30486 Deutscher – 19. Wahlperiode – 235. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Juni 2021

Klaus Mindrup (A) dagegengestimmt. Wir haben die Situation, dass es seit- Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/DIE (C) dem noch die sogenannten steuerbefreiten Vermietungs- GRÜNEN): genossenschaften gibt. Ich wollte Sie darauf aufmerksam Ja, lassen Sie mich den letzten Satz sagen. – Die Union machen bzw. fragen, ob Sie wissen, dass die heute ein will also die steuerliche Privilegierung von Investoren. Problem haben. Denn wenn man eine Genossenschaft Ich sage Ihnen eines: Das hat was mit ihrer Nähe zu und nicht steuerbefreit ist und in das steuerbefreite Seg- Investoren zu tun und nichts mit einer guten Wohnungs- ment gehen will, muss man quasi seine stillen Reserven politik. nachversteuern. Wir als SPD wollen, dass diejenigen, die Danke schön. sich zukünftig gemeinnützig verhalten, steuerliche Vor- teile haben. Im Augenblick ist das genau andersrum. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Meine Frage ist: Kennen Sie das Problem, und stehen sowie der Abg. [DIE LINKE]) Sie an unserer Seite, wenn es darum geht, dass diejeni- gen, die sich gemeinnützig verhalten, zukünftig besser- Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: gestellt werden und es an dieser Stelle zu einer Änderung Der nächste Redner ist der Abgeordnete Karsten kommt? Möring, CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke, werter Kollege, dass Sie das fragen. – Erst mal Karsten Möring (CDU/CSU): ist uns das Problem bekannt. Deswegen haben wir die Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! So Gemeinnützigkeit, so wie wir die Vorlage in der letzten viele letzte Reden. Lieber Kai, auch ich verabschiede Sitzungswoche in den Deutschen Bundestag eingebracht dich ungerne. Du warst immer ein netter AG-Vorsitzen- haben – die Große Koalition hat ja leider dagegenge- der. Du weißt ja, wie du an dieses Rednerpult zurück- stimmt –, auch als freiwillige Option gewählt. Also: Ein kommst – beim nächsten Mal vielleicht noch nicht, aber Unternehmen kann optional zu einem gemeinnützigen beim übernächsten Mal dann –: Der Regierende Bürger- Unternehmen werden und behält dann die steuerliche meister darf hier auch reden. Privilegierung, zum Beispiel beim Erwerb von Grund und Boden. Wenn darauf in Zukunft sozial gebundener (Marianne Schieder [SPD]: Gut, ein bisschen Wohnungsbau entsteht, dann gilt da zum Beispiel keine Zeit lassen schadet nicht!) Grunderwerbsteuer, oder es gibt andere steuerliche Vor- Liebe , am liebsten warst du mir, wenn du teile. Die Genossenschaften können natürlich entschei- (B) im Ausschuss gesagt hast: „Ich schließe mich meinem (D) den, ob sie das möchten. Vorredner an“; denn ich war ja immer vor dir dran. Ich Ich glaube, die Grundfrage, die Sie gestellt haben, ist hätte bei deiner Rede vorhin bei vielen Punkten auch eine steuerrechtliche Frage. Dazu haben wir – das muss gesagt: „Ich schließe mich meiner Vorrednerin an“, ich sagen – in dieser Wahlperiode ja immer wieder Vor- wenn auch nicht bei allen. schläge gemacht und auch nachgefragt. Ich hätte mir da Wir haben so oft über Wohnungspolitik gesprochen; einen Finanzminister in Deutschland gewünscht, der sich das will ich jetzt nicht vertiefen. Nur noch mal eines dieser Fragen – der Finanzfragen und der steuerlichen zum Thema Gemeinnützigkeit: Ein ganz so tolles Ideal Fragen – stärker angenommen hätte, ist das nun auch nicht, wenn wir wissen, dass zahlreiche (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wohnungsbaugenossenschaften, zahlreiche Wohnungs- unternehmen aus dem öffentlichen Bereich, auch eine und ich hätte mir gewünscht, dass mehr Vorschläge aus Reihe von Gewerkschaften dieses Modell