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Deutscher Drucksache 1 2/2605 (neu) 12. Wahlperiode

Gesetzentwurf der Abgeordneten Inge Wettig-Danielmeier, Uta Würfel, Dr. Hans de With, Gerhart Rudolf Baum, Susanne Rahardt-Vahldieck, Dr. , Dr. , , , , Dr. , Hermann Bachmaier, Holger Bartsch, Ingrid Becker-Inglau, Friedhelm Julius Beucher, , Dr. Ulrich Böhme (Unna), Arne Börnsen (Ritterhude), Dr. , Günther Bredehorn, Hans Büchler (Hof), Peter Büchner (Speyer), Hans Büttner (Ingolstadt), , Hans Martin Bury, Marion Caspers-Merk, Wolf-Michael Catenhusen, Peter Conradi, Dr. Herta Däubler-Gmelin, Dr. Nils Diederich (), , Rudolf Dreßler, , Ludwig Eich, (Fürth), Dr. Konrad Elmer, Hans A. Engelhard, Carl Ewen, Dr. , Elke Ferner, Evelin Fischer (Gräfenhainichen), Norbert Formanski, Paul K. Friedhoff, , (Köln), Arne Fuhrmann, , Dr. Margret Funke-Schmitt-Rink, Jörg Ganschow, Monika Ganseforth, Hans-Dietrich Genscher, Konrad Gilges, Iris Gleicke, Günter , , Achim Großmann, Josef Grünbeck, Ma rtin Grüner, Joachim Günther (Plauen), Dr. , Michael Habermann, Karl Hermann Haack (Extertal), Heinz-Dieter Hackel, Hans-Joachim Hacker, Gerlinde Hämmerle, Manfred Hampel, Christel Hanewinckel, Dirk Hansen, Klaus Hasenfratz, Dr. Ingomar Hauchler, Dr. , Ulrich Heinrich, Dieter Heistermann, Günther Heyenn, Reinhold Hiller (Lübeck), Stephan Hilsberg, Dr. , Dr. Uwe Holtz, Birgit Homburger, Erwin Horn, Dr. Sigrid Hoth, Gunter Huonker, Ulrich Irmer, Gabriele Iwersen, Renate Jäger, Dr. Ulrich Janzen, Dr. Uwe Jens, Volker Jung (Düsseldorf), Susanne Kastner, Klaus Kirschner, Marianne Klappert, Detlef Kleinert (Hannover), Hans-Ulrich Klose, Dr. Hans-Hinrich Knaape, Fritz Rudolf Körper, Roland Kohn, , Rolf Koltzsch, Jürgen Koppelin, Volkmar Kretkowski, , Dr. Klaus Kübler, Dr. Uwe Küster, Eckart Kuhlwein, Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann, Uwe Lambinus, Dr. , Brigitte Lange, Detlev von Larcher, Robe rt Leidinger, Dr. Elke Leonhard-Schmid, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Klaus Lohmann (Witten), Dr. , Wolfgang Lüder, Uwe Lühr, Dieter Maaß (Herne), Dorle Marx, Ulrike Mascher, , Ingrid Matthäus-Maier, , Ulrike Mehl, Herbe rt Meißner, Dr. Bruno Menzel, Dr. Franz-Josef Mertens (Bottrop), Dr. Jürgen Meyer (Ulm), Wolfgang Mischnick, Jürgen W. Möllemann, Christian Müller (Zittau), Franz Müntefering, Volker Neumann (Bramsche), Gerhard Neumann (Gotha), Dr. Edith Niehuis, Drucksache 12/2605 (neu) Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

Dr. Rolf Niese, Günther Friedrich Nolting, Doris Odendahl, Manfred Opel, Dr. , Adolf Ostertag, Dr. Helga Otto, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Peter Paterna, Horst Peter (Kassel), Lisa Peters, Angelika Pfeiffer, Dr. Eckhart Pick, Dr. Eva Pohl, Rosemarie Priebus, Rudolf Purps, Manfred Reimann, Margot von Renesse, Renate Rennebach, Otto Reschke, Hermann Rind, Bernd Reuter, Manfred Richter (Bremerhaven), Günter Rixe, Dr. Klaus Röhl, Wolfgang Roth, Helmut Schäfer (Mainz), Harald B. Schäfer (Offenburg), Dieter Schanz, Siegfried Scheffler, O tto Schily, Dieter Schloten, Günter Schluckebier, Cornelia Schmalz-Jacobsen, Ursula Schmidt (), Arno Schmidt (), (Nürnberg), Wilhelm Schmidt (Salzgitter), Regina Schmidt-Zadel, Dr. Jürgen Schmieder, Dr. Jürgen Schmude, Dr. Emil Schnell, Dr. Rudolf Schöfberger, Gisela Schröter, Karl-Heinz Schröter, Gerhard Schüßler, Dietmar Schütz, Brigitte Schulte (Hameln), Hans Schuster, Dr. R. Werner Schuster, Dr. , Ernst Schwanhold, , Marita Sehn, Bodo Seidenthal, Ursula Seiler-Albring, Dr. Sigrid Semper, Lisa Seuster, Horst Sielaff, Johannes Singer, Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk, Dr. Hartmut Soell, Dr. , Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast, Wieland Sorge, Dr. Jürgen Starnick, Heinz-Alfred Steiner, Dr. Peter Struck, Joachim Tappe, Dr. Cornelia von Teichman, Margitta Terborg, Dr. Gerald Thalheim, Carl-Ludwig Thiele, , Jürgen Timm, Hans-Günther Toetemeyer, Jürgen Türk, Hans-Eberhard Urbaniak, Dr. Hans-Jochen Vogel, Karsten D. Voigt (Frankfurt), Hans Wallow, (Cochem), Rudi Walther (Zierenberg), Ingrid Walz, Gerd Wartenberg (Berlin), Dr. Konstanze Wegner, , Reinhard Weis (Stendal), Gunter Weißgerber, (Wiesloch), Jochen Welt, Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen), Hildegard Wester, Lydia Westrich, Gudrun Weyel, Heidemarie Wieczorek-Zeul, Dieter Wiefelspütz, Hermann Wimmer (Neuötting), Berthold Wittich, Torsten Wolfgramm (Göttingen), Verena Wohlleben, , Burkhard Zurheide und Werner Zywietz

Entwurf eines Gesetzes zum Schutz des vorgeburtlichen/werdenden Lebens, zur Förderung einer kinderfreundlicheren Gesellschaft, für Hilfen im Schwangerschaftskonflikt und zur Regelung des Schwangerschaftsabbruchs (Schwangeren- und Familienhilfegesetz)

A. Problem

Artikel 31 Abs. 4 des zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik geschlossenen Eini- gungsvertrages verpflichtet den gesamtdeutschen Gesetzgeber, „spätestens bis zum 31. Dezember 1992 eine Regelung zu treffen, die den Schutz vorgeburtlichen Lebens und die verfassungskon- forme Bewältigung von Konfliktsituationen schwangerer Frauen Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/2605 (neu)

vor allem durch rechtlich gesicherte Ansprüche für Frauen, insbe- sondere auf Beratung und soziale Hilfen, besser gewährleistet, als dies in beiden Teilen Deutschlands derzeit der Fall ist. Zur Verwirklichung dieser Ziele wird in dem in Artikel 3 genannten Gebiet mit finanzieller Hilfe des Bundes unverzüglich ein flächen- deckendes Netz von Beratungsstellen verschiedener Träger aufge- baut. Die Beratungsstellen sind personell und finanziell so auszu- statten, daß sie ihrer Aufgabe gerecht werden können, schwangere Frauen zu beraten und ihnen notwendige Hilfen — auch über den Zeitpunkt der Geburt hinaus — zu leisten."

Diese Regelung ist Verpflichtung und Chance zugleich. Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, unter Berücksichtigung der Erfahrun- gen mit der Indikationsregelung in den alten Bundesländern, der Fristenregelung in der ehemaligen DDR sowie der Erfahrungen im Ausland eine Regelung zu entwickeln, die sowohl der staatlichen Aufgabe des Lebensschutzes als auch den Belangen der in einer Konfliktlage befindlichen Frauen gerecht wird.

Beide derzeit geltenden Regelungen eignen sich nicht als Lösung für Gesamtdeutschland. Sie haben einen effektiven Schutz vorge- burtlichen Lebens nicht zu bewirken vermocht. Beide Regelungen haben — bezogen auf Bevölkerungs- und Geburtenzahl — annä- hernd gleich hohe Schwangerschaftsabbruchzahlen zur Folge, die deutlich höher liegen als in einigen vergleichbaren europäischen Ländern. Die Zahl der legalen Abbrüche beträgt in den alten Bundesländern zur Zeit ca. 80.000 pro Jahr. Hinzuzurechnen sind die illegalen Abbrüche, vor allem solche, die im Ausland durchge- führt werden.

Beide Regelungen werden von den betroffenen Frauen vielfach als unbefriedigend empfunden. Die Indikationenlösung der § 218 ff. StGB hat zu großer Rechtsunsicherheit bei Ärzten und Ärztinnen, Beratungsstellen und Frauen geführt. Gerichtsverfahren wurden nicht nur von den betroffenen Frauen als entwürdigend empfun- den. Es hat sich erwiesen, daß es unmöglich ist, individuelle Notlagen, insbesondere solche sozialer Art, ärztlicherseits festzu- stellen und gerichtlich zu überprüfen. Auf der anderen Seite läßt die Fristenregelung der ehemaligen DDR den Schwangerschafts- abbruch als Instrument der Familienplanung zu und bietet keine ausreichenden Beratungsmöglichkeiten.

Die Rechtspraxis der vergangenen Jahre hat gezeigt, daß Strafdro- hungen ungeeignet sind, werdendes Leben wirksam zu schützen und Konfliktsituationen schwangerer Frauen adäquat zu lösen. Die strafrechtliche Sanktionierung des Schwangerschaftsabbruchs in ihrer gegenwärtigen Form führt dazu, daß Frauen sich in ihrem Konflikt oft allein gelassen fühlen. Sie gewinnen dabei den Eindruck, der Staat versuche allein durch die Strafdrohung das werdende Leben zu schützen, er schütze jedoch nicht das geborene durch Schaffung einer kinderfreundlichen Umwelt und zufrieden- denstellender Rahmenbedingungen für Frauen und Familien mit Kindern, die Frauen das Ja zum Kind erleichtern. Eine solche Entscheidung wird Frauen heute vielfach durch unzureichende Unterstützung und fehlende Möglichkeiten, Beratung und Hilfe zu finden, erschwert. Alleinerziehende Frauen haben mit besonderen Drucksache 12/2605 (neu) Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

Schwierigkeiten zu rechnen und, vor allem in ländlichen Gebieten, mit gesellschaftlicher Geringachtung zu kämpfen. Vor allem junge, noch in der Ausbildung befindliche Frauen, die schwanger werden, sehen sich nicht selten vielfältigem Druck von seiten ihrer Eltern sowie der Ausbildungsstelle ausgesetzt. Sie sehen oft keine Mög- lichkeit, die Schwangerschaft auszutragen und gleichwohl die Ausbildung abzuschließen. Ferner ist das Bewußtsein für die Verantwortung des männlichen Partners vielfach noch nicht stark genug entwickelt. Oft sind es die männlichen Partner, die eine Frau zum Abbruch drängen, obwohl sie eigentlich eher das Kind austragen möchte.

Die Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind nach wie vor unzureichend. Dies gilt vor allem für Alleinerziehende, deren Zahl ständig steigt. Die derzeitige Rechts- lage sieht keinen Rechtsanspruch auf Kindergartenbetreuung vor. Betreuungsmöglichkeiten bis zur Kindergartenreife sind für die Frauen, die dies für ihre Kinder wünschen, nur in völlig unzurei- chendem Maße vorhanden. Dies ist besonders gravierend für die Frauen in den neuen Bundesländern, die an ein ausreichendes Angebot an Kinderbetreuungseinrichtungen gewöhnt sind. Auch die Betreuungsmöglichkeiten für Kinder im schulpflichtigen Alter sind nicht hinreichend ausgebaut. Es mangelt ferner an Möglich- keiten, im Rahmen flexibler Arbeitszeiten Familien- und Berufs- pflichten miteinander zu vereinbaren. Insgesamt fühlen sich viele Frauen nach der Geburt ihres Kindes von der Gesellschaft allein gelassen.

Die Beratungsmöglichkeiten für Frauen — und gegebenenfalls auch für ihre Partner und Familien — im Fall eines Schwanger- schaftskonfliktes sind ebenfalls nicht ausreichend entwickelt. So existiert noch kein flächendeckendes pluralistisches Netz an Bera- tungsstellen. Aber auch die allgemeinen Beratungsmöglichkeiten über Familienplanung und Verhütung sind unterentwickelt. Viele Menschen sind nur unzureichend über Fragen der Verhütung und Familienplanung informiert. Zudem weist der schulische Aufklä- rungsunterricht auch heute noch Mängel auf. Nach wie vor entstehen ungewollte Schwangerschaften infolge Unkenntnis über zuverlässige Verhütungsmethoden.

