Dreimal in Folge Weltmeister, Vier Erste Plätze in Der
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vm_10_09_46_53_Italien_7.qxd 20.08.2010 16:09 Uhr Seite 46 INDOOR Dreimal in Folge Weltmeister, vier erste Plätze in der Weltliga, drei Europameistertitel, dazu Olympia-Silber und -Bronze: Zwischen 1989 und 2000 dominierten Italiens Männer die Volleyball-Bühne. Jürgen Sabarz hat die Glanzzeit der Azzurri aus der Nähe erlebt Ihre Namen waren in aller Munde: Es waren Lucky, Lollo, Zorro, und Outdoor (1996). Doch King Karch ließ sich nie für die Politik Gardo, Gabi, Bazooka und Fefe, die in den Gazetten und Magazi- des damaligen FIVB-Präsidenten Ruben Acosta vereinnahmen, nen (zur Blütezeit in den 90er Jahren gab es in Italien drei und so wurde ihm Bernardi vorgezogen. Dem wird es herzlich egal monatlich erscheinende Volleyball-Magazine) in den Medien gewesen sein, warum er so hoch dekoriert wurde. Als Spieler hochgejubelt und zu Heroen stilisiert wurden. Wann gewinnt eine war Bernardi vor allem unter den Fittichen von Julio Velasco zum Nationalmannschaft schon drei Weltmeisterschaften in Folge? Helden geworden. Als Trainer führte Velasco, ein gebürtiger Andrea Lucchetta, Lorenzo Bernardi, Andrea Zorzi, Andrea Gardi- Argentinier, Italiens Männer zu Ruhm und Ehren. Und immer war ni, Gabriele Sartoretti, Luca Cantagalli und Ferdinando de Lorenzo Bernardi dabei. Giorgi (Spitznamen siehe oben) waren die Protagonisten, die Vol - leyball-Weltgeschichte schrieben. Es fehlten nur die Panini-Bilder, Wie sich die Zeiten geändert haben: Wenn wie es sie für Fußballer gibt. Dabei war die Firma Panini einer der der Lehrling seinem Lehrmeister eine Lehre erteilt wichtigsten Sponsoren. Dafür gab es andere Huldigungen: Bernardi wurde Anfang 2001 Als Vereinstrainer hatte Bernardi allerdings weniger Glück. Zuletzt vom Weltverband als bester Spieler des 20. Jahrhunderts ausge- wurde er beim Zweitligisten Padua als Trainer vorzeitig aus dem zeichnet. Obwohl es da noch den US-Star Karch Kiraly gab, der Amt entlassen. Dafür durfte er im Sommer des letzten Jahres als erste und einzige Goldmedaillengewinner Indoor (1984 und 1988) Coach des italienischen B-Nationalteams einen Erfolg feiern. Bei VOLLEYBALL-MAGAZIN 09•2010 vm_10_09_46_53_Italien_7.qxd 20.08.2010 16:09 Uhr Seite 47 fotos: ingo kuzia, getty images ingo kuzia, fotos: den Mittelmeerspielen gewann Italien Gold durch ein 3:1 im Finale Wir sind die Größten: Lorenzo Bernardi (links) und die gegen Spanien. Trainer Spaniens war ausgerechnet Julio Velasco. italienischen Fans hatten in den 90ern viel zu feiern Man sieht sich eben immer zwei Mal im Leben, sicher werden die Kollegen über glorreiche alte Zeiten gesprochen haben. 1945 gründete sich der italienische Verband FIPAV, im gleichen Schließlich hat Volleyball in Italien eine lange Tradition. Die Italie- Jahr ging die erste Landesmeisterschaft an Ravenna. Die Stadt ner waren die ersten Europäer, die Volleyball kennenlernten: 20 stellte eine Mannschaft, deren Mitglieder das Spiel überwiegend Jahre nach dem Ersten Weltkrieg fand die Premiere auf italieni- beim Militär, im Krieg oder in der Gefangenschaft gelernt hatten. schem Boden statt, in Porto Corsini in der Nähe von Ravenna. Vor- Von der Gründung