Faschismus Und Neonazis Hintergründe, Wirkungsmechanismen
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1 Faschismus und Neonazis Hintergründe, Wirkungsmechanismen, Ideologie und Praxis Klaus Hesse Eigenverlag 2 @ Klaus Hesse [email protected] Erste Auflage Leipzig 2008 Der Autor ist ausdrücklich an Hinweisen zur Überarbeitung und Ergänzung ebenso wie an der Verbreitung dieses Inhaltes interessiert. Eigenverlag 3 Inhaltsverzeichnis Vorbemerkungen S. 1 1. Historische und personelle Hintergründe S. 5 2. Faszination und Massenwirkung des Faschismus S. 19 3. Naziterror und Widerstand S. 36 3.1 Schumann und Goerdeler - Streit um den antifaschistischen Widerstand S. 44 4. Neofaschismus in Deutschland S. 59 4.1 ODESSA und die Rattenlinie S. 64 4.2 Von konservativen Nazigegnern der ‚Deutschen Aufbaupartei’ zur NPD .. S. 70 4.3 Thule-Seminare, die ‚Neue Freiheit’, SA-Kameradschaften, ‚Wehrsportgemeinschaften’ und andere ‚Vereine’ S. 91 5. Programmatik und Ideologie des Neofaschismus S. 103 6. Die politische Praxis: Zwischen Wahlen, Aufmärschen und politischem Terror S. 111 7. Über die Nation, die soziale Frage, über Internationalismus und über die Funktion des Faschismus in den Klassenkämpfen von gestern, heute und morgen S. 123 1 Vorbemerkungen Seit dem Herbst 89 ist die Konfrontation mit Neonazis, mit rechts- radikaler Gewalt, mit chauvinistisch, rassistisch und antisemitisch moti- vierten Verbrechen und den damit verbundenen Ideologien und Verhal- tensmustern zu einer Tatsache geworden. Zwar wird immer dann, wenn derartige Ereignisse unübersehbar geworden sind, abgewiegelt: Das sei doch nur eine Minderheit von irregeleiteten Jugendlichen und einigen wenigen Unverbesserlichen, aber damit sei auf keinen Fall eine Bedrohung der Demokratie verbunden. Dass sich auch nicht wenige der Beamten, Richter und Staatsanwälte, die für die Verfolgung solcher Straftaten ver- antwortlich sind, ganz in diesem Sinne verhalten, kann nicht sonderlich erstaunen: Das sind zwar nicht mehr jene, die im Stile der Globke, Filbin- ger & Co. Im Hitlerregime selbst an Verbrechen der verschiedensten Art beteiligt waren. Aber nicht wenige von denen sind die Schüler derer, die als wehrwirtschaftliche, juristische, militärische und ideologische Elite die Stützen dieses Regime waren. 1 Die mittlerweile schon in Serie ‚im Namen des Volkes’ verkündeten Urteile, mit denen Richter Entscheidungen demokratisch gewählter Stadt- und Landräte gegen Naziaufmärsche vom Tisch wischen, die ‚unangemes- sene’ Vorgehensweise von Polizei und anderen Sicherheitsorganen gegen all jene, die gegen den staatlich sanktionierten Aufmarsch von Nazis pro- testieren, die Härte der Strafen gegen jene, die ihr grundgesetzlich veran- kertes Recht auf Widerstand in Anspruch nehmen und die angebliche ‚Hilflosigkeit’ von Staatsanwälten und Richtern, wenn sie es mit Neonazis und deren Verteidigern zu tun haben, die seit Gründung der BRD unüber- sehbare Verfilzung von Polizei, insbesondere des BKA, der Justiz, des Ver- fassungsschutzes und der Ministerialbürokratie mit Führungskadern aus der Alt- und Neonazinomenklatur alles das lässt deutlich werden, wovon die Rede ist, wenn heute über Faschismus und Neonazis gesprochen wird. 1 dazu: Bundespräsident