Es hat sich gezeigt, daß umfassende soziale Rahmenbedingungen einen besseren Schutz des werdenden Lebens gewährleisten als die strafrechtliche Sanktionierung. Inländische und ausländische Erfahrungen lehren, daß strafrechtliche Normierungen nur in geringem Umfang zum Schutz des werdenden Lebens wirklich beitragen. Das Ziel des Lebensschutzes und die Interessen der Schwangeren stellen keine unüberbrückbaren Gegensätze dar. Werdendes Leben kann nur mit der Schwangeren und nicht gegen sie geschützt werden. Die Gesellschaft kann die Entscheidung für das Kind helfend unterstützen, sie aber nicht durch irgendwelche Maßnahmen erzwingen. Die notwendigen Anforderungen an den Gesetzgeber hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 25. Februar 1975 zutreffend wie folgt beschrieben: „Achtung vor dem ungeborenen Leben und Recht der Frau, nicht über das zumutbare Maß hinaus zur Aufopferung eigener Lebenswerte im Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/2605 (neu)

Interesse der Respektierung dieses Rechtsguts gezwungen zu werden, treffen aufeinander. In einer solchen Konfliktlage, die im allgemeinen auch keine eindeutige moralische Beurteilung zuläßt und in der die Entscheidung zum Abbruch einer Schwangerschaft den Rang einer achtenswerten Gewissensentscheidung haben kann, ist der Gesetzgeber zur besonderen Zurückhaltung ver- pflichtet."

B. Lösung

Die anzustrebende Neuregelung muß in der Lage sein, sowohl einen effektiven Lebensschutz zu bewirken als auch der Frau in ihrer Konfliktlage Hilfe zu geben und sie in die Lage zu versetzen, eine verantwortungsbewußte Gewissensentscheidung zu treffen. Den Schwerpunkt der vorgeschlagenen Regelungen bilden daher Maßnahmen, die unter Zugrundelegung des Prinzips Hilfe statt Strafe einen besseren Schutz des vorgeburtlichen Lebens gewähr- leisten und überdies dabei helfen sollen, den Konfliktsituationen von Frauen angemessen zu begegnen. Dabei verlangt der Auftrag des Einigungsvertrages, „den Schutz vorgeburtlichen Lebens . . . vor allem durch rechtlich gesicherte Ansprüche für Frauen, insbe- sondere auf Beratung und soziale Hilfen, besser (zu) gewährlei- ste(n) als dies ... derzeit der Fall ist", also ein deutliches Mehr sowie ein breiter gefächertes Angebot an Hilfe und Unterstützung. Flankierend zur Verbesserung der Ansprüche auf Beratung und soziale Hilfen ist der strafrechtliche Schutz des vorgeburtlichen Lebens neu und einheitlich zu regeln.

Das an dem Ziel des effektiven Lebensschutzes unter Wahrung der Eigenverantwortlichkeit der Frauen ausgerichtete Gesetz beruht daher auf folgenden Hauptelementen:

— Rechtsanspruch auf Sexualaufklärung, um ungewollte Schwan- gerschaften möglichst von vornherein zu verhindern, sowie kostenfreie Abgabe ärztlich verordneter Verhütungsmittel an Versicherte bis zur Vollendung des 20. Lebensjahres.

— Verbesserung der Rahmenbedingungen für Familien und Schaffung einer kinderfreundlicheren Umwelt mit Hilfe einer breiten Palette sozialer Hilfen, die auf typische Schwanger- schaftskonfliktsituationen zugeschnitten sind oder aber einer Mutter das Zusammenleben mit dem Kind erleichtern. Andere ebenfalls in diesem Zusammenhang relevante Maßnahmen hat der Gesetzgeber bereits durch im Jahre 1991 erfolgte Regelun- gen vorweggenommen. Zu nennen sind hier die Erweiterung des Erziehungsurlaubes und des Zeitraumes der Gewährung des Erziehungsgeldes, die Ausdehnung der Leistungen nach dem Unterhaltsvorschußgesetz, die Verlängerung des An- spruchs auf Kinderkrankentagegeld und die Förderung der Fortbildung in Teilzeitform bei Erstattung von Betreuungsko- sten während der Maßnahme. Darüber hinaus hat die Bundes- anstalt für Arbeit durch Anordnung festgelegt, daß als berufli- che Tätigkeit im Sinne von § 42 des Arbeitsförderungsgesetzes auch die Tätigkeit im eigenen Haushalt gilt. Drucksache 12/2605 (neu) Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

— Qualitativ hochwertige Beratung sowie praktische Hilfen für Frauen in Schwangerschaftskonflikten.

— Neuregelung des Rechts der Schwangerschaftsabbrüche, weil trotz aller Prävention und Hilfsangebote realistischerweise nicht davon ausgegangen werden kann, daß Schwanger- schaftsabbrüche gänzlich zu vermeiden sein werden.

Die vorgeschlagene Novellierung der strafrechtlichen Vorschriften über den Schwangerschaftsabbruch zieht die Konsequenz daraus, daß weder die vor 1974 geltende Strafdrohung noch das Indikatio- nenmodell des geltenden Rechts einen wirksamen Schutz vorge- burtlichen Lebens gewährleisten konnten. Es hat sich erwiesen, daß die Frage des Vorliegens einer Notlage letztlich nur von der Schwangeren selbst wirklich beurteilt werden kann. Nur in Aus- nahmesituationen entscheiden sich Frauen zum Schwanger- schaftsabbruch, der einen schweren Eingriff in ihre körperliche und psychische Integrität bedeutet. Das nach den §§ 218 ff. StGB derzeit vorgesehene Verfahren zur Feststellung einer Indikation wird von vielen Frauen als herabsetzend empfunden und hat sie in die Illegalität getrieben. Das Bestreben, auf jeden Fall die erfor- derliche Indikationsfeststellung für den Schwangerschaftsabbruch zu erreichen, hat zur Folge, daß schwangere Frauen nicht mehr offen für eine Beratung sind, sondern sich von vornherein in ihrem Entschluß zum Schwangerschaftsabbruch festlegen und bei der Beratung eine Verteidigungshaltung einnehmen. Hierdurch wird die Chance vergeben, der Frau durch fachkundige Information Hilfe in ihrer Konfliktsituation zu geben, die dazu führen kann, daß sie sich letztlich doch für ihr Kind entscheidet. Dem trägt der vorliegende Entwurf dadurch Rechnung, daß er den Straftatbestand des Schwangerschaftsabbruchs ausschließt, wenn der Abbruch innerhalb der ersten 12 Wochen nach der Empfängnis mit Einwilligung der Schwangeren von einem Arzt vorgenommen wird und die Schwangere mindestens drei Tage vor dem Eingriff in einer Beratung eine umfassende medizinische, soziale und juristi- sche Information erhalten hat. Diese Beratung leistet einen wesent- lichen Beitrag zum Schutz vorgeburtlichen Lebens. Die weitge- hende Straffreiheit des Schwangerschaftsabbruchs für die schwan- gere Frau im geltenden Recht bleibt im wesentlichen unverän- dert . Die Gesamtheit dieser Maßnahmen bringt die vom Bundesverfas- sungsgericht gebotene rechtliche Mißbilligung des Schwanger- schaftsabbruchs zum Ausdruck und verspricht einen der Bedeu- tung des werdenden Lebens entsprechenden tatsächlichen Schutz zu gewährleisten.

C. Alternativen Beibehaltung der bestehenden Rechtslagen; Übertragung des in den alten Bundesländern geltenden Rechts auf das Beitrittsgebiet; sonstige dem Deutschen Bundestag vorliegende Gesetzentwürfe. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/2605 (neu)

D. Kosten Das Schwangeren- und Familienhilfegesetz verursacht erhebliche Kosten, deren Ausgabe allerdings auch angesichts der angespann- ten Haushaltslage von Bund, Ländern und Kommunen geboten ist, urn den Schutz des werdenden Lebens sowie von schwangeren Frauen und von Müttern zu verbessern. Diese Kosten werden zwar auf verschiedene Träger verteilt, übersteigen jedoch die Belastbar- keit einiger Bundesländer. Daher muß die Umsetzung- dieses Gesetzes in eine Neuregelung des Finanzausgleichs zwischen Bund und Ländern einfließen. Die detaillierten Kosten sind der nachfolgenden Aufstellung zu entnehmen:

Länder Mehrkosten Bund andere bzw. Kommunen

Beratung und ca. 20 Mio DM ca. 20 Mio DM — Aufklärung

Verhütungs 100 Mio DM mittel — —

Freistellung Alleinerziehen ca. 40 Mio DM der zur Betreu — — ung der Kinder

Arbeitsförde rungsmaß — — 108 Mio DM nahmen

Berufsbildungs - - - gesetz

BSHG a)Mehrbedarf — a)ca. 80 Mio DM b) Regreß b) 130 Mio DM verzicht

Kinder nicht feststehen 10 Mrd. DM betreuung der Betrag über ca. 5 Mrd. DM - Bund-Länder gemischte finanzausgleich Betriebskosten

Wohnungs - - - beschaffung Drucksache 12/2605 (neu) Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

Entwurf eines Gesetzes zum Schutz des vorgeburtlichen/werdenden Lebens, zur Förderung einer kinderfreundlicheren Gesellschaft, für Hilfen im Schwangerschaftskonflikt und zur Regelung des Schwangerschaftsabbruchs (Schwangeren- und Familienhilfegesetz)

Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundes- 3. Vorsorgeuntersuchungen bei Schwangerschaft rates das folgende Gesetz beschlossen: und die Kosten der Entbindung,

4. soziale und wirtschaftliche Hilfen für Schwangere, insbesondere finanzielle Leistungen sowie Hilfen Artikel 1 bei der Suche nach Wohnung, Arbeits- oder Aus- Gesetz über Aufklärung, bildungsplatz oder deren Erhalt, Verhütung, Familienplanung und Beratung 5. die Methoden zur Durchführung eines Schwanger- schaftsabbruches, die physischen und psychischen § 1 Folgen eines Abbruchs und die damit verbundenen Aufklärung Risiken, 6. Lösungsmöglichkeiten für psychosoziale Konflikte (1) Die für gesundheitliche Aufklärung und im Zusammenhang mit einer Schwangerschaft, Gesundheitserziehung zuständige Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung erstellt unter Beteiligung 7. die rechtlichen und psychologischen Gesichts- der obersten Landesbehörden und in Zusammenar- punkte im Zusammenhang mit einer Adoption. beit mit Vertretern der Familienberatungseinrichtun- gen aller Träger Konzepte zur Sexualaufklärung, Die Schwangere ist darüber hinaus bei der Geltend- jeweils abgestimmt auf die verschiedenen Alters- und machung von Ansprüchen sowie bei der Wohnungs- Personengruppen. suche, bei der Suche nach einer Betreuungsmöglich- keit für das Kind und bei der Fortsetzung ihrer (2) Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklä- Ausbildung zu unterstützen. Auf Wunsch der Schwan- rung verbreitet die bundeseinheitlichen Aufklärungs- geren können Dritte zur Beratung hinzugezogen wer- materialien, in denen Verhütungsmethoden und Ver- den. hütungsmittel umfassend dargestellt sind. (3) Zum Anspruch auf Beratung gehört auch die (3) Die Aufklärungsmaterialien werden unentgelt- Nachbetreuung nach einem Schwangerschaftsab- lich an Einzelpersonen auf Anforderung, ferner als bruch oder nach Austragen der Schwangerschaft. Lehrmaterial an schulische und berufsbildende Ein- richtungen, an Beratungsstellen sowie an alle Institu- tionen der Jugend- und Bildungsarbeit abgegeben. §3 Beratungsstellen

§2 (1) Die zuständige oberste Landesbehörde stellt ein Beratung ausreichendes Angebot wohnortnaher Beratungsstel- len für die Beratung nach § 2 sicher. Dabei werden (1) Jede Frau und jeder Mann hat das Recht, sich in auch Beratungsstellen freier Träger gefördert. Die Fragen der Sexualaufklärung, Verhütung und Fami- Ratsuchenden sollen zwischen Beratungsste llen un- lienplanung sowie in allen eine Schwangerschaft terschiedlicher weltanschaulicher Ausrichtung aus- unmittelbar oder mittelbar berührenden Fragen von wählen können. einer hierfür vorgesehenen Beratungsstelle oder von einem Arzt oder einer Ärztin informieren und beraten (2) Beratungsstelle im Sinne von Absatz 1 kann zu lassen. sein

(2) Der Anspruch auf Beratung umfaßt Informatio- 1. eine von einer Behörde oder Körperschaft, Anstalt nen über oder Stiftung des öffentlichen Rechts anerkannte Beratungsstelle oder 1. Sexualaufklärung, Verhütung und Familienpla- nung, 2. ein Arzt oder eine Ärztin, der oder die

2. bestehende familienfördernde Leistungen und Hil- a) als Mitglied einer anerkannten Beratungsstelle fen für Kinder und Familien, einschließlich der (Nummer 1) mit der Beratung nach § 2 betraut besonderen Rechte im Arbeitsleben, oder Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/2605 (neu)

b) von einer Behörde oder Körperschaft, Anstalt nisverhütenden Mitteln, soweit sie ärztlich verord- oder Stiftung des öffentlichen Rechts als Berate- net werden. rin oder Berater anerkannt ist. § 24 b (3) Eine Beratungsstelle im Sinne des Absatzes 2 Schwangerschaftsabbruch und Steri lisation kann nur anerkannt werden, wenn sie (1) Versicherte haben Anspruch auf Leistungen 1. über hinreichend qualifiziertes Personal verfügt, bei einer nicht rechtswidrigen Steri lisation und bei einem nicht rechtswidrigen Abbruch der Schwan- 2. sicherstellt, daß zur Durchführung der Beratung gerschaft durch einen Arzt. Der Anspruch auf Lei- erforderlichenfalls kurzfristig eine ärztlich, psycho- stungen bei einem nicht rechtswidrigen Schwan- logisch oder juristisch ausgebildete Fachkraft her- gerschaftsabbruch besteht nur, wenn dieser in angezogen werden kann, einem Krankenhaus oder einer sonstigen hierfür 3. mit den Stellen zusammenarbeitet, die öffentliche vorgesehenen Einrichtung im Sinne von Artikel 3 und private Hilfen für Mutter und Kind gewäh- Abs. 1 Satz 1 des Fünften Strafrechtsreformgesetzes ren, vorgenommen wird.

