SÜDWESTRUNDFUNK SWR2 Wissen - Manuskriptdienst

Allein gegen die Mafia Die Geschichte des Peppino Impastato

Autorin: Aureliana Sorrento Redaktion: Udo Zindel Regie: Andrea Leclerque Sendung: Dienstag, 15. Januar 2013, 8.30 Uhr, SWR2 Wissen

______

Bitte beachten Sie:

Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.

Mitschnitte auf CD von allen Sendungen der Redaktion SWR2 Wissen/Aula (Montag bis Sonntag 8.30 bis 9.00 Uhr) sind beim SWR Mitschnittdienst in Baden-Baden für 12,50 € erhältlich. Bestellmöglichkeiten: 07221/929-26030

SWR2 Wissen können Sie auch als Live-Stream hören im SWR2 Webradio unter www.swr2.de oder als Podcast nachhören: http://www1.swr.de/podcast/xml/swr2/wissen.xml

Manuskripte für E-Book-Reader

E-Books, digitale Bücher, sind derzeit voll im Trend. Ab sofort gibt es auch die Manuskripte von SWR2 Wissen als E-Books für mobile Endgeräte im so genannten EPUB-Format. Sie benötigen ein geeignetes Endgerät und eine entsprechende "App" oder Software zum Lesen der Dokumente. Für das iPhone oder das iPad gibt es z.B. die kostenlose App "iBooks", für die Android-Plattform den in der Basisversion kostenlosen Moon-Reader. Für Webbrowser wie z.B. Firefox gibt es auch so genannte Addons oder Plugins zum Betrachten von E-Books. http://www1.swr.de/epub/swr2/wissen.xml

Kennen Sie schon das neue Serviceangebot des Kulturradios SWR2?

Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen.

Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2- Kulturpartner-Netz informiert. Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2.de

______

ATMO

Autorin Sein Konterfei kam mir vor sechs Jahren auf der Piazza Magione in Palermo entgegen. Peppino Impastatos Gesichtszüge prangten, schwarz konturiert, auf dem T-Shirts eines jungen Antimafia- Aktivisten. Er trug das Abbild auf der Brust, wie andere das von Che Guevara.

Giuseppe Impastato, Spitzname Peppino, wurde in der Nacht auf den 9. Mai 1978 von Mafia-Killern ermordet. Wie Che Guevara hat der Tod auch ihn zur Ikone gemacht – zur Ikone eines noch immer andauernden Kampfes.

Musik Cento passi, der Modena City Ramblers

Ansage: Allein gegen die Mafia. Die Geschichte des Peppino Impastato. Eine Sendung von Aureliana Sorrento.

Autorin „Cento passi“, „Hundert Schritte“ – ein romantisierender Film über das Leben von Peppino Impastato ist eine Anspielung auf die kurze Entfernung zwischen seinem Elternhaus und dem Haus des Mafia- Bosses, der seine Ermordung anordnete. Die Band Modena City Ramblers komponierte ein Lied mit dem gleichen Titel. In ihrem Song stehen die hundert Schritte für die Fähigkeit, trotz aller Widrigkeiten seinen Weg zu gehen.

Autorin „Du kannst dein Leben ändern, wenn Du bloß bereit bist zu gehen“, singt der Lead-Sänger der Band, „einen Schritt nach dem anderen.“ Peppino Impastato hat allen ein Beispiel gegeben, indem er gegen die Mafia aufbegehrte, obwohl er Sohn eines Mafioso war. Aber wer hat den Mut, ihm nachzueifern?

OT Umberto Santino Questi sono atti giudiziari, tutto il maxiprocesso, il processo Andreotti, questo e un dono di Giovanni Falcone, questa è la sentenza del 1983 sul riciclaggio del denaro sporco...noi abbiamo problemi di spazio, 7.000 volumi, non e una grande biblioteca.

