

131 Einreise für französischen Journalisten verweigert, in: FAZ 20. Dezember 1963, S. 8. 132 Mayer, Verfälschte, S. 152. 133 Gümbel, „Volk ohne Raum“, S. 302. 134 Mayer, Verfälschte, S. 155. Mayer entnimmt die Zahl 500.000 der rechtsextremen Zeitschrift „Nation Europa“ von 1959, zeitgenössische und unabhängigere Autoren sprechen von 300.000 Exemplaren, so Danton, Grimm, S. 34. Danton scheint allerdings ausschließlich von der Auflagenangabe des Verlags Langen & Müller auszugehen und berücksichtigt die Veröffentlichung in anderen Verlagen nicht. 135 Ignaz Wrobel (d.i. Kurt Tucholsky): Grimms Märchen, in: Die Weltbühne 36 1928, S. 353. 136 Mayer, Verfälschte, S. 156. 137 Gümbel, „Volk ohne Raum“, S. 253-254. 138 Grimm, Rückblick, S. 36. 27

Eindruck sozialer und wirtschaftlicher Deprivation hin.139 In dieser Lage nahm Hans Grimm seine Schreibtätigkeit wieder auf, widmete sich nun aber nicht mehr der Fiktion sondern der Aufarbeitung des „Dritten Reiches“, die in seinem Fall mit einer umfangreichen Apologie gleichzusetzen war. Seine ersten Artikel erschienen in der in Buenos Aires ansässigen deutschen Emigrantenzeitschrift „Der Weg“ ab 1947, Publikationen in Deutschland blieben bis zur Gründung der Bundesrepublik verboten.140 Doch auch 1945 betätigte sich Grimm schriftstellerisch. Seine als Antwort an den Erzbischof von Canterbury konzipierte „Erzbischofschrift“ erschien allerdings erst im Jahr 1950. Sie fand aber dennoch, wohl auch aufgrund des durch Alliierte Kontrolle entstandenen rechtsextremen Publikationsvakuums, in entsprechenden Kreisen große Resonanz.

4.1 „Erzbischofschrift“ und „Warum – woher – aber wohin?“ Am 29. November 1945 hielt der Erzbischof von Canterbury, Geoffrey Fisher, in London eine Rundfunkansprache „an das deutsche Volk“141, die in den Folgetagen auch in deutschen Tageszeitungen abgedruckt wurde. Der Ton der Rede war versöhnlich, Fisher rief die Deutschen dazu auf, gemeinsam mit Briten und „anderen Völkern […] ein neues Kapitel der Geschichte zu schreiben.“142 Er erkannte das gegenwärtige Leid Nachkriegsdeutschlands an und wünschte „den Tag […], da Deutschland wieder in die Gemeinschaft der Völker aufgenommen werden“143 könne. Für eine bessere Zukunft sei es nun vonnöten, eine Entscheidung darüber zu treffen, „worauf Ihr in Zukunft Euren Glauben gründen wollt.“144 Wenige Monate nach dem Ende des Krieges in Europa und bevor eine umfassende Planung der Gestalt des zukünftigen deutschen Staates absehbar war, beinhaltete diese Rede also das Angebot zur Versöhnung mit einem sich zukünftig zum Frieden bekennenden Deutschland. Eine öffentliche Reaktion auf die Rede im besetzten Deutschland fand, abgesehen von zwei offenen Briefen der Evangelischen Kirche in Deutschland145, nicht statt.

139 Mayer, Verfälschte, S. 156. 140 Katrin Sello: Der abgebrochene Anfang, in: Die Zeit 12. September 1975, S. 40. 141 Groschat, Schuld, S. 126-127. 142 Ebenda, S. 126. 143 Ebenda, S. 126-127. 144 Ebenda, S. 127. 145 Ebenda, S. 128-131. 28

Im Gegensatz zur geringen öffentlichen Beachtung fühlte sich Hans Grimm von der Rede offenbar persönlich als Patriot angegriffen146 und begann, eine Antwort an den Erzbischof zu formulieren, die er im April 1946 fertigstellte.147 Nach eigener Aussage schickte er die nicht übersetzte Schrift im Anschluss an den Erzbischof und erhielt im September eine Empfangsbestätigung, darüber hinaus allerdings keine weitere Antwort.148 Als Begründung dafür, ein vier Jahre altes und unbeachtet gebliebenes Schriftstück 1950 in Buchform zu veröffentlichen, gab Grimm die zahlreichen Bitten von „vielen unruhigen Deutschen“ an, die „die Schrift in und außer meinem Hause“149 gelesen und die Veröffentlichung und Übersetzung ins Englische gefordert hätten. Ähnlich wie Maurice Bardèche stellte sich Grimm also seinem Leser nicht als Autor mit einem Leitmotiv da, sondern als ein aus extrinsischer Motivation handelnder Vertreter der Wahrheit. Das Buch wurde zeitgleich im rechtsextremen Plesse-Verlag in Göttingen sowie dem Dürer-Verlag Buenos Aires veröffentlicht.150 Grimm stellte die Geschichte des „Dritten Reiches“ als eine teleologische Zwangsläufigkeit aus 70 Jahren europäischer Entwicklung dar, die ihren Ausgang im englischen Willen gehabt habe, die konkurrierende Großmacht Deutschland zu vernichten.151 Nach dem Ersten Weltkrieg sei das deutsche Volk wiederum konstant von außen bedroht gewesen, von Westen durch den „Ruhreinbruch der Franzosen“, von Osten durch die „Zeit der ständigen Drohung der Poleneinfälle.“152 Der Nationalsozialismus habe zunächst als „Unteroffiziersbewegung“ begonnen und sei aufgrund der Gefährdung von außen schließlich „in die Macht getragen“ worden.153 Grimm erwähnte auch „die Abneigung gegen das Judentum“ und „ihre schauerlichen Folgen“154, ohne diese weiter zu präzisieren. Diese Ablehnung habe ihren Grund im massenhaften Zuzug osteuropäischer Juden aus Osteuropa gehabt, die „zum Teil durch Fleiß, zum Teil durch eine neue Skrupellosigkeit, zum Teil durch rascheres Denken gute Geschäfte“ gemacht und damit das deutsche Volk verdrängt hätten, aber „im Hirn und Herzen doch Fremde“ blieben.155 Die Reaktion auf diese Einwanderung nannte

146 Grimm, Erzbischofschrift, S. 10: „Ich las die Anrede mit brennenden Augen viele Male.“ 147 Ebenda, S. 11. 148 Ebenda, S. 12. 149 Ebenda. 150 Kommentiert: „Antwort eines Deutschen“, in: DUZ 5 1950 Nr. 10, S. 7. 151 Grimm macht dies an drei Aufsätzen fest, die in 1895 und 1896 in der Londoner Wochenzeitung „Saturday Review“ erschienen waren, vgl. Grimm, Erzbischofschrift, S. 15-18. 152 Ebenda, S. 29. 153 Ebenda, S. 31. 154 Ebenda, S. 32. 155 Ebenda. 29

Grimm zwar, im Gegensatz zur Judenfeindschaft vor Ende des Ersten Weltkriegs, „üblen Antisemitismus“, dieser sei aber weniger verantwortlich für die Verfolgungen im „Dritten Reich“ als „der jüdische hohnvolle Spaltpilz […]. In dieser Zeit wurden die Juden […] die ärgsten inneren Vernichter der Demokratie und Toleranz in der Deutschen Republik.“156 Nur an wenigen Stellen erwähnte Grimm die gewalttätige Verfolgung der Juden im „Dritten Reich“. Ausführlich ging er auf die vier Verbrechen ein, die er als Hauptvorwürfe gegen das deutsche Volk wahrnahm: Der Angriff auf Polen, der Angriff auf England, Verschleppung und Zwangsarbeit und der Überfall auf Russland.157 Den Völkermord zählte er hingegen nicht dazu. Zwar habe Grimm von den „berichteten, angegebenen grauenhaften Massenschlächtereien […] stockenden Atems“ nach Kriegsende erfahren, jedoch habe er „den Zweifel an den Zahlen der ‚Zeitungen‘ behalten“158. Grimm relativierte die Verbrechen an den europäischen Juden noch auf zwei weitere Weisen: Indem er sie konsequent als das „große Totschlagen“ benannte, also die Existenz von Gaskammern und Vernichtungslagern ausblendete, und indem er das deutsche Handeln in die Tradition des biblischen Judentums und gleichzeitig auch des Kampfes um Lebensraum stellte.159 Grimm leugnete zwar nicht die Judenverfolgung, wurde aber bei jedem Hinweis auf einen geplanten Völkermord unpräzise und verknüpfte Berichte darüber mit dem Vorwurf einer übermächtigen Propaganda der Siegermächte:

„Ich verstehe nun wohl, daß Juden bewußt und unbewußt rächten und zu rächen versuchen, was ungeschützten Rassegenossen zwischen 1938 und 1945 angetan sein mag. Ich fühle mit, daß das, was der Gesamtheit der Judenschaft in Deutschland durch Hitler-Propaganda nachgesagt wurde, viele Juden als Seelentotschlag traf und manche jüdische Seele, die an Deutschland gehangen hatte, sterben ließ. [...] Ich verstehe viertens den Weg, den die politische Propaganda des Auslandes verbissen dahinrollt und den sie wohl für den ‚hygienisch‘ besten hält, wo mögliche Zweifel ihrer eigenen Völker zu drohen beginnen. […] Welche Möglichkeit der Abwehr hat aber der Besiegte gegenüber dem Riesen- Ausmaße der Weltpropaganda-Maschine?“160 Ohne es offen auszudrücken, zog Grimm an dieser Stelle eine historiographische Grenze zwischen dem von ihm zugestandenen jüdischen Leid und dem, was seiner

156 Ebenda. 157 Ebenda, S. 47-52. 158 Ebenda, S. 54. 159 Hierzu zitiert er das 5. Buch Mose, Kap. 20 Vers 13, in dem zur Tötung aller Männer aufgerufen wird „in den Städten dieser Völker, die Dir der Herr, Dein Gott, zum Erbe geben wird“, zit. nach Grimm, Erzbischofschrift, S. 54. 160 Ebenda, S. 66, Sperrung im Original. 30

Meinung nach ab 1945 daraus konstruiert wurde. Die Berichte über den planmäßigen Völkermord sowie die Opferzahlen wurden zu Versuchen einer jüdischen Rache an den Deutschen und einem Mittel der Siegermächte, ihre Bevölkerung von der moralischen Überlegenheit den Deutschen gegenüber zu überzeugen. In den drei zwischen 1947 und 1950 verfassten Folgebriefen an Fisher, die ebenfalls in die „Erzbischofschrift“ aufgenommen wurden, erwähnte Grimm den Genozid überhaupt nicht mehr. Stattdessen führte er eine Vielzahl an Statistiken über deutsche Opfer der Siegermächte nach Kriegsende heran, die vertrieben, vergewaltigt oder getötet worden waren.161 Wohl durch die Anerkennung des Buches in rechtsextremen Kreisen bestärkt162, verschärfte Grimm im Jahr 1954 den Ton bezüglich des Völkermords deutlich. Mit der Gründung des eigenen Klosterhaus-Verlages war er zudem unabhängig von externen Bedingungen geworden, die seine Schriften hätten beeinflussen können.163 In „Warum – woher – aber wohin?“ wählte Grimm die Form von 34 Briefen an seine Kinder, die thematisch gegliedert waren und von denen sich der 16. Brief ausschließlich mit der „Judenfrage und de[m] Nationalsozialismus“164 beschäftigte. Darin griff er Eugen Kogon und sein Buch „Der SS-Staat“ an, das sich „auf zweifelhafte kommunistische Zeugen“ stütze und in seiner „Ganzheit nie mehr nachgeprüft werden“165 könne. Unzweifelhaft war Grimm zufolge, dass die Alliierten eine „Deutsche Schuld“ dringend benötigten, denn wenn sie fehle, „wäre dann nicht der Mann Hitler in einem ganz anderen Lichte schon heute zu sehen, nämlich als der geschichtlich ahnungsvollste Warner unter den Europäern und den weißen Männern seiner Zeit.“166 Aufgrund dieser Motivation hätten die Siegermächte mit der Fälschung des Ausmaßes der

161 Beispielhaft: „Die Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit in Berlin gab am 20. Februar 1949 Unterlagen bekannt, nach denen mindestens 130 000 Menschen seit 1945 in den Konzentrationslägern der sowjetischen Besatzungszone zu Tode gehungert und 25 000 Häftlinge aus den Lagern und 70 000 aus den Gefängnissen der NKWD in die Arbeitslager innerhalb der Sowjetunion aus Deutschland heraus verschickt wurden. – In seinem Buche „German Realities“ gibt der in den USA verstorbene Staatswissenschaftler Dr. Gustav Stolper 6 Millionen Deutsche als seit der Kapitulation spurlos verschwunden an“, ebenda S. 143-144. Grimm entnimmt diese Zahl dem Werk Stolpers korrekt, führt aber nicht den vollständigen Wortlaut an: „The rest, roughly 6 million, is unaccounted for. The figure is about equal to the maximum estimate of Jews exterminated by the Nazis”, Stolper, Realities, S. 26. 162 Hans Grimm: Offener Brief an den Herausgeber der Zeitschrift „Der Weg“ in Buenos Aires, in: Der Weg 10 1957 Nr. 7/8, S. 390-391. 163 Meyer, Verfälschte, S. 163 sieht darin eine „Emanzipation“ von „den Auflagen des Literaturbetriebes“. Dementgegen ist anzunehmen, dass Grimms erster Nachkriegsverleger, der Plesse- Verlag Göttingen, keine Einwände gegen rechtsextreme Äußerungen gehabt haben dürfte, vgl. Tauber, Beyond, S. 615 und Busch, NS-Autoren, S. 124 Anm. 213. 164 Grimm, Warum, S. 195-203. 165 Ebenda, S. 197. 166 Ebenda. 31

Judenverfolgung begonnen, und das unterdrückte deutsche Volk habe diese Propaganda als Wahrheit angenommen:

„Und gehört nicht zu diesen Falschzeugnissen auch das bedenkenlose Nachschwatzen der furchtbaren Zahl der seit dem Herbst 1938 einzeln und ab 1942 angeblich systematisch ermordeten Juden? Als wenn nicht in dem entsetzlichen menschlichen Schuldbuch eine wirkliche Ziffer vollkommen genügte, als wenn noch ungeheuerliche Übertreibung nötig wäre, bei der dann sechs Millionen Juden […] von Hitler und vom deutschen Volk […] umgebracht genannt werden, und zwar ohne Überlegung der physischen Möglichkeit und ohne Bemühungen um nachrechenbare Zahlen?“167 Grimm wandte sich damit gegen zwei Merkmale des Völkermordes an den Juden: das Charakteristikum des systematischen Massenmords sowie des Ausmaßes der Opferzahlen. Wo er eine Verfolgung von Juden zugestand, nannte er sie „ungeheuerlichen menschlichen Irregang“ und „moralischen Frevel“168, verkleinerte die Dimension aber so weit, dass sie im Gesamtkontext irrelevant erscheinen musste.169 Diesen sah Grimm in einem von den Juden erklärten Weltkrieg gegen Deutschland170, in dessen Verlauf die „Phosphorbomben und –regen auf fast alle schlafenden friedlichen deutschen Städte oder die […] aus den deutschen Ostgebieten Europas herausgerissenen Deutschen und ihre Millionen von Toten und […] hunderttausende nicht nur im Osten vergewaltigte Frauen“171 schwerer wiegen müssten als die jüdischen Opfer, die aus Grimms Sicht Kriegsgefallene waren. Dieses Weltbild verteidigte der Autor in allen Kapiteln kohärent, so dass er in seinen Ausführungen zur Spätphase des Zweiten Weltkrieges im 29. Kapitel schließlich schrieb, dass Deutschland „das unfaßbare Geschehnis von Dresden, das jede sinnlose Grausamkeit übersteigt, die von weißen Menschen je ausgeheckt wurde“, erlebt habe.172 Ohne es noch einmal ausdrücklich zu betonen, leugnete Grimm damit das Ausmaß des Völkermordes an den Juden und rechtfertigte jedes jüdische Opfer mit der Sinnhaftigkeit des von ihm angenommenen jüdisch-deutschen Krieges.

167 Ebenda, S. 198, Sperrung im Original. 168 Ebenda, S. 199. 169 „Es hat bis zum Kriege zwischen 500.000 und 600.000 Juden in Deutschland gegeben. Wenn ihrer 60.000 umgebracht worden wären, bliebe das eine fürchterliche Zahl“, ebenda, S. 199. 170 Ebenda, S. 187-188. Er greift damit ein gängiges Element rechtsextremer Argumentation auf, nachdem Chaim Weizmann 1939 den Deutschen den Krieg erklärt habe, vgl. Meyer, Verfälschte, S. 165-166. 171 Grimm, Warum, S. 199. 172 Ebenda, S. 460. 32

4.2 Die Rezeption der Leugnungsversuche Grimms In dem ersten Jahren der Bundesrepublik ereilte Hans Grimm das Schicksal vieler Autoren: Er wurde auf sein erfolgreichstes Werk reduziert. Kaum ein Artikel zu ihm kam ohne die eingeklammerte Erläuterung „(Volk ohne Raum)“ aus.173 Jede Beschäftigung mit neuen Werken des Autors fand daher vor dem Hintergrund seiner ideologischen Bodenbereitung für den Nationalsozialismus statt. In einer ersten Rezension der Erzbischofschrift fokussierte sich Christian Lewalter auf Grimms Verhältnis zu England und seinen „Streit wider die Windmühlen der Kollektivschuldthese.“174 Die „Deutsche Universitätszeitung“ urteilte über die „Erzbischofschrift“, mit „solcher aus bedenkenloser Geschichtsverdrehung erwachsenen Fehldeutung der jüngsten deutschen Vergangenheit“ verliere Grimm jeden Anspruch, „als rechtschaffener Gesprächspartner über die Probleme unserer Gegenwart und Zukunft anerkannt zu werden“175, Erich Kuby zählte sie „ohne Zweifel zum Niedrigsten und Schmutzigsten […], was deutscher Ungeist hervorgebracht hat“176 und Guenter Scholz sah gar „das schändlichste Dokument seniler politischer Starrköpfigkeit.“177 Fritz Bayer warf Grimm vor, angesichts dessen, was in Auschwitz geschehen sei, nicht als Deutscher zu erröten.178 Die „Deutsche Universitätszeitung“ wandte sich scharf gegen die „Bagatellisierung von Verbrechen, wie sie zum Beispiel in den Vernichtungslagern geschehen sind“ und forderte eine „eindeutige Stellungnahme gegen Grimms Thesen, die von Wahrheit und Anstand gleichweit entfernt sind.“179 Jedoch ergab sich, durch Leserbriefe artikuliert, eine Trennung zwischen der medialen Meinung und jener von Lesern Grimms, die das Buch „für einen mutigen Versuch zur Wiederherstellung der deutschen Ehre“180 hielten und behaupteten, dass Angriffe auf Menschen wie Grimm, „die Rückgrat bewahrt haben, […] höchstens das Gegenteil“ erreichen würden.181

173 Exemplarisch: Aufmarsch der Parteien zur Wahl, in: Die Zeit 27. August 1953, S. 1; Der Spiegel 26. August 1953, S. 48. 174 Christian Lewalter: Demagoge Hans Grimm, in: Die Zeit 20. Juli 1950, S. 3. Dort hatte der Einspruch anderer Messeteilnehmer dazu geführt, dass der Plesse-Verlag seinen Stand abbauen musste. Grimm wurde in einer Reihe mit Alfred Rosenberg, Maurice Bardèche und Paul Hausser genannt. 175 Kommentiert: „Antwort eines Deutschen“, in: Deutsche Universitätszeitung 5 1950 Nr. 10 S. 7. 176 Erich Kuby: Rückgefühle eines Deutschen, in: Frankfurter Hefte 5 1950, S. 806. 177 Guenter Scholz: Der Alte vom Lippoldsberg, in: Besinnung 7 1952, S. 108. 178 Fritz Bayer: Charakter oder Starrsinn?, in: FAZ 19. August 1950, S. 2. 179 Kommentiert: „Antwort eines Deutschen“, in: Deutsche Universitätszeitung 5 1950 Nr. 10 S. 7. 180 Leserbrief Thekla Lehnert, in: Deutsche Universitätszeitung 5 1950 Nr. 12, S. 6. 181 Leserbrief, in: Das literarische Deutschland 2 1951 Nr. 6, S. 5, zit. nach Sarkowicz, Zwischen Sympathie, S. 126. 33

