Dr. Alexandra Kankeleit Archäologische Aktivitäten In
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Dr. Alexandra Kankeleit Archäologische Aktivitäten in Griechenland während der deutschen Besatzungszeit, 1941-1944 Vortrag 2015 / 2016 Berlin – Frankfurt – Athen Bei dem folgenden Text handelt es sich um einen Vortrag, der 2015 und 2016 an verschiedenen Orten in Deutschland und Griechenland gehalten wurde. Für Unterstützung und Anregungen danke ich der Archäologischen Gesellschaft in Athen und dem Deutschen Archäologischen Institut, insbesondere Herrn Prof. B. Petrakos und Frau Prof. K. Sporn. Eine tiefergehende Untersuchung zum Thema ist aktuell in Vorbereitung. Inhalt Einleitung .........................................................6 5. Zusammenarbeit mit dem Kunstschutz der Wehrmacht ...........36 1. Bedeutung der deutschen Archäologie in Griechenland ............9 5.1. Merkblätter und sonstige Publikationen .........................36 1.1. Herausragende Altertumswissenschaftler in Griechenland ..........9 5.2. Prospektion und Luftbildaufnahmen ............................ 37 1.2. Das Deutsche Archäologische Institut in Athen ................... 10 5.3. Propaganda und Öffentlichkeitsarbeit ...........................39 1.3. Einfluss deutscher Politik und Wissenschaft 5.4. Ausgrabungen ...............................................42 auf griechische Altertumsforscher ...............................13 6. Kontroverse mit dem Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg ..........42 2. Strukturen und Organisation während der NS-Zeit. 14 7. Pläne der Forschungsgemeinschaft Deutsches Ahnenerbe der SS ...45 2.1. Situation vor 1934. 14 8. Funktion des Auswärtigen Amtes ...............................45 2.2. Situation nach 1934 ............................................15 9. Konflikte: Diebstähle, illegale Grabungen, 2.3. Einmarsch der Wehrmacht im April 1941 ......................... 16 materieller und ideeller Schaden ................................46 2.4. Aufteilung Griechenlands in drei Besatzungszonen ............... 16 9.1. Kriegsmaßnahmen: Sicherheitsvorkehrungen in 18 Museen ........46 2.5. Situation während der Besatzungszeit vom 27.04.1941 bis 12.10.1944 ..17 9.2. Raub und Zerstörung .........................................48 3. Mitarbeiter des DAI Athen von 1933-1944 ........................ 18 10. Fazit und Ausblick ............................................50 3.1. Leitung und Angestellte von 1930-1936 .......................... 18 Abbildungsnachweis .............................................. 53 3.2. Leitung und Angestellte von 1937-1944 .......................... 19 3.3. Die Direktoren ...............................................20 Literaturverzeichnis. 56 3.4. Grabungsleiter Olympia ....................................... 23 Institutionen und Arbeitsgruppen .................................. 73 4. Aktivitäten des DAI Athen von 1936-1944 ........................28 Publikationen im Internet. .74 4.1. Olympiade und „Führergrabung“ ...............................28 Kontakt .........................................................83 4.2. Olympia: Ausgrabungen und Publikationen ......................30 4.3. Kerameikos: Ausgrabungen und Publikationen ................... 33 4.4. Kreta: Ausgrabungen und Puplikationen .........................34 4.5. Sonstige Ausgrabungen und Publikationen ...................... 35 4 5 EinlEitung E i n l E i t u n g und populärwissenschaftlichen Abhandlungen zum grie- Einleitung chisch-italienischen Krieg, zur Besatzungszeit und zum folgenden Bürgerkrieg. Dass diese Epoche aktuell beson- Im Oktober 1944 zogen sich die deutschen Truppen der ders im Brennpunkt steht, wird nicht nur an den Auslagen Wehrmacht aus Griechenland zurück. Sie hinterließen ein der Buchläden und den Headlines bekannter Webseiten Land, das durch Zerstörung, Chaos und Hungersnot ge- deutlich, sondern auch an der Ausrichtung spezieller For- kennzeichnet war. schungsprojekte und Dissertationsthemen an griechi- schen Universitäten. Im Internet gibt es zahlreiche Foren LESEEMPFEHLUNG Die Bilanz ihrer dreieinhalbjährigen Besetzung ist (beispielsweise in Facebook), die sich über die historischen LESEEMPFEHLUNG FLEISCHER 1988 verheerend: Geschehnisse austauschen. Dokumente, die aus privaten KAMBAS-MITSOU 2010 FLEISCHER 1998 ► Verlust von 10% der Bevölkerung. Archiven stammen und zum Teil noch unpubliziert sind, KAMBAS-MITSOU 2015 FLEISCHER 2010 ► Massenexekutionen: Ermordung von über 130.000 werden dort präsentiert. KRUMME 2012 MAZOWER 1993 Zivilisten, darunter Frauen, Kinder und Greise. SCHMINCK-GUSTAVUS 2010 ► Beschlagnahme von Lebensmitteln und Ein Bild, das sich in das kollektive Gedächtnis der Griechen Brennstoffen: über 300.000 Hunger-und Kältetote. eingebrannt hat, zeigt den Archäologen Walter Wrede, ► Ermordung von 90% der Juden (Sepharden