Roman Herzog, promovierte 1958 zum Dr. jur. bei Prof. Theodor Maunz in München mit dem Thema ‚Grundrechtsbeschränkung nach dem Grundge- setz und Europäische Menschenrechtskonvention’. (unter: http://www.dhm.de/ lemo/html/biografien/Herzog Roman/index.html)Theodor Maunz bayerischer Ex- Kultusminister; musste 1964 aufgrund seiner Nazi-Vergangenheit zurücktreten. Hildegard Hamm-Brücher, FDP, erinnert sich, dass Maunz 1964 mit dröhnenden Ovationen seitens der CSU-Fraktion verabschiedet wurde. 1991 würdigte ihn R. Scholz, CDU, an dessen 90.Geburtstag, er habe ‚1933 eine große wissenschaftliche Karriere begründet’. 1927–1935 Ministerialdienst, 1935–1945 Lehrtätigkeit in Freiburg; rechtfertigte Gestapo-Verhaftungen juristisch. 1943 war für Maunz ‚das entschlossene Zugreifen’ wichtiger ‚als das peinliche Klammern an sorgsam ausgefeilte Rechtssätze’. Veröffentlichte nach dem Krieg in der rechtsextremen Nationalzeitung , Herausgeber Gerhard Frey, DVU. SZ, 1.9.2001, S.6, (unter: http://www.gavagai.de/skandal/HHD0802.htm# maunz) Tage nach dem Tod des Maunz schrieb die rechtsextremistische Deutsche Nationalzeitung . ‚Deutschland verlor seinen größten Rechtsgelehrten’, und ‚Dr. Frey seinen wunderbaren Wegbegleiter.’ (unter: http://www.freitag.de/2005/05/05050301.php) 2 Das, was sich da bei Nazi-Aufmärschen in überschaubaren Zahlen auf den Straßen und Plätzen zusammenrottet, das, was durch all zu offensichtliche Sympathie für derlei verbrecherische Ziele in den Amts- stuben und Kasernen dieses Landes auffällt, ist nur der sichtbare Ausdruck eines viel ernster zu nehmenden Problems. Aber von denen, die derart aus dem Rahmen ‚freiheitlich-demokratischer’ gepflegter Sprachregelungen fallen und von den Organisationen der Neonazis wird das ausgesprochen, was den Drahtziehern im Hintergrund (noch) nicht zeitgemäß erscheint, was aus taktischen Erwägungen unterbleibt. Offiziell gebärden sich die politischen Honoratioren peinlich berührt, wenn es denn wieder einmal zu gar zu unübersehbaren Nazi-Exzessen gekommen ist. Vor allem: Das stört die Kreise der extrem widersprüchli- chen Geschäfts- und anderen Interessen von Rüstungs- und anderen Industriellen, der Aktionäre und Aufsichtsräte der Banken und Versiche- rungen, beunruhigt Immobilienhändler und andere Spekulanten. Aber alles das, was in diesem Hexenkessel gärender, aufbrechender und offen und verdeckt ausgetragener Konflikte als political correctnes ausgegeben wird, verdient hinterfragt zu werden: Manch einer von denen, die da lautstark für den Schutz der freiheitlich demokratischen Grundordnung auftreten, ist schon deshalb nicht an einer ernst zu nehmenden Auseinan- dersetzung mit dem Neofaschismus interessiert, weil dann Kontakte und finanzielle Beziehungen zu Organisationen zutage treten könnten, die derzeit (noch) nicht opportun sind... Tatsächlich sind die Netzwerke der Neonazis viel weiter, als aus offiziellen Berichten des Verfassungsschutzes oder anderen offiziellen Quellen zu entnehmen ist. Das kann schon aus dem einfachen Grunde nicht sonderlich überraschen, weil es zwischen den Altnazis aus Gestapo, Nazijustiz, NS-Polizei, SS und den Institutionen der BRD eine personelle Kontinuität gab 1, deren Folgen in der Geisteshaltung und im