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Was Blieb Von Der Wende? Vor Zehn Jahren Hatten 14 EU-Partner Österreich Unter Strafsanktionen Gestellt

Was Blieb Von Der Wende? Vor Zehn Jahren Hatten 14 EU-Partner Österreich Unter Strafsanktionen Gestellt

Ausg. Nr. 81 • 26. Feber 2010 Unparteiisches, unabhängiges und kostenloses Magazin speziell für Österreicherinnen und Österreicher in aller Welt in vier verschiedenen pdf- Formaten • http://www.oe-journal.at Was blieb von der Wende? Vor zehn Jahren hatten 14 EU-Partner Österreich unter Strafsanktionen gestellt. Wie war es dazu gekommen? Wie sehen damalige Protagonisten diese Zäsur heute?

m 4. Februar 2000 hat Österreich die ren Ausweg zu geben: Die Positionen, die SPÖ dritten Platz landen würde. Und genau das Apolitische Wende vollzogen“, schrieb und ÖVP nach der Wahl vom 3. Oktober bezo- war eingetreten. Die ÖVP hatte zwar gleich damals „Österreich Journal“ Politik-Ressort- gen haben, lassen eine Regierungsbildung viele Mandate errungen wie die FPÖ, doch chef Norbert Lininger. „Seit diesem Tag ist nicht zu. Deshalb gibt es auch zunächst keinen um sage und schreibe 415 Stimmen weniger die schwarz-blaue Regierung unter Bundes- Auftrag zur Regierungsbildung an die SPÖ, erhalten als die Freiheitlichen, deren Chef kanzler Wolfgang Schüssel im Amt. Und seit sondern nur Sondierungsgespräche.“ Jörg Haider vor und nach der Wahl erklärt diesem Tag ist in Ös- hatte, seine Partei sei terreich alles anders. gegenüber jedem Mit- Die 14 EU-Partner ha- bewerber offen. Da je- ben gegen Österreich doch kurz nach der Sanktionen verhängt, Wahl auch die ÖVP Israel hat die diplomati- keine Koalition mit schen Beziehungen ab- der FPÖ wollte, war gebrochen, ferne Län- eine Patt-Situation ent- der, wie etwa Argen- standen, aus der kein tinien, haben Öster- tragbarer Ausweg er- reich praktisch geäch- kennbar war. Viktor tet. Und in Österreich Klima umwarb zwar selbst sind die Men- fast täglich die ÖVP, schen gegen die neue um sie doch noch um- Regierung auf die zustimmen. Und Kli- Straße gegangen. Quo ma erwog für seine vadis ?“ SPÖ, die zwar mit mi- Was hatte dazu ge- nus fünf Prozent das führt? Noch nie sei die schlechteste Ergebnis Bildung eines neuen seit 1945 eingefahren Kabinetts in Österreich Zwölf Tage nach der Wahl, am 15. Oktober 1999, nahmen Viktor Klima (r.), als hatte, aber immer Bundeskanzler der provisorischen Regierung und Außenminister Wolfgang Schüssel so schwierig gewesen an einem EU-Sondergipfel im finnischen Tampere teil. noch stimmenstärkste wie nach der National- Partei war, als letzten ratswahl am 3. Oktober 1999, konstatierte Nor- Ausgangspunkt dieser Malaise waren die Ausweg eine Minderheitsregierung. Doch bert Lininger. Die SPÖ hatte bei einer Wahl- Erklärungen der einzelnen Parteichefs. Vik- der hatte man von Anfang an wenig Überle- beteiligung von 80,42 % mit 1.532.448 Stim- tor Klima, Bundeskanzler und SPÖ-Vorsit- benschancen gegeben. men 33,15 % erlangt und war damit klar Erste, zender, hatte sich noch vor der Wahl festge- Zentralfigur in den Bemühungen, aus die- gefolgt von der FPÖ mit 1.244.087 Stimmen legt: Keine Koalition mit den Freiheitlichen ser verzwickten Lage herauszukommen, war und der ÖVP mit 1.243.672 Stimmen, was für unter Jörg Haider. Wolfgang Schüssel wiede- der Bundespräsident. Thomas Klestil wur- beide 26,91 % bedeutete. Der Politologe Anton rum, Vizekanzler, Außenminister und ÖVP- den dazu von der Bundesverfassung auch Pelinka faßte das in einem Kommentar so Chef, erklärte – ebenfalls vor der Wahl – den gehörige Rechte eingeräumt.

Foto: Bernhard J. Holzner © HOPI-MEDIA zusammen: „Derzeit scheint es keinen gangba- „Gang in die Opposition“, wenn die ÖVP am Lesen Sie weiter auf der Seite 3 ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 2 Die Seite 2

Aus dem Inhalt

Grenzeinsatz 12 Wahlrechtsreform 2010 15 Wien wollte es wissen 16 Zukunftsmarkt Indien 17 Expertise für Namibia 18 Bezirkspartnerschaft mit Brooklyn 19 Grenzeinsatz durch das Bundesheer S 12 »Towards an Arms Trade Treaty« 20 »Renaissance und Reformation« S 64 AdR-Politik künftig mutiger 21 »Kaiserball 2010« in München 23 Schutzmacht Österreich 26 Neue EU-Kommission gewählt 27 Eurobarometer-Umfrage 29 Wirtschaft belebt sich weiter 31 Erholung gefestigt 33 Ansiedlungs-Offensive 34 Wien: WED baut neues Wahrzeichen 35

AdR-Politik künftig mutiger S 21 A 9 Pyhrn Autobahn 37 Prinz Eugen im Unteren Belvedere… S 71 Bier trotz(t) Krise 38 Qualitätsrindfleisch aus OÖ boomt 39 Rückgang bei Einbürgerungen 40 Lipizzaner am Heldenberg 42 Aussichtsturm am Pyramidenkogel 44 Unverzichtbares Engagement 45 AMA: Einzigartig in Europa 46 Jahrgang 2009 auch als Reserve 47 Ehrung für Peter Krömer 48 WED baut neues Wahrzeichen in Wien S 35 Informationen über Kaiserin Zita 49 Serie K.u.K. Jugendstil: Otto Wagner… S 82 Trauer um Johanna Dohnal 50 Rudolf Grimm: Wissenschafter 2009 54 Geehrt: Oertl-Hilger und Kammer 55 Krebs: »Ur-Gen« entdeckt 56 Kontakt und Kalzium 57 Unerforschtes Enzym entschlüsselt 58 Logistikforschung in OÖ 59 Riesenbetonplatten auf Luftkissen 60 Modellregion für Elektromobilität 62

Trauer um Johanna Dohnal S 53 »Renaissance und Reformation« 64 Film: »Salami Aleikum« S 91 Prinz Eugen – Feldherr, Philosoph und Kunstfreund 71 Herbert Boeckl. Retrospektive 77 Gipfeltreffen der Moderne. Das Kunstmuseum Winterthur 79 Im unsichtbaren Wien Fotonotizen von Gerhard Roth 81 Serie »K.u.K. Jugendstil«: Otto Wagner und der Wandel seines Markenzeichens. Von Prof. Peter Schubert 82 Krebs: »Ur-Gen« entdeckt S 56 Finnland spielt die erste Geige 85 Serie Hollywood: Otto Preminger S 95 Zentrum des Streichquartetts 87 Impressum: Eigentümer und Verleger: Österreich Festival Arcana 88 Journal Verlag; Postadresse: A-1130 Wien, Dr. Scho- Yamahja: Großartiger Nachwuchs 89 ber-Str. 8/1. Für den Inhalt verantwortlicher Her- ausgeber und Chefredakteur: Michael Mössmer; Lek- »Walls of Sound« 90 torat: Maria Krapfenbauer. jede Art der Veröffentli- Film: Salami Aleikum 91 chung bei Quellenangabe ausdrücklich erlaubt. Fotos S. 1 und 2: HOPI-Media; Bundesheer; Ausschuß der Serie »Österreicher in Hollywood«: Regionen; beyer.co.at; SPÖ/Astrid Knie; Universität Otto Preminger. Von Rudolf Ulrich 95 Innsbruck; OÖ Landesausstellung; Galleria Sabauda, Fasten und Ostern im Klösterreich 98 Turin; Prof. Peter Schubert; Maria Krumwiede; Archiv Ulrich; Wörthersee Tourismus GmbH. Zu Ostern lockt der Wörthersee 99 Zu Ostern lockt der Wörthersee S 99

In Zusammenarbeit mit dem Auslandsösterreicher-Weltbund und »Rot-Weiss-Rot« – http://www.weltbund.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 3 Innenpolitik

Der Bundespräsident kann mit der Re- gierungsbildung beauftragen, wen er will. Er ernennt auch jedes Mitglied der Regierung und kann ihm nicht genehme Minister-Vor- schläge ablehnen. Einziges Korrektiv ist das Parlament. Wenn dieses eine Regierung, die vom Bundespräsidenten ernannt wurde, ab- lehnt, dann muß das Staatsoberhaupt das Par- lament auflösen und Neuwahlen anordnen. Gerade das aber wollte im Winter 1999 niemand. Neuwahlen hätten den beiden noch-Regierungsparteien SPÖ und ÖVP nach Überzeugung der Meinungsforscher nur weitere Verluste eintragen. Zudem hätte eine Neuwahl wieder eine schöne Stange Geld ge- kostet, das die Parteien auch damals nicht hat- ten, die aber auch durch die vorgesehenen Finanzspritzen des Staates an die Parteien dem Bürger erneut Steuergelder gekostet hätten. Thomas Klestil war also gefordert, durch ge- schickte Diplomatie doch noch eine im Par- lament mehrheitsfähige Regierung zu basteln. Am 4. Februar 2000 wird die neue österreichische Bundesregierung angelobt. Im Traditionell hat der Bundespräsident seit Bild: Bundespräsident Thomas Klestil (r.) und Bundeskanzler Wolfgang Schüssel. 1945 immer den Chef der mandatsstärksten Partei mit der Regierungsbildung beauftragt. Die Parteien verharrten aber in ihrem wenn Klima mit der Regierungsbildung schei- Weil aber Viktor Klima zu diesem Zeitpunkt Machtpoker und gerieten dabei zusehends in tern würde, möglicherweise in die Rolle des damit auf jeden Fall gescheitert ware, ließ innerparteiliche Querelen. So forderte der Kanzlerkandidaten und Regierungsmachers Klestil Klima vorerst nur „Sondierungsge- mächtige Wiener Ex-SPÖ-Chef Hans Mayr hieven würde. Er hätte, so die Beobachter, mit spräche“ führen. in einem Interview mit dem Nachrichten- der FPÖ eine Koalition eingehen können – Die bisherige Regierung wurde also, ver- magazin „Profil“, daß sich Klima auf den vor allem dann, wenn Jörg Haider als Lan- fassungskonform, von Thomas Klestil mit der Parteivorsitz zurückziehen und das Kanzler- deshauptmann in Kärnten geblieben wäre. Fortführung der Regierungsgeschäfte beauf- geschäft einem anderen SPÖ-ler überlassen Eine Option, die auch von der Industriellen- tragt. Und der Bundespräsident hat denn auch soll. In diesem Zusammenhang konnte sich vereinigung vorerst unterstützt wurde. Doch für die zu führenden Sondierungsgespräche Mayr ohne weiteres auch eine Koalition mit die Kritik aus dem Ausland hatte die Indu- klare Vorgaben gegeben: Die Parteien muß- den Freiheitlichen vorstellen. Mayr rückte striellen offenbar um ihre Geschäfte fürchten ten danach ihre Vorstellungen zur künftigen damit von dem SPÖ-Credo „die FPÖ aus- lassen. Sie waren nämlich von dieser Version Sicherheitspolitik in Europa (NATO ja oder grenzen“ ab und brachte Klima in eine unan- wieder abgerückt und forderten die ÖVP auf, nein), zur Neutralität, zum Standort Öster- genehme Lage: Klima hatte sich gemeinsam mit den Sozialdemokraten erneut in eine reich und zu mehr objektiver Klarheit bei der mit den SPÖ-Parteispitzen darauf festgelegt: Koalition zu gehen. Postenvergabe auf den Tisch legen. Erst „Keine Koalition mit der FPÖ“. Die Freiheitlichen selbst hatten sich of- wenn in diesen Fragen Konsens erzielt fenbar schon damit abgefunden, auch in der werde, könne über mögliche Koalitionen Massive Warnungen wurden laut nächsten Legislaturperiode in Opposition zu und letztlich über die Regierungsverantwort- Die SPÖ war mit dieser Festlegung von bleiben. Jörg Haider freilich sagte, daß ihn lichen verhandelt werden. den Sozialdemokraten in Europa, vor allem eine Neuauflage der alten Koalition nur den deutschen, französischen und italieni- freuen könne. Denn dann sei er in vier Mühsame Suche schen, bejubelt worden. Israel reagierte auf Jahren garantiert an erster Stelle. Die Parteien indes hielten sich anfangs das Wahlergebnis vom 3. Oktober noch um Nach Wochen schließlich scheiterten die nicht an diese Vorgaben. Vor allem Viktor einiges härter. Der israelische Außenminister rot-schwarzen Koalitionsverhandlungen – Klima erging sich in immer neuen Varia- Levy drohte mit dem Abbruch der Bezie- und Anfang Jänner hatten sich Blau und tionen einer künftigen Regierung, von der hungen, sollte die FPÖ in eine Koalitionsre- Schwarz schnell darauf geeinigt, es mitein- Koalition wie gehabt mit der ÖVP über eine gierung aufgenommen werden. ander versuchen zu wollen. In nur zehn Ta- Dreier-Koalition SPÖ-ÖVP-Grüne bis hin zu Diese Warnungen hatten auch ÖVP-Chef gen hatten ÖVP und FPÖ einen Koalitions- einer Minderheitsregierung. Klima hatte sich Wolfgang Schüssel vorsichtig gemacht. Er pakt ausverhandelt – und zwar ohne explizi- damit prompt eine Rüge des Bundespräsi- hatte sich vor der Wahl alle Koalitions-Op- ten Auftrag des Bundespräsidenten. Thomas denten eingehandelt. Am Nationalfeiertag – tionen offengelassen. Doch dann verpaßte Klestil hatte vielmehr erkennen lassen, daß dem 26. Oktober – forderte Klestil in einer die ÖVP die zweite Position nach der SPÖ er diese Konstellation als Regierung nicht Fernsehansprache für die nächsten vier Jahre um nur 415 Stimmen und beschloß in Oppo- haben wolle. Doch nachdem Viktor Klima eine stabile Regierung und erteilte einem sition zu gehen. Auguren unterstellten Schüs- auch mit dem Versuch, eine Minderheitsre-

Alle Fotos: Bernhard J. Holzner © HOPI-MEDIA Minderheits-Kabinett eine deutliche Absage. sel damit einen taktischen Zug, der ihn, gierung zusammenzubringen, auf der Strecke

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 4 Innenpolitik

Unter Quarantäne Obwohl sich Völkerrechtler aus dem In- und Ausland über die Maßnahmen der 14 EU- Länder gegen ihren Partner Österreich ver- wundert zeigten und dafür keine rechtliche Handhabe in den Verträgen von Maastricht sowie in den vorhergegangenen EU-Verträ- gen finden konnten, waren die Sanktionen in Kraft. Nach den Regelwerken der Europäi- schen Gemeinschaft gab und gibt es aber keine Rechtsgrundlage für die Isolierung eines Mitgliedsstaates wegen der Bildung einer mißliebigen Regierung. Die Aussetzung von Rechten eines EU-Mitglieds ist nur bei „schwerwiegender und anhaltender Verlet- zung“ der Grundsätze von Freiheit und Rechtsstaatlichkeit möglich. Realpolitiker in Österreich glaubten dennoch, daß die Sank- tionen längere Zeit anhalten und das Verhält- nis zwischen den 14 EU-Staaten und Öster- reich trüben würden. Das hieß allerdings nicht, daß diese Sank- tionen auch von der EU-Kommission mitge- Am 9. Februar 2000 hält Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (m.) flankiert von Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer (l.) und Außenministerin Benita Ferrero- tragen wurden. Diese bisher beispiellose Ak- Waldner (r.) im Plenum des Nationalrates die Regierungserklärung der ÖVP-FPÖ tion wurde denn auch als bilaterale Privat- Koalitionsregierung. Im Hintergrund der 1. Nationalratspräsident, Heinz Fischer. sache der europäischen Regierungschefs verkauft. Die EU-Kommissare teilten aus- geblieben war, konnte sich Klestil nicht nister bei den sogenannten „Informellen drücklich in einem Kommuniqué mit, daß mehr verwehren. Die beiden neuen Koali- Treffen“ der jeweiligen EU-Räte nicht die Arbeitsbeziehungen mit den österreichi- tionspartner hatten eine satte Mehrheit von dabeisein konnten. Das bedeutete, daß die schen Behörden in vollem Umfang aufrech- 104 der 183 Nationalratssitze. österreichischen Botschafter in ihren Gast- terhalten würden. Schon im Stadium der Koalitionsverhand- ländern nur auf Beamtenebene verkehren Österreich stand dennoch unter einer Art lungen kamen allerdings aus dem europäi- konnten. politischer Quarantäne. Ja mehr noch: Ge- schen Ausland Warnungen vor einer Betei- Wieso es zu dieser harten Maßnahme gen Jörg Haider, der sich einen internationa- ligung der Freiheitlichen Partei unter Jörg kam, erklärte der finnische Regierungschef len Ruf als Rechtspopulist mit einem „losen Haider an der österreichischen Bundesregie- Paavo Lipponen so: Thomas Klestil habe die Mundwerk“ erworben hatte, war eine Kam- rung. Diese Partei sei rassistisch, antieuropä- Regierungschefs dazu gedrängt, die Sank- pagne von bisher noch nie dagewesener Hef- isch und nationalsozialistisch eingestellt, tionen sofort bekanntzumachen. Denn inner- tigkeit gestartet worden. Jörg Haider prangte hieß es – vor allem ihr Parteichef Haider. halb der EU-Regierungen habe vorerst nur im Februar 2000 in allen internationalen Gerüchte freilich wollten nicht verstummen, Einigkeit darüber geherrscht, diese Sanktio- politischen Magazinen auf dem Cover, von daß einerseits Viktor Klima seine sozialde- nen anzudrohen und darüber mit der öster- „Time“ über „Newsweek“ bis hin zu allen mokratischen Freunde und Kollegen – die reichischen Regierung zu verhandeln. Kle- europäischen Zeitschriften. Dort wurde Hai- Mehrheit der EU-Staaten wird derzeit von stils Vorstoß sei schuld gewesen, daß diese der des Rassenhasses, der Ausländerfeind- Sozialdemokraten regiert – zum Protest auf- Sanktionen sofort und ohne Kontaktierung lichkeit und der Nazi-Nähe, wenn nicht so- gefordert hätte, andererseits soll auch Bun- der Wiener Regierung in Kraft gesetzt wor- gar als „Nazi“ bezichtigt. Nach der Devise despräsident Klestil an der Protestkampagne den waren – so der finnische Regierungschef. „only bad news are good news“ wurde Jörg mitgeholfen haben. Der Bundespräsident stellte seine Mitwir- Haider immer mehr als der leibhaftige kung an den EU-Sanktionen aber dezidiert in „Gottseibeiuns“ in den Medien hochstili- Die Sanktionen Abrede. Doch auch der dänische und der siert. Alle seine Versicherungen, er sei ein Kurz vor der Vereidigung der neuen ös- schwedische Ministerpräsident hatten von Demokrat und seine Partei sei in Österreich terreichischen Koalitionsregierung von ÖVP solchen Interventionen aus Wien berichtet. von 27 Prozent der Bevölkerung demokra- und FPÖ haben dann die 14 anderen EU-Staa- Wenn man weiß, daß die einstige interna- tisch gewählt worden, fruchteten nichts. ten durch ihren damaligen Vorsitzenden, dem tionale Kampagne gegen Waldheim eben- portugiesischen Ministerpräsidenten Anto- falls von Österreichern initiiert wurde, so ²Österreich ist der Prügelknabe nio Gutarres, die Sanktionsmaßnahmen ge- glaubten viele, daß das eben seine Fortset- einer grotesken Internationale« gen Österreich bekanntgegeben. Die Bezie- zung gefunden hatte. Ein Kommentator Inzwischen war den internationalen Me- hungen mit Österreich wurden von der poli- meinte, die österreichischen Sozialisten hät- dien und Kritikern der österreichische tischen Ebene auf Beamtenebene herabge- ten gern internationale Helferleins, wenn es „Buhmann“ allerdings abhanden gekom- stuft. Das bedeutete, daß österreichische Mi- um den roten Machterhalt gehe. men. Jörg Haider war von seinem Vorsitz als

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den kommenden drei Jahren aber noch schreiben werde.

Auf »Exit Strategy« wurde vergessen Internationale Beobachter und Juristen kritisierten inzwischen immer deutlicher, daß die 14 EU-Staaten bei ihren Sanktionen ge- gen Österreich die „Exit Strategy“ vergessen hatten. Denn schon zeigte sich, daß die EU- Staaten im Grunde ratlos waren, wie sie in Zukunft mit dem ungezogenen Austria um- gehen sollten. Und die neue österreichische Bundesregierung setzte auf Zeit und wartete ab, wie sich die EU-Regierungschefs anstel- len würden, wenn es um die großen Ent- scheidungen gehe: Osterweiterung, Vertie- fung der Gemeinschaft. Historisch, wenn auch EU-rechtens nicht gedeckt, waren die EU-Strafmaßnahmen ge- gen Österreich allemal. Alfred Payrleitner schrieb denn auch in einem „Kurier“-Kom- Mit der Angelobung von Bundeskanzler (l.) durch Bundespräsi- mentar: „Eines ist wohl sicher: Dieses Jahr dent Heinz Fischer am <11. Jänner 2007 ist die »Wende« Geschichte. 2000 wird in Österreichs Geschichte mit ähnlicher Bedeutung wie 1945 (Kriegsende), FPÖ-Obmann zurückgetreten und hatte sich Motiven und Interessen auf das Land ein- 1955 (Staatsvertrag) oder 1995 (EU-Beitritt) „als einfaches FPÖ-Mitglied“ auf seinen Lan- drischt. Unsere Hoffnung ist daher nicht die eingehen.“ Und weiter: „Heuer ist allen klar deshauptmannposten in Kärnten zurückgezo- Wahrheit, sondern der nächste Prügelkna- geworden, wofür wir uns vor fünf Jahren gen. be.“ Und weiter: „Die kleinen EU-Staaten entschieden haben. Für den weitgehenden Doch auch die Sozialdemokraten hatten sind gut beraten, wenn sie auf dem Einstim- Verzicht auf die eigene Souveränität.“ ihren Vormann Viktor Klima eingebüßt. Kli- migkeitsprinzip bestehen, andernfalls sind Heute, zehn Jahre später, wurde vielfach ma hatte Ende Februar sein Nationalrats- sie schutzlos dem ideologischen Verfolgungs- Bilanz gezogen darüber, was von dieser mandat zurückgelegt und sich als Parteichef wahn ausgesetzt“. „Wende“ im Frühjahr 2000 übriggeblieben verabschiedet. Sowohl SPÖ wie auch FPÖ sei. Im Gegensatz zu den ausschließlich kon- wurden deshalb von designierten Parteichefs Wenig aufgeregte Mehrheit trären Standpunkten von früher, sieht man das verwaltet: die SPÖ von Alfred Gusenbauer, Während in Österreich die Oppositions- heute gelassener. Eindeutig zeigt sich je- die FPÖ von Vizekanzlerin Susanne Riess- politiker, ein Protestpotential von etwa 15 Pro- doch, daß vieles, was Wolfgang Schüssel da- Passer, ebenfalls studierte Juristin. Sie stand zent der Bevölkerung sowie viele Kultur- mals mit der FPÖ umsetzen wollte, gelungen vor der schweren Aufgabe, die FPÖ von schaffende die schwarz-blaue Regierung ist, vieles aber auch nicht. Anfang Februar ihrem Geruch der Europafeindlichkeit und vehement angriffen und immer wieder auch sind in heimischen Tageszeitungen und Ma- des Rassismus zu befreien. Denn die Scharf- Demonstrationen veranstalteten, war die gazinen Interviews mit Zeitgenossen er- macher-Staaten in der EU – allen voran Bel- Mehrheit der Bevölkerung überraschend schienen, die verschiedenste Darstellungen gien, aber auch Frankreich und Deutsch- wenig aufgeregt. Nach Umfragen hatten vermitteln. Wir haben fünf davon ausge- land – drohten die Sanktionen noch zu ver- über 60 Prozent der Österreicher gefordert, wählt und beim „Standard“, bei „Öster- stärken. Und Belgiens Außenminister Louis die neue Regierung „endlich arbeiten zu las- reich“, den „OÖNachrichten“, den „Salzbur- Michel erklärte sogar, Österreich bleibe sen“. Mehr als 70 Prozent der Bevölkerung ger Nachrichten“ und bei der „Wiener Zei- unter faktischer Quarantäne, solange die waren nach einer anderen Umfrage dafür, tung“ um Abdruckerlaubnis gebeten und die- FPÖ in der Regierung sei. In einem anderen trotz der Sanktionen weiter in der EU zu ver- se dankenwerterweise auch erhalten. Lesen Zusammenhang ging Michel noch weiter: bleiben. Herr und Frau Österreicher hatten Sie daher auf den folgenden Seiten die In- sein ganzes Streben sei darauf gerichtet, die sich an die mannigfaltigen Vorteile der EU terviews mit dem damaligen Bundeskanzler österreichische Regierung zu stürzen. bereits gewöhnt und wollten sie nicht mehr Wolfgang Schüssel, Vizekanzlerin Susanne Angesichts der Tatsache, daß Österreich missen. Eine erhebliche Mehrheit war auch Riess-Passer, SPÖ-Vorsitzendem Alfred Gu- innerhalb der EU die beständigste Demokra- für die Einführung des Euro ab 2002. senbauer, dem Bundessprecher der Grünen, tie aufweist, meint der ehemalige langjähri- Die neue Regierung hatte zwar keinen , und dem Histori- ge ORF-Generalintendant Gerd Bacher, die besonderen Start gehabt, das gab selbst Bun- ker Oliver Rathkolb. EU befinde sich „im politischen Rinder- deskanzler Wolfgang Schüssel zu. Doch er wahn“. In einem Gastkommentar in der Ta- machte die ungewöhnlichen Umstände, den Diese Chronologie entstand auf Basis geszeitung „Die Presse“ schrieb er: „Öster- übergroßen Druck von innen und außen da- zweier Beiträge von Norbert Lininger, der reich ist der Prügelknabe einer grotesken für mitverantwortlich und versprach, daß damals im „Österreich Journal“ das Ressort Internationale, die aus unterschiedlichen diese Regierung ihre Erfolgsgeschichte in Politik leitete.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 6 Innenpolitik »Das wird mir immer nachhängen« Für Wolfgang Schüssel, Bundeskanzler der schwarz-blauen Koalition ab dem Februar 2000, gibt es nichts zu rechtfertigen. »Es war so, und ich stehe dazu.« Im Interview mit Michael Völker vom »Standard« rechnet er mit den Sanktionen der EU 14 ab – und bereut einen einzigen Satz

Der Standard: Sie haben sicher die Bericht- men war da keine Rede, da hieß es ganz all- und zweitens habe ich ihm gesagt, daß wir erstattung anläßlich des zehnten Jahrestages gemein, Österreich wird schwer bezahlen mit den Sozialdemokraten verhandeln und der schwarz-blauen Regierung und der Ver- oder so ähnlich. Das Gespräch in Istabul war durchaus auf einem Weg sind, der mögli- hängung der Sanktionen verfolgt. Fühlen Sie Wochen vorher, das war ein OSZE-Treffen. cherweise auch zu einem positiven Ergebnis sich gerecht beurteilt? Bundespräsident Klestil hat mich zum Tisch führt. Was ja auch der Fall war. Wir haben schließlich einen fertigen Koalitionsvertrag Schüssel: Das ist eine unzulässige Frage. Das mit den Sozialdemokraten gemacht, den ich sollen die Journalisten bewerten, und die mühsam durch meinen Parteivorstand durch- Leser werden sich selbst ihr Urteil bilden. gebracht habe. Klima ist in seinem Partei- Das ist Geschichte, für mich ist das Kapitel vorstand aber gescheitert. Aber das ist be- erledigt. Wenn ich irgendetwas dazu beitra- kannt. Interessanter ist eher die Frage, wie gen kann, um das eine oder andere aufzuhel- die Sanktionen zustande gekommen sind. len, in Ordnung, aber ich brauche nichts ver- teidigen, ich brauche nichts rechtfertigen, es Der Standard: Sie haben sicher eine war so und ich stehe dazu. Theorie.

Der Standard: Dieses Kapitel scheint aber Schüssel: Ich war nicht dabei. Aber einige noch längst nicht aufgearbeitet zu sein, da Regierungschef haben mir später in privaten schwirren jede Menge Thesen und Ver- Gesprächen erzählt, daß sie zögernd waren schwörungstheorien herum. Sie selbst hatten oder eben nicht dafür gewesen sind, aber damals eine sozialistische Verschwörung auf- jedem einzelnen hat man gesagt „du bist der geworfen, die zur Verhängung der Sanktio- letzte, es kommt nur mehr auf dich an, alle nen geführt habe. Das wird je nach Sicht- anderen haben schon zugestimmt“. Das hat weise sehr unterschiedlich erzählt. Was ist objektiv nicht gestimmt. denn Ihre Fassung? Foto: Ingrid Sontacchi © HOPI-MEDIA Wolfgang Schüssel, Bundeskanzler von Der Standard: Von wem ist das ausgegan- Schüssel: Das ist vollkommen klar. Von den 4. Februar 2000 bis 11. Jänner 2007 gen? Sanktionen erfuhr ich durch ein Telefonat am 31. Jänner. Der damalige portugiesische mit Jacques Chirac gebeten. Chirac hat sehr Schüssel: Das müssen die beantworten, die Außenminister hat mich von den Maßnah- allgemein gesagt, das könnt ihr nicht ma- dabei gewesen sind. Da hilft das Spekulieren men der EU 14 gegen uns informiert. Ich chen. Ich habe gesagt, es ist ja noch nichts nichts. Und das ist nicht meine Aufgabe. hatte mit ihm eine sehr heftige Auseinander- entschieden, wir verhandeln mit den Sozial- setzung, habe ihm gesagt, daß die Sanktio- demokraten, es ist allerdings schwierig, aber Der Standard: Thomas Klestil war dabei, nen vollkommen ungerechtfertigt sind, dafür wir bemühen uns. aber der lebt nicht mehr. gibt es weder eine rechtliche Basis noch sonst etwas. Der Standard: Sie hätten Chirac verspro- Schüssel: Ich glaube, daß die Rolle von chen: Jamais, also niemals mit der FPÖ. Thomas Klestil überschätzt wird. Das wäre Der Standard: Andreas Khol berichtet im nicht fair, ihm die Sanktionen alleine in „Standard“ von einem Telefont mit Jacques Schüssel: Unsinn. Erstens habe ich mit Chirac die Schuhe zu schieben. Er wird, vielleicht Chirac ein paar Tage früher, da wurde schon englisch gesprochen und nicht französisch, auch mißverständlich, dazu beigetragen ha- etwas angekündigt, und es gab doch im De- ben, daß manche das Gefühl bekommen ha- zember dieses Treffen in Istanbul, da wurden ben, daß die Sanktionen in Österreich viel- Sie angesprochen… leicht gar nicht so unerwünscht sind. Aber auch das ist Spekulation. Schüssel: Das sind zwei Paar Schuhe. An- dreas Khol hat auf meine Bitte Präsidenten Der Standard: Als Sie im Jänner 2000 mit Chirac kontaktiert. Von konkreten Maßnah- der FPÖ zum Abschluß gekommen sind, war

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Ihnen da bewußt, was das für Reaktionen demokratischen Seite haben viel verhindert, Strache und seinem Team möglich wäre. Mit hervorrufen wird? aber die Volkspartei ist dafür gestraft wor- Riess-Passer und ihrem Team war das da- den. Die Freiheitlichen sind immer stärker mals eine andere Partei, das waren Profis. Schüssel: Die Sanktionen sind ja ein paar geworden, sie haben uns in Umfragen deut- Tage vor der Angelobung angekündigt wor- lich überholt, sind auf die 30 Prozent unter- Der Standard: Ein paar Dilettanten waren den. Natürlich haben wir das dann gewußt. wegs gewesen. Daher diese Ansage: Wir ge- damals aber schon dabei. Und wir haben uns mit allen Kräften dage- ben uns sicher nicht mehr zufrieden als gen gewandt. Wir haben international sehr Mehrheitsbeschaffer für die Beharrungskräf- Schüssel: Das ist wahrscheinlich in jeder intensiv darum geworben, daß diese Maß- te. Dadurch ist eine gewatige Mobilisierung Regierung so, daß es stärkere und schwäche- nahmen schnell wieder aufgehoben werden. im Wahlkampf entstanden. Ich war bis zum re gibt. Aber in Summe war das ein gutes Schluß, bis zum Auszählen der letzten Wahl- Team. Ich gebe schon zu, es war nicht mit Der Standard: Aber kurzfristig haben Ihnen karte überzeugt, wir schaffen Platz zwei. So allen so einfach. Aber mit meinem Team auf die Sanktionen politisch doch genutzt, da gesehen war diese Mobilisierung völlig rich- ÖVP-Seite war ich sehr zufrieden, das war gab es einen Außenfeind und zum Teil eine tig. Aber natürlich ist mir diese Oppositions- erstklassig, da hat es keinen einzigen gege- Solidarisierung mit der Regierung. aussage nachgehängt. Das war mir völlig ben, der mich je enttäuscht hat. klar. Wir wollten auch in Opposition gehen. Schüssel: Nein. Es hat keinen Nutzen gege- Aber das ist ja damals von allen Seiten hef- Der Standard: Damals war die große Koa- ben. Es hat nur geschadet und zwar hat es tig kritisiert worden: Vom Bundespräsiden- lition daran schuld, daß die FPÖ so zulegen allen geschadet. Es hat – das sage ich als ten bis zu allen Medien inklusive „Standard“ konnte und möglicherweise auf dem Weg wirklich glühender Europäer – auch der euro- hat es geheißen, die ÖVP darf sich nicht ver- zur stärksten Partei war. Wenn man das auf päischen Idee gerade in Österreich gescha- weigern, muß mittun. Ich habe gewußt, die- heute umlegt müsste man befürchten: Eine det. Das war politische Willkür. Man hat ver- ser eine Satz wird mir ewig nachhängen. Da- Legislaturperiode große Koalition noch und sucht, eine legitime und legale – das darf mit muß ich leben. Das wäre übrigens ge- Strache wird Kanzler. man hier nie auseinanderhalten – Vorgangs- nauso gewesen, wenn wir in eine große Koa- weise unmöglich zu machen. Da sind alle lition gegangen wären, da hätte man mir das Schüssel: Ich glaube nicht, daß sich Ge- Grundsätze mit Füßen getreten worden. Das auch vorgehalten, nur wäre halt die Aufre- schichte so plump wiederholt, wie Sie das ist unfaßbar. Im Nachhinein ist es noch gung deutlich geringer gewesen. Viele, die jetzt formuliert haben. Ich habe 2006 ja absurder als damals. damals mit dem Flammenschwert aufgetre- selbst noch die Koalition mit der SPÖ ver- ten sind, hätten wohl etwas milder reagiert. handelt, weil ich gewußt habe, das ist der Der Standard: Aber die nächste Wahl haben Aber so ist das Leben. Dies war auch der richtige Weg, um Stabilität zu garantieren. Sie überlegen gewonnen. Da haben die Grund, warum ich anderen die Spitzenfunk- Sanktionen doch auch mitgeholfen, oder? tion in der Regierung angeboten habe. Es Der Standard: Diese Regierung hat sich ging nicht um meinen Ehrgeiz. aber nicht als sehr stabil erwiesen, die hat Schüssel: Das ist eine Banalisierung der eineinhalb Jahre gehalten. Geschichte, dies in einen Kontext zu brin- Der Standard: Wäre aus heutiger Sicht eine gen. Die Menschen haben gemerkt, da ist Koalition mit dem BZÖ oder der FPÖ mög- Schüssel: Aber es war dennoch ein Glück, eine Regierung am Ruder, ein Team, ich lege lich? daß in Zeiten dieser Wirtschaftskrise die gros- sehr großen Wert auf Team, ein Team, daß se Koalition da war. Der weithin unterschätz- sich wirklich anstrengt gute Arbeit zu machen. Schüssel: Das müssen jene beurteilen, die te Wilhelm Molterer hat eigentlich den Die Wahl 2002 war ein Vertrauensbeweis für die Entscheidung zu treffen haben. Nur: Es Grundstein dazu gelegt, daß Österreich sich dieses Team. gibt immer zwei Kriterien. Wer demokra- in der Krise hervorragend behauptet hat. Und tisch legitimiert ist, im Parlament zu sitzen, hätte es diesen merkwürdigen und nach wie Der Standard: Ihre Ansage „Wenn wir Dritte darf nicht prinzipiell ausgegrenzt werden. vor empörenden Brief von Gusenbauer und werden, gehen wir in Opposition“ fiel ja Also dieses Stück Normalität ist völlig in Faymann an die „Kronen Zeitung“ hinsicht- ohne große Not. Und es kam anders. Später Ordnung, das muß möglich sein. Im Übrigen lich Referendum über europäische Fragen wurde Ihnen dann Lüge vorgeworfen, und es genauso wie eine Regierungsbeteiligung der nicht gegeben, also welche Sicherungen da entstand für diese Koalition das gefügelte Grünen. 2003 habe ich sehr intensiv um die durchgebrannt sind, ist mir bis heute nicht Wort: „Es gilt das gebrochene Wort“. Wie Grünen geworben. Van der Bellen hätte das klar, dann hätte es diese Regierung vielleicht sehr haben Sie Ihre Oppositionsansage aus durchaus interessant gefunden, aber es gelang noch immer gegeben. Und das wäre vielleicht 1999 später bereut? nicht. Das ist die eine Frage. Die andere: Ist nicht schlecht gewesen für Österreich. das ein Partner, dem man vertrauen kann? Schüssel: Das muß man im damaligen Zu- Der bereit ist, das Notwendige zu tun, die Wolfgang Schüssel (64) war vom 4. Februar sammenhang sehen. Wir waren in den Um- längersfristigen Dinge für wichtiger zu hal- 2000 bis zum 11. Jänner 2007 Bundeskanz- frage weit zurück, glaubten aber, gute Arbeit ten als kurzfristige Meinungsumfragen oder ler. Danach war er Klubobmann, seit 2008 geleistet zu haben. Mit den Sozialdemokraten den Zuruf eines Zeitungsherausgebers? Das ist Schüssel nur noch Abgeordneter. wurde gemeinsam der EU-Beitritt ermög- ist 2000 nach langen Verhandlungen durch Das Interview führte Michael Völker, „Der licht. Dann kam eine Durststrecke, das hat die Präambel und den Koalitionsvertrag mit Standard“ – das „Österreich Journal“ dankt jeder gespürt. Reformstau. Großer Frust. Die der FPÖ möglich gewesen. Heute habe ich dafür, es hier veröffentlichen zu dürfen. beharrenden Kräfte vor allem auf der sozial- persönlich meine Zweifel, ob das mit H.C. http://www.derstandard.at

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 8 Innenpolitik »Was 2000 wirklich lief« Exakt 10 Jahre nach der von wütenden Protesten begleiteten Angelobung erinnert sich die damalige FPÖ-Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer im Interview mit der Tageszeitung »Österreich«.