nicht präferie- dem Finanzministerium gekommen wären. Ich habe da ren. Aber das wollen wir jetzt nicht vertiefen. relativ wenig gesehen. Denn neben dem Thema Wohnen gibt es noch ein Ich habe jetzt erfahren, dass ein glühender anderes, das wir bei diesem Tagesordnungspunkt behan- Verfechter der Wohnungsgemeinnützigkeit ist. Wir wer- deln, und das ist das Thema der Innenstädte. Wir spre- den in diesem Wahlkampf sehen, ob das der Fall ist. Ich chen also heute auch über die Innenstädte. Ob das Zent- finde es gut, dass sich die SPD nach acht Jahren nun auch rum eines Ortes von dem Dreiklang „Kirche, Markt, aufgemacht hat, die Wohnungsgemeinnützigkeit in ihr Kneipe“ geprägt ist oder von dem Charakter als City Programm aufzunehmen. Deswegen bin ich sehr hoff- oder Central Business District, ist sicher unterschiedlich. nungsvoll, dass wir dieses Projekt, die Gemeinnützigkeit Aber eines ist klar: Die Zentren unterliegen einem ständi- in Deutschland wieder einzuführen, gemeinsam stemmen gen Wandel. können. Ich glaube, es ist dringend notwendig angesichts dessen, dass wir beim sozialen Wohnungsbau in einer Ich komme aus Köln. Zum Glück ist Frau Strack- Negativspirale sind. Zimmermann heute nicht hier, die dann sagen würde: „Oh Gott!“; sie kommt aus Düsseldorf. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Heiterkeit bei der SPD) Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Da würde ich dann sagen: Oh Gott! – Das Beispiel Köln So, Frage beantwortet. Und jetzt zügig zum Ende kom- will ich nur deswegen nennen, weil wir bei uns in der men. Innenstadt Straßennamen haben, die zum Beispiel „Seid- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 235. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Juni 2021 30487

Karsten Möring (A) macherinnengäßchen“ oder „Unter Goldschmied“ lauten; (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- (C) der Markt heißt „Heumarkt“. Das alles sind Namen, die ordneten der SPD) auf eine Funktion hindeuten, die es heute nicht mehr gibt. Die Innenstädte unterliegen einem schnellen Wandel. Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Unter den aktuellen Bedingungen von Corona wandelt Vielen Dank, Karsten Möring. – Nächster Redner: der sich das noch einmal schneller; auch das haben wir hier Abgeordnete , SPD-Fraktion. hin und wieder schon mal im Zusammenhang mit der Städtebauförderung, über die wir diskutiert haben, ange- (Beifall bei der SPD) deutet. Wir haben durch die Coronazeit eine Beschleuni- gung und eine Verschärfung dieses Problems. Zahlreiche Bernhard Daldrup (SPD): Geschäfte, meistens inhabergeführte, gehen aus dem Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich Markt; entweder fehlen die Kunden, oder es fehlt der will vorab zwei Bemerkungen persönlicher Art machen. Nachfolger. Ketten werden ausgedünnt, bleiben aber erhalten und führen zu einem monotonen Handelsbild Liebe Ulli, ich wünsche dir alles Gute. Du bist immer in den Städten, das nicht attraktiv ist. eine aufrechte Kämpferin für die sozialen Belange im Wohnungsbau und für die Umwelt gleichermaßen gewe- Wir müssen etwas tun, und wir tun auch etwas. Es gibt sen. Vielen herzlichen Dank! Du wirst uns als engagierte zahlreiche Förderprogramme im Rahmen der Städtebau- Frankfurterin – das wird ja in jeder Rede mindestens förderung, aber auch darüber hinaus. Das BMI als Bau- fünfmal erwähnt – in Erinnerung bleiben. Wir wissen, ministerium hat eine ganze Reihe von Aktivitäten aufge- dass man natürlich außerparlamentarisch weiterkämpfen legt. Die Länder tun etwas. Nordrhein-Westfalen hat im kann, und das tust du. Viel Glück dabei! letzten Jahr beispielsweise ein Innenstadtförderpro- gramm mit 40 Millionen Euro aufgelegt. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE Das alles ist gut und richtig. Aber Förderprogramme GRÜNEN) allein machen es noch nicht. Es muss auch die Kreativität dahinterstecken, wenn wir zu einer möglichst funktiona- Ich will mich auch sehr herzlich bei len Vielfalt zurückkehren wollen. Die Attraktivität einer bedanken. Wir haben wirklich gut zusammengearbeitet. Innenstadt besteht eben auch darin, dass man dort aus Wir sind auch menschlich gut miteinander klargekom- verschiedenen Gründen gerne hingeht: nicht nur zum men. Auch wenn ich Karsten Möring hier und da durch- Einkaufen – das auch –, aber beispielsweise auch, um aus zustimme, will ich das in einem Punkt dieses Mal Grünflächen zu nutzen, um Kulturangebote wahrzuneh- nicht machen: Ich wünsche dir menschlich alles Glück (B) men, und Ähnliches mehr. und politisch eine geruhsame und inspirierende Zeit als (D) Oppositionsführer im Berliner Abgeordnetenhaus. Zu dieser Vielfalt gehört auch das Thema „Wohnen und Gewerbe“. Aber das Problem ist, dass wir in der (Heiterkeit und Beifall bei der SPD – Beifall Struktur der Innenstädte, wie wir sie heute haben, einen bei Abgeordneten der LINKEN und des relativ hohen Kostenblock für Miete und Wohnraumnut- BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) zung haben. Die Investoren müssen sich von dem Gedan- ken verabschieden, dass sie immer maximale Preise Wir haben wichtige Themen; „sozialer Wohnungsbau“ erhalten; diese müssen abhängig sein von der Funktion. und „Genossenschaften“ sind angesprochen worden. Ich Auch die leben davon, dass die Innenstadt gefragt ist, und will mal sagen: Die Bilanz ist nicht ganz so schlecht, wie haben deswegen ein Interesse an einer Nutzungsvielfalt das hier bisweilen dargestellt worden ist. Wir haben und einer Differenzierung im Preisniveau. 5 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau aufge- bracht. Aber richtig ist eines: 100 000 Sozialwohnungen Zur Wiederbelebung gehört Klimaanpassung, und in einer Legislaturperiode sind angesichts der Lage nicht dazu gehört Digitalisierung. Lieber Bernhard Daldrup, genug. Deswegen sagen wir als Sozialdemokraten mit wir haben in ein paar Tagen wieder die Gelegenheit, das Olaf Scholz an der Spitze: 100 000 Sozialwohnungen Smart-City-Projekt als Jury zu bewerten – nicht wir allei- jedes Jahr! – Wenn wir dafür eine Mehrheit kriegen, ne, sondern zusammen mit einer ganzen Reihe anderer –, dann ist das gut. und wir werden sehen, was für kreative Ideen aus den Städten kommen, um die Digitalisierung in den Städten (Beifall bei der SPD) voranzubringen. Das ist ein wesentlicher Punkt, den wir Ich will aber auch darauf hinweisen: Heute ist der Tag beschleunigen müssen – neben der klimatischen Anpas- der Daseinsvorsorge. Das ist ein eminent wichtiger Tag sung. für uns alle als normale Bürgerinnen und Bürger. Denn Wir haben Kreativität nötig. Wir haben Geld nötig. Wir wir merken: Das Selbstverständliche ist nicht immer so haben es nötig, dass sich die Städte entwickeln. Wenn wir selbstverständlich. Deswegen will ich auch auf ein ande- sie politisch begleiten, ist das gut. Aber die Kreativität, res Thema hinweisen, das für uns in der Daseinsvorsorge die Ideen müssen vor Ort entstehen. Dabei helfen wir besonders wichtig ist, nämlich den öffentlichen Raum, ihnen. Aber sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf unsere Innenstädte, wie das eben schon gesagt worden ziehen, wenn wir dafür einen Hebel bieten, müssen die ist, die Stadtteilzentren, die Visitenkarten unserer Kom- betroffenen Kommunen selbst. Und sie werden es mit munen. Sie sind durch Corona ein Stück weit zusätzlich unserer Hilfe auch tun können; da bin ich ziemlich sicher. gefährdet worden. Aber Corona ist nicht das einzige Pro- Wir werden sie dabei begleiten und unterstützen. blem.