der FIPAV, die jährlich eine Meisterschafts- geführt von amerikanischen Soldaten, die Volleyball nach Europa runde ausrichtete, dauerte es noch bis 1987, bis sich in Bologna brachten. Nach der Aufnahme als Sportart beim Militär fand Vol- die LEGA gründete. Nun begann die Professionalisierung des leyball auch Zugang zum Betriebssport: Die Arbeiter sollten sich italienischen Klubvolleyballs, zum Nutzen der Nationalmann- durch sinnvolle Aktivitäten in ihrer Freizeit fit halten. schaft, zumindest in den 90er Jahren. Mit dem Spiel von heute hatte das nicht viel gemein. Die Bälle waren vom Reifenfabrikanten Pirelli gefertigte Gummiflitschen, Ein Dank an die Gastarbeiter: Italiens Talente es wurde auf Zeit gespielt, und Ergebnisse wie 71:18 waren keine profitierten viel von den Kräften aus dem Ausland Seltenheit. Die Idee des Volleyballspiels begann sich durchzuset- zen, auch wenn es Mussolini war, der die Reinheit der italieni- Eine riesige Popularität besaß Volleyball bereits damals. Die schen Sprache wahren wollte und das englische Wort Volleyball Silbermedaille bei den Weltmeisterschaften 1978 sowie Bronze verbannte. Das Staatsoberhaupt verlangte zunächst ein palla a bei den Olympischen Spielen 1984 in Los Angeles sorgten für volo und daraus wurde dann Pallavolo, wie es heute heißt. Die Ita- Begeisterung – „un sport di massa“ war entstanden. Viele aus- liener übernahmen die Einführung des Blocks (erfunden durch die ländische Spieler trugen schon vor der Gründung der LEGA dazu Tschechoslowaken 1938) und des Baggers (auch durch die CSSR bei, den begeisterungsfähigen italienischen Talenten und Klubs 1958 eingeführt) und der internationalen Regeln der FIVB. bei der kontinuierlichen Qualitätssteigerung zu helfen. ᭤ SEITEN 46•47 vm_10_09_46_53_Italien_7.qxd 20.08.2010 16:10 Uhr Seite 48 INDOOR In den 70er und 80er Jahren spielten die politischen Verhältnisse in Europa eine große Rolle. Nur ein Russe schaffte es vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion ins gelobte Volleyball-Land: 1987 kam der legendäre Zuspieler Vjatscheslav Zaitzev nach Spoleto. Einige Spitzenspieler folgten, aber erst in den 90ern. An- dere Ostblockländer, zum Beispiel die Bulgaren, waren bei der Freigabe ihrer Spieler flexibler. Auch, weil sie durch hohe Ablösesummen von deren Auslandsaufenthalten profitierten. Der erste Ausländer, der in Italien die Lizenz zum Spielen bekam, war der Pole Jerzy Stelmach, der bereits 1948 in Italien spielte. In den 70er Jahren folgte eine ganze Reihe von Klassespielern wie Ambroziak, Tiborowski, Skorek, Skiba und Zarzycki. Sie alle beein- flussten den italienischen Volleyball in starker Weise. Alexander Skiba wurde nach seiner aktiven Zeit Juniorentrainer und war maßgeblich an der Prägung der erfolgreichen Spieler der 90er fotos: fiorenzo galbiati, daniele lamonaca galbiati, fiorenzo fotos: beteiligt. Bernd Zimmermann, beim IAT in Leipzig mit der wissen- schaftlichen Langzeitbeobachtung der internationalen Szene be- Wiedersehen bei den Mittelmeerspielen: Lorenzo Bernardi auftragt, sagt: „Wann immer man mit Italienern über ihre große (links) und Julio Velasco, Helden der 90er Jahre Zeit spricht, spürt man Dankbarkeit und Respekt gegenüber den polnischen Spielern und Trainern. Die Italiener wissen, dass sie Immerhin hatte die FIPAV schon in der Saison 81/82 die Play-offs den Polen viel zu verdanken haben.