Österreich: Sie haben nie in Interviews oder Riess-Passer:Man hat gespürt: SPÖ und er im Gespräch mit Schüssel den Herbert in einem Buch die Bilanz von Schwarz-Blau ÖVP können nicht mehr miteinander. Und Scheibner und mich als mögliche Vizekanz- gezogen. Warum nicht? am Beginn der ganzen Geschichte stand ler genannt. Es war witzig: Schüssel wollte eigentlich ein Angebot der SPÖ. Die SPÖ Scheibner, weil er ihn aus dem Parlament Riess-Passer: Es ist ohnehin alles bekannt, hat bei uns vorgefühlt, ob wir eine Minder- gut kannte. Das hat den Jörg so misstrauisch und meine persönliche Befindlichkeit würde heitsregierung der SPÖ unterstützen würden. gemacht, dass er gesagt hat: Wenn der ich gerne für mich behalten. Ich sehe die Das Angebot war: Wir tolerieren eine SPÖ- Schüssel unbedingt den Scheibner will, dann schwarz-blaue Regierungszeit heute so wie al- Minderheitsregierung, sie geben uns zwei muß es die Susanne machen. So war der te Kriegsveteranen, die an ihre alten Schlach- unabhängige Minister, machen uns interna- Jörg – mißtrauisch vom Start weg. ten denken. Man wird sentimental, erinnert sich gern – aber die Dinge sind abgeschlos- Österreich: Wie haben Sie Schüssel erlebt? sen. Das Kapitel Politik ist für mich beendet – ein für alle Mal. Ich gebe dieses Interview Riess-Passer: In meinem Erleben war Schüs- auch nur, damit nicht der Eindruck entsteht, sel der mit Abstand beste Politstratege in daß ich mich für diese Regierungszeit genie- Österreich. Er ist immer perfekt vorbereitet, ren würde – ich bin im Großen und Ganzen plaudert nicht, sondern kommt wie ein stolz darauf, was wir geleistet haben in die- Schachspieler Zug um Zug rasch zum Er- sen zwei Jahren Regierungszeit – obwohl gebnis. Unsere Annäherungsphase war nicht wir natürlich auch Fehler gemacht haben. einfach.

Österreich: Sind Sie mit Schwarz-Blau Österreich: Weil er dachte, er trickst Sie gescheitert? aus?

Riess-Passer: Ich betrachte mich insofern Riess-Passer: So ähnlich. Man muß sich als gescheitert, als ich gerne bewiesen hätte, seinen Respekt erarbeiten – aber dann war er

daß die FPÖ dauerhaft regierungsfähig ist, Foto: Bernhard J. Holzner © HOPI-MEDIA ein loyaler Partner. daß sie das Land auch nachhaltig verändern Susanne Riess-Passer, Vizekanzlerin kann – daß die FPÖ Österreich die Reformen und Bundesministerin für öffentliche Österreich: Heute vor zehn Jahren – am 4. bringen kann, die das Land so dringend Leistung und Sport, im Frühjahr 2001 Februar 2000 – sind Sie auf der Flucht vor braucht. Da bin ich gescheitert – an der FPÖ, Tausenden Demonstranten durch einen un- an Haider, an Knittelfeld. tional salonfähig und nach einem Jahr kann terirdischen Gang zur Angelobung in die man über eine echte Koalition Rot-Blau Hofburg marschiert. War das ein tragischer Österreich: Sie sind in diese Regierung reden. Das war dem Jörg zu wenig und er hat Auftakt? gegangen nach einem triumphalen Wahlsieg. begonnen, bei der ÖVP für eine echte Koali- Unter ihrer Führung erreichte die FPÖ 1999 tion vorzufühlen. Dann ging alles ganz Riess-Passer: Tragik ist zu viel gesagt, aber fast 27 Prozent und Platz 2. schnell. Die ÖVP hat von der SPÖ den Fi- ich war damals sehr verärgert, weil ich unbe- nanzminister gefordert, die haben Nein ge- dingt oben über den Ballhausplatz gehen Riess-Passer: Es war Haiders Wahlsieg – er sagt. Haider hat öffentlich gesagt, er steht wollte – Demonstranten hin oder her. Man war das Gesicht nach außen, ich habe die Partei zur Verfügung. Und das war der Start. hat uns gesagt: „Ihr müßt durch den Tunnel.“ nach innen organisiert. Haider wollte vom Tag Österreich: Wie sind Sie zur Vizekanzlerin Und ich sagte wütend: „Nein, ich gehe nie- des Wahlsiegs weg in die Regierung – ich geworden? mals durch den Tunnel.“ Dann kam der Chef war dagegen. Meine Meinung war: Die FPÖ der Stadtpolizei und hat mich regelrecht an- ist für die Regierung noch nicht bereit, wir Riess-Passer:Ich wollte immer, dass Haider gefleht: „Nehmen Sie Rücksicht auf die Ge- müssen uns erst vorbereiten, Strukturen und den Vizekanzler selbst macht. Er wollte in sundheit meiner Polizisten, es wird Verletzte Inhalte aufbauen. Haider hat gesagt: Das ist Kärnten bleiben, erst bei der nächsten Wahl geben, helfen Sie uns.“ die einmalige Chance zur Regierung – wir als Kanzler nach Wien gehen. Daraufhin hat siegen uns sonst zu Tode. Österreich: Dann kamen sofort die Sank- tionen der EU. War das ein Schock? Österreich: Wie kam es dann zu Schwarz- Blau? Wie hat es Haider geschafft, die ÖVP Riess-Passer: Ich wußte, irgendwas kommt, aus der Großen Koalition loszueisen? der Eklat mit der EU lag in der Luft. Das hat

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 9 Innenpolitik sich hochgeschaukelt, völlig irrational und durchaus auch mit dem Zutun einiger Prota- gonisten aus Österreich. »Die Hemmschwelle Österreich: Wie haben Sie den Regierungs- ist gesunken« start erlebt? Im Interviem mit den »Salzburger Nachrichten« analy- Riess-Passer: Sehr turbulent. Ich hatte so siert der damalige SPÖ-Vorsitzende Alfred Gusenbauer wahnsinnig viel zu arbeiten, bin gar nicht die vergangenen zehn Jahre und das Wiedererstarken zum Nachdenken gekommen. Ich mußte in Tag- und Nachtarbeit ein Team aufbauen, die der politischen Rechten in Österreich. Infrastruktur, die Abläufe der Regierung – wir haben in Rekordzeit das Budget saniert, Salzburger Nachrichten: Vor zehn Jahren rung war, die Demokratie zu beseitigen. Sol- die Pensionsreform geschafft, das Kinder- wurde die Regierung Schüssel/Riess-Passer che Veränderungen passieren schleichend. geld eingeführt. Und das alles unter dem angelobt. War das tatsächlich jene „Wende“, Gerade die angestrebten Veränderungen im Trommelfeuer der Medien, die Tag für Tag als die sie gemeinhin interpretiert wurde? Bereich des Sozial- und Wohlfahrtsstaats geschrieben haben, das ist die grässlichste, sind auf erhebliche Widerstände gestoßen, peinlichste Regierungsmannschaft aller Zei- Gusenbauer: Es war insofern eine Wende, denken Sie an die großen Demonstrationen ten, eine Buberl-Partie, Haiders Sekretärin als zum ersten Mal eine Partei des politi- gegen die Pensionsreform. Die schwarz- regiert Österreich, das Land geht kaputt. schen Randes Teil einer österreichischen blaue Regierung mußte einige ihrer Vorha- Bundesregierung geworden ist. Überdies ben wieder zurückziehen, etwa die Ambu- Österreich: Wie war das Verhältnis zu Haider? handelte es sich um den Versuch, auch in lanzgebühr und die Unfallrentenbesteue- Österreich jene neoliberale Politik durchzu- rung. Riess-Passer: Am Anfang der Regierungs- setzen, wie es sie in anderen Teilen der Welt zeit großartig. Er hat uns als Regierungsteam gegeben hat. Salzburger Nachrichten: Ist mit dem öffentlich verteidigt, hat im Hintergrund die Regierungseintritt der Haider-FPÖ vor zehn Fäden gezogen als Parteiobmann und im Salzburger Nachrichten: Hat sich Öster- Jahren die Hemmschwelle gesunken, was Koalitionsausschuß. Der Bruch kam aber reich verändert? die Koalition mit rechten Parteien betrifft? schon nach einem Jahr bei der Wienwahl. Die FPÖ hat sieben Prozent verloren. Hai- Gusenbauer: Ja. Erstens sind viele Dinge, Gusenbauer: Zumindest in der ÖVP ist der, der sich im Wiener Wahlkampf gegen die vorher nie gesagt worden wären, Schritt diese Neigung vorhanden. meinen Rat besonders heftig engagiert hat, für Schritt salonfähig geworden. Früher gab ist plötzlich auf Konfrontation mit mir ge- es Tabubereiche der politischen Auseinan- Salzburger Nachrichten: Auch die SPÖ gangen und hat mir öffentlich vorgeworfen, dersetzung, doch die Hemmschwelle ist ge- scheint nicht immun zu sein, wenn ich an die dass wir als schwarz-blaue Regierung eine sunken. Zweitens: Der Versuch, Österreich „Chianti-Koalition“ denke, die SPÖ und „Politik ohne Herz“ machen. Das war der nach einem neoliberalen Modell umzuge- FPÖ 2004 unter Haiders Führung in Kärnten Punkt, wo ich zum ersten Mal gesagt habe: stalten, ist nur in Bruchstücken gelungen. geschlossen haben. Gut, dann mach’ es selber! Sodaß man bei aller Kritik an der Vertei- lungsstituation immer noch von Österreich Gusenbauer: Das war keine Koalition, son- Österreich: Warum der Krach? als einem Modell des Sozial- und Wohl- dern ein Abkommen, um gemeinsam ein fahrtsstaats reden kann. Der neoliberale An- Landesbudget zu beschließen. Aber es ist Riess-Passer: Es war eigenartig: Je profes- griff ist weitestgehend nicht geglückt. festzuhalten, daß diese Frage auf Länder- sioneller wir in der Regierung geworden ebene auch in der SPÖ differenziert betrach- sind, je besser die persönlichen Umfragewerte Salzburger Nachrichten: Hat es diesen tet wird. Und man muß feststellen, daß auch von Grasser und mir wurden, umso stärker Angriff überhaupt gegeben? Oder haben die in ganz Europa Regierungsbildungen unter wurde der Druck von ihm und von der Par- Kritiker der Wende unrecht gehabt, die da- Einschluss des politischen Randes mittler- tei. Ich habe immer appelliert: Lassen wir mals warnten, Österreich werde sich von sei- weile nicht mehr ausgeschlossen sind, etwa uns nicht auseinanderdividieren, halten wir nen demokratischen und sozialen Standards in Italien und der Slowakei. zusammen. Aber die FPÖ war immer weni- verabschieden? ger bereit, die nötigen unpopulären Maßnah- Salzburger Nachrichten: Wie beurteilen men zu beschließen, die eine gute Regierung Gusenbauer: Klarerweise ist Österreich Sie das Wiedererstarken des Dritten Lagers treffen muss. So lief es schon nach einem heute noch eine Demokratie, das ist über- in Österreich? Der jetzige FPÖ-Chef Strache Jahr hinter den Kulissen der FPÖ auf den haupt keine Frage. Ich würde auch nicht sa- ist ja erfolgreich wie einst Haider. Crash hinaus, und irgendwann war diese gen, daß es die Absicht der „Wende“-Regie- Entwicklung nicht mehr zu bremsen. Gusenbauer: Das hat in erster Linie damit zu tun, daß es ihm gelingt, die Ausländer- Das Interview erschien in der Tageszeitung frage als Hauptmovens der Politik zu defi- „Österreich“ – das „Österreich Journal“ nieren, von der alle anderen Fragen abgelei- dankt dafür, es hier veröffentlichen zu dürfen. tet werden. Und zweitens hat er, ähnlich wie

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 10 Innenpolitik damals Haider, durch Inszenierungsformen Gusenbauer: Wir merken natürlich die poli- bürger als Bedrohung für den eigenen Wohl- Zugang zu den verschiedensten Bevölke- tischen Auswirkungen der enormen ökono- stand empfunden werden. Es handelt sich rungsschichten gefunden, vor allem zu jün- mischen Brüche, die stattgefunden haben. um einen rückwärtsgewandten Reflex, man geren Wählerinnen und Wählern. Die Globalisierung, die im Prinzip eine Er- sehnt sich nach der vermeintlich heilen Welt folgsgeschichte gewesen ist, hat zu einer der Vergangenheit. Diese Rückwärtsge- Salzburger Nachrichten: Angesichts der weitreichenden Veränderung der Verteilungs- wandtheit macht es schwieriger, in einer Politik der Strache-FPÖ muß man konstatie- verhältnisse geführt. Dabei gibt es auch Ver- politischen Auseinandersetzung konstrukti- ren: Die Behauptung der „Wende“-Befür- lierer, und zwar in ganz erheblichem Aus- ve Lösungen umzusetzen. worter, daß Schüssel die FPÖ gezähmt habe, maß. Es hat sich ein antieuropäischer, anti- Das Interview führte Andreas Koller, von hat sich als falsch herausgestellt. internationalistischer Reflex entwickelt. den „Salzburger Nachrichten“ – das Dieser äußert sich in verschiedenen Aspek- „Österreich Journal“ dankt dafür, es hier Gusenbauer: Die Zähmung war nicht nach- ten: etwa in der Skepsis gegenüber der EU. veröffentlichen zu dürfen. haltig. Wenn es Schüssels Strategie gewesen Oder im Umstand, daß ausländische Mit- http://www.salzburg.com sein sollte, das Dritte Lager durch die Re- gierungsbeteiligung zu schwächen, dann hat das nicht funktioniert. Das war aber gar nicht Schüssels Absicht. Seine Absicht war, in einer mißlichen Situation – nämlich bei den »Ohne Bedauern, daß Nationalratswahlen Dritter geworden zu sein – seinen eigenen Kopf zu retten. diese Zeit vorbei ist« Salzburger Nachrichten: Es gibt zwei Über Schwarz-Blau und die vergebene Chance auf Wahrheiten, was die Betrachtung der „Wen- Schwarz-Grün, die er bedauert, aber nicht bereut, de“ betrifft. Die einen sagen, die ÖVP-FPÖ- sprach Ex-Grünen-Chef Alexander Van der Bellen im Koalition wurde nur gebildet, weil SPÖ- Chef Klima den mit der ÖVP bereits paktier- Interview mit den »OÖNachrichten«. ten Regierungspakt im Parteivorstand nicht durchgebracht habe… OÖNachrichten: Heute vor zehn Jahren ist lage von Schwarz-Blau zu verhindern. Ha- erstmals eine schwarz-blaue Regierung an- ben Sie je bereut, die Regierungsgespräche Gusenbauer (verzieht angewidert das Ge- gelobt worden. Mit welchen Gefühlen blik- mit der ÖVP abgebrochen zu haben? sicht) ken Sie auf die Wende zurück? Van der Bellen: Nein, nie. Schon deshalb, Salzburger Nachrichten: Ihrer Mimik ent- Van der Bellen: Ohne Bedauern, daß diese weil die Annahme des Paktes die Grünen vor nehme ich, daß Sie der zweiten Denkschule Zeit vorbei ist. Es war aber eine ambivalen- eine Zerreißprobe gestellt hätte. angehören: Schüssel hätte demzufolge auch te Geschichte. Einerseits war ich froh, daß während der Verhandlungen mit der SPÖ nie die EU 14 das nicht kommentarlos hinge- OÖNachrichten: Hätten Sie diese Gefahr ein anderes Ziel gehabt, als mithilfe der FPÖ nommen haben. Andererseits hat sich wenig nicht eingehen müssen? Bundeskanzler zu werden. später – als es in Italien um den Regierungs- eintritt der Lega Nord gegangen ist, und die Van der Bellen: Es war ein Zeitfenster, das Gusenbauer: Schüssel hat 1999 (bei der EU keinen Finger gerührt hat – das Heuch- sich seither nicht mehr geöffnet hat – inso- herbstlichen Nationalratswahl, Anm.) das lerische an den Maßnahmen gezeigt. fern bedaure ich, daß es nicht zustande ge- schlechteste Wahlergebnis gehabt und ist kommen ist. Aber es hat aus verschiedenen Dritter geworden. Wenn man die ÖVP kennt, OÖNachrichten: Waren die EU-Sanktionen Gründen nicht geklappt. Kurz gesagt: Wir weiß man, was nach einer solchen Wahl pas- also falsch? waren zu unerfahren und der ÖVP war es siert: Wäre Schüssel als Juniorpartner in eine nicht wichtig genug. Regierung mit der SPÖ eingestiegen, wäre Van der Bellen: Die pauschale Festlegung, seine Ära als Parteichef in einem halben Jahr österreichische Bewerber für EU-Posten OÖNachrichten: Die FPÖ hat es in der vorbei gewesen. Seine einzige Überlebens- nicht zu berücksichtigen, war inakzeptabel. Regierungszeit zerrissen, dennoch liegt sie möglichkeit bestand darin, selbst Bundes- Ich will aber auch nicht wissen, wie es wei- in Wahlen wieder vor den Grünen. Wie kanzler zu werden. Und das ging nur mit der tergegangen wäre, hätte die Regierungsbe- kommt das? FPÖ. teiligung der FPÖ nicht so große Aufmerk- samkeit bekommen. Van der Bellen: Die Grünen haben eben Salzburger Nachrichten: In der Schweiz mehr Zuspruch bei gut ausgebildeten, urba- werden Minarette abgelehnt. In Italien geht OÖNachrichten: Vor ziemlich genau sieben nen und liberal orientierten Bürgern. Wir tun die Bevölkerung gewaltsam gegen Migran- Jahren hatten Sie es in der Hand, die Neuauf- uns in den Städten leichter, in ländlichen Ge- ten vor. In Österreich formieren sich der bieten aber schwer. Die FPÖ braucht dage- Volkszorn und die Politik gegen ein Asyl- gen dort nur ihre Anti-EU- und Anti-Aus- erstaufnahmezentrum. Ist etwas ins Rut- länder-Linie zu fahren. Auf dieses Thema schen gekommen in Europa? wollen wir nicht einsteigen.

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OÖNachrichten: Es ist aber, seit Eva betreuen hatte, privilegiert. Und man darf nicht mehr so von außen diszipliniert werde, Glawischnig 2009 die Parteiführung über- auch nicht das Engagement eines Werner also unter dem Druck vorgegebener Zeitplä- nommen hat, generell sehr still um die Kogler oder Peter Pilz vergessen. In Summe ne stehe. Da bin ich als Abgeordneter Grünen geworden. paßt das schon. freier.…

Van der Bellen: Auch mir hat man oft vor- OÖNachrichten: Ist es Ihnen schwer gefal- Das Interview führte Jasmin Bürger, „Ober- geworfen, daß ich zu wenig präsent bin. Ich len, loszulassen? österreichische Nachrichten“ – das „Öster- bewundere die Energie und Selbstdisziplin, reich Journal“ dankt dafür, es hier veröffent- die Eva Glawischnig aufbringt. Im Vergleich Van der Bellen: Es war leichter, als ich erwar- lichen zu dürfen. dazu war ich, der keine zwei Kleinkinder zu tet hatte. Eine Umstellung war, daß ich jetzt http://www.nachrichten.at »2000 – Sturm im Wasserglas« Der Wiener Historiker Oliver Rathkolb zieht zehn Jahre danach im Interview mit der »Wiener Zeitung«Bilanz über die Maßnahmen der EU-14 gegen die schwarz- blaue Regierung. Er hat keine Belege dafür, daß die Sanktionen von Wien ausge- gangen sind – sie haben aber den ÖVP-Wahlsieg 2002 begründet.

Wiener Zeitung: Ist mit der Distanz von Oliver Rathkolb: Ich habe dafür keine An- Oliver Rathkolb: Weil diese Gefühle auch zehn Jahren die Hysterie rund um die haltspunkte, ich kann es mir auch politisch im privaten Bereich beständig weitergege- Bildung der schwarz-blauen Regierung noch nicht vorstellen: Die SPÖ hat aus ihren Er- ben werden. Es ist kein Zufall, daß 2000 verständlich? fahrungen mit der Waldheim-Debatte 1986 auch das Ur-Trauma von 1918 wieder the- gelernt. Auch damals hat die Ächtung Öster- matisiert wurde – das kleine, von allen ver- Oliver Rathkolb: Rückblickend erweist reichs nur zu einem nationalen Schulter- lassene Österreich. Scheinbar gibt es ein sich die europäische Aufregung tatsächlich schluß geführt. Das war auch bei den Sank- Problem mit der Kleinheit, das betrifft aber als Sturm im Wasserglas. Damals wurden die tionen nicht anders, die direkt zum ÖVP- auch andere, etwa die Schweiz. Grenzen der EU in Bezug auf innenpoliti- Wahlerfolg 2002 führten. sche Ereignisse deutlich aufgezeigt. Folgen- Wiener Zeitung: Welche Lektionen hat die de, ebenfalls aufregende Regierungsbeteili- Wiener Zeitung: In welchem Zusammen- EU aus den Sanktionen gelernt? gungen, etwa in Italien, wurden mit keinem hang steht die überdurchschnittliche EU- Beistrich kommentiert. Vielleicht hat zur Auf- Skepsis der Österreicher mit den Sanktio- Oliver Rathkolb: Die EU musste einsehen, regung auch beigetragen, daß das Jahr 2000 nen? dass innenpolitische Entwicklungen nicht damals als geschichtshistorische Wende wahr- aufzuhalten sind. Eine Wiederholung der genommen wurde. Und dann gab es noch die Oliver Rathkolb: Diese Skepsis hat sich Sanktionen wäre heute schon allein wegen Holocaust-Konferenz in Stockholm, wo ver- durch die damaligen Aktionen beschleunigt, der Größe der EU nicht mehr möglich. sucht wurde, den Holocaust als gesamteuro- der Trend dazu war allerdings schon vorher päische Meistererzählung zu etablieren. vorhanden. Das zeigen die Eurobarometer- Wiener Zeitung: Und welche Lektionen hat Umfragen ganz deutlich. Österreich gezogen? Wiener Zeitung: Welcher Zusammenhang besteht hier? Wiener Zeitung: Als Reaktion auf die Sank- Oliver Rathkolb: Eine Antwort darauf traue tionen kam es zur Wiederauferstehung ar- ich mir nicht zu – ich fürchte aber leider, Oliver Rathkolb: Ich bin überzeugt davon, chaischer massenpsychologischer Phänome- keine. daß es ohne diese Konferenz niemals zu ne wie der ewigen „Opferrolle“ Österreichs, Sanktionen gegen Schwarz-Blau gekommen dem „nationalen Schulterschluß“, der Pole- Wiener Zeitung: Waren die Sanktionen für wäre. Man wollte eben „diesmal anders“ re- mik gegen „Vaterlandsverräter“. Warum? Sie berechtigt? agieren als 1938, obwohl ja die beiden Ereignisse nicht im Entferntesten verglichen Oliver Rathkolb: Innenpolitisch ja, europa- werden können. politisch nein, weil Rechtspopulismus kein nationales Problem ist, sondern sich durch Wiener Zeitung: In Österreich hält sich das ganz Europa zieht. hartnäckige Gerücht, daß die Sanktionen von Wien aus initiiert worden seien. Das Interview führte Walter Hämmerle, „Wiener Zeitung“ – das „Österreich Journal“ *) Univ.-Prof. Mag. DDr. Oliver Rathkolb ist Vorstand dankt dafür, es hier veröffentlichen zu dürfen. des Instituts für Zeitgeschichte der Uni Wien. http://www.wienerzeitung.at

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 12 Innenpolitik Grenzeinsatz Um dem Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung gerecht zu werden, hat die Bundesregierung die Fortsetzung des Assistenzeinsatzes durch das Bundesheer bis Ende 2010 beschlossen – jedoch nicht ohne Widerspruch. Alle Fotos: Bundesheer SoldatInnen sind Augen und Ohren der Polizei. Sie patrouillieren, beobachten und zeigen Präsenz an der Ostgrenze.

m 9. Dezember 2009 hat der Ministerrat fassung (Art. 79 B-VG) und im Wehrgesetz „Geben wir daher unseren Soldaten, die Adie Fortsetzung des sicherheitspolizei- geregelt (§ 2). In der Bundesverfassung wird pflichtbewußt ihren Dienst an der Grenze lichen Assistenzeinsatzes des Bundesheeres zwischen sicherheitspolizeilicher Assistenz versehen, auch die nötigen Werkzeuge zur im östlichen Grenzraum bis Ende 2010 und Assistenz im Katastrophenfall unterschie- erfolgreichen Umsetzung ihres Einsatzes. beschlossen. Der Ministerratsbeschluß sieht den. Beim Assistenzeinsatz des Bundesheers ,Grenzen sichern, Heimat schützen‘ ist das als Unterstützung der Sicherheitsbehörden an der Grenze handelt es sich um einen si- Motto!“, so Königsberger. bis zu 1500 SoldatInnen vor. Im Einsatz wer- cherheitspolizeilichen Assistenzeinsatz ge- den wie bisher etwa 750 SoldatInnen sein. mäß Art. 79 der Bundesverfassung. BZÖ fordert Grenzschutztruppe „Das Bundesheer wird auch im kommenden BZÖ-Bündnisobmann Josef Bucher for- Jahr Schutz und Hilfe im östlichen Grenz- FPÖ: Schengen befristet aussetzen derte die Einrichtung einer flexiblen und ef- raum leisten. Die Bevölkerung im Burgen- Erich Königsberger, Sicherheitssprecher fizienten Grenzschutztruppe statt dem „sinn- land und in Niederösterreich kann sich auf der FFÖ Niederösterreich, erklärte, die Frei- losen Assistenzeinsatz“. Bucher: „Bis zu unsere Soldatinnen und Soldaten verlassen“, heitlichen stünden voll hinter der Grenz- 200.000 illegale Einwanderer kommen über sagte Verteidigungsminister Norbert Dara- sicherung des Bundesheeres. Er forderte die die grünen Grenzen, die derzeit nicht kon- bos zum Beschluß. Daß in einer Umfrage Verantwortlichen aber auf, eine Kosten- trollierbar sind, nach Österreich. Die Krimi- des Innenministeriums 86 % der Burgenlän- Nutzen-Rechnung zu machen. „Wenn wir nalität steigt insbesondere im Osten Öster- der für die Fortsetzung des Einsatzes votier- 12,5 Mio. Euro jährlich für den Assistenz- reichs massiv an. Die Grenzschutzmaßnah- ten, sei ein großer Vertrauensbeweis gewe- einsatz aufbringen, ist es mager, wenn es men müssen daher deutlich verstärkt wer- sen. Einen größeren Beweis für den Erfolg dann nur zu 9 Aufgriffen kommt.“ Schuld den.“ Diese Grenzschutztruppe solle aus der des Einsatzes gebe es nicht, so Darabos. daran sei allerdings nicht das Militär, son- Polizei sowie der Militärpolizei zusammen- „Die Soldatinnen und Soldaten sind Augen dern der Umstand, daß die Verbrecher nicht gestellt und flexibel in Österreich stationiert und Ohren der Polizei. Sie patrouillieren, be- mehr durch die Wälder einsickern müßten, werden. obachten und zeigen Präsenz. Mit der Durch- „sondern legal über Bundesstraßen und Auto- Derzeit hätten die Soldaten, die beim As- führung dieser ureigenen militärischen Auf- bahnen einreisen!“, so Königsberger. sistenzeinsatz eingesetzt werden, aufgrund gaben wird die Polizei auch 2010 tatkräftig Solange das Schengenabkommen nicht der Schengen-Regelung deutlich einge- unterstützt“, so Darabos. befristet aufgehoben und die Grenzkontrol- schränkte Befugnisse wie Beobachtung und Die Assistenzeinsätze des Österreichi- len wieder durchgeführt würden, könne auch Meldung. Im Jahr 2009 seien lediglich neun schen Bundesheeres sind in der Bundesver- das Bundesheer nicht schlagkräftig agieren. illegal aufhältige Personen aufgegriffen wor-

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sistenzeinsatz des Bundesheeres: „Wir ver- unsichern die Leute nicht und halten an un- seren Beschlüssen fest.“ Er bekenne sich „vorbehaltlos“ zum Einsatz in Niederöster- reich und dem . „Der Assistenz- einsatz war und ist eine richtige Entschei- dung“, er sei durch das Streichen vieler Po- lizei-Planstellen durch die schwarz-blaue Regierung notwendig geworden. Die Polizei sei derzeit alleine nicht in der Lage, den objektiven und den subjektiven Sicherheits- bedürfnissen der Bevölkerung nachzukom- men. Viele neue Polizisten befänden sich derzeit in Ausbildung, es brauche daher Zeit bis diese ihren Dienst antreten können. „Auch die Polizei sieht den Einsatz des Bun- desheeres positiv“, betonte der Bundeskanz- ler, dies hätten ihm zahlreiche Polizisten im persönlichen Gespräch bestätigt. Das Bundesheer werde auch 2010 Schutz und Hilfe im östlichen Grenzraum leisten, sagte Verteidigungsminister Norbert Dara- bos. „Die Bevölkerung im Burgenland und in Niederösterreich kann sich auf unsere Sol- datinnen und Soldaten verlassen.“ Daß in einer Umfrage des Innenministeriums 86 % der Burgenländer für die Fortsetzung des Ein- satzes votiert hätten, sei ein großer Vertrau- ensbeweis gewesen. Einen größeren Beweis für den Erfolg des Einsatzes gebe es nicht, so Darabos. „Die Soldatinnen und Soldaten sind Augen und Ohren der Polizei. Sie patrouil- Seit 22. Dezember 2007 patrouillieren die Soldaten im Hinterland der östlichen lieren, beobachten und zeigen Präsenz. Mit Staatsgrenze – hier ein Posten direkt bei einem der Grenzübergänge. der Durchführung dieser ureigenen militäri- den. 800 Soldaten seien täglich im Einsatz. sten gegenüber den mehr als bescheidenen schen Aufgaben wird die Polizei auch 2010 Die Kosten des Assistenzeinsatzes belaufen Erfolgen und da die Fortsetzung des Assi- tatkräftig unterstützt“, so der Verteidigungs- sich auf jährlich 12,5 Millionen Euro. „1,4 stenzeinsatzes „offenkundig nur der Wahl- minister. Millionen Euro werden pro Aufgriff ausge- werbung für die bevorstehenden Landtags- geben. Dies ist ein enormer finanzieller Auf- wahlen diene, daß die SPÖ Burgenland und ÖVP: Politik muß Entscheidungen treffen wand, obwohl kein einziger Schlepper dabei die ÖVP Burgenland die Kosten überweisen Innenministerin Maria Fekter stellte gefaßt wurde“, kritisierte Bucher, der von sollten“. Mit vernünftiger Sicherheitspolitik anläßlich der Beschlußfassung fest, im Ko- einem Gespräch mit der rumänischen Bot- habe der Einsatz von 26.500 Manntagen und alitionsübereinkommen sei vereinbart wor- schafterin berichtete, wonach Rumänien 1,4 Mio. Euro pro Festnahme nichts mehr zu den, den Assistenzeinsatz zu evaluieren. nicht in der Lage sei, seine Grenzen zu si- tun. „Darüberhinaus wurden die Festnahmen „Dem sind wir unter anderem mit der Spec- chern und seit Jahren vergeblich auf verspro- nicht durch die Soldaten, sondern durch die tra-Studie nachgekommen. Darin wurde chene Grenzschutzhilfe der EU warte. „Die Polizei vorgenommen. Die Grünen hätten deutlich, daß es im Interesse des subjektiven Schengengrenze ist lückenhaft und daher ist schon nach Vorliegen der entsprechenden Sicherheitsgefühls der Bevölkerung notwen- es nicht verwunderlich, daß so viele Illegale Zahlen für 2008 darauf hingewiesen, daß die dig ist, den Assistenzeinsatz fortzuführen.“ nach Österreich kommen. Die Signalwir- Polizei mit einem Bruchteil des Budgets Seit dem 21. Dezember 2007 gibt es an kung für Kriminelle, daß die Grenzen Öster- hundertmal erfolgreicher als das Bundesheer Österreichs Grenzen zur Slowakei, zu Slo- reichs offen sind, ist verheerend. Daher sind war“, erläuterte Pilz. „Das verschwendete wenien, Tschechien und Ungarn keine eine temporäre Wiedereinführung der Grenz- Geld für den Assistenzeinsatz soll besser zur Grenzkontrollen mehr. Für die Bevölkerung kontrollen sowie eine Grenzschutztruppe im Steigerung der erbärmlichen Aufklärungs- ergaben sich dadurch unmittelbar spürbare Sinne der Sicherheit der Bevölkerung drin- quote von Verbrechen eingesetzt werden.“ Reiseerleichterungen. gend notwendig“, so Bucher. Die Aufhebung der Grenzkontrollen er- SPÖ: Vorbehaltsloses Bekenntnis folgte unter Gewährleistung der höchstmög- Grüne: Einsatz nur für Wahlwerbung Bundeskanzler sieht lichen Sicherheitsstandards. Das neue Si- Peter Pilz, Sicherheitssprecher Grünen, dies anders: Am 16. Feber bekräftigte er im cherheitssystem bedeutet bessere Chancen fordert wegen der unverhältnismäßigen Ko- Pressefoyer nach dem Ministerrat den As- im gemeinsamen Kampf gegen die grenz-