praktischen Verhalten nicht weniger leitender Beamter und ihrer untergeordneten Mit- arbeiter unübersehbar fortwirkt: Straftaten im rechten Spektrum werden ignoriert, statistisch ‚korrigiert’, als ‚Dumme-Jungs-Streiche’ herunterge- spielt, und wenn überhaupt, dann derart zögerlich und so schlampig un- tersucht, dass die zumeist nicht anders gestrickten Staatsanwälte – selbst wenn sie es denn wollten – keine wasserdichte Anklage zustande bringen können. Vor Gericht wiederholt sich dieses Szenario: Zweifelsohne gibt es Polizisten, Staatsanwälte und Richter, die mit Nazis nichts am Hut haben. 1 siehe u.a.: N. Podewin: Braunbuch – Kriegs- und Naziverbrecher in der Bundesrepublik und in Berlin (West), Berlin 1968 (Reprint); N. Frei: Karrieren im Zwielicht – Hitlers Eliten nach 1945, Frankfurt a.M. 2001, S. 303ff; K. Eichner, G. Schramm (Hrsgb.) Angriff und Abwehr – die deutschen Geheimdienste nach 1945, Berlin 2007, S. 117 3 Aber nicht weniger bemerkenswert ist, dass mittlerweile schon bekannt ist, was von welchem Polizisten, Staatsanwalt oder Richter zu erwarten ist. In der Presse ist dann wie im Kommentar zur Verhandlung über die Nazischläger von Halberstadt z.B. zu lesen „Richter Holger Selig kann ‚nach Aktenlage’ zwar einen Verdacht auf gefährliche Körperverletzung erkennen, aber kein gemeinschaftliches Handeln der Angeklagten.“ 1 In einem TV-Bericht wurde dann noch angemerkt, dass dieser Mann in sol- chen Fällen (will heißen: im rechten Spektrum) einschlägig für milde Urteile ‚bekannt sei...’ Wer begriffen hat, dass es höchste Zeit ist, sich jetzt und hier mit dem Problem des Faschismus auseinanderzusetzen, kann und darf sich nicht nur darauf beschränken, sich gründlich mit all dem zu beschäftigen, was offen unter dieser Überschrift firmiert: Der Nazifilz reicht mittlerweile viel weiter und greift tiefer, als dies zunächst den Anschein hat. Nicht nur dort, wo Nazi draufsteht, ist das drin, was da offen angekündigt wird. Solche Ansätze finden sich quer Beet nicht nur in den Amtsstuben und Kasernen. Das Spektrum der aktiven Kreise reicht von den Geldgebern in den Büropalästen der Banken, Versicherungen und Konzernen über Law and Order Fanatiker aus allen Bevölkerungsschichten nicht nur bis zu all denen, die aus Orientierungsverlust oder Verzweiflung nach irgendwelchen schlichten Regeln einfacher Ordnung suchen. Im Dunstkreis von Auslän- derhass, Rassismus, Deutschtümelei, Nationalismus und anderen Erschei- nungsformen schwerwiegender Defekte und krankhafter Fehlentwicklung des Selbstbewusstseins gedeihen brutale Schlägertrupps, deren Horizont auf den ‚Stolz, ein Deutscher zu sein’ beschränkt ist. Wer wissen will, was im bunten Gewirr rechter Parteien, rechtsradi- kaler Organisationen, nationalistischer Schützen-, Heimat-, ‚Vertriebenen-’ und sonstiger treu-deutsch-biederer ‚Patrioten’ Vereine, was ‚Freie Kame- radschaften’ etc. propagieren, wie umfangreich deren publizistische und organisatorische Aktivitäten in den vergangenen Jahrzehnten gediehen sind, bekommt einen Eindruck, wie weit und flächendeckend dieser Ein- fluss ist. Wenn in diesem Kontext schon bei Wikipedia steht, dass „die lose Form dieser Netzwerke ... sowohl die Beobachtung durch Polizei und Verfassungsschutz als auch