Autorin Umberto Santino, ein kleiner Mann, der auf die Siebzig zugeht, mit stechenden, argwöhnischen Augen, schreitet die Regale des „Sizilianischen Dokumentationszentrums “ ab. Sie quellen über vor Prozess- und Ermittlungsakten, Zeitschriften, Konvoluten von Zeitungsartikeln und Büchern. Alles über die Mafia.

Autorin Mit 7.000 Bänden verfügt das Zentrum über die vermutlich umfangreichste Bibliothek über die italienische Mafia und die Organisierte Kriminalität weltweit. Doch öffentliche Gelder erhält das Dokumentationszentrum nicht. Umberto Santino und Anna Puglisi, selbst Autoren und Herausgeber etlicher Bücher über die sizilianische Mafia-Organisation Cosa Nostra, haben es in ihrer Wohnung untergebracht. 1977 gründeten sie Zentrum, 1980 widmeten sie es Peppino Impastato.

OT Umberto Santino Gli abbiamo dedicato il centro perchè Peppino Impastato nella storia delle lotte sociali contro la mafia...questa sua sfida a se stesso. Übersetzer

2

Wir haben das getan, weil Peppino ein Sonderfall ist. Kein anderer Antimafia-Kämpfer stammte aus einer Mafia-Familie und nahm den Kampf gegen die Mafia zuallererst bei sich selbst, seinem Onkel, und seinem Vater auf. Seine Radikalität erklärt sich auch dadurch: Er wollte mit sich selbst, mit seiner Familie und seiner Verwandtschaft abrechnen.

Autorin Soziale Bewegungen gegen die Mafia hatte es bereits im 19. Jahrhundert gegeben. Die sizilianischen Bauern, meist Landlose, kämpften gegen die Mafia, weil die mit brutaler Gewalt die Interessen der Großgrundbesitzer schützte. Peppino Impastato setzte ihren Kampf fort – als Vertreter der sozialen Bewegungen der 70er Jahre. Damals war die Mafia gerade in den globalen Drogenhandel eingestiegen.

ATMO Straßenverkehr in

Autorin Giuseppe, oder Peppino Impastato, wie ihn alle nennen, wurde am 5. Januar 1948 in Cinisi geboren. Bis in die späten 60er Jahren war die Gemeinde der Provinz Palermo von Gemüsegärten und Zitronenplantagen umgeben – und eine unangefochtene Domäne der Cosa Nostra . Peppinos Vater Luigi Impastato scheint ein Mafioso zweiten Ranges gewesen zu sein, aber Peppinos Onkel Cesare Manzella war der Mafia-Boss von Cinisi. Auf seinem Landgut verbrachten Peppino und sein Bruder Giovanni ihre Kindertage. Giovanni schwärmt heute noch davon.

OT Giovanni Impastato Il periodo piu bello della nostra vita e stato il periodo dell infanzia. Perche la famiglia era unitae per noi erano figure protettive Übersetzer Die Kindheit war die schönste Zeit unseres Lebens. Weil unsere Familie damals einig war. Mittags aßen wir mit den Landarbeitern, die auf dem Gut unseres Onkels Obst pflückten. Über die Mafia machten wir uns keine Gedanken. Wir waren Kinder und hatten keine Ahnung, was die Cosa Nostra war. Die Mafia waren für uns die patriarchalischen Figuren, die uns umgaben, vor denen wir großen Respekt hatten, die uns beschützten und es uns an nichts fehlen ließen.

Autorin Ein Trugbild, das 1963, als Peppino Impastato 15 Jahre alt war, jäh in die Brüche ging.

OT Giovanni Impastato Il 26 aprile 1963...che e il tritolo. Übersetzer Am 26. April 1963 wurde Onkel Cesare auf seinem Landgut durch eine Autobombe getötet. Vor der Auffahrt des Gutshofs stand ein Auto quer, das ihm den Weg versperrte. Es war bis obenhin voll mit TNT. Zehn Tage später gingen wir mit anderen Jungen zum Ort des Anschlags. Wir sahen den Krater in der Erde, die verbrannten Bäume, die Verwüstung, die die Explosion hinterlassen hatte. Ich erinnere mich, dass Peppino sagte: Wenn „das“ Mafia ist, dann werde ich sie lebenslang bekämpfen. 15 Jahre später wurde er auf die gleiche Art, durch TNT, getötet.