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Conclusio Bisher wurden im „Assistenzeinsatz neu“ 11.593 Soldaten eingesetzt. Die Polizei hat 259 Mal Unterstützung des Bundesheeres angefordert. Lebensrettende Maßnahmen wurden durch die Soldaten 51 Mal gesetzt. Seit Beginn 2008 wurden 1794 sicherheits- relevante Wahrnehmungen durch die Sol- datInnen getätigt, in 1352 Fällen wurde die Polizei alarmiert. „Durch die Präsenz der Soldatinnen und Soldaten im Grenzraum wird primär das Si- cherheitsgefühl gestärkt“, so Generalleutnant Segur-Cabanac, Leiter der Sektion „Einsatz“ im Verteidigungsministerium. „Das ist der so- genannte ,Friedensnutzen‘ von Streitkräften.“ Die Kosten des Assistenzeinsatzes belau- Ende Juni 1991 war ein Bundesheereinsatz an der Grenze nicht nur beruhigend, fen sich auf 12 Millionen Euro – bei einem sondern für die Sicherheit des Landes unabdingbar: Soldaten überwachten unter Gesamtbudget des Bundesheeres von 2,1 anderem den Grenzübergang in Spielfeld, wohin die Kämpfe der Jugoslawischen Milliarden. Volksarmee mit der slowenischen Territorialverteidigung reichten. http://www.bmvl.gv.at überschreitende Kriminalität, den internatio- nalen Terrorismus und die illegale Migra- Ergebnis der »Spectra«-Studie im Detail tion. Dadurch ist eine höhere Fahndungsqua- lität und eine zuvor weder gekannte noch Frage: „Trägt der Assistenzeinsatz des Bruck/Leitha mögliche starke zwischenstaatliche Koope- Bundesheeres dazu bei, daß Sie sich per- Erhöhte Sicherheit: 67% ration der Polizei gewährleistet. sönlich sicherer fühlen oder würden Sie Nicht erhöht: 21% „Ein großer Vorteil gerade dieses Si- das nicht sagen?“ Kann ich nicht sagen: 12% cherheitssystems ist es auch, daß Kriminelle innerhalb des gemeinsamen Schengen-Rau- Burgenland Gänserndorf mes leichter ausgeforscht werden können“, Ja ich fühle mich sicher: 76% Erhöhte Sicherheit: 76% sagte Fekter. „Kriminalität kennt keine Gren- Würde ich nicht sagen: 20% Nicht erhöht: 16% zen, also darf es auch im Kampf gegen die Kann ich nicht sagen: 4% Kann ich nicht sagen: 8% Kriminalität keine Grenzen geben.“ „Die Politik muß Entscheidungen treffen, Bruck/Leitha Frage: „Sollte Ihrer Ansicht nach der die zum subjektiven Sicherheitsgefühl der Ja ich fühle mich sicher: 69% Assistenzeinsatz des Bundesheers an der Bevölkerung entscheidend beitragen“, so Würde ich nicht sagen: 24% Grenze zu Ungarn und zur Slowakei fort- Fekter weiter: „Ein hohes Sicherheitsgefühl Kann ich nicht sagen: 7% geführt werden oder nicht?“ bedeutet eine hohe Lebensqualität und ich möchte, daß sich die Menschen in Österreich Gänserndorf Burgenland sicher fühlen.“ Die Fortsetzung des bestehen- Ja ich fühle mich sicher: 75% Fortgeführt werden: 86% den Assistenzeinsatzes des Bundesheeres bis Würde ich nicht sagen: 22% Nicht erhöht: 10% Ende 2010 gewährleiste die Unterstützung Kann ich nicht sagen: 3% Kann ich nicht sagen: 4% der Sicherheitsbehörden bei der Bekämp- fung der grenzüberschreitenden Kriminalität Frage: „Wird durch den Assistenzeinsatz Bruck/Leitha in den Regionen zur Slowakei und Ungarn. Ihrer Meinung nach die Sicherheit in Fortgeführt werden: 83% Das Mandat legt fest, daß bei Feststellung Österreich erhöht oder wird die Nicht erhöht: 12% sicherheits- und fremdenpolizeilich relevan- Sicherheit nicht erhöht?“ Kann ich nicht sagen: 5% ter Ereignisse die sofortige Verständigung der Organe des öffentlichen Sicherheits- Burgenland Gänserndorf dienstes zu erfolgen hat. Erhöhte Sicherheit: 80% Fortgeführt werden: 86% Die Studie hält fest, wie sehr der Assi- Nicht erhöht: 16% Nicht erhöht: 11% stenz-Einsatz des Bundesheeres in der Be- Kann ich nicht sagen: 4% Kann ich nicht sagen: 3% völkerung dazu beigetragen hat, daß sich die Bürgerinnen und Bürger sicherer fühlen und der Meinung sind, daß die Sicherheit in Bei dem vom Marktforschungsinstitut „Spectra“ erstellten „Marketing Report zum Assi- Österreich dadurch erhöht wurde. Der Assi- stenzeinsatz“ wurden 500 männlich und weibliche Personen im Burgenland, Bruck an der stenzeinsatz findet eine sehr breite Zustim- Leitha und Gänserndorf befragt. Die Befragten waren im Alter von 16 bis über 60 Jahre mung innerhalb der Bevölkerung.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 15 Innenpolitik Wahlrechtsreform 2010 Das vom Nationalrat beschlossene Wahlrechtsänderungs- gesetz 2010 passierte am 18. Februar den Bundesrat.

ie Wahlrechtsreform enthält eine Reihe und mit denen Regelungen nachjustiert wur- Wahlrechts widerspreche, sei seine Fraktion Dvon Verbesserungen für die WählerIn- den. Zustellungsbevollmächtigte Vertreter gegen diese Vorlage. nen, tritt am 1. März 2010 in Kraft und gilt müssen bei Wahlen explizit über das passive Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ) hielt die bereits bei der Bundespräsidentenwahl am Wahlrecht (18 Jahre am Wahltag) verfügen. Bedenken seines Vorredners für unbegrün- 25. April 2010. Für den zustellungsbevollmächtigten Vertre- det. Seine Fraktion begrüße die Briefwahl, Die Briefwahl ist einfacher geworden: ter des Wahlvorschlags für eine Bundesprä- die sich ja auch bereits in der Praxis bewährt Bei allen bundesweiten Wahlereignissen sidentenwahl müssen – auch schon bei der habe. Man übertrage daher die Modalitäten, reicht das Eintragen einer Unterschrift in der bevorstehenden Wahl – zumindest zwei die es bereits bei der Europawahl gegeben Rubrik für die eidesstattliche Erklärung auf Stellvertreter namhaft gemacht werden. Eine habe, auf alle anderen Wahlgänge und schaf- der Wahlkarte aus, um eine gültige Stimme Mehrfachkandidatur für verschiedene Par- fe somit wieder ein einheitliches und bürger- abzugeben. Die Portokosten werden bei der nahes Wahlrecht. Damit solle es erleichtert Briefwahl in Hinkunft vom Bund getragen, werden, wählen zu gehen, und das sei ja gleichgültig ob die Wahlkarte im Inland oder wohl im Interesse der Demokratie. Insge- im Ausland aufgegeben wird. Die Wahlkarte samt bedeute die Vorlage einen großen Fort- muß außerdem nicht mehr zwingend im schritt im Wahlrecht. Postweg befördert werden, sondern sie kann Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP) schloß an zum Beispiel auch persönlich bei der Be- seinen Vorredner an. Man setze mit dem Ent- zirkswahlbehörde abgegeben werden. wurf viele sinnvolle Schritte um und schaffe Die personsbezogenen Daten von Brief- so mehr Bürgernähe. Den Bürgern biete man wählern sind besser geschützt: Die Daten so mehr Möglichkeiten, die Vorlage sei da- sind mit einer speziellen Lasche auf der her zu begrüßen. Die Bedenken der FPÖ, die Wahlkarte während der Beförderung zur Be- Briefwahl betreffend, konnte der Redner hörde verdeckt. Bei der Bezirkswahlbehörde nicht nachvollziehen. kann diese Lasche geöffnet werden, ohne daß Bundesrat Stefan Schennach (Grüne) be- bereits das Wahlkuvert aufgerissen wird – grüßte die Wahlrechtsänderung. Sie sei bür- das ist erst bei Anwesenheit der Mitglieder Foto: BM.I/Egon Weissheimer gerfreundlich und bringe den WählerInnen, der Wahlkommission zulässig. Die Wahlrechtsreform gilt bereits zum Beispiel durch das Wahlkartenabo, we- bei der Bundespräsidentenwahl Die Terminologie des „Eingetragenen am 25. April 2010. sentliche Vereinfachungen. Er hielt es auch Partnerschaftsgesetzes“ wurde in das Wahl- für richtig, die zwingende Übermittlung per recht übernommen (statt „Familienname“ teien – einmal auf einem Landeswahlvor- Post vorzusehen. Als bedauerlich fand Schen- besteht die Möglichkeit, einen „Familien- schlag und einmal auf einem Bundeswahl- nach die Tatsache, daß man sich nicht durch- namen“ oder einen „Nachnamen“ (bei einge- vorschlag – ist bei Nationalratswahlen nun- ringen konnte, den Parteibegriff zu definie- tragenen Partnerschaften) einzutragen; sämt- mehr ebenso ausgeschlossen, wie eine ren. Er regte weiter an, in den Gesetzen durch- liche Formulare wurden dementsprechend Doppelkandidatur bei Europawahlen. gängig entweder den Begriff „Familienna- angepaßt. Weitere Verbesserungen betreffen Men- me“ oder „Nachname“ zu verwenden. Denn Das Gesetzespaket enthält zahlreiche schen mit besonderen Bedürfnissen. Es gibt in einigen Gesetzen finde man nur den Be- Verbesserungen und Klarstellungen, die die nun für sie ein „Wahlkartenabonnement“: griff „Nachname“ bei der Wahlrechtsände- Gemeinden bzw. die Wahlbehörden betref- Ihnen werden auf Antrag die Wahlunterlagen rung werde zwischen „Familienname“ und fen. Darunter fallen Präzisierungen betref- automatisch vor jeder Wahl zugeschickt. Aus- „Nachname“ unterschieden, kritisierte er. fend die Wahlbehörden und ihre Beschluß- serdem gibt es eine „fliegende Eintragungs- Bundesrat Franz Eduard Kühnel (ÖVP) fähigkeit sowie die Auswertung der Vor- behörde“ für Volksbegehren (das Aufsuchen schloß sich der positiven Beurteilung seines zugsstimmen. Bei Nationalratswahlen und einer Gemeinde ist nicht mehr erforderlich) Vorredners an und sprach von massiven Ver- Europawahlen werden Vorzugsstimmen in und mit der Wahlkarte wird der Wahlvor- besserungen. Das Wahlkartenabo ist für ihn Zukunft immer durch die örtlichen Wahlbe- schlag mitgeschickt, sodaß sich Wähler be- ein Beitrag zur Entbürokratisierung. Die Be- hörden ermittelt werden. Die Regelung, wo- reits vor der Wahl in Ruhe mit den verschie- denken von Bundesrat Ertl in Hinblick auf nach auch an Sonntagen die Gemeindestu- denen Kandidaten befassen können. die Verletzung des Wahlgeheimnisses bei der ben zum Zweck der Einsichtnahme in die Bundesrat Johann Erlt (FPÖ) setzte sich Briefwahl teilte Kühnel nicht. Der ÖVP-Bun- Wählerevidenz geöffnet werden müssen, ist mit der Briefwahl auseinander. Hier habe desrat befürchtete aber im Gegensatz dazu nicht mehr zwingend vorgeschrieben. seine Fraktion weiterhin Bedenken, da nicht eine Gefährdung des Wahlgeheimnisses beim Die Novelle enthält darüberhinaus zahl- gewährleistet sei, daß diese Stimme wirklich E-Voting und zeigte sich zufrieden, daß die- reiche Klarstellungen, die der Rechtsicher- frei, unbeeinflußt und persönlich abgegeben ses in nächster Zeit nicht kommen wird. heit bei der Vollziehung von Wahlen dienen werden könne. Da dies den Prinzipien des http://www.parlament.gv.at

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 16 Innenpolitik Wien wollte es wissen Vom 11. bis 13. Februar 2010 fand in Wien eine Volksbefragung statt.

nders als bei Wahlen erhielt jede stimm- Aberechtigte Wienerin und jeder stimm- berechtigte Wiener für die Teilnahme an der Volksbefragung ihre/seine persönliche Stimm- karte und den Stimmzettel per Post zuge- schickt. Es wurden rund 110 Annahmestellen eingerichtet, unter anderem in allen Magi- stratischen Bezirksämtern, aber auch an Ver- kehrsknotenpunkten und in einigen Einkaufs- zentren. Auch wurde ein umfassendes Infor- mationspaket inklusive eigener Website ge- schnürt. Folgende fünf Fragen konnten be- antwortet werden:

1. Im Jahr 2000 wurde durch den Bundes- gesetzgeber die Möglichkeit abgeschafft, Hausbesorger/innen anzustellen. Eine bun- desgesetzliche Neuregelung ist seither nicht zustande gekommen. Foto: Schaub-Walzer / PID Sind Sie dafür, daß in Wien die Möglich- Bgm. Michael Häupl und StRin Sandra Frauenberger vor einer »Wahlurne« – wie keit geschaffen wird, neue Hausbesorge- sie an vielen Verkehrsknotenpunkten zur Stimmabgabe montiert wurden. rInnen (mit modernem Berufsbild) einzu- stellen? 4. In Wien fahren täglich Nachtbusse von noch um ein vorläufiges Resultat handelt, so Ergebnis: 0.30 bis 5.00 Uhr. Ein 24-Stunden-U- wäre eine Beteiligung von 26,04 % doch ein Ja: 302.559 (84%) Bahn-Betrieb am Wochenende (Freitag deutliches Zeichen.“ Die Kritik, daß die Nein: 58.295 (16%) und Samstag) kostet pro Jahr 5 Millionen Beteiligung gering sei, lasse er nicht gelten, Euro und bewirkt veränderte Fahrtrouten schließlich handle es sich „um einen sehr er- 2. Internationale Studien zeigen, daß die der Nachtbusse am Wochenende. folgreichen Einsatz dieses Instrumentariums Ganztagsschule der entscheidende Erfolgs- Sind Sie dafür, daß die U-Bahn am Wo- in der Geschichte Wiens“. Das Ergebnis der faktor für die Vereinbarkeit von Beruf und chenende auch in der Nacht fährt? einzelnen Fragen nahm Häupl als verpflich- Familie darstellt sowie das Bildungsni- Ergebnis: tend, egal ob dieses „knapp oder deutlich veau der Bevölkerung deutlich hebt. Ja: 199.968 (55%) ausfallen werde“. Sind Sie für ein flächendeckendes Ange- Nein: 164.068 (45) An die Umsetzung der Ergebnisse werde bot an Ganztagsschulen in Wien? man sich „so rasch wie möglich machen“, Ergebnis: 5. Seit 2006 wird in Wien ein freiwilliger betonte Häupl. Dies sei aber auch von den Ja: 272.418 (77%) Hundeführschein angeboten. Der Hunde- gesetzlichen Rahmenbedingungen abhängig. Nein: 83.386 (23%) führschein ist eine fundierte Ausbildung Eine gesetzliche Basis für den „Hundeführ- für HundehalterInnen, bei welcher der schein“ könne man unter Umständen bereits 3. Einige Großstädte (z.B. London, Stock- richtige Umgang mit Hunden gelehrt vor dem Sommer erwirken, die Regelung für holm) haben zur Bewältigung des inner- wird. Bei der Prüfung müssen Hundehal- die „HausbesorgerInnen Neu“ werde einen städtischen Verkehrs eine Einfahrtsge- terInnen zeigen, daß sie den Hund auch in längeren Zeitraum in Anspruch nehmen. bühr für das Stadtzentrum eingeführt schwierigen Situationen im Griff haben. Besonders erfreut zeigte sich der Wiener (Citymaut). In Wien konnte durch die Sind Sie dafür, daß es in Wien für soge- Bürgermeister über das mit 77 % „eindeuti- Verkehrspolitik (Ausbau öffentlicher nannte „Kampfhunde“ einen verpflichten- ge Ergebnis“ zum Thema „Flächendeckende Verkehr, Parkraumbewirtschaftung, Wohn- den Hundeführschein geben soll? Ganztagsschule“. sammelgaragen, Ausbau Radwegenetz) in Ergebnis: Angesprochen auf das Instrument der den letzten Jahren der Autoverkehr in der Ja: 326.839 (89%) Briefwahl und zukünftige Möglichkeiten Stadt deutlich reduziert werden. Nein: 38.476 (11%) seine Stimme abzugeben, meinte Häupl, daß Soll in Wien eine Citymaut eingeführt „die Zukunft wohl im e-Voting liegen wird“. werden? Sehr zufrieden zeigte sich Wiens Bürger- Das Prinzip müsse aber auf jeden Fall ein Ergebnis: meister Michael Häupl am 16. Februar bei „freies, gleiches und geheimes Wahlrecht“ Ja: 85.079 (23%) seinem Mediengespräch mit dem Ergebnis sein. Nein: 277.285 (77%) der Volksbefragung. „Auch wenn es sich http://www.wien.gv.at/advbefergeb/internet/Ergebnis.aspx

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 17 Österreich, Europa und die Welt Zukunftsmarkt Indien Finanzminister Josef Pröll und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner waren vier Tage mit Unternehmensvertretern unterwegs in Indien.

ndien ist für Österreich ein großer Hoff- Inungsmarkt – und das nicht nur im Export, sondern auch bei neuen Ansiedlungen indi- scher Unternehmen, die in Österreich Wert- schöpfung schaffen. Vor diesem Hintergrund war Wirtschaftsminister Reinhold Mitterleh- ner gemeinsam mit Vizekanzler Josef Pröll und 45 Unternehmensvertretern in Indien un- terwegs. Angesichts eines prognostizierten Wirtschaftswachstums von rund 7,2 Prozent und eines wachsenden Warenverkehrs mit Österreich birgt das Land enorme Chancen für heimische Betriebe – etwa beim Infra- strukturausbau, im Automobilsektor und im Energiebereich. „Wir haben die Präsenz in den vergangenen vier Jahren verdoppelt, aber es gibt noch viel brachliegendes Potential, das es zu nutzen gilt“, betont Mitterlehner, der

besonders gute Exportchancen für österrei- Foto: BMF/Georges Schneider chische Umwelt-und Energietechnik sieht. Finanzminister Josef Pröll samt Delegation und sein indischer Amtskollege Pranab Am 17. Februar wurden Pröll und Mitter- Mukherjee samt Mitarbeitern beim Arbeitsgespräch. Foto: BMF/Schneider lehner vom indischen Vizepräsidenten Shri Mohammad Hamid Ansari empfangen. Da- Besuche bei erfolgreichen österreichischen bringer für die Zukunft pflanzte Mitterlehner nach eröffneten sie mit Industrie- und Han- Firmen – zum Beispiel am 18. Februar beim ein Bäumchen auf dem AVL-Betriebs- delsminister Anand Sharma eine wichtige Grazer Hightechmotoren- und Testsystem- gelände in Delhi Industriemesse. Weitere Gesprächstermine hersteller AVL List. In drei indischen AVL- Darüberhinaus gibt es in Indien auch ein gab es bei den Ministern für Finanzen, Ge- Werken sind rund 300 Mitarbeiter mit der großes Interesse am Filmstandort Österreich: sundheit, Verkehr und Erneuerbare Energien. Entwicklung von Software sowie der Prü- In den vergangenen zehn Jahren wurden Ebenfalls auf dem Programm standen fung von Motoren beschäftigt. Als Glücks- rund 100 indische Filme in Österreich reali- siert – meist in den Tiroler und Salzburger Bergen. Die durchschnittlichen Ausgaben pro Tag bewegten sich zwischen 2000 und 2500 Euro, bei einzelnen Großproduktionen wa- ren sogar bis zu 15.000 Euro pro Tag zu ver- zeichnen. Im Schnitt lag die Produktions- dauer bei zehn Drehtagen. Durch das neue Fördermodell „Filmstandort Österreich“, das mit 20 Millionen Euro dotiert ist, sollen künftig mehr österreichisch-ausländische Koproduktionen unterstützt werden. Um das neue Modell zu präsentieren, fand am 19. Februar ein Treffen von Mitterlehner und Pröll mit indischen Filmproduzenten statt. Als renommierte Branchenvertreter nahmen daran auch Oscar-Preisträger Stefan Ruzowitzky sowie Veit Heiduschka, der Pro- duzent des Oscar-nominierten Films „Das weiße Band“, teil. Das Potential ist jeden- falls enorm: Mit jährlich bis zu 900 produ- Foto: photonews.at/Georges Schneider zierten Filmen (zum Vergleich: 670 sind es Am 19. Februar gab es ein Arbeitsessen mit österreichischen Filmschaffenden. Im Bild: Finanzminister Josef Pröll, Oscar-Preisträger Stefan Ruzowitzky, Wirtschafts- in Hollywood) ist die indische Filmindustrie minister Reinhold Mitterlehner und Filmproduzent Veit Heiduschka (v.l.). die größte der Welt.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 18 Österreich, Europa und die Welt Expertise für Namibia Nationalratspräsidentin Prammer besuchte Namibia – Gespräche mit dem Leiter der nationalen Planungskommission – Vorbereitung des Welttreffens der Interparlamentarischen Union

ationalratspräsidentin Barbara Prammer Nnahm am 15. Februar an der Konferenz des Vorbereitungskomitees für das Welttref- fen der ParlamentspräsidentInnen der Inter- parlamentarischen Union (IPU) im Juli die- ses Jahres teil. Sie nutzte dies auch für einen bilateralen Besuch in Namibia. In ihren Ge- sprächen mit Staatspräsident Hifikepunye Pohomba, Ehrenpräsident Sam Nujoma und Nationalversammlungspräsident Theo Ben Gurirab wurden beiderseits die seit dem Un- abhängigkeitskampf der jungen Nation ex- zellenten bilateralen Beziehungen unterstri- chen, auf deren Fundament weiter gearbeitet werden sollte. Dabei wurde vor allem auf das namibische Interesse an österreichischer Transport- und Umwelttechnologie verwie- sen. Die namibischen Wahlen vom November 2009 und deren Anfechtung vor dem Ver- fassungsgericht waren Thema in allen Ge- sprächen. Die namibische Führung und die Nationalratspräsidentin unterstrichen in die- sem Zusammenhang, daß die Unabhängigkeit der Justiz und ihre Entscheidungen zu re- spektieren sind. Es wird erwartet, daß diese Entscheidungen noch vor Bildung der neuen namibischen Regierung im März fallen. Die nachhaltige wirtschaftliche und öko- logische Entwicklung Namibias stand im Mittelpunkt der Gespräche mit dem Leiter Nationalratspräsidentin Barbara Prammer und Hifikepunuye Pohamba, Zweiter Prä- der nationalen Planungskommission, Peter sident von Namibia Foto: Parlamentsdirektion/Helfried Carl Katjavivi, und dem Rektor der polytechni- rechtswidrige Enteignung von Farmern in mentarierInnen im Zeitalter der Globalisie- schen Universität Windhuk, Tjama Tjivikua. Simbabwe. Die Präsidentin bot dem SADEC rung an Bedeutung gewonnen hat. Die IPU An der Universität wird derzeit ein von der Tribunal österreichische Expertise im Be- müsse sich neuen Herausforderungen stellen österreichischen Entwicklungszusammenar- reich Rechtsstaatlichkeit an und verwies auf und auf zwei Säulen stehen: Jener der inter- beit finanziertes Regionalprojekt der Süd- den diesbezüglichen Schwerpunkt Öster- nationalen und multilateralen Zusammen- afrikanischen Entwicklungszusammenar- reichs in seiner derzeitigen nicht-ständigen arbeit der Parlamente untereinander und mit beitsorganisation SADEC umgesetzt, das die Mitgliedschaft im UNO-Sicherheitsrat. der UNO, und jener der Weiterentwicklung Verbesserung und technische Betreuung von Die Konferenz des Vorbereitungskomi- der Rolle und des Austauschs von best prac- in der Region produzierten solarthermischen tees für das Welttreffen der Parlaments- tice zwischen der IPU und nationalen Parla- Anlagen zum Ziel hat. Katjavivi zeigte sich präsidentInnen der IPU im Juli 2010 be- menten, besonders was ihre legislative sowie besonders an österreichischer Expertise im schäftigt sich mit der zukünftigen Rolle die- ihre Kontrollfunktion betrifft. Besonders die Bereich Capacity Building und Eisenbahn- ser ältesten und weltumspannenden interna- Spezialkonferenzen mit konkreten Themen- bau interessiert. tionalen Plattform für Parlamente und ihrem bezügen (wie in der Vergangenheit in Wien Bei einem Gespräch mit dem Präsidenten Verhältnis zur UNO. zu Menschenhandel sowie der Rolle der Frau- des SADEC-Tribunals, Richter Govinda- Der namibische Parlamentspräsident en in der Politik) hätten besonderen Mehr- samy Pillay aus Mauritius, erläuterte dieser Gurirab ist Präsident der Organisation und wert, allgemeine Konferenzen und Gene- die Arbeit des jungen Tribunals. Thema war hat zur Konferenz eingeladen. Präsidentin ralversammlungen sollten hingegen seltener auch die mangelnde Umsetzung der Ent- Prammer gab ihrer Überzeugung Ausdruck, durchgeführt werden, sagte Präsidentin scheidung des Gerichts über die menschen- daß der internationale Austausch der Parla- Prammer.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 19 Chronik Bezirkspartnerschaft mit Brooklyn Wiens Vizebürgermeisterin Renate Brauner übergab eine Spielzeug-Spende an die jüdische Community alle Fotos: Stadt Wien / Menachem Kozlovsky Als Dankeschön gab es für Vbgmin Brauner ein Ständchen von den Mädchen der Vorschule »Bais Rochel School for Girls« der United Talmudic Academy – einer Einrichtung der Satmar Community

nläßlich ihres Aufenthalts rund um die Bezirkspartnerschaft Brooklyn-Leopoldstadt AEröffnung des 55. Wiener Opernballs in maßgeblich unterstützt. Für die Spende wird New York und im Rahmen der seit 2007 be- eine kleine Gedenktafel in der Schule ange- stehenden Bezirkspartnerschaft zwischen der bracht. Die symbolische Übergabe der Spiel- Leopoldstadt und Brooklyn setzte Wiens Vize- sachen in Form des Schecks fand am 4. Fe- bürgermeisterin Renate Brauner gegenüber bruar im Beisein der lokalen politischen Pro- der jüdischen Community in Brooklyn eine minenz, allen voran dem Präsidenten des Geste der Wertschätzung. Konkret wurde der New Yorker Bezirks Brooklyn, Marty Mar- Vorschule „Bais Rochel School for Girls“ kowitz (Borough President Brooklyn) und der United Talmudic Academy (UTA) – einer Gemeinderäten aus New York statt. Brook- Einrichtung der Satmar Community – ein lyn ist mit circa 2,6 Mio. EinwohnerInnen Beitrag für pädagogisch wertvolles Spiel- der größte New Yorker Stadtbezirk. zeug in der Höhe von 5300 US-$ überreicht. Tags darauf hat Brauner den „Wiener Die UTA zählt insgesamt 8000 SchülerInnen Opern-Ball“, der nun schon zum 55. Mal und StudentInnen, wobei rund 750 davon den stattfand, eröffnet. Das Ballkommiteé spen- Vorschul- und Kindergartenbereich besu- det traditionell den Reinerlös einem karitati- chen. ven Zweck. Heuer wird in Kooperation mit Die Satmar-Community in Brooklyn, sie den Vereinten Nationen den Opfern der ist übrigens die größte chassidische Commu- Vbgmin Renate Brauner (l.) und Fayga Erdbebenkatastrophe in Haiti geholfen wer- nity weltweit, hat das Zustandekommen der Tannenbaum, Leiterin UTA den.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 20 Österreich, Europa und die Welt »Towards an Arms Trade Treaty« Außenminister Michael Spindelegger: Österreich fordert internationalen Vertrag zum Waffenhandel Foto: Bernhard J. Holzner © HOPI-MEDIA Annalisa Giannella, EU-Beauftragte für Nonproliferation, Außenminister Michael Spindelegger, Christiane Agboton Johnson, Vize- Direktorin UNIDIR, und Sergio Duarte, Hoher Repräsentant der UNO für Abrüstung, im Redoutensaal der Wiener Hofburg.

erantwortungsloser Waffenhandel stellt lern, korrupten Strukturen oder terroristi- tionen. Nur durch ihr jahrelanges beharrli- Veine Bedrohung für Sicherheit und schen Gruppierungen ausgenützt werden. ches Engagement und internationale Be- Stabilität, nachhaltige Entwicklung, Demo- Nur durch verbindliche einheitliche Regeln wußtseinsbildung wurde eine Thematisie- kratie und Menschenrechte dar. Österreich werden gleiche Wettbewerbsbedingungen rung dieser komplexen Materie im Rahmen tritt daher für die raschestmögliche Ausar- für Industrie und Handel ermöglicht und ver- der Vereinten Nationen überhaupt erst mög- beitung eines international rechtsverbind- hindert, daß verantwortungsloser Waffen- lich.“ lichen Waffenhandelsvertrages ein. Nur handel Konflikte schürt und zum Leid der Petra Bayr, SPÖ-Bereichssprecherin für dann wird es uns gelingen, die unkontrollier- Zivilbevölkerung beiträgt“, so der Außen- Globale Entwicklung, betonte die Not- te und unerwünschte Verbreitung konventio- minister. wendigkeit fortgesetzter Bemühungen um neller Waffen wirksam zu unterbinden“, so Spindelegger verwies auf die unter dem die Kontrolle des globalen Waffenhandels. Außenminister Michael Spindelegger in sei- Vorsitz Österreichs im UNO-Sicherheitsrat „Bedauerlicherweise zählt der Waffenhandel ner Eröffnungsrede bei der internationalen letzten November einstimmig angenomme- zu einem der lukrativsten Geschäftsfelder“, Konferenz zum Thema „Towards an Arms ne Resolution 1894, die zur Verbesserung so Bayr. Naturgemäß sei damit eine unheil- Trade Treaty“, die am 12. Februar im Kon- der Schutzmaßnahmen für die Zivilbevöl- volle Dynamik verbunden – umso wichtiger greßzentrum Hofburg tagte. Die Veranstal- kerung aufruft: „Der verantwortungslose sind alle Maßnahmen, die geeignet sind, ille- tung bildete den Abschluß einer von der EU Einsatz von Klein- und Leichtwaffen tötet galen Handel zu unterbinden. lancierten weltweiten Seminarreihe, mit der jährlich weltweit Tausende unschuldige Men- Bei der Bekämpfung des Einsatzes von eine möglichst breite Unterstützungsbasis schen. Millionen Männer, Frauen und Kinder KindersoldatInnen komme diesem Ansinnen für einen internationalen Waffenhandelsver- müssen in Furcht vor bewaffneter Gewalt besondere Bedeutung zu. „Die Bemühungen trag geschaffen werden soll. leben, denn noch immer landen in vielen um die Kontrolle von Waffenexporten, und Österreich unterstützt diesen Prozeß auch Teilen der Welt zu viele Waffen in den fal- die Bekämpfung des illegalen Handels mit im Bewußtsein seiner besonderen Rolle und schen Händen. Dadurch werden Konflikte Kleinwaffen und leichten Waffen waren und Verantwortung als international anerkannter und Instabilität verschärft und terroristische sind ein ganz wichtiger Schritt, denn naturge- Produzent und Exporteur konventioneller Angriffe erleichtert. Darauf muß die Staaten- mäß sind diese zur Bewaffnung von Kindern Waffen: „Ein Waffenhandelsvertrag soll nicht gemeinschaft reagieren.“ besser geeignet als größere und schwerere Ge- das Recht auf Selbstverteidigung von Staa- Abschließend dankte der Außenminister räte“, so Bayr. „Vom Ziel einer echten Kon- ten beschränken oder ihre Verantwortung zur den Vertretern der Zivilgesellschaft für deren trolle des Waffenhandels sind wir leider noch Regelung ihrer internen Sicherheit in Frage Einsatz: „Der Prozeß zur Ausarbeitung eines weit entfernt. Daher gilt es, die lobenswerten stellen. Aber derzeit erzeugt das Fehlen von internationalen Abkommens zur Kontrolle Fortschritte weiter auszubauen und schließ- einheitlichen Regeln und effektiver Kontrol- des Waffenhandels zeigt einmal mehr die lich in ein international umsetzbares Abkom- le Lücken, die von rücksichtslosen Händ- wichtige Rolle der Nichtregierungsorganisa- men zu gießen“, forderte Bayr.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 21 Österreich, Europa und die Welt AdR-Politik künftig mutiger und ausdauernder Neuer Vorsitz und neues Präsidium im Ausschuß der Regionen der EU gewählt – LTP van Staa wird wieder AdR-Vizepräsident

ie neu gewählte Präsidentin des Aus- Dschusses der Regionen (AdR), Mercedes Bresso (IT/SPE), forderte das AdR-Plenum dazu auf, seine politischen Ziele mutiger zu verfolgen. Gleichzeitig würdigt sie die riesi- gen politischen Fortschritte dieser Institution in den vergangenen 15 Jahren und hob die Kernaufgabe des AdR hervor: die wirksame Vertretung der gemeinsamen Interessen aller subnationalen Behörden in Europa. „Die Institutionendebatte ist abgeschlossen. Nun ist es an der Zeit, den Vertrag von Lissabon umzusetzen. Wir werden uns künftig nicht mehr mit der bloßen Forderung nach Ein- bindung der regionalen und lokalen Gebiets- körperschaften zufrieden geben. Wir werden nicht den Ja-Sager geben. Wir werden uns mit konkreten Vorschlägen in die politische Debatte einbringen und nötigenfalls auch vor politischen Kontroversen nicht zurück-

schrecken.“ Foto: Ausschuß der Regionen Mercedes Bresso, vormals Abgeordnete Mit Mercedes Bresso – hier mit standing ovations geehrt – hat zum ersten Mal in des Europäischen Parlaments und langjähri- der Geschichte des Ausschusses der Regionen das Komiteé eine Präsidentin. ges AdR-Mitglied, war von 2006 bis 2010 Vorsitzende der SPE-Fraktion im AdR. Sie In Krisenzeiten stehen die Regionen und Ramón Luis Valcárcel Siso (ES/EVP), ist die erste Frau an der Spitze des AdR. In Städte an vorderster Front; sie waren immer Präsident der spanischen Region Murcia, ihrer Rede im Anschluß an ihre Wahl zur schon Experimentierfelder zur Erprobung wurde zum Ersten Vizepräsidenten des Aus- AdR-Präsidentin geht die Präsidentin der ita- wirtschaftlicher, sozialer oder auch ökologi- schusses der Regionen gewählt. Er wird die- lienischen Region Piemont auf die Prioritä- scher Innovationen. Ich lade die anderen EU- ses Amt bis 2012 ausüben, um dann in Über- ten für ihre zweieinhalbjährige Amtszeit ein. Institutionen ein, sich diesen Sachverstand einstimmung mit einer Vereinbarung zwi- Die Eindämmung des Klimawandels, die zu Nutze zu machen“, so Mercedes Bresso. schen SPE- und EVP-Fraktion des AdR das Lancierung einer überarbeiteten Lissabon- „Dazu gehört auch die Wahrung der neuen Amt des AdR-Präsidenten von Mercedes Strategie, die Verbesserung der EU-Kohä- Rechte, die dem Ausschuß der Regionen Bresso zu übernehmen. sionspolitik – die keinesfalls zu einer Re- durch den Vertrag von Lissabon übertragen Tirols Landtagspräsident Herwig van nationalisierung dieses Politikbereichs füh- wurden, und zwar mit politischen Mitteln, Staa wurde mit großer Mehrheit zu einem ren darf – und die Berücksichtigung der aber, falls notwendig, auch vor dem Euro- der Vizepräsidenten und damit zum Mitglied Interessen der regionalen und lokalen Ebene päischen Gerichtshof.“ des Präsidiums des AdR gewählt. Überaus in der EU-Haushaltsdebatte bilden neben der Zudem kündigt sie an, daß der AdR sich erfreut zeigte sich van Staa nach seiner Erarbeitung einer europäischen Strategie für nach Kräften für die Umsetzung der mit dem Wiederwahl: „Für mich ist es natürlich auch Dienstleistungen von allgemeinem Interesse, Vertrag von Lissabon neu geschaffenen eine Bestätigung und Wertschätzung meiner die den Kompetenzen der Kommunen und Bürgerinitiative einsetzen werde. „Aufgrund umfangreichen politischen Aktivitäten auf Regionen Rechnung trägt sowie der wirksa- ihrer umfangreichen Erfahrungen mit Bür- europäischer Ebene im Dienste der Länder men Umsetzung des neuen Rechtsinstru- gerinitiativen in den EU-Mitgliedsstaaten, und Gemeinden.“ Als besonders wichtige ments des Europäischen Verbunds für terri- werden die Regionen und Städte eine wich- Themen im AdR für die nächste Zeit sieht er toriale Zusammenarbeit (EVTZ) die Haupt- tige Rolle bei der Lancierung, der Koordi- die territoriale Kohäsion und die Zukunft der anliegen der Präsidentschaft von Mercedes nierung und der Unterstützung europäischer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, wo Bresso. „In all diesen Themenbereichen kann Bürgerinitiativen spielen können. So wird ja demnächst die Weichen für die neue sich Europa ein Beispiel an den Regionen Europa transparenter, demokratischer und Förderperiode ab 2013 gestellt werden: „Es und lokalen Gebietskörperschaften nehmen. vielfältiger.“ handelt sich hier um zwei Bereiche, die auch