4. zu einer Beratung gemäß § 2 in der Lage ist. (2) Es werden ärztliche Beratung über die Erhal- tung und den Abbruch der Schwangerschaft, ärztli- (4) Die Länder regeln das Verfahren. che Untersuchung und Begutachtung zur Feststel- lung der Voraussetzungen für eine nicht rechtswid- rige Sterilisation oder für einen nicht rechtswidrigen §4 Schwangerschaftsabbruch, ärztliche Behandlung, Öffentliche Förderung der Beratungsstellen Versorgung mit Arznei-, Verbands- und Heilmitteln sowie Krankenhauspflege gewährt. Anspruch auf Krankengeld besteht, wenn Versicherte wegen (1) Die Länder tragen dafür Sorge, daß den aner- einer nicht rechtswidrigen Sterilisation oder wegen kannten Beratungsstellen für die Beratung nach die- eines nicht rechtswidrigen Abbruchs der Schwan- sem Gesetz für je 40 000 Einwohner mindestens eine gerschaft durch einen Arzt arbeitsunfähig werden, Beraterin oder ein Berater vollzeitbeschäftigt oder es sei denn, es besteht ein Anspruch nach § 44 eine entsprechende Zahl von Teilzeitbeschäftigten Abs. 1. " zur Verfügung steht. Von diesem Schlüssel soll dann abgewichen werden, wenn die Tätigkeit der Bera- tungsstellen mit dem vorgesehenen Personal auf Artikel 3 Dauer nicht ordnungsgemäß durchgeführt werden kann. Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß Schwan- Änderung der Reichsversicherungsordnung gere in angemessener Entfernung von ihrem Wohnort eine Beratungsstelle aufsuchen können. Die §§ 200e, 200f und 200g der Reichsversiche- rungsordnung in der im Bundesgesetzblatt Teil III (2) Nach diesem Gesetz anerkannte Beratungsstel- Gliederungsnummer 820-1 veröffentlichten bereinig- len haben Anspruch auf Erstattung der notwendigen ten Fassung, die zuletzt durch ... geändert worden ist, Personal- und Sachkosten. werden aufgehoben.

Artikel 2 Artikel 4 Änderung des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch Änderung des Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte Das Fünfte des Sozialgesetzbuchs — Gesetz- Die §§ 31 a bis 31 c des Gesetzes über die Kranken- liche Krankenversicherung (Artikel 1 des Gesetzes versicherung der Landwirte vom 10. August 1972 vom 20. Dezember 1988 — BGBl. I S. 2477, 2482), das (BGBl. I S. 1433), das zuletzt durch ... geändert wor- zuletzt durch ... geändert worden ist, wird wie folgt den ist, werden aufgehoben. geändert:

Nach § 24 werden folgende §§ 24 a und 24 b einge- fügt: Artikel 5

„§ 24a Änderung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes Empfängnisverhütung § 24 des Achten Buchs Sozialgesetzbuch — Kinder- (1) Versicherte haben Anspruch auf ärztliche und Jugendhilfe (Artikel 1 des Gesetzes vom 26. Juni Beratung über Fragen der Empfängnisregelung. 1990 — BGBl. I S. 1163, 1166) wird wie folgt gefaßt: Zur ärztlichen Beratung gehören auch die erforder- liche Untersuchung und die Verordnung von emp- „ § 24 fängnisregelnden Mitteln. Ausgestaltung des Förderungsangebots

(2) Versicherte bis zum vollendeten 20. Lebens- (1) Ein Kind hat Anspruch auf Förderung in einer jahr haben Anspruch auf Versorgung mit empfäng- Tageseinrichtung, in Tagespflege oder auf Betreuung Drucksache 12/2605 (neu) Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode durch eine Pflegeperson in der elterlichen Wohnung. monatlich ganz oder teilweise, wenn diese durch Ein Kind vom vollendeten dritten Lebensjahr an hat die Teilnahme an einer Maßnahme unvermeidbar bis zum Schuleintritt Anspruch auf den Besuch eines entstehen und die Belastung durch diese Kosten für Kindergartens. Erziehungsberechtigte haben das den Teilnehmer eine Härte bedeuten würde." Recht, zwischen verschiedenen Formen der Tagesbe- treuung zu wählen; den Wünschen ist zu entsprechen, 3. § 49 Abs. 1 wird wie folgt geändert: sofern dies nicht mit unverhältnismäßigen Mehr- kosten verbunden ist. a) Satz 1 wird wie folgt gefaßt:

(2) Die örtlichen Träger und die kreisangehörigen „Die Bundesanstalt kann Arbeitgebern für Gemeinden ohne Jugendamt haben darauf hinzuwir- Arbeitnehmer Zuschüsse gewähren, wenn sie ken, daß eine volle Leistung am Arbeitsplatz erst nach einer Einarbeitungszeit erreichen können, und 1. für jedes Kind vom vollendeten dritten Lebensjahr sie vor Beginn der Einarbeitung an bis zum Schuleintritt ein Platz im Kindergarten und ein bedarfsgerechtes Angebot an Ganztags- 1. arbeitslos sind oder plätzen zur Verfügung steht, 2. von Arbeitslosigkeit unmittelbar bedroht 2. das Betreuungsangebot für Kinder im Alter unter sind; § 44 Abs. 2 Satz 3 gilt entspre- drei Jahren und Kinder im schulpflichtigen Alter chend." bedarfsgerecht ausgebaut wird.

Bei der Entwicklung bedarfsgerechter Betreuungsfor- b) Nach Satz 3 wird folgender Satz eingefügt: men ist einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit Rechnung zu tragen. Das Nähere „Die Bundesanstalt muß Arbeitgebern für über die fachlichen und personellen Anforderungen Arbeitnehmer, die nach Zeiten der Kindererzie- an die einzelnen Betreuungsformen regelt das Lan- hung oder nach Zeiten der Pflege von Angehö- desrecht. " rigen in das Erwerbsleben zurückkehren, Zuschüsse gewähren, wenn sie eine volle Lei- stung erst nach einer Einarbeitungszeit errei- chen können. " Artikel 6 Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes

Artikel 7 Das Arbeitsförderungsgesetz vom 25. Juni 1969 (BGBl. I S. 582), das zuletzt durch ... geändert worden Änderung des Berufsbildungsgesetzes ist, wird wie folgt geändert:

1. § 44 wird wie folgt geändert: Dem § 39 Abs. 2 des Berufsbildungsgesetzes vom 14. August 1969 (BGBl. I S. 1112), das zuletzt durch a) Dem Absatz 2 werden folgende Sätze ange- ... geändert worden ist, wird folgender Satz ange- fügt: fügt:

„Teilnehmern an Maßnahmen zur beruflichen „Auszubildenden, die Erziehungsurlaub in An- Fortbildung mit Teilzeitunterricht, die nach der spruch genommen haben, darf hieraus kein Nachteil Betreuung oder Erziehung eines Kindes in das erwachsen, sofern die übrigen Voraussetzungen Erwerbsleben zurückkehren oder nach ihrer gemäß Absatz 1 Nr. 1 bis 3 dieser Vorschrift erfüllt Rückkehr nicht länger als ein Jahr erwerbstätig sind. " gewesen sind und die Voraussetzungen nach Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 oder 3 erfüllen und von denen die Teilnahme an einer Maßnahme mit ganztägigem Unterricht wegen der Betreuung Artikel 8 aufsichtsbedürftiger Kinder oder pflegebedürf- tiger Personen nicht erwartet werden kann, wird Änderung des Bundessozialhilfegesetzes ein Unterhaltsgeld gewährt. Die Vorausset- zungen richten sich nach Absatz 2 b Satz 2 Das Bundessozialhilfegesetz in der Fassung der und 3." Bekanntmachung vom 10. Januar 1991 (BGBl. I S. 94) b) In Absatz 2 b Satz 1 werden die Angabe „ 1. " wird wie folgt geändert: und die Worte „oder 2." bis „nicht erwartet werden kann" gestrichen. 1. § 23 wird wie folgt geändert:

2. § 45 Satz 2 wird wie folgt gefaßt: a) Absatz 1 Nr. 3 wird wie folgt gefaßt:

„Sie trägt auch die Kosten für die Betreuung der „3. für werdende Mütter nach der 12. Schwan- Kinder des Teilnehmers je Kind bis zu 120 DM gerschaftswoche. "; Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/2605 (neu)

b) Absatz 2 wird wie folgt gefaßt: „Bei der Benennung sind ungeachtet des Satzes 4 insbesondere die Personengruppen nach § 26 Abs. 2 „ (2) Für Personen, die mit einem Kind unter Satz 1 Nr. 2 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes vor- 7 Jahren oder die mit 2 oder 3 Kindern unter rangig zu berücksichtigen; sind schwangere Frauen 16 Jahren zusammenleben und allein für deren wohnberechtigte Wohnungssuchende, haben sie Vor- Pflege und Erziehung sorgen, ist ein Mehrbe- rang vor den anderen Personengruppen." darf von 40 vom Hundert des maßgebenden Regelsatzes anzuerkennen, soweit nicht im Ein- zelfall ein abweichender Bedarf besteht; bei 4 oder mehr Kindern erhöht sich der Mehrbedarf Artikel 11 auf 60 vom Hundert des maßgebenden Regel- satzes. " Änderung des Strafgesetzbuches

2. § 91 Abs. 1 Satz 1 wird wie folgt gefaßt: Das Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekannt- machung vom 10. März 1987 (BGBl. I S. 945, 1160), „Der Träger der Sozialhilfe darf den Übergang das zuletzt durch ... geändert worden ist, wird wie eines Anspruches nach § 90 gegen einen nach folgt geändert: bürgerlichem Recht Unterhaltspflichtigen nicht bewirken, wenn der Unterhaltspflichtige mit dem 1. Die §§ 218 bis 219 d werden durch folgende §§ 218 Hilfeempfänger im zweiten oder in einem entfern- bis 219 b ersetzt: teren Grade verwandt ist oder wenn die Hilfeemp- fängerin schwanger ist oder ihr leibliches Kind bis „§ 218 zur Vollendung seines 6. Lebensjahres betreut." Schwangerschaftsabbruch

(1) Wer eine Schwangerschaft abb richt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geld- Artikel 9 strafe bestraft. Änderung des Zweiten Wohnungsbaugesetzes (2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf § 26 Abs. 2 Satz 1 des Zweiten Wohnungsbaugeset- Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der zes in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Au- Regel vor, wenn der Täter gust 1990 (BGBl. I S. 1730), das durch Anlage I Kapi- tel XIV Abschnitt II Nr. 5 des Einigungsvertrages vom 1. gegen den Willen der Schwangeren handelt 31. August 1990 in Verbindung mit Artikel 1 des oder Gesetzes vom 23. September 1990 (BGBl. 1990 II S. 885, 1126) geändert worden ist, wird wie folgt 2. leichtfertig die Gefahr des Todes oder einer gefaßt: schweren Gesundheitsschädigung der Schwan- geren verursacht. „Beim Einsatz der öffentlichen Mittel nach Absatz 1 ist zugleich zu gewährleisten, daß (3) Begeht die Schwangere die Tat, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geld- 1. der Wohnungsbau in Gebieten mit erhöhtem Woh- strafe. nungsbedarf sowie in Zusammenhang mit städte- baulichen Sanierungs- und Entwicklungsmaßnah- (4) Der Versuch ist strafbar. Die Schwangere wird men, nicht wegen Versuchs bestraft.