Während die „Erzbischofschrift“ in der Bundesrepublik mit 100.000 innerhalb kurzer Zeit verkauften Exemplaren ein von Justiz und Politik unbehelligter Erfolg werden konnte,182 wurde das Werk in Österreich 1951 vom Alliierten Militärrat verboten.183 In einem offenen Brief an den österreichischen Bundespräsidenten vermutete Grimm daraufhin, dass „Bolschewismus – Kommunismus, und der genannte gewisse Teil amerikanischer Judenschaft dieses einzigartige Verbot“ bewirkt hätten.184 Nach der Veröffentlichung von „Warum – woher – aber wohin?“ löste sich das Bild des Autors Hans Grimm vollständig von seinen literarischen Erfolgen vor 1933. In einem Bericht zur Frankfurter Buchmesse wurde er nicht mehr als Schöpfer bekannter Romane, sondern nur noch als Teil neonazistischer Kreise erwähnt.185 Dementsprechend wurde das Werk von den etablierten Medien überhaupt nicht mehr rezensiert. Trotz des wiederum großen Erfolges186 verlor Grimm seinen Status als kontroverser, aber beachtenswerter Autor, Vorträge und Reden wurden regelmäßig von den örtlichen Behörden verboten oder abgebrochen.187 Bewunderung und Aufmerksamkeit erhielt er nur noch von Rechtsextremen, die in großer Zahl seine Dichtertreffen besuchten188 und ihn zu einem „Dreh- und Angelpunkt in der rechtsradikalen Szene der frühen Bundesrepublik“189 machten. Die Verehrung in neonazistischen Medien kannte kaum Grenzen, Grimm wurden akademische Würden zugeschrieben190 und die schulische Pflichtlektüre seiner Werke anstatt des „angebliche[n] Tagebuch[s] der Anne Frank“191 gefordert. Mit seinem Tod am 27. September 1959 kehrte der Name Hans Grimm nur kurz in

Nachrufen in die etablierten Medien zurück. Der SPIEGEL widmete ihm einen ganzseitigen Nachruf, der angesichts der gesellschaftlichen Isolation Grimms feststellte, „aus seinem ‚Volk ohne Raum‘ [sei] inzwischen ein Volk ohne Parkplatz geworden.“192 Die FAZ schrieb zu seinem Nachkriegswirken von „Kommentaren zur Tagespolitik, die

182 Gümbel, „Volk ohne Raum“, S. 272. 183 Ebenda. 184 Hans Grimm an den Bundespräsidenten Österreichs, 13. November 1951, zit. nach Gümbel, „Volk ohne Raum“, S. 273. 185 Paul Hühnerfeld: Das Buch wird immer mehr zur Ware, in: Die Zeit 13. Oktober 1955, S. 7. 186 In den ersten acht Monaten wurden in der Bundesrepublik 25.000 Exemplare verkauft, vgl. Gümbel, „Volk ohne Raum“, S. 273. 187 Eine Kundgebung mit Grimm verboten, in: FAZ 28. Oktober 1955, S. 4; Einmütig gegen Grimm- Reden, in: FAZ 9. November 1955, S. 4; Protest gegen eine Lesung Grimms, in: FAZ 10. März 1956, S. 3. 188 Ebenda, S. 309. 189 Ebenda, S. 276. 190 Meyer, Verfälschte, S. 169. 191 Ebenda, S. 168-169. 192 Nachruf Hans Grimm, in: Der Spiegel 7. Oktober 1959, S. 78. 34 man an seinem Grabe am besten vergißt.“193 Andere Zeitungen vermeldeten seinen Tod nur knapp in wenigen Zeilen194, ohne auf sein Wirken nach dem Krieg einzugehen. So blieb das Bild bestehen, das Karl Paetel in den USA 1957 gezeichnet hatte:

“One of the best prose writers of the pre-Hitler decade loses his stylistic power the very moment he yields to resentment, hatred, and bitterness. [...] An unquestionable talent breaks down in the face of reality, both as man and writer.”195

5. Die gescheiterten Entwürfe eines Strafrechtsparagraphen In zeitlichem, aber nur bedingt kausalem196 Zusammenhang zum antisemitischen Skandal um den DP-Bundestagesabgeordneten Wolfgang Hedler197 stellte die SPD- Fraktion dem zwei Gesetzentwürfe zu, das „Gesetz gegen die Feinde der Demokratie“ sowie das „Gesetz zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Strafrechtspflege“198. Während Letzteres frühzeitig an den juristischen Prinzipien des positiven Rechts199 scheiterte, wurde der Inhalt des „Gesetz[es] gegen die Feinde der Demokratie“ ausführlich diskutiert. Neben zahlreichen Paragraphen, welche die Funktion einer demokratischen Gesellschaft sichern sollten200, wurden auch Strafbewehrungen gegen den Angriff auf die kollektive und individuelle Menschenwürde zur Debatte gestellt. Insbesondere die Paragraphen 9 und 10 lasen sich „wie ein aktueller Kommentar zum Hedler-Freispruch“201, gingen aber über dessen Entgegnung noch hinaus. §9 sah eine Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten für jene vor, die eine „durch ihre Rasse, ihren Glauben oder ihre Weltanschauung gebildete Gruppe“ durch die Verletzung ihrer Menschenwürde angriffen202 und stellte damit eine Aktualisierung und Erweiterung von §130 StGB dar. § 10 hingegen stellte den Entwurf einer völlig neuen Rechtsnorm dar:

193 Nachruf Hans Grimm, in: FAZ 29. September 1959, S. 14. 194 Hans Grimm gestorben, in: Hamburger Abendblatt 28. September 1959, S. 5; Zeitmosaik, in: Die Zeit 2. Oktober 1959, S. 7. 195 Karl Paetel: Rezension Warum - woher - aber wohin? In: Books Abroad 31 1957, S. 179. 196 Der Reformvorschlag wurde innerhalb der SPD-Bundestagsfraktion schon vor Beginn des ersten Hedler-Prozesses diskutiert, vgl. Frei, Vergangenheitspolitik, S. 318 Anm. 36. 197 Zum „Fall Hedler“ Frei, Vergangenheitspolitik, S. 309-316. 198 Die Anträge wurden am 15. Februar 1950 eingebracht und am 16. März 1950 im Bundestag diskutiert. Zum „Gesetz zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Strafrechtspflege“, dass sich mit im „Dritten Reich“ gesprochenen Urteilen und deren nachträglicher Aufhebung befasste siehe Frei, Vergangenheitspolitik S. 319-320. 199 Ebenda. 200 Darunter beispielsweise die Bestrafung der Verletzung der territorialen Integrität des Geltungsbereiches des Grundgesetzes (§2), der Verhinderung von freien Wahlen (§5) und der Verhinderung von Parteienbildung (§7). 201 Frei, Vergangenheitspolitik, S. 319. 202 VDB 01/563, S. 3. 35

„(1) Wer durch eine Äußerung die Achtung vor den Menschen verletzt, die infolge ihres Widerstandes oder wegen ihrer Rasse, ihres Glaubens oder ihrer Weltanschauung unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft den Tod erlitten, wird mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft. (2) Ebenso wird bestraft, wer durch eine Äußerung die Verwerflichkeit des Völkermords oder der Rassenverfolgung leugnet oder in Zweifel zieht.“203 In Absatz 2 dieses Paragraphen tauchte somit erstmals der Begriff der „Leugnung“ im Strafrechtsdiskurs auf, allerdings bezog er sich ausdrücklich nicht auf die Leugnung der historischen Tatsache, sondern deren „Verwerflichkeit“. Gleichzeitig fasste Absatz 1 das Mittel der Strafbewehrung der Kollektivbeleidigung neu und hätte bei Verabschiedung sicher als Rechtsmittel gegen die Leugnung des Völkermords angeführt werden können – das Abstreiten des planmäßigen Massenmordes wäre sicherlich auch vor Gericht als eine Äußerung aufgefasst worden, welche die Achtung von aufgrund „ihrer Rasse, ihres Glaubens oder ihrer Weltanschauung“ ausgewählten Todesopfern verletzt. Bemerkenswert ist, dass der Paragraph ohne die sonst übliche Einschränkung auskam, nach der die Äußerung geeignet sein müsse, den öffentlichen Frieden zu stören. Strafbewehrt wären in diesem Fall also auch Gespräche zwischen zwei Individuen ohne weitere Verbreitung gewesen. Die Bundestagsdebatte zu diesem Gesetzentwurf wurde mit scharfem Ton geführt.204 Während der für die SPD sprechende Abgeordnete das Gesetz als Notwendigkeit darstellte, die Geschichte des Scheiterns der Weimarer Republik nicht zu wiederholen205, widersprach der BP-Abgeordnete Josef Baumgartner mehrmals, indem er der SPD antidemokratischen Sozialismus vorwarf und den Entwurf als „Maulkorb- Gesetz“ bezeichnete.206 Bundesjustizminister Dehler wandte sich gegen die Vorstellung, dass „Demokratie durch das Strafrecht geschaffen wird“207 und kündigte einen eigenen Gesetzentwurf an, der im Gegensatz zum SPD-Vorschlag kein „zeitbedingtes Sondergesetz“208 sei. Der DRP-Abgeordnete sah gar „Gesetzentwürfe, die eine verzweifelte Ähnlichkeit mit solchen vergangener Perioden

203 Ebenda, S. 4. 204 Bereits während der Aussprache zur Tagesordnung musste der Bundestagsvizepräsident Schäfer die Abgeordneten zur Ordnung rufen, VDB 16. März 1950, S. 1593. 205 Ebenda, S. 1593-1594, „Und dennoch sind insbesondere in letzter Zeit — und das wissen wir nach dem, was selbst im Bundestag in den letzten Wochen geschehen ist Symptome dafür vorhanden, daß gewisse politische Erscheinungen dieselben wie nach 1918 sind. […] Ich brauche nur auf den Gleichlauf in der Justiz nach 1918 und nach 1945 hinzuweisen. Ich brauche nur Urteile zu erwähnen, wie sie in den Prozessen gegen Petersen, gegen Hedler gefällt worden sind.“ 206 Ebenda, S. 1594. 207 Ebenda, S. 1597. 208 Ebenda. 36 haben!“209 So beleidigend diese Äußerung für die Antragsteller auch gewesen sein muss, sie fasste die Problematik des Vorhabens präzise zusammen: Um die freiheitliche Demokratie zu schützen, forderte die SPD eine Einschränkung der Redefreiheit. Georg Kiesinger beantragte für die CDU-Fraktion erfolgreich, die SPD-Vorlage an den Rechtsausschuss zu verweisen, wo sie gemeinsam mit dem zu erwartenden Regierungsentwurf beraten werden könne.210 In den auf die Debatte folgenden 15 Monaten bis zur Verabschiedung des Ersten Strafrechtsänderungsgesetzes wurde der SPD-Entwurf bis zur Unkenntlichkeit marginalisiert, obwohl Dehler behauptete, sich weitgehend auf die Vorlage zu stützen.211 Der ausdrücklich auf die Verächtlichmachung von NS-Opfern zielende §10 tauchte schon in der ersten Lesung im September 1950 nicht einmal mehr in abgewandelter oder abgeschwächter Form auf, während Staatsschutzparagraphen durch zu leistende „Freiheitsopfer“212 verschärft wurden.213 Der Regierungsentwurf des Strafrechtsänderungsgesetzes verzichtete auf ein Sondergesetz zugunsten der Opfer des Nationalsozialismus, brachte aber ein neues Element in § 130 StGB, der von nun an Volksverhetzung erfassen sollte, ein: Die verächtlich machende unwahre Tatsachenbehauptung. Der Entwurf sah eine Gefängnisstrafe von mindestens einem Monat für jeden vor, der „eine nicht erweisliche Tatsache behauptet oder verbreitet, die geeignet ist, eine solche Bevölkerungsgruppe verächtlich zu machen.“214 Die Wahrheitsfeststellung sollte in diesem Fall in einem durch öffentliche oder Privatklage eingeleiteten Verfahren erfolgen.215 Bei Inkrafttreten dieses Entwurfes wäre also nicht die Leugnung für sich alleine gestellt strafbar gewesen, die ihr logisch folgenden Implikationen einer jüdischen oder ausländischen Verschwörung zur moralischen Unterwerfung Deutschlands aber durchaus. Dem

209 Ebenda, S. 1609. 210 Ebenda, S. 1600. 211 Schroeder, Staat, S. 180 nennt dies ein „durchsichtige[s] Umarmungsmanöver“. Auch der SPD- Abgeordnete wies Dehlers Aussage zurück und nannte den Entwurf „eigentümlich“, VDB 12.9.1950, S. 3117. 212 So Justizminister Dehler in der Debatte zur ersten Lesung, ebenda, S. 3105. 213 Frei, Vergangenheitspolitik, S. 322. Zu beachten ist, das an der Formulierung des Strafrechtsänderungsgesetzentwurfes vom 4. September 1950 mit Josef Schafheutle maßgeblich ein Jurist beteiligt war, der im „Dritten Reich“ als Regierungsrat im Reichsjustizministerium in leitender Position an der Verschärfung des Strafrechts beteiligt gewesen war, Miquel, Ahnden, S. 61. 214 VDB 01/1307, S. 14. 215 Ebenda, S. 18. Die Begründung des Entwurfes ist im Hinblick auf die zu erwartenden Vorwürfe eines Maulkorbgesetzes bemerkenswert – das Gesetz solle zu „innerpolitischer Einigkeit und Verträglichkeit erziehen helfen [...]. Ein Volk, das wie das deutsche Volk noch nicht lange wieder in den Genuß politischer Freiheit gelangt ist, muß sich selbst politische Erziehungsmaßregeln auferlegen, um sich so auf dem Wege der Selbstzucht zu politischen Lebensformen heranzubilden, die von der Achtung des politischen Gegners und von der Idee der Toleranz getragen sind“, ebenda, S. 28. 37 entgegen stand das für den strafbaren Vorsatz notwendige Nichterweislichkeitsprinzip, nach dem der Antragsteller hätte beweisen müssen, dass der Beklagte von der objektiven Falschheit seiner Aussage wusste. Der Absatz war damit für die juristische Beurteilung kaum praktikabel.216 Der Entwurf wurde nach kurzer, allgemein gehaltener Debatte an den Rechtsausschuss verwiesen.217 Als er am 9. Juli 1951 in zweiter Lesung im Bundestag behandelt wurde, waren Änderungen oder Neufassungen von §130 nicht mehr vorgesehen. Die Frage der Strafbarkeit der Volksverhetzung war als weniger dringlich zurückgestellt worden, um die Staatsschutzbestimmungen, denen höhere Priorität zugemessen wurde, schneller bearbeiten zu können.218 Außer von der KPD, deren Vorsitzender der Bezeichnung der Debatte als der zweiten Beratung widersprach, weil die Vorlage mit dem ursprünglichen Entwurf nicht mehr viel gemein habe219, regte sich gegen diese Reduzierung keinerlei Widerspruch. Die Initiative zu einem neuen Volksverhetzungsparagraphen wurde damit so weit geschwächt, dass erst 1957 ein weiterer Entwurf diskutiert und 1960 der reformierte §130 StGB verabschiedet wurde.

6. Bei Kriegsende elf Jahre alt: Der Student Klaus Petri Am 20. November 1955 erschien im Nachrichtenblatt der Bonner Studentenschaft, das vom AStA herausgegeben wurde, ein Beitrag des 21-jährigen Bonner Jurastudenten Klaus Petri. Der Sohn des ehemaligen Wattenscheider Oberbürgermeisters Hans Petri hatte mit diesem Artikel auf den in der vorherigen Ausgabe erschienenen Artikel „Zehn Jahre danach“ von AStA-Mitglied Klaus Revermann reagiert, der die Frage gestellt hatte, welche Lehren die Studentengeneration von 1955 aus dem „Dritten Reich“ und seinem Zusammenbruch gezogen habe.220 Der ausdrücklich unredigiert erscheinende Beitrag sollte eine Diskussion eröffnen. Ausdrücklich betonte die Redaktion, dass namentlich gekennzeichnete Artikel nicht die Meinung des AStA darstellten.

216 Lömker, Abwertung, S. 25-26 sowie Paepcke, Antisemitismus, S. 143. 217 VDB 12.9.1950, S. 3121. 218 So die Begründung des CSU-Abgeordneten und Rechtsausschuss-Mitglieds Wilhelm Laforet: „Die eingehende Beratung hat jedoch gezeigt, daß es unmöglich ist, den gesamten Rechtsstoff in abschließender Beschlußfassung so rasch zu erledigen, wie es das unabweisbare Bedürfnis nach einer sofortigen Staatssicherung verlangt“, VDB 9. Juli 1951, S. 6297. 219 Ebenda, S. 6298. 220Klaus Revermann: Zehn Jahre danach. Leben wir für die Demokratie? Eine unpopuläre Betrachtung der bundesdeutschen Nachkriegsentwicklung, in: Nachrichtenblatt der Bonner Studentenschaft 7 1955 Nr. 8, S. 3. 38

6.1 „Eine Antwort an Herrn Revermann“ Petri verteidigte in seiner Leserzuschrift das „Dritte Reich“ und insbesondere . Ausgehend von Revermanns Bezeichnung der Machtübernahme als „Deutschlands politische Konkursmeldung“221 beschrieb er Hitler vielmehr als „neuen Direktor, der die Fa. zunächst einmal in die Höhe brachte“ und dem die Belegschaft „am 21.3. mit einwandfreier ⅔-Mehrheit Generalvollmachten erteilte“222. Petri äußerte weiter, die Konzentrationslager seien „als politische Maßnahme jedenfalls in der Anlage am Platze“223 gewesen. Um dem deutschen Volk zu helfen, habe „die ‚persönliche, individuelle Freiheit‘ einiger weniger untergeordnet werden“224 müssen, die dieses Ziel sonst durch „Versammlungen oder Journaille“ gefährdet hätten. Des Weiteren könne von einer deutschen Kriegsschuld nicht die Rede sein, da erstens Churchill einen „Kampf für das ‚Germaniam esse delendam‘“ geführt und zweitens Hitler nicht mehr als die anerkannt „lebensnotwendigen Änderungen des Versailler Diktats“ sowohl auf politischem Wege als auch mit „geballter Faust“225 gefordert habe. Allein dieses „diplomatische Ungeschick“ reiche aber nicht zur Verurteilung wegen dieses „Hauptkriegsverbrechen[s]“ aus.226 Vielmehr seien die „Widerständler, die zum Kriege trieben“ schuldig.227 Petri reproduzierte also in erster Linie die mittlerweile etablierten Argumentationsweisen der revisionistischen Rechtsextremen und fokussierte sich insbesondere auf die Frage der Kriegsschuld. Die Konzentrationslager bejahte er, beschränkte ihre Aufgabe aber ausschließlich auf die Internierung von politischen Gegnern des Nationalsozialismus – hierbei erwähnte er Tötungen, gleich ob von Oppositionellen, Juden oder anderen Volksgruppen, an keiner Stelle. Diese implizite Leugnung des Völkermords rief Widerstand hervor. Angehängt an Petris Beitrag äußerte sich der Pressereferent des AStA, Thomas Berendt, mit einer Entgegnung, die „einigen wenigen“ seien tatsächlich „nachweislich Millionen, die einen gräßlichen, ‚in der Anlage‘ vorbereiteten Tod starben.“228 Die Problematisierung der Leugnung nahm dabei einen großen Teil des Artikels ein, stand aber in einer Reihe mit

221 Ebenda, S. 4. 222 Klaus Petri: Eine Antwort an Herrn Revermann, in: Nachrichtenblatt der Bonner Studentenschaft 7 1955 Nr. 9, S. 1. 223 Ebenda. 224 Ebenda, S. 2. 225 Ebenda. 226 Ebenda. 227 Ebenda. 228 Thomas Behrendt: Lieber Herr Petri!, in: Nachrichtenblatt der Bonner Studentenschaft 7 1955 Nr. 9, S. 3. 39

Entgegnungen zu Erläuterungen zur nationalsozialistischen Arbeitsmarktpolitik und der Annexion der Tschechei.