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 22 Österreich, Europa und die Welt auf Tirol unmittelbare finanzielle Auswir- Bresso beim Ministertreffen in Saragossa bel gestaltet, um auf die unterschiedlichen kungen haben“, so van Staa. Die neue Präsidentin des AdR warnte bei Herausforderungen und sich wandelnden Ebenfalls wiederbestellt wurde van Staa einem informellen Treffen der für Regional- Gegebenheiten für Europas Regionen rea- als österreichischer Delegationsleiter im politik zuständigen Minister der Mitglieds- gieren zu können.“ AdR. Weitere österreichische Delegations- staaten und hochrangiger EU-Politiker im Auch hob Bresso hervor, daß das bisheri- mitglieder mit neuen wichtigen Funktionen spanischen Saragossa am 19. Februar davor, ge Scheitern der Lissabon-Strategie haupt- wurden Franz Schausberger (Vorsitzender die europäische Kohäsionspolitik zu einem sächlich darauf zurückzuführen sei, daß re- der Arbeitsgruppe Westbalkan, Mitglied im reinen Instrument für die Umsetzung der gionale und lokale Akteure nicht eingebun- Präsidium) sowie Erwin Mohr (ebenfalls neuen „Europa 2020“-Strategie für Wachs- den worden seien: „Die Lissabon-Strategie Mitglied im Präsidium). tum und Beschäftigung zu machen. Sie be- war eine große Enttäuschung, u.a. weil insti- Herwig van Staa ist seit dem Jahr 2002 tonte, daß die EU-Regionalbeihilfen vor tutionelle, wirtschaftliche und soziale Akteu- österreichischer Delegierter im AdR und be- allem den Bedürfnissen der Regionen und re vor Ort nicht involviert wurden. Diese reits seit geraumer Zeit auch österreichischer Städte entsprechen müßten. Botschaft ist ungehört verhallt – was so weit Delegationsleiter. Seit 1995 ist er Leiter der Auf Einladung des spanischen EU-Rats- geht, daß wir in der EUROPA 2020-Strategie österreichischen Delegation im Kongreß der vorsitzes erörterten die für Regionalpolitik so gut wie gar nicht als Partner vorgesehen Gemeinden und Regionen Europas im zuständigen Minister der Mitgliedsstaaten, sind. Tatsächlich sind wir viel mehr als Part- Europarat (KGRE), er ist Vorsitzender der Johannes Hahn, neuer EU-Kommissar für ner: Wir sind so etwas wie die Aufhängung EVP-Fraktion im KGRE. Regionalpolitik (und früherer österreichi- dieser Strategie.“ Zwölf österreichische Politiker vertreten scher Wissenschaftsminister), Danuta Hüb- In bezug auf die Vereinfachung der die nächsten fünf Jahre die Interessen der ner, Vorsitzende des Ausschusses für regio- Durchführungsbestimmungen für Regional- Bundesländer, Städte und Gemeinden in nale Entwicklung des Europäischen Parla- programme zur Bewältigung der aktuellen Brüssel. Am 9. Oktober nahmen sie ihre Ar- ments, und die Präsidentin des AdR, Merce- Wirtschaftskrise bekräftigte Bresso die vom beit als Mitglieder des AdR auf: des Bresso, die Zukunft der Kohäsionspolitik AdR schon seit langem propagierte Unter- Gerhard Dörfler in einem sich wandelnden wirtschaftlichen stützung für den Abbau von Bürokratie: „In Landeshauptmann von Kärnten und politischen Umfeld. diesem Zusammenhang und angesichts der Michael Häupl (SPE) Mit Blick auf die Debatte über die Krise möchte ich betonen, daß diese Frage Bürgermeister und Landeshauptmann Agenda EUROPA 2020 (die der Lissabon- nicht nur für Verwaltungen und Rechnungs- von Wien Strategie für Wachstum und Beschäftigung prüfer interessant ist, sondern daß es hierbei Erwin Mohr (EVP) nachfolgt) betonte Bresso, daß die Kohä- für einige Regionen, für Unternehmen, die Mitglied des Gemeinderats von Wolfurt sionspolitik zu dieser Strategie beitragen Umstrukturierungsmaßnahmen ergreifen Hans Niessl (SPE) könne, jedoch nicht von ihr usurpiert (etwas müssen, und für die Bürgerinnen und Bür- Landeshauptmann von Burgenland durch Gebrauch an sich reißen, Anm.) wer- ger, die in diesen Regionen leben, schlicht Johannes Peinsteiner (EVP) den dürfe. Wenn vor Ort konkrete Ergebnis- und einfach ums Überleben geht.“ Bürgermeister von St. Wolfgang im se zustande kommen sollten, dürften beste- Salzkammergut hende Finanzierungs- und Kooperationspro- Der Ausschuß der Regionen Erwin Pröll (EVP) gramme nicht als Mittel zum Erreichen von Der AdR ist die Versammlung der Re- Landeshauptmann von Niederösterreich Zielen eingesetzt werden, die auf zentraler gional- und Kommunalvertreter der EU. Josef Pühringer (EVP) Ebene aufgestellt wurden: „Der Ausschuß Seine 344 Mitglieder aus allen 27 EU-Mit- Landeshauptmann von Oberösterreich der Regionen betont nachdrücklich den Un- gliedsstaaten haben den Auftrag, die regio- Herbert Sausgruber (EVP) terschied zwischen der Kohäsionspolitik als nalen und lokalen Gebietskörperschaften Landeshauptmann von im Vertrag festgeschriebene Politik für die und die durch sie vertretene Bevölkerung in Heinz Schaden (SPE) Entwicklung der Europäischen Union auf den Beschlußfassungsprozeß der EU einzu- Bürgermeister der Stadt Salzburg der einen Seite und der EUROPA 2020-Stra- binden und sie über die EU-Politik zu infor- Franz Schausberger (EVP) tegie auf der anderen Seite. Die Kohäsions- mieren. Österreich entsendet neun Landes- Beauftragter des Landes Salzburg für politik darf nicht einfach als Instrument zur und drei Gemeindepolitiker in den AdR, des- den Ausschuß der Regionen Umsetzung der neuen EUROPA 2020-Stra- sen neue fünfjährige Mandatsperiode im Herwig van Staa (EVP) tegie gebraucht werden. Ihr politischer Wert Februar 2010 begann. Präsident des Landtags von Tirol muß durch die Einrichtung einer offiziellen Die Europäische Kommission, das Euro- Franz Voves (SPE) Ratsformation der Minister für Regionalpo- päische Parlament und der Rat sind ver- Landeshauptmann der Steiermark. litik zum Ausdruck gebracht werden.“ pflichtet, den AdR in den für die Städte und Bresso verwies auch auf den Zweck der Regionen relevanten Politikbereichen anzu- Voraussetzung für die Mitgliedschaft im Kohäsionspolitik: „Mit ihr sollen Ungleich- hören. Der AdR kann den Europäischen Ge- AdR ist gemäß EU-Vertrag ein auf Wahlen heiten beseitigt werden, indem die Regionen richtshof anrufen, wenn seine Rechte ver- beruhendes Mandat in einer regionalen oder dabei unterstützt werden, ihr volles Potential letzt wurden, oder wenn er der Auffassung lokalen Gebietskörperschaft (z.B. Landtags- auszuschöpfen und ihre Humanressourcen, ist, daß eine EU-Rechtsvorschrift gegen das abgeordneter) oder die politische Verant- ihre wirtschaftlichen und natürlichen Res- Subsidiaritätsprinzip verstößt bzw. daß re- wortlichkeit gegenüber einer gewählten Ver- sourcen bestmöglich zu nutzen. Mit Part- gionale oder lokale Kompetenzen mißachtet sammlung (z.B. Mitglied einer Landesregie- nerschaften und langfristiger Programmpla- werden. rung). nung als Grundlage ist sie ausreichend flexi- http://www.cor.europa.eu

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 23 Österreich, Europa und die Welt »Kaiserball 2010« Wiener Bonbons in München Nur für den »Ball der Österreicher« und nur für eine einzige Nacht verwandelte sich das Internationale Congress Center auch heuer wieder in einen Ballsaal. Ein herrliches Fest für alle, deren Herz für Österreich schlägt!

Von Gaby Hildenbrandt. Fotos: J. Brunner In jedem Jahr ein traumhaftes Bild: Das Jungdamen- und Jungherrenkomitée hat Aufstellung fürs Gruppenfoto genommen.

und 15.000 Nelken, rot und weiß, eine Der „Kaiserball“ gehört seit vielen Jahren RWoche zuvor aus San Remo angeliefert zu den gesellschaftlichen Highlights der und bis zum großen Abend spezial-gekühlt, Münchner Ballsaison. Selten sieht man so bildeten am 5. Februar 2010 den duftenden elegante Besucher – die Herren tragen Smo- Rahmen für den „Kaiserball“ im ICM der king, Uniform, Frack und Orden, die Damen Neuen Messe Riem. Wer nicht glaubt, daß herrliche Roben –, selten findet man ein Kristall-Luster, Drapierungen, eine geschick- solch tanzfreudiges Publikum. Und wann te Lichtregie und Schrammeln rot-weiß-rote kann schon ein Veranstalter heutzutage „aus- Austria-Stimmung in eine nüchterne Kon- verkauft“ melden? Carl Paul Wieland, Präsi- greßhalle zaubern können, der sollte sich dent der Österreichisch-Bayerischen Gesell- beim nächsten Ball (veranstaltet von der Ös- schaft, ist es inzwischen schon gewöhnt, bei terreichisch-Bayerischen Gesellschaft) un- last-minute-Kartenanfragen nur noch bedau- bedingt einmal selbst davon überzeugen. Mit ernd den Kopf zu schütteln. enormem Aufwand wird von einem 30köpfi- Diese Nacht ganz nach Wiener Balltra- gen Team in nur einem Tag und einer Nacht dition ist so recht nach dem Geschmack der ein kleines Wunder vollbracht. Wenn der 1600 Besucher. Der Zauber des Kaiserballs Ballsaal schließlich in voller Pracht erstrahlt, beginnt bereits am Eingang: mit einem Fiaker ist von der Hektik hinter den Kulissen nichts Seit vielen Jahren gerngesehene Gäste werden die Gäste vom Parkhaus zum Ein- beim Kaiserball: Reinhold Bocklet, mehr zu spüren. Das ICM ist bereit für die Vizepräsident des Bayerischen gang gebracht, Lakaien begrüßen die Damen schönste Ballnacht Münchens. Landtags, mit Gattin Rosemarie und Herren, ein Glas feinperlender Schlum-

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 24 Österreich, Europa und die Welt

chem Rhythmus, die Paare wirbelten bis 4 Uhr früh übers Parkett. Keine Spur von Tanzmüdigkeit zeigten beispielsweise die Schauspieler Jessica Boehrs und Marcus Grüsser. Er ist der „Hochzeitsplaner“ der ZDF-Serie „Kreuzfahrt ins Glück“ und mach- te seiner schönen Freundin kürzlich einen Heiratsantrag! Nun läuten im Juli die Hoch- zeitsglocken und die große Tanzfläche beim Kaiserball wurde eifrig zum Üben des Braut- walzers genutzt. Ebenfalls Dauergäste auf dem Parkett waren TV-Kommissar Michel Guillaume („Soko 5113“) und seine Freun- din Georgia (übrigens eine Wienerin). Für den Ballabend hatte sich der Schauspieler extra einen Frack besorgt. Und der stand ihm so gut, daß seine Freundin ihn nun öfter so sehen will. Ein Besuch beim nächsten Kai-

Foto: U.Strobel serball ist deshalb schon fest eingeplant… Ein Fest der Österreichisch-Bayerischen Freundschaft: Österreichs Botschafter Es soll aber auch einige Männer geben, Ralph Scheide, der Bayerische Staatsminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Helmut Brunner mit Gattin Diana, Gastgeber Carl Paul Wieland (v.l.) die man zur Gattung der „Tanzmuffel“ zäh- len muß. Aber auch diese Spezies findet eine berger brut wird zum Sektempfang gereicht. unter der Leitung von Professor Helmut Heimat auf dem Kaiserball: Im Heurigen, zu Das Betreten des Ballsaals läßt die Gäste in Steubl – sofort schlägt das Herz im Dreivier- Gast bei Weinkönigin Barbara aus Krems, jedem Jahr erneut den Atem anhalten: Üppi- teltakt. kann man sich auf ein Glas Wein oder Bier ge Blumendekoration an Wänden, Tischen Apropos tanzen: Das Ballstreichorchester zurückziehen. Beim Flanieren zurück in den und auf der großen Bühne, neun Kristall- und das Austria Swingtett (unter der Leitung Ballsaal konnte man auch Station an der Luster (von denen der größte 120 kg wiegt von Wolfgang Steubl) beweisen in jedem Rauch-Saftbar machen. Dort mixte Barchef und mit 4500 Kristallen und Glaselementen Jahr das richtige Feeling, wenn es um die Alexander Wimmer köstliche Drinks mit funkelt) und dazu die walzerselige Musik Tanzbeine der Ballgäste geht. Tango, Polka, Maracuja-Nektar, Rhabarbersaft und Man- vom Wiener Hofburg-Ballstreichorchester Foxtrott und natürlich Walzer – egal, zu wel- darinensirup, raffiniert gemischt mit Wodka, Fotos: J. Brunner Eine rauschende Ballnacht erlebten auch die Debütantenpaare, die mit der Festpolonaise und einem Walzer den Ball eröffneten.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 25 Österreich, Europa und die Welt

Sekt oder Rum. „Küss’ die Hand“, „Aida“ oder „Kaiserin Sissi“ heißen dann diese Krea- tionen. Keiner wollte natürlich das Highlight des Abends verpassen: den Formationstanz der 50 Debütantenpaare (Einstudierung: Dominik Truschner von der Tanzschule Elmayer-Ve- stenbrugg, Wien). Die charmanten jungen Damen und ihre feschen Begleiter hatten natürlich großes Lampenfieber – wer tanzt schon Walzer links herum und 1600 Augen- paare beobachten ihn dabei? Die Debütan- tinnen trugen Swarovski-Krönchen des Wie- ner Opernballs, die Ballorganisator Carl Paul Wieland in jedem Jahr persönlich aussucht und anfertigen läßt. Und auch deshalb konn- ten sich die jungen Damen in ihren rascheln- den, weißen Kleidern wie Prinzessinnen füh- Die Gastgeber Mechthilde und Carl Paul Wieland mit Evelyn und Heinz Watzka, len. Leiter Betrieb der E.ON Ruhrgas AG (v.l.) Ein musikalischer Gruß aus der Mozart- stadt Salzburg überbrachten die Sänger und Musiker der Salzburger Kammersolisten. Prof. Alois Aigner erzählte zu den Mozart- Arien einige humorvolle Anekdoten aus dem Leben des Komponisten. Das Ensemble Sal- tarella machte vor, wie man zu Mozarts Zei- ten das Tanzbein geschwungen hat. Danach gehörte das Parkett wieder den Ballgästen und die zeigten, wie man sich anno 2010 im Rhythmus bewegt… Ein Auszug aus der Gästeliste: Staats- minister Helmut Brunner, Reinhold Bocklet (Vizepräsident des Bayerischen Landtags), Messe-Chef und Hausherr Klaus Dittrich, Generalkonsulin Ingrid Pech, Michael Love (Konsul der Republik Österreich) sowie Se- nator Prof. Walter Nettig, der in Vertretung des Wiener Bürgermeisters teilgenommen hatte. Oberster Repräsentant Österreichs war Herzklopfen bei den Debütanten Maria und David, doch Schauspieler Horst Kummeth Ralph Scheide: Der Botschafter der Repu- (r.) gibt ihnen Tipps gegen Lampenfieber. blik Österreich war extra für den Ballabend aus Berlin an die Isar gereist. Ebenfalls Gä- ste bei der schönsten Ballnacht Münchens: Ludwig Straßner (Salzburg München Bank AG), der eine Swarovski-Brosche als Da- menspende überreichen ließ, Felix Bart (Hilton München), Ingrid Koller (Gössl GmbH), Manfred Wutzlhofer (Ex-Messe- chef) sowie Andrey Grozov, Generalkonsul der Russischen Föderation. Wie beim Wiener Opernball durfte nach Ballende der Blumenschmuck geplündert werden. Ein Riesenspaß! So haben sich noch Tage später die Besucher an diese herrliche Ballnacht erinnert. „Alles Walzer!“ wird es selbstverständ-

lich auch im nächsten Jahr heißen. Der Kai- Foto: J. Brunner Foto: M. Schmitz Foto: J. Brunner serball findet im Februar 2011 statt. Ein musikalischer Gruß aus der Mozartstadt: Die Salzburger Kammersolisten http://www.kaiserball-muenchen.de präsentierten amüsante Szenen zu Musik von Mozart und Haydn.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 26 Aus Südtirol Schutzmacht Treffen von Außenminister Michael Spindelegger und LH Luis Durnwalder: Finanzen, Verfassung, Staatsbürgerschaft – und die Intensivierung der Zusammenarbeit waren die Themen.

rei Themen standen am 2. Februar im beigetreten, das einen sehr sparsamen Um- Schließlich haben Landeshauptmann und DMittelpunkt eines rund zweistündigen gang mit doppelten Staatsbürgerschaften Außenminister Michael Spindelegger ver- Treffens von Südtirols Landeshauptmann vorsieht. „Es gilt also internationale wie in- einbart, den Kontakt zu intensivieren. „Wir Luis Durnwalder mit dem österreichischen terne rechtliche Fragen zu überprüfen, bevor wollen sicherstellen, daß Österreichs Re- Außenminister Michael Spindelegger in an eine Zuerkennung der doppelten Staats- gierung stets auf dem laufenden ist, was Sölden: So ging es um die neue Finanzre- bürgerschaft zu denken wäre“, so Durnwal- Südtirol betrifft“, so Durnwalder. Dafür sol- gelung für Südtirol, den Wunsch nach der der. Von Außenminister Spindelegger gab es len halbjährliche Treffen von Südtiroler Ver- Verankerung der Schutzmachtklausel in der die Zusage, Fachleute einzuschalten, um den tretern mit dem Außenminister sorgen. „So Österreichischen Bundesverfassung und je- rechtlichen Rahmen zu klären. „Nach dieser stellen wir sicher, daß der Informationsfluß nen nach der doppelten Staatsbürgerschaft Klärung wird uns der Minister eine Antwort in beide Richtungen nicht abreißt“, betonte für die Südtiroler. zukommen lassen: positiv oder negativ. der Landeshauptmann. Begleitet von Landesrat Richard Theiner und seinem Tiroler Amtskollegen Günther Platter hat Landeshauptmann Durnwalder Spindelegger – als Außenminister direkt Pflege der Muttersprache für zuständig für alle Südtirol-Belange – aus- führlich über die neue Regelung zur Finan- zierung der Autonomie informiert. „Wir Minderheit überlebenswichtig konnten dem Minister mitteilen, daß wir ein Abkommen mit der römischen Regierung ge- ie Muttersprache“, unterstreicht Sabina auch für die Entwicklung einer soliden troffen haben, das für uns durchaus akzepta- DKasslatter Mur, „ist für Menschen die un- Zwei- und Mehrsprachigkeit, die in der heu- bel ist“, so der Landeshauptmann nach dem verzichtbare Grundlage, um eine eigene Kul- tigen globalisierten Welt immer wichtiger Treffen. Spindelegger seinerseits hat ange- tur und eigene Traditionen zu entwickeln.“ wird, sei die Förderung der Muttersprache merkt, daß auch Österreichs Einvernehmen Die Kulturlandesrätin nimmt damit Stellung von großer Bedeutung und eine Grundvor- notwendig sei, wenn die Finanzierung der zum Internationalen Tag der Muttersprache aussetzung. Autonomie auf neue Beine gestellt werde. Er an diesem Sonntag. Das sprachliche Vorwissen, das Kinder in werde diesbezüglich, so sein Versprechen, „Die Muttersprache ist gewissermaßen ihrer Muttersprache mitbringen, beeinflusse mit Rom Kontakt aufnehmen. „Der Minister das Lebenselixier für jede Volksgruppe, in auch die Leistungen in der Zweitsprache und hat sich durchwegs zufrieden mit der neuen ihr leben und wirken die Mythen und Mär- in allen weiteren Sprachen. „Die Mutterspra- Finanzregelung gezeigt“, so Durnwalder. chen, die großen Geschichten, Gedanken che wirkt dabei gewissermaßen wie eine Zug- Vorgebracht haben Durnwalder und Thei- und Werte eines Volkes; ihre Erhaltung und maschine“, veranschaulicht Kasslatter Mur, ner auch den Südtiroler Wunsch, die Schutz- Pflege sind daher besonders für eine Min- „daher wird der Pflege der Muttersprache in machtfunktion Österreichs in der Verfassung derheit überlebenswichtig.“ Dies erklärt die den deutschsprachigen Schulen des Landes festzuschreiben. „Dies könnte in einer Prä- für Bildung und deutsche Kultur zuständige höchste Priorität eingeräumt.“ Zusätzlich ambel geschehen oder in der Verfassung Landesrätin aus Anlaß des Internationalen bieten Schulamt und Pädagogisches Institut selbst“, so der Landeshauptmann, der aller- Tages der Muttersprache, den die UNESCO auch heuer wieder vielseitige Projekte zur dings von Spindelegger darüber informiert (United Nations Educational, Scientific and sprachlichen Bildung und zur Stärkung der worden ist, daß in nächster Zeit keine Ände- Cultural Organization, Organisation der Ausdrucksfähigkeit an. rung der Verfassung anstehe. „Es ist uns aber Vereinten Nationen für Erziehung, Wissen- Dazu gehört etwa auch die sechste zugesagt worden, daß – wenn eine solche schaft und Kultur) jedes Jahr am 21. Februar Auflage des Südtiroler Jugend-Redewettbe- Änderung ansteht – auch der Südtiroler begeht. werbs, der am 5. März in Bozen ausgetragen Wunsch nach einer Verankerung der Schutz- Besonders wichtig sei die Pflege der wird. „Hier können die Ober- und Berufs- machtklausel überprüft wird“, erklärte Durn- Muttersprache für eine ethnische Minder- schülerinnen und -schüler ab der dritten walder. heit, wie sie die deutsch- und ladinischspra- Klasse den kreativen Umgang mit ihrer Mut- Auch der Wunsch nach Zuerkennung der chigen SüdtirolerInnen innerhalb des italie- tersprache erproben, ihr rhetorisches Kön- österreichischen Staatsbürgerschaft an die nischen Staatsverbandes darstellen. „Unsere nen unter Beweis stellen und sich in ihren Südtiroler wurde ausführlich diskutiert. „Ein Muttersprache war und ist die zentrale Redekünsten mit Gleichaltrigen messen“, solches Anliegen kann sicher nicht auf mor- Grundlage für unsere Autonomie“, betont hebt die Kulturlandesrätin hervor und lädt gen gelöst werden“, betonte der Landeshaupt- Kasslatter Mur, „mit ihr steht und fällt der die Schülerinnen und Schüler dazu ein, sich mann. So sei Österreich etwa dem Euro- verfassungsrechtliche Schutz unserer Kultur, innerhalb 27. Februar zum Wettbewerb an- parats-Abkommen zur Staatsbürgerschaft unserer Traditionen und Bräuche.“ Aber zumelden.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 27 Europa Europäisches Parlament wählt neue EU-Kommission Das Europäische Parlament stimmte am 9. Februar mit 488 Stimmen bei 137 Gegenstimmen und 72 Enthaltungen für die neue EU-Kommission. Die Abgeordneten beriefen in einer einzigen Abstimmung das neue Kollegium von Kommissionspräsident José Manuel Barroso für die nächsten fünf Jahre ins Amt. Fotos: Europäisches Parlament – Referat Audiovisuelle Medien Ein Blick auf das versammelte Europäische Parlament. Auf den Sitzen 21 und 22 die Hohe Repräsentantin der EU, Catherine Ashton, und EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso. Am Präsidium: EU-Parlamentspräsident Jerzy Buzek.

ie vergangene Barroso-Kommission in unserer Funktion als echten Mitgesetz- zustellen, daß die EU mehr ist als die Summe Dwurde im November 2004 mit 499 Stim- geber“, sagte der Präsident des Europäischen ihrer Einzelteile“. Er schloß mit den Worten: men bei 149 Gegenstimmen und 82 Enthal- Parlaments, Jerzy Buzek, zu Beginn der De- „Heute beginnt ein neues Kapitel in unserem tungen von den Abgeordneten ins Amt beru- batte am Morgen des 9. Februar. „Wir stehen europäischen Abenteuer … Wir müssen es fen. Die neue Kommission wird bis zum 31. am Beginn einer neuen Ära. Es geht um eine zu einem Erfolg für all unsere Bürger ma- Oktober 2014 im Amt bleiben. neue Arbeitsweise der europäischen Union“, chen.“ Vor der Wahl erklärten die Fraktionen so Buzek. Es sei wichtig, den Bürgern in „einer kla- von EVP, S&D und ALDE, daß sie für das Rechenschaft gegenüber dem Parlament ren Botschaft“ zu mitzuteilen, wie die EU Kollegium der Kommissare stimmen wer- sei von wesentlicher Bedeutung für die de- ihre Ziele erreichen will, unterstrich Joseph den. Die Fraktionen der Grünen/EFA, VEL/ mokratische Legitimität der Kommission, un- Daul (EVP, Frankreich). Die EU müsse als NGL und EFD erklärten ihre Absicht, gegen terstrich Kommissionspräsident José Manuel das auftreten, „was die EU ist – weltweit die neue EU-Kommission zu stimmen und Barroso. Jetzt, in Zeiten von Wirtschaftskri- führend nach Maßstäben des BIP, Größe des die EKR-Fraktion kündigte an, sich zu ent- se, Klimawandel und Problemen der Ener- Marktes und Beiträgen zu internationaler halten. giesicherheit, sei „eine Zeit für Mut“, so Bar- Hilfe“, so Daul. Aber von Haiti bis Iran, von roso. „Starke europäische Institutionen“ Afghanistan bis zum Jemen, von Kuba bis »Beginn einer neuen Ära« seien nötig, um diesen Herausforderungen hin zu den transatlantischen Beziehungen „Zum ersten Mal in unserer Geschichte zu begegnen und es sei an Kommission und habe „die Stimme der EU bisher nicht unse- ernennen wir eine Europäische Kommission Parlament, zusammenzuarbeiten, „um sicher- ren Erwartungen entsprochen“. Daul forder-

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 28 Europa te „ein ambitioniertes Programm“, um dies zu beheben. Die politische Ausrichtung der Kommission müsse das Ergebnis der Euro- pawahl von 2009 widerspiegeln, so Daul. In den Anhörungen habe die Kommission den „Eindruck des Abtes José Manuel“ hin- terlassen, „der mit seinen 26 Novizen des Trappistenordens erschienen ist“, die sich dem „Schweigegelübte unterworfen“ hätten, um nichts Falsches zu sagen, meinte Martin Schulz (SPD). Kandidaten wie Michel Bar- nier, Joaquin Almunia, Maroš Šefcovic und Kristalina Georgieva hätten gezeigt, „daß man, wenn man mit dem Parlament mutig in einen Dialog eintritt, mehr Profil gewinnen kann, als wenn man sich weichspülen läßt“. Die Kommission müsse „als Kollegialorgan handeln“ und nicht als „Präsidialsystem“ geführt werden, forderte er. „Wir brauchen eine starke Kommission, die sich auf eine EU-Parlamentspräsident Jerzy Buzek (l.) und EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso starke Mehrheit im Parlament stützen kann“, so Schulz. Daniel Cohn-Bendit (Grüne/EFA, Frank- Idee, die Bürokratie abzubauen, durch eine Guy Verhofstadt (ALDE, Belgien) erklär- reich) sprach von einer „Koalition der Heuch- Vereinfachung der Gesetzgebung. Warum te, daß seine Fraktion „eine verantwortungs- ler“: viele der Abgeordneten würden für die wiederbeleben Sie diese Idee jetzt nicht?“ bewußte Fraktion“ sei und für die Kommis- Kommission stimmen, obwohl sie sie ei- Lothar Bisky (Die Linke) kritisierte die sion stimmen werde, obwohl diese Unter- gentlich nicht befürworteten. Die meisten „neoliberalen Leitlinien“ des Kommissions- präsidenten: „Jetzt präsentieren Sie uns ein Kommissionskollegium, das zu Ihrem Pro- gramm bestens paßt.“ Seine Fraktion werde weder Barrosos Leitlinien noch dessen „Per- sonalvorschlag“ zustimmen, erklärte der Ab- geordnete. „Stellen Sie sich auf eine harte, aber auch faire Auseinandersetzung mit Ihnen und Ihrem Kollegium ein!“, so Bisky abschließend. Für die EFD-Fraktion sagte Nigel Farage (Vereinigtes Königreich) zu Barroso, daß es nun „eine neue Regierung Europas“ gebe, die „eine ungeheure Macht“ habe und Not- fälle dazu nutzen könne, „Länder einzuneh- men“. Er bedauerte, daß „das arme Grie- chenland im Eurosystem gefangen“ sei und EU-Parlamentspräsident Jerzy Buzek gratukuert der soeben gewählten Hohen Re- fuhr fort, daß dies in Zukunft auch Spanien, präsentantin der EU, Catherine Ashton. Portugal und Irland passieren werde. stützung von gewissen Bedingungen abhän- der designierten Kommissare hätten in ihren ge. Er erwarte von der neuen Kommission, Anhörungen nicht genug „Vision und Ehr- Hintergrund erstens, „daß sie eine treibende Kraft für geiz“ gezeigt, aber die Abgeordneten wür- Die 26 designierten Kommissare hatten Europa wird, was in den letzten fünf Jahren den sie dennoch unterstützen und dadurch sich im Januar und Februar den zuständigen nicht der Fall war“, zweitens, daß sie als „ein andeuten, daß „alle Minusse ein Plus erge- parlamentarischen Ausschüssen vorgestellt, echtes Kollegium“ zusammenarbeitet und ben“. Er sagte, daß seine Fraktion nicht für zuletzt die neue bulgarische Kandidatin Kri- fähig ist, eine Politik zu entwickeln, die von die Kommission stimmen werde. Man dürfe stalina Georgieva am 3. Februar. Die Aus- allen drei politischen Familien des Kolle- jedoch nicht sagen, daß wer nicht für die schüsse beurteilten den jeweils angehörten giums getragen wird, und drittens, daß die Kommission stimme, gegen Europa sei. Sei- designierten Kommissar in einem Evaluie- neue Kommission „sich auf ihre Hauptauf- ner Ansicht nach sei Europa nicht bereit, der rungsschreiben an EP-Präsident Jerzy Buzek. gabe konzentriert: eine Antwort auf die Wirt- Wirtschaftskrise und dem Klimawandel zu Alle 26 Bewertungen fielen positiv aus. Am schaftskrise und eine funktionierende Euro- begegnen. Dafür bräuchte man „ein politi- 16. September 2009 hatte das EP bereits José pa 2020-Strategie zu finden“. „Hören Sie scheres Europa“, so Cohn-Bendit. Manuel Barroso als Kommissionspräsiden- nicht zu sehr auf die Mitgliedsstaaten“, so Jan Zahradil (EKR, Tschechische Repub- ten wiedergewählt. Verhofstadt. lik) sagte zu Barroso: „2005 hatten Sie die http://www.europarl.europa.eu

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 29 Europa Eurobarometer-Umfrage zum gesellschaftlichen Klima Trotz Zukunftssorgen aufgrund der wirtschaftlichen und sozialen Lage sind die EuropäerInnen mit ihrem Leben ziemlich zufrieden

m großen und ganzen sind die EuropäerIn- sozialen Trends in Europa untersucht. Kern- und umweltfreundlicheren sozialen Markt- Inen mit ihrer persönlichen Situation zu- thema in diesem Jahr ist das Wohnen. wirtschaft wird.“ frieden – anders sieht dies jedoch in punkto „Es ist gut zu wissen, daß die meisten Gemäß der Eurobarometerumfrage sind Wirtschaft, öffentliche Dienstleistungen und Europäer trotz der schwierigen Wirtschafts- die meisten EuropäerInnen mit ihrem Leben Sozialpolitik in ihrem Land aus. Zu diesem lage und mancher Zukunftssorgen immer im allgemeinen zufrieden (durchschnittlich Schluß kommt eine Anfang Februar veröf- noch mit ihrem Leben zufrieden sind“, so +3,2 Punkte auf einer Skala von -10 bis +10). fentlichte Meinungsumfrage. Das Euro- Vladimír Špidla, EU-Kommissar für Be- Doch zwischen den einzelnen Mitgliedsstaa- barometer zum gesellschaftlichen Klima in schäftigung, Soziales und Chancengleich- ten gibt es große Unterschiede: Am zufrie- der EU stellte darüber hinaus große länder- heit. „Der heute veröffentlichte Bericht zeigt densten ist man in Dänemark (+8,0), und spezifische Unterschiede fest: So sind die wieder einmal, wie wichtig unser Einsatz für auch in Schweden, den Niederlanden und Menschen in den nordischen Ländern und Beschäftigung und Wachstum in Europa ist, Finnland. Am unzufriedensten ist man in den Niederlanden im allgemeinen mit ihrer denn wir wollen auch in Zukunft das soziale Bulgarien (-1,9), gefolgt von Ungarn, Grie- persönlichen Situation am zufriedensten. Wohlergehen der Menschen gewährleisten. chenland und Rumänien. Die Umfrage ist Teil des Berichts der Euro- Wir müssen diese Bemühungen im Rahmen Beim öffentlichen Dienst sind die Euro- päischen Kommission zur sozialen Lage, der unserer künftigen 2020-Strategie weiterfüh- päerInnen im Durchschnitt recht unzufrieden ebenfalls heute veröffentlicht wird und die ren, damit die EU zu einer intelligenteren mit dem Funktionieren ihrer öffentlichen

Allgemeine Lebenszufriedenheit, 2009 Quelle: Eurobarometer Spezial 315

Erfahrungen: Haben sich die Dinge im Vergleich zu vor fünf sten 12 Monate: Werden die nächsten 12 Monate im Bezug Jahren im Bezug auf Ihr Leben insgesamt Ihrer Ansicht nach auf Ihr Leben insgesamt besser, schlechter oder gleich sein? verbessert oder verschlechtert oder sind sie gleich geblie- Gegenwärtige Lage: Sind Sie insgesamt gesehen mit dem ben? Leben, das Sie führen, sehr zufrieden, ziemlich zufrieden, Erwartungen: Welche Erwartungen haben Sie an die näch- nicht sehr zufrieden oder überhaupt nicht zufrieden?