und wie er im April 1941 Generalfeldmarschall Walther von Romaniotes): über 60.000 Tote. Brauchitsch über die Akropolis führt. ► Zerstörung von über 100 Ortschaften. Wrede war zugleich amtierender Direktor des Deutschen ► Hinzu kommt die deutsche Zwangsanleihe in Höhe Archäologischen Instituts in Athen (1937-44) und Landes- von 476 Millionen Reichsmark (heute ca. 11 Milliarden gruppenleiter der Auslands-Organisation der NSDAP in Euro), die niemals zurückgezahlt worden ist. Griechenland (1935-44). Die Historiker Hagen Fleischer und Mark Mazower haben in ihren Untersuchungen eindrucksvoll dargelegt, wie das Land während der Besatzungszeit systematisch geplün- dert und terrorisiert wurde. Ziel war die totale Unterwer- fung der griechischen Bevölkerung. In Deutschland sind diese Ereignisse weitgehend unbe- kannt, was zum großen Teil an der offiziellen Außenpolitik der Bundesrepublik seit den 50er Jahren liegt. Erst in jün- gerer Zeit werden die Massaker, die in über 50 Orten Grie- chenlands verübt wurden, überhaupt thematisiert. Einen ersten Annäherungsversuch machte 2000 Johannes Rau in Kalavrita. 2014 bat Joachim Gauck als erster Repräsen- Walther Wrede (rechts) mit Walther von Brauchitsch auf der Akropolis tant Deutschlands offiziell um Verzeihung für die Besat- zungsverbrechen: Im Kontext dieser historischen Ereignisse überrascht es, „Und ich schäme mich, dass das demokratische Deutsch- dass die archäologischen Kulturgüter die Kriegszeit rela- land, selbst als es Schritt für Schritt die Vergangenheit tiv unbeschadet überlebt haben (Die Situation lässt sich aufarbeitete, so wenig über deutsche Schuld gegenüber in keiner Weise mit dem gegenwärtigen Wüten von ISIS den Griechen wusste und lernte“. im Nahen Osten vergleichen). Wie sich im Vortrag zeigen wird, hat die Besatzungszeit auch zu Raub und Beschä- In Griechenland hingegen ist der Zweite Weltkrieg noch digung von Antiken geführt. Doch reichen diese Verluste sehr präsent. Neben der seriösen Fachliteratur gibt es nicht an das Ausmaß der mit dem Krieg einhergehenden einen regelrechten Boom an Biographien, Romanen menschlichen Tragödie heran. 6 7 EinlEitung 1. BEdEutung dEr dEutschEn ArchäologiE in griEchEnlAnd Es ist vor allem den Schutzmaßnahmen griechischer Ar- tinischen Kirchen und Klöster unter der Besatzungszeit chäologen zu verdanken, dass bedeutende Objekte we- zu leiden. Bei Vergeltungsaktionen wurden sie niederge- der gestohlen, noch beschädigt wurden. brannt und zerstört. Attacken waren die Meteora Klöster Auch hatte die deutsche Besatzung kein Interesse daran, in Thessalien, das Kloster Hosios Loukas in Stiri, das Klo- die archäologischen Stätten zu zerstören. Als Sieger und ster Hosios Meletios auf Berg Kithairon und Agia Lavra in Vertreter der führenden Kulturnation sah sie sich als wah- der Nähe von Kalavrita ausgesetzt. rer Nachfolger der antiken Griechen an und trieb die In- szenierung in antiker Kulisse zur Perfektion. In Bezug auf die Archäologie spielt der „menschliche LESEEMPFEHLUNG Faktor“ eine zentrale Rolle. Deutsche Archäologen, die LESEEMPFEHLUNG KULTURSCHUTZBERICHT GB 1946 Bereits 1946 wurde in zwei Kulturschutzberichten eine in den 30er Jahren Partner, Freund und Vorbild gewesen PETRAKOS 1994 KULTURSCHUTZBERICHT GR 1946 Bestandsaufnahme der Schäden und Verluste aus der Be- waren, traten während der Besatzungszeit plötzlich als PETRAKOS 2013 satzungszeit vorgelegt. Sie stützten sich auf die Meldun- Herrenmenschen auf, gaben ihren griechischen Kollegen TIVERIOS 2013 gen griechischer Archäologen. Herausgeber waren zum Direktiven und nutzten die privilegierte Situation für eige- einen das Griechische Ministerium für Religion und Natio- ne Zwecke aus. Das Leid des griechischen Volkes wurde nale Erziehung (das spätere Kultusministerium) und zum komplett ausgeblendet. Ein häufig wiederholter Vorwurf anderen die Britische Kommission für Kulturgüterschutz. von griechischer Seite ist deshalb die „Arroganz“ und „Selbstbezogenheit“ der deutschen Archäologen, die Grundlage des griechischen und des britischen Kultur- fast schon als „wissenschaftlicher Autismus“ bezeichnet schutzberichtes sind die Aussagen und Aufzeichnungen werden kann. Dieser psychologische Aspekt wird in den griechischer Archäologen. Nur am Rande wird der anhal- neueren Publikationen griechischer Wissenschaftler häu- tende Bürgerkrieg in Griechenland erwähnt. fig angesprochen. In der britischen Bestandsaufnahme werden die Folge- schäden der Kämpfe zwischen der royalistischen Armee 1. Bedeutung der deutschen Archäologie der konservativen griechischen Regierung (unterstützt in Griechenland durch Großbritannien und später die USA) und der sog. „Demokratischen Armee Griechenlands“ (DSE) der Kom- 1.1. Herausragende Altertumswissenschaftler munistischen Partei des Landes (unterstützt durch die in Griechenland ehemaligen Ostblockländer wie Albanien,