6.2 Ein studentischer Skandal und die Veröffentlichungsfrage Der Veröffentlichung von Petris Artikel folgten zahlreiche institutionell, medial und regional ausdifferenzierte Reaktionen. Aufgrund der Veröffentlichung in der studentischen Zeitung dürften die ersten Diskussionen in studentischen Kreisen aufgekommen sein und dort für größere Konflikte gesorgt haben. In der Folgeausgabe des Nachrichtenblattes sah sich ein aus Siegen stammender Student namens Klaus Petry dazu veranlasst öffentlich festzustellen, dass er mit Petri nicht identisch sei.229 Innerhalb weniger Tage gingen zahlreiche Zuschriften von Studenten beim AStA ein, die sich größtenteils entschieden gegen Petri richteten, aber auch die Entscheidung des Blattes, den Beitrag zu veröffentlichen, verteidigten. Auch anonyme Drohungen gegen Petri wurden dem AStA zugesendet.230 Eine neue Stufe der Eskalation erreichte der Konflikt 28. November, als der Artikel in einem Repetitorium des Juridicums der Universität diskutiert wurde, an dem auch Georg Adenauer, der Sohn des Bundeskanzlers, teilnahm231, wodurch der Fall Petri eine politische Dimension annahm – zumindest zeigte sich öffentlich empört.232 Ab dem 29. November berichtete die überregionale Presse über den Fall, während die regionalen Zeitungen General-Anzeiger und Neue Rhein-Zeitung überhaupt nicht berichteten, worüber der AStA sein Missfallen ausdrückte.233 Die FAZ berichtete am 2. Dezember erstmals unter der Überschrift „Neonazistische Strömungen?“ über den Fall, beschränkte sich allerdings bei der Inhaltswiedergabe von Petris Artikel auf die Verherrlichung Hitlers und des Nationalsozialismus234 und ging auf die faktische Leugnung des Massenmordes nicht ein. Ein größerer Artikel beschäftigte sich am 6. Dezember mit der Frage, ob Petri überhaupt Platz im Nachrichtenblatt hätte eingeräumt werden sollen. Mit der kategorischen Bejahung

229 Notizen, in: Nachrichtenblatt der Bonner Studentenschaft 7 1955 Nr. 10, S. 6. Diese Klarstellung wurde auch in der FAZ veröffentlicht, vgl. Aus der Verbindung ausgeschlossen, in: FAZ 5. Dezember 1955, S. 4. 230 Leserstimmen, in: Nachrichtenblatt der Bonner Studentenschaft 7 1955 Nr. 11, S. 4. 231 Thomas Behrendt: Der Fall Petri, in: Nachrichtenblatt der Bonner Studentenschaft 7 1955 Nr. 10 , S. 7. 232 Neonazistische Strömungen? Erregung über den Artikel eines Studenten, in: FAZ 2. Dezember 1955, S. 3. 233 Thomas Behrendt: Der Fall Petri, in: Nachrichtenblatt der Bonner Studentenschaft 7 1955 Nr. 10 , S. 7. 234 Neonazistische Strömungen? Erregung über den Artikel eines Studenten, in: FAZ 2. Dezember 1955, S. 3. 40 beendete die FAZ die Diskussion235, die zuvor schon von studentischer Seite geführt worden war:

„Eines allerdings verstehen wir nicht: Daß man dem Allgemeinen Studentenausschuß einen Vorwurf daraus gemacht hat, daß er diese Aeußerung abdruckte. Was will man denn? Eine Krankheit ist erst zu heilen, wenn man ihre Symptome kennt. So zu tun, als sei sie nicht da, macht sie erst gefährlich.“236 Am 30. November stellte sich Klaus Petri einer zweieinhalbstündigen Diskussion im Studentenhaus, die vom AStA organisiert wurde und an der neben Studenten auch ein nicht näher identifizierter ausländischer Journalist teilnahm.237 Wohl überrascht von der Vehemenz der Reaktion widerrief der in der Diskussion alleine stehende Petri den Großteil seiner Aussagen und erklärte seine Aussagen zu den Konzentrationslagern mit Nichtwissen von der Judenvernichtung, was zu einer kurzfristigen Befriedung der Debatte führte. Schon am Folgetag allerdings erklärte Petri vor Beginn einer Vorführung eines französischen KZ-Films, mit den „in der Anlage richtigen“ Lagern habe er nur „kurzfristige Umerziehungslager für staatsfeindliche Elemente“ gemeint, was wiederum „mit Entrüstung quittiert“ wurde.238 Am 2. Dezember ließ Petri schließlich über den Dozenten des Repetitoriums einen Widerruf aushängen, in dem er seine Aussagen zurücknahm und bekanntgab, die Exmatrikulation beantragt zu haben.239

6.3 Institutionelle Reaktionen auf den „Fall Petri“ Am 1. Dezember, einen Tag nach der öffentlichen Debatte, bestellte der Rektor der Universität den AStA-Vorsitzenden Behrendt ein, missbilligte die Veröffentlichung des Artikels und erklärte, weitere Schritte der Universität nach Abschluss der polizeilichen Ermittlungen zu erörtern240, die durch die Anzeige eines Studenten in Gang gesetzt worden waren.241 Bereits am folgenden Tag erklärte der zuständige Kölner Staatsanwalt, dass weder eine Beschlagnahmung des Nachrichtenblattes noch weitere Ermittlungen gegen Petri

235 Stengel, Student, S. 27. 236 Von den Unbelehrbaren, in: FAZ 6. Dezember 1955, S. 2. 237 Thomas Behrendt: Der Fall Petri, in: Nachrichtenblatt der Bonner Studentenschaft 7 1955 Nr. 10 , S. 7. 238 Ebenda. 239 Stengel, Student, S. 27. Der Antrag auf Exmatrikulation ging tatsächlich am 2. Dezember bei der Universität Bonn ein, UA Bonn UV 069/440. 240 Neonazistische Strömungen? Erregung über den Artikel eines Studenten, in: FAZ 2. Dezember 1955, S. 3. 241 Thomas Behrendt: Der Fall Petri, in: Nachrichtenblatt der Bonner Studentenschaft 7 1955 Nr. 10 , S. 8. 41 möglich seien, da „der Artikel keine Staatsgefährdung darstelle […]. Es gebe keine gesetzliche Möglichkeit, die Glorifizierung des Nationalsozialismus strafrechtlich zu erfassen.“242 Mit dieser Verlautbarung sowie der freiwilligen Exmatrikulation Petris war der Fall keine die Universität betreffende Angelegenheit mehr, eine angekündigte Pressekonferenz fand nicht statt.243 So blieb die abschließende Aufarbeitung und Beendigung des Skandals den studentischen Kreisen vorbehalten. Die Arbeitsgemeinschaft der politischen Studentenverbände Bonn tagte am 20. Dezember und stellte in einer abschließenden Pressemitteilung fest, dass Petri „nicht einer von vielen“ sei, sondern dass sein Beitrag „unter den deutschen Studenten große Bestürzung und Empörung ausgelöst“ habe.244 Als Konsequenz aus der Kritik an der grundsätzlichen Veröffentlichung des Artikels wurde das „Nachrichtenblatt“ in „spuren“ umbenannt und der Verantwortlichkeit des AStA entzogen.245 Als deutlich folgenschwerer erwies sich der Umgang der Marburger Burschenschaft „Germania“ mit dem Mitglied Klaus Petri. Am 4. Dezember, also unmittelbar nach Beginn der überregionalen Berichterstattung, schlossen die 35 studentischen Mitglieder Petri „cum infamia“ aus und teilten diesen Beschluss in einem Rundbrief allen Mitgliedern mit.246 Unter den daraufhin im Burschenschaftshaus eingehenden Protestbriefen befand sich auch die Erwiderung des Rechtsanwaltes Wilhelm Heins, der den Völkermord noch deutlicher leugnete als Petri dies getan hatte:

„Die Aktivitas ist offenbar der Meinung, daß es einen Rechtsstaat erst seit 1945 wieder gibt. [...] Die Verbrennungsöfen der KZ waren zum Photographieren von den Amerikanern errichtete Attrappen, und die ebenfalls photographierten Leichenhügel stammten aus Dresden.“247 Unter der Leitung Heins beriefen die „Alten Herren“ einen außerordentlichen Bundeskonvent ein, auf dem sie mit ihrer Stimmenmehrheit den Ausschluss „cum infamia“ in einen einfachen Ausschluss umwandelten und danach fast die Hälfte der studentischen Burschenschaftsmitglieder ausschlossen248, da man sonst Gefahr laufe, „daß unser Bund eine Avantgarde der Neo-Demokratie wird.“249

242 „Keine Möglichkeit des Eingreifens“, in: FAZ 3. Dezember 1955, S. 2. 243 Pressemitteilung des AStA der Universität Bonn vom 10.12.1955, zit. nach Behrendt, Fall, S. 9. 244 „Petri nicht einer von vielen“, in: FAZ 21. Dezember 1955, S. 5. 245 Chronik Universität Bonn 1955/1956, S. 36. 246 Das Wort der alten Herren, in: Der Spiegel 21. August 1957, S. 30. 247 Ebenda. 248 Die Alten Herren blieben Sieger, in: Neue Gesellschaft 4 1957, S. 384. 249 Philipp Siedler an die Burschenschaft Germania, zit. nach Das Wort der alten Herren, in: Der Spiegel 21. August 1957, S. 30. 42

Der Fall Petri wurde damit zum Anlass einer politischen Standortbestimmung der Marburger Burschenschaft Germania, die den Fokus ihrer Loyalität zwischen Kaiserreich, „Drittem Reich“ und Bundesrepublik noch nicht abschließend festgelegt hatte. Durch den Ausschluss des überzeugt demokratischen Teils der Aktivitas wurde dieser überwiegend generationsbedingte Konflikt vertagt. In der DDR wurde der Fall als weiterer Beleg für die fortgesetzte faschistische Durchdringung der Bundesrepublik angesehen. In der Schlussphase des Skandals berichtete „Neues Deutschland“ unter der Überschrift „Bezeichnende Entscheidung“, dass der Fall zeige, „daß in Westdeutschland die Terrormethoden Hitlers wieder ungestraft propagiert werden können“ und dass die Staatsanwaltschaft „keinen Anlaß zum Einschreiten“250 gesehen habe. Gleichwohl diese Schilderung faktisch korrekt war, ließ sie doch die nichtjuristischen Konsequenzen für Klaus Petri außer Acht. Ähnlich berichteten Ruth und Max Seydewitz 1956 für den „Ausschuß für Deutsche Einheit“, um mit dem Fall „das Wiederaufleben dieser barbarischen Geisteshaltung, die ein Zwillingsbruder des preußisch-deutschen Militarismus ist“251 nachzuweisen.

7. Die rechtsextreme Presse der 1950er Jahre Nach dem Ende des Krieges und durch die folgenden strengen Kontrollen durch die Alliierten fiel der rechtsextremen Presse in der Bundesrepublik eine entscheidende Rolle in der Neuformierung der entsprechenden Netzwerke und Kreise zu. Zwar hatten sich die ersten dieser losen Nachkriegsbünde schon in den Kriegsgefangenenlagern gegründet, doch bewegten sie sich „zumeist im vorpolitischen Raum“252. Auch die in den drei Westsektoren gegründeten Parteien wie DRP und SRP konnten zwar anfangs in die Parlamente einziehen, wurden aber durch die Einführung des 5%-Quorums und des Parteiverbotes der SRP 1952 in eine „prekäre Randlage“253 gedrängt. Der zersplitterte rechtsextreme Flügel überlebte diese kritische Zeit durch die abseits der parlamentarischen Demokratie entstehenden Netzwerke, die „für die Tradierung radikalnationalistischer Inhalte sorgten.“254 Hierzu gehörten insbesondere verschiedene oft kurzlebige Pressepublikationen, die analog zur Uneinigkeit des politischen Lagers eine große Differenz in ideologischen und biographischen Hintergründen, Verlagsorten

250 Bezeichnende Entscheidung, in: Neues Deutschland 20. Dezember 1955, S. 2. 251 Seydewitz, Antisemitismus, S. 2. 252 Botsch, Extreme, S. 18. 253 Ebenda, S. 33. 254 Ebenda, S. 35. 43 und Motiven aufwiesen. Grundlage dieser Medien war der Kampf gegen die neuen bundesrepublikanischen Verhältnisse und die apologetische Beschäftigung mit dem „Dritten Reich“, die allerdings in ihre Radikalität große Unterschiede zeigte. Aufgrund dieser Heterogenität, die oft mit anonymen oder pseudonymen Herausgeber- und Urheberschaften einherging, ist eine umfassende Untersuchung im Rahmen dieser Arbeit nicht zu leisten.255 Im Folgenden sollen daher zwei der auflagenstärksten rechtsextremen deutschsprachigen Zeitschriften der 1950er Jahre auf ihre leugnenden Inhalte hin untersucht werden, „Der Weg“ und „Nation Europa“. In beiden Medien veröffentlichten Autoren nicht nur anonym oder pseudonym, so dass sich Netzwerke der rechtsextremen Publizistik nachvollziehen lassen.

7.1 Neonazismus aus Übersee: Die Emigrantenzeitung „Der Weg“ Für die nach Kriegsende wachsende Anzahl von deutschen Emigranten in Argentinien wurde die Monatszeitschrift „Der Weg – El Sendero“ zum einflussreichsten öffentlichen Organ.256 Zwar existierte mit dem „Argentinischen Tageblatt“ schon seit 1889 eine deutschsprachige Zeitung, jedoch vermochte sie aufgrund ihres offen liberaldemokratischen Profils nicht das Meinungsbild der Mehrzahl deutscher Emigranten abzubilden.257 Die ebenfalls täglich erscheinende konservative „Freie Presse“, die nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet und schnell von früheren NS- Propaganda-Fachleuten übernommen worden war258, erreichte zwar schnell eine verhältnismäßig hohe Auflage, konnte aber die „oftmals divergierenden nationalsozialistischen, faschistischen und konservativen Ideenkomplexe“ nicht vereinen. „Der Weg“ hingegen verstand sich von Beginn an als Organ „zum Austausch“259, das verschiedenen Autoren Platz einräumte und so der Heterogenität der Überzeugungen von Nationalsozialisten nach dem Krieg entsprach. Das äußere Erscheinungsbild und der inhaltliche Aufbau änderten sich in den zehn Jahrgängen häufig und unregelmäßig, durchgängig erhalten blieb lediglich der vom argentinischen

255 Eine Gesamtdarstellung zur rechtsextremen Presse in der frühen Bundesrepublik steht noch aus. Einen ersten Überblick schuf zeitnah (1961) Jenke, Verschwörung, S. 342-395. Mayer, Verfälschte, S. 238-257 beschränkt sich knapp auf Stichproben. 256 Meding, Weg, S. 38. 257 Ebenda, S. 37. 258 Hervorzuheben sind die Chefredakteure Carlos von Merck, ehemaliger Südamerika-Korrespondent des Völkischen Beobachters und Wilfred von Oven, zuvor Pressereferent von Joseph Goebbels, vgl. Meding, Weg, S. 37. 259 „Monatshefte zur Kulturpflege und zum Austausch“ lautete im ersten Jahrgang der Untertitel der Zeitschrift. 44

Presserecht vorgeschriebene spanischsprachige Artikel260, der meist nicht mehr als den Raum einer Seite einnahm und innerargentinische Themen behandelte. Obwohl die innere Gliederung der Zeitschrift stetigem Wandel unterworfen war, lassen sich Holger Meding zufolge drei Themenkomplexe unterscheiden: Der Bereich „Kultur“, die „Weltsicht“ und die „Weltanschauung“.261 Die „Weltsicht“ nahm in diesem Kategorisierungsmodell mit der Betrachtung des „Dritten Reiches“, des Zweiten Weltkrieges, Nachkriegsdeutschlands und dem Kalten Krieg den größten Raum ein. Ein in nahezu jeder Ausgabe wiederkehrendes Element dieser „Weltsicht“ war dabei der Umgang mit dem Völkermord, zu dem die Herausgeber des „Weg“ bis zur Einstellung des Blattes keine für das Medium kennzeichnende Haltung fanden. In unterschiedlichen Ausprägungen fanden sich im „Weg“ fünf Arten des Umgangs mit dem Holocaust: Die Anerkennung von Schuld, die Beschuldigung des Gegners, die Nichterwähnung, obwohl sie im Kontext angebracht gewesen wäre, die Rechtfertigung und die offene Leugnung.262 Während in den ersten Jahren des Erscheinens die Nichterwähnung dominierte und selten ein Schuldeingeständnis formuliert wurde263, verschärfte sich die vorwiegende Haltung in den 1950er Jahren zunehmend.

7.1.1 Leugnungen des Völkermordes in „Der Weg“ Die Mechanismen der Leugnung in „Der Weg“ sind in zwei Gruppen einzuteilen: Die Marginalisierung und Individualisierung von Tötungshandlungen, um die kennzeichnenden Elemente der staatlichen und planmäßigen Handlung zu negieren auf der einen, das ausdrückliche Abstreiten größerer Opferzahlen auf der anderen Seite. Zur ersten Gruppe gehörte auch die Nichtanerkennung der spezifischen Opferrolle der Juden – KZ-Häftlinge seien aufgrund ihrer kriminellen Handlungen interniert worden und nicht aufgrund ihrer Herkunft oder Religion.264 Unter diesen Häftlingen seien natürlich auch Juden gewesen, die Todesopfer allerdings unter den

260 Meding, Weg, S. 39. 261 Ebenda, S. 44-96. 262 Ebenda, S. 62. 263 Exemplarisch Johann Ludwig Graf Schwerin von Krosigk: Die letzten Tage der Reichsregierung, in: Der Weg – El Sendero 2 1948 Nr. 10, S. 709, in dem der Außenminister der Regierung Dönitz in für den „Weg“ einzigartiger Diktion von „KZ-Greueln“ spricht. 264 Diese Meinung wurde schon 1948 in einem anonymen Leserbrief vorgebracht: „Die weitaus meisten KZ-Leute waren Kriminelle, die auch in ein solches Lager gehörten und zum großen Teil schon nach kurzer Zeit wieder eingefangen sind“, Deutschlandstimmen (Leserbrief), in: Der Weg – El Sendero 2 1948 Nr. 1, S. 31. 45

„Volksgruppen“ gleichmäßig verteilt und nur auf einzelne Akteure in den Konzentrationslagern zurückzuführen.265 Ein erster in größerem Umfang angelegter Versuch der Relativierung und Leugnung von deutschen Verbrechen an Juden im „Weg“ erschien im Mai 1954266 in zwei Beiträgen. Egon Kayser267 setzte sich auf sieben Seiten mit der „Lüge vom Warschauer Ghetto-Pogrom“ auseinander. Seiner Ansicht nach sei das Ghetto ein Schutzraum der polnischen Juden gegen den christlich-polnischen Antisemitismus gewesen. Dieser sei durch jüdische Gewalttaten gegen Polen und den Unwillen der jüdischen Bevölkerung, sich dem allgemeinen Arbeitszwang zu beugen, soweit geschürt worden, dass eine eigene, autonome Siedlung notwendig geworden sei.268 Die dorthin umgesiedelte Bevölkerung habe aber die ihnen ermöglichte Gelegenheit nicht genutzt, sondern die zur Verfügung gestellten Produktionsmittel auf dem Schwarzmarkt verkauft und zur Aufstellung einer jüdischen Armee verwendet269, gegen die sich die deutschen Polizeigruppen hätten wehren müssen. Am Ende des Aufstandes seien in Kampfhandlungen etwa 56.000 Juden getötet und gefangen genommen worden, zudem seien 5.000 bei der nachfolgenden Sprengung des Ghettos gestorben.270 Das Schicksal der Gefangenen thematisierte Kayser nicht und schloss damit, die „Fabel vom ‚grausamen Abschlachten der armen jüdischen Märtyrer durch die Deutschen Bestien‘ sei“ widerlegt worden, schuld seien ausschließlich „die Juden selbst […] im Vertrauen auf ihre Waffen und die Hilfe ihrer Freunde im Ausland“271. Gleichermaßen offensichtlicher wie auch versteckter wurde der Völkermord in derselben Ausgabe von einer unter dem Pseudonym „Eva Peron Basil“272 schreibenden Person geleugnet. Zwar war der Titel des zweiseitigen Artikels überaus eindeutig, jedoch erschien er in der Rolle des obligatorischen spanischsprachigen Beitrags. Die Identität des Verfassers bzw. der Verfasserin ist ebenso unklar wie die Herkunft, über

265 Ebenda. 266 Die Ausgabe ist irrtümlich mit Nr. 9 angegeben, wie aus dem Errata-Einleger hervorgeht. 267 Es ist wahrscheinlich, dass es sich hierbei um ein Pseudonym handelt – ein Autor dieses Namens tritt ansonsten weder in „Der Weg“ noch den anderen hier untersuchten Organen auf und ist der herangezogenen Literatur nicht geläufig. 268 Egon Kayser: Die Lüge vom Warschauer Ghetto-Pogrom, in: Der Weg. Monatsschrift für Freiheit und Ordnung 8 1954 Nr. 5, S. 637. 269 Ebenda, S. 640, „Es kam schließlich zu ernsten Kämpfen […] bei denen die Juden Handfeuerwaffen, Maschinengewehre und Handgranaten verwendeten. […] Bald richteten die Juden mit Hilfe der Polen eigene Betriebe zur Herstellung von Sprengkapseln und Sprengmunition ein, Betonbunker wurden gebaut, […] und seit dem 18. Januar 1943 […] hatte sich das Ghetto in ein Festungsgelände verwandelt, und, wie Goldstein berichtet, ‚jeder Jude wurde ein Soldat‘. Noch im April 1943 traf die letzte Waffenlieferung im Ghetto ein.“ 270 Ebenda, S. 642. 271 Ebenda. 272 Dem Artikelkürzel nach in der Folge als „Basil“ bezeichnet. 46 die auch die offenkundige Ehrerbietung für die zwei Jahre zuvor verstorbene Frau des argentinischen Präsidenten keinen weiteren Hinweis ergibt. Weitere Beiträge in „Der Weg“, ob auf Spanisch oder Deutsch, sind unter diesem Namen nicht erschienen. Zur Übersetzung der Überschrift „La mentira de los seis millones“ dürften die meisten erst kurz in Argentinien lebenden Deutschen sowie die zahlreichen in Deutschland verbliebenen Leser in der Lage gewesen sein, der Artikel selbst war allerdings nur denen verständlich, die geschriebenes Spanisch auf höherem Niveau beherrschten. Basil stellte die Behauptung des Völkermordes als eine neue Waffe der Juden gegen die Deutschen dar, die zu „lebenslanger materieller und moralischer Schuld“ verurteilt seien.273 Das „Dritte Reich“ sei lediglich eine Abwehrreaktion auf die zunehmende jüdische Machtkonzentration gewesen, die sich in Industrie, Banken und Universitäten in besonderem Maße ausgedrückt habe.274 Unter diesem Eindruck hätten die Deutschen „die einzige Partei und den einzigen Mann“ ins Amt gewählt, der sie von diesem Joch hätte befreien können.275 Noch vor Beginn des Zweiten Weltkrieges habe der Jüdische Weltkongress dem Deutschen Reich den Krieg erklärt.276 Dem eigentlichen Thema, dem unterstellten „Märchen von den sechs Millionen“, widmete der Autor lediglich einen Absatz, in dem er Zahlen der gesamten jüdischen Bevölkerung auf der Welt von 1939 und 1949 verglich und schloss, „das jüdische Volk“ sei „nicht nur nicht zurückgegangen, sondern in zehn Jahren sogar um zwei Millionen gewachsen!“277 Es sei Zeit, diese Lüge zurückzuweisen, damit deutsche Kinder wieder so frei geboren würden wie alle anderen.278 Die Argumentation dieser ersten ausdrücklichen Leugnung in „Der Weg“ stützte sich ausschließlich auf zwei zitierte Bevölkerungsstatistiken und reproduzierte im Übrigen hauptsächlich klassische antisemitische Weltdeutungsmuster eines Angriffs der „fremdartigen“ Juden auf Deutschland. Aus der Positionierung des Artikels im

273Eva Perón Basil: La mentira de los seis millones, in: Der Weg. Monatsschrift für Freiheit und Ordnung, S. 604, „Hoy en día, todo niño que ve la luz en Alemania, nace con semejante deuda moral y material que, virtualmente, está condenado a cadena perpetua.” 274 Ebenda, „Los alemanes, […] observan que los judíos - "selecta" minoria entre el pueblo alemán que no alcanza al ½% -, controlan ya más del 90% del Comercio, de la Industria y la Banca, […] que dominan el campo educacional a tal grado que en varias facultades las cátedras están hasta el 70%”. 275 Ebenda, „Sólo consiguen los judíos que el pueblo alemán, en forma disciplinada y en elecciones absolutamente libres, lleva al poder al único partido y al único hombre que les promete liberarlos de ese yugo harto insoportable.” 276 Ebenda, S. 605. 277 Ebenda, „Y el pueblo judío no sólo no retrocedió, sino que al cabo den tan sólo diez años acusa un aumento demográfico de aproximadamente dos millones!” 278 Ebenda, „Es hora de que desaparezca la mentira de los seis millones de muertos […]. Para que los niños alemanes vuelvan a nacer”. tan libres como los demás 47 spanischsprachigen Pflichtteil, seiner Kürze und der Einbettung der Leugnung in tradierte sowie im „Weg“-Leserkreis zustimmungsfähige Narrationsmuster lässt sich schließen, dass der Text die Funktion eines Versuchsobjektes übernahm. Mit seiner Hilfe sollte herausgefunden werden, inwieweit die Leugnung des Völkermordes auf Zustimmung oder Widerstand stoßen würde. Im gleichen Zug wurde sichergestellt, dass der Artikel bei den in Deutschland ansässigen Lesern ein geringeres Maß an Rezeption erfahren würde als bei den Argentinien-Emigranten. Leserzuschriften oder andere Reaktionen auf diesen Artikel wurden in den Folgeausgaben nicht veröffentlicht. Zwei Monate später erreichte die Leugnung des Völkermordes in „Der Weg“ eine neue Dimension. Unter der Überschrift „Die Lüge von den sechs Millionen“ versuchte Guido Heimann auf neun Seiten, den Völkermord als Unwahrheit zu entlarven. Seine Ausgangsthese lautete, dass die Juden in den 1950er Jahren den Höhepunkt ihrer Macht in der Welt erlangt hätten, indem sie durch ihr Monopol in Medien und Banken die übrigen Völker „zur freiwilligen Unterwerfung, zur Anerkennung“279 getrieben hätten. Nachdem Hitler den Menschen den Blick auf diese versteckte Herrschaft freigegeben habe, hätte das Judentum ihn in einen Krieg gedrängt, an dessen Ende zwar die deutsche militärische Niederlage, nicht aber das Ende von Hitlers antijüdischer Idee gestanden habe. Daher habe das jüdische Volk zu einem neuen Mittel gegriffen und 1943 einen „Arbeitsstab für Kriegsverbrechen“ gegründet, um „Hitler in einer großangelegten Aktion einen planmäßigen Völkermord nachzuweisen.“280 Im Folgenden versuchte Heimann über die bereits bekannten Vergleiche von Bevölkerungszahlen nachzuweisen, dass im Machtbereich des „Dritten Reiches“ lediglich 365.000 Juden, und nur durch natürliche Todesumstände, Kriegsopfer und Pogrome der besetzten Bevölkerungen, umgekommen seien.281 Dementsprechend könne es einen planmäßigen Völkermord an Juden überhaupt nicht gegeben haben: „Konzentrationslager mit Gaskammern und Verbrennungsöfen kannten sie nicht, sie waren gesund und lebenstüchtig und richteten ihren Blick auf Börsenkurse und das Gelobte Land.“282 Heimann schloss mit einem aus fünf Punkten bestehenden Fazit, in dem er zusammenfasste, dass es „keinen planmäßigen JUDENMORD“, keine Einrichtungen „zur Vernichtung von Menschen“, keine gegenüber anderen Bevölkerungsgruppen erhöhte Sterblichkeitsziffer sondern, im Gegenteil, außergewöhnlich geringe

279 Guido Heimann: Die Lüge von den sechs Millionen, in: Der Weg. Für Freiheit und Ordnung 8 1954 Nr. 7, S. 479. 280 Ebenda, S. 481. 281 Ebenda, S. 484-485. 282 Ebenda, S. 486. 48

Kriegsverluste unter den Juden gegeben habe – „alle Veröffentlichungen darüber sind Fälschungen.“283 Somit sei insgesamt festzustellen:

„IM ENDERGEBNIS HAT DAS JÜDISCHE VOLK MIT DEM KLEINSTEN OPFER AN MENSCHEN DEN WEITAUS GRÖSSTEN MACHTZUWACHS ERZIELT UND SICH DAMIT ZUM EIGENTLICHEN SIEGER DES ZWEITEN WELTKRIEGS GEMACHT.“284 Heimann bezog die Belege seiner Behauptungen also ausschließlich aus zwei Methoden: Dem Vergleich von unzuverlässigen Bevölkerungsziffern verschiedener Medien, Länder und Zeiten sowie einem strikt antisemitischen Weltbild, in dem das Judentum die Rolle des weltbedrohenden Aggressors einnahm, der in all seinen kollektivierten Handlungen lediglich durch Machtstreben motiviert wurde. Diesem Bild entsprechende Zeugenaussagen oder Hinweise auf von Alliierten errichtete Gebäude in Vernichtungslagern verwendete Heimann jedoch nicht. Bemerkenswert ist allerdings, dass die Vehemenz, mit welcher der Autor sein Weltbild vortrug, durchaus geeignet gewesen wäre den Versuch zu unternehmen, den Völkermord als legitime Handlung im Krieg der Welt gegen die Juden zu rechtfertigen. Dem Beitrag Heimanns folgte in der nächsten Ausgabe der Abdruck eines Leserbriefs, der selbst den Umfang eines in „Der Weg“ üblichen Artikels hatte. Als Autor wurde ein Amerikaner namens Warwick Hester angegeben, der nach eigener Aussage in den frühen 1950er Jahren die Bundesrepublik, Kairo und Rio de Janeiro bereist hatte, um sich ein eigenes Bild von den Berichten über Vernichtungslager zu machen.285 Warwick stimmte Heimanns Ausführungen zu, wollte sie aber um seine eigenen Erfahrungen ergänzt wissen. So hätten die belastenden Aussagen der von ihm befragten Deutschen ausschließlich auf Gerüchten beruht, der Großteil des Wissens der deutschen Bevölkerung über die Konzentrationslager entstamme dem Film „Die Todesmühlen“ von Billy Wilder, der aufgrund seiner faktischen Fehler wieder zurückgezogen habe werden müssen.286 Bezüge zu diesem Film wurden von den frühen Leugnern wohl aufgrund seiner Verbreitung häufig hergestellt287, da sich eine überzeugende Argumentation gegen die historische Existenz des Holocaust den in das kollektive

283 Ebenda, S. 487. 284 Ebenda. 285 Warwick Hester: Auf den Straßen der Wahrheit, in: Der Weg. Für Freiheit und Ordnung 8 1954 Nr. 8, S. 572. 286 Ebenda, S. 575. 287 Den Äußerungen der Leugner nach sei der Film mit einem Aufführungsverbot belegt worden, weil sich dort auch Aufnahmen von erst nachträglich errichteten Verbrennungsöfen wiederfanden. Dieses Narrativ ist offenbar von so großer Überzeugungskraft, dass auch Meding, Weg, S. 66 es übernimmt. Tatsächlich wurde der Film bis in die 1950er Jahre öffentlichen Einrichtungen zur Verfügung gestellt und erfuhr eine große Nachfrage, Clemens, Kulturpolitik, S. 183-186. 49

Gedächtnis der Nachkriegsgesellschaft eingegangenen Bildern von Konzentrationslagern entgegenstellen musste. Die Delegitimierung des Films war daher eine Grundlage für die Überzeugungskraft der Leugner. Im Umfeld dieser über wenige Monate erscheinenden Welle von Völkermordleugnungen in „Der Weg“ wurden zahlreiche weitere Andeutungen und Äußerungen publiziert, die allerdings nicht den Umfang und die Vehemenz der Beiträge Basils, Heimanns und Hesters erreichten. Martin Abendroth konstatierte, dass „6 Millionen Juden doch irgendwo fehlen [müssten]. Aber sie fehlen nicht“288, Ludwig Paulin wandte sich in Bezug auf ein Mahnmal auf dem KZ-Friedhof Dachau Leitenberg gegen ein „schändliches Greuellügen-Museum von Dachau“:

„Wo irgendjemandem Unrecht angetan wurde, sind wir bereit, die begründeten Ansprüche seines Rechtes anzuerkennen – doch wenn das siegestrunkene Weltjudentum wähnt, im Taumel seines nahgeglaubten Endsieges den Deutschen insgesamt seine haßerfüllte Verachtung ins Gesicht speien zu können, so soll es wissen, daß es sie heute wohl zu treffen vermag, daß es doch schon morgen nur sich selber treffen wird und daß es bereits übermorgen an den Folgen seines unauslöschlichen Hasses zugrundegehen wird.“289

7.1.2 „Der Weg“ in und nach Deutschland Als der erst 24-jährige Eberhardt Fritsch und der Buchhändler Theodor Schmidt im Frühjahr 1947 den „Dürer-Verlag“ gründeten und dort die erste Ausgabe von „Der Weg“ veröffentlichten290, handelten sie in einem die gesamte deutsche Gemeinde Argentiniens betreffenden Klima der Angst aufgrund der polizeilichen Maßnahmen während und der Beschlagnahmungen deutschen Eigentums nach dem Krieg.291 Aufgrund der Befürchtungen, den Verlag wieder zu verlieren, waren die ersten Ausgaben von äußerster Vorsicht und dem Willen geprägt, in der Zielgruppe eindeutig, nach außen hin aber unverfänglich zu wirken.292 Mit dieser Strategie gelang es bereits im November 1947, eine Genehmigung für den Postvertrieb in der britisch-

288 Martin Abendroth: Jüdische Warnung an Buber, in: Der Weg. Unabhängige Monatsschrift für Freiheit und Ordnung 8 1954 Nr. 4, S. 293. 289 Ludwig Paulin: Die Lüge von den 238.000, in: Der Weg – El Sendero. Für Freiheit und Ordnung 8 1954 Nr. 6, S. 358. 290 Zur wirtschaftlich schwierigen Gründung des Verlages und den dazu gehörigen Einrichtungen Meding, Weg, S. 110-111. 291 Ebenda, S. 111. 292 So wurde auf der ersten Seite der ersten Ausgabe das folgende Goethe-Zitat abgedruckt: „Denn der Mensch, der zur schwankenden Zeit schwankend gesinnt ist / Der vermehret das Übel und breitet es weiter und weiter; / Aber wer fest auf dem Sinne beharrt, der bildet die Welt sich“, vgl. Meding, Weg, S. 112. 50 amerikanischen Bizone zu erhalten.293 Der Bekanntheitsgrad der Zeitschrift in Deutschland steigerte sich 1948 durch die Sammlung und Verschickung von Hilfspaketen aus Argentinien nach Deutschland beträchtlich und führte dazu, dass zahlreiche prominente Deutsche zu freien Mitarbeitern des Blattes wurden294, die meist mit Lebensmittelpaketen entlohnt wurden.295 Ein besonderes Maß an Aufmerksamkeit und damit verbunden publizistische Aufwertung erfuhr das Blatt im Juni und Juli 1948, als es den Briefwechsel des inhaftierten Alfred Jodl mit seiner Ehefrau aus dem Jahr 1945 erstveröffentlichen durfte.296 Durch steigende Auflagenzahlen und zahlreiche Anzeigenkunden gestärkt, wagten Fritsch und Schmidt im Frühjahr 1949 eine Werbeoffensive in Deutschland, um die Abonnentenzahl zu erhöhen. Der Erscheinungsrhythmus wurde auf Vierzehntagesausgaben verdichtet297, zugleich wurden für Österreich und das offen „Deutsches Reich“ genannte Gebiet der drei Westzonen offizielle Vertreter benannt, um die Abwicklung der Abonnements zu vereinfachen.298 Diese Expansionsbestrebungen gingen mit einer Verschärfung der Wortwahl von „Der Weg“ einher und fielen zeitlich mit Gerüchten eines „nazistischen Widerstandszentrums“, das angeblich in Argentinien aufgebaut wurde, zusammen.299 Letztendlich dürfte in dieser Situation eine Formulierung in der Vorstellung des neuen Autors Otto Skorzeny mitentscheidend für die Zukunft des „Weg“ gewesen sein:

„Der Oberst der Waffen-SS gehört zu einer wachsenden Zahl von Korrespondenten, darunter deutsche und österreichische Professoren, Dichter und Schriftsteller, die dem Feinde auch nach dem Kriege Widerstand leisten. Sie alle befolgen damit einen OKW-Befehl aus dem Jahre 1944.“300 Am 26. Mai 1949 wurde der Vertrieb von „Der Weg“ in der US-Zone durch das OMGUS untersagt. Am 27. Mai folgte das Verbot in Österreich auf Weisung des Innenministers Oskar Helmer, aufgrund dessen die Vertreter des Blattes vor Ort verhaftet sowie Hefte und Gelder beschlagnahmt wurden.301 Gegenüber amerikanischen Medien wurde „Der Weg“ von US-Stellen als „offen pronazistisches Magazin“

293 Ebenda. 294 Meding, Weg, S. 113 nennt u. a. Elly Ney, Hans Carossa und Anton Zischka. 295 Ebenda, Anm. 29. 296 Ebenda, S. 113. 297 Ebenda, S. 116. 298 Annonce in Der Weg – El Sendero 3 1949 Nr. 4, S. 312. 299 Meding, Weg, S. 116. 300 Der Weg 3 1949 Nr. 5, zit. nach Der Spiegel 2. Juni 1949, S. 4. 301 Meding, Weg, S. 116-117. 51 bezeichnet, das unter allen Neuerscheinungen seit der „Blütezeit des Hitler-Regime“ einzigartig in seiner Heftigkeit sei.302 Das Verbot bewirkte kurzfristig gleichermaßen enorme Auflagen- und Einnahmenverluste303 sowie eine erstmalige Beschäftigung der deutschen Presse mit dem Blatt aus Argentinien. Dabei wurde der Ton der Bezeichnungen zunehmend schärfer: Wurde „Der Weg“ anfangs vom SPIEGEL noch als „deutschsprachige Argentinien-Zeitschrift“304 bezeichnet, war er wenige Wochen später schon ein „NS- Traditions-Magazin“305. Diese Aufmerksamkeit führte im Oktober 1950 dazu, dass der Stand des Dürer-Verlags auf einer Braunschweiger Messe von 200 Personen gestürmt und der Verlagsvertreter in Schutzhaft genommen wurde.306 Trotz des Verbotes war die Verbreitung des „Weg“ in Deutschland bis zur Einstellung des Blattes sichergestellt. Hierzu entwarf Fritsch ein „mit geheimdienstlicher Methode“307 gestaltetes Mittelsmannsystem, in dem die Bezugszahlungen in einem Pyramidensystem gesammelt wurden, bei dem jedes Mitglied nur eine Kontaktperson hatte.308 Zugleich wurden Ausgaben und Jahrgänge der Zeitschrift unaufgefordert und kostenfrei an westdeutsche Politiker und große Bibliotheken geschickt, um durch eine selbstverursachte Polarisierung Aufmerksamkeit für das Blatt zu schaffen.309 Ab Anfang 1951 kooperierte „Der Weg“ zudem mit der SRP, von deren Mitgliedern fast ein Viertel die Zeitung bezogen310, und steigerte die Gesamtabonnentenzahl in der Bundesrepublik bis 1953 auf 16.000. Von der Gesamtauflage von 25.000 Exemplaren ging also die Mehrheit nach Deutschland.311 Angesichts des wachsenden Erfolgs beschäftigten sich auch deutsche Medien wieder mit der Zeitschrift. Der SPIEGEL berichtete, dass der „bekannteste deutsche Verlag in Argentinien“ einige NS-kritische Passagen aus eingesendeten Erinnerungen gekürzt

302 „One Military Government official said that ‘nothing as violently pro-Nazi has appeared since the heyday of the Hitler regime.’”, German Magazine banned, in: New York Times 27. Mai 1949, S. 3. 303 Eberhard Fritschs Behauptung, die Absatzzahlen seien in der Folge enorm gewachsen, lässt sich nicht halten, vgl. Meding, Weg, S. 118. Ein Indiz für die wirtschaftlichen Probleme ist die rasche Rückkehr zum monatlichen Erscheinungsrhythmus. 304 Der Spiegel 2. Juni 1949, S. 4. 305 Wir dürfen nicht verlieren, in: Der Spiegel 30. Juni 1949, S. 10. 306 Ein Zwischenfall auf der Braunschweiger Industrieausstellung, in: Hamburger Abendblatt 9. Oktober 1950, S. 2. Der Vertreter wurde später 50 DM Geldstrafe verurteilt, weil er Arbeitskräfte „mit positiver Einstellung zur Politik des Dritten Reiches“ anzuwerben versucht hatte, Die Woche, in: Die Zeit 17. Mai 1951, S. 2. 307 Ebenda, S. 119. 308 Maler, Frieden, S. 343. 309 Meding, Weg, S. 120 sowie Arndt, Deutschsprachige, S. 76-77. 310 3000 von 11.200 SRP-Mitgliedern bezogen den „Weg“ per Abonnement, vgl. Meding, Weg, S. 129 und Hansen, SRP, S. 86. 311 Meding, Weg, S. 129. 52 habe, da diese laut Fritsch „unseren Freunden in Südamerika nicht zuzumuten“ seien.312

Die ZEIT erwähnte zum Kampf „für den deutschen Lebensraum“ aufrufende Artikel von ehemaligen Wehrmacht-Offizieren.313 Aus dem offen den Völkermord leugnenden Artikel Heimanns erwuchs eine neue Stufe der aggressiven Holocaustleugnung in der Bundesrepublik. In der seit 1952 existierenden rechtsextremen Zeitschrift „Die Anklage“ erschien ein auf seinem Beitrag aufbauender Artikel. In diesem wurde von durch amerikanische Besatzungstruppen erbauten Gaskammern in Konzentrationslagern berichtet und verlangt, „daß der Haßgesang über die angeblich 6 Millionen ermordeten Juden endlich verstummt.“314 Auf die darauf folgende Empörung reagierte die Redaktion mit dem Vorwurf der „Presselügen“ der „jüdischen Presse“315 und einer fünfteiligen Artikelserie, in der in einzelnen Punkten der Versuch unternommen wurde, alle angeführten Beweise des Völkermords zu widerlegen. Zum Abschluss musste das Blatt mitteilen, dass die Ausgaben der ersten beiden Artikel von der Staatsanwaltschaft Memmingen wegen Verstoßes gegen § 131 StGB (Politische Lüge) eingezogen wurden.316 Nur einen Monat später verstärkte die Redaktion ihren aggressiven publizistischen Kurs und veröffentlichte einen mit „Was nun, Herr Staatsanwalt? Wir wiederholen: Niemals haben Deutsche 6 Millionen Juden getötet, vergast, gehängt oder erschossen“ überschriebenen Artikel317, der sich eine damals veröffentlichte, aber unvollständige Opferstatistik des Roten Kreuzes zunutze machte. Im Dezember 1955 meldete der Kölner Stadtanzeiger, dass sich argentinische Juden vergeblich beim argentinischen Präsidenten Pedro Aramburu „über das Weitererscheinen der neonazistischen und antisemitischen deutschsprachigen Zeitschrift“ beschwert hätten.318 Seit Juni 1956 laufende Ermittlungen in der Bundesrepublik, die das Ziel eines Verbotes der Zeitschrift hatten,319 wurden von der wirtschaftlichen Entwicklung des Dürer-Verlags überholt. Bevor es zu einem Untersuchungsergebnis kam, wurde „Der Weg“ Ende 1957 eingestellt.320

312 Der Spiegel 7. November 1951, S. 24. 313 Zuviel Aufmerksamkeit für ein Freikorps, in: Die Zeit 30. August 1951, S. 2. 314 Die Mord- und Totschlagstorys, in: Die Anklage 15. August 1954, S. 5. 315 Die gemeinste Geschichtsfälschung (1), in: Die Anklage 1. Januar 1955, S. 5. 316 Die gemeinste Geschichtsfälschung (5), in: Die Anklage 1. März 1955, S. 5. 317 Was nun, Herr Staatsanwalt?, in: Die Anklage 1. April 1955, S. 5. 318 Kölner Stadtanzeiger 22. Dezember 1955, S. 2. 319 Meding, Der Weg, S. 137. 320 Ebenda, S. 138. Meding führt als weiteren Grund die „grenzenlose Enttäuschung“ über das Ergebnis der Bundestagswahl an, das CDU/CSU eine absolute Mehrheit brachte, wohingegen „Der Weg“ Adenauers Sturz prophezeit hatte. 53

1959, zwei Jahre nach der Einstellung des „Weg“321, kam es zu einer weiteren, zunächst lokal begrenzten Reaktion der bundesrepublikanischen Justiz. Gegen einen Pensionär aus Bad Pyrmont war wegen staatsfeindlicher Betätigung ermittelt und dabei zahlreiche Ausgaben von „Der Weg“ beschlagnahmt worden.322 Da die Staatsanwaltschaft ihm keine Tätigkeit für die Zeitschrift nachweisen konnte, wurde vor dem Landgericht Lüneburg schließlich nur über die Einziehung der Exemplare verhandelt. Auch Eberhard Fritsch, mittlerweile in Salzburg wohnhaft, war als Zeuge vorgeladen worden, ließ sich aber über einen Anwalt vertreten.323 Nach zwei Wochen urteilte die Strafkammer in diesem „Verfahren ohne einen Angeklagten“324, dass „Der Weg“ „unter dem Deckmantel von Begriffen wie ‚Ehre und Recht‘ neonazistische Tendenzen“ publiziere und daher einbehalten würde.325 Die Urteilsbegründung machte deutlich, dass die Zeitschrift generell verboten worden wäre, wenn sie nicht eingestellt worden wäre.326

7.2 Internationale Vernetzung: „Nation Europa“ Die 1951 erstmals herausgegebene Monatszeitschrift „Nation Europa“ war von Beginn an als Medium der internationalen Vernetzung der europäischen Rechtsextremen angelegt. Hierzu hatte der Herausgeber und ehemalige SS-Sturmbannführer Arthur Erhardt seine Kontakte zu dem britischen Faschisten Sir Oswald Mosley genutzt, dessen Wortschöpfung auch der Titel entnommen wurde.327 Das Ziel war, „nun endlich zu Wirklichkeit zu formen, was als Idee schon seit Jahrhunderten die besten europäischen Geister bewegte: Die Nation Europa!“328 Als „Werkzeug europäischer Neuordnung“329, das „in eine zunächst unfruchtbare Opposition gedrängt“330 worden sei, wollte die Zeitschrift die Entstehung eines dritten weltpolitischen Blocks in Europa fördern, der sich des Einflusses von Sowjetunion und USA entziehen sollte. Die Zeitschrift wurde schnell zum zentralen Organ einer neuen Rechten, die Revisionismus und Apologie bezüglich der Vergangenheit betrieb, in der Beschäftigung

321 Zu den Gründen für die Einstellung Meding, Weg, S. 137-138. 322 „Der Weg“ vor Gericht, in: Hamburger Abendblatt 4. Februar 1959, S. 2. 323 Meding, Der Weg, S 139. 324 „Der Weg“ wurde verurteilt, in: Die Welt 23. Februar 1959, S. 2. 325 42 Exemplare eingezogen, in: Hamburger Abendblatt 22. Februar 1959, S. 2. Dem Pensionär wurde eine Entschädigung von 1 DM pro Heft zugesprochen. 326 Meding, Weg, S. 140. 327 Macklin, Very Deeply, S. 111. 328 Nation Europa 1 1951 Nr. 1, S. 3. 329 Ebenda, S. 4. 330 Ebenda, S. 5. 54 mit Gegenwart und Zukunft aber dem tradierten Antikommunismus ein Element des Kampfes gegen eine wahrgenommene kapitalistische Kolonialisierung West- und Mitteleuropas hinzufügte.331 Die Ausgaben des ersten Jahrgangs beschränkten sich thematisch auf zwei große inhaltliche Felder, dem Aufbau von internationalen Beziehungen der Rechtsextremen insbesondere Deutschlands und Großbritanniens sowie der Ablehnung von Entnazifizierung und juristischer Verfolgung von Nationalsozialisten. Zu den regelmäßig vertretenen Autoren gehörten Mosley, Hans Grimm und Hans Oehler. Mit Erscheinen der fünften Ausgabe erstellte Ehrhardt Jahrespläne zu nach geopolitischen Gesichtspunkten gegliederten Themenheften und forderte die Leser zur Einsendung von entsprechenden Beiträgen auf.332 „Nation Europa“ verstand sich demnach nicht als ein aktuellen Ereignissen und Debatten folgendes Blatt, sondern als „Baustein für eine bei der Leserschaft zu entwickelnde politische Ideologie“333. Der Holocaust wurde im Blatt zunächst, mit Ausnahme eines Artikels von Hans Grimm, der die Zahl der jüdischen Opfer beiläufig bestritt334, weder bestätigend noch leugnend behandelt. Ein erster Artikel zum „neuen Staat Israel“ umging die Beschäftigung mit dem Völkermord durch die Formulierung von der „Veränderung der weltpolitischen Lage durch den Zweiten Weltkrieg“335, die sich auch auf die jüdische Migration nach Palästina ausgewirkt habe. Die Juni-Ausgabe des Jahres 1952 beschäftigte sich schwerpunktmäßig mit dem Thema „Deutschland und die Judenheit“, das in den vorherigen Ausgaben als „Probleme des Judentums“ angekündigt worden war.336 Ein Anlass für die Themensetzung dürften die Erklärung der Bundesregierung zur „Haltung der Bundesrepublik gegenüber den Juden“ vom 27. September 1951 und die ersten Treffen Konrad Adenauers mit Vertretern der Jewish Claims Conference gewesen sein.337 Die Regierungserklärung wurde im Heft in voller Länge abgedruckt, und mit zustimmenden Reaktionen der übrigen

331 Salzborn, Ethnoföderale, S. 1211. 332 Aus Heft 5 1951, Umschlaginnenseite: „Die Fülle der Beiträge erlaubt nunmehr eine Arbeit auf längere Sicht. Wir bringen deshalb keine Vorankündigung einzelner Aufsätze mehr, sondern schlagen den Mitarbeitern, Freunden und Lesern für den Hauptteil der nächsten Hefte folgende Leitgedanken vor: Heft 6: Europäischer Sozialismus, Heft 7: Probleme der UdSSR, Heft 8: Unser Verhältnis zu Frankreich, Heft 9: England und Europa.“ 333 Pfahl-Traughber, Nation, S. 306. 334 Hans Grimm, Randleiste zu neuerlichen Mahnreden an Deutsche, in: Nation Europa 1 1951 Nr. 5, S. 10. 335 Heinrich Sanden: Israel. Der neue Staat, in: Nation Europa 1 1951 Nr. 10, S. 19. 336 Mitteilung von Schriftleitung und Verlag, in: Nation Europa 2 1952 Nr. 12, Umschlaginnenseite. 337 Ein unter Geheimhaltung stattgefundenes Treffen zwischen Adenauer und Nahum Goldmann im Dezember 1951 wurde bereits zwei Tage später öffentlich, vgl. Israels Forderungen, in: Hamburger Abendblatt 8./9. Dezember 1951, S. 2 sowie Zweig, German Reparations, S. 72. 55

Bundestagsfraktionen ergänzt. Dem stellte die Redaktion ein zusätzliches, mit der Überschrift „Düsteres Echo“ versehenes Zitat gegenüber, das der israelischen Delegation der Den Haager Verhandlungen zugeschrieben wurde: „Die Stunde der historischen Begleichung der deutschen Schuld hat noch nicht geschlagen!“338 Die antisemitische Tendenz der folgenden Artikel war damit klar vorgegeben, obwohl die Autoren, darunter mit Helmut Sündermann der ehemalige stellvertretende Reichspressechef der NSDAP339, um wissenschaftliche Sprache bemüht waren. Den Völkermord leugneten und relativierten sie dabei jedoch nicht. Dies blieb einem unter dem Pseudonym „Utheis“ auftretenden Autoren vorbehalten, der durch Heranziehung verschiedener Datenbestände und unter Anwendung unpräziser Auswanderungsschätzungen die Zahl der zwischen 1933 und 1945 überhaupt in Europa befindlichen Juden auf drei Millionen bemaß und schloss, es könnten höchstens 1,4 Millionen Juden als „tot oder vermißt“ angesehen werden.340 Als Reaktion auf diesen Beitrag wurde in der Augustausgabe eine Leserzuschrift eines Dr. H.W. veröffentlicht, nach dessen Aussage ihm selbst ein Jude versichert habe, es seien „sowohl in Auschwitz als auch in Polen über 1 Million Juden n a c h Abzug der Deutschen von den Polen umgebracht worden. Alles andere sei Lüge.“341 Bis zum Ende der 1950er Jahre beließ es die Redaktion von „Nation Europa“ bei diesen wenigen Leugnungen.342 Die Rolle der Zeitschrift für die Entwicklung der Holocaustleugnung bestand aber nicht in erster Linie in der Verbreitung der Texte in eigenen Beiträgen, sondern in der Vernetzung der europäischen Rechtsextremen, unter denen sich auch zahlreiche Leugner fanden. Durch den mehrsprachigen Ansatz der Zeitschrift343 wurde sie zum Anlaufpunkt zahlreicher alter und neuer Rechter aus ganz Europa. In den 50er Jahren publizierte „Nation Europa“ Artikel von Maurice Bardèche, Hans Grimm, Oswald Mosley, Hans Oehler, Karl-Heinz Priester und vielen weiteren prominenten Anhängern einer neofaschistischen Neuordnung Europas. Gleichzeitig fungierte sie als Anzeigenraum für Publikationen rechtsextremer Verlage wie des Plesse-Verlags, der Bücher von Grimm und Bardèche in verschiedenen Sprachen

338 Deutschland und die Judenheit, in: Nation Europa 2 1952 Nr. 6, S. 3-5. 339 Hier unter dem Pseudonym Heinrich Sanden. 340 Utheis, Die jüdischen Opfer des Zweiten Weltkrieges, in: Nation Europa 2 1952 Nr. 6, S. 22. 341 H.W., Leserbrief, in: Nation Europa 2 1952 Nr. 8, S. 65. 342 Besondere Relevanz im Bereich der Holocaustleugnung erhielt das Blatt erst 1961, als der Herausgeber Arthur Ehrhardt selbst mit dem Artikel „Das Problem der 6 Millionen“ den bis heute neu aufgelegten Grundlagenbeitrag der quantitativen Holocaustleugnung veröffentlichte, vgl. Mayer, Verfälschte, S. 248-251. 343 Unter dem Vorwort der ersten Ausgabe fanden sich Grußworte in französischer und italienischer Sprache, Nation Europa 1 1951 Nr. 1, S. 7. 56 anbot344 sowie als selbstständiger Buchhändler, über den ausgewählte Bücher vertrieben wurden.345 Zwar erlangte „Nation Europa“ in den 1950er Jahren nie Auflagenzahlen, mit denen sie eine Flächenverbreitung im rechtsextremen Spektrum beanspruchen konnte, jedoch erreichte sie „deren geistige und politische Köpfe und konnte über sie Einfluß nehmen.“346 Erkennbar war die elitäre Struktur der Leserschaft auch daran, dass es Ehrhardt offensichtlich leicht fiel, Ende 1953 aus dem Verlag eine GmbH zu machen, für die er genügend Teilhaber gewann, die jeweils 500 DM Kapital einbrachten.347

7.2.1 „Nation Europa“ in Medien und Wissenschaft In der bundesrepublikanischen Medienlandschaft der 1950er Jahre wurde „Nation Europa“ schnell bekannt und als Exponent neofaschistischer Überzeugungen behandelt.348 Dabei wurde weniger über den Inhalt der Beiträge, den man als vernachlässigungswürdig, weil altbekannt, betrachtete349, berichtet, sondern über die dahinter stehenden Persönlichkeiten und die Vernetzung der Zeitschrift mit dem europäischen Neofaschismus. Ehrhardts Blatt könne als „die Stimme der ‚europäisch‘ eingestellten Nationalisten gelten“350. Der Herausgeber wurde kurz aufgrund seiner Vergangenheit als „SS-Verleger“351 einer „stramm rechts-brötlerischen Zeitschrift“352 bezeichnet. Aufsehen erregte ein arbeitsrechtliches Verfahren in dem die Entlassung eines Druckers bestätigt worden war, der sich geweigert hatte, an der Herstellung von „Nation Europa“ mitzuwirken, da sein Vater in einem Konzentrationslager interniert gewesen war.353 Neben der Einordnung der Zeitschrift in rechtsextreme Kreise lag das Hauptaugenmerk der medialen Berichterstattung jedoch darauf, dass zahlreiche Exemplare offenbar unaufgefordert an Journalisten und Politiker geschickt wurden.354 Insgesamt wurde der Zeitschrift in allen Medien mit einer vorsichtigen Herablassung begegnet, die sich mit der im Vergleich zu den eigenen Presseorganen geringen Auflage und dem inhaltlich wie sprachlich oft niedrigen Niveau begründete.