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 30 Europa

Aufteilung der Bevölkerung nach Wohnsituation, 2007

Verwaltung (-1,2 Punkte). In allen Ländern – 70 % entfallen auf Reparaturen, Instandhal- ten sozialen Auswirkungen der Krise zu be- Luxemburg und Estland ausgenommen – tung und Heizkosten. Infolge der Privatisie- werten, doch wird in dem Bericht die Frage haben die EuropäerInnen den Eindruck, dies rung von Wohnraum sind die meisten Men- untersucht, welche Lehren aus den Erfah- hätte sich in den letzten fünf Jahren ver- schen in den mittel- und osteuropäischen rungen früherer Rezessionen gezogen wer- schlechtert, und sie rechnen mit weiteren EU-Mitgliedsstaaten nun Eigentümer ihrer den können. So spielen die Sozialausgaben Verschlechterungen (einzige Ausnahme: Wohnung, so daß Reparaturen, Instandhal- eine Rolle für den Schutz der Opfer der Re- Luxemburg). tung und Heizkosten rund 90 % der gesam- zession, jedoch ist die Wahrscheinlichkeit, Zu spezifischen Politikbereichen befragt, ten Wohnkosten ausmachen. daß Arbeitslose Einkommensunterstützung sind die EuropäerInnen allgemein zufrieden In dem Bericht wird auch auf die Qualität erhalten, in der EU unterschiedlich hoch. mit dem Gesundheitswesen (+1,3 Punkte) – der Wohnung eingegangen. Dabei wird fest- in Belgien, den Niederlanden und Luxem- gestellt, daß viele EuropäerInnen nach eige- Hintergrund burg wurden die besten Noten vergeben nen Angaben in Unterkünften wohnen, die Die Umfrage des Eurobarometer Spezial (über +5 Punkte), in Bulgarien, Griechen- durchschnittlichen Ansprüchen nicht genü- zum gesellschaftlichen Klima ist die erste land und Rumänien hingegen die schlechte- gen, und daß mehr Menschen mit niedrigen einer Reihe von jährlichen Befragungen, mit sten (höchstens -3 Punkte). Einkommen über eine problematische Wohn- denen das subjektive Wohlbefinden der eu- Am unzufriedensten waren die Europä- situation berichten. ropäischen Bürgerinnen und Bürger eruiert erInnen damit, wie sich ihr Land mit sozialer Die Angaben zu Wohnkosten aus der EU- werden soll. Durchgeführt wurde sie im Benachteiligung und Armut auseinander- SILC-Erhebung 2007 zeigen, daß die Euro- Mai/Juni 2009 in den 27 EU-Mitglieds- setzt (-2 Punkte). Punkte im Plusbereich gab päerInnen durchschnittlich ein Fünftel ihres staaten. Die Befragten sollen dabei ihre es nur aus Luxemburg und den Nieder- verfügbaren Einkommens für Wohnkosten Meinung zu ihrer persönlichen Situation, der landen; am schlechtesten schnitten Lettland aufwenden. Über zwei Drittel dieses Betrags nationalen wirtschaftlichen und sozialen und Ungarn ab (-5 Punkte oder weniger). werden für Reparaturen und Versorgungslei- Lage sowie der Politik ihrer Regierung in stungen ausgegeben und nur ein Drittel für diversen Themenbereichen, darunter Gesund- Wohnen Miet- oder Hypothekenzahlungen. Zwischen heitswesen und Renten, äußern. Im letzten Jahresbericht der Europäi- den einzelnen Mitgliedsstaaten bestehen je- Der Bericht zur sozialen Lage ist ein jähr- schen Kommission zur sozialen Lage wird doch erhebliche Unterschiede. Infolge der licher Bericht der Europäischen Kommis- aufgezeigt, daß die EuropäerInnen heutzuta- Privatisierung von Wohnraum sind die mei- sion, in dem langfristige soziale Trends in ge einen größeren Teil ihres Einkommens für sten Menschen in den mittel- und osteuropä- der EU genauer geprüft werden, um aktuel- Wohnkosten aufwenden als vor zehn Jahren ischen Mitgliedsstaaten (vor allem in der Slo- le, verläßliche und umfassende Informatio- (Steigerung um knapp vier Prozentpunkte). wakei, Slowenien, Polen, Ungarn, Lettland nen zur sozialen Lage zu erhalten. In diesem Auch die Hypothekenschulden sind in der und Litauen) nun Eigentümer ihrer Woh- Jahr lauten die beiden Kernthemen Wohnen EU signifikant angestiegen. nung oder ihres Hauses, so daß Reparaturen, (einschließlich Eigentumsverhältnisse und Im Durchschnitt geben die EuropäerInnen Instandhaltung und Heizkosten rund 90 % Kosten) und die möglichen Auswirkungen ein Fünftel ihres verfügbaren Einkommens der gesamten Wohnkosten ausmachen. der Rezession unter Berücksichtigung der für das Wohnen aus. Miet- und Hypotheken- Ergebnisse der Eurobarometer-Umfrage zum zahlungen machen nur 30 % der gesamten Soziale Auswirkungen der Krise gesellschaftlichen Klima. Wohnkosten in der EU aus – die restlichen Es ist zwar noch zu früh, um die gesam- http://europa.eu/

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 31 Wirtschaft Wirtschaft belebt sich weiter Dynamik des Wirtschaftswachstums Ende 2009 nicht weiter verstärkt

ie langsame Erholung der Wirtschaft, die Gemäß den internationalen Umfragen Raum auf 10% und sank erst im Jänner wie- Dseit einigen Monaten zu verzeichnen ist, unter Unternehmen und privaten Haushalten der etwas auf 9,7% – und das enorme Defizit setzt sich fort. In allen wichtigen Wirtschafts- verbessert sich die Stimmung seit dem des öffentlichen Sektors. räumen zeigen die Indikatoren eine Verbesse- Tiefpunkt der Krise im 1. Halbjahr 2009 kon- Im Euro-Raum deuten nahezu alle Kon- rung an. Diese positive Tendenz dürfte in den tinuierlich. In den USA stieg der Purchasing junkturindikatoren auf eine weitere Expan- kommenden Monaten zwar anhalten, doch Manager Index des ISM im Jänner 2010 auf sion hin. Bereits im Dezember 2009 und muß immer wieder mit kleinen Rückschlägen den höchsten Stand seit 2004. Auch das Ver- noch stärker im Jänner 2010 überwog die gerechnet werden. Bislang fehlen Hinweise brauchervertrauen nahm im Jänner 2010 Zahl der Unternehmen, die für die kommen- auf eine selbsttragende Stabilisierung. Die weiter zu. Die Wirtschaft der USA wuchs im den drei Monate eine Produktionssteigerung Wachstumsimpulse gehen nach wie vor von IV. Quartal 2009 außerordentlich kräftig erwarteten. Die Industrieproduktion erholt den Maßnahmen der öffentlichen Hand aus. (real +1,4% gegenüber der Vorperiode). Der sich seit einigen Monaten, jedoch viel lang- Auch in Österreich verstärkt sich die Wirt- Hauptimpuls ging dabei von der Lagerverän- samer, als es in den Umfragewerten zum schaftsaktivität zunehmend. Die angespannte derung aus, aber auch der private Konsum Ausdruck kommt. Die Lage auf dem Ar- Lage auf dem Arbeitsmarkt stabilisierte sich gewann an Dynamik. Der Außenbeitrag wie beitsmarkt verschlechterte sich anhaltend. gegen Ende 2009 vorübergehend. Im Jänner auch die Anlageinvestitionen stiegen hinge- Im Dezember 2009 stieg die Arbeitslosen- hatte allerdings das kalte Wetter einen Rück- gen kaum. Kritisch erscheinen in den USA quote auf 10,0% und war damit gleich hoch gang der Beschäftigung und einen Wieder- die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt – die wie in den USA. Die Inflation zog leicht an anstieg der Arbeitslosigkeit zur Folge. Arbeitslosenquote erhöhte sich wie im Euro- (auf 1,0%); sie liegt seit mehr als einem Jahr

WIFO-Schnellschätzung zur vierteljährlichen Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung 2008 2009 III. Quartal IV. Quartal I. Quartal II. Quartal III. Quartal IV. Quartal Saison- und arbeitstagsbereinigt, Veränderung gegen das Vorquartal in %, real Verwendung des Bruttoinlandsproduktes Konsumausgaben Private Haushalte1) + 0,1 + 0,1 + 0,2 + 0,3 + 0,3 + 0,3 Staat – 0,8 + 1,6 – 1,5 + 0,3 + 1,6 + 0,1 Bruttoinvestitionen – 2,3 – 4,1 – 3,5 – 3,0 – 2,6 – 0,6 Bruttoanlageinvestitionen – 1,4 – 2,0 – 2,3 – 2,2 – 1,5 – 1,1 Exporte – 3,2 – 5,2 – 6,7 – 2,3 + 1,8 + 1,5 Importe – 2,9 – 3,8 – 5,1 – 2,1 + 1,5 + 1,0 Bruttoinlandsprodukt – 0,6 – 1,3 – 2,2 – 0,5 + 0,5 + 0,4 Bruttoinlandsprodukt nach Wirtschaftsbereichen Land- und Forstwirtschaft – 1,1 – 0,6 – 0,4 – 0,5 + 0,2 + 0,1 Produzierender Bereich2) – 1,7 – 4,1 – 7,2 – 1,0 + 1,9 + 1,2 Sachgütererzeugung – 2,2 – 4,7 – 7,8 – 1,4 + 2,0 + 1,4 Bauwesen – 1,1 – 1,3 – 2,7 – 0,9 – 0,3 + 0,0 Handel, Gastgewerbe und Verkehr – 1,1 – 1,4 – 2,0 – 0,8 – 0,5 – 0,1 Vermögens- und Unternehmens- dienstleistungen3) + 0,0 – 0,6 – 0,8 – 0,6 – 0,2 + 0,1 Sonstige Dienstleistungen4) + 0,5 + 0,5 + 0,5 + 0,5 + 0,6 + 0,7 Gütersteuern – 0,5 – 0,7 – 0,5 + 0,0 + 0,1 + 0,1 Gütersubventionen + 0,3 – 1,1 – 2,6 – 1,6 – 0,7 + 0,3 Veränderung gegen das Vorjahr in % Bruttoinlandsprodukt, real + 2,3 – 0,3 – 4,9 – 5,1 – 3,2 – 1,5

Q: WIFO. 1) Einschließlich privater Organisationen ohne Erwerbszweck. 2) Bergbau, Sachgütererzeugung, Energieund Wasserversorgung. 3) Kreditinstitute und Versicherungen, Grundstücks- und Wohnungswesen. 4) Öffentliche Verwaltung, Landesverteidigung, Sozialversicherung, private Dienstleistungen.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 32 Wirtschaft deutlich unter dem von der EZB vorgegebe- Wirtschaftsleistung um real 0,4% gegenüber zeugung. Ihre Wertschöpfung stieg, nach dem nen Höchstwert von 2%. der Vorperiode. Damit wuchs die heimische Einbruch im 1. Halbjahr 2009, im III. Quar- Auch in Österreich überwiegt in den Um- Wirtschaft etwas schwächer als im III. tal gegenüber der Vorperiode real um 2,0%, fragen mittlerweile wieder die Zahl der Quartal (+0,5%). Im Vorjahresvergleich im IV. Quartal um 1,4%. Unternehmen, die in den kommenden Mona- ergibt sich ein Rückgang von real 1,5%. ten eine Produktionssteigerung erwarten. Im Insgesamt schrumpfte das BIP nach diesen Methodische Hinweise WIFO-Konjunkturtest vom Jänner 2010 wa- vorläufigen Berechnungen 2009 gegenüber Inflation, VPI und HVPI ren sogar die Kfz-Hersteller wieder deutlich 2008 real um 3,6%. Die Inflationsrate mißt die Veränderung der optimistischer. Die Kapazitätsauslastung stieg Nach dem Rückgang des österreichischen Verbraucherpreise gegenüber dem Vorjahr. in der Sachgütererzeugung laut Befragung Bruttoinlandsproduktes bis zum II. Quartal Der Verbraucherpreisindex (VPI) ist ein Maß- auf über 76%; den niedrigsten Wert hatte sie 2009 setzte im III. Quartal ein Wachstum stab für die nationale Inflation. Der Harmoni- mit 73,1% in der April-Umfrage 2009 ein: Die um Saison- und Arbeitstagseffekte sierte Verbraucherpreisindex (HVPI) ist die erreicht, im Durchschnitt der letzten fünf bereinigte Wirtschaftsleistung lag real um Grundlage für die vergleichbare Messung Jahre war sie bei etwas über 81% gelegen. 0,5% über dem Niveau der Vorperiode. Für der Inflation in der EU und für die Bewer- Im IV. Quartal 2009 dürfte die österrei- das IV. Quartal errechnet das WIFO einen tung der Preisstabilität innerhalb der Euro- chische Wirtschaftsleistung abermals ausge- vorläufigen Wert von +0,4%. Damit ver- Zone (siehe auch http://www.statistik.at/). weitet worden sein. Der Index der Industrie- stärkte sich die Wachstumsdynamik vorerst produktion hatte weiter steigende Tendenz, nicht weiter. Arbeitslosenquote wenngleich er im November etwas niedriger Die Erholung des Welthandels belebte die Österreichische Definition: Anteil der zur war als im Oktober. heimische Exportwirtschaft. Bereits im III. Arbeitsvermittlung registrierten Personen In der Bauwirtschaft fehlen hingegen Hin- Quartal 2009 stieg der Export gegenüber am Arbeitskräfteangebot der Unselbstän- weise auf eine Erholung weitgehend. Zwar dem Vorquartal real um 1,8%. Zum Jahres- digen. Das Arbeitskräfteangebot ist die Sum- entwickelte sich der Hochbau laut den Un- ende hin verlor das Wachstum etwas an Dy- me aus Arbeitslosenbestand und unselbstän- ternehmensumfragen seit Mitte 2009 günsti- namik (+1,5%). Bestimmt wurde die Entwick- dig Beschäftigten (gemessen in Standardbe- ger, im Tiefbau verschlechterte sich die Situa- lung von der Warenausfuhr, jedoch nahm schäftigungsverhältnissen). tion hingegen kontinuierlich. Für den Jänner auch der Tourismusexport abermals zu. Der Datenbasis: Registrierungen bei AMS und 2010 ist aufgrund des kalten Wetters mit kei- Import wuchs im IV. Quartal 2009 gegenü- Hauptverband der österreichischen Sozial- ner wesentlichen Besserung zu rechnen. ber dem Vorquartal zwar um nur 1%, doch versicherungsträger. Vor dem Hintergrund der angespannten war das Vergleichsniveau durch Sonder- Definition gemäß ILO und Eurostat: Als ar- internationalen Konjunkturlage war der hei- effekte überhöht gewesen. beitslos gelten Personen, die nicht erwerbs- mische Tourismus 2009 erfolgreich. In der Weiterhin stützt der Konsum die Kon- tätig sind und aktiv einen Arbeitsplatz su- Sommersaison sank die Zahl der Nächtigun- junktur. Saison- und arbeitstagsbereinigt chen. Als erwerbstätig zählt, wer in der Re- gen wegen der Preisnachlässe der Anbieter erhöhten sich die Konsumausgaben der pri- ferenzwoche mindestens 1 Stunde selbstän- nur leicht. In den ersten zwei Monaten der vaten Haushalte im IV. Quartal gegenüber dig oder unselbständig gearbeitet hat. Perso- Wintersaison (November und Dezember dem Vorquartal real um 0,3%, ebenso stark nen, die Kinderbetreuungsgeld beziehen, 2009) zeigte sich ein ähnliches Bild, die wie in den zwei Quartalen zuvor. Zwar ver- und Lehrlinge zählen zu den Erwerbstätigen, österreichischen Betriebe gewannen deutlich schlechterte sich die Lage auf dem Arbeits- nicht hingegen Präsenz- und Zivildiener. Die Marktanteile. markt kontinuierlich, doch entfalten die Arbeitslosenquote ist der Anteil der Arbeits- Der Preisauftrieb verstärkte sich in den Konjunktur- und Arbeitsmarktpakete mehr losen an allen Erwerbspersonen (Arbeitslose letzten Monaten wieder, im Dezember er- und mehr ihre Wirkung. plus Erwerbstätige). reichte die Inflationsrate 1%. Mitte 2009 war Die Nachfrage nach Investitionsgütern ist Datenbasis: Umfragedaten von privaten sie durch den Rückgang der Rohölnotierun- nach wie vor flau, allerdings verlangsamt Haushalten (Mikrozensus). gen negativ gewesen. Während sich die Ar- sich der Rückgang. Die Ausrüstungsinvesti- beitsmarktindikatoren in den vergangenen tionen verringerten sich gegenüber dem Vor- Begriffe im Zusammenhang mit der österreichischen Definition der Monaten gegenüber dem Vorjahr noch an- quartal real um 1,9%, nach -2,6% im II. und Arbeitslosenquote haltend verschlechterten, war im Vergleich -2,2% im III. Quartal. Auch im IV. Quartal mit der jeweiligen Vorperiode keine weitere sanken die Investitionen in Fahrzeuge stär- Personen in Schulungen: Personen, die sich Verschärfung festzustellen. Erst im Jänner ker als jene in Maschinen und Elektrogeräte. zum Stichtag in AMS-Schulungsmaßnah- erhöhte sich wegen des für die Bauwirtschaft Wie die Ausrüstungsinvestitionen waren men befinden. Für die Berechnung der Ar- ungünstigen Wetters wieder die Zahl der die Bauinvestitionen neuerlich rückläufig, beitslosenquote wird ihre Zahl weder im Arbeitslosen, und auch die Beschäftigung die Abwärtsdynamik läßt aber auch hier Nenner noch im Zähler berücksichtigt. nahm ab. Die unbereinigte Arbeitslosenquo- schrittweise nach. Im IV. Quartal 2009 wur- Unselbständig aktiv Beschäftigte: Zu den te stieg gemäß der österreichischen De- de mit -0,9% gegenüber dem Vorquartal der „unselbständig Beschäftigten“ zählen auch finition auf 8,9%. siebente Rückgang in Folge verzeichnet. Die Personen, die Kinderbetreuungsgeld bezie- Investitionen in Wohnbauten schrumpften hen, sowie Präsenz- und Zivildiener mit auf- Dynamik des Wirtschaftswachstums mit -0,7% weniger stark als jene in andere rechtem Beschäftigungsverhältnis. Zieht man Ende 2009 nicht weiter verstärkt Bauwerke (-1,1%). deren Zahl ab, so erhält man die Zahl der Die Schnellschätzung des WIFO für das Am stärksten profitierte von der Erho- „unselbständig aktiv Beschäftigten“. IV. Quartal 2009 ergab einen Anstieg der lung im 2. Halbjahr 2009 die Sachgüterer- http://www.wifo.at

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 33 Wirtschaft Erholung gefestigt Doch Wachstum 2010 nur an der Grenze zur Stagnation – Bank Austria Konjunkturindikator setzt Aufwärtstrend zu Jahresbeginn fort – Arbeitsmarktlage günstiger als befürchtet, dennoch Belastung für Konsum

ie Erholung der österreichischen Wirt- vaten Konsum. Zwar ist die Situation am mehr und mehr die Luft ausgeht“, so Pud- Dschaft wird beständiger, aber die Fort- Arbeitsmarkt derzeit günstiger als angesichts schedl. schritte sind bescheiden“, meint der Chef- der Schwere der Krise zu erwarten gewesen Bereits der etwas schwächere Anstieg des ökonom der Bank Austria Stefan Bruck- war, dennoch liegt der Beschäftigtenstand in BIP im Schlußquartal 2009 um 0,4 Prozent bauer. Die Rahmenbedingungen haben sich Österreich um mehr als ein Prozent tiefer als zum Vorquartal gegenüber noch 0,5 Prozent um den Jahreswechsel etwas verbessert. Der im Jahr 2008 und die Arbeitslosigkeit ist im Herbst war nach Einschätzung der Öko- Konjunkturaufschwung in Österreich scheint deutlich höher. Zudem ist die jüngst erkenn- nomen der Bank Austria ein erstes Signal an Robustheit zu gewinnen. Darauf weist der bare Stabilisierung am Arbeitsmarkt mit dafür, daß das Tempo mit dem die wirt- aktuelle Bank Austria Konjunkturindikator Vorsicht zu betrachten. Zum einen ist nach schaftliche Erholung zur Jahresmitte 2009 hin. „Alle Komponenten des Bank Austria dem Auslaufen der Kurzarbeit in einigen Be- eingesetzt hatte, mittelfristig nicht zu halten Konjunkturindikators zeigen zu Jahresbe- trieben bald vermehrt mit Kündigungen zu ist. Noch bis zum Sommer wird die Aus- ginn nach oben. Der Indikator steigt bereits rechnen und zum anderen ist der Anstieg der landsnachfrage der heimischen Konjunktur den neunten Monat in Folge an und liegt mit Arbeitslosigkeit unter Einbeziehung der Impulse für eine Fortsetzung des Wirt- einem Wert von 0,5 nun klar in der Wachs- Schulungsteilnehmer ungebrochen. „Wäh- schaftsaufschwungs geben, zumindest kurz- tumszone“, so Bruckbauer. rend die Beschäftigung im laufenden Jahr fristig unterstützt durch die günstigere Dazu hat vor allem die günstigere Stim- nach unserer Einschätzung nur noch gering- Wechselkursrelation zum US-Dollar. Doch mung in der Industrie beigetragen. Das seit fügig zurückgehen wird, ist ein weiterer wird dieser Impuls zunehmend schwächer einigen Monaten anhaltende Plus bei den Anstieg der Arbeitslosenquote von 7,2 Pro- werden, sodaß eine zunehmende Verfla- Auftragseingängen, ein wachsender Auftrags- zent im Vorjahr auf 7,8 Prozent im Jahres- chung der Konjunkturerholung eintreten polster und steigender Auslastungsgrad sind durchschnitt 2010 zu erwarten. Erst im Ver- wird. die Komponenten, die den europäischen Un- lauf des nächsten Jahres besteht die Chance Die Wachstumsraten werden bis zur Jah- ternehmern nach dem scharfen Einbruch in auf einen leichten Rückgang der Arbeits- resmitte 2010 unter jenen der zweiten der ersten Jahreshälfte 2009 wieder mehr losigkeit“, meint Bank Austria Ökonom Jahreshälfte 2009 liegen. Erst ab Mitte des Zuversicht geben. Im Gefolge des verbesser- Walter Pudschedl. Jahres verbessern sich die Voraussetzungen, ten internationalen Umfelds sieht auch die Das derzeit wachsende Industrievertrau- daß der private Konsum die Konjunktur heimische Industrie wieder bessere Absatz- en ist überwiegend auf die seit einigen Mo- wieder stärker stützen kann, zulasten der chancen für ihre Erzeugnisse. „Sowohl auf naten zunehmende Exportnachfrage zurück- Sparquote und dank der endgültigen Sta- europäischer Ebene als auch in der heimi- zuführen. Diese globale Nachfrageerholung bilisierung am Arbeitsmarkt. Hinweise auf schen Sachgütererzeugung zeigt das Stim- stützt sich auf die weltweit umgesetzten eine starke Konsumbelebung sowie einen mungsbarometer stetig nach oben. Die Auf- staatlichen Konjunkturprogramme, die auch spürbaren Aufschwung der Investitions- hellung der Geschäftsaussichten beschleu- den Aufschwung in der österreichischen tätigkeit sind allerdings nicht auszumachen, nigte sich zum Jahresbeginn sogar geringfü- Sachgüterindustrie in den vergangenen Mo- wobei vor allem für die Bauinvestitionen gig. Das Tempo der Stimmungsverbesserung naten angetrieben haben. Angesichts knap- ungünstige Aussichten bestehen. Insgesamt bei den heimischen Konsumenten nimmt per Budgets und der deutlich gestiegenen werden die Investitionen 2010 sogar um 1 dagegen klar ab“, meint Bruckbauer. Verschuldung der öffentlichen Hand ist ein Prozent zurückgehen. Wenn es auch im Jahr Austrocknen dieser Impulse bereits in Sicht. 2010 an kräftigen Impulsen für die heimi- Arbeitsmarkt belastet Anhaltspunkte für einen selbsttragenden sche Wirtschaft fehlen wird, die Erholung Konsumaussichten Wirtschaftsauftrieb fehlen allerdings. Ins- wird zumindest auf kleiner Flamme weiter- Die zurückhaltende Entwicklung des Ver- besondere für die Entwicklung der Investi- köcheln. „Nach dem Rückgang des BIP um brauchervertrauens ist ein Hinweis darauf, tionstätigkeit der Unternehmen sind ange- 3,6 Prozent im Vorjahr erwarten wir für 2010 daß der private Konsum in den kommenden sichts der niedrigen Kapazitätsauslastung, immerhin ein geringes Plus um 1,3 Prozent. Monaten die Konjunktur nicht mehr so pro- gestiegener Verschuldungskennziffern und Unter Berücksichtigung der zu erwartenden minent stützen können wird, zumal die Rah- adaptierter Risikobewertungen die Aussich- Produktivitätsfortschritte ist in Österreich menbedingungen ungünstiger werden. Die ten zurückhaltend. „Während die private 2010 damit nur ein Wirtschaftswachstum am Haushalte stehen zwar einer niedrigen, aber Investitionstätigkeit nicht kräftig genug an- Rande der Stagnation zu erwarten“, meint tendenziell doch steigenden Inflation gegen- springt, versiegt langsam die Kraft der öf- Bruckbauer. Auch für das kommende Jahr über. Nach 0,5 Prozent im Jahresdurchschnitt fentlichen Konjunkturprogramme. Der Kon- lassen die Rahmenbedingungen keine spür- 2009 erwarten die Ökonomen der Bank sum wird solange sich die Lage am Arbeits- bare Belebung der Wirtschaft erwarten. Mit Austria für 2010 eine Teuerung von 1,2 Pro- markt nicht nachhaltig verbessert die Lücke 1,4 Prozent wird der Anstieg des BIP 2011 zent. Vor allem jedoch wird der Arbeitsmarkt nicht füllen können. So besteht die Gefahr, nur unwesentlich höher als im laufenden zu einer zunehmenden Belastung für den pri- daß der laufenden Konjunkturerholung Jahr sein.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 34 Wirtschaft Ansiedlungs-Offensive 2,5 Millionen Euro an frischem Kapital für Forschungsplatz- Kampagne sowie Headquarter- und Cluster-Offensive

irtschaftsminister Reinhold Mitterleh- ken, sondern auch die bereits im Land ansäs- Wner präsentierte am 11. Februar eine sigen Firmen stärker betreuen. Zudem soll Österreich glänzt durch neue Ansiedlungs-Offensive für den Stand- die Cluster-Initiative weltweit jene Unter- zahlreiche Vorteile, z.B.: ort Österreich. „Um nach dem krisenbeding- nehmen identifizieren und über eine Nieder- Bei vielen Ansiedlungsprojekten der jün- ten Rückgang der Unternehmens-Ansiedlun- lassung in Österreich beraten, die mit ihrer geren Vergangenheit war gerade die man- gen neu durchzustarten, investiert das Wirt- Kompetenz die Wertschöpfungskette der 52 gelnde Verfügbarkeit von Fremdkapital schaftsministerium fast 2,5 Millionen Euro heimischen Cluster ergänzen können. Diese ein Hindernis. Umso wichtiger ist es, daß zusätzlich. Damit ermöglichen wir ein stär- haben schon jetzt über 3500 Mitglieder und die Kredit- und Haftungs-Instrumente keres Auslandsmarketing über die neue For- 420.000 Beschäftigte. der Förderbank Austria Wirtschaftsser- schungsplatz-Kampagne und installieren Für Mitterlehner liegen die größten An- vice (aws) aufgestockt wurden und auch hochwertige Ansiedlungs-Programme wie siedlungs-Potenziale künftig im Forschungs-, von internationalen Konzernen beasprucht eine Headquarter- und eine Cluster-Ini- Dienstleistungs- und Kreativwirtschaftsbe- werden können, die ein Tochterunter- tiative“, betonte Mitterlehner bei einer Pres- reich. Ergänzend zur aktuellen Offensive nehmen in Österreich realisieren wollen. sekonferenz mit René Siegl, dem Geschäfts- wird sich hier das mit 20 Millionen Euro So stehen aus dem erp-Fonds heuer wie- führer der zum Wirtschaftsministerium res- dotierte Fördermodell „Filmstandort Öster- der rund 600 Millionen Euro für Investi- sortierenden „ABA – Invest in Austria“ reich“ positiv auswirken. Damit können tionskredite zur Verfügung. Dazu kom- (Austrian Business Agency). „Wenn es um mehr ausländische Koproduktionen ange- men 40 Millionen Euro aus der unterneh- mehr Forschung, Technologie und Standort- lockt werden, die dann in Österreich Wert- mensbezogenen Arbeitsmarktförderung, vorteile geht, wird nicht gespart. Angesichts schöpfung erzeugen. Zahlreiche Chancen auf die ansiedlungswillige Betriebe der 706 laufenden Investitionsprojekte der dafür bietet Indien, wohin Mitterlehner ge- ebenfalls Anspruch haben. Zuschüsse ABA – eines neuen Rekords – müssen wir meinsam mit Vizekanzler Josef Pröll sowie ergehen an Investitionsprojekte, die Ar- alle Chancen nutzen“, sagte Mitterlehner. rund 50 Unternehmensvertretern gereist war. beitsplätze schaffen und sichern. Nach dem Krisenjahr 2009 setzt der Wirt- Kräftige Impulse für mehr Ansiedlungen schaftsminister auf neue Strategien: Deutsch- Bilanz: 158 Unternehmen im setzt auch der mit 80 Millionen Euro land bleibt der wichtigste Einzelmarkt, aber Vorjahr über die ABA angesiedelt dotierte „Mittelstandsfonds“, der innova- die traditionell große Abhängigkeit vom ABA-Geschäftsführer René Siegl ist an- tive Projekte mit mehr Eigenkapital aus- Nachbarland soll durch die stärkere Beto- gesichts der neuen Initiativen zuversichtlich stattet. Darüberhinaus können im Jahr nung der Drehscheibenfunktion Österreichs für das laufende Jahr: „Die Krise hat uns voll 2010 über die neue Venture-Capital-Ini- für Ost- und Südosteuropa sowie den Fokus erwischt. Umso wichtiger ist es, daß wir mit tiative der aws 15 Millionen Euro für for- auf Zukunftsmärkte – wie etwa in Schwellen- zusätzlichen Mitteln stärker auf qualitative schungs- und technologieorientierte Un- ländern – reduziert werden. „Während im Ansiedlungen setzen können“, so Siegl, der ternehmen in der Gründungs- und Früh- früheren Standort-Marketing unsere steuer- auch die ABA-Vorjahresbilanz vorstellte. phase zur Verfügung gestellt werden. lichen Vorzüge im Vordergrund gestanden 2009 markierte das Ende eines fünfjährigen sind, setzen wir jetzt stärker auf innovative Aufwärtstrends bei den Betriebsansiedlun- Zweitniedrigste Unternehmensbe- Produkte und neue Märkte“, so Mitterlehner. gen. Im Vorjahr konnte der Ansiedlungsbe- steuerung innerhalb der EU-15 mit Bis 2012 soll etwa die mit 1,8 Millionen rater mit seinen Regionalgesellschaften 158 einem einheitlichen Körperschafts- Euro dotierte Kampagne „Forschungsplatz internationale Unternehmen ansiedeln, was steuersatz von 25 Prozent Österreich II“ zur Ansiedlung von 25 neuen einem Rückgang von 38 Prozent gegenüber Keine Vermögensteuer oder Gewer- F&E-Headquartern sowie F&E-Tochterfir- dem absoluten Rekordjahr 2008 entspricht. besteuer men von internationalen Konzernen führen. Bezogen auf die Zahl der Ansiedlungen war Attraktivste Gruppenbesteuerung Eu- ropas „Durch gezieltes Marketing im Rahmen von das Vorjahr freilich immer noch das drittbe- Abzugsmöglichkeiten und großzügi- Messen, Medienkooperationen und Informa- ste Jahr in der 27jährigen Geschichte der ge Freibetragsregelungen für Investi- tionsreisen positionieren wir Österreich als ABA. Ein deutliches Minus gab es aber bei tionen in Forschung (bis zu 35 Pro- erfolgreichen Forschungs-Standort“, so Mit- den Investitionen: 2009 investierten die ange- zent) und Bildung (20 Prozent) sowie terlehner. Parallel dazu werden aus Mitteln siedelten Unternehmen 83,1 Millionen Euro in neue Technologien und Startups der Internationalisierungs-Offensive 670.000 (81 Prozent weniger als 2008) und haben Intaktes Wachstum, hohe Kaufkraft Euro in die Headquarter- und Cluster-Initia- 968 neue Arbeitsplätze geschaffen, was einen Hohe Produktivität tive investiert, was einer Steigerung des ge- Einbruch von 60 Prozent bedeutete. Die Qualifiziertes, motiviertes Personal samten ABA-Budgets um rund neun Prozent ABA-Ziele für 2009 sind ein substanzieller Top bei Forschung & Entwicklung entspricht. Mit den zusätzlichen Mitteln Anstieg des Investitionsvolumens sowie der Hohe Stabilität und Sicherheit kann die ABA nicht nur die aktive Akqui- dadurch geschaffenen Arbeitsplätze. Große Lebensqualität, usw. sition von neuen Konzernzentralen verstär- http://www.aba.gv.at

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 35 Wirtschaft WED baut ein neues Wahrzeichen in Wien Neues Großprojekt in der Donau-City – Österreichs höchstes Gebäude mit 220 Meter entsteht in den Jahren 2010 bis 2012 Foto: beyer.co.at

ie Donau-City bietet all das, was einen Zeiten“, so Helmut Bernkopf, Bank Austria ben und sich über 15 Stockwerke erstrecken. Durbanen, neuen Stadtteil mit hoher Le- Vorstand Corporates & Investment Banking. Der DC Tower 1 wird als einer der ersten bensqualität auszeichnet und ist damit präde- österreichischen Büroturme nach den Ener- stiniert für dieses attraktive Hochhauspro- »Grüne« Architektur auf höchstem gie- und Nachhaltigkeitserfordernissen für jekt. Zudem ist sie das deutlichste Zeichen ästhetischen und technischen Niveau ein „Green Building“ der EU-Kommission dafür, daß Wien bewußt näher an das Wasser Der französische Stararchitekt Domini- errichtet und ausgestattet werden. Diese Zer- rückt und die Uferkante neuen Nutzungen que Perrault, der unter anderem die Franzö- tifizierung mit dem Gold- oder Platin Status zuführt. Die Entscheidung, mit dem Bau die- sische Nationalbibliothek in den 90er Jahren nach LEED© ist vorgesehen und wird so- ses neuen Wiener Wahrzeichens jetzt zu be- und den Europäischen Gerichtshof in Lu- wohl für die künftigen Mieter, als auch bei ginnen, ist ungemein wichtig für unsere pro- xemburg realisiert hat, zeichnet für das einem etwaigen Verkauf einen wesentlichen sperierende Stadt, schafft Beschäftigung und Design verantwortlich. Die Nettonutzfläche Wettbewerbsvorteil darstellen. ist damit sowohl für den Arbeitsmarkt als beträgt 72.700 Quadratmeter. Das 60 oberir- „Wir halten dieses Investment für äußerst auch für die Baubranche ein enorm wichti- dische Etagen umfassende Gebäude mit dem attraktiv, denn die Kombination aus einer ges Signal“, erklärte Wiens Planungsstadtrat geplanten Baubeginn Anfang 2010 soll nach hochwertigen Immobilie mit ökologischer Rudi Schicker. knapp dreijähriger Bauzeit bereits Ende Bauweise, einem gehobenen architektoni- „Der ,DC Tower 1‘ wird mit seinen 220 2012 fertiggestellt sein. Der Großteil der schen Anspruch an einen attraktiven Stand- Metern das höchste Gebäude Österreichs Nutzfläche, insgesamt 43.700 Quadratmeter, ort wird gerade in Wien einen guten Markt sein und kombiniert in Einzigartigkeit archi- ist für Büroräumlichkeiten vorgesehen. Ein vorfinden. Deshalb sind wir vom wirtschaft- tektonische Ästhetik, modernste ‚grüne‘ besonderes Highlight stellt die Integration lichen Erfolg dieses Projektes völlig über- Bauweise und Funktionalität. Damit entsteht eines 4* Hotels in den DC Tower 1 dar. Auf zeugt“, sagt Bernkopf. in der Donau-City ein neues Vorzeigeprojekt 18.300 Quadratmetern entsteht eine Hotel- und eines der größten Immobilienprojekte anlage mit 255 Zimmern. Das Hotel wird 300 Mio. Euro Inverstition, Österreichs, trotz oder vielleicht gerade von der spanischen Sol Meliá Gruppe, der 2500 neue Arbeitsplätze wegen der wirtschaftlich herausfordernden europaweit sechstgrößten Hotelkette, betrie- Die Projektentwicklung und die Bauträ-

