Holocaustleugnung Geforscht
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Die Möglichkeit einer Lüge Der Umgang mit der Leugnung des Massenmordes an den Juden in der Nachkriegszeit Inhalt Inhalt .................................................................................................................................. 2 1. Einleitung ...................................................................................................................... 4 1.1 Fragestellung und Thesen........................................................................................ 5 1.2 Definition und Begriffsklärung ............................................................................... 6 1.3 Methodik und Auswahl der Fallbeispiele................................................................ 7 1.4 Forschungsstand und Literatur ................................................................................ 9 1.5 Quellen .................................................................................................................. 12 2. Das Strafgesetzbuch vor der „Volksverhetzung“ ........................................................ 13 3. Eine Idee aus Frankreich: Maurice Bardèche und Paul Rassinier .............................. 16 3.1 Der Faschist als Leugner: Maurice Bardèche ....................................................... 17 3.2 Leugnung nach KZ-Haft: Paul Rassinier .............................................................. 19 3.3 Wechselwirkungen: Die Annäherung Bardèches und Rassiniers ......................... 22 3.4 Die Rezeption der Idee in Deutschland ................................................................. 25 4. Schreiben gegen das Gefühl der Deprivation: Hans Grimm ....................................... 27 4.1 „Erzbischofschrift“ und „Warum – woher – aber wohin?“................................... 28 4.2 Die Rezeption der Leugnungsversuche Grimms ................................................... 33 5. Die gescheiterten Entwürfe eines Strafrechtsparagraphen .......................................... 35 6. Bei Kriegsende elf Jahre alt: Der Student Klaus Petri ................................................ 38 6.1 „Eine Antwort an Herrn Revermann“ ................................................................... 39 6.2 Ein studentischer Skandal und die Veröffentlichungsfrage .................................. 40 6.3 Institutionelle Reaktionen auf den „Fall Petri“ ..................................................... 41 7. Die rechtsextreme Presse der 1950er Jahre ................................................................. 43 7.1 Neonazismus aus Übersee: Die Emigrantenzeitung „Der Weg“ .......................... 44 7.1.1 Leugnungen des Völkermordes in „Der Weg“ .................................................. 45 7.1.2 „Der Weg“ in und nach Deutschland ................................................................. 50 7.2 Internationale Vernetzung: „Nation Europa“ ........................................................ 54 7.2.1 „Nation Europa“ in Medien und Wissenschaft .................................................. 57 8. „Eine der teuflischsten Gemeinheiten“ – Der „Fall Nieland“ ..................................... 58 8.1 „Staatsnotstand!“ – Der „Fall Nieland“ wird zum Skandal .................................. 61 2 9. Wer gehört zum jüdischen Kollektiv? Die Strafverfolgung antisemitischer Äußerungen bis 1960 ...................................................................................................... 64 10. Der lange Weg zum Volksverhetzungsparagraphen: 1957 bis 1960 ........................ 66 11. Der letzte Anstoß. Die Verabschiedung des Volksverhetzungsparagraphen ............ 69 12. Schluss ....................................................................................................................... 71 12.1 Zwei kurze Ausblicke .......................................................................................... 74 Abkürzungsverzeichnis ................................................................................................... 76 Quellen ............................................................................................................................ 78 Literatur ........................................................................................................................... 80 3 1. Einleitung Die Geschichte der Holocaustleugnung beginnt mit den Tätern des Völkermordes. Der erste Versuch, die Existenz der planmäßigen Vernichtung der europäischen Juden abzustreiten, bestand schon in der Planung der Vernichtungslager selbst. Die Abschirmung des Lagers Auschwitz1, die Täuschung der Weltöffentlichkeit über das Lager Theresienstadt2 und nicht zuletzt die Zerstörung von Krematorien, Lagergebäuden und Akten kurz vor den Befreiungen stellten Ansätze dar, den Genozid vor der eigenen Bevölkerung, den Opfern und der Welt geheim zu halten. Umso überraschender wirkt die Feststellung, dass keiner der Angeklagten im Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess die Existenz der „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ abstritt.3 Unkenntnis und Befehlsnotstand schienen ihnen geeignete Verteidigungsstrategien, die grundsätzliche Leugnung des vorgeworfenen Verbrechens offenbar nicht. Bis heute streitet eine relativ kleine, aber wortgewaltige Zahl von Menschen die Existenz des Holocaust ab. Sie verfolgt dabei unterschiedliche Motive und ist in eine Vielzahl von politischen, historischen und ethischen Weltanschauungen ausdifferenziert. Geeint ist sie nur in der nach außen getragenen Überzeugung, die Ermordung von sechs Millionen Juden in der Zeit des „Dritten Reiches“ sei nicht geschehen sowie einem diese Überzeugung gleichermaßen erzeugenden wie aus ihr erwachsenden Antisemitismus. Holocaustleugnung ist immer antisemitisch – sie setzt eine weltweite Verschwörung voraus, an der zwangsläufig Juden beteiligt gewesen wären. Außerdem delegitimiert sie Wiedergutmachungshandlungen und die Existenz des Staates Israel. Die Holocaustleugnung wird heute insbesondere im deutschsprachigen Raum synonym mit dem Begriff der „Auschwitz-Lüge“ bezeichnet. Dieser Terminus hat seinen Ursprung in Thies Christophersens bis heute für Holocaustleugner grundlegenden Schrift selben Titels von 1973 und wurde von „Die Lüge darüber, dass Auschwitz stattgefunden hat“ in Wissenschaft und Öffentlichkeit in „Die Lüge darüber, dass Auschwitz nicht stattgefunden hat“ umgedeutet.4 Christophersen wurde mit dieser Schrift zum Exponenten einer großen Welle deutschsprachiger Holocaustleugnung in 1 Meyer, Verfälschte, S. 58. 2 Frei, Führerstaat, S. 189. 3 Lipstadt, Betrifft, S. 42. 4 Als Beispiel für diese Umdeutung kann gelten, dass „Auschwitz-Lüge“ das Schlagwort für Literatur zur Holocaustleugnung in der Gemeinsamen Normdatei und damit maßgeblich für Bibliotheken im deutschsprachigen Raum ist. 4 den 1970er Jahren, im Zuge derer die „Zeitgeschichtliche Forschungsstelle Ingolstadt“ als revisionistischer Gegenpol zum Institut für Zeitgeschichte gegründet wurde.5 Diese Entwicklung, die sich den 1980er Jahren fortsetzte, führte letztlich zur Ergänzung des Strafgesetzbuches, das ab 1994 die Billigung, Leugnung oder Verharmlosung des Holocaust ausdrücklich unter Strafe stellte. Doch die Leugnung war keine Erfindung der 1970er Jahre. Die Behauptung der Nichtexistenz des Völkermordes begann schon kurz nach dem Krieg und wurde insbesondere in rechtsextremen Kreisen rezipiert, ergänzt und weiterverbreitet. Im zeitlichen Umfeld der Gründung der Bundesrepublik, als sich fast ein Viertel der Bevölkerung als demonstrativ oder gefühlsmäßig antisemitisch bezeichnete6 und der Wiedergutmachungsverhandlungen mit Israel, die solche Bekenntnisse noch populärer machten7, breitete sich die Idee weiter aus, mit einer völligen oder teilweisen Abstreitung der deutschen Verbrechen an Juden die Schuld abzuwehren. Die Möglichkeit einer Lüge war ein Mittel gegen die emotionale und wirtschaftlich- politische Belastung des Volkes der Täter. Gleichzeitig bedrohte die Leugnung als Bestandteil des sich öffentlich artikulierenden Antisemitismus und Neonazismus das Bild der jungen Demokratie. Die sich in den 1950er Jahren häufenden antisemitischen Skandale zeigten einerseits ein durchgängig vorhandenes judenfeindliches Potenzial, aber auch die erhöhte Aufmerksamkeit der öffentlichen Meinung und den oft nervösen Umgang mit Antisemitismus. Zwischen 1950 und 1960 wurden zahlreiche Gesetzesvorhaben diskutiert, die judenfeindliche Äußerungen unter Strafe stellen sollten. Der dazu zu reformierende § 130 StGB, der bis 1960 „Klassenhetze“ betraf, war den Erfordernissen der Zeit nicht mehr gewachsen. 1.1 Fragestellung und Thesen Ziel dieser Arbeit ist, Entstehung und Aufkommen von Holocaustleugnung in der Bundesrepublik zwischen 1945 und 1960 nachzuweisen. Dabei soll nachgewiesen werden, dass die Leugnung des Völkermordes schon vor der bislang in der Forschung meistbeachteten Veröffentlichungswelle der 1970er bestand und als besonderer Bestandteil von Antisemitismus, Vergangenheitsbewältigung und tendenziöser Vergangenheitspolitik wahrgenommen wurde. 5 Benz, Geschichtsmythen, S. 62. 6 Bergmann, Antisemitismus, S. 177. 7 Ebenda. Aus 23% im Jahr 1949 wurden drei Jahre später 34%. 5 Um diese Ziele zu erreichen, muss in einem ersten Schritt Fragen zu den Leugnern nachgegangen werden. Wer waren die Leugner, aus welcher Motivation und unter Verwendung welcher Kommunikationskanäle handelten sie? Welche Argumente verwendeten sie, um die Faktizität des Holocaust anzugreifen? In einem zweiten Schritt ist nach der Rezeption der Leugnungsversuche zu fragen. Welche Medien beschäftigten sich mit dem Phänomen,