2. der Wohnungsbau für schwangere Frauen, kinder- (5) Die Absätze 1 bis 4 sind nicht anzuwenden, reiche Familien, junge Ehepaare, alleinstehende wenn Elternteile mit Kindern, ältere Menschen, Schwer- behinderte, Vertriebene und Flüchtlinge im Sinne 1. der Schwangerschaftsabbruch mit Einwilligung des Bundesvertriebenengesetzes und Übersiedler der Schwangeren von einem Arzt vorgenom- vordringlich gefördert wird." men wird,

2. seit der Empfängnis nicht mehr als zwölf Wochen vergangen sind und Artikel 10 3. die Schwangere dem Arzt durch eine Bescheini- Änderung des Wohnungsbindungsgesetzes gung nach § 219 Abs. 3 nachgewiesen hat, daß sie sich mindestens drei Tage vor dem Eingriff Nach § 5 a Satz 2 des Wohnungsbindungsgesetzes hat beraten lassen. in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. Juli 1982 (BGBl. I S. 972), das zuletzt durch Anlage I (6) Der mit Einwilligung der Schwangeren von Kapitel XIV Abschnitt II Nr. 6 des Einigungsvertrages einem Arzt vorgenommene Schwangerschaftsab- vom 31. August 1990 in Verbindung mit Artikel 1 des bruch ist nicht rechtswidrig, wenn nach ärztlichen Gesetzes vom 23. September 1990 (BGBl. II S. 885, Erkenntnissen und Erfahrungen der Abbruch not- 1126) geändert worden ist, wird folgender Satz einge- wendig ist, um eine Gefahr für das Leben der fügt: Schwangeren oder die Gefahr einer schwerwie- Drucksache 12/2605 (neu) Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

genden Beeinträchtigung ihres körperlichen oder § 219 seelischen Gesundheitszustandes abzuwenden, Beratung der Schwangeren sofern diese Gefahr nicht auf andere für sie zumut- in einer Schwangerschaftskonfliktlage bare Weise abgewendet werden kann. (1) Die Beratung dient dem Lebensschutz durch (7) Die Voraussetzungen des Absatzes 6 gelten Rat und Hilfe für die Schwangere unter Anerken- auch als erfüllt, wenn nach ärztlicher Erkenntnis nung des hohen Wertes des vorgeburtlichen dringende Gründe für die Annahme sprechen, daß Lebens und der Eigenverantwortung der Frau. Sie das Kind infolge einer Erbanlage oder schädlicher soll die Schwangere in die Lage versetzen, eine Einflüsse vor der Geburt an einer nicht behebbaren verantwortungsbewußte eigene Gewissensent- Schädigung seines Gesundheitszustandes leiden scheidung zu treffen. Aufgabe der Beratung ist die würde, die so schwer wiegt, daß von der Schwan- umfassende medizinische, soziale und juristische geren die Fortsetzung der Schwangerschaft nicht Information der Schwangeren, die sich in einer verlangt werden kann. Dies gilt nur, wenn die Konfliktlage befindet. Die Beratung umfaßt die Schwangere dem Arzt durch eine Bescheinigung Darlegung der Rechtsansprüche von Mutter und nach § 219 Abs. 3 nachgewiesen hat, daß sie sich Kind und der möglichen praktischen Hilfen, insbe- mindestens drei Tage vor dem Eingriff hat beraten sondere solcher, die die Fortsetzung der Schwan- lassen und seit der Empfängnis nicht mehr als gerschaft und die Lage von Mutter und Kind 22 Wochen verstrichen sind. erleichtern.

(8) Die Schwangere ist nicht nach Absatz 3 straf- (2) Die Beratung hat durch eine auf Grund bar, wenn der Schwangerschaftsabbruch nach Gesetzes anerkannte Beratungsstelle zu erfolgen. Beratung (§ 219) von einem Arzt vorgenommen Der Arzt, der den Schwangerschaftsabbruch vor- worden ist und seit der Empfängnis nicht mehr als nimmt, ist als Berater ausgeschlossen. 22 Wochen verstrichen sind. Das Gericht kann von (3) Die Beratungsstelle hat der Frau über die Strafe nach Absatz 3 absehen, wenn die Schwan- Tatsache, daß sie die Informationen nach Absatz 1 gere sich zur Zeit des Eingriffs in besonderer für ihre Entscheidungsfindung erhalten hat, eine Bedrängnis befunden hat. mit Datum versehene Bescheinigung auszustellen. Die vorausgegangene Beratung wird nicht proto- (9) Wer in den Fällen des Absatzes 6 oder 7 eine kolliert und ist auf Wunsch der Schwangeren Schwangerschaft abb richt, ohne daß ihm die anonym durchzuführen. schriftliche Feststellung eines Arztes, der nicht selbst den Schwangerschaftsabbruch vornimmt, § 219 a darüber vorgelegen hat, ob die Voraussetzungen Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft des Absatzes 6 oder 7 Satz 1 gegeben sind, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geld- (1) Wer öffentlich, in einer Versammlung oder strafe bestraft, wenn die Tat nicht in Absatz 1 oder 4 durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) seines mit Strafe bedroht ist. Wer als Arzt wider besseres Vermögensvorteils wegen oder in grob anstößiger Wissen eine unrichtige Feststellung über die Vor- Weise aussetzungen des Absatzes 6 oder 7 Satz 1 trifft, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit 1. eigene oder fremde Dienste zur Vornahme oder Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in Absatz 1 Förderung eines Schwangerschaftsabbruchs oder 4 mit Strafe bedroht ist. Die Schwangere ist oder nicht nach Satz 1 oder 2 strafbar. 2. Mittel, Gegenstände oder Verfahren, die zum (10) Ein Arzt darf Feststellungen nach Absatz 6 Abbruch der Schwangerschaft geeignet sind, oder 7 nicht treffen, wenn ihm die zuständige Stelle unter Hinweis auf diese Eignung dies untersagt hat, weil er wegen einer rechtswid- anbietet, ankündigt, anpreist oder Erklärungen rigen Tat nach Absatz 1 oder 9 oder wegen einer solchen Inhalts bekanntgibt, wird mit Freiheits- anderen rechtswidrigen Tat, die er im Zusammen- strafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe hang mit einem Schwangerschaftsabbruch began- bestraft. gen hat, rechtskräftig verurteilt worden ist. Die zuständige Stelle kann einem Arzt vorläufig unter- (2) Absatz 1 Nr. 1 gilt nicht, wenn Ärzte oder auf sagen, Feststellungen nach Absatz 6 und 7 zu Grund Gesetzes anerkannte Beratungsstellen dar- treffen, wenn gegen ihn wegen des Verdachts einer über unterrichtet werden, welche Ärzte, Kranken- der in Satz 1 bezeichneten rechtswidrigen Taten häuser oder Einrichtungen bereit sind, einen das Hauptverfahren eröffnet worden ist. Schwangerschaftsabbruch unter den Vorausset- zungen des § 218 Abs. 5 bis 7 vorzunehmen. § 218a Begriffsbestimmung (3) Absatz 1 Nr. 2 gilt nicht, wenn die Tat gegen- über Ärzten oder Personen, die zum Handel mit Handlungen, deren Wirkung vor Abschluß der den in Absatz 1 Nr. 2 erwähnten Mitteln oder Einnistung des befruchteten Eies in der Gebärmut- Gegenständen befugt sind, oder durch eine Veröf- ter eintritt, gelten nicht als Schwangerschaftsab- fentlichung in ärztlichen oder pharmazeutischen bruch im Sinne dieses Gesetzes. Fachblättern begangen wird. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/2605 (neu)

§ 219 b kel 3 und Artikel 4 des Gesetzes vom 18. Mai 1976 Inverkehrbringen von Mitteln (BGBl. I S. 1213), wird wie folgt geändert: zum Abbruch der Schwangerschaft 1. Artikel 3 wird wie folgt geändert: (1) Wer in der Absicht, rechtswidrige Taten durch § 218 zu fördern, Mittel oder Gegenstände, die zum a) Absatz 1 wird wie folgt gefaßt: Schwangerschaftsabbruch geeignet sind, in den Verkehr bringt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei „ (1) Ein Schwangerschaftsabbruch darf nur in Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. einer Einrichtung vorgenommen werden, in der auch die notwendige medizinische Nachbe- (2) Die Teilnahme der Frau, die den Abbruch handlung gewährleistet ist. Er soll zum frühest ihrer Schwangerschaft vorbereitet, ist nicht nach möglichen Zeitpunkt vorgenommen werden." Absatz 1 strafbar.

(3) Mittel oder Gegenstände, auf die sich die Tat b) In Absatz 2 Satz 1 wird die Angabe „Absatz 1" bezieht, können eingezogen werden." durch die Angabe „Absatz 1 Satz 1" ersetzt.

2. In § 203 Abs. 1 Nr. 4 a wird die Angabe „ § 218b 2. Artikel 4 wird wie folgt gefaßt: Abs. 2 Nr. 1" durch die Angabe „ § 3 des Gesetzes über Aufklärung, Verhütung, Familienplanung „Artikel 4 und Beratung" ersetzt. Einrichtungen zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen

Artikel 12 Die zuständige oberste Landesbehörde stellt ein ausreichendes und flächendeckendes Angebot Änderung der Strafprozeßordnung sowohl ambulanter als auch stationärer Einrichtun- gen zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrü- Die Strafprozeßordnung in der Fassung der chen sicher." Bekanntmachung vom 7. April 1987 (BGBl. I S. 1074, 1319), die zuletzt durch ... geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. In § 53 Abs. 1 Nr. 3 a wird die Angabe „ § 218 b Artikel 14 Abs. 2 Nr. 1 des Strafgesetzbuches" durch die Angabe „§ 3 des Gesetzes über Aufklärung, Ver- Aufhebung von auf dem Gebiet hütung, Familienplanung und Beratung" ersetzt. der ehemaligen DDR fortgeltenden Vorschriften

2. In § 97 Abs. 2 Satz 2 wird die Angabe „ § 218 b §§ 153 bis 155 des Strafgesetzbuches der Deutschen Abs. 2 Nr. 1 des Strafgesetzbuches" durch die Demokratischen Republik — StGB — vom 12. Januar Angabe „§ 3 des Gesetzes über Aufklärung, Ver- 1968 in der Neufassung vom 14. Dezember 1988 hütung, Familienplanung und Beratung" ersetzt. (GBl. I 1989 Nr. 3 S. 33), das durch das 6. Strafrechts- 3. § 108 wird wie folgt geändert: änderungsgesetz vom 29. Juni 1990 (GBl. I Nr. 39 S. 526) geändert worden ist, das Gesetz über die 1. Der bisherige Wortlaut wird Absatz 1. Unterbrechung der Schwangerschaft vom 9. März 2. Dem Absatz 1 wird folgender Absatz ange- 1972 (GBl. I Nr. 5 S. 89) sowie die Durchführungsbe- fügt: stimmung zum Gesetz über die Unterbrechung der Schwangerschaft vom 9. März 1972 (GBl. II Nr. 12 „(2) Werden bei einem Arzt Gegenstände im Sinne S. 149), soweit sie nach Anlage II Kapitel III Sachge- von Absatz 1 Satz 1 gefunden, die den Schwanger- biet C Abschnitt I Nr. 1, 4, 5 des Einigungsvertrages schaftsabbruch einer Patientin betreffen, ist ihre Ver- vom 31. August 1990 in Verbindung mit Artikel 1 des wertung in einem Strafverfahren gegen die Patientin Gesetzes vom 23. September 1990 (BGBl. 1990 II wegen einer Straftat nach § 218 des Strafgesetz- S. 885, 1168) fortgelten, werden aufgehoben. buches ausgeschlossen."

Artikel 13 Artikel 15 Änderung des Fünften Gesetzes zur Reform des Strafrechts Inkrafttreten

Das Fünfte Gesetz zur Reform des Strafrechts vom Dieses Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkün- 18. Juni 1974 (BGBl. I S. 1297), geändert durch Arti- dung in Kraft.

Bonn, den 14. Mai 1992 Drucksache 12/2605 (neu) Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

Inge Wettig-Danielmeier Hans-Joachim Hacker Wolfgang Mischnick Uta Würfel Gerlinde Hämmerle Jürgen W. Möllemann Dr. Hans de With Manfred Hampel Christian Müller (Zittau) Gerhart Rudolf Baum Christel Hanewinckel Franz Müntefering Susanne Rahardt-Vahldieck Dirk Hansen Volker Neumann (Bramsche) Dr. Wolfgang Ullmann Klaus Hasenfratz Gerhard Neumann (Gotha) Dr. Else Ackermann Dr. Ingomar Hauchler Dr. Edith Niehuis Brigitte Adler Dr. Helmut Haussmann Dr. Rolf Niese Ina Albowitz Ulrich Heinrich Günther Friedrich Nolting Gerd Andres Dieter Heistermann Doris Odendahl Dr. Gisela Babel Günther Heyenn Manfred Opel Hermann Bachmaier Reinhold Hiller- (Lübeck) Dr. Rainer Ortleb Holger Bartsch Stephan Hilsberg Adolf Ostertag Ingrid Becker-Inglau Dr. Burkhard Hirsch Dr. Helga Otto Friedhelm Julius Beucher Dr. Uwe Holtz Hans-Joachim Otto (Frankfurt) Rudolf Bindig Birgit Homburger Peter Paterna Dr. Ulrich Böhme (Unna) Erwin Horn Horst Peter (Kassel) Arne Börnsen (Ritterhude) Dr. Sigrid Hoth Lisa Peters Dr. Eberhard Brecht Gunter Huonker Angelika Pfeiffer Günther Bredehorn Ulrich Irmer Dr. Eckhart Pick Hans Büchler (Hof) Gabriele Iwersen Dr. Eva Pohl Peter Büchner (Speyer) Renate Jäger Rosemarie Priebus Hans Büttner (Ingolstadt) Dr. Ulrich Janzen Rudolf Purps Edelgard Bulmahn Dr. Uwe Jens Manfred Reimann Hans Martin Bury Volker Jung (Düsseldorf) Margot von Renesse Marion Caspers-Merk Susanne Kastner Renate Rennebach Wolf-Michael Catenhusen Klaus Kirschner Otto Reschke Peter Conradi Marianne Klappert Hermann Rind Dr. Herta Däubler-Gmelin Detlef Kleinert (Hannover) Bernd Reuter Dr. Nils Diederich (Berlin) Hans-Ulrich Klose Manfred Richter (Bremerhaven) Karl Diller Dr. Hans-Hinrich Knaape Günter Rixe Rudolf Dreßler Fritz Rudolf Körper Dr. Klaus Röhl Freimut Duve Roland Kohn Wolfgang Roth Ludwig Eich Walter Kolbow Helmut Schäfer (Mainz) Norbert Eimer (Fürth) Rolf Koltzsch Harald B. Schäfer (Offenburg) Dr. Konrad Elmer Jürgen Koppelin Dieter Schanz Hans A. Engelhard Volkmar Kretkowski Siegfried Scheffler Carl Ewen Wolfgang Kubicki Dr. Olaf Feldmann Dr. Klaus Kübler Dieter Schloten Elke Ferner Dr. Uwe Küster Günter Schluckebier Evelin Fischer Eckart Kuhlwein Cornelia Schmalz-Jacobsen (Gräfenhainichen) Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann Ursula Schmidt (Aachen) Norbert Formanski Uwe Lambinus Arno Schmidt (Dresden) Paul K. Friedhoff Dr. Otto Graf Lambsdorff Renate Schmidt (Nürnberg) Horst Friedrich Brigitte Lange Wilhelm Schmidt (Salzgi tter) Anke Fuchs (Köln) Detlev von Larcher Regina Schmidt-Zadel Arne Fuhrmann Robert Leidinger Dr. Jürgen Schmieder Rainer Funke Dr. Elke Leonhard-Schmid Dr. Jürgen Schmude Dr. Margret Funke Sabine Leutheusser Dr. Emil Schnell Schmitt-Rink chnarrenberger-S Dr. Rudolf Schöfberger Jörg Ganschow Klaus Lohmann (Witten) Gisela Schröter Monika Ganseforth Dr. Christine Lucyga Karl-Heinz Schröter Hans-Dietrich Genscher Wolfgang Lüder Gerhard Schüßler Konrad Gilges Uwe Lühr Dietmar Schütz Iris Gleicke Dieter Maaß (Herne) Brigitte Schulte (Hameln) Günter Graf Dorle Marx Hans Schuster Ekkehard Gries Ulrike Mascher Dr. R. Werner Schuster Achim Großmann Christoph Matschie Dr. Irmgard Schwaetzer Josef Grünbeck Ingrid Matthäus-Maier Ernst Schwanhold Martin Grüner Markus Meckel Rolf Schwanitz Joachim Günther (Plauen) Ulrike Mehl Marita Sehn Dr. Karlheinz Guttmacher Herbert Meißner Bodo Seidenthal Michael Habermann Dr. Bruno Menzel Ursula Seiler-Albring Karl Hermann Haack (Extertal) Dr. Franz-Josef Me rtens (Bottrop) Dr. Sigrid Semper Heinz-Dieter Hackel Dr. Jürgen Meyer (Ulm) Lisa Seuster Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/2605 (neu)

Horst Sielaff Wolfgang Thierse Gert Weisskirchen (Wiesloch) Johannes Singer Jürgen Timm Jochen Welt Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Hans-Günther Toetemeyer Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) Dr. Hartmut Soell Jürgen Türk Hildegard Wester Dr. Hermann Otto Solms Hans-Eberhard Urbaniak Lydia Westrich Dr. Cornelie Sonntag Dr. Hans-Jochen Vogel Gudrun Weyel Wolgast Karsten D. Voigt (Frankfurt) Heidemarie Wieczorek-Zeul Wieland Sorge Hans Wallow Dieter Wiefelspütz Dr. Jürgen Starnick Ralf Walter (Cochem) Hermann Wimmer (Neuötting) Heinz-Alfred Steiner Rudi Walther (Zierenberg) Berthold Wittich Dr. Peter Struck Ingrid Walz Torsten Wolfgramm - Joachim Tappe Gerd Wartenberg (Berlin) (Göttingen) Dr. Cornelia von Teichman Dr. Konstanze Wegner Verena Wohlleben Margitta Terborg Barbara Weiler Uta Zapf Dr. Gerald Thalheim Reinhard Weis (Stendal) Burkhard Zurheide Carl-Ludwig Thiele Gunter Weißgerber Werner Zywietz Drucksache 12/2605 (neu) Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

Begründung

A. Allgemeines stungsregelungen nicht etwa Beiwerk, sondern Grundlage und Basis des Gesetzes. Durch die 1. Das Schwangeren- und Familienhilfegesetz soll Summe der Einzelvorschriften wird ein wirksamer Lebensschutz gesichert. Zugleich wird aber auch eine einheitliche Regelung der Problematik des- Schwangerschaftsabbruchs im vereinten Deutsch- ein angemessener und würdiger Umgang mit land schaffen, die die Zielvorgaben des Artikel 31 Frauen sichergestellt, die in einem Schwanger- Absatz 4 des Einigungsvertrages und die Forde- schaftskonflikt eine verantwortungsvolle Gewis- rungen des Bundesverfassungsgerichts zum sensentscheidung zu treffen haben. Schutz des werdenden Lebens umsetzt. Die Ver- 3. Die Regelungen über die Schwangerschaftskon- einheitlichung des Rechts des Schwangerschafts- fliktberatung streben eine qualitative und quanti- abbruchs in Deutschland leistet einen wichtigen tative Ausweitung der Beratungsmöglichkeiten an. Beitrag zum Zusammenwachsen der alten und Verlangt wird ein flächendeckendes pluralisti- neuen Bundesländer. Dabei kann die Rechtsan- sches Netz von Beratungsstellen. Die Beratung gleichung weder in Form der Ausdehnung der kann nach wie vor sowohl durch Beratungsstellen derzeit in den alten Bundesländern geltenden als auch durch qualifizierte Ärzte erfolgen. Es wird Indikationenregelung noch durch Übernahme der ausdrücklich die Möglichkeit einer Nachberatung seit 1972 in der ehemaligen DDR geltenden Fri- angeboten, damit die Frau auch nach der Geburt stenregelung erfolgen. Eine Übernahme dieses bzw. nach dem Abbruch fachkundige Beratung Modells scheidet bereits deshalb aus, weil das finden kann. Dies gilt auch für den Fall, daß sie sich DDR-Recht den Schwangerschaftsabbruch aus- zur Freigabe des Kindes zur Adoption entschlossen drücklich als „eine Möglichkeit zusätzlich zu den hat. bestehenden Möglichkeiten der Empfängnisver- hütung" bezeichnete (§ 1 Absatz 1 Schwanger- Beratung und Aufklärung sind als Rechtsansprü- schaftsunterbrechungsgesetz vom 9. März 1972, che ausgestaltet. Sie beschränken sich nicht nur auf der allerdings nach dem Einigungsvertrag nicht die Situation des Schwangerschaftskonflikts selbst, fortgilt). Diese Sichtweise ist mit dem verfassungs- sondern beziehen ausdrücklich auch den Bereich mäßig gebotenen Schutz des werdenden Lebens der Sexualaufklärung, Verhütung und Familien- nicht vereinbar. Auf der anderen Seite haben die planung, also des Bemühens um die Verhinderung Erfahrungen mit der westdeutschen Indikationen- ungewollter Schwangerschaften, mit ein. Verhin- regelung erwiesen, daß diese den bei ihrer Einfüh- derung ungewollter Schwangerschaften setzt Wis- rung erhofften verbesserten Lebensschutz nicht zu sen über Sexualität und Empfängnisverhütung bei bewirken vermochte. Die Erfahrungen des Auslan- beiden Geschlechtern voraus und soll — insbeson- des belegen, daß eine Fristenregelung nicht dere bei Männern — auf Verantwortung für part- zwangsläufig zu höheren Schwangerschaftsab- nerschaftliche Sexualität und Empfängnisverhü- bruchzahlen führt, sondern im Gegenteil so ausge- tung beruhen. Dieses Wissen soll durch Aufklä- staltet sein kann, daß sie eine deutliche Senkung rungsmaterialien und in geeigneten Einrichtungen der Abbruchrate zur Folge hat. So sind in den wie Schulen, Familienberatungsstellen usw. alters- Niederlanden eine rechtliche Regelung, die prak- und zielgruppengerecht vermittelt werden. tisch auf eine Fristenregelung hinausläuft, der Die Regelungen über die Beratung zielen auf eine weitverbreitete Gebrauch zuverlässiger Verhü- qualitative und quantitative Ausweitung der Bera- tungsmittel und deren Kostenfreiheit wesentliche tungsmöglichkeiten ab, indem ein flächendecken- Ursachen für die europaweit niedrigste Schwan- des Netz verschiedener Träger ebenso vorgesehen gerschaftsabbruchrate. ist wie Anforderungen an die personelle Ausstat- 2. Der vorliegende Entwurf greift die in den zurück- tung der Beratungsstellen. Jeder schwangeren liegenden 20 Jahren im Inland und im Ausland Frau soll in erreichbarer Nähe eine Beratungsstelle gesammelten praktischen und wissenschaftlichen zur Verfügung stehen, die ihrer Wertauffassung Erkenntnisse über den Schutz des werdenden entspricht. Dem niederländischen Beispiel folgend, Lebens und über die Hilfe für schwangere Frauen sind im Bereich der Sexualaufklärung, Verhütung auf. Er läßt sich dabei von der Tatsache leiten, daß und Familienplanung ergänzend zu den staatli- der Schutz werdenden Lebens gegen den Willen chen Einrichtungen auch p rivate Initiativen, etwa der Frau nicht möglich ist. Die neue Konzeption des in Gestalt von Stiftungen, anzustreben. Schwangeren- und Familienhilfegesetzes besteht Neben umfassende Sexualaufklärung und Sexu- darin, daß der Schutz werdenden Lebens vor allem alerziehung tritt die kostenlose Abgabe ärztlich durch umfassende Hilfen für Familien und schwan- verordneter Verhütungsmittel für Pflichtversi- gere Frauen, durch Förderung einer kinderfreund- cherte bis zum vollendeten 20. Lebensjahr. lichen Gesellschaft sowie durch Aufklärung, Bera- tung und Sexualerziehung gewährleistet werden Die Länder haben sicherzustellen, daß jede soll. Insofern sind die sozialen Schutz- und Lei schwangere Frau ein umfassendes Informations- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/2605 (neu)

und Beratungsangebot wohnortnah vorfindet. Das rung in einer Tageseinrichtung, in Tagespflege Informationsangebot muß sich auch auf Vorsor- oder auf Betreuung durch eine Pflegeperson in geuntersuchungen, schwangeren Frauen zuste- der elterlichen Wohnung eingeräumt. Ein Kind hende Leistungen der Krankenversicherung sowie hat vom vollendeten dritten Lebensjahr an bis alle Unterstützungen und familienpolitische Lei- zum Schuleintritt ein Recht auf den Besuch stungen erstrecken, die Frauen nach der Geburt eines Kindergartens. eines Kindes erhalten können. Die Beratungsstel- len müssen aber auch dazu in der Lage sein, der — Eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und schwangeren Frau, falls sie dies wünscht, psycho- Familie wird durch Änderungen im Arbeitsför- logischen Rat für die Bewältigung ihrer individuel- derungsgesetz geschaffen, die die berufliche len Konfliktsituation zukommen zu lassen. Das Fortbildung in Form des Teilzeitunterrichts vor- Gesetz stellt aber ausdrücklich fest, daß die- sehen, die Übernahme der Betreuungskosten schwangere Frau im Rahmen der Beratung nicht während der Maßnahme regeln und Wiederein- dazu verpflichtet ist, die persönlichen Probleme zu gliederungsgeld für Frauen nach der sogenann- schildern, die sie dazu bringen, die Möglichkeit ten Familienphase garantieren. Damit wird der eines Abbruchs zu erwägen, und sich hierfür zu Rahmen für eine notwendige flexiblere Zeitge- rechtfertigen. In den vom Sonderausschuß „Schutz staltung für Mütter und Väter geboten. des ungeborenen Lebens" durchgeführten Anhö- — Durch eine entsprechende Regelung im Berufs- rungen haben zahlreiche Sachverständige darauf bildungsgesetz soll sichergestellt werden, daß hingewiesen, daß psychologische Beratung von jungen Müttern bei dem Abschluß ihrer Ausbil- der Freiwilligkeit lebt. Keine gesetzliche Regelung dung aus der Wahrnehmung eines Erziehungs- kann den Zugang des Beraters oder der Berate rin urlaubs keine Nachteile erwachsen. zum Inneren einer Frau erzwingen. Daher sieht der Entwurf ein Recht der Frau auf umfassende Bera- — Für Alleinerziehende werden Maßnahmen im tung vor, legt ihr aber keine Darlegungs- und Bundessozialhilfegesetz vorgesehen, die ihnen Begründungspflicht auf. Durch die umfassende eine eigenständige Existenz mit Kindern Information über Hilfsangebote, die ihr in ihrer ermöglichen und sie von einer eventuellen Konfliktlage eine sorgfältig abgewogene Entschei- Rückzahlung der Sozialhilfe befreien. dung ermöglichen, ist ausgeschlossen, daß die zur Verfügung stehenden staatlichen Hilfen deshalb — Im Bereich des öffentlich geförderten Woh- ins Leere gehen, weil sie der schwangeren Frau nungsbaus werden schwangere Frauen in den unbekannt sind. bevorzugt zu fördernden Personenkreis aufge- nommen. Da eine effektive Beratung einen Schwerpunkt der Novellierung des Rechts des Schwangerschaftsab- Nicht übersehen werden dürfen in diesem Zusam- bruchs bildet, verlangt der Gesetzentwurf den menhang auch verschiedene familienpolitische Aufbau eines flächendeckenden Netzes von Bera- Verbesserungen, die der Gesetzgeber bereits im tungsstellen, der als Aufgabe auf die alten und die Vorgriff auf dieses Gesetz vorgenommen hat. So ist neuen Bundesländer zukommt. durch Änderung des Bundeserziehungsgeldgeset- zes der Erziehungsurlaub bis zum Ende des 3. Le- 4. Wie bereits die Bezeichnung des Gesetzes zum bensjahres ausgedehnt worden (Zweites Gesetz Ausdruck bringt, werden in ihm gleichzeitig kon- zur Änderung des Bundeserziehungsgeldgesetzes krete Hilfen mit Rechtsanspruch angeboten, die in und anderer Vorschriften vom 6. Dezember 1991, enger Zusammenarbeit mit den Mitarbeiterinnen BGBl. I S. 2142). Während zuvor nach dem Ende und Mitarbeitern von Beratungsstellen für typische des Mutterschutzes in der Regel 16 Monate Erzie- Schwangerschaftskonfliktsituationen entwickelt hungsurlaub genommen werden konnten, beträgt worden sind. Das Urteil des Bundesverfassungsge- dieser Zeitraum von 1992 an 36 Monate. Wenn richts aus dem Jahre 1975 hat solche praktischen beide Eltern erwerbstätig sind, können die Mutter Hilfen ausdrücklich eingefordert. Den Möglichkei- oder der Vater damit die Erwerbstätigkeit unter- ten des Bundesgesetzgebers sind allerdings durch brechen, bis das Kind in den Kinderga rten kommt. die Regelungen über die Gesetzgebungskompe- Für Kinder, die nach dem 31. Dezember 1992 tenzen Grenzen gesetzt. So liegen ein verbessertes geboren werden, wird zudem das Erziehungsgeld Angebot an Ganztagesschulen sowie von Betreu- um 6 Monate verlängert. Damit besteht ein ungsmöglichkeiten für Schulkinder an Nachmitta- Anspruch bis zum Ende des 2. Lebensjahres des gen in der Verantwortung der für das Schulwesen Kindes. Weiter erleichtert das Gesetz die Inan- zuständigen Länder. Hinsichtlich der Möglichkei- spruchnahme von Erziehungsgeld und Erzie- ten, Erziehungsberechtigten, die dies wünschen, hungsurlaub und erweitert den Kreis der Berech- durch flexible Arbeitszeiten die Vereinbarung von tigten. Das Kostenvolumen für die Verlängerung Berufs- und Familienpflichten zu erleichtern, sind des Erziehungsgeldbezugs wird in der maßgebli- in erster Linie die Tarifvertragsparteien gefor- chen Regierungsvorlage für 1994 mit 800 Mio. DM dert. und ab 1995 mit 2 700 Mio. DM jährlich bezif- Der Gesetzentwurf sieht folgende soziale Regelun- fert. gen vor, um die Situation für Alleinerziehende und Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub haben zu- Familien mit Kindern zu verbessern: sammen mit der Anerkennung von Erziehungszei- — Durch Änderung des Kinder- und Jugendhilfe- ten im Rentenrecht die Entscheidungssituation von gesetzes wird Kindern ein Anspruch auf Förde Frauen erleichtert. Sie ermöglichen es Eltern, sich Drucksache 12/2605 (neu) Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

um ihr Kind in seiner ersten Lebensphase intensiv sungsgericht hat 1975 (BVerfGE 39, 1 ff.) die F ri zu kümmern. Während des Erziehungsurlaubs sind -stenregelung des 5. Strafrechtsreformgesetzes für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor Kündi- mit Art. 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 1 gungen geschützt und bleiben — als Mitglied der Absatz 1 Grundgesetz insoweit unvereinbar und gesetzlichen Krankenversicherung — weiter versi- nichtig erklärt, als sie „den Schwangerschaftsab- chert. Das Erziehungsgeld bewirkt eine wesentli- bruch auch dann von der Strafbarkeit ausnimmt, che Verbesserung der wi rtschaftlichen Situation wenn keine Gründe vorliegen, die ... vor der von Familien und Alleinerziehenden mit Kin Wertordnung des Grundgesetzes Bestand haben" . dern. Das Bundesverfassungsgericht beanstandete, durch diese Regelung komme die rechtliche Miß- Aufgrund einer Änderung des Fünften Buches billigung des Schwangerschaftsabbruchs in der Sozialgesetzbuch (Zweites Gesetz zur Änderung - Rechtsordnung unterhalb der Verfassung nicht des Fünften Buches Sozialgesetzbuch vom 20. De- klar genug zum Ausdruck. Es sah die Beratung der zember 1991, BGBl. I S. 2325) haben Eltern nun- schwangeren Frau in der damals vorgesehenen mehr jährlich Anspruch auf Krankengeld für 10 Ar- Form als nicht hinreichend an und vermißte eine beitstage, die sie zur Pflege kranker Kinder benö- Regelung, durch die Beratungsstellen so ausgestat- tigen. Für Alleinerziehende gelten 20 Tage. Die tet werden, daß sie unmittelbare Hilfe vermitteln Altersgrenze der Kinder für die Inanspruchnahme können. dieser Leistungen ist von 8 auf 12 Jahre heraufge- setzt worden. Auch dies stellt eine wichtige Entla- Mit seinem Urteil hat das Bundesverfassungsge- stung für Eltern dar. Mit der Verlängerung der richt eine Fristenregelung nicht schlechthin für Freistellung von Alleinerziehenden auf 20 Tage verfassungswidrig erklärt, sondern lediglich die werden diese mit der Fami lie, in der beide Eltern- 1974 beschlossene Gesetzesfassung. Das Urteil teile leben und erwerbstätig sind, gleichgeste llt. erklärt strafrechtliche Regelungen ausdrücklich Gerade diese Personengruppe bedarf angesichts nur „im äußersten Falle, wenn der von der Verfas- der Tatsache, daß sie sowohl die Belastung der sung gebotene Schutz auf keine andere Weise Schwangerschaft als auch die spätere Betreuung erreicht werden kann", für geboten. Auch sei der und Verantwortung für das Kind aus eigener Kraft „ Gesetzgeber grundsätzlich nicht verpflichtet, die zu bewältigen hat, spezieller Unterstützung. gleichen Maßnahmen strafrechtlicher A rt zum Die durch das Gesetz zur Änderung des Unterhalts- Schutze des ungeborenen Lebens zu ergreifen, wie vorschußgesetzes und der Unterhaltssicherungs- er sie zur Sicherung des geborenen Lebens zweck- verordnung vom 20. Dezember 1991 (BGBl. I dienlich und geboten hält" . Das Gericht hob den S. 2323) vorgenommene Änderung des Unterhalts- Leitgedanken des Vorrangs der Prävention vor der vorschußgesetzes gewährleistet, daß der Unterhalt Repression hervor und betonte, es sei „ Aufgabe des von Kindern alleinstehender Väter und Mütter bis Staates, in erster Linie sozialpolitische und fürsor- zur Vollendung des 12. Lebensjahres sichergestellt gerische Mittel zur Sicherung des werdenden ist. Durch die Anhebung des Lebensalters des Lebens einzusetzen" . Die gesetzgeberische Ver- Kindes wird der anspruchsberechtigte Personen- pflichtung zum Einsatz des Strafrechts hänge kreis ausgedehnt und dem oder der Alleinerzie- davon ab, ob andere Regelungen vorhanden seien, henden mit Kindern die Basis für eine gesicherte durch die ein tatsächlicher Schutz werdenden Existenz gegeben. Der Unterhaltsvorschuß bildet Lebens gewährleistet sei. für Alleinerziehende eine wichtige Grundlage zur Die Erfahrungen mit der 1976 eingeführten Indika- Sicherung des Lebensunterhaltes des Kindes, tionsregelung haben gezeigt, daß ès nicht möglich wenn der Partner seinen Verpflichtungen nicht ist, hinreichend konkrete und ärztlich und gericht- nachkommt. lich nachprüfbare gesetzliche Kriterien für das Auch im Rahmen der Arbeitsförderung sind Maß- Vorliegen einer Notlage festzuschreiben, die einen nahmen vorgenommen worden, die die Situation Abbruch rechtfertigt. Letztlich kann nur die von Eltern mit Kindern verbessern (Gesetz zur schwangere Frau selbst die Konfliktlage beurtei- Änderung arbeitsförderungsrechtlicher und ande- len, in der sie sich befindet. Es gilt eine Regelung zu rer sozialrechtlicher Vorschriften vom 21. Juni finden, die sowohl dem hohen Wert des ungebore- 1991, BGBl. I S. 1306; Gesetz zur Aufhebung des nen Lebens als auch der Eigenverantwortlichkeit Gesetzes über die Errichtung und das Verfahren der Frau Rechnung trägt. der Schiedsstellen für Arbeitsrecht und zur Ände- Das Indikationenmodell des geltenden Rechts hat rung des Arbeitsförderungsgesetzes vom 20. De- zu einer unterschiedlichen Handhabung bereits zember 1991, BGBl. I S. 2321). Durch Anordnung innerhalb des Bundesgebietes, zu einer Ungleich- der Bundesanstalt für Arbeit ist gewährleistet, daß behandlung in den einzelnen Bundesländern und die Tätigkeit im eigenen Haushalt als berufliche damit zu einer unerträglichen Rechtsunsicherheit Tätigkeit im Sinne von § 42 des Arbeitsförderungs- für die betroffenen Frauen, Ärztinnen und Ärzte gesetzes gilt und damit Personen, die ihre Kinder sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den im eigenen Haushalt betreut haben, an Maßnah- Beratungsstellen geführt. Der grundlegende Man- men zur Arbeitsförderung teilnehmen können. gel jeder Indikationenregelung besteht darin, daß 5. Angesichts der Bedeutung des Rechtsguts des die Gefahr besteht, daß vergleichbare Tatbestände werdenden Lebens und angesichts der verfas- ungleich erfaßt werden, und auch von Dritten — sungsmäßigen Gewährleistung ist ein strafrechtli- gewöhnlich Jahre nach einem Schwangerschafts- cher Schutz unverzichtbar. Das Bundesverfas abbruch — nicht zutreffend rekonstruierbar sind.

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Aus dieser Erkenntnis legt der Entwurf die Ent- dern unterschiedliche Beratungs- und Aufklärungs- scheidung über den Abbruch einer Schwanger- strategien Anwendung finden. Die Erarbeitung der schaft in den ersten 12 Wochen in die Verantwor- Konzepte erfolgt allerdings unter Beteiligung der tung der schwangeren Frau, wenn gewährleistet Obersten Landesbehörden und in Zusammenarbeit ist, daß diese sich aller Hilfsangebote und Hilfs- mit Vertreterinnen und Vertretern der Familienbera- möglichkeiten bewußt ist. Die Lebenserfahrung tungseinrichtungen aller Träger. Diese Einbeziehung zeigt, daß Frauen Schwangerschaften nicht leicht- bietet die Gewähr, auf der Grundlage unterschiedli- fertig abbrechen, sondern sich zu diesem Schritt cher Erfahrungen ein breites, auf die Bedürfnisse der nur entschließen, wenn sie sich in einer für sie unterschiedlichen Zielgruppen abgestimmtes Ange- anders nicht lösbaren Konfliktlage befinden. bot zu erhalten.

Die 1976 eingeführte Indikationenregelung hat- Absatz 2 nennt Verhütungsmethoden und Verhü- — dies belegen die Abbruchzahlen — einen effek- tungsmittel als inhaltliche Schwerpunkte des Informa- tiven Lebensschutz nicht zu erreichen vermocht. tionsmaterials. Die Informationsschriften sind den Daher ist der Gesetzgeber nunmehr aufgefordert, neuesten wissenschaftlichen Standards anzupassen. einen anderen Weg einzuschlagen und das wer- Ihr Inhalt richtet sich nach den verschiedenen Ziel- dende Leben durch umfassende Aufklärung und gruppen, an die sie sich wenden, und sollte insbeson- Beratung, umfangreiche Hilfen für schwangere dere deren Interessen, Problembewußtsein und Frauen und Familien, durch Förderung einer kin- Verständnismöglichkeiten berücksichtigen. Aufklä- derfreundlichen Gesellschaft sowie durch eine rungsmaterial soll bundeseinheitlich durch die Bun- flankierende strafrechtliche Regelung zu schüt- deszentrale für gesundheitliche Aufklärung verbreitet zen. werden.

Voraussetzung für die verfassungskonforme Aus- Absatz 3 nennt die Zugangsmöglichkeiten für das gestaltung einer Neuregelung des Schwanger- Aufklärungsmaterial. Dabei sind alle pädagogischen schaftskonfliktrechts ist also zum einen, daß der und sozialen Einrichtungen in die Verteilung der Staat tatsächlich in ausreichendem Maße sozial- kostenlosen Informationsschriften eingebunden. politische Mittel zur Verfügung stellt, um auf diese Weise das vorgeburtliche Leben zu schützen. Die- sem Erfordernis dienen die oben genannten sozial- Zu § 2 — Beratung politischen Maßnahmen. Zum anderen muß aber durch die Ausgestaltung der gesetzlichen Regelun- gen über den Schwangerschaftsabbruch sicherge- Sexualität, die ein integ rierter Bestandteil der stellt werden, daß die selbstverantwortete Gewis- menschlichen Person ist und einen wichtigen Teil- sensentscheidung der Frau nicht losgelöst von der aspekt der sozialen und pa rtnerschaftlichen Bezie- durch die Verfassung vorgegebenen Grundent- hungen darstellt, verlangt ein verantwortungsbewuß- scheidung für den Schutz des vorgeburtlichen tes Handeln jedes einzelnen gegenüber sich selbst Lebens erfolgen kann. Dieses Ziel kann nur durch und seinem Pa rtner bzw. seiner Partnerin. Erfahrun- eine verfahrensmäßige Sicherung erreicht werden, gen in anderen europäischen Ländern, z. B. in den die gewährleistet, daß die schwangere Frau ihre Niederlanden, zeigen, daß durch eine zielgruppen- Entscheidung nach dem Erhalt ausreichender orientierte Beratung und Aufklärung die Zahl der Informationen als Grundlage für eine persönliche Schwangerschaftsabbrüche nachhaltig gesenkt wer- gründliche Reflexion ihrer Situation trifft. Diese den kann und unerwünschte Schwangerschaften von verfahrensmäßige Sicherung wird durch die ver- vornherein vermieden werden. Daher begründet pflichtende Beratung gewährleistet. Absatz 1 einen Rechtsanspruch auf Beratung. Dieser umfaßt sowohl die präventive Beratung als auch die in Neben der Neuregelung der Strafbestimmungen einem Schwangerschaftskonflikt. werden Regelungen getroffen, die dem Abbau von Mißständen dienen sollen, die sich in der Vergan- Absatz 1 macht deutlich, daß Beratung und Aufklä- genheit herausgeste llt haben. Die Bundesländer rung von Männern und Frauen in Anspruch genom- sollen auch Einrichtungen zulassen, die ambulante men werden können, um die Mitverantwortung des Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Mannes in Fragen der Sexualität zu unterstreichen. Die Beratung ist nicht auf eine bestimmte Alters- gruppe beschränkt, um die Chance zu erhöhen, viele B. Zu den einzelnen Vorschriften Menschen, für die heute noch immer Fragen der Sexualität und Verhütung tabuisiert sind, dafür zu sensibilisieren und Problembewußtsein zu erzeugen. Zu Artikel 1 — Gesetz über Aufklärung, Erfahrungen belegen, daß auch Schwangere häufig Verhütung, Familienplanung und über die mit der Schwangerschaft zusammenhängen- Beratung den Fragen unzureichend informiert sind. Um diesen Kenntnislücken angemessen zu begegnen, wird ein Zu § 1 — Aufklärung Rechtsanspruch auf Information und Beratung ge- währt. Es obliegt den Bundesländern, die Erfüllung Absatz 1 stellt klar, daß Beratung und Aufklärung dieses Anspruchs sicherzustellen. öffentliche Aufgaben sind. Mit der Erstellung von Konzepten zur Sexualaufklärung durch die Bundes- Absatz 2 zählt die Bereiche auf, auf die sich der zentrale für gesundheitliche Aufklärung soll ausge- Beratungsanspruch bezieht. Hierunter fallen insbe schlossen werden, daß in den einzelnen Bundeslän sondere Informationen über die Verhütung ungewoll- Drucksache 12/2605 (neu) Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode ter Schwangerschaften, über soziale Leistungen und Zu Artikel 2 — Änderung des Fünften Buches Hilfen für Eltern mit Kindern und für schwangere Sozialgesetzbuch Frauen, über medizinische Aspekte des Schwanger- schaftsabbruchs und über Möglichkeiten zur Lösung Der in das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch eingefügte psychosozialer Konflikte. Gemäß Satz 2 hat die Bera- § 24 a knüpft an die Regelung des bisherigen § 200 e tungsstelle der schwangeren Frau auf Wunsch dabei Reichsversicherungsordnung an. Ergänzend werden behilflich zu sein, in möglichst kurzer Zeit konkrete nunmehr die Kosten für ärztlich verordnete Empfäng- Hilfen tatsächlich zu erlangen. Dies bedeutet bei- nisverhütungsmittel aufgenommen, soweit Versi- spielsweise, daß die Beraterin oder der Berater die cherte bis zum vollendeten 20. Lebensjahr betroffen schwangere Frau, falls diese es wünscht, zu Behörden sind. Damit ist zugleich der Kreis der Frauen erfaßt, begleitet, die Sozialleistungen vergeben. die aufgrund ihrer wi rtschaftlichen Lage, insbeson- - dere, weil sie sich noch in der Ausbildung befinden, Vielfach genügt bei Schwangerschaftskonfliktlagen am wenigsten in der Lage sein werden, die Kosten für eine einmalige Beratung nicht, um die bestehenden Empfängnisverhütungsmittel aufzubringen. Nicht Schwierigkeiten auszuräumen. Absatz 3 räumt der ärztlich verordnete Verhütungsmittel (z. B. Kondome) schwangeren Frau daher das Recht ein, auch nach werden nicht erfaßt. Anzustreben ist eine entspre- Austragen der Schwangerschaft oder nach einem chende Regelung auch für den Bereich der Beamten- Schwangerschaftsabbruch das Beratungsangebot in beihilfe. Darüber hinaus wäre eine Heraufsetzung Anspruch nehmen. der Altersgrenze wünschenswert, um ungewollte Schwangerschaften zu vermeiden. Geklärt werden müßte aber zunächst, auf welche Weise die hierfür erforderlichen beträchtlichen Kosten aufgebracht Zu § 3 — Beratungsstellen werden können. § 24 b entspricht im wesentlichen dem bisherigen Absatz 1 stellt klar, daß das Netz von Beratungsstellen § 200f RVO. Die Neuregelung ist nunmehr in zwei flächendeckend auszugestalten ist, so daß die ratsu- Absätze aufgeteilt, wobei in dem ersten zusätzlich chenden ein wohnortnahes Beratungsangebot vorfin- der Ort des Schwangerschaftsabbruchs angespro- den. Unnötige Belastungen durch lange Wege zu chen wird. Erfaßt werden auch Schwangerschafts- einer Beratungsstelle können so vermieden werden, abbrüche, die nach Beratung innerhalb der ersten der Kontakt mit der Beratungsstelle kann unmittelbar 12 Wochen nach der Empfängnis durchgeführt wer- aufgenommen werden. Das Beratungsangebot muß den, da Artikel 11 in § 218 Absatz 5 StGB den Straf- pluralistisch ausgestaltet sein, damit Ratsuchende tatbestand des Schwangerschaftsabbruchs aus nicht aufgrund einseitiger weltanschaulicher Ausrich- schließt. Es ist daher gesichert, daß hinsichtlich der tung der in ihrer Nähe befindlichen Beratungsstellen Kostenübernahme keine Änderung gegenüber der Schwellenängste entwickeln und deswegen von der derzeitigen Rechtslage eintritt. Inanspruchnahme der Beratung absehen.

Absatz 2 legt fest, daß die Beratung wie bisher sowohl Zu Artikel 3 — Änderung der Reichsversicherungs- durch Beratungsstellen als auch durch anerkannte verordnung — und Artikel 4 — Ärztinnen und Ärzte erfolgen kann. Änderung des Gesetzes über die Krankenversicherung Absatz 3 trifft eine Rahmenregelung über die Voraus- der Landwirte setzungen für die Anerkennung von Beratungsstellen bzw. Beraterinnen und Beratern. Es wird sicherge- Es handelt sich um Folgeänderungen zu Artikel 2. stellt, daß die Beratung durch qualifiziertes Fachper- sonal erbracht wird. Um eine Beratung in sämtlichen in Betracht kommenden Fragen z. B. auch juristischen Zu Artikel 5 — Änderung des Kinder- und Problemen, sicherzustellen, wird auch eine Regelung Jugendhilfegesetzes über die Heranziehung weiterer Fachleute getrof- fen. Die Vorschriften des Artikels 5 bestimmen die Voraus- setzungen, unter denen ein Anspruch auf Förderung eines Kindes in einer Tageseinrichtung oder in Tages- pflege besteht, und sehen einen Rechtsanspruch auf Zu § 4 — Öffentliche Förderung einen Kindergartenplatz für Kinder vom vollendeten der Beratungsstellen dritten Lebensjahr an bis zum Schuleintritt vor.

Absatz 1 nennt die Richtschnur für die personelle Ausstattung nach diesem Gesetz anerkannter Bera- Zu Artikel 6 — Änderung tungsstellen. Entsprechend dem Grundsatz, daß die des Arbeitsförderungsgesetzes Einrichtung von Beratungsstellen eine öffentliche Aufgabe ist, sind hierfür auch in den Haushaltsetats Die Änderungen des Arbeitsförderungsgesetzes ha- der betroffenen regionalen Gliederungen die Erstat- ben zum Ziel, die überproportionale Arbeitslosigkeit tungen der anfallenden Personal- und Sachkosten von Müttern mit kleineren Kindern zu mildern. Durch vorzusehen. Ziffer 1 wird der Kreis der Berechtigten für die Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/2605 (neu)

Gewährung eines Unterhaltsgeldes ausgedehnt. In sicherzustellen, die hierzu selbst nicht in der Lage Ziffer 2 wird die bisherige Regelung der Übernahme sind. Die Neuregelung schließt die schwangere Frau von Kinderbetreuungskosten im Rahmen von Um- ausdrücklich in den Kreis der vordringlich zu Berück- schulungsmaßnahmen von 60 DM auf 120 DM ange- sichtigenden ein. Die Änderung des Wohnungsbin- hoben. Durch Ziffer 3 wird die bisherige Möglichkeit dungsgesetzes soll beim öffentlich geförderten Woh- der Gewährung eines Einarbeitungszuschusses für nungsbau sicherstellen, daß schwangere Frauen, Frauen und Männer nach Zeiten der Kindererziehung Alleinerziehende, junge und kinderreiche Familien und/oder Pflege von Angehörigen zu einer Pflichtlei- vorrangig bei der Wohnungsvergabe berücksichtigt stung. werden. Diese Vorschrift beruht auf der Erfahrung von Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen, wonach unzureichender Wohnraum eine der Hauptursachen Zu Artikel 7 — Änderung - für die zu einem Schwangerschaftsabbruch führende des Berufsbildungsgesetzes Konfliktlage darstellt.

Diese Regelung stellt sicher, daß schwangeren Frauen, die sich in einer Berufsausbildung befinden, Zu Artikel 11 — Änderung des Strafgesetzbuches bei der Zulassungsprüfung aus Unterbrechungen der Ausbildung, die durch Inanspruchnahme eines Erzie- hungsurlaubs entstehen, keine Nachteile erwachsen. Zu Nummer 1 Gerade bei jungen Frauen kann nämlich die Befürch- tung, eine begonnene Ausbildung nicht beenden zu Zu § 218 können, Motiv für den Wunsch nach einem Schwan- gerschaftsabbruch sein. Der vorliegende Entwurf entspricht dem Grundsatz Hilfe statt Strafe. Er beruht auf der Überlegung, daß eine Entscheidung der Frau für die Fortsetzung der Zu Artikel 8 — Änderung Schwangerschaft am ehesten dadurch herbeigeführt des Bundessozialhilfegesetzes werden kann, daß ihr Hilfe bei der Behebung von materiellen, sozialen und familiären Schwierigkeiten Durch die Regelung in Ziffer 1 wird dazu beigetragen, angeboten wird, die eine Entscheidung zum Schwan- die Existenzsicherung der schwangeren Frau, die sich gerschaftsabbruch herbeiführen können. Durch um für die Fortsetzung ihrer Schwangerschaft entschei- fassende Information und durch das Angebot einer det, auf ein breites Fundament zu stellen. Die Verdop- offenen Aussprache über die persönlichen Probleme pelung des Mehrbedarfs für die Frau beginnt jetzt der schwangeren Frau wird dieser eine überlegte und nach dem 3. Schwangerschaftsmonat und verschafft verantwortliche Entscheidung ermöglicht. Indes wer- ihr einen finanziellen Gestaltungsrahmen, der ihrer den dadurch strafrechtliche Vorschriften über den besonderen physischen und psychischen Situation Schwangerschaftsabbruch nicht völlig überflüssig. Rechnung trägt. Die Neufassung des § 23 Absatz 2 sieht die Aufstockung des Mehrbedarfs bei Familien Die Absätze 1 bis 4 bringen die grundsätzliche recht- um jeweils 20 % vor. Damit wird gewährleistet, daß liche Mißbilligung des Schwangerschaftsabbruches in sozialhilfeberechtigte Familien mit Kindern ein höhe- der Gesetzesfassung (wie bisher) zum Ausdruck. Der res Haushaltseinkommen erhalten, das sie für die Strafrahmen entspricht jeweils dem des geltenden Bildung, Erziehung und Betreuung ihrer Kinder ver- Rechts. Die Absätze 1, 2 und 4 nehmen das geltende wenden können. Recht unverändert auf. Absatz 3 entspricht § 218 Abs. 3 Satz 1 des geltenden Rechts. Mit der Änderung des § 91 wird die Möglichkeit geschaffen, einer Frau, die ihre Schwangerschaft Ausgeschlossen ist der Straftatbestand des Schwan- fortsetzt, bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres des gerschaftsabbruchs gemäß Absatz 5, wenn der Ab- Kindes Sozialhilfe zu gewähren, ohne daß Verwandte bruch innerhalb der ersten 12 Wochen seit der Emp- ersten Grades oder sie zu einem späteren Zeitpunkt fängnis mit Einwilligung der schwangeren Frau von regreßpflichtig gemacht werden können. Damit erhält einer Ärztin oder einem Arzt vorgenommen wird und die schwangere Frau eine Lebensperspektive, die ihre eine Beratung entsprechend § 219 stattgefunden hat. zukünftige wirtschaftliche Existenz nicht durch Hiermit wird die Überlegung umgesetzt, daß die etwaige finanzielle Ansprüche belastet und sie von Bereitschaft zu einer Entscheidung der Frau für das der materiellen Abhängigkeit ihren Eltern gegenüber werdende Leben am größten ist, wenn sie sich nicht entlastet. dem Urteil anderer Stellen unterwerfen muß, sondern nach qualifizierter Beratung und sorgfältiger Überle- gung die Entscheidung über die Fortsetzung der Zu Artikel 9 — Änderung des 2. Wohnungsbau- Schwangerschaft selbst treffen kann. Durch die Ver- gesetzes — und Artikel 10 — pflichtung zur Beratung wird sichergestellt, daß die Änderung des schwangere Frau in ihrem Konflikt die Hilfen kennt, Wohnungsbindungsgesetzes die ihr der Staat anbietet. Die der Frau gelassene Entscheidungsfreiheit bedeutet nicht, daß das wer- Die Förderung des öffentlichen Wohnungsbaus hat dende Leben schutzlos bleibt. Die Entscheidungsfrei- zum Ziel, eine ausreichende Wohnungsversorgung heit beruht vielmehr auf der Überzeugung, daß sich aller Bevölkerungsschichten zu ermöglichen und auf diese Weise die Chance realisieren kann, daß die diese namentlich für diejenigen Wohnungssuchenden Frau — ohne in der Beratung bevormundet zu wer- Drucksache 12/2605 (neu) Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode den — Hilfen in ihrer Konfliktlage annimmt und sich fen kann. Die Beratung gemäß Absatz 1 soll für sie für das Kind entscheidet. eine Hilfestellung sein.

Es wird eine Frist von drei Tagen zwischen Beratung Da der für ein solches Beratungsgespräch voraus- und Eingriff vorgesehen. Diese soll der Frau ausrei- zusetzende vertrauensvolle Kontakt zwischen der chend Zeit geben, die in der Beratung angesproche- schwangeren Frau und Berate rin oder Berater nicht nen Gesichtspunkte zu bedenken und in ihre Ent- erzwingbar ist, sondern ein freiwilliges Annehmen scheidung einzubeziehen. Eine solche Regelung sieht der Beratung durch die schwangere Frau voraussetzt, im übrigen auch das niederländische Recht vor, das werden ihr bewußt keine Darlegungspflicht und kein sich im Sinne des Schutzes des werdenden Lebens Rechtfertigungszwang auferlegt. Ohne Ausübung besser bewährt hat als die in Deutschland geltenden psychischen Drucks werden der schwangeren Frau Regelungen. Rat und Hilfe in ihrer Konfliktlage zuteil. Es werden - ihr alle zur Verfügung stehenden Maßnahmen und In den Absätzen 6 und 7 sind die medizinische und die Möglichkeiten zur Lösung des Schwangerschaftskon- kindliche Indikation geregelt. Beide entsprechen im flikts aufgezeigt. Auf ihren Wunsch hin erhält sie wesentlichen der Regelung im geltenden Recht. Die individuelle Lösungsvorschläge zur Bewältigung Beratungspflicht wurde auf die Fälle der kindlichen ihrer Konfliktlage. Bei der Beratung wird auf eine Indikation (Absatz 7) begrenzt. Hier kann die Bera- vertrauensvolle Atmosphäre zwischen Berate rin oder tung sinnvollerweise durch einen im Bereich der Berater und schwangerer Frau geachtet, damit die Humangenetik oder der pränatalen Diagnostik spe- schwangere Frau offen ist für alternative Überlegun- zialisierten Arzt erfolgen, der gemäß Artikel 1 § 3 als gen zum Schwangerschaftsabbruch. Berater zugelassen ist. In den Fällen der medizini- schen Indikation (Absatz 6) erscheint die umfassende Absatz 2 stellt den Bezug zu der Rahmenregelung der ärztliche Aufklärung, die Voraussetzung für jede Beratungsstellen in Artikel 1 § 3 des Entwurfs her und wirksame Einwilligung der schwangeren Frau ist, trägt der vom Bundesverfassungsgericht geforderten ausreichend. Personenverschiedenheit von beratendem und abbre- chendem Arzt Rechnung. Absatz 8 greift die Regelungen auf, die derzeit in § 218 Absatz 3 Satz 2 und 3 des geltenden Rechts Absatz 3 legt ausdrücklich fest, daß die Beratungs- enthalten sind. Aus systematischen Gründen wurde stelle der Frau über die Tatsache, daß sie für ihre der persönliche Strafausschließungsgrund für die Entscheidungsfindung die Informationen nach Ab- schwangere Frau ebenso wie die Möglichkeit des satz 1 erhalten hat, eine Bescheinigung ausstellen Absehens von Strafe im Anschluß an die Regelungen muß. Absatz 3 legt zudem fest, daß keine Protokollie- über Tatbestandsmäßigkeit und Rechtswidrigkeit des rung von Gang und Inhalt der Beratung stattfindet. Schwangerschaftsabbruchs eingefügt. Ferner eröffnet Absatz 3 auf Wunsch der schwangeren Frau die Möglichkeit einer anonymen Beratung. Absatz 9 nimmt Regelungen auf, die derzeit in § 219 Absatz 1 (Abbruch der Schwangerschaft ohne ärzt- liche Feststellung) und § 219a StGB (unrichtige ärzt- liche Feststellung) getroffen werden. Zu §§ 219a, 219b

Absatz 10 entspricht § 219 Absatz 2 des geltenden Die Vorschriften entsprechen mit redaktionellen Rechts. Anpassungen den §§ 219b und 219c des geltenden Rechts.

Zu § 218 a Zu Nummer 2 Diese Bestimmung entspricht inhaltlich § 219 d in der geltenden Fassung. Sie ermöglicht auch den Einsatz Die Änderung des § 203 Absatz 1 Nr. 4 a ist eine nicht empfängnis-, sondern nidationsverhütender redaktionelle Folgeänderung. Mittel. Sie trägt zudem den Nachweisschwierigkeiten im Frühstadium einer Schwangerschaft Rechnung, in dem kaum zwischen einem Abbruch und einem Zu Artikel 12 — Änderung der Strafprozeßordnung ungewollten Frühstabgang der Leibesfrucht unter- schieden werden kann. Zu Nummern 1 und 2

Zu § 219 Redaktionelle Folgeänderungen

Absatz 1 Satz 1 enthält die Feststellung, daß die Beratung dem Schutz des werdenden Lebens dient. Zu Nummer 3 Rat und Hilfe für die schwangere Frau haben für den Lebensschutz besonderes Gewicht. Der hohe Wert des Die Strafprozeßordnung läßt bisher zu, daß persönli- vorgeburtlichen Lebens und die Eigenverantwortung che Daten aus Patientinnenkarteien, die z. B. in Straf- der Frau werden dabei anerkannt. Die Beratung soll verfahren wegen Steuerhinterziehung oder Abrech- sicherstellen, daß die schwangere Frau ihre Entschei- nungsbetrug gegen Ärztinnen und Ärzte beschlag- dung auf der Grundlage aller für ihre Entscheidung nahmt worden sind, in Strafverfahren gegen die wesentlichen Informationen und Gesichtspunkte tref Patientinnen verwertet werden dürfen. In Bayern Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/2605 (neu) haben solche sogenannten Zufallsfunde zu Strafver- treuung sichergestellt und ein Ruheraum vorhanden fahren gegen Frauen wegen unerlaubten Schwanger- sein. schaftsabbruchs geführt. Durch diese Möglichkeit wird das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt/Ärztin Der Ordnungswidrigkeitstatbestand des Artikel 3 und Patientin empfindlich gestört. Die in Nr. 3 vorge- Absatz 2, nach dem bei Verstößen ein Bußgeld bis zu sehene Änderung schafft insoweit Abhilfe, indem sie 10 000 DM verhängt werden kann, bleibt erhalten. die Verwertung von Zufallsfunden in einem Strafver- fahren gegen die betroffene Frau verbietet. Zu Nummer 2

Zu Artikel 13 — Änderung des 5. Gesetzes zur Für den bisherigen Artikel 4 besteht kein Bedarf. Der - Reform des Strafrechts neue Artikel 4 verpflichtet die Länder, ein ausreichen- des Angebot an Einrichtungen zur Vornahme von Zu Nummer 1 Schwangerschaftsabbrüchen zur Verfügung zu stel- len. Dies gilt sowohl für ambulante als auch für Artikel 3 Absatz 1 des 5. Strafrechtsreformgesetzes stationäre Einrichtungen. Damit wird ausgeschlossen, wird dahin gehend geändert, daß die Befugnis, Zulas- daß die Zulassung ambulanter Einrichtungen zum sungen für Einrichtungen für ambulante Schwanger- Schwangerschaftsabbruch generell verweigert wird. schaftsabbrüche generell zu verweigern, entfallen soll. Es wird sichergestellt, daß nur Einrichtungen zur Durchführung von Eingriffen zugelassen werden, die Zu Artikel 14 — Aufhebung von auf dem Gebiet sowohl die sachgemäße Durchführung des Eingriffs der ehemaligen DDR nach dem jeweiligen Stand der medizinischen fortgeltenden Vorschriften Erkenntnis gewährleisten als auch hohen Anforde- rungen an die personelle, apparative und räumliche Mit Inkrafttreten dieses Gesetzes sind das nach dem Ausstattung genügen. Dazu wird insbesondere gehö- Einigungsvertrag im Gebiet der ehemaligen DDR ren, daß der oder die den Schwangerschaftsabbruch fortbestehende Gesetz über den Schwangerschaftsab- durchführende Arzt oder Ärztin die Gebietsbezeich- bruch aus dem Jahre 1972 und die dieses Gesetz nung Arzt/Ärztin für Frauenheilkunde und/oder ergänzenden Vorschriften aufzuheben. Geburtshilfe besitzt oder über eine entsprechende Qualifikation verfügt, ihm oder ihr eine geeignete Person zur Seite steht und für den Fall der Durchfüh- rung von Eingriffen in Narkose ein/eine in der Narko- Zu Artikel 15 — Inkrafttreten setechnik erfahrener Arzt/Ärztin hinzugezogen wird. Es sollte die Möglichkeit einer ärztlichen Nachbe Artikel 15 regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.