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 36 Wirtschaft

gerschaft für das Großprojekt übernimmt, wie bereits bei zahlreichen erfolgreich abge- schlossenen Projekten in der Donau-City, die WED, deren Gesellschafter ein österrei- chisches Banken- und Versicherungskonsor- tium unter der Führung der Bank Austria ist. Das Investitionsvolumen beträgt rund 300 Millionen Euro. „Ein besonders wichtiger Aspekt ist die arbeitsmarktpolitische Dimen- sion dieses Projektes. Gerade in der Bau- branche sind Investitionen besonders beschäf- tigungswirksam – ungefähr doppelt so stark wie beispielsweise in der Exportwirtschaft. Wir gehen nach der gängigen Wifo-Berech- nung davon aus, daß der Neubau ‚DC To- wer 1‘ in den nächsten Jahren rund 2500 Ar- beitsplätze schafft, was für den Wirtschafts- standort Wien ein deutlich positives Signal ist“, so Bernkopf weiter. Die WED Gruppe realisiert damit nach Foto: Christian Fürthner / PID dem Andromeda Tower (1998), dem Ares Helmut Bernkopf, Bank Austria Vorstand Corporate & Investment Banking, Rudi Schicker, Stadtrat für Stadtentwicklung und Verkehr, und Thomas Jakoubek, Tower (2001), dem Tech Gate WED-Vorstand (v.l.), präsentieren das »neue Wahrzeichen« von Wien. (2002/2005) und dem Saturn Tower (2004), bereits das fünfte Großprojekt als Bauträger. Wien boomt – auch reich der Leerstände. Die Spitzenrenditen la- „Wir blicken hier auf einen breiten Erfah- in schwierigen Zeiten gen 2009 zwischen 5,5 Prozent und 6 Pro- rungsschatz zurück, der uns die Umsetzung Der Bau des „DC Towers 1“ beginnt zu zent. dieses Mega-Projektes deutlich erleichtert. einem für die Wirtschaft wichtigen Zeit- Die Spitzenmieten in den obersten Ge- Wir sehen die Stadtentwicklungsregion Do- punkt. Die Baubranche in Österreich befin- schossen der Wiener Bürotürme liegen be- nau-City als sehr attraktive Lage mit hoch- det sich in einer angespannten Situation. reits heute bei knapp 29 Euro pro Quadrat- wertigen Bürogebäuden, die überdurch- Während in den Jahren 2006 bis 2008 ein meter und stellen nach wie vor die begehrte- schnittliche Mieterträge einbringen“, führt Bauboom sowohl die Beschäftigungszahlen, sten Neuflächen für Büros dar. Thomas Jakoubek, Vorstand der WED, aus. als auch den Produktionswert im Bausektor „Dazu kommt, daß für Investments der- „Sowohl die genannten Großprojekte in in die Höhe schraubte, gab und gibt es für zeit wider Erwarten eine gute Zeit ist, da wir der Donau-City, aber auch die Entwick- 2009 und 2010 Rückgänge zu verzeichnen. es mit geringen Rohstoffpreisen und einem lungen an der Donaukanalkante, beispiels- Diesem konjunkturellen Umfeld zum Trotz niedrigen Zinsniveau zu tun haben. Das ent- weise mit dem UNIQA-Tower oder dem ist Wien auf Grund seiner geografischen lastet kostenseitig. Wir erwarten uns außer- neuen Jean-Nouvel-Projekt gegenüber dem Lage, des hohen Wirtschaftsniveaus sowie dem, daß nahe der Fertigstellung 2012 die Media Tower von Hans Hollein, zeigen wie der ausgezeichneten Lebens- und Freizeit- Nachfrage nach Büro- und Gewerbeimmo- wichtig es ist, daß sich die Politik nicht aus qualität unverändert ein attraktiver Unter- bilien wieder stark anzieht. Nachdem 2009 der Architektur verabschiedet. Der ‚DC To- nehmensstandort. Die Nachfrage nach hoch- und 2010 weniger gebaut wurde, dürfte es wer 1‘ von Dominique Perrault reiht sich naht- qualitativen Gewerbe- und Büroflächen ist 2012 einen Nachfrageüberhang für Premium- los in diese Serie von architektonisch wert- ungebrochen stark. Gleichzeitig liegt der Leer- Immobilien geben. Außerdem spricht für vollen ,landmarks‘ ein, wenngleich er durch stand bei Büros in Wien im Premiumsegment Wien, daß die Mieten für Gewerbeobjekte nie seine Rekordhöhe noch ein Stück einzigarti- bei lediglich 5 bis 6 Prozent. Im europäischen ‚überhitzt‘ waren“, erklärt Jakoubek ab- ger ist“, so Planungsstadtrat Schicker. Vergleich ist Wien damit im untersten Be- schließend. Foto: beyer.co.at

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 37 Wirtschaft A 9 Pyhrn Autobahn Bauarbeiten für zweite Tunnelröhre voll angelaufen – Vollbetrieb im Richtungsverkehr ab 2015

m 4. Dezember 2009 fiel der symboli- troffenen Gebirgstypen mittels Spritzbeton, Asche Startschuß für den Bau der zweiten bewehrtem Spritzbeton, Stahlbögen und ent- Röhre des Bosrucktunnels. Mittlerweile sind sprechenden Ankerungen durchgeführt. die Bauarbeiten für dieses Projekt voll ange- Das Ausbruchmaterial von insgesamt rd. laufen. Vorgetrieben wird sowohl vom Nord- einer Million m3 (= rd. 70.000 Lkw-Fuhren) als auch vom Südportal. Die zweite Tun- wird großteils in Deponien verführt. Rund nelröhre soll 2013 in Betrieb genommen wer- ein Drittel davon wird für Schüttungen des den. Der Vollbetrieb des Bosrucktunnels neu zu errichtenden Schwerpunktrastplatzes (beide Tunnelröhren) ist für 2015 geplant. Pyhrn-Priel wiederverwertet. Die ASFINAG verfolgt mit dem Bau die- Im Zuge des Vollausbaus des Bosruck- ser zweiten Tunnelröhre konsequent ihr tunnels sind rund 150 Personen über Jahre Tunnelsicherheitskonzept. „Einröhrige Tun- beschäftigt. Damit ist dieses Bauprojekt nel stellen eine Gefahrenquelle dar. Daher auch volkswirtschaftlich von Bedeutung. nimmt die ASFINAG viel Geld in die Hand, „Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten um dies zu ändern. Das sind wir als dienst- sind Projekte wie der Vollausbau des Bos- leistungsorientiertes Unternehmen unseren rucktunnels von immenser Bedeutung, weil Kundinnen und Kunden schuldig“, betont Infrastruktur-Investitionen sehr schnell kon- Gernot Brandtner, Geschäftsführer der AS- junkturwirksam werden und nachhaltig posi- FINAG Bau Management GmbH. „Um auch tive Effekte haben“, betont ASFINAG-Ge- in Zukunft größtmögliche Sicherheit ge- schäftsführer Brandtner. Die Gesamtkosten – währleisten zu können, ist der Vollausbau inkl. Generalsanierung Bestandsröhre – des Bosrucktunnels und in weiterer Folge belaufen sich auf ca. 321 Mio. Euro. der bislang teils noch halbausgebauten Tun- nelkette Klaus unabdingbar. Das bedeutet Tunnelsicherheit bei den Tunneln durchgehend zwei Röhren Die zweite Röhre des Bosrucktunnels sowie im Freiland vier Fahrstreifen mit bau- wird den hohen Auflagen der Richtlinien für licher Mitteltrennung“, so Brandtner. Verkehr und Straßenbau (RVS) entsprechend Für Oberösterreichs LH-Stv. Franz Hiesl ausgerüstet, die Bestandsröhre adaptiert und ist der Vollausbau des Bosrucktunnels ein nachgerüstet. Im Vollausbau wird der Tunnel weiterer Schritt konsequenter Straßenbau- über folgende sicherheitstechnische Einrich- politik: „Seit 2002 läuft in Oberösterreich tungen verfügen: die größte Straßenbauoffensive in der Ge- 5 Abstellnischen im Abstand von 1000 m,

schichte unseres Bundeslandes. Das steigert Grafik: bmvit / ASFINAG 11 Querschläge, davon sechs begehbare einerseits die Mobilität und damit Lebens- A9 Pyhrn Autobahn, Vollausbau des und fünf mit Einsatzfahrzeugen befahrba- qualität der Bevölkerung, stellt einen massi- Bosrucktunnels (Errichtung Weströhre) re im Abstand von 1000 m, Gesamtlänge: ca. 7 km ven Impuls für die Wirtschaft dar und ver- Je 43 Notruf- und Feuerlöschnischen, davon Tunnel: ca. 5,5 km bessert die Sicherheit auf unseren Straßen. Fertigstellung Brücken: 2009 Betondecke als Fahrbahnbelag, Gerade in den kritischen, einröhrigen Tun- Baubeginn Weströhre: 2009 Querlüftung, nelbereichen erreichen wir durch den Aus- Verkehrsfreigabe Weströhre: 2013 Notruf- und Fluchtwegkennzeichnung, Verkehrsfreigabe Vollausbau: 2015 bau zweiter Röhren eine Entspannung der Helle reflektierende Tunnelwand-Be- Situation. Frontalzusammenstöße können getrennte Fahrspuren erfolgen kann und der schichtung (bis zu 4,5 m Höhe), damit künftig vermieden und Leben gerettet Verkehrsfluß damit nicht behindert wird. Einfahrts-, Durchfahrts- und Notbeleuch- werden“, so Hiesl. Nach Fertigstellung der neuen Weströhre tung, Das gegenständliche rund sieben Kilome- wird die Bestandsröhre generalsaniert und Bordsteinreflektoren beidseits der Fahr- ter lange Baulos umfaßt die Errichtung der für den Richtungsverkehr adaptiert. Der bahn, 5,5 km langen Weströhre des Bosrucktunnels Tunnelvortrieb erfolgt in konventioneller Tunnelfunkanlage für Verkehrsfunk, Ein- sowie der zweiten Tragwerke für die dem Tunnelbauweise (Sprengvortrieb) nach der satzkräfte und Betrieb, Tunnel vorgelagerten Brücken (Hangbrücke Neuen Österreichischen Tunnelbaumethode die Steuerung und Überwachung des Tun- mit 900 m und Teichlbrücke mit 190 m). Die- mit Kalottenvortrieb und nachlaufendem nels erfolgt von der Tunnelzentrale Ard- se wurden bereits errichtet, sodaß der Strossen- und Sohlausbruch von beiden ning aus. Abtransport des Ausbruchsmaterials über Portalen. Die Sicherung wird je nach ange- http://www.asfinag.at

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 38 Wirtschaft Bier trotz(t) Krise Stagnation auf hohem Niveau – 8,4 Mio. Hektoliter Bier haben die ÖsterreicherInnen 2009 konsumiert

war erreicht die Branche mit minus 3 Pro- Zzent nicht ganz den Stand des Rekord- jahres 2008 – angekurbelt durch die Fußball- Europameisterschaft –, stabilisiert sich aber auf dem hohen Niveau des Jahres 2007. Auch im Vergleich zu den anderen EU-Bier- nationen (z.B. Tschechien, Slowakei) konnte die Alpenrepublik die guten Bier-Gesamtab- satzzahlen halten. Der Pro-Kopf-Verbrauch betrug 2009 knapp 106,4 Liter. „Wir können mit dem vergangenen Jahr zufrieden sein. Die Konsumenten haben wieder bestätigt, daß sie den Genuß, die Vielfalt und die hohe Qualität des heimischen Bieres sehr schät- zen“, sagt Markus Liebl, Obmann des Ver- bandes der Brauereien Österreichs. Positive Erwartungen haben die Brauer an das Jahr 2010. Bedingt durch die Fußball-Weltmei- sterschaft in Südafrika hofft man 2010 wie- der auf ein Absatzwachstum. Grafik: Verband der Brauereien Österreichs schen, die im Vorjahr sogar noch leicht Brauereien, wie schon seit Jahren, mit der in Bier: Ein Kulturgut zulegten (plus 0,5 Prozent). Deutlich in der Österreich deutlich höheren Biersteuer als als Wirtschaftsfaktor Gunst der heimischen Biertrinker gestiegen beispielsweise in Deutschland und Tsche- Inklusive der Exporte setzte die österrei- sind 2009 die 0,33-Liter-Flaschen mit einem chien. „Die Konsumenten in Österreich wer- chische Brauwirtschaft im vergangenen Jahr Plus von rund zehn Prozent. Anteile verloren den mit einer unverhältnismäßig hohen rund 8,9 Mio. Hektoliter Bier ab. Zahlen, die haben hingegen die Dosen (minus 0,8 Pro- Steuer von 24 Euro pro 100 Liter belastet – veranschaulichen, daß Bier nicht nur in der zent); PET-Flaschen waren bei Bier in Öster- dies erzeugt einen enormen Druck auf die heimischen Kultur und Kulinarik tief verwur- reich nach wie vor unbedeutend. heimischen Brauereien“, so Liebl. Die Bran- zelt ist, sondern auch einen wichtigen volks- che fordert nach wie vor die unbedingte An- wirtschaftlichen Faktor darstellt. So erreicht Biersteuer belastet Konsumentenpreis gleichung der Bierbesteuerung an die be- die Branche jährlich eine Steuerleistung (Ein- Obwohl man in der Branche mit dem Jahr nachbarten Biernationen. Außerdem setzen kommen- und Lohnsteuer, Mehrwertsteuer, 2009 angesichts des schwierigen wirtschaft- sich die Mittelstandsbrauereien für eine steu- Biersteuer u.a.) von mehr als 1,4 Mrd. Euro. lichen Umfeldes zufrieden ist, kämpfen die erliche Entlastung für Brauereien mit einem Zudem sind die Brauereien Österreichs ein Jahresausstoß von 50.000 bis 200.000 hl ein, wichtiger Jobmotor: Über 40.000 Arbeits- wie dies in Deutschland, Tschechien und der plätze hängen direkt oder indirekt am Wirt- Slowakei der Fall ist. Derzeit profitieren in schaftsgut Bier, alleine 31.000 davon in Han- Österreich nur Brauereien bis zu 50.000 hl del, Gastronomie und Hotellerie. Jahresausstoß von einer Biersteuerermäßi- gung. Wenig verständlich ist für Liebl die Am liebsten Märzen aus der Flasche Tendenz der EU zur Verbotspolitik. Im Hin- Am liebsten trinken die ÖsterreicherIn- blick auf die Erfahrungen in Skandinavien nen Märzen-/Lagerbier. Ca. 64 Prozent des hält er fest: „Es ist erwiesen, daß Preiserhö- in Österreich konsumierten Bieres entfallen hungen sowie Verbote Alkoholmißbrauch auf diese Sorte. „Einen gewaltigen Sprung nicht verringern, sondern nur auf illegale nach vorn“, so Liebl, „machte der Radler mit und billigere Kanäle verlagern und zusätz- einem Plus von 15 Prozent, womit die Zu- lich negative Auswirkungen auf die Brau- wachsrate des Jahres 2008 beinahe noch ver- wirtschaft haben. Die österreichischen Brauer doppelt werden konnte“. Weiterhin am be- bekennen sich seit jeher zum verantwor- liebtesten bei den ÖsterreicherInnen sind die tungsvollen Genuß und moderaten Bierkon- Glasflaschen, in denen über 51 Prozent des sum. Daher setzen wir auf Information statt verkauften Bieres ausgeliefert werden, der Prohibition“, so Liebl abschließend.

Löwenanteil davon in Mehrweg-Glasfla- Foto: Brau-Union http://www.bierserver.at

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 39 Wirtschaft Qualitätsrindfleisch aus Oberösterreich boomt Die oberösterreichischen Bauern setzen bei der Produktion von Rindfleisch auf Qualität.

twa 35 Prozent des in Oberösterreich er- die Qualitätssicherung integriert – eine Garantierte Herkunft, Qualität und Si- Ezeugten Rindfleisches wird bereits nach Vernetzung in der Zusammenarbeit, die sich cherheit sind daher die Eckpfeiler der Mar- definierten Qualitätsstandards produziert seit Jahren bewährt. Die Vermarktungszah- kenprogramme. Alle in der Produktions- und und anschließend über Qualitäts- und Mar- len unterstreichen den Erfolg: Etwa 60 Pro- Vermarktungskette Beteiligten verfolgen das kenprogramme vermarktet“, so der Präsident zent des über die Österreichische Rinder- Ziel einer klaren Kennzeichnung. Gewähr- der Landwirtschaftskammer Oberösterreich, börse vermarkteten Rindfleisches wird be- leistet wird konstant hohe Qualität und Ökonomierat Hannes Herndl. Die wichtig- reits nach Qualitätsprogramm-Standards Herkunft – unabhängig von Marktlage und sten Qualitätsprogramme: AMA-Gütesiegel, produziert. Aktionspolitik. Premium-Rind und das Bio-Jungrind. Bereits etwa 1900 Rinderhalter in Ober- Qualitätsprogramme garantieren: Heimisches Rindfleisch in der österreich produzieren ausschließlich Rind- Heimisches Rindfleisch in Top-Qualität Gastronomie verstärkt nachgefragt fleisch für das AMA-Gütesiegel. Bezogen Für den Verbraucher liegt der Mehrwert Im Lebensmitteleinzelhandel wird – ge- auf ganz Österreich haben die oberösterrei- von Fleisch aus Qualitätsprogrammen wie mäß den Verbraucherwünschen – bereits seit chischen Rinderbauern in diesem Segment dem AMA-Gütesiegel oder dem Premium- längerem fast ausschließlich österreichi- damit einen Anteil von etwa 33 Prozent. Von Rind in der gesicherten inländischen Her- sches Rindfleisch angeboten. „Der Konsum- diesen 1900 Betrieben nutzen 1130 Betriebe patriotismus der Österreicher sowie das her- die Möglichkeit der organisierten Vermark- vorragende Image läßt nun auch die ober- tung über die Österreichische Rinderbörse. österreichische Gastronomie vermehrt auf Die Rinderbörse konnte im Jahr 2009 inländisches Qualitätsrindfleisch zurük- knapp 9500 AMA-Gütesiegel-Jungstiere ab- kgreifen“, freut sich Präsident Herndl über setzen. Zudem wurden durch die Rinderbör- die besonders positive Entwicklung der se im vergangenen Jahr 4300 „Premium- Rindfleischmarke Premium-Rind im Ver- Jungstiere“ vermarktet, die speziell in die kauf an die Gastronomie. Mit dem Einstieg heimische Gastronomie gehen. Für Konsu- eines neuen Vertriebspartners für diese menten, die auf Rindfleisch aus biologischer Marke kann den heimischen Wirten flächen- Haltung Wert legen wird das Bio-Jungrind deckend Qualitätsrindfleisch aus Oberöster- als Spezialprodukt angeboten: Rund 550 ober- reich angeboten werden. Die Wirte wissen österreichische Biobetriebe haben im Jahr die gleichbleibend hohe Qualität des Pro- 2009 über die Rinderbörse knapp 4000 Bio- duktes zu schätzen, die den Gast gerne zu Jungrinder vermarktet. einem saftigen Rinderbraten oder Tafelspitz Der Vergleich zeigt, daß die Vermarktung Foto: http://www.bilderbox.biz greifen läßt. Insgesamt sieht die Landwirt- von Qualitätsrindfleisch in Oberösterreich in kunft und in einer gleichbleibend hohen Qua- schaftskammer Oberösterreich aber im Seg- den letzten fünf Jahren eine äußerst positive lität durch hohe Standards in den Pro- ment des sogenannten „Außer Haus Ver- Entwicklung genommen hat: 2004 wurden duktionsbestimmungen. zehrs“ (Gastronomie, Großküchen) noch etwa 10.600 AMA-Gütesiegel- bzw. Pre- „Während Rindfleisch über viele Jahre erhebliches weiteres Absatzpotenzial. mium-Jungstiere abgesetzt, 2009 insgesamt für den Konsumenten ,anonym‘ war, kann er 13.800. „Beim Bio-Jungrind wird die Ent- nun sicher sein, daß er auch garantiert hei- Rinderhaltung schafft Landschaft wicklung noch deutlicher: Die Zahl der ver- misches Rindfleisch in Top-Qualität kauft“, „Rinderhaltung dient nicht nur der Er- markteten Tiere stieg in den letzten fünf unterstreicht Präsident Herndl. zeugung von hochwertigen Lebensmitteln Jahren um mehr als 2000 also um etwa 50 Dem Bauern wird der Mehraufwand, der sondern trägt auch zur Gestaltung und Er- Prozent an“, veranschaulicht Herndl. mit der Erzeugung solch hoher Qualitäten haltung unserer Kulturlandschaft wesentlich verbunden ist, durch höhere Verkaufserlöse bei. Ohne Rind gibt es keine Wiesen, Weiden Qualitätsproduktion auf allen Stufen abgegolten. und Almen“, so Herndl. Gerade in Ober- Bei den Qualitätsprogrammen, wie sie Die zunehmende Internationalisierung österreich, das mit 580.000 Rindern in rund von den oberösterreichischen Rinderbauern verstärkt beim Konsumenten den Wunsch 18.500 rinderhaltenden Betrieben (Milch- verstärkt genutzt werden, sind sämtliche nach einer klaren Herkunftskennzeichnung. und Fleischproduzenten), das mit Abstand Produktions- bzw. Verarbeitungsstufen (Fut- „Regional-typische Lebensmittel bedeuten produktionsstärkste Bundesland ist, spielen termittelproduzenten, Landwirt, Schlacht- nicht nur Genuß, sondern auch Identität und die Rinder bei der Erhaltung des Land- und Zerlegebetriebe, Lebensmittelhandel) in Zugehörigkeit“, so Herndl. schaftsbildes eine besonders große Rolle.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 40 Chronik Rückgang bei Einbürgerungen 2009 mit rund 8000 Einbürgerungen geringster Wert seit 20 Jahren, Rückgang gegenüber dem Vorjahr um 22%

ie Zahl der Einbürgerungen hat sich D2009 gegenüber dem Vorjahr um mehr als ein Fünftel reduziert, gegenüber dem Jahr 2003 sogar um mehr als vier Fünftel. Laut Statistik Austria erhielten im abgelaufe- nen Jahr 7990 Personen (darunter zwölf Per- sonen mit Wohnsitz im Ausland) die öster- reichische Staatsbürgerschaft (2008: 10.268; -22,2%). Noch weniger Einbürgerungen gab es in Österreich zuletzt 1989. Knapp zwei von fünf der 2009 Eingebürgerten (3.065 bzw. 38,4%) sind in Österreich geboren. Für den bereits sechsten Rückgang der Einbürgerungszahlen in Folge seit dem „Rekordjahr“ 2003 (45.112 Einbürgerungen) sind im wesentlichen zwei Aspekte verant- wortlich: Zum einen knüpft die am 23. März 2006 in Kraft getretene Novelle zum Staats- bürgerschaftsgesetz strengere Vorausset- zungen an den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft. Zum anderen ging die Zuwanderung nach Österreich ab dem Jahr 1993 zurück und dazu zeitversetzt in den nen (35,1% aller Einbürgerungen), im Jahr sonen im Ermessen eingebürgert, z.B. weil letzten sechs Jahren auch die Verleihung der 2009 sank diese Zahl auf 1453 Personen sie die österreichische Staatsbürgerschaft Staatsbürgerschaft nach mindestens zehnjäh- (18,2% aller Einbürgerungen). schon einmal besessen haben („Wiedererlan- rigem, ununterbrochenem Hauptwohnsitz in Verleihungen nach mindestens zehnjähri- gung“) oder wegen außerordentlicher Lei- Österreich (§ 10 Abs. 1 StbG). Im Jahr 2003 gem Wohnsitz (-36,9% gegenüber 2008) fal- stungen im Staatsinteresse. Weitere 3822 Per- wurden noch 15.835 Personen nach diesem len unter den Rechtsgrund „Ermessen“. Im sonen erhielten im Jahr 2009 die österreichi- Rechtsgrund österreichische StaatsbürgerIn- abgelaufenen Jahr wurden weitere 113 Per- sche Staatsbürgerschaft unter dem Titel

Einbürgerungen 2009 nach Wohnbundesländern und Rechtsgrund

Wohnbundesland 2009 2008 Veränderung in % 2009 nach dem Rechtsgrund 1) Ermessen Anspruch Erstreckung

Österreich inkl. Ausland 7.990 10.268 -22,2 1.566 3.822 2.602 Ausland 12 10 20,0 2 10 - Österreich ohne Ausland 7.978 10.258 -22,2 1.564 3.812 2.602 Burgenland 157 170 -7,6 32 66 59 Kärnten 319 427 -25,3 113 79 127 Niederösterreich 1.202 1.550 -22,5 326 448 428 Oberösterreich 1.313 1.458 -9,9 70 780 463 Salzburg 518 586 -11,6 154 169 195 Steiermark 557 805 -30,8 112 252 193 Tirol 632 800 -21,0 150 299 183 Vorarlberg 425 680 -37,5 49 271 105 Wien 2.855 3.782 -24,5 558 1.448 849

Quelle: Statistik Austria, Statistik der Einbürgerungen. - 1) Paragraph des StbG 1985 idF der Novelle 2005 (in Kraft seit 23.3.2006); Ermessen: § 10 - Anspruch: §§ 11a, 12-14, 25, 58c - Erstreckung: §§ 16,17.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 41 Chronik

„Rechtsanspruch“ (Veränderung zum Vor- jahr: -8,9%), darunter 687 Personen auf- Einbürgerungen 2008 und 2009 nach der bisherigen Staatsbürgerschaft grund der Ehe mit einer Österreicherin oder einem Österreicher (-12,3%) und 1385 Per- sonen (+17,0%) aufgrund eines mindestens sechsjährigen Wohnsitzes in Österreich und besonders berücksichtigungswürdigen Grün- den, z. B. weil sie asylberechtigt oder EWR- Bürger waren oder in Österreich geboren sind. Schließlich wurden unter dem Titel „Erstreckung der Verleihung“ 2602 Ehepart- ner und Ehepartnerinnen sowie Kinder ein- gebürgert (-28,2%). In allen Bundesländern wurden 2009 weniger Einbürgerungsbescheide als im Jahr davor ausgestellt. Die relativ stärkste Ab- nahme gegenüber dem Vorjahr verzeichnete Quelle: Statistik Austria, Statistik der Einbürgerungen. Vorarlberg mit einem Rückgang um 37,5%, gefolgt von der Steiermark (-30,8%), Kärn- ten (-25,3%), Wien (-24,5%) und Niederös- Eingebürgerte Personen und Einbürgerungsrate seit 1971 terreich (-22,5%). In Tirol (-21,0%), Salz- burg (-11,6%), Oberösterreich (-9,9%) und im Burgenland (-7,6%) lagen die Rückgänge der Einbürgerungszahlen jeweils unter dem Bundesdurchschnitt. Die Zahl der Einbürge- rungen von Personen mit Wohnsitz im Aus- land stieg von zehn im Vorjahr auf zwölf Personen im Jahr 2009. Unter den mehr als 100 Herkunftsländern waren laut Statistik Austria die seit Mitte 2006 nicht mehr gemeinsam existierenden Staaten Serbien und Montenegro mit zusam- men 2.003 bzw. 25,1% der Eingebürgerten absoluter Spitzenreiter (Serbien: 1.638, Kosovo: 353, Montenegro: 12). Die Zahl der Einbürgerungen von Personen dieser Staaten Quelle: Statistik Austria, Statistik der Einbürgerungen. - Erstellt am 12.02.2010. 1) Einbürgerung von in Österreich reduzierte sich gegenüber 2008 um 22,8%. lebenden AusländerInnen. 2) Einbürgerungen auf 100 in Österreich lebende AusländerInnen. Aus Bosnien und Herzegowina kamen 1.457 (18,2%; Veränderung zum Vorjahr -34,0%), Knapp zwei von fünf der eingebürgerten Methodische Informationen, aus der Türkei 1.242 (15,5%; -25,4%) und Personen sind bereits in Österreich geboren Definitionen aus Kroatien 440 (5,5%; -46,6%) Neo- (3065 bzw. 38,4%). 4.925 NeubürgerInnen Die Statistik der Einbürgerungen basiert ÖsterreicherInnen. (61,6%) des Jahres 2009 sind irgendwann in auf den Angaben aus den rechtskräftigen Be- Weiters wurden im Jahr 2009 281 Zu- ihrem Leben nach Österreich zugewandert. scheiden über die Verleihung der Staatsbür- wanderer aus Mazedonien (-25,5% gegen- Die Reihung der ausländischen Geburtsstaa- gerschaft der Ämter der Landesregierungen über 2008) und 246 Personen aus Rumänien ten wird von Bosnien und Herzegowina Österreichs und wird im Auftrag des Bun- (-35,6%) eingebürgert. Zwischen 100 und (12,9% der eingebürgerten Personen), desministeriums für Inneres durchgeführt. 200 Einbürgerungsbescheide gingen an Per- Serbien (9,1%), der Türkei (7,5%) und dem Die Statistik der Einbürgerungen dokumen- sonen aus folgenden Staaten (absolut, Ver- Kosovo (3,2%) angeführt. tiert sämtliche durch Willenserklärung des änderung zum Vorjahr in %): Deutschland Gliedert man die eingebürgerten Perso- Erwerbers und nachfolgendem Behördenakt (174, +159,7%), Polen (138, +7,0%), Rus- nen des Jahres 2009 nach dem Alter, zeigt bewirkte Arten des Erwerbs der Staats- sische Föderation (135, +6,3%), Ägypten sich, daß über drei Fünftel (4948 oder 61,9%) bürgerschaft nach StbG 1985, idF Novelle (124, +2,5%), Afghanistan (108, +1,9%) und unter 30 Jahre alt waren, wobei allein mehr 2005 (§§ 10 bis 25 und 58c), nicht hinge- Iran (103, +4,0%). Je 50 bis 99 Personen als die Hälfte davon (2669 oder 33,4% aller gen die automatischen Erwerbsarten wie waren vor ihrer Einbürgerung Staatsange- Eingebürgerten) jünger als 15 Jahre waren. Geburt oder Legitimation eines nichteheli- hörige Indiens, der Ukraine, Chinas, Un- Weitere 2.264 Personen oder 28,3% standen chen Kindes. Die Einbürgerungsstatistik um- garns, Bulgariens, der Philippinen, der Slo- im Alter von 30 bis 44 Jahren, 628 oder 7,9% faßt sowohl Einbürgerungen von in Öster- wakei und der USA; je 10 bis 49 Personen waren zwischen 45 und 59 Jahre alt, und nur reich als auch von im Ausland wohnhaften kamen aus weiteren 32 Staaten bzw. waren 138 oder 1,9% hatten das 60. Lebensjahr Personen. staatenlos gewesen. überschritten. http://www.statistik.at

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 42 Chronik Lipizzaner am Heldenberg Berlakovich, Pröll und Gürtler stellen Ausbaupläne der Spanischen Hofreitschule vor – Fortführung des Gestüts in Piber steht außer Diskussion Foto: Spanische Hofreitschule Die Erweiterung des »Ferienstalls« im niederösterreichischen Heldenberg dient dazu, zahlenmäßig mehr junge Lipizzaner- hengste für die Hohe Schule der Reitkunst ausbilden zu können, als das bisher möglich war.

b heuer wird das bisherige Sommer- hengste ausgebildet“, so Landwirtschaftsmi- Bund und dem Land Niederösterreich getra- Aquartier der jungen Lipizzanerhengste nister Niki Berlakovich am 15. Februar zu gen. am Heldenberg (rund 50 km von Wien in dem neuen Ausbildungszentrum im Rahmen „In bezug auf unsere Unternehmens- Richtung Horn) ganzjährig genutzt und aus- einer Pressekonferenz. standorte entstehen seit Jahren leider immer gebaut. Schon lange wurde nach einem ge- Die Erweiterung des „Ferienstalls“ in wieder massive Mißverständnisse. Das Som- eigneten Platz gesucht, um mehr Hengste Niederösterreich dient dem Zweck, zahlen- merquartier – von dem nun die Rede ist – ausbilden zu können. Viele Standorte waren mäßig mehr junge Lipizzanerhengste für die war schon seit jeher immer unabhängig vom im Gespräch, nun ist die Entscheidung auf- Hohe Schule der Reitkunst ausbilden zu Gestüt in Piber zu sehen. Die Schulhengste grund der bereits vorhandenen Infrastruktur können, als das bisher möglich war. Der der Spanischen Hofreitschule haben ihre vor- und der Erfahrung auf Heldenberg gefallen. Stall in der Wiener Stallburg bietet Platz für stellungsfreie Zeit nie im Gestüt in Piber ver- „Die Spanische Hofreitschule ist die älteste 72 Hengste, zum Trainieren steht lediglich bracht, sondern stets im Lainzer Tiergarten klassische Reitschule der Welt und die Lipiz- die barocke Winterreitschule zur Verfügung. oder seit dem Jahr 2005 am Heldenberg in zaner sind über die Grenzen hinweg be- Bereits im Jahr 2008 wurde im Auftrag des Niederösterreich. Nie gab es Überlegungen, kannt. Sie sind Botschafter österreichischer Lebensministeriums ein Unternehmenskon- aufgrund eines Sommerquartiers das Gestüt Kulturgeschichte. Wesentliches Kapital der zept für die nächsten fünf Jahre erstellt, das in Piber zu schließen oder zu verkleinern. Spanischen Hofreitschule ist neben der den Aufbau einer zweiten Equipe als In- Auch jetzt, wo wir das Sommerquartier am Zucht in Piber die langjährige und klassische vestition in die Zukunft vorsieht. Dadurch Heldenberg ausgebaut haben, ist Piber in kei- Ausbildung von Pferd und Reiter. In beides soll es möglich sein, zeitgleich eine Tournee ner Weise in seiner essentiell wichtigen Funk- muß investiert werden, um die einzigartige im Ausland und vollwertiges Vorführungs- tion als Zuchtstandort für unsere Lipizzaner Qualität auch für die Zukunft sicherstellen programm in Wien bieten zu können. Die in Frage gestellt“, so die Generaldirektorin zu können. Darum werden ab heuer auch am nötigen Investitionen für den Umbau und die der Spanischen Hofreitschule, Elisabeth Heldenberg die berühmten Lipizzaner- Erweiterung werden jeweils zur Hälfte vom Gürtler.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 43 Chronik