Autorin Zwei Jahre nach dem Tod seines Onkels trat Peppino Impastato der Sozialistischen Partei für die Proletarische Einheit, kurz PSIUP, bei und gründete mit anderen jungen Parteigenossen die Zeitung „Die sozialistische Idee“, ein Jugendblatt, in dem er Politiker attackierte, die mit der Mafia im Bunde waren, und einen Artikel unter dem Titel veröffentlichte: „Die Mafia ist ein Berg Scheiße“.

3

„Die sozialistische Idee“ wurde zwei Jahre später auf Druck von Cinisis Bürgermeister von den , einem militärischen Polizeikorps, geschlossen. Aber sie war eine Kampfansage an die Mafia und eine Ohrfeige Peppinos an den eigenen Vater.

OT Giovanni Impastato Mio padre non ci ha mai imposto di diventare mafiosi,...rispetto nei confronti della mafia Übersetzer Unser Vater hat von uns nie verlangt, dass wir Mafiosi würden, aber er hat von uns verlangt, dass wir die Mafia respektieren.

Autorin sagt Peppinos jüngerer Bruder Giovanni Impastato. Ihr Vater Luigi war mit dem Boss eng befreundet und mit etlichen Mafiosi verwandt. Einer von ihnen sagte ihm: „Wenn er mein Sohn wäre, würde ich ein Grab schaufeln und ihn lebendig begraben.“ Das hätte dem Verhaltenskodex der Cosa Nostra durchaus entsprochen, denn Mangel an Respekt ist in diesen Kreisen ein unverzeihliches Vergehen. Dass Luigi Impastato sich damit begnügte, seinen aufsässigen Sohn aus dem Haus zu werfen, könnte man unter diesen Umständen als Beweis väterlicher Liebe bewerten.

ATMO Straße + Flughafen

Autorin Ein holpriges Sträßchen verläuft entlang des Flughafens von Palermo, der in „Flughafen Falcone und Borsellino“ umbenannt wurde – zwei Richtern zu Ehren, die 1992 von der Mafia in die Luft gesprengt wurden. Ein Weggefährte Peppino Impastatos, Salvo Vitale erzählt:

OT Salvo Vitale L’aeroporto di Punta Raisi era stato costruito con l’intrigo, con la mafia...nel secondo 110. Übersetzer Der Flughafen wurde in den 50-er Jahren dank einer Intrige gebaut, in der die Mafia die Hauptrolle spielte. Der Boss von Cinisi, Cesare Manzella, Peppinos Onkel, hatte den Flughafen gewollt. So wurde er an einem Ort gebaut, an dem man eigentlich keinen Flughafen bauen sollte: auf einem Streifen Flachland zwischen einem Berg und dem Meer. An diesem Flughafen ist 1968 das erste Flugzeug abgestürzt, 1978 das zweite.

Autorin 1968 bereits sollte eine dritte Landebahn gebaut werden. Zu dem Zweck wurden die fruchtbarsten Böden von Cinisi enteignet.

OT Salvo Vitale C’erano circa 250 famiglie che vivevano...polmone economico di Cinisi/Erano tutte piccole proprietà...uliveti e agrumeti. Übersetzer Da lebten zirka 250 Familien. Es waren alle kleine Grundstücke, alle mit einem Haus, einem Brunnen und einem Gemüsegarten. Man baute Tomaten, Zucchini und Blattgemüse an, es gab aber auch Oliven- Orangen- und Zitronenbäume.