“ eingeführt. Dies führte zu gravierenden Veränderungen: Die Meisterschaft wurde länger, die Spiele in der Endphase härter. Ein Geben und Nehmen: Italien wurde immer Zu Beginn der 80er Jahre wurden Spielerlizenzen eingeführt, es stärker – aber die Gäste aus dem Ausland ebenfalls entstand ein Vorläufer des Vertragswesens für Profis. Die Qualität des italienischen Volleyballs ist bis zum heutigen Tage ohne die Im Laufe der Zeit führten die Aufenthalte der Gastarbeiter zu Ausländer nicht vorstellbar. Viele Volleyballkulturen haben ihre einer Situation des Gebens und Nehmens, nachdem lange Jahre Spuren hinterlassen. Die drei Weltmeisterschaften wurden unter nur der Wettbewerb in Italien von den stranieri, den Ausländern, einem Trainer aus Argentinien (Julio Velasco) und einem aus profitiert hatte. In den Niederlanden gab es durch die Vorarbeit Brasilien (Paulo Bebeto Roberto de Freitas) geholt. Die bereits von Trainer Arie Selinger und durch die Emigration holländischer vorhandene Qualität des italienischen Wettbewerbs hat aber Profis nach Italien den Lohn in Form der Goldmedaille bei den auch ihren Reiz auf Auslandsprofis ausgeübt. Dazu kommen die Spielen in Atlanta 1996. Bei den Schweden gab es durch die be- Offenheit der italienischen Sportfans und ihre traditionelle Liebe merkenswerte Arbeit von Trainer Anders Kristianson bei Lidingö zum sportlichen Spektakel. Und natürlich das Geld, das es reich- SK und die Veredelung seiner Auswahlspieler in Italien Silber bei lich zu verdienen gab. So wie die ausländischen Fußballstars die der EM 1989. Die Jugoslawen gewannen 2000 in Sydney auch italienische Fußballszene bereicherten, förderte die starke Zu- deshalb Gold, weil ihre Stars in der Lega A Uno gestählt worden wanderung auch die Volleyballszene. waren. Drei kleine Länder, die von der Weiterbildung ihrer Spieler in Italien in bemerkenswerter Weise profitierten. Völkerwanderung gen Italien: Erst kamen die Polen, Beeindruckend sind die Zahlenverhältnisse ausländischer Kräfte dann die Brasilianer, die Argentinier, die US-Boys… in der 1. und 2. Liga Italiens. Insgesamt waren bislang Spieler aus rund 40 Nationen in Italien tätig. Bis in die Mitte der 90er Jahre Eine Zuwanderung, die sich in Wellen vollzog: Immer dann, wenn hatten sich in der A Uno und der A Due 52 Amerikaner, 47 Bulga- eine Nation bei einer Weltmeisterschaft oder bei Olympischen ren, 36 Tschechoslowaken, 33 Argentinier, 25 Brasilianer, 21 Polen Spielen für Furore gesorgt hatte, waren deren beste Kräfte kurze und 17 Russen zum Spielbetrieb gemeldet. Das sind die am häu- Zeit darauf die Stars in Italien. So tauchten nach der WM 1974 und figsten vertretenen Nationen. Wichtig dabei: Es waren in aller den Spielen in Montreal die besten polnischen Spieler in Italien Regel Topspieler, während die Ausländer, die in Deutschland, Bel- auf. Ende der 70er Jahre gab es die erste brasilianische Welle, in gien oder Frankreich landeten, eher zur B-Klasse zählten. den 90ern folgte der zweite Schub. Dazwischen kamen viele Die Motive für die Reisefreudigkeit sind hauptsächlich geprägt Argentinier, Ende der 80er Jahre