Bereits im Herbst 2009 wurden die vor- handenen 81 Pferdeboxen winterfest ausge- baut. Derzeit sind bereits 12 junge Hengste der Spanischen Hofreitschule am Heldenberg und werden regelmäßig von zwei Bereiter- anwärtern unterrichtet. Sobald die Reithalle (mit den internationalen Standardmaßen von 20 x 60 Meter) fertig gestellt ist, wird der Unterricht aus dem derzeit provisorisch adaptierten Heulager in die neue Halle ver- legt. Sofern es die Witterung zuläßt, wird diese Reithalle, die auch 300 Zuschauer- plätze bietet, bereits Ende März 2010 fertig gestellt sein. Langfristig ist geplant, bis zu 30 Hengste am Heldenberg ausbilden zu kön- nen. Das bisherige Sommerquartier ist somit ab 2010 als ganzjährig genutzter Standort der Spanischen Hofreitschule in Betrieb. „Wir Niederösterreicher sind natürlich sehr stolz darauf, die berühmten Lipizzaner bei uns zu haben. Mit der Errichtung des Sommerquartiers am Heldenberg 2005 war bereits ein erster wichtiger Schritt getan. Der Ausbau zu einem Ganzjahresbetrieb bedeu- tet natürlich eine weitere Aufwertung für die Region. Auch die geplante, ein Mal pro Jahr Mutterstute mit ihrem Fohlen auf der Weide Foto:BMLFUW stattfindende Sonder-Vorführung am offenen Reitplatz direkt neben Schloß Wetzdorf wird viel Ausdauer und hohe Konzentration von unterschiedlich. Unsere Aufgabe ist, neben von uns allen sehr begrüßt. Das Land Nie- Pferd und Bereiter erfordern. der allgemeinen Ausbildung, auch zu erken- derösterreich wird – wie bereits in der Ver- Bereiter Herwig Radnetter: „Unsere nen, welcher Hengst sich für welche Lek- gangenheit – stets bemüht sein, eine optima- Hengste sind Spezialisten. Nicht jeder kann tionen der hohen Schule am besten eignet.“ le Zusammenarbeit mit der Spanischen Hof- alles – ähnlich wie beim Menschen, sind Nach 1 bis 2 Jahren allgemeiner Aus- reitschule zu pflegen“, freut sich der Nieder- auch bei unseren Pferden die Begabungen bildung in den Grundgangarten Schritt, Trab österreichische Landeshauptmann Erwin und Galopp werden die jungen Hengste dann Pröll über die neue Touristenattraktion. einem Bereiter oder Bereiteranwärter zuge- Zuletzt wurde im Juli 2006 eine Sonder- teilt. Üblicherweise ist das eine Art „Lebens- vorführung der Lipizzaner am Heldenberg gemeinschaft“, da Pferd und Bereiter im Ideal- gezeigt. Dieses Kurzprogramm aus dem fall ein manchmal jahrzehntelanges Team klassischen Vorführungsrepertoire der Spa- bleiben. nischen Hofreitschule in Wien wird mit Ein Teil der Bereiter-Ausbildung besteht Sicherheit auch heuer der Höhepunkt des auch darin, einen jungen Hengst bis zur „Lipizzanersommers“ in Niederösterreich. „Vorführungsreife“ auszubilden. Nach etwa Darüber hinaus werden auch wieder regel- 4 bis 5 Jahren als Eleve (= Lehrling) ist die mäßige Besichtigungszeiten in den Stallun- nächste Ausbildungsstufe der so genannte gen angeboten. Auch ein öffentlich zugäng- „Bereiteranwärter“. In diesen weiteren 4 bis liches Training der Pferde einmal pro Woche 5 Jahren ist es das Ziel, ein junges Pferd aus- ist angedacht. zubilden. Erst wer es geschafft hat, selbst perfekt zu reiten und die hohe Schule der Die Ausbildung Reitkunst selbst zu beherrschen und dieses Bis aus einem grau melierten, übermüti- Wissen dann auch an sein Pferd weitergeben gen Junghengst ein reinweißer Lipizzaner kann, wird nach etwa 8 bis 10 Jahren zum der Spanischen Hofreitschule geworden ist, Bereiter an der Spanischen Hofreitschule. vergehen etwa 6 bis 8 Jahre. Während dieser Jedes Mitglied der Equipe ist im Durch- langen Zeit wird genau darauf geachtet, wel- schnitt für 3 bis 6 Schulhengste verantwort- che natürlichen Anlagen jeder einzelne lich. Nur diese intensive und konsequente Hengst mitbringt. Während der eine eher Zusammenarbeit ermöglicht dieses weltweit Foto: BMLFUW Talent für die sogenannten Schulsprünge einzigartige Niveau an Reitkunst, für das die Eine der schwierigsten Anforderungen zeigt, kann es sein, daß ein anderer mehr für an den Lippizzaner: die »Pessade unter Spanische Hofreitschule berühmt ist. die Schulquadrille geeignet erscheint, die dem Reiter« http://www.srs.at

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 44 Chronik Neuer Aussichtsturm für den Pyramidenkogel Foto: klaura+kaden architekten / © Visualisierung: H. Kramer Der Turm besteht aus 18 mächtigen, elliptisch angeordneten Holzstützen, die sich in den Himmel schrauben…

m Herbst 2010 erfolgt der Baubeginn für „In Keutschach entsteht ein Projekt der kündigte, die Filmrechte für die Sprengung Iden neuen Aussichtsturm auf dem Pyrami- Sonderklasse, unter anderem aus Mitteln des des bestehenden, über 40 Jahre alten Tur- denkogel. Die Eröffnung des neuen Turmes Kärntner Zukunftsfonds“, sagte Martinz. mes, in Kürze auszuschreiben. aus Holz ist im Mai 2011 geplant. Das gaben Auch aus dem Gemeindereferat werde der Der neue Turm steht unter dem Motto Kärntens Finanzlandesrat Harald Dobernig Neubau des Aussichtsturmes mit allen Kräf- „Tanz in der Landschaft“, da die aus Ellipsen sowie Tourismus- und Gemeindelandesrat ten unterstützt. Immerhin gehöre der Pyra- aufgebaute Konstruktion frei in der Land- Josef Martinz in einer gemeinsamen Presse- midenkogel zu den beliebtesten Ausflugszie- schaft stehen wird. Insgesamt wird es sechs konferenz mit dem Keutschacher Bürger- len in Kärnten. Weit über 100.000 Besucher Aussichtsterrassen mit 360 Grad-Ausblick meister Gerhard Oleschko in bekannt. Im jährlich genießen den Ausblick von den Tau- geben, die oberste wird sich in 83 Meter Anschluß wurde die Fördervereinbarung ern bis zu den Karawanken. Der neue Turm Höhe befinden. In 70 Meter Höhe wird ein zwischen dem Land Kärnten und der Ge- würde ein Magnet für ganz Kärnten werden. Besuchercafe eingerichtet, zusätzlich ist ein meinde Keutschach unterzeichnet und damit „Obwohl die Gemeindefinanzen knapp sind, Restaurationsbetrieb im Erdgeschoß geplant. der Finanzierungsbeitrag des Landes fixiert. ist der Neubau durch die Zusammenarbeit Eine besondere Attraktion wird die höchste Dobernig bezeichnete den neuen Aus- der Kommunen möglich geworden und wird Rutsche Europas, die aus 66,5 Meter im sichtsturm der Klagenfurter Architekten ein Leitprojekt für eine ganze Region. Das Inneren des Turmes in die Tiefe geht. Dafür, Markus Klaura und Dietmar Kaden als „ein- ist der Kurswechsel: über die Gemeinde- daß das neue Bauwerk auch in der Nacht ein zigartiges Projekt“, weil mit dem Rohstoff grenzen hinaus schauen und gemeinsam für buchstäblicher Leuchtturm wird, soll ein Holz gearbeitet werde. „Mit einhundert Me- die Region kämpfen“, so Martinz. ausgeklügeltes Lichtkonzept sorgen. tern Höhe entsteht am Pyramidenkogel der Oleschko zeigte sich als „Bauherr“ er- Insgesamt werden 10 Millionen Euro in höchste Holzturm Europas. Wir schaffen so freut darüber, daß der neue Aussichtsturm nun den Neubau investiert: 3,5 davon kommen ein touristisches und architektonisches Leucht- nach jahrelanger Vorarbeit Realität werde. vom Land Kärnten, 2,5 über eine Beteili- turmprojekt für ganz Kärnten, das auch bei „Wir setzen damit positive Akzente für den gung der Kärntner Tourismusholding (KTH), Schlechtwetter ein Anziehungspunkt sein gesamten Mittelkärntner Raum. Es freut die restlichen vier werden über Kredit finan- wird. Neben der touristischen Komponente mich, daß das Projekt nun durch die Bünde- ziert. werden aber auch wichtige Arbeitsplätze lung aller positiven Kräfte umgesetzt werden http://www.pyramidenkogel.info geschaffen“, so Dobernig. kann“, so der Bürgermeister, der auch an- http://www.klaura-kaden.at

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 45 Chronik Nicht selbstverständliches, aber unverzichtbares Engagement 27 neue Feuerwehrkommandanten und 18 neue Rot-Kreuz-Offiziere für die Steiermark

RK-Präs. Schöpfer, LBD Kern, die neuen Kommandantinnen Evelyn Liebmann und Barbara Muhr, Univ.- Prof. Neuhold und LH Voves bei der Dekretverleihung in der Aula der Grazer Alten Universität. (v.l.) Foto: Frankl

it 27 neuen Feuerwehrkommandanten, der Landeshauptmann in seiner Rede. Rot- Mdarunter einer Frau und 18 neuen Rot- Kreuz-Präsident Schöpfer betonte die Be- Kreuz-Kommandanten, darunter drei Frau- deutung der Leistungen der ehrenamtlichen en, wurde das Netz der steirischen Einsatz- Mitarbeiter für die Gesellschaft: „Alle 59 Se- organisationen wesentlich verstärkt. Sie kunden fährt in der Steiermark ein Rettungs- haben vor kurzem ihre Kommandantenaus- wagen zum Einsatz. Dabei leisten 10.000 bildung abgeschlossen. Ihre Ernennungsde- Menschen aus allen sozialen Schichten rund krete überreichten Steiermarks Landeshaupt- 2,6 Millionen freiwillige Arbeitsstunden.“ mann Franz Voves, Landesbranddirektor Auch LBD Kern hob die Leistungen der (LBD) Albert Kern und der Präsident des freiwilligen Einsatzorganisationen hervor: steirischen Roten Kreuzes, LR aD. LAbg. „Wir schauen hin, wenn andere wegschauen. Univ.-Prof. Gerald Schöpfer, in der Aula der Ihr unverzichtbares, aber nicht selbstverständ- Grazer Alten Universität am 4. Februar den liches Engagement in 50.000 Einsätzen hat neuen Kommandanten. im vergangenen Jahr nicht nur Sachwerte in „Sie als Kommandanten in den steiri- Millionhöhe gerettet, sondern darüber hin- schen Einsatzorganisationen sind wichtige aus auch einen Beitrag zum menschlichen Säulen in der Sicherheitsarchitektur unseres Gesicht unserer Gesellschaft geleistet.“ Landes. Für die politische Führung ist es Univ.- Prof. Neuhold unterstrich in seiner wichtig, mit Ihnen in engem Kontakt zu ste- Festrede die Notwendigkeit einer Strukturie- hen, um Ihre Anregungen zu erfahren, aber rung der Nächstenhilfe in den verschiedenen auch, um Ihre Probleme direkt kennen zu Einsatzorganisationen: „Sie verkörpern das Foto: http://www.bilderbox.biz lernen. Unsere Aufgabe ist es, diese gemein- Sozialkapital, das für die Gesellschaft ent- Sie schauen hin, wenn andere weg- sam zu lösen und wo es uns möglich ist, ge- schauen: die Tausenden Mitarbeiter scheidend mehr beiträgt, als das Finanzkapi- meinsam Verbesserungen zu schaffen“, sagte von Rettung und Feuerwehr tal.“

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 46 Gastronomie & Kulinarisches Einzigartig in Europa Bereits 800 Gastronomen beteiligen sich am AMA-Gastrosystem

m Auftrag des Kuratoriums Kulinarisches IErbe hat die AMA Marketing gemeinsam mit der Branche ein Herkunftssicherungs- system für die Gastronomie entwickelt. Dieses AMA-Gastro-System kommuniziert den Gästen klar, woher die Rohstoffe für die zubereiteten Gerichte stammen. Dem AMA-Gastrosystem liegt eine Richt- linie zugrunde, die gemeinsam von Vertre- tern der Landwirtschaft sowie Tourismus/ Gastronomie/Hotellerie erarbeitet und wei- ter entwickelt wurde. Diese Gastro-Richt- linie regelt etwa die Zulassungskriterien, ver- bindliche und freiwillige Angaben zur Her- kunft der Rohstoffe bzw. Produktionsweise, gibt Auskunft über die notwendigen Auf- zeichnungen und definiert die Form der Aus- lobung, etwa auf der Speisekarte.

Einzigartig in Europa „Bislang gab es weder auf nationaler noch auf EU-Ebene eine Regelung zur Foto: APA/Strasser/AMA Marketing Kennzeichnung und Dokumentation näherer Stephan Mikinovic (GF AMA Marketing), Birgit Mondl (Projektleiterin AMA-Gastro- Angaben bei zubereiteten landwirtschaft- system), Sabine Flöcklmüller (Generalsekretärin Kuratorium Kulinarisches Erbe) und KR Helmut Hinterleitner (Obmann des Fachverbandes Gastronomie der WKÖ) lichen Produkten in der Gastronomie und präsentieren das neue Gastro-Booklet »Total Regional« (v.l.) Hotellerie. Doch den KonsumentInnen wird es immer wichtiger zu erfahren, woher die Qualität und Frische auf den Teller be- dann entweder auf der Speisekarte, auf Lebensmittel kommen, die sie verzehren. Das kommt – die Garantie für Genuß auf höch- Tischständern oder in Schaukästen für den haben unsere Gastronomen eben erkannt und stem Niveau! Konsumenten ersichtlich. Die Produkte nutzen in einer Art Schulterschluß mit der Die Gastronomie hat als Veredler und müssen also klar deklariert sein. Das schließt Landwirtschaft die Köstlichkeiten, die unser Mittler des Produktes gegenüber dem Gast aber nicht aus, daß auch Lebensmittel aus Land bietet, zum Vorteile aller“, erläutert auch eine sehr wichtige Funktion für die re- anderen Herkünften im Betrieb verwendet Stephan Minikovic, Geschäftsführer der gionale Landwirtschaft. Ich hoffe, daß es uns werden dürfen. Die klare Deklaration macht AMA Marketing. Gute lokale Küche und gelingt, die mit diesem gemeinsamen Pro- es dem Gast dann möglich, eine bewußte ausgezeichnete Qualität, Regionalität und jekt begonnene Partnerschaft künftig noch Wahl zu treffen. Authentizität im gastronomischen Angebot weiter auszubauen und zu vertiefen,“ so spielen bei in- und ausländischen Gästen Hinterleitner. »Total regional«-Booklet: 600 Betriebe eine immer wichtigere Rolle. Die Basis von der Almhütte bis zum Hauben-Lokal dafür sind gesunde und frische Produkte aus Verpflichtende Teilnahme Im „Total Regional“-Booklet sind rund der regionalen Landwirtschaft. an fünf Produktgruppen 600 der teilnehmenden Betriebe, die die ge- „Als Obmann des Fachverbandes Gastro- Die teilnehmenden Gastronomen ver- forderten Kriterien bereits erfolgreich im nomie freue ich mich über diese gemeinsa- pflichten sich, für Produkte aus fünf vorge- Betrieb umgesetzt haben, liebevoll beschrie- me Initiative, die wachsenden Zuspruch gebenen Kategorien, die Herkunft auszuwei- ben von Alexander Jakabb. Besonders her- unter den Gastronomen findet. Damit wer- sen. Diese Kategorien sind ausgearbeitet wurden dabei Lokalkolorit, den jene Betriebe vor den Vorhang geholt, Fleisch, Atmosphäre, Standortbesonderheiten sowie die dieses Bekenntnis in ihrer täglichen Milch und Milchprodukte die Menschen, die das Lokal „ausmachen“, Arbeit kompromißlos umsetzen“, betont KR Eier wie die Wirtsleute, die Betreiber, Küchen- Helmut Hinterleitner, Obmann des Fachver- Erdäpfel, Obst und Gemüse und chefs. Traditionelle und regionaltypische bandes Gastronomie in der Wirtschaftskam- Wild, Fisch Gerichte und Spezialitäten wurden mit auf- mer Österreich. Für mindestens eine der beiden Produktgrup- genommen. Das Booklet umfaßt 264 Seiten, „Durch das AMA-Gastrosiegel hat auch pen muß die Herkunft bekannt gemacht wer- ist in einer Auflage von 25.000 Stück er- der Gast die Sicherheit, daß er Lebensmittel den. schienen und zum Preis von 5 Euro erhält- aus heimischer Landwirtschaft in bester Die Herkunft der einzelnen Produkte ist lich unter http://www.ama-marketing.at

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 47 Gastronomie & Kulinarisches Weinviertel ab Jahrgang 2009 auch als Reserve Mit Weinviertel DAC Reserve knüpft das Weinviertel nun auch an die 2-Stufigkeit der übrigen DAC’s in Österreich an.

m Jahr 2003 war das Weinviertel das erste Iösterreichische Weinbaugebiet, das typi- sche Herkunftsweine ausschließlich unter dem Namen des Gebietes vermarktet hat. Weinviertel DAC übernahm somit die Vor- reiterrolle unter den Weinen mit klarer Iden- tität und einem typischen Geschmacksprofil. Bisher haben sich mit Mittelburgenland, Trai- sental, Kremstal, Kamptal, Leithaberg und Eisenberg weitere sechs Gebiete diesem Sy- stem angeschlossen. Ab dem Jahrgang 2009 wird nun auch im Weinviertel die mögliche 2-Stufigkeit im DAC-System mit einer Reserve-Stufe eingeführt. Damit soll das Ge- schmacksbild noch typischer und die Zahl der Weine, welche unter Weinviertel auf dem Markt kommen, erhöht werden.

Weinviertel DAC Reserve als zusätzliche Geschmacksprofilierung Foto: ÖWM / Komitee Weinviertel Mittelburgenland, Traisental, Kremstal, Ulrike Hager, Geschäftsführerin Komitee Weinviertel, Josef Pleil, Weinbaupräsident, und Roman Pfaffl, Obmann Weinkomitee Weinviertel Kamptal und Eisenberg brachten gleichzei- tig eine Reserve-Kategorie auf den Markt Kriterien für Weinviertel DAC Reserve schriftliche Mitteilung an das Regionale (außer Leithaberg: hier gibt es nur eine Re- Wie für den Weinviertel DAC, gilt auch Weinkomitee Weinviertel zu erfolgen. serve-Kategorie). Ein Reserve-Wein ist der für die Reserve das klare, gebietstypische Die Abfüllung hat innerhalb des Herstel- Top-Wein, die höchste Qualität eines Betrie- Geschmacksprofil eines pfeffrigen Grün- lungsbetriebes und im Weinviertel zu er- bes, Aushängeschild und somit das Herz- en Veltliners aus dem Weinviertel, zusätz- folgen. Außerhalb des Gebietes bedarf stück des Betriebes. Daher müssen auch die lich mit den folgenden Charakteristiken: die Abfüllung ebenfalls der Genehmi- Kriterien für einen gebietstypischen Top- trocken, dichte Struktur und langer Ab- gung durch das Regionale Weinkomitee. Wein streng sein – um die hohe Qualität der gang, kräftige Stilistik, zarter Botrytis- Wein mit der Verkehrsbezeichnung Wein- Weine zu garantieren. und Holzton ist zulässig. viertel DAC Reserve darf nur abgegeben Nach langjährigen Diskussionen hat das Der Mindestalkohol liegt bei 13,0% vol werden, wenn die Flasche mit einer spe- Regionale Weinkomitee Weinviertel Anfang am Etikett, die Einreichung zur staat- zifischen Kapsel versehen ist. Diese ein- September die Einführung einer Weinviertel lichen Prüfnummer darf nicht vor dem heitliche Kapsel für Weinviertel DAC DAC Reserve ab dem Jahrgang 2009 be- 15. März des auf die Ernte folgenden und Weinviertel DAC Reserve, kann le- schlossen. „Damit will das Weinviertel auch Jahres erfolgen. diglich mit einer Ermächtigung vom die Top-Weine des Gebiets mit der erfolgrei- Traubenzukauf zur Herstellung von Wein- Weinkomitee Weinviertel bezogen wer- chen Herkunft Weinviertel versehen und so viertel DAC Reserve ist nur innerhalb des den. Zusätzlich ist ein Beitrag pro Kapsel diesen Weinen noch größere Bedeutung bei- Gebietes möglich. Auf der Rechnung muß zu entrichten, der dem Weinkomitee messen“ erklärt Roman Pfaffl, Obmann des der Vermerk „Trauben für Weinviertel Weinviertel zur Verfügung steht. Weinkomitees Weinviertel den Entschluss DAC Reserve“ und das natürliche Most- Ab dem Jahrgang 2012 muß jeder Be- für Weinviertel DAC Reserve. „Diese Weine gewicht in KMW angegeben werden. trieb, der Weinviertel DAC Reserve her- symbolisieren die Schlagkraft und Stärke Im Rahmen der Vergabe der staatlichen stellt, nach einem regionalen Qualitäts- des Weinviertels.“ Das Konzept wurde Ende Prüfnummer müssen vier von sechs Ko- managementsystem zertifiziert sein, das 2009 dem Nationalen Komitee zur Begutach- stern zustimmen, daß der Wein in sensori- vom Regionalen Weinkomitee Weinvier- tung vorgelegt und erging nach positiver scher Hinsicht unter Weinviertel DAC tel erarbeitet und von einem externen Beurteilung an das Lebensministerium, wo es Reserve verkehrsfähig ist. Auditor durchgeführt wird. im Februar von Minister Niki Berlakovich Vor erstmaliger Beantragung zur Ertei- http://www.österreichwein.at unterzeichnet wurde. lung der staatlichen Prüfnummer hat eine http://www.weinvierteldac.at

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 48 Personalia / Kirche Ehrung für Peter Krömer Dem langjährigen Präsidenten der Synode A.B. und der Generalsynode wurde das »Große Silberne Ehrenzeichen mit dem Stern« verliehen

it einem Festgottesdienst und einem MFestakt hat die Evangelische Kirche am 21. Februar den 60. Geburtstag von Synodenpräsident Peter Krömer und Pfarrer Herbert Graeser begangen. Beim Festakt in der Kapelle des NÖ-Landhauses in St. Pöl- ten wurde bekannt, daß der Bundespräsident dem St. Pöltner Rechtsanwalt und langjähri- gen Präsidenten der Synode A.B. und der Generalsynode das „Große Silberne Ehren- zeichen mit dem Stern für Verdienste um die Republik Österreich“ verliehen hat. Seit 25 Jahren ist Krömer Mitglied der Synoden, seit 1992 habe er „als Präsident der Synoden die rechtlichen Rahmenbedingungen des kirch- lichen Wirkens bestimmt“ und die synodale Form der Kirchenleitung wahrgenommen, sagte Ministerialrat Karl Schwarz in seiner Laudatio. Neben seinem Engagement in der Pfarrgemeinde – Krömer ist seit 25 Jahren

Kurator in St. Pölten – und seiner Leitungs- Foto: epdÖ/M.Uschmann tätigkeit in der Synode vertritt der anerkannte Bürgermeister Matthias Stadler gratuliert Synodenpräsident Peter Krömer Jurist die Evangelische Kirche in der Kon- ferenz Europäischer Kirchen und arbeitet in Der Geburtstag sei ein „Grund zur Dank- biblisches Lebensmotto „Dient einander, ein der Kommission „Kirche und Gesellschaft“ barkeit, daß Gott die beiden Menschen mit jeder mit der Gabe, die er empfangen hat, als zum Thema Religionsfreiheit mit. „Keiner“, den vielfältigen Gaben, die sie mitbringen, die guten Haushalter der mancherlei Gnade so Schwarz, „vermag die Stunden zu ermit- ausgestattet hat“, sagte Superintendent Paul Gottes“. teln, die du ehrenamtlich in den unterschied- Weiland, der gemeinsam mit der St. Pöltner Gekommen waren zu dem Fest über 250 lichen Gremien und Ebenen zugebracht hast: Pfarrerin Baukje Leitner-Pijl durch den Fest- GratulantInnen aus der Evangelischen Kir- verhandelnd, diskutierend, vortragend, mode- akt führte. che, der Ökumene und dem öffentlichen Le- rierend, predigend und betend.“ Krömer Der St. Pöltner Bürgermeister, Matthias ben, darunter sämtliche Mitglieder des Ober- habe seiner Kirche „außergewöhnlich viel“ Stadler, würdigte die Fähigkeit der beiden kirchenrates, mehrere Superintendenten und Zeit geschenkt. Sein Engagement sei nicht Jubilare, „Gemeinschaft zu leben“. Graeser SuperintendentialkuratorInnen aus Wien, nur der Evangelischen Kirche zugute ge- sei „Seelsorger, wie man ihn sich vorstellt“, Niederösterreich und dem Burgenland, der kommen, „sondern auch unserer Gesell- der oft im Stillen für die Menschen agiere stellvertretende Synodenpräsident Eckart schaft und unserer Republik Österreich“, er- und „mit viel Hingabe“ seinen Glauben ver- Fussenegger, der reformierte Landessuper- klärte der Ministerialrat im Kultusamt. breite. Besonders hob Stadler in seinem intendent Thomas Hennefeld, Probst Maxi- Krömer feierte seinen Geburtstag ge- Grußwort auch das soziale Engagement von milian Fürnsinn von der Römisch-katholi- meinsam mit dem St. Pöltner Pfarrer Herbert Peter Krömer und seiner Familie hervor, das schen Kirche und Prof. Anas Schakfeh von Graeser. In seiner Predigt über die Konfir- sich „auch in schwierigen Situationen“ im- der Islamischen Glaubensgemeinschaft. Die mationssprüche der beiden Jubilare sagte der mer wieder erweise. Die „hohe soziale Kom- Liturgie des Festgottesdienstes, zu dem die evangelisch-lutherische Bischof Michael petenz“ der beiden Jubilare unterstrich auch Pfarrgemeinde St. Pölten und die Diözese Bünker, für beide sei ihr Glaube „Herzens- Landtagsabgeordnete Inge Rinke, die die Niederösterreich eingeladen hatten, gestalte- sache“. Glaube richte sich auf Gott, es brau- Glückwünsche des Landeshauptmanns über- ten Superintendent Paul Weiland, die che „Mut und Stärke, die Kraft des Evange- brachte. St. Pöltner Pfarrer Norbert Hantsch und Da- liums angesichts der Zustände in dieser Welt In seinen Dankesworten betonte Herbert niel Vögele sowie Lektor Arndt Neukirch- zu erweisen“. Der Auftrag Gottes, so der Graeser, der vor 32 Jahren aus Deutschland ner. Für die musikalische Gestaltung sorgten Bischof, bestehe darin, „das Ja durch das Du nach St. Pölten kam: „Ohne Gemeinde ist unter der Leitung von Diözesankantorin Gottes weiterzusagen“. So werde Kirche zur ein Pfarrer nichts.“ Kirche sei gebaut auf dem Sybille von Both Chöre aus St. Pölten und missionarischen Kirche, wobei sich dieser „Eckstein Jesus Christus“, dem „alle Ehre Melk-Scheibbs, an der Orgel war Marcus Auftrag „nicht nur an Spezialisten“, sondern gebührt“. Peter Krömer dankte besonders Hufnagl zu hören. an die ganze Gemeinde richte. auch seiner Familie und erinnerte an sein http://www.evang.at

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 49 Personalia / Kirche Erzdiözese Wien bittet um Informationen über Kaiserin Zita Hilfestellung für Seligsprechungsverfahren, das die Diözese Le Mans durchführt

ie Erzdiözese Wien bittet um Informa- wohnte in Schloß Hetzendorf im Süden über Spanien und Portugal die Flucht in die Dtionen, die etwas zum Seligsprechungs- Wiens. USA und schließlich ins kanadische Quebec. verfahren für die letzte österreichische Kai- Nachdem Erzherzog Franz Ferdinand am 1953 kehrte Zita nach Europa zurück, serin und Königin von Ungarn, Zita von 28. Juni 1914 in Sarajevo ermordet worden zunächst nach Luxemburg und 1962 ins Bourbon-Parma (1892-1989), beitragen kön- war, stieg Karl zum Thronfolger auf. Als Schweizer Zizers bei Chur. Ihr erster Sohn nen. Das Seligsprechungsverfahren für Kai- Kaiser Franz Joseph am 21. November 1916 und Thronprätendent Otto von Habsburg serin Zita wurde vergangenen November in starb, folgte ihm Karl als Kaiser von Öster- durfte 1966 zum ersten Mal nach Österreich der nordwestfranzösischen Diözese Le Mans reich (Karl I.) und König von Ungarn (Karl zurückkehren, nachdem er 1961 auf seine eröffnet. Im amtlichen Teil der jüngsten Aus- IV.) und Böhmen, und Zita wurde Kaiserin Thronrechte verzichtet hatte. Zita, die einen gabe des „Wiener Diözesanblattes“ (2/2010) von Österreich und Königin von Ungarn. solchen Verzicht ablehnte, war dieser Schritt ist das entsprechende Dekret des Bischofs Karl I. verzichtete – obwohl Zita Bedenken zunächst weiter verwehrt. von Le Mans, Yves Le Saux, veröffentlicht. In diesem ersten Teil des Verfahrens werden 1982 Rückkehr nach Wien Dokumente und Informationen gesammelt, Der spanische König Juan Carlos ver- die für oder auch gegen eine Seligsprechung mittelte schließlich, daß die österreichische sprechen. Bundesregierung unter Bruno Kreisky Zita Erläuternd heißt es dazu im Amtsblatt der 1982 auch ohne Verzichtserklärung und ohne Erzdiözese Wien: „Die Dienerin Gottes Zita Loyalitätserklärung für die Republik die hat sich in zahlreichen Diözesen, darunter Rückkehr nach Österreich gestattete – mit 90 auch Wien, aufgehalten, und zwar am Kai- Jahren und nach 63 Jahren Exil. Tausende serhof von Österreich von 1914 bis 1919 und Wiener bereiteten der Monarchin einen be- von 1982 an. Alle Personen, denen zum geisterten Empfang, als sie am 13. Novem- Leben, zum Ruf der Heiligkeit oder den Tu- ber – einem Samstag – um 18 Uhr eine von genden der Dienerin Gottes etwas bekannt Kardinal Franz König zelebrierte Messe im ist, werden gebeten, dies dem Postulator be- Wiener Stephansdom mitfeierte. kanntzugeben.“ Postulator des Seligspre- Der damalige Wiener Erzbischof begrüß- chungsprozesses für Zita ist der in der te die ehemalige Kaiserin und würdigte ihre Schweiz tätige Priester Cyrille Debris (Rue tiefe Religiosität mit den Worten: „In allen de la Lenda 13, CH-1700 Fribourg; (Tel./ diesen Jahren, seitdem Sie 1918 ihre Heimat Fax: +41-31-55.00.822). verlassen mußten, waren Ihnen der Glaube und tiefe Religiosität Stütze und Halt in die- Thronverzicht abgelehnt Foto: http://www.zeno.org – Zenodot Verlagsgesellschaft mbH sen schweren Zeiten. Ihre Worte und Ihr aus- Die vatikanische Kongregation für Heilig- Kaiserin Zita auf einer Postkarte der gewogenes Urteil, das wir in den letzten Mo- Neuen Photographischen Gesellschaft und Seligsprechungen hatte im Juni 2008 AG, Berlin-Steglitz, um 1910 naten aus den Medien erfahren haben, haben ihre Zustimmung zur Eröffnung des Verfah- auf uns alle einen tiefen Eindruck gemacht.“ rens für Zita gegeben. Zitas Ehemann und hatte – am 11. November 1918 auf die Aus- Nach ihrer Rückkehr lebte die Ex-Kai- letzter Habsburger-Monarch, Karl I. von Ös- übung der Regierungsgeschäfte; er dankte serin zurückgezogen auf Schloß Waldstein in terreich (1887-1922; Regierungszeit 1916- aber nicht ab. Im März 1919 ging die der Steiermark. In dieser Zeit pilgerte sie 18), wurde im Oktober 2004 von Johannes Familie ins Exil in die Schweiz. auch regelmäßig nach Mariazell und unter- Paul II. seliggesprochen. Zita unterstützte Karls Bemühungen um stützte nach Kräften die „Kaiser-Karl-Ge- Zita von Bourbon-Parma wurde am 9. Mai eine Wiedererlangung des Throns und be- betsliga“, die sich damals für die Seligspre- 1892 in Capezzano Pianore (Toskana) gebo- gleitete ihn im Oktober 1921 nach Ungarn. chung ihres verstorbenen Mannes einsetzte. ren. Ihre schulische Erziehung erhielt sie u.a. Der dortige Restaurationsversuch scheiterte Am 14. März 1989 starb sie in Zizers. Am im Salesianerinnen-Konvikt in Zangberg allerdings. Die Familie mußte auf die portu- 1. April wurde sie, nach einem feierlichen (Oberbayern) und in der Benediktinerinnen- giesische Insel Madeira. Kaiser Karl I. starb Requiem im Stephansdom, in der Wiener abtei St. Cecile auf der britischen Kanalinsel dort am 1. April 1922 an einer Lungenent- Kapuzinergruft beigesetzt. Wight. 1911 wurde sie in Schloß Schwarzau zündung. Die Witwe und Mutter von acht Wie lange das Seligsprechungsverfahren bei Wiener Neustadt mit Karl vermählt. Am Kindern lebte zunächst in Spanien und Bel- für Kaiserin Zita dauern wird, läßt sich der- 20. November 1912 kam ihr erster Sohn, gien, 1940 ergriff sie nach dem Angriff Hit- zeit nicht abschätzen. Erzherzog Otto, zur Welt. Das junge Paar lerdeutschlands auf Belgien und Frankreich http://stephanscom.at

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 50 Personalia Trauer um Johanna Dohnal Die ehemalige Frauenministerin und Ikone der Frauenbewegung ist am 20. Februar im Alter von 71 Jahren gestorben.