Autorin Für die Kleinbauer, die dort lebten, waren die Äcker die einzige Existenzquelle. Darum scherte sich Siziliens Regionalverwaltung jedoch nicht. Die Interessen armer Bauern standen den Interessen der Mafiosi von Cinisi entgegen, mit dem Boss Gaetano Badalamenti an der Spitze. Für den florierenden

4

Drogenhandel, den sie mit den USA betrieben, war die dritte Landebahn notwendig geworden. Und auf Sizilien hatte die Mafia die Politik fest in der Hand. Peppino Impastato und Salvo Vitale organisierten den Widerstand. Vitale erinnert sich:

OT Salvo Vitale Verso le sei di mattina, una mattina cominciamo a sentire tutti questi suoni di allarme ... Mi ricordo...che sembrava morto. Übersetzer Eines Tages, um sechs Uhr in der früh, standen da Horden von Carabinieri und Soldaten, die so aussahen, als wollten sie das Flughafengelände stürmen. Also blieben wir dort stehen, fest entschlossen, ihnen den Weg zu versperren. Ich erinnere mich, dass ein Bagger direkt vor unserer Nase stehen blieb. Dann gingen die Carabinieri zum Angriff über. Sie hörten erst auf, als ein Greis auf den Boden fiel, als wäre er tot.

Autorin Die Regionalverwaltung weigerte sich, den Bauern die ihnen zustehende Entschädigungssummen auszuzahlen. Nach den ersten Auseinandersetzungen willigte sie aber ein, einen kleinen Anteil als Vorschuss zu entrichten. Die Vertreter der Kommunistischen Parteien, die an den Protesten teilgenommen hatten, akzeptierten den Kompromiss.

OT Salvo Vitale Una buona parte degli espropriandi rimasero con me...che ti arrivava alla testa. Übersetzer Aber der Großteil der Bauern, die enteignet worden waren, blieben bei Peppino und mir, um weiterhin Widerstand zu leisten. Doch auch wir hielten nur noch ein paar Tage durch. Eines Tages rückten Tausende von Soldaten und Carabinieri ein, mit Hubschraubern und Polizeihunden. Sie begannen, die Häuser zu zerstören. Die Bewohner mussten zusehen, wie ihnen das Bett zerschlagen und die Küche zertrümmert wurde. Danach wussten sie nicht, wohin sie zum Schlafen gehen sollten. Die Soldaten schlugen auch die Zitronenhaine kurz und klein, und wenn die Bagger die Wurzeln ausrissen, verströmten die Bäume einen so säuerlichen Duft, dass er einem zu Kopf stieg.

Autorin Die älteren Bauern starben kurz darauf, weil sie nicht wussten, wohin mit sich. Die Jüngeren emigrierten. Es war das Ende des ländlichen Cinisi. Und auch der letzte Akt der Bauernkämpfe, die auf Sizilien seit einem Jahrhundert immer wieder aufgeflackert waren.

Schon zur Zeit ihrer Entstehung war die Mafia Allianzen mit den Mächtigen eingegangen: mit der in Sizilien herrschenden Klasse der Großgrundbesitzer und den regierenden Parteien in Rom. Gerne wurde ihr die Aufgabe überlassen, Baueraufstände blutig niederzuschlagen. Dementsprechend war die sizilianische Bauerbewegung die erste Antimafia-Bewegung – und eine echte Volksbewegung, sagt Umberto Santino.

OT Umberto Santino Il movimento contadino raccoglieva centinai di migliaia di persone...con i proprietari terrieri e con i mafiosi.

Übersetzer Die Bauernbewegung brachte Hunderttausende von Menschen zusammen. Der Kampf gegen die Mafia war mit dem verbunden, was man damals Klassenkampf nannte. Die Bauern kämpfen gegen die Mafia, weil sie eine Landreform und Lohnerhöhungen forderten, und damit in Konflikt mit den Großgrundbesitzern und den Mafiosi gerieten.

5

Autorin Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte sich die Cosa Nostra auf die Seite der Christdemokratischen Partei geschlagen, die Partei, die dann vierzig Jahre lang Italien regierte. Die Mafia sicherte den Christdemokraten die Stimmen der sizilianischen Wähler und damit die Mehrheit im Parlament. Da auch die USA nichts mehr fürchteten, als dass Kommunisten durch demokratische Wahlen die Regierung übernähmen, war das zweifelhafte Bündnis allen recht. Im Gegenzug erhielt die Mafia Rückendeckung, sprich: Straffreiheit, Pfründe, den Zuschlag für öffentliche Ausschreibungen, und, zumindest auf Sizilien, eine direkte oder indirekte Beteiligung an der politischen Macht.

Musik

Autorin 1973 tritt Peppino Impastato „Lotta continua“ bei, der Bewegung, die 1969 die Streiks der Fabrikarbeiter in Turin organisiert hatte. Der sizilianische Aktivist organisiert die Streiks der Bauarbeiter, die um reguläre Arbeitsverträge, sichere Löhne und bessere Sicherheitsvorkehrungen auf den Baustellen kämpfen. Forderungen, die auf einer Insel, in der die Mafia das gesamte Baugewerbe kontrolliert, gegen das organisierte Verbrechen durchzufechten sind. Peppino versäumt keine Gelegenheit, ob durch Flugblätter oder in öffentlichen Ansprachen, Mafiosi die Leviten zu lesen. Aber er begreift auch früh, dass der Kampf gegen die Mafia zuallererst ein Kampf gegen lang gepflegte und im Alltag der Bevölkerung fest verankerte Denkweisen ist.

OT Salvo Vitale Perchè la normalità è farsi i fatti suoi...brodo di cultura fondamentale. Übersetzer Normalität bedeutet auf Sizilien, nur an das Eigene zu denken und sich nicht um die Angelegenheit der anderen zu kümmern, weil das gefährlich ist. Meine Mutter sagte immer: Aber was willst du denn ausrichten? Die Welt ist, wie sie immer gewesen ist, und auch du wirst sie nicht verändern. Hier herrscht ein reaktionärer Geist, nach dem die Dinge so bleiben müssen, wie sie sind. Und das ist eins der Elemente, die das kulturelle Fundament der Mafia ausmachen.

Autorin Den entscheidenden Sprung macht Peppino Impastato, als er den freien Sender Radio AUT gründet.

Atmo Radio AUT

OT Salvo Vitale Era un tentativo di comunicare il proprio progetto politico.... E che pero sono legate a problemi sociali drammatici. Übersetzer Das Radio war ein Versuch, die eigene politische Haltung zu kommunizieren. Das Radio sollte ganz andere Informationen liefern als die unseres pseudodemokratischen Regimes. Es sollte die Stimmen der armen Leute hören lassen, der Bauern und der Matrosen aus . Es sollte Nachrichten bringen, die es normalerweise nicht in die Nachrichten schaffen, die aber mit brennenden gesellschaftlichen Problemen verbunden sind.

OT Salvo Vitale Poi ci divertivamo a fare una trasmissione che si chiamava Onda pazza, che era una trasmissione satira-politico schizofrenica...Gaetano Badalamenti dal 1970 al 1978 fu l esponente piu alto della cupola mafiosa.

6

Übersetzer Außerdem produzierten wir dann, zu unserem großen Spaß, eine Sendung, die Onda Pazza, Verrückte Welle, hieß. Es war eine Satire-Sendung, die sich gegen die Mafiosi und die mit ihnen verbandelten Politiker richtete. Unsere wichtigste Zielscheibe war Gaetano Badalamenti, der Boss von Cinisi, seine Mafiosi und all die Leute, die um sie kreisten. Badalamenti spielte damals eine große Rolle in ganz Sizilien, weil er von 1970 bis 1978 das Oberhaupt der Cupola, des Direktoriums der Cosa Nostra war.

Autorin Mafiopolis, d.h. Mafiastadt, wurde Cinisi in der Satire-Sendung Onda Pazza genannt. Das Rathaus der Stadt nannten die Radioleute Mafiahaus.

OT Umberto Santino Si sbeffeggiavano i mafiosi e gli uomini politici...permettersi di irridere i mafiosi. Übersetzer Sie verspotteten Mafiosi und Politiker gleichermaßen, und das wurde von den Mafiosi als Majestätsbeleidigung empfunden. Ich denke, dass dieser Umstand eine Rolle gespielt hat in der Entscheidung, Peppino Impastato hinzurichten, diese Unverfrorenheit, Mafiosi auf die Schippe zu nehmen.

ATMO Einspielung einer Sendung von Onda Pazza

Autorin In der Sendung vom 7. April 1978 nahmen die Radiomacher Gaetano Badalamenti selbst aufs Korn. Als „Don Tano seduto“ wurde der Boss verhohnepiepelt, ein Spottname nach dem Indianer-Häuptling Sitting Bull, der auf Italienisch „Toro seduto“ heißt. Aber die Sendung hatte auch einen ernsten Kern: Sie brandmarkte ein vom Gemeinderat genehmigtes Bauspekulationsprojekt, mit dem die Küste endgültig zubetoniert wurde. Hinter dem Projekt stand Gaetano Badalamenti mit seinem Hofstaat.

Autorin Zur gleichen Zeit trat Peppino Impastato zur Kommunalwahl in Cinisi an – auf der Liste der Democrazia Proletaria, in der sich einige außerparlamentarische Bewegungen zusammengeschlossen hatten. Auf einer Wahlkampfveranstaltung am 7. Mai attackierte er vehement alle Mafiosi der Stadt, geißelte ihre kriminellen Geschäfte und erwähnte sie alle per Namen – ein nach Mafia-Gesetzen unverzeihlicher Affront.

ATMO Straße in Cinisi beim Schlagbaum

Autorin Ein Schlagbaum über eine Straße, die zum Strand bei Terrasini führt. Rostige Eisenbahngleise, Müll, neben dem Schlagbaum ein zweistöckiges Haus. Hier soll Peppino Impastato angehalten worden sein, in der Nacht vom 8. auf den 9. Mai 1978. So wird zumindest vermutet. Ein paar Stunden später hätte die Redaktionskonferenz von Radio AUT stattfinden sollen.

OT Salvo Vitale Abbiamo aspettato Peppino per un certo tempo e poi ci siamo messi a cercarlo...sui binari. Übersetzer Wir warteten auf Peppino eine Weile, dann liefen wir los, um ihn zu suchen. Ich bin etwas früher zu Bett gegangen, aber die anderen suchten ihn bis drei Uhr nachts. Vergeblich. Am nächsten Morgen erreichte uns die Nachricht, dass seine Leiche gefunden worden war.

7

Autorin Zerfetzt, auf den Gleisen der Bahntrasse Palermo-. Er war von einem TNT-Sprengsatz zerrissen worden, seine Körperteile fanden sich im Umkreis von 300 Metern. Wer Peppino Impastato ermordet hatte, war seinen Familienangehörigen und Freunden sofort klar.

OT Giovanni Impastato Non gli hanno perdonato il fatto che lui ha operato questa grande rottura...di una famiglia mafiosa. Perche la mafia alla fine...chiaro che li non possono piu recuperare. Übersetzer Die Mafiosi haben Peppino den Bruch mit dem Vater und seinem sozialen Milieu nie verziehen. So etwas gefällt Mafiosi nicht, denn es kann Folgen haben. Es beweist, dass man aufbegehren kann, selbst wenn man aus einer Mafia-Familie stammt. Wenn die Mafia Geld verliert, wenn ihr ein Spekulationsvorhaben durch die Lappen geht – das kann sie verkraften. Wenn sie aber den sozialen Konsens verliert, dann ist sie verloren.

Autorin Die Carabinieri gaben sofort aus, Peppino Impastato hätte einen Anschlag auf die Bahntrasse verüben wollen und sich versehentlich selber in die Luft gesprengt. Die These passte in die Zeit: Am gleichen Tag wurde die Leiche des christdemokratischen Politikers Aldo Moro in Rom gefunden, der von den terroristischen Roten Brigaden entführt und hingerichtet worden war.

Gegen die Mafiosi von Cinisi wurde nicht ermittelt. Mit der Mutter und dem Bruder Peppino Impastatos und den Gründern des sizilianischen Dokumentationszentrums Anna Puglisi und Umberto Santino führten Peppinos Freunde einen langen Kampf, um seine Mörder vor Gericht zu bringen. Zum Prozess kam es erst 22 Jahre nach seinem Tod.

OT Umberto Santino C’è stata prima la condanna del Vice, Vito Palazzolo, e poi c’è stata nel 2002 la condanna all’ergastolo...quasi tutto il palazzo di giustizia con poche eccezioni. Übersetzer Zuerst wurde Vito Palazzolo, der Stellvertreter des Bosses Gaetano Badalamenti, verurteilt, dann, 2002, Badalamenti selbst. Es hatte lange gedauert, weil zunächst Beweise vertuscht und die Ermittlungen über den Mord in eine falsche Richtung geleitet wurden. Vertreter der Justiz beharrten lange auf dem sinnlosen Standpunkt, dass Peppino ein Terrorist war, der sich selbst getötet hatte. Der gesamte Justizpalast von Palermo, mit wenigen Ausnahmen, war gegen uns.

ATMO Platz in Palermo

Autorin Bis heute versucht die Staatsanwaltschaft von Palermo zu klären, wer für die Verdunkelung der Tatsachen verantwortlich war. Der Sitz der Staatsanwaltschaft liegt mitten in der Altstadt, hinter dem marmorweißen, massigen Bau des Gerichtes. Davor liegt ein kleiner, verkehrsreicher Platz, auf dem das Treffen mit Staatsanwalt Francesco Del Bene stattfindet, der mit Kollegen im Fall Impastato ermittelt.

OT Staatsanwalt Francesco der Bene Era emerso che nell’immediatezza del fatto ... L’altra anomalia è stata quella accertata ... Un altra anomalia...non esiste il sequestro informale. Übersetzer Es steht fest, dass die Carabinieri die Umgebung des Tatortes nicht durchsucht und auch den Umstand ignoriert haben, dass Impastatos Freunde in einem nahe gelegenen Bauernhaus

8

Blutspuren gefunden hatten. Merkwürdig ist auch, dass sie das Haus durchsuchten, in dem Peppino Impastato gewohnt hatte, und, so sagen die Angehörigen des Toten, ganze Säcke voll Dokumente wegbrachten. In dem Beschlagnahmungsbericht notierten sie aber nur sechs Briefe. Die viel umfassendere Dokumentation leiteten sie von einer Dienststelle zur nächsten mit dem Vermerk weiter, sie würde aus einer „informellen Beschlagnahmung“ herrühren. Nur, unsere Rechtsordnung sieht keine „informelle“ Beschlagnahmung vor.

Autorin Alles damals Beschlagnahmte ist spurlos verschwunden. Wie auch andere Beweismittel, die zur Aufklärung hätten beitragen können.

Nach Peppino Impastatos Tod bekam die Antimafia-Bewegung in Sizilien zunächst beispiellosen Aufwind, als Leoluca Orlando 1985 zum Bürgermeister von Palermo gewählt wurde. Orlando war das erste christdemokratische Stadtoberhaupt, das den Pakt seiner Partei mit der Mafia aufkündigte und der Cosa Nostra den Kampf ansagte.

OT Leoluca Orlando Voglio ricordare che per tanto tempo mafia e stato si identificavano...il capo mafia ma era il luogo in cui si combatteva la mafia Übersetzer Bis dahin waren Mafia und Staat in Italien eines gewesen. Vito Ciancimino war das Symbol dieser Identität. Er war zugleich Bürgermeister von Palermo und Mafia-Boss. Diese Identität von organisiertem Verbrechen und Staat löste sich dann dank des Engagements mutiger Staatsanwälte und Richter auf. Und auch dank politischer Veränderungen. Im Prozess gegen 474 Mafiosi, den Richter Giovanni Falcone eingeleitet hatte, stellte ich im Namen der Stadtverwaltung Strafantrag. Und da sagte ich, dass das Rathaus von Palermo von nun an nicht mehr der Ort sei, in dem der Boss der Cosa Nostra residiert, sondern der Ort, von dem aus die Mafia bekämpft wird.

Autorin Auf Sizilien war das eine Revolution, die als „Frühling von Palermo“ in die Annalen einging. Plötzlich schien sich die sizilianische Bevölkerung aufzubäumen gegen die Cosa Nostra, die sie ein Jahrhundert lang im Griff gehalten hatte. Und als die Antimafia-Richter Giovanni Falcone und Paolo Borsellino 1992 von der Mafia ermordet wurden, ging eine Welle der Empörung durch das ganze Land. Nun nahmen auch die Norditaliener die Existenz der Mafia wahr. Landauf landab gab es Antimafia-Demonstrationen, unzählige Initiativen wurden gestartet.

Doch vom Geist der Erneuerung, der Sizilien Mitte der 80er Jahre durchwehte, sei heute nichts mehr zu spüren, meint Leoluca Orlando. Im Frühjahr 2012 ist er noch einmal zum Bürgermeister Palermos gewählt worden; diesmal allerdings als Kandidat der Partei „Italien der Werte“.

OT Leoluca Orlando Dopo gli anni della primavera palermitana,...il dio ricchezza. Übersetzer Nach den Jahren des so genannten Frühlings von Palermo hat unser Land einen kulturellen Wandel durchgemacht. Silvio Berlusconi hatte die verheerende Gabe, die Laster, die bis 1992 die politische Klasse Italiens charakterisierten, in eine Volkskultur zu verwandeln. Früher gab es korrupte Politiker – im heutigen Italien ist Korruption System. Früher gab es Interessenkonflikte, heute sind sie alltäglich. Die Folge ist, dass die Mafia auf der nationalen Ebene nicht mehr kulturell isoliert ist, ihr Wirkungskreis bleibt nicht auf Süditalien beschränkt. Die Mafia ist heute Teil der italienischen Gesellschaft. Es gibt keinen wesentlichen Unterschied zwischen den Bewohnern eines sizilianischen

9

Bauernhofs und jenen am Sitz der lombardischen Regionalregierung in Mailand. Die einen und die anderen huldigen einem einzigen Gott: dem Reichtum.

Autorin Die neuen Mafiosi, die die Tresore der Banken mit Schwarzgeld füttern, sind in bürgerlichen Kreisen gern gesehen. Kaum jemand mehr empört sich über die kriminelle Herkunft ihres Reichtums. In solchen gesellschaftlichen Verhältnissen reichten Prozesse und Gerichtsurteile nicht aus, um die Mafia zu bekämpfen, meint Leoluca Orlando.

OT Leoluca Orlando Oggi il tema vero quale è? È una tensione etica. Peppino Impastato –... È questo il compito di ognuno di noi. Übersetzer Was wir heute brauchen, ist ein ethischer Ruck. Führte Peppino Impastato etwa einen gerichtlichen Kampf? Nein, er führte einen ethischen Kampf. Er brandmarkte das Verhalten von Tano Badalamenti und den anderen Mafiosi, er prangerte sie wegen ihres Lebensstils an. Das ist, was wir alle heute machen müssten.

**.**.**

10