344 Nation Europa 1 1951 Nr. 5, Rückumschlag. 345 Nation Europa 3 1953 Nr. 9, S. 1. 346 Pfahl-Traughber, Nation, S. 308. 347 Nation Europa 3 1953 Nr. 10, S. 1 und Nation Europa 3 1953 Nr. 12, S. 1. 348 Paul Lüth, „Für jedes Wort stehe ich gerade“, in: Die Zeit 25. Dezember 1952, S. 2. 349 „Der Titel ist bekannt – […] [ihm] entspricht der Inhalt. […] Statt dessen spielen wieder die Juden, Freimaurer und Jesuiten ihre bekannte schlimme Rolle“, „Große Lügen“, in: FAZ 10. Juni 1959, S. 2. 350 Paul Noack, Wenn Radikale sich „europäisch“ nennen. Ein Panorama der extremen Rechten (II), in: FAZ 19. Dezember 1957, S. 2. 351 Anklage gegen SS-Verleger, in: FAZ 19. Oktober 1957, S. 4. 352 Vater ist schuld, in: Der Spiegel 20. Mai 1959, S. 24. 353 Wir finden schlecht…, in: Die Zeit 21. November 1957, S. 13. 354 Große Lügen, in: FAZ 10. Juni 1959, S. 2 und Neonazistische Pamphlete, in: FAZ 24. Juni 1959, S. 6. 57

Zwei Vorfälle verschafften dem Blatt allerdings zumindest temporär eine größere Geltung. 1954 wurde „Nation Europa“ in der Bibliographie zur Zeitgeschichte der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte in der Rubrik „Neonazismus“ aufgeführt. Dies veranlasste den Herausgeber Ehrhardt dazu, sich postalisch beim Schriftleiter Hans Rothfels zu beklagen. Da dieser Brief auch in „Nation Europa“ abgedruckt wurde, sah sich Rothfels veranlasst, den gesamten Briefwechsel seinerseits in den Vierteljahrsheften mit Anmerkungen abzudrucken, da es sich „um einen Beitrag von einigem zeitgeschichtlichen Interesse handeln“355 dürfe. Ehrhardt erwies sich dort in seinen Versuchen, den Vorwurf des Neonazismus als „Schlagwort der Sowjetpropaganda“356 zu diskreditieren, Rothfels rhetorisch völlig unterlegen. Der zweite Vorfall betraf einen Artikel über das Buch „Hitlers Weg“ von aus dem Jahr 1932, mit dem „Nation Europa“ zu beweisen versuchte, dass Heuss sich schon vor der NS-Machtübernahme als Anhänger Hitlers offenbart habe und nun in der Bundesrepublik nur die Rolle des Demokraten spiele. Nachdem Heuss auf diesen Artikel aufmerksam gemacht worden war, ließ er in „Nation Europa“ eine selbstverfasste Entgegnung veröffentlichen.357

8. „Eine der teuflischsten Gemeinheiten“ – Der „Fall Nieland“ Im März 1957 stellte der Hamburger Holzhändler Friedrich Nieland einen 39-seitigen Text fertig, den er in einer Auflage von 2000 Stück in der Heimberg-Druckerei Stade358 vervielfältigen ließ. Die mit „Wieviel Welt(Geld)-Kriege müssen die Völker noch verlieren?“ betitelte Broschüre verschickte er unaufgefordert an alle Mitglieder der Bundesregierung sowie Bundes- und Landtagsabgeordnete der Bundesrepublik359. Dem zweifelsohne beträchtlichen finanziellen Aufwand dieser Aktion entsprach auch die Vehemenz der Sprache, die Nieland in seinem „Offene[n] Brief an alle Bundesminister

355 Rothfels, Begriff, S. 223. 356 Ebenda, S. 225. 357 Vater ist schuld, in: Der Spiegel 20. Mai 1959, S. 24-25. 358 Diese Druckerei war schon zuvor als Vervielfältiger rechtsextremer und antisemitischer Schriften aufgefallen, so als Druckerei des Widar-Verlages von Guido Roeder. Gegen Roeder und Heimberg waren laut Bundesinnenminister Schröder Anfang April 1957 „Strafverfahren wegen der Herstellung und Verbreitung verfassungsfeindlicher und antisemitischer Schriften“ anhängig, VDB 4. April 1957, S. 11390. Zu Roeder siehe Jahr, Antisemitismus, S. 361-370. 359 Aus der Aussage von Innenminister Schröder geht nicht hervor, ob die Schrift an alle Parlamentarier verschickt wurde, wie es ein Artikel im Spiegel behauptet, vgl. Reich des Zwistbringers, in: Der Spiegel 21. Januar 1959, S. 20-25, hier S. 20. Hering, Fall Nieland, S. 208 geht ebenfalls davon aus dass alle Parlamentarier zu Empfängern der Schrift wurden, belegt dies aber nicht. Angesichts der in [*Anmerkung 247] ausgeführten Rechnung ist die vollständige Versendung allerdings wahrscheinlich. 58 und Parlamentarier“360 wählte. Ein Dritter Weltkrieg stünde unmittelbar bevor, und seine Urheber suchten nur noch nach einem Anlass, den ihnen nun Ägyptens Staatspräsident Nasser bieten könne. Diese Aggressoren seien zweifelsohne die „internationalen Juden“, die „in der ganzen Weltpolitik ihre Hände überall“ hätten.361 Der Staat Israel existiere nur als „ihr Ghetto, wo sie nationale Kräfte schulen, um sie als leistungsfähige Agenten jüdischer Belange unter alle Völker ein[zu]setzen“362. Um den anstehenden Weltkrieg zu verhindern müssten die „Staatsmänner aller nichtjüdischen Regierungen“ schnell reagieren, dabei aber vorsichtig vorgehen, da „das ‚Internationale Judentum‘ sehr gerissen ist und […] die Völker seit Jahrtausenden überlistet.“363 Mit dem Überlistungsmoment kam Nieland zum Kern seines Anliegens, der ihm zufolge größten Täuschung, die Juden bislang geglückt sei:

„Allein die ungeheuerliche Lüge über die Vergasung und Abschlachtung von sechs Millionen Juden durch Deutsche unter Hitlers Macht ist so widersinnig wie nur möglich. Erstmal steht es unwiderlegbar fest, daß nicht Deutsche die Organisatoren dieser Massenvernichtung von Juden waren, sondern Juden selbst. [...] Es ist eine der teuflischsten Gemeinheiten, die das 'Internationale Judentum' vollzogen hat, um ihre Verbrechen an Deutschland zu tarnen. [...] Das ganze Vernichtungsmanöver war eine Aktion, die von den Eingeweihten des 'Internationalen Judentums' angezettelt war!“364 Nieland leugnete also nicht die historische Existenz des Völkermordes, er behauptete nur eine jüdische Täterschaft. Als Beleg dafür führte er „frappierende Schlagwortanagramme“ an:

„Nationalsozialist - o! Zionist á la Stalin. Nationalsozialismus - Zionist á la Mussolini.“365 Zum Schluss betonte Nieland noch einmal die erforderliche Unterscheidung „zwischen dem jüdischen Volke und dem ‚Internationalen Judentum‘“366. Allerdings sei es unmöglich, „da man keinem Juden ins Herz schauen kann“, daher seien vorsorglich alle Juden von öffentlichen Ämtern auszuschließen.367 Nach Empfang der Broschüre stellte Maxim Kuraner, SPD-Landtagsabgeordneter in Rheinland-Pfalz, gegen Nieland Strafanzeige wegen öffentlicher Beleidigung.368 Die Staatsanwaltschaft Hamburg leitete daraufhin Ermittlungen ein und ließ die Schrift

360 Nieland, Welt(Geld)-Kriege S. 1. 361 Ebenda, S. 7. 362 Ebenda. 363 Ebenda, S. 11. 364 Ebenda, S. 13. 365 Ebenda, S. 22. 366 Ebenda, S. 35. 367 Ebenda. 368 Hering, Fall Nieland, S. 209. 59 durch die Kriminalpolizei beschlagnahmen. Von den ursprünglichen 2000 Exemplaren befanden sich allerdings nur noch 111 im Besitz Nielands.369 Die Schrift Nielands, ihre Versendung und die unverzüglich folgende Reaktion von Staatsanwaltschaft und Polizei hätten nicht ausgereicht, um aus dem Fall, der nur einer überregionalen Tageszeitung eine Kurzmeldung wert war370, den „Fall Nieland“ mit seiner entscheidenden Bedeutung für die Formulierung des Volksverhetzungsparagraphen zu machen. Dieses Potenzial erwuchs nicht aus „dem individuellen Handeln [Nielands] selbst, sondern […] der Reaktion der Justiz“371, die durch eine dem politischen Willen nach Verfolgung von antisemitischen Äußerung entgegenlaufende Rechtsprechung die Unzulänglichkeit des geltenden Strafrechts verdeutlichte. Die Staatsanwaltschaft Hamburg klagte den Verfasser Friedrich Nieland und den Drucker Adolf Heimberg 1958 vor dem Landgericht Hamburg wegen Verstoßes gegen die §§ 88, 93 und 185 StGB an.372 Am 26. November lehnte das Gericht die Eröffnung eines Hauptverfahrens ab. Die Beschuldigten hatten zu ihrer Verteidigung ausgesagt, sie hätten mit der Broschüre keine antisemitischen Bestrebungen gefördert, da sie sich „nicht gegen die Juden schlechthin […], sondern nur gegen einen eng begrenzten Kreis von Juden, der nach ihrer Überzeugung für das weltgeschichtliche Geschehen der letzten Jahrzehnte verantwortlich sei“ gewendet hätten.373 Das Gericht konstatierte, diese Aussage sei Nieland und Heimberg nicht zu widerlegen. Zudem gehe aus dem Text eindeutig hervor, „daß das jüdische Volk von dem ‚Internationalen Judentum‘ zu trennen sei und daß sich etwaige Maßnahmen nur gegen letzteres zu richten hätten.“374 Vielmehr wäre ihre Absicht, „alle Menschen, auch die große Masse der Juden“375 zu warnen. Darüber hinaus fehle für eine wirksame Beleidigung des Anzeigenstellers Kuraner der Nachweis der Beleidigung, da aus der Schrift nicht hervorgehe, „daß dieser Zeuge zu dem erwähnten eng begrenzten Kreis der Juden (Internationales Judentum)

369 Angabe von Innenminister Schröder, VDB 4. April 1957, S. 11390. Die Summe aller angegebenen Empfänger beträgt im März 1957 1854, d.h. bei mindestens 35 Exemplaren ist der Verbleib ungeklärt. 370 Bergmann, Antisemitismus, S. 208. 371 Ebenda. 372 Beschluss LG Hamburg vom 26. November 1958, AZ (31) 120/58, zit. nach Küster, Fall Nieland, S. 176. Die 1953 reformierten §§ 88 und 93 betreffen bezüglich dieses Falles die „Beeinträchtigung des Bestandes der Bundesrepublik Deutschland“ durch Herstellung, Vervielfältigung und Verbreitung von Schriften, § 185 Beleidigung. 373 Beschluss LG Hamburg vom 26. November 1958, AZ (31) 120/58, zit. nach Küster, Fall Nieland, S. 176. 374 Ebenda. 375 Ebenda. 60 gehört.“376 Mit diesem letzten Satz machte sich das Gericht zumindest sprachlich mit Nieland und Heimberg gemein – die „Zugehörigkeit zum Internationalen Judentum“ wurde nicht mehr als Kriterium der Gedankenwelt der Urheber verstanden, sondern zum objektiven Ausschlusskriterium der Möglichkeit einer Kollektivbeleidigung. Der leitende Oberstaatsanwalt legte gegen die Entscheidung sofortige Beschwerde ein, die ausführlich begründet wurde. Insbesondere erkannte die Staatsanwaltschaft in der Forderung, Juden aus allen maßgebenden Posten fernzuhalten, einen unmissverständlichen Angriff auf die Gesamtheit der Juden und damit eine „ausnahmslose Diskriminierung und Entrechtung“.377 Für den unbefangenen Leser müsse der Eindruck erweckt werden, „daß das Dasein der Juden im Staat schlechthin für die Allgemeinheit nachteilig und gefährlich sei.“ Durch Verwendung von Schimpfwörtern wie „Die Teufel dieser Erde“ werde die Beleidigung noch offensichtlicher. 378 Für die Anerkennung einer Staatsgefährdung wie auch einer Beleidigung sei insbesondere die Behauptung ein Beleg, dass nicht Deutsche, „sondern nur Juden auf die Idee der Massenvergasung kommen konnten.“379 So gut die Beschwerde begründet worden war, sie führte nicht zum erwünschten Ziel. In knappen Worten teilte das OLG Hamburg am 6. Januar 1959 mit, sie werde „aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses […] als unbegründet verworfen.“380

8.1 „Staatsnotstand!“ – Der „Fall Nieland“ wird zum Skandal Mit der Ablehnung der Beschwerde hätte das Verfahren gegen Nieland und Heimberg ohne besondere Aufmerksamkeit beendet sein können. Trotz der auf größtmögliche politische Aufmerksamkeit angelegten Versendung an die politische Elite der Bundesrepublik hatte der Fall bis zum Januar 1959 in Medien und Politik kaum stattgefunden.381 Doch der Urteilsspruch vom 6. Januar fiel in eine Zeit erhöhter Aufmerksamkeit für antisemitische und neonazistische Taten. Die Skandale um Ludwig Zind und den KZ-Arzt Hans Eisele hatten die Justizbehörden im Laufe des Jahres 1958

376 Ebenda. 377 Sofortige Beschwerde des leitenden Oberstaatsanwalts beim Hans. OLG Hamburg, AZ a Js 236/57, zit. nach Küster, Fall Nieland, S. 176-177. 378 Ebenda, S. 177. 379 Ebenda. 380 Beschluss des Hans. OLG Hamburg vom 6. Januar 1959, AZ Ws 724/58, zit. nach Küster, Fall Nieland, S. 178. 381 Bergmann, Antisemitismus, S. 208. 61 unter Druck gesetzt, die Flucht Zinds nach Ägypten verursachte im Dezember desselben Jahres eine erneute Empörungswelle.382 Die Skandalisierung des „Falles Nieland“ wurde durch Hamburgs Ersten Bürgermeister initiiert. Brauer, der als exponierter Sozialdemokrat 1933 nach Frankreich und schließlich in die USA hatte fliehen müssen, war durch den Spruch des Oberlandesgerichtes empört. Am Morgen des 8. Januar kündigte er mit dem Hinweis auf einen „Staatsnotstand“383 gegenüber Adenauer seine unmittelbare Reise nach Bonn an, um mit dem Bundeskanzler das weitere Vorgehen zu beraten. Beide Parteien müssen sich dabei im Klaren darüber gewesen sein, dass das Urteil rechtskräftig und damit unveränderlich geworden war. Dass an dem Gespräch letztlich auch Außenminister von Brentano, Staatssekretär Globke und der Jurist Josef Schafheutle teilnahmen384, macht deutlich, dass es nicht mehr um das konkrete Verfahren gegen Nieland und Heimberg ging, sondern um Schadensbegrenzung. Um den Eindruck einer sich renazifizierenden Bundesrepublik abzuwehren bedurfte es einer Verschärfung und Präzisierung der Rechtsvorschriften.385 Brauer hätte dafür in Hamburg einen gewissen Spielraum besessen386, wollte aber die offene Konfrontation mit der örtlichen CDU vermeiden.387

382 Ludwig Zind, Studienrat aus Offenburg, hatte einem Juden das Bedauern ausgedrückt, dass dieser nicht auch vergast worden sei. Erst durch die Berichterstattung des Spiegel wurde das anhängige Dienststrafverfahren begonnen. Auffällig war die große Unterstützung der Bevölkerung für Zind im folgenden Strafprozess. Er wurde zu einem Jahr Gefängnis verurteilt, entzog sich aber der Haft durch Flucht nach Ägypten. Hans Eisele war als Mitglied der Waffen-SS Arzt in den Konzentrationslagern Mauthausen und Buchenwald. Als ihn im Bayreuther Prozess gegen Martin Sommer neue Aussagen schwer belasteten flüchtete er nach Ägypten. Nachdem eine seit 1955 unbearbeitet gebliebene Anzeige gegen Eisele, die auch die neuen Beschuldigungen enthielt, öffentlich wurde, entwickelte sich die Flucht zu einem bayerischen Justizskandal. Zu beiden Fällen Bergmann, Antisemitismus, S. 192-207. Gemein ist ihnen, dass sich die mediale Empörung nicht auf die Täter selbst, sondern den Umgang von staatlichen Stellen mit den Vorwürfen fokussierte. Dadurch, dass beide Beschuldigte ohne Probleme fliehen konnten, manifestierte sich das Bild einer gegenüber rechtsextremen Tätern gleichgültigen Justiz. 383 Reich des Zwistbringers, in: Der Spiegel 21. Januar 1959, S. 20. 384 Ebenda. 385 Tatsächlich äußerte Adenauer die Befürchtung, das sich im Ausland das durch die Fälle Zind und Eisele gewachsene Misstrauen gegen die Bundesrepublik durch den „Fall Nieland“ als fester Eindruck manifestieren könnte. Tatsächlich berichteten internationale Medien wie Le Monde und New York Times schnell und ausführlich, auch in der DDR wurde über „Westdeutsche ‚Rechtsprechung‘ im Geist und in der Sprache Hitlers“ berichtet, Bergmann, Antisemitismus, S. 209 Anm. 55. 386 Krone, Volksverhetzung, S. 33. Siehe dazu auch die fast zeitgleich eingereichte Kleine Anfrage Nr. 2 der Fraktionen von CDU, SPD und FDP, die Informationen über seitens der nordrhein-westfälischen Landesregierung geplante Maßnahmen gegen „ein Neuaufleben antijüdischer Bestrebungen“ verlangte, Kleine Anfrage Nr. 2 der Fraktionen der CDU, der SPD und der FDP 26. Januar 1959, [*Drucksache Landtag Nordrhein-Westfalen 04/46. 387 Reich des Zwistbringers, in: Der Spiegel 21. Januar 1959, S. 25. Dass Brauer Grund zu seiner Einschätzung der Lage hatte zeigte die spätere Haushaltsdebatte in der Hamburger Bürgerschaft, in der die CDU ihm Rechtsbeugung vorwarf. Als Brauer seinerseits der CDU unterstellte, antisemitische Tendenzen zu billigen, verließ die Opposition den Saal, vgl. Tumult in der Hamburger Bürgerschaft, in: FAZ 21. März 1959, S. 3. 62

Adenauer hingegen konnte mit Brauer einen prominenten Sozialdemokraten als Mitstreiter in der Sache vorweisen und dadurch einen breiten gesellschaftlichen Konsens für eine Strafrechtsänderung für sich reklamieren. Die Öffentlichkeit nahm von diesen Vorgängen am 9. Januar Notiz. Brauer hielt eine Pressekonferenz vor 120 in- und ausländischen Journalisten ab und äußerte seine Erschütterung über die Justizentscheidungen.388 Schnell bildete sich ein Bündnis aus SPD, CDU, DGB und jüdischen Einrichtungen389, das sofortige gesetzliche Maßnahmen forderte. Gleichzeitig geriet der verantwortliche Direktor des Landgerichts, Enno Budde, in den Fokus der öffentlichen Kritik.390 Der Hamburger Senat erwog ein Verfahren gegen Nieland, um ihm das Recht auf freie Meinungsäußerung zu entziehen. Ein solches Vorgehen wäre in der Geschichte der jungen Bundesrepublik einzigartig gewesen.391 Zwischen dem 9. und dem 15. Januar erwirkte der Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Hendrik van Dam, vor dem Landgericht Hamburg eine einstweilige Verfügung gegen Friedrich Nieland, mit der die Weiterverbreitung der Broschüre untersagt wurde.392 Im Antrag hatte van Dam seine persönliche Beleidigungsfähigkeit, der Rechtsauffassung des Gerichts entsprechend, damit begründet, dass er in seinem Amt eindeutig zum begrenzten Kreis des „Internationalen Judentums“ gehöre.393 Daraufhin zog der Generalbundesanwalt das Verfahren an sich und beantragte vor dem Bundesgerichtshof die Beschlagnahmung der Restexemplare sowie der Druckplatten. Das Gericht folgte diesem Antrag Anfang März und erklärte Nielands Schrift für beleidigend und staatsgefährdend, womit die juristische Bearbeitung endgültig abgeschlossen war.394 Der politische Umgang mit dem Fall war zu dieser Zeit allerdings noch weit vom Ende entfernt. Insbesondere die Richterverbände wandten sich früh gegen eine zur

388 Bergmann, Antisemitismus, S. 209. 389 Ebenda, S. 209-211. 390 Wie der Spiegel und die Frankfurter Rundschau enthüllten, war Budde als Jurist im „Dritten Reich“ als Verfechter der Rassengesetzgebung aufgetreten und hatte nach dem Krieg eine Reihe äußerst milder Urteile gegen Rechtsextreme und NS-Täter gefällt. Am 15. Januar 1959 stellte Budde, nach eigener Aussage aufgrund von sieben anonymen Morddrohungen, Antrag auf Versetzung zur 16. Zivilkammer, siehe Jahr, Antisemitismus, S. 358. 391 Hamburg erwägt Grundrechtsklage gegen Nieland, in: FAZ 10. Januar 1959, S. 3. 392 Kabinettsprotokolle der Bundesregierung Bd. 12 1959, 49. Sitzung 14. Januar 1959, S. 75-76. Da nach geltendem Recht nicht der Zentralrat selbst, sondern nur Individuen beleidigungsfähig waren, ging die Anzeige von der Person Hendrik van Dam aus. Im Aktenbestand B 1/7 des Zentralrats der Juden ist der Vorgang daher nicht dokumentiert. 393 Reich des Zwistbringers, in: Der Spiegel 21. Januar 1959, S. 25. 394 Bundesgerichtshof: Broschüre von Nieland verfassungswidrig, in: Die Welt 2. März 1959, S. 2. 63

Richterschelte werdende Urteilsschelte395, da der Grund der Hamburger Entscheidung nicht in Buddes Person, sondern im Fehlen eines geeigneten Strafgesetzes liege.396 Schon am 14. Januar beschloss das Bundeskabinett, einen in der vorigen Legislaturperiode ausgearbeiteten Entwurf eines Gesetzes gegen Volksverhetzung als Vorgriff auf die geplante Justizreform in den Bundestag einzubringen.397 Die vom Kabinett verabschiedete Vorlage wurde zur Grundlage der Schaffung des Volksverhetzungsparagraphen von 1960.

9. Wer gehört zum jüdischen Kollektiv? Die Strafverfolgung antisemitischer Äußerungen bis 1960 In der Zeit zwischen der Ausrufung des Grundgesetzes und der Reform von §130 StGB 1960 wurden nur drei Täter wegen Verstoßes gegen den alten Klassenkampfparagraphen verurteilt.398 Dass der mittlerweile fast 80 Jahre alte Gesetzestext die Realität der jungen Bundesrepublik nicht mehr greifen konnte, widersprach dem zumindest in Teilen vorhandenen politischen und juristischen Willen, antisemitische Äußerungen, auch wenn sie nicht staatsgefährdend waren, zu verfolgen und zu ahnden. An einer Bekämpfung antisemitischer Äußerungen interessierten Staatsanwaltschaften blieb daher nur der Weg offen, die strafgesetzlichen Vorschriften zur Beleidigung399 anzuwenden. Da eine direkte Konfrontation zwischen einem Leugner und einem jüdischen Überlebenden oder Nachkommen kaum vorkam400, handelte es sich hierbei nicht um eine Individual-, sondern um eine Kollektivbeleidigung.401 Im Falle antisemitischer Äußerungen wurde das Kollektiv also aus der Gesamtheit der deutschen Juden gebildet. Das zunächst erörterte Problem, dass die Gesamtheit der in Deutschland lebenden Juden eine ob ihrer Größe zu unklar definierte Gruppe darstellen würde, verwarf der Bundesgerichtshof 1952 mit der Feststellung, dass angesichts von nur noch 30.000 jüdischen Mitbürgern „der Kreis der beleidigten Personen hinreichend

395 Ebenda, S. 215. 396 Ebenda, S. 213, Anm. 66. 397 Kabinettsprotokolle der Bundesregierung Bd. 12 1959, 49. Sitzung 14. Januar 1959, S. 76. 398 Lömker, Abwertung, S. 23-24. 399 Insbesondere §§ 185-189. 400 Wandres, Strafbarkeit, S. 102. 401 Der Begriff der Kollektivbeleidigung ist in der Rechtswissenschaft bis heute in seiner genauen Bedeutung umstritten. Wehinger, Kollektivbeleidigung, S. 17-18 versteht unter dem Kollektiv eine „Mehrzahl von Einzelpersonen“, die kollektiv bezeichnet werden, während Ignor, Straftatbestand, S. 70 darunter eine in einem spezifischen Kriterium geeinte Personenmehrheit versteht. Diese seit 1871 bestehende Unklarheit macht den Straftatbestand einem „der schwierigsten überhaupt in diesem Zusammenhang“, Jahr, Antisemitismus, S. 215. 64 abgegrenzt“ sei.402 Während das Urteil der jüdischen Bevölkerung einen erweiterten Rechtsanspruch sicherte, setzte es auch das Fundament des juristischen Bildes jüdisch- deutscher Identität nach dem Holocaust403: „Gerade die verbrecherische natsoz. Verfolgung der Juden hat dazu beigetragen, daß sie nunmehr eine deutlich umrissene Gruppe bilden.“404 Damit waren im Blick des Strafrechts die Kriterien der Zugehörigkeit zur Gruppe der Juden identisch mit den ausgrenzenden Kriterien des „Dritten Reiches“.405 Die Urteilsbegründung des Bundesgerichtshofes beendete damit, wenn auch nur vorläufig, eine drei Jahre währende Unklarheit. Erstmals hatte im April 1949 das Oberlandesgericht Neustadt zur Beleidigungsfähigkeit aller deutschen Juden geurteilt und dabei den Angeklagten wegen „mangelnder Konkretisierbarkeit des Verletzten“406 freigesprochen.407 Dem entgegen hatte der Oberste Gerichtshof für die Britische Zone im Dezember 1949 die Möglichkeit der Beleidigung aller deutschen Juden bejaht.408 Der Annahme entgegen, dass das „alte Problem der Kollektivbeleidigung“ mit dem BGH-Urteil von 1952 „aus der Welt geschafft“409 worden sei, verneinte wiederum das Oberlandesgericht Hamburg 1953 die Beleidigungsfähigkeit der Gruppe der deutschen Juden ausdrücklich: „Es fehlt bei einem allgemeinen Angriff gegen die Juden – sei es als Rasse, sei es als Religionsgesellschaft – an einer hinreichenden Beziehung zu einzelnen bestimmten Angehörigen dieser Gesamtheit.“410 Das bis zur Schaffung des Volksverhetzungsparagraphen letzte relevante Urteil zur Kollektivbeleidigungsfähigkeit der deutschen Juden sprach wiederum der Bundesgerichtshof im Februar 1958, nachdem ihm das Verfahren gegen Franz Linder vom Oberlandesgericht Frankfurt am Main vorgelegt worden war. Seiner eigenen Rechtsprechung von 1952 folgend bestätigte der BGH erneut, dass „infolge ihres schweren Schicksals“ die deutschen Juden eine hinreichend abgegrenzte Gruppe

402 BGH, Urteil vom 8. Mai 1952, zit. nach NJW 5 1952, S. 1184. 403 Jahr, Antisemitismus, S. 382. 404 BGH, Urteil vom 8. Mai 1952, zit. nach NJW 5 1952, S. 1184. 405 Jahr, Antisemitismus, S. 383 fasst die Auswirkungen des Urteils zugespitzt so zusammen, „dass eine Gruppe erst einen Völkermord erleiden muss, ehe sie auf umfassenden Strafrechtsschutz hoffen darf.“ 406 Hendrik van Dam, Zur Frage der Kollektivbeleidigung von Juden, 24. Juni 1954, Anlage S. 2, ZAJ B 1/7 Nr. 57. 407 In diesem Fall ging es nicht um die Leugnung des Völkermordes, sondern um dessen Affirmation. Der Angeklagte hatte laut Anklage gesagt: „Den Drecksäcken ist nicht genug passiert, keiner dürfte mehr leben; wenn ich sie unter den Fingern gehabt hätte, wäre es passiert, ich hätte ganze Arbeit geleistet!“, zit. nach van Dam, Zur Frage, Anlage S. 2. 408 „Zumindest seit der Sondergesetzgebung seitens des nationalsozialistischen Staates waren nun die deutschen Juden eine unter Sonderrecht stehende und deshalb in jeder Beziehung scharf abgegrenzte Volksgruppe.“, OGH BZ-Urteil vom 12. Dezember 1949, zit. nach van Dam, Zur Frage, Anlage S. 4. 409 Jahr, Antisemitismus, S. 382. 410 OLG Hamburg, Urteil vom 28. Januar 1953, zit. nach van Dam, Zur Frage, Anlage S. 6. 65 bildeten und somit beleidigungsfähig seien.411 Dementsprechend groß war das Befremden in rechtspolitischen Kreisen über Nichteröffnung des Nieland-Verfahrens412 - es widersprach der vorherrschenden Rechtsauffassung.

10. Der lange Weg zum Volksverhetzungsparagraphen: 1957 bis 1960 Das Bundeskabinett verdankte die Tatsache, dass es schon fünf Tage nach dem Beginn der Empörungswelle des „Falls Nieland“ einen fertigen Gesetzentwurf präsentieren konnte, letztendlich mit einem Justizminister, der schon seit fast sechs Jahren nicht mehr im Amt war. Nach der Bundestagswahl 1953 hatte er die Arbeiten einer umfassenden Strafrechtsreform eingeleitet, wurde aber einen Monat später nicht mehr in das neue Bundeskabinett berufen.413 Die Arbeiten an der Neufassung wurden im Ministerium dennoch fortgesetzt. Im Januar 1957 reichte die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag einen Initiativantrag auf Neufassung von § 130 StGB und Ergänzung von § 189 StGB ein. Mit dem neuen § 130 sollte Volksverhetzung mit mindestens einem Monat Gefängnis oder Geldstrafe bestraft werden414, mit der Ergänzung des § 189 zur Beleidigung des Andenkens Verstorbener gezielt die Leugnung des Völkermords unter Strafe gestellt werden:

„Hat der Verstorbene wegen seiner Abstammung oder seines Glaubens oder wegen seines Widerstandes gegen eine Gewalt- und Willkürherrschaft oder wegen seines Eintretens für eine freiheitliche demokratische Ordnung sein Leben verloren, so ist die Strafe Gefängnis nicht unter einem Monat. Für die Verfolgung ist ein Strafantrag nicht erforderlich.“415 Der so formulierte Entwurf war damit das am weitesten gehende Gesetz gegen die Verächtlichmachung von NS-Opfern. Nicht nur fehlte die einschränkende Bedingung der Öffentlichkeit der Äußerung416, es sollte erstmals der Ehrenschutz der Opfer nicht mehr nur als Antragsdelikt behandelt werden – im Falle der Völkermordleugnung hätte eine sich zuständig fühlende Staatsanwaltschaft also nicht mehr, zugespitzt formuliert,

411 Ernst Müller an den Zentralrat der Juden in Deutschland, 24. April 1958, ZAJ B 1/7 Nr. 58. 412 Bergmann, Antisemitismus, S. 215. 413 Scheffler, Reformzeitalter, S. 178-179. 414 Als der Volksverhetzung schuldig definiert wurde, „wer in einer den inneren Frieden gefährdenden Weise 1. gegen eine Bevölkerungsgruppe, die durch Abstammung, Herkunft oder Glauben ihrer Mitglieder bestimmt wird, hetzt oder sie oder eines ihrer Mitglieder wegen seiner Zugehörigkeit zu ihr beschimpft oder 2. vorsätzlich unwahre oder gröblich entstellte Behauptungen tatsächlicher Art aufstellt oder verbreitet, die geeignet sind, eine solche Bevölkerungsgruppe verächtlich zu machen“. Nach § 130 sollte mit § 130 a die Verächtlichmachung des Widerstandes gegen den Nationalsozialismus mit mindestens drei Monaten Gefängnis bestraft werden, VDB Drucksache 02/3067. 415 Ebenda. 416 Lömker, Abwertung, S. 29. 66 einen Juden finden müssen, der sich beleidigt fühlte.417 Da der Entwurf nicht von der Bundesregierung, sondern ausschließlich von der CDU/CSU-Fraktion stammte, war die Debatte von Offenheit geprägt. wandte sich für die FDP-Fraktion gegen das Vorhaben, weil „wir eine solche Barbarei [nicht] durch Paragraphen verhindern können.“418 Daher könne seine Fraktion dem Gesetz nicht zustimmen, angesichts des dahinter erkennbaren Willens aber der Überweisung in den Rechtsausschuss zustimmen.419 Der SPD-Abgeordnete Adolf Arndt wandte sich gegen den Sonderschutz der NS-Widerstandskämpfer, der sie zu einer Sondergruppe aller „Schlachtopfer“ des Nationalsozialismus mache, aber „stellvertretend für Tausende und Abertausende […] diesem armseligen kleinen Judenmädchen Anne Frank“ den besonderen Ehrenschutz versagen würde. Des Weiteren würde ein solches Gesetz zum Missbrauch herausfordern, durch den „Voltaire und Nietzsche aus dem Gefängnis überhaupt nicht mehr herausgekommen wären.“420 Die Ablehnung durch die SPD-Fraktion war in Hinblick auf den parteieigenen Entwurf von 1950 überraschend und schwächte die Erfolgsaussichten des Vorhabens deutlich. Der SPD-Meinung schlossen sich die Fraktionen von DP und GB/BHE an. Der Antrag wurde in den Rechtsausschuss überwiesen. Dort wurde er in den wenigen Monaten bis zur Bundestagswahl nicht mehr beraten und verschwand damit bis 1959 von der politischen Bühne.421 Als der „Fall Nieland“ die Aufmerksamkeit der Bundesregierung wieder auf den in drei Anläufen gescheiterten Volksverhetzungsparagraphen lenkte, lag es nahe, die zwei Jahre alte Vorlage, die im Justizministerium noch einmal gekürzt und umformuliert worden war422, als „Blitzgesetz“423 zu verwenden. Im Gegensatz zu 1957 fehlten nun die Sonderbestimmungen, welche die Verächtlichmachung von Opfern des Nationalsozialismus betrafen, völlig. Trotzdem wandte sich Wilhelm Probst für die DP- Fraktion gegen das Vorhaben. Erstens sei es nicht nötig, da alle in den letzten Jahren bekannt gewordenen Fälle von Antisemitismus das Werk von Einzelgängern oder „Provokateure[n], deren Auftraggeber im bolschewistisch besetzten Teil Deutschlands

417 Tatsächlich schickten verschiedene Staatsanwaltschaften in den 1950er Jahren Zeugenaussagen zu antisemitischen Äußerungen an den Zentralrat der Juden mit der Bitte, den Fall zu prüfen und gegebenenfalls, meist durch den Vorsitzenden Hendrik van Dam, Anzeige wegen Beleidigung zu stellen. Exemplarisch Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Coburg an den Zentralrat der Juden 2. November 1959, ZAJ B 1/7 Nr. 60. 418 VDB 7. Februar 1957, S. 10910. 419 Ebenda. 420 Ebenda, S. 10920. 421 Lömker, Abwertung, S. 30. 422 Der hiernach „E 1958“ betitelte Entwurf einer Unterkommission der Großen Strafrechtskommission blieb allerdings bei seiner Fertigstellung gänzlich unbeachtet, ebenda, S. 30-31. 423 Bonn will Blitzgesetz gegen Volksverhetzung, in: Hamburger Abendblatt 15. Januar 1959, S.1. 67 zu suchen sind“, seien, die keinerlei Rückhalt in der Bevölkerung hätten.424 Zweitens würden die Juden durch diese „Ausnahmegesetzgebung“ durch ein Bundesgesetz von der übrigen Bevölkerung distanziert.425 Der SPD-Abgeordnete Karl Wittrock signalisierte in einer erneuten sozialdemokratischen Kehrtwende die Unterstützung des Gesetzes426, Emmy Diemer-Nicolaus erläuterte für die FDP-Fraktion, dass auch sie dem Vorhaben grundsätzlich positiv gegenüberstehe: „Wir können Fälle wie die eines Nieland, eines Zind und eines Eisele bei unseren Überlegungen nicht einfach übergehen.“427 So gestärkt wurde der Entwurf an den Rechtsausschuss und mitberatend an den Ausschuss für Inneres überwiesen.428 Einer schnellen Verabschiedung, die Diemer-Nicolaus für den Juni erwartete429, schien nichts im Wege zu liegen. Am 4. Mai 1959 äußerte sich der Zentralrat der Juden erstmals öffentlich zu dem laufenden Gesetzesvorhaben. Stellvertretend für das Direktorium erklärte Hendrik van Dam, der Entwurf sei „nicht […] geeignet, den Zwecken des Gesetzgebers zu entsprechen.“430 Das wieder eingeführte Kriterium der Gefährdung des öffentlichen Friedens sei so unpräzise formuliert, dass es oft eine Verurteilung ausschließen werden würde, zudem bedürfe die Verfolgung immer noch eines Strafantrages, der in den meisten Fällen von Behörden an den Zentralrat herangetragen würde.431 Der Zentralrat erwarte „keine Sondergesetze für die jüdische Bevölkerung“ und wehre auch „mit Nachdruck das privilegium odiosum des Strafantragsrechtes ab“, da ihm in solchen Fällen „Rachsucht und mangelndes Verständnis für die Schwächen geistig Minderwertiger vorgeworfen“ würde.432 Die per Pressemitteilung verbreitete Stellungnahme setzte den federführenden Rechtsausschuss besonders unter Druck. Zu Beginn der Verhandlungen hatten Vertreter von CDU/CSU und SPD dem Zentralrat für seine konstruktiven Anregungen gedankt433 und hatten offenbar dessen Rückhalt für sicher gehalten. Den Entwurf völlig neu zu formulieren, kam allerdings in Anbetracht der Dringlichkeit und unter dem Eindruck des in der ersten Lesung bestehenden

424 VDB 6. April 1959, S. 3623-3624. 425 Ebenda, S. 3624. 426 „Selbstverständlich stehen alle Überlegungen [...] von vornherein unter dem Vorzeichen, daß es die Pflicht dieses demokratischen Staates [...] ist, den Antisemitismus so wirksam wie möglich abzuwehren“, ebenda, S. 3625. 427 Ebenda. 428 Ebenda, S. 3626. 429 Ebenda, S. 3625. 430 Zentralrat der Juden in Deutschland an den Rechts- und Verfassungsausschuss des Deutschen Bundestages, 8. Mai 1959, ZAJ B 1/7 Nr. 118, S. 1. 431 Ebenda. 432 Ebenda, S. 2. 433 Karl Mommer an den Zentralrat der Juden in Deutschland, 9. Februar 1960, ZAJ B 1/7 Nr. 118 und an den Zentralrat der Juden in Deutschland, 1. Februar 1960, ZAJ B 1/7 Nr. 118. 68

überparteilichen Konsens‘ nicht in Frage. Die angesprochenen Mängel führten aber zumindest zu einer spürbaren Verzögerung des Ablaufs. So wurde der Entwurf des Rechtsausschusses, der nur geringfügige Änderungen enthielt434, am 3. Dezember 1959 dem Bundestag vorgelegt. Die CDU/CSU-Fraktion ging dabei offenbar von einer reibungslosen Verabschiedung aus. Doch zu ihrer Überraschung435 erklärten die Fraktionen von SPD und FDP, sie sähen „sich zu ihrem Bedauern nicht in der Lage, eine Mitverantwortung für dieses Gesetz zu übernehmen.“436 Begründet wurde dies maßgeblich mit den Bedenken, die der Zentralrat vorgebracht hatte.437 Nachdem sich der CDU-Abgeordnete Franz Böhm den ablehnenden Stimmen angeschlossen hatte und dafür vom ganzen Parlament Beifall bekommen hatte, beantragte sein Fraktionskollege , die Schlussabstimmung in dritter Lesung auszusetzen. Die Aussetzung wurde mit einigen Enthaltungen angenommen.438 Der „überraschende Ausgang“439 der Beratung lähmte das Verfahren ein weiteres Mal.

11. Der letzte Anstoß. Die Verabschiedung des Volksverhetzungsparagraphen Genau drei Wochen nach der Vertagung im Bundestag begann in der Weihnachtsnacht 1959 die mehrere Wochen andauernde Häufung antisemitischer Taten440, die als „antisemitische Schmierwelle“ einen entscheidenden Platz in der deutsch-jüdischen Nachkriegsgeschichte erhalten sollte.441 Die mindestens 470 Taten, darunter Schändungen jüdischer Einrichtungen und Friedhöfe sowie zur Anzeige gebrachte Beleidigungen,442 führten zu einer ausgiebigen Medienberichterstattung im In- und Ausland und erzeugten „eine hochgradige Sensibilität für das Thema Antisemitismus“443, die über Adenauers Forderung den Tätern „eine Tracht Prügel“ zu geben444, hinausging.

434 VDB 03/1143, dazu erläuternd Rohrßen, Anreizung, S. 161-162. 435 Schafheutle, Strafrechtsänderungsgesetz, S. 471. 436 VDB 3. Dezember 1959, S. 5082. 437 Ebenda, S. 5087. 438 Ebenda, S. 5089. 439 Um das Gesetz gegen Volksverhetzung, in: SZ 5./6. Dezember 1959, S. 2. 440 Der für die Bundesregierung besonders vorteilhafte Verdacht, zumindest Teile der Schmierwelle könnten durch DDR-Agenten initiiert worden sein, wird bis heute kontrovers diskutiert, vgl. Wolffsohn, Deutschland-Akte, S. 17-23 und Bergmann, Antisemitismus, S. 244-246. 441 Zu den Taten und den ersten Reaktionen im Ausland vgl. Buschke, Deutsche Presse, S. 312-320. 442 Streng, Unrecht, S. 504. 443 Buschke, Deutsche Presse, S. 353. 444 Verprügelt die Schmierfinken, sagt Adenauer, in: SZ 18. Januar 1960, S. 1. 69

In dieser Situation brachten die Fraktionen von SPD und FDP unabhängig voneinander Gesetzentwürfe in den Bundestag ein, die den Antisemitismus für das Strafrecht besser fassbar machen sollten.445 Am 20. Januar, auf dem Höhepunkt der „Schmierwelle“, wurden sie zusammen mit dem Regierungsentwurf vom Dezember ohne Aussprache an den Rechtsausschuss überwiesen.446 In den dortigen Beratungen lässt sich ein übergeordneter Wille zum Kompromiss erkennen – anstatt auf aktualisierte Referentenentwürfe aus dem Justizministerium zu warten, wurde schon Mitte März auf einer fraktionsübergreifenden Besprechung eine verabschiedungsfähige Fassung formuliert.447 Nachdem das Element der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener in den letzten Entwürfen nicht mehr aufgegriffen worden war, sollte nun dem § 189 StGB ein neuer Absatz hinzugefügt werden:

„Hat der Verstorbene Antragsberechtigte im Sinne des Absatzes 2 nicht hinterlassen oder sind sie vor Ablauf der Antragsfrist gestorben, so entfällt das Erfordernis des Strafantrages, wenn der Verstorbene sein Leben als Opfer einer Gewalt- und Willkürherrschaft verloren hat und die Verunglimpfung damit zusammenhängt.“448 Der Absatz stellte einen Kompromiss zwischen SPD und CDU/CSU her. Während die SPD-Fraktion die völlige Abkehr vom Strafantragserfordernis gefordert hatte, war durch die CDU/CSU-Fraktion der Grundsatz geltend gemacht worden, dass Ermittlungen wegen Beleidigung nicht gegen den Willen des Beleidigten stattfinden dürften.449 Mit dem so hergestellten Konsens schaffte der Rechtsausschuss den Durchbruch. Um den Vorwurf eines Sondergesetzes abzuwehren wurde aus dem „Gesetz gegen Volksverhetzung“ das „Sechste Strafrechtsänderungsgesetz“, das im Ausschuss mit einer Enthaltung angenommen wurde. Angesichts der seit zehn Jahren geführten Debatte über ein Gesetz zur Abwehr von Volksverhetzung war die letztendliche Verabschiedung unspektakulär. Stellvertretend für alle Bundestagsfraktionen sprach „angesichts der vorgerückten Stunde“450 der CDU- Abgeordnete Ernst Benda kurz, wonach das Gesetz in zweiter und dritter Beratung einstimmig angenommen wurde.451 Noch knapper gehalten wurde die Zustimmung des

445 Zu beiden Entwürfen im Einzelnen Krone, Volksverhetzung, S. 47-49. Gemein war ihnen, dass das Antragserfordernis entfallen sollte. 446 VDB 20. Januar 1960, S. 5285. 447 Rohrßen, Anreizung, S. 163. 448 Entwurf eines Sechsten Strafrechtsänderungsgesetzes, VDB Drucksache 03/1746, S. 5. 449 Krone, Volksverhetzung, S. 50. 450 VDB 20. Mai 1960, S. 6667. 451 Ebenda. 70

Bundesrates.452 Der Volksverhetzungsparagraph, der diesen Namen erst 1974 offiziell erhielt453, wurde bis 1994 im Wesentlichen unverändert beibehalten.

12. Schluss Die Geschichte der frühen Holocaustleugnung in der Bundesrepublik ist auf mehrfache Weise eine Geschichte erfolgloser Bemühungen. Die Leugner selbst scheiterten in ihrem Versuch, durch die Negation des Völkermordes das „Dritte Reich“ zu rehabilitieren oder Juden erneut aus der Gesellschaft auszuschließen. Die mediale Öffentlichkeit erkannte das Phänomen nicht frühzeitig als eigenständige antisemitische und neonazistische Facette, der man sich im Rahmen der jungen Demokratie entgegenstellen sollte. Die Vertreter der politischen Ebene schafften es elf Jahre lang nicht, den veralteten Klassenhetzeparagraphen den Realitäten der Zeit entsprechend in einen Volksverhetzungsparagraphen umzuwandeln, und die Justiz, obwohl zumindest auf Seiten der Staatsanwaltschaften durchaus bemüht, scheiterte daran, mit den vorhandenen Gesetzen eine kohärente Rechtsprechung zur Bekämpfung von Antisemitismus und Neonazismus zu schaffen. Die ersten Holocaustleugner besaßen schon vor dem Krieg und der Judenvernichtung eine gewisse Prominenz. Hans Grimms Name war wohl nahezu jedem Deutschen geläufig, da sein Roman „Volk ohne Raum“ Teil des Literaturkanons im „Dritten Reich“ war. Maurice Bardèche hatte als Wissenschaftler und Buchautor eine gewisse Bekanntheit erlangt, die jedoch nicht an die Grimms heranreichte. Dennoch konnten beide mit ihren Nachkriegsveröffentlichungen schon auf die Wirkungsmacht ihres Namens aufbauen und damit den Versuch unternehmen, ihre eigene Rolle in der Zeit des „Dritten Reiches“ nicht zu entschuldigen, sondern zu verteidigen. Dies unterschied sie von weiten Teilen der Bevölkerung – statt eines „Davon haben wir nichts gewusst“ verwendeten sie „Das ist nicht geschehen“ als Abwehrmittel individueller Schuld. Paul Rassinier stellt dabei einen Sonderfall dar – als einziges ausgewähltes Fallbeispiel ist er zumindest zu Beginn der politischen Linken zuzuordnen und war selbst Opfer nationalsozialistischer Verfolgung, was ihn bis heute zu einem wichtigen Zeugen der

452 VDB 10. Juni 1960, S. 415. 453 Rohrßen, Anreizung, S. 185. 71

Holocaustleugner macht.454 Diesen drei Wegbereitern der Leugnung ist gemein, dass sie sich mit ihren öffentlichen Äußerungen aus der Nachkriegsgesellschaft ausschlossen und nunmehr ungewollt nur noch in rechtsextremen Kreisen Gehör fanden. Gleiches galt für Klaus Petri, der als junger Student ohne Erfahrung mit öffentlichen Skandalen zwar den Konflikt gesucht hatte, von der Vehemenz der Gegenrede und der Aufmerksamkeit, die bis zum Bundeskanzler reichte, aber vollkommen überrascht wurde. Innerhalb weniger Tage verlor er seinen Studienplatz und die Mitgliedschaft in der Burschenschaft und wurde damit, zumindest temporär, sinnbildlich aus der Gesellschaft ausgeschlossen. Anders verhielt es sich mit der rechtsextremen Presse – sie stand von vorneherein außerhalb des demokratischen Spektrums und bemühte sich auch nicht, dort Gehör zu finden. Im Fall von „Der Weg“ wurde dies durch den argentinischen Erscheinungsort noch verstärkt. Diese Zeitschriften wurden von rechtsextremen Autoren für rechtsextreme Leser produziert und wählten einen dementsprechend aggressiven Ton für ihre Leugnungsversuche. Dabei wurden sie zum Knotenpunkt der Holocaustleugner, verbreiteten neue Argumentationsweisen und stellten Kontakte her. Friedrich Nieland stellt einen weiteren Sonderfall dar. Zwar ist davon auszugehen, dass er einschlägige rechtsextreme Literatur rezipiert hat, als Autor trat er aber vor seiner Broschüre nicht in Erscheinung. Auch unterscheidet sich die Art seiner Holocaustleugnung deutlich von der ansonsten vorherrschenden Position. Ohne auf Zahlen oder Völkermordmittel gesondert einzugehen, machte er das „Internationale Judentum“ für sämtliche NS-Verbrechen verantwortlich und negierte damit deutsche Schuld vollständig. Dabei ging er keineswegs vorsichtig oder so geschickt wie Rassinier und Grimm vor, sondern verstrickte sich derart in Widersprüchen und nicht nachvollziehbaren Argumentationsketten, dass er während der gegen ihn laufenden Ermittlungen auf seinen Geisteszustand hin untersucht wurde. Die institutionelle Reaktion auf Holocaustleugnung begann mit dem Einspruch der Alliierten. 1950 wurde Maurice Bardèche auf einer Vortragsreise durch Deutschland ohne weitere Erläuterung das Visum entzogen, weitere juristische Schritte folgten allerdings nicht. Dass „Der Weg“ in Deutschland anfangs mit einem Verkaufsverbot belegt wurde, hatte nichts mit Fällen von Holocaustleugnung zu tun, sondern mit der Sorge vor der Bildung einer nazistischen Exilregierung in Buenos Aires.

454 Ein vergleichbarer Fall ist Josef Ginsburg, der als deutsch-jüdischer Journalist nach dem Eichmann- Prozess begann, den Holocaust zu leugnen. Hierzu knapp Grigat, „Projektion“, S. 470. 72

Auch Hans Grimm wurde von der deutschen Justiz nicht behelligt. Seine Werke wurden zwar als intellektuell unredlich abgelehnt, aber nicht für strafrechtlich relevant erachtet. Juristische Verfahren wegen Antisemitismus am Anfang der 1950er Jahre beschränkten sich auf die Bejahung des Völkermords, wie sie etwa Wolfgang Hedler getätigt hatte. Hierzu wurde das juristische Konstrukt der Kollektivbeleidigung angewendet, um dessen Legitimität in Bezug auf Judenfeindschaft lange gerungen wurde. Erst im späteren Verlauf des Untersuchungszeitraums wurde die offene und aggressive Leugnung des Völkermordes an den Juden lokal begrenzt zum Bestandteil der Ermittlungen. Während die Ermittlungen gegen Klaus Petri noch innerhalb kürzester Zeit eingestellt worden waren, reagierte die Justiz auf die ausdrückliche und aggressive Leugnung in „Die Anklage“ schnell mit Einziehung der betreffenden Ausgaben. Für eine erhöhte justizielle Aufmerksamkeit spricht auch, dass der „Fall Nieland“ durch die Nichteröffnung des Hauptverfahrens überhaupt erst zum Skandal wurde. Gleichzeitig deutet die Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung auf den Mangel an anwendbaren und eindeutigen Gesetzesvorgaben hin. Diese Vorgaben zu schaffen erwies sich der jungen Bundesrepublik über fast elf Jahre als unmöglich. Das Bewusstsein, einen Straftatbestand der Volksverhetzung schaffen zu müssen, entstand dabei schon 1950 und gewann durch die Hedler-Affäre an Zustimmung. Dass der Gesetzentwurf der SPD als Oppositionsantrag nicht verabschiedet wurde, ist nicht verwunderlich. Die darauf folgenden zahlreichen Verzögerungen, Verschiebungen und Ablehnungen von in Justizministerium und den Rechtsausschüssen erarbeiteten Strafrechtsergänzungen hingegen deuten darauf hin, dass dem Problem lange keine hohe Priorität eingeräumt wurde. Dass im Juli 1951 der Volksverhetzungsparagraph vollständig aus den Entwürfen gestrichen wurde, lag an der veränderten Gefährdungswahrnehmung. Angesichts des Kalten Krieges lag der Fokus der Bundesrepublik nicht mehr auf der Abwehr der NS-Wiederbetätigung, sondern auf dem Staatsschutz und der Abwehr sowjetischer Einflussnahme. Dass dennoch im Laufe der Jahre weitere Initiativen aus Bundesregierung und Parlament kamen, lag in erster Linie an der Sorge um den Eindruck, den die Bundesrepublik im Ausland machte. Die Skandale um Klaus Petri und Friedrich Nieland, aber auch die Affären Zind und Eisele und die international Aufsehen erregende Schmierwelle von 1959/60 waren geeignet, das Ansehen der Bundesrepublik nachhaltig zu schädigen. Nicht zuletzt dienten sie als wirkungsmächtiger Beweis einer „Re-Faschisierung“ in den Medien der DDR. Aktive Interventionen der Alliierten in die Gesetzgebung sind allerdings nicht nachweisbar.

73

Doch der letztlich 1960 verabschiedete Volksverhetzungsparagraph erwies sich zur Verhinderung von Holocaustleugnung als unbrauchbar. Hatte der erste Entwurf der SPD von 1950 noch, wenn auch ohne konkreten Bezug zu Vorfällen, eine Volksverhetzung durch Leugnung mit erfasst, war dieses Element bis 1960 durch eine Ergänzung der ohnehin schon angewendeten Beleidigungsparagraphen ersetzt worden. Der dabei erzwungene Kompromiss, dass ein Antragserfordernis nicht erforderlich sei, wenn der Beleidigte schon verstorben sei, war für die Leugnung des Holocaust nicht anwendbar. Da es sich dabei um eine Kollektivbeleidigung der jüdischen Verfolgten im Nationalsozialismus handelte, gab es gleichermaßen verstorbene wie überlebende deutsche Juden, die von dieser Beleidigung betroffen waren. In der Praxis konnte damit wegen der Holocaustleugnung weiterhin nur ermittelt werden, wenn ein deutscher Jude Anzeige erstattete.

12.1 Zwei kurze Ausblicke Der Umgang mit Holocaustleugnung schließt auch die kaum zu beantwortende Frage ein, ob die Holocaustleugner selbst von ihren Thesen überzeugt sind. Kein Leugner würde aus eigenem Antrieb zugeben, von politischen Zielen geleitet zu sein, da dies seine Reputation in „revisionistischen“ Kreisen zerstören würde. Indizien für die tendenziöse Herangehensweise sind aber vorhanden. Fast alle Holocaustleugner operieren aus einem antisemitisch bzw. antiamerikanisch geprägten Weltbild heraus. Zudem leiten die meisten ihrer nach Eigenzuschreibung geschichtswissenschaftlichen Untersuchungen Forderungen für die Politik und Gesellschaft der Veröffentlichungsgegenwart ab. Daher ist es nachvollziehbar, dass die ersten prominenten Holocaustleugner aus Frankreich, Deutschland und dem arabischen Raum kamen.455 Die Unzulänglichkeit des bestehenden Volksverhetzungsparagraphen wurde ab Ende der 1970er Jahre thematisiert. Bundesjustizminister Hans-Jochen Vogel stellte die strafrechtliche Lücke bezüglich der Holocaustleugnung erstmals öffentlich fest, seine Nachfolger Jürgen Schmude und Hans Engelhard folgten seiner Auffassung. Ein erster Gesetzentwurf, den die Bundesregierung unter Kohl von der vorigen Regierung

455 Litvak, From Empathy, S. 155-192 stellt fest, dass der Holocaust in den arabischen Staaten umso vehementer abgestritten wurde, je zentraler er für die nationale Sinnstiftung Israels wurde. Dem widerspricht Kamil, Holocaust, S. 22 und wertet arabische Holocaustleugnung nur als Beitrag zur „gedächtnistheoretischen Komplexität“ des Palästinakonflikts. 74

übernommen hatte, scheiterte 1984 noch an Bedenken des Bundesrats456 und wurde insbesondere von den Grünen durch Otto Schily aufgrund des „staatsfixierten Denkens“457 scharf abgelehnt. Dass die Holocaustleugnung in Deutschland letztlich ausdrücklich verboten wurde, lag an der Entscheidung des Bundesgerichtshofes von März 1994, das Urteil des Landgerichts Mannheim gegen den NPD-Vorsitzenden Deckert aufzuheben, der öffentlich von der „Gaskammerlüge“ gesprochen hatte. Der BGH hatte bemängelt, es fehlten die Nachweise von Volksverhetzung und Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener. Das Urteil wurde in Deutschland und international massiv kritisiert und bewirkte erneute und beschleunigte Arbeiten am Verbot der Holocaustleugnung.458 Zum 1. Dezember 1994 trat damit der in Bundestag und Bundesrat einstimmig beschlossene § 130 Abs. 3 StGB in Kraft, der wirksam und eindeutig Holocaustleugnung als Straftatbestand fasste:

„Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 220 a Abs. 1 bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost.“459

456 Rohrßen, Anreizung, S. 196-197. 457 VDB 12. April 1984, S. 4760. 458 Rohrßen, Anreizung, S. 205-206. 459 § 130 StGB, zit. nach Rohrßen, Anreizung, S. 302. 75

Abkürzungsverzeichnis AStA Allgemeiner Studentenausschuss AZ Aktenzeichen BGH Bundesgerichtshof BP Bayernpartei CDU Christlich Demokratische Union CSU Christlich-Soziale Union DDR Deutsche Demokratische Republik DGB Deutscher Gewerkschaftsbund DM Deutsche Mark DP Deutsche Partei DRP Deutsche Reichspartei DUZ Deutsche Universitätszeitung Fa. Firma FAZ Frankfurter Allgemeine Zeitung FDP Freie Demokratische Partei GB/BHE Gesamtdeutscher Block/Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten GVBl Gesetz- und Verordnungsblatt KPD Kommunistische Partei Deutschlands KZ Konzentrationslager LG Landgericht NJW Neue Juristische Wochenschrift NKWD Narodny kommissariat wnutrennich del NPD Nationaldemokratische Partei Deutschlands NS Nationalsozialismus NSDAP Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei OKW Oberkommando der Wehrmacht OLG Oberlandesgericht OMGUS Office of Military Government, United States PCF Parti communiste français RGBl Reichsgesetzblatt RStGB Reichsstrafgesetzbuch SD Sicherheitsdienst des Reichsführers SS 76

SFIO Section française de l’Internationale ouvrière SPD Sozialdemokratische Partei Deutschlands SRP Sozialistische Reichspartei SS Schutzstaffel StGB Strafgesetzbuch SZ Süddeutsche Zeitung UA Bonn Archiv der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn UdSSR Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken USA United States of America VDB Verhandlungen des Deutschen Bundestages VOBl Verordnungsblatt ZAJ Zentralarchiv zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland

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Quellen

1. Archivalien Zentralarchiv zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland, Heidelberg B 1/7: Zentralrat der Juden in Deutschland, Akten 1950-2007 Sachgebiet Antisemitismus 57, 58, 60 Sachgebiet Gesetze 118 Archiv der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn UV 069: Universitätsverwaltung Nachkriegszeit 440 Bd. 1948-1955, Listen von exmatrikulierten Studierenden

2. Periodika Besinnung Das literarische Deutschland Der Spiegel Der Weg - El Sendero Deutsche Universitätszeitung Die Anklage Die Welt Die Weltbühne Die Zeit Frankfurter Allgemeine Zeitung Frankfurter Hefte Hamburger Abendblatt Juristenzeitung Kölner Stadtanzeiger Nachrichtenblatt der Bonner Studentenschaft Nation Europa Neue Gesellschaft Neue Juristische Wochenschrift Neues Deutschland New York Times Passauer Neue Presse Süddeutsche Zeitung, Stadt-Ausgabe München

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