n einem Interview war sie einmal gefragt Iworden, ob es nicht deprimierend sei, von so vielen frauenrechtlichen Forderungen nur einen kleinen Teil erfüllt zu sehen. Dohnal lächelte und meinte, sie habe immer ein Vielfaches von dem gefordert, was sie – rea- listischerweise – umsetzbar gesehen hatte. Und so könne sie mit dem, was sie erreicht habe, wohl sehr zufrieden sein. Johanna Dohnal, geb. Diez, wird am 4. Fe- bruar 1939 in Wien geboren. Sie wächst bei ihrer Großmutter, einer Schneiderin, auf. Mit 14 beginnt sie eine Lehrausbildung als In- dustriekaufmann in einer Kunstharzpresserei im 7. Wiener Gemeindebezirk. Eine weitere Schulausbildung ist nicht zu finanzieren. 1956 tritt sie der SPÖ bei und ist in der Folge in der Bezirksorganisation der Partei aktiv. Erstes Engagement bei den Kinder- Foto: Stiftung Bruno Kreisky Archiv / Pressefoto Votava freunden. Ihr politisches Interesse wächst, sie Johanna Dohnal präsentiert 1979 die »Erste österreichische Frauenenquete«. Links nimmt an politischen Schulungen teil, orga- im Bild: Bundeskanzler Bruno Kreisky (*22. 1. 1911, † 29. 7. 1990) , rechts: Herta nisiert Parteiveranstaltungen und regelmäßi- Firnberg (r.), Bundesministerin für Wissenschaft und Forschung (* 18. 9. 1909, ge Spielnachmittage für Kinder. † 14. 2. 1994) 1971 wird sie zur Vorsitzenden der Pen- würden den familiären Frieden bzw. die 's is net alles ans, 's is net alles ans, zinger Sozialistinnen gewählt. Der Kampf Autorität der Männer gefährden. ob's d a Mannsbild bist oder kans!“ um die Fristenregelung sensibilisiert sie für Die Wiener Sozialistinnen fordern auf Frauenanliegen. Ein Jahr später wechselt sie Drängen von Johanna Dohnal die Eltern- In Wien nimmt das erste Frauenhaus Ös- beruflich in die Parteizentrale der SPÖ. Sie karenz (die Möglichkeit für Eltern, sich die terreichs den Betrieb auf. Die Realisierung wird Wiener Landesfrauensekretärin. Im sel- Karenzzeit nach der Geburt eines Kindes zu dieses Projektes, konzipiert von Vertreterin- ben Jahr wird sie auch Mitglied des Bundes- teilen oder wahlweise in Karenz zu gehen). nen der autonomen Frauenbewegung, ist der parteivorstandes. Diese Forderung wird erst 1990 realisiert. Initiative Johanna Dohnals zu verdanken. Mitte 1973 wird sie als Wiener Gemein- Bis dahin bleibt die Möglichkeit in Karenz Johanna Dohnal sorgt dafür, daß das Wiener derätin und Landtagsabgeordnete angelobt. zu gehen, auf Mütter beschränkt. Frauenhaus bzw. die in der Folge entstehen- In dieser Funktion setzt sich Johanna Dohnal 1978 starten Johanna Dohnal bzw. die den Wiener Frauenhäuser autonom geführt vor allem für die Ausweitung der Sozial- Wiener Sozialistinnen die ersten Vorberei- werden, die Finanzierung jedoch fixer Be- dienste und die Forcierung der Sexualauf- tungskurse für Mädchen, die einen techni- standteil des Budgets der Stadt Wien ist. klärung in den Schulen ein. schen Beruf ergreifen wollen. Dem folgt die Am 5. November 1979 wird Johanna Im November 1974 koordiniert sie Grün- Aktion „Werkelfrau und Schlossermädl“ mit Dohnal als Staatssekretärin für allgemeine dung und Aktivitäten des Komiteés „Helfen dem Ziel, bewußtzumachen, wie fragwürdig Frauenfragen im Bundeskanzleramt (Kabi- statt strafen“ als Gegengewicht zu den Akti- Rollenklischees bzw. die traditionelle Ar- nett Kreisky IV) angelobt. Im folgenden Jahr vitäten der „Aktion Leben“, die ein Volks- beitsteilung zwischen Frauen und Männern läßt sie ein Förderungsprogramm für Frauen begehren gegen die Fristenregelung startet. sind. Verkleidet als „Werkelfrau und Schlos- im Bundesdienst ausarbeiten mit dem Ziel, 1977 initiiert sie die ersten Selbstbewußt- sermädel“ ziehen die Schauspielerin Emmy die Chancengleichheit von Frauen im öffent- seinsseminare für Frauen. Diese Seminare Werner, später Volkstheaterdirektorin, und lichen Dienst beginnend von der ge- kommen bei den Frauen so gut an; daß sie die Studentin Brigitte Ederer, später Staats- schlechtsneutralen Stellenausschreibung über bald auch in anderen Bundesländern abge- sekretärin und Wiener Finanzlandesrätin, Maßnahmen der Weiterbildung bis hin zu halten werden und schließlich Vorbild für durch Wien. Gesungen werden aktuelle Beförderungen zu fördern. ähnliche Aktivitäten innerhalb der Katholi- Texte, verfaßt von Trude Marzik, nach den Aus Anlaß des 25 Jahr-Jubiläums des schen Frauenbewegung und des ÖGB sind. Melodien Altwiener Couplets. Staatsvertrages ruft Bruno Kreisky den Nicht alle FunktionärInnen der SPÖ stehen Nationalfonds „Hilfe für Kinder der Dritten diesen Seminaren anfangs positiv gegenü- „Wannst a Mann bist, sitzt im Chef-Fotö, Welt“ ins Leben. Die Frauenstaatssekretärin ber; manche fürchten, selbstbewußte Frauen wannst a Frau bist, bleibst a Tip-Mamsö, im Bundeskanzleramt ist mit der Abwicklung

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 51 Personalia betraut. Es ist dies Johanna Dohnals Einstieg maß bei Vergewaltigung sind nicht länger „Frau des Jahres“ gewählt. An der Wahl be- in die Entwicklungszusammenarbeit. vom Verhalten des Opfers (Widerstandslei- teiligen sich auf Einladung der ORF-Redak- 1983 gibt das Innenministerium aufgrund stung), sondern, wie bei allen anderen Delik- tion „WIR Frauen“ 500 Journalistinnen von der Initiative von Johanna Dohnal einen ten von dem des Täters (Gewaltanwendung) Print-Medien. Im März wird die erste Öster- Erlaß heraus, der regelt, daß Frauen, die abhängig. Auch Vergewaltigung innerhalb reichische Frauenprojektmesse in der Hof- Opfer eines Sexualdeliktes sind, nach Mög- einer Ehe oder Lebensgemeinschaft wird un- burg veranstaltet und die Kampagne „Ge- lichkeit von weiblichen Kriminalbeamten ter Strafe gestellt. Nur ein Jahr später wird walt gegen Frauen – Frauen gegen Gewalt“ einvernommen werden sollen. Gleichzeitig die Möglichkeit geschaffen, auch in aufrech- (fünf Tagungen mit internationaler Beteili- sollen Ausbildung und Einsatz von Gen- ter Ehe einem gewalttätigen Ehepartner den gung unter dem Titel „Test the West“) ins darmerie- und Kriminalbeamtinnen geför- Zutritt zur Wohnung mittels einstweiliger Leben gerufen. dert werden. Verfügung gerichtlich zu untersagen. In den folgenden Jahren erreicht Johanna Mitte der 80er-Jahre beginnt sie ange- Aufgrund einer Novellierung erfaßt das Dohnal einige Änderungen in Gesetzen, Ver- sichts steigender Lebenserwartung, sinken- Gleichbehandlungsgesetz für die Privatwirt- ordnungen und, vor allem, wesentliche der Geburtenzahlen und Anstieg der Schei- schaft nun auch sexuelle Belästigung am Veränderungen im Umgang mit der Gleich- dungsrate, sich mit der Zukunft der Alters- Arbeitsplatz und die erbrechtliche Gleich- behandlung, die hier nur kurz angesprochen sicherung zu beschäftigen. Sie setzt eine Ar- stellung unehelicher Kinder mit ehelichen. werden: beitsgruppe ein, die ein Modell der Alters- Am 17. Dezember 1990 wird Johanna Einbeziehung des Krankenpflegeperso- icherung entwickelt, in das alle Frauen ein- Dohnal als Bundesministerin für Frauenan- nals in das Nachtschwerarbeitsgesetz. bezogen sind. gelegenheiten im Bundeskanzleramt (Kabi- Das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz tritt In den 90er-Jahren läßt sie weitere Pen- nett Vranitzky II) angelobt. in Kraft. Es basiert auf den Erfahrungen sionsmodelle ausarbeiten. Ziel aller dieser 1991 kommt es durch die Pensionsreform mit dem Förderungsprogramm für Frauen Modelle ist es, einen eigenständigen vom zur Anrechnung von Zeiten der Kindererzie- im Bundesdienst. Familienstand unabhängigen Pensionsan- hung im Ausmaß von maximal vier Jahren Beauftragung des dritten wissenschaft- spruch für Frauen ab 60 zu schaffen. pro Kind. lichen Regierungsberichtes zur Situation In der großen Koalition erweist es sich Im Juni 1991 hat die Forderung der So- der Frauen in Österreich, der 1995, kurz zunehmend als schwierig, emanzipatorische zialistischen Frauen nach Erweiterung der nach dem Ausscheiden Johanna Dohnals Frauenpolitik umzusetzen. Quote auf allen Kandidatenlisten (40 % aus der Regierung, erscheint. 1987 wird mit dem Strafrechtsänderungs- Mindestquote für jedes Geschlecht) zur Fol- Bildung eines Österreichischen National- gesetz die von Dohnal geforderte Verbes- ge, daß Johanna Dohnal am Bundesparteitag komitees zur Vorbereitung der 4. Welt- serung der Situation des Opfers in einem der SPÖ bei der Wahl ins Parteipräsidium frauenkonferenz der UNO in Peking. Strafverfahren gegen einen Sexualstraftäter nur von knapp 70 Prozent der Delegierten ge- Die Aktion „Kriegsopfer: Vergewaltigte (Fotografierverbot während der Hauptver- wählt, also von 30 Prozent gestrichen wird. Frauen“ startet, an der sich auch Fami- handlung, Recht auf Anwesenheit einer Ver- Aufgrund eines Erkenntnisses des Ver- lienministerin Rauch-Kallat und die Cari- trauensperson etc.) eingeführt. fassungsgerichtshofs im Jahr 1990, demzu- tas beteiligen. Die Aktion dient der medi- Im Oktober 1987 wird Johanna Dohnal folge das unterschiedliche Pensionsalter für zinischen und psychologischen Unterstüt- zur Vorsitzenden der österreichischen So- Männer (65) und Frauen (60) dem Gleich- zung vergewaltigter Frauen und Kinder zialistinnen, danach wird sie zur stellvertre- heitsgrundsatz widerspricht, stellt Johanna im ehemaligen Jugoslawien, der Errich- tenden Bundesparteivorsitzenden der SPÖ Dohnal klar, daß es nicht angehe, Frauen tung von Beratungsstellen und Frauen- gewählt. zwar beim Pensionsalter gleich zu behan- häusern. Johanna Dohnal fordert, Verge- Wird die Schenkungssteuerpflicht für deln, ansonst aber zu benachteiligen. waltigung als Menschenrechtsverletzung nicht erwerbstätige Ehefrauen abgeschafft Auf Betreiben Johanna Dohnals, die in und als Asylgrund anzuerkennen. (diese mußten bis dahin für ihren Anteil am diesem Zusammenhang nicht nur die Unter- Im Juni 1993 wird Johanna Dohnal Wohnungseigentum Schenkungssteuer zah- stützung der SPÖ-Frauen, sondern auch der Vorsitzende des Frauenrechtskomitees der len), da nach dem neuen Familienrecht ÖVP-Frauen, der Grünen und der ÖGB- UN-Menschenrechtskonferenz in Wien. Haushaltsführung ebenso wie Erwerbstätig- Frauen hat, kommt es 1993 1994: Einführung der „schonenden Ver- keit als Beitrag zum Unterhalt zählt. zur Festlegung langer Übergangsfristen nehmung“ von Frauen und Kindern, die Durch eine Änderung des Bundesver- für die Angleichung des Pensionsalters der Opfer von Gewalt sind (diese brauchen fassungs- und des Beamtendienstrechtsge- Frauen an das der Männer (diese erfolgt nicht länger in Gegenwart des Mißhand- setzes sind Amtsbezeichnungen und Titel in den Jahren 2024 bis 2033) und lers auszusagen). nun in jener Form zu verwenden, die das zur Verabschiedung eines arbeitsrecht- Einsetzung einer interministeriellen Geschlecht der Person zum Ausdruck brin- lichen Begleitgesetzes, das eine Vielzahl Arbeitsgruppe zum Thema „Maßnahmen gen. Erst ab diesem Zeitpunkt kann sich von Maßnahmen zur Absicherung der be- gegen Gewalt in der Familie“, die auch Johanna Dohnal offiziell „Staatssekretärin“ ruflichen Gleichstellung enthält. das Gewaltschutzgesetz vorbereitet, das nennen. 1997 in Kraft tritt. 1989 wird die Amtsvormundschaft besei- Ab 1992 gilt ein Verbot der Verwendung tigt, nun haben unverheiratete Mütter gegen- von Eizellen einer anderen Frau (und damit Im Frühjahr 1995 bildet Bundeskanzler über ihren Kindern gleiche Rechte wie ver- von so genannten Leihmüttern) sowie der Franz Vranitzky um, weil er sein Team ver- heiratete. Auch das Sexualstrafrecht wird kommerziellen Vermittlung von Eizellen. jüngen will. Johanna Dohnal wird zum reformiert: Der Tatbestand und das Strafaus- In diesem Jahr wird Johanna Dohnal zur Rücktritt bewogen. Im folgenden Herbst

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 52 Personalia kandidiert sie auch nicht mehr für den Vor- der Welt. Im Rahmen der Wiener Stadtregie- kriegen. Emanzipation heißt ja Befreiung von sitz der sozialdemokratischen Frauen – und- rung werde erfreulicherweise aktive Frauen- Abhängigkeiten.“ zieht sich ins Privatleben zurück, jedoch politik betrieben. Ihren besonderen Dank rich- Schon geraume Zeit litt die berühmteste nicht ganz, denn sie engagiert sich weiter für tete Dohnal an ihre ehemaligen „Kampfge- Frauenpolitikerin Österreichs an Problemen ihre Anliegen: 1995/1996 gibt sie ihr Wissen fährtinnen“. mit ihrem Herz – am 20. Februar hörte es auf im Rahmen des Proseminars „Historische Sowohl als Gemeinderätin und Landtags- zu schlagen. und strukturelle Voraussetzungen für institu- abgeordnete in Wien, als auch als Frauen- tionalisierte Frauenpolitik in Österreich“ an staatssekretärin und vor allem als erste Frau- Bundespräsident Heinz Fischer StudentInnen der Politikwissenschaft an der enministerin der Republik habe Dohnal „Un- „Mit Johanna Dohnal ist völlig überra- Universität Wien weiter. gerechtigkeiten gegenüber Frauen beseitigt schend eine mutige Vorkämpferin für 1996/1997 engagiert sie sich beim vom Un- und Instrumente, Methoden und gesetzliche Frauenrechte und Gleichberechtigung ver- abhängigen Frauenforum initiierten Frauen- Maßnahmen entwickelt, damit Frauen heute storben, der sehr viele Frauen in Österreich – Volksbegehren, das von mehr 645.000 Per- freier, sicherer, gesünder und gleichberech- und damit das ganze Land – viel verdanken“, sonen unterschrieben, aber nur ansatzweise tigter leben können“, so Wehsely. Dohnal sagte Bundespräsident Heinz Fischer. umgesetzt wird. habe es in keiner ihrer Funktionen leicht ge- „Manches, das heute in bezug auf die Johanna Dohnal diskutiert, referiert und habt – „die Hürden sind mit der Höhe deiner Rolle der Frau in unserer Gesellschaft als nimmt immer wieder politisch Stellung. Bei- Ämter gewachsen“, formulierte Wehsely. selbstverständlich erscheint, mußte in den spielsweise zur Asyl- und Flüchtlingspolitik, „Um dir und deinen Anliegen in einer männ- vergangenen Jahrzehnten mühsam erkämpft zum Tod des Nigerianers Markus Omofuma, der die Abschiebung aus Österreich nicht überlebt, ebenso wie zur Belästigung von Frauen durch radikale AbtreibungsgegnerIn- nen. Nach der politischen Wende im Jahr 2000 beteiligt sie sich an den Donnerstags-De- monstrationen gegen die schwarz-blaue Re- gierung. Sie kritisiert den systematischen Abbau des Sozialstaats, speziell die Schlech- terstellung von Frauen. Sie engagiert sich im Rahmen des Sozial- staats-Volksbegehrens 2002, das die Veran- kerung des Sozialstaats sowie der Chancen- gleichheit (auch jener von Frauen und Män- nern) in der Verfassung fordert. Es wird von mehr als 717.000 Personen unterschrieben, bleibt vorerst ohne Wirkung, mündet aber später im Gleichbehandlungsgesetz GlBG).

»Bürgerin von Wien« Foto: media Wien / PID „Johanna Dohnal hat die Entwicklung Johanna Dohnal wurde im September 2005 zur »Bürgerin der Stadt Wien« – Bürger- meister Michael Häupl überreichte ihr im Wiener Rathaus die Urkunde. Wiens und Österreichs maßgeblich mitbe- stimmt. Und zwar nicht nur in eine gute lich dominierten Politik wirksam Gehör zu werden. Johanna Dohnal hat diesen Kampf Richtung für die Frauen, sondern für alle verschaffen, mußtest du deine Stimme im- um frauenpolitische und sozialpolitische Zie- Menschen dieses Landes. Denn ihre femini- mer wieder laut erheben – und dies nicht le mit ihrer ganzen Kraft und Persönlichkeit stische Vision war nie, eine ,weibliche Zu- immer zum Gefallen deiner männlichen Kol- sowie ohne Rücksicht auf die eigene Person kunft‘, sondern eine ,menschliche Zukunft‘, legen.“ Johanna Dohnal sei bis zur letzten geführt“, so der Bundespräsident weiter, der ohne Rollenzwänge, ohne Macht- und Ge- Konsequenz bereit gewesen, für ihre politi- sich betroffen von ihrem Ableben zeigte: waltverhältnisse, ohne Männerbündelei und schen Anliegen zu kämpfen und Konflikte „Bei ihrem 70. Geburtstag vor fast genau Weiblichkeitswahn“, unterstrich Frauen- auszutragen. einem Jahr erlebte Johanna Dohnal noch die stadträtin Sonja Wehsely in ihrer Laudatio In den folgenden Jahren nimmt sie sich Genugtuung, daß ihr Lebenswerk, das vielen im September 2005, als Johanna Dohnal zur ein wenig zurück, genießt den wohlverdien- Anfeindungen ausgesetzt war, letzten Endes „Bürgerin der Stadt Wien“ ernannt wurde. ten Ruhestand in ihrem Zweitwohnsitz im ein hohes Maß an Anerkennung gefunden „Ohne deine Visionen, deinen Kampfgeist, niederösterreichischen Grabern, den sie 1998 hat.“ deinen Einsatz und deine Kraft, wäre nicht erworben hat. Sie meldet sich pointiert zu nur Wien, sondern auch Österreich heute Wort, wird gerne gefragt und gerne zu Dis- Nationalratspräsidentin Barbara Prammer anders. Durch dich wurde Österreich gerech- kussionsveranstaltungen eingeladen. Als sie „Johanna Dohnal war eine große Öster- ter und moderner.“ Johanne Dohnal würdig- einmal gefragt wurde, was sie davon halte, reicherin. Eine, zu der viele Frauen bis heute te in ihrer Dankesrede die Stadt Wien als die als „Emanze“ bezeichnet zu werden, meinte in Respekt und Dankbarkeit aufgeblickt lebenswerteste und bestverwaltetste Stadt sie: „Kein schöneres Kompliment kann man haben.“ Tief betroffen würdigt die stellver-

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nachhaltige Verbesserungen für die Situation der Frauen in Österreich zu erreichen.“ „Ja, Johanna Dohnal war unbequem, sie hat sich nicht mit Kleinigkeiten abspeisen lassen – sie wollte immer nur das Ganze. Ihr Wirken und ihre Persönlichkeit wird uns allen unvergessen bleiben.“

Vizekanzler Josef Pröll „Wir verlieren mit Johanna Dohnal eine herausragende Frauenpolitikerin, die über die Parteigrenzen hinweg respektiert und aner- kannt war“, zeigt sich Finanzminister Josef Pröll tief betroffen über den Tod der ehema- ligen Frauenministerin. „Ich habe Johanna Dohnal als integre und selbstbewußte Politi- kerin kennengelernt, die ihr ganzes politi- sches Wirken und Streben unter die Verbes- serung der Situation der Frauen stellte. Da- für gebührt ihr größter Respekt!“

FPÖ-Frauensprecherin Carmen Gartelgruber

Foto: SPÖ/Astrid Knie zeigte sich betroffen über den Tod von Jo- Johanna Dohnal, nur wenige Wochen vor ihrem Tod, beim »Open House« anläßlich der Feiern zu »100 Jahre SPÖ Frauenorganisation« im November 2009. hanna Dohnal. Sie sei als erste Frauenmini- sterin Österreichs eine engagierte Wegberei- tretende SPÖ-Vorsitzende und Nationalrats- ihres Lebens eine engagierte Vorkämpferin terin für viele folgende Dinge gewesen. Ihre präsidentin Barbara Prammer die ehemalige für die Rechte der Frauen. Sie war eine Leistungen für Österreichs Frauen seien zu Frauenministerin Johanna Dohnal. Sie sei Politikerin, die Großes für die Menschen in würdigen. für sie nicht nur Vorbild als Frauenpoliti- Österreich – insbesondere für die Frauen in kerin und Ministerin gewesen, sondern habe diesem Land – geleistet hat. Ihr Leben und BZÖ-Frauensprecherin Martina Schenk sie in ihrer Grundsätzlichkeit tief beein- Wirken war und ist untrennbar mit der So- „Sie war die Grande Dame der Frauen- druckt und geprägt, sagt Prammer: „Sie war zialdemokratie und ihren Grundwerten der rechte und Wegbereiterin vieler Errungen- von ihrer Sache überzeugt, kämpferisch und Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit und Soli- schaften, die uns heute so selbstverständlich unbeugsam.“ darität verbunden. Sie wird uns allen unver- sind“, erklärte Schenk. Ohne Dohnals uner- Der Name Johanna Dohnal stehe für eine gessen bleiben“, betonte Faymann in Würdi- müdlichen Einsatz wäre die heutige Frauen- engagierte, streitbare Frauenpolitik, so Pram- gung der Leistungen von Johanna Dohnal. politik nicht möglich gewesen. „Bewunderns- mer. Die Leistungen und Erfolge Dohnals wert ist der eiserne Kämpferwille Dohnals seien enorm. „Sie hat Österreichs Frauen den Frauenministerin und SPÖ-Frauen- für Frauen und ihre Rechte – manchmal auch Weg zur Gleichstellung bereitet und sie hat vorsitzende Gabriele Heinisch-Hosek gegen ihre eigenen Parteigenossen. Auch ihnen Selbstbewußtsein gegeben.“ „Ich bin tief betroffen über das Ableben wenn man vielleicht nicht immer ganz ihrer Der Tod von Johanna Dohnal erfülle sie von Johanna Dohnal. Mit ihr haben wir eine Meinung war – ihr Engagement verdiente mit Schmerz, zugleich jedoch mit großer große Politikern, die sich besonders für die stets Hochachtung.“ Dankbarkeit, sagt Prammer: „So traurig ich Rechte der Frauen stark gemacht hat, verlo- in dieser Stunde bin, so stolz bin ich darauf, ren. Die Schaffung des Frauenministeriums Bundessprecherin der dieser Frau begegnet zu sein. Die Freude dar- war die Folge ihrer großartigen Arbeit“, so Grünen, Eva Glawischnig über und die Erinnerung an diese großartige Heinisch-Hosek. „Ihr Wirken, das 1979 als „Österreich verliert damit eine große Frau werden überdauern.“ Staatssekretärin für allgemeine Frauenfragen Tochter. Sie war eine Pionierin im Einsatz begann, prägt die Politik bis heute. Sie hat für die Rechte der Frauen, die stärkste Frau- Bundeskanzler Werner Faymann sich ihr ganzes Leben für Gleichberechti- enpolitikerin, die Österreich jemals hatte.“ „Mit tiefer Trauer nehmen wir Abschied gung, Gerechtigkeit und Frieden eingesetzt. Überdies betont Glawischnig Dohnals politi- von Johanna Dohnal. Ich bin tief bestürzt Sie hat den Frauen in Österreich so vieles sche Haltung über die reine Frauenpolitik und betroffen. Die Sozialdemokratie verliert hinterlassen.“ hinaus. „Sie verfolgte eine bedingungslose mit Johanna Dohnal eine der großen und „Der Name der ersten Frauenministerin Linie in Grund- und Menschenrechtsfragen, prägenden Persönlichkeiten ihrer Geschich- Österreichs steht auch noch heute für viele die für alle Parteien beispielhaft sein sollte.“ te“, erklärte SPÖ-Vorsitzender Bundeskanz- Verbesserungen der Lebenswelt der österrei- ler Werner Faymann zum Tod der ehemali- chischen Frauen. Es gelang Dohnal und dem Dieser Beitrag entstand unter Verwen- gen Frauenministerin und Vorsitzenden der von ihr geschaffenen Frauenministerium dung der Biographie von Johanna Dohnal SPÖ-Frauen. „Johanna Dohnal war Zeit viele Problembereiche zu thematisieren und auf http://www.johanna-dohnal.at

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 54 Personalia Rudolf Grimm ist Wissen- schafter des Jahres 2009 Die Auszeichnung des Klubs der Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten wird an ForscherInnen verliehen, die ihre Arbeit und ihr Fach einer breiten Öffentlichkeit verständlich machen und damit das Image der österreichischen Forschung heben.

udolf Grimm prägt die florierende RQuantenphysik-Szene in Innsbruck we- sentlich“, so der Klub der Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten in seiner Begrün- dung für die Wahl. „Die Quantenphysik ist das wissenschaftliche Gebiet, in dem Öster- reich führend ist – und das soll auch für die Öffentlichkeit sichtbar werden.“ Die Wahl der österreichischen Wissenschaftsjournali- sten fiel nach neun Jahren erstmals wieder auf einen Vertreter aus Innsbruck. 2000 war die Plastische Chirurgin Hildegunde Piza Wissenschafterin des Jahres, 1996 der Ex- perimentalphysiker Anton Zeilinger (vor sei- nem Weggang nach Wien) und 1994 der Alternsforscher Georg Wick. Mit dieser Anerkennung sieht sich Rudolf Grimm in seinem Anliegen bestärkt, Inhalte der Grund- lagenforschung für eine breite Öffentlichkeit verständlich zu machen. „Nicht nur im Sport, auch in der Wissenschaft stecken große Emotionen“, sagt der Quantenphysiker, der auf den experimentellen Nachweis des Efimov-Effekts durch sein Team verweist.

Dieses physikalische Phänomen wurde vom Der Experimentalphysiker Univ.-Prof. Rudolf Grimm Foto: C. Lackner russischen Theoretiker Vitali Efimov 35 Jah- re zuvor vorhergesagt und konnte durch die Universität Innsbruck berufen. Der Experi- Wissenschafts- und Forschungsministerin Innsbrucker Physiker 2006 erstmals nachge- mentalphysiker beschäftigt sich mit Bose- Beatrix Karl gratulierte: „Österreichische Wis- wiesen werden. „Etwas Neues zu entdecken Einstein-Kondensaten aus Atomen und Mo- senschafterinnen und Wissenschafter haben und absolutes wissenschaftliches Neuland zu lekülen sowie fermionischen Quantengasen. mit ihrem Engagement und ihrer Exzellenz betreten, hat eine ungeheure Faszination“, 2002 gelang seiner Arbeitsgruppe die welt- die Physik in Österreich zu einem absoluten sagt Rudolf Grimm. „Grundlagenforschung weit erste Erzeugung eines Bose-Einstein- Stärkefeld ausgebaut. Insbesondere die ist auch ein Abenteuer. Die Begeisterung da- Kondensats aus Cäsiumatomen. Ein Jahr Quantenphysik und der Standort Innsbruck für möchte ich der Allgemeinheit vermitteln“, später erzeugte das Team erstmals ein Bose- haben in den vergangenen Jahren für positive sagt der Wissenschafter des Jahres 2009. Einstein-Kondensat aus Molekülen. 2004 wissenschaftliche Schlagzeilen gesorgt. Um- realisierten die Forscher ein Fermi-Konden- so mehr freut es mich, daß mit Rudolf Grimm Seit 10 Jahren in Innsbruck sat. Heute sind die Physiker um Rudolf einer der führenden Wissenschafter auf die- Rudolf Grimm wurde 1961 in Mann- Grimm in der Lage, auch komplexere Mole- sem Gebiet ausgezeichnet wird“, so die Mi- heim, Deutschland, geboren und studierte an küle in ultrakalten Quantengasen herzustel- nisterin. Mit dieser Auszeichnung überneh- der Universität Hannover Physik. Von 1986 len. Für seine wissenschaftlichen Leistungen me Grimm auch die Verantwortung, weiter- bis 1989 forschte er als Doktorand an der wurde Grimm bereits mehrfach ausgezeich- hin für den hohen Stellenwert der Grundla- ETH Zürich und war dann für ein halbes net. So erhielt er 2005 die höchste österrei- genforschung einzutreten. „Eine Verantwor- Jahr am Institut für Spektroskopie der Aka- chische Wissenschaftsauszeichnung, den tung, die wir in den kommenden Jahren ge- demie der Wissenschaften der UdSSR in Wittgenstein-Preis. Im gleichen Jahr wurde meinsam wahrnehmen werden, um die Grund- Troizk bei Moskau tätig. Anschließend ar- er von der Tageszeitung „Die Presse“ zum lagenforschung weiter zu stärken“, bekräftigt beitete er zehn Jahre am Max-Planck-Institut „Österreicher des Jahres“ in der Kategorie Karl. Neben der wissenschaftlichen Leistung für Kernphysik in Heidelberg. 2000 wurde er Forschung gewählt. 2008 erhielt Grimm den sei es Grimm auch gelungen, seine Arbeit als Nachfolger von Anton Zeilinger an die Tiroler Landespreis für Wissenschaft. verständlich zu vermitteln.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 55 Personalia Oertl-Hilger und Kammer ausgezeichnet »Couragierte« Schauspielerinnen Katharina Oertl-Hilger und Berta Kammer engagierten sich – neben ihrer Karriere – langjährig um den Nachwuchs.

lfred Komarek, Laudator von Katharina AOertl-Hilger, die am 10. Februar das Goldene Verdienstzeichen des Landes Wien überreicht bekam, kannte Oertl-Hilger zuerst als „Das Traummännlein kommt“-Radiostim- me, Wiens Kulturstadtrat Andreas Mailath- Pokorny, der „damit seinerzeit in den Schlaf fand“, ebenso. Engagement für den schau- spielerischen Nachwuchs attestierte auch Laudator Josefstadt-Direktor Herbert Föttin- ger seiner langjährigen Gefährtin Berta Kam- mer, die ebenfalls das Goldene Verdienst- zeichen des Landes Wien überreicht bekam. Prominent war auch die Gratulantenschar im Wappensaal des Wiener Rathauses: neben Achim Benning (Burgtheater), waren auch Emmy Werner (Volkstheater) und Theater in der Josefstadt-Direktor Otto Schenk neben

vielen weiteren Schauspielerinnen und Foto: media wien / PID Schauspielern anwesend. Wiens Theaterwelt strahlte: Josefstadt-Direktor Herbert Föttinger, Berta Kammer, Mailath hob in seiner Eröffnungsrede Katharina Oertl-Hilger, Alfred Komarek und Wiens Kulturstadtrat Andreas Mailath- neben einigen Parallelitäten – beide Schau- Pokorny (v.l.). Der Grund: Oertl-Hilger und Kammer wurden mit dem Goldenen Verdienstzeichen des Landes Wien geehrt. spielerinnen spielten etwa in den Anfangs- jahren im Theater der Courage von Stella kann aber auch auf eine eigene Schauspiel- „Im Hochofen eines Theaters gab es freilich Kadmon – deren langjähriges Schaffen für karriere verweisen: Mit Ewald Balser und auch Schmerzen“, erinnerte Kammer, über die Kinderkultur (Oertl-Hilger), wie auch für Paula Wessely spielte sie in „Das Mädchen die Mailath meinte, daß sie zu denjenigen den schauspielerischen Nachwuchs (Kam- von Arles“, als Kammerfräulein war sie etwa Schauspielerinnen Wiens gehöre, die „wirk- mer) hervor. „Vielleicht ist heute das Thema in Grillparzers Stück „König Ottokars Glück lich jede Bühne der Stadt in- und auswendig Kinderkultur seitens des ORF etwas zur und Ende“ zu sehen. kennt“. Insgesamt arbeitete Kammer 32 Jah- Seite gestellt“, merkte Mailath an, der die Das Leben auf der Bühne wie hinter der re lang für das Wiener Theaterschaffen. Relevanz, ein intelligentes und anspruchs- Bühne kennt auch Berta Kammer, die 1968 volles Kulturprogramm für das junge Publi- ihre Schauspielausbildung am Horak- Kon- Götz Kauffmann † kum zu machen, unterstrich. „Und zwar servatorium, dem heutigen Franz-Schubert- nicht nur als Publikum für morgen, sondern Konservatorium, abschloß. Neben dem er- Der Wiener Volksschauspieler Götz als Publikum von heute.“ wähnten Theater der Courage war sie in Ber- Kauffmann, vor allem bekannt gewor- Komarek, der in späteren Jahren im lin im Grips-Kindertheater engagiert, Gast- den durch die Fernsehserien „Ein echter Radio mit Oertl-Hilger zusammen arbeitete, spiele in Deutschland und der Schweiz folg- Wiener geht nicht unter“ und „Kaiser- erinnerte an die vielfältigen Aktivitäten der ten, bis sie 1976 ihre Karriere auf der Bühne mühlen Blues“, ist am 26. Jänner im Al- 1926 geborenen Schauspielerin: Sie mode- vorerst beendete, um bei Achim Benning im ter von 61 Jahren gestorben. Der ge- rierte die Sendung „Das Traummännlein“, Burgtheater das künstlerische Betriebsbüro lernte Orgelbauer absolvierte das Max wie auch später „Hallo Teenager!“ oder die zu leiten. In der Ära Peymann war sie neben Reinhardt Seminar in Wien und wirkte in populäre Sendung „Achtung Sprachpolizei!“ Franz Morak und Robert Meyer in der En- zahlreichen Filmproduktionen mit. Zu- Darüberhinaus veranstaltete die „liebens- semblevertretung, hernach verließ sie die letzt stand er 2008 im Kinofilm „Echte werte Konstante in meinem Leben“ (Koma- „Burg“ und wechselte ins Volkstheater zu Wiener – Die Sackbauer-Saga“ vor der rek) Kinder-Symposien, ermöglichte auch Emmy Werner, wo sie zwischen 1988 und Kamera. Interviews von Kindern mit prominenten Per- 1992 arbeitete. Robert Jungbluth holte sie Er lebte in Wien, wo er auch als Thea- sönlichkeiten, darunter etwa mit Bruno daraufhin ins Theater in der Josefstadt, wo terschauspieler und Kabarettist mit eige- Kreisky. Oertl-Hilger, die die Mutter des be- sie bis 2008 maßgeblich für Besetzungen nen Programmen auf der Bühne stand. kannten Wiener Galeristen Ernst Hilger ist, und Vertragsverhandlungen zuständig war.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 56 Wissenschaft & Technik Krebs: »Ur-Gen« entdeckt Forscher weisen Krebsgen in urzeitlichen Vielzellern nach.

uf der Suche nach den Ursachen von übertragen. Genau einen solchen Organismus lich auch interessante Aussagen über Stamm- AKrebserkrankungen haben Biochemiker haben die Innsbrucker Forscher um Klaus zellen machen können“, sagt Bister. Diese und Entwicklungsbiologen der Universität Bister, Markus Hartl und Bert Hobmayer Stammzellen verhelfen den Süßwasserpoly- Innsbruck gemeinsam den Ursprung eines nun für das myc-Gen gefunden. Sie konnten pen zu einer bemerkenswerten Regenera- wichtigen menschlichen Krebsgens 600 Mil- das Krebsgen erstmals in Süßwasserpolypen tionsfähigkeit. Mit ihrer Hilfe erneuern sich lionen Jahre zurückverfolgt. Die Forscher (Hydren) nachweisen und haben gezeigt, die Tiere in fünf Tagen vollständig und kön- berichten darüber in der renommierten daß es dort über ganz ähnliche Eigenschaf- nen damit theoretisch unendlich alt werden. Fachzeitschrift „PNAS“. ten verfügt wie beim Menschen. Entstanden ist die Forschungsarbeit in einer Kooperation von Wissenschaftlern der Institute für Biochemie, Zoologie und Orga- nische Chemie an der Universität Innsbruck, die im Forschungsschwerpunkt für Moleku- lare Biowissenschaften (CMBI) zusammen- arbeiten. „Die Idee, das Krebsgen in diesen urzeitlichen Süßwasserpolypen zu suchen, entstand auf einer gemeinsamen Tagung“, erklärt Prof. Klaus Bister, einer der Grün- dungsväter des CMBI und dessen erster Leiter. „Das gemeinsame Projekt ist eine di- rekte Folge der Zusammenarbeit im For- schungsschwerpunkt der Universität Inns- bruck.“ Die Ergebnisse wurden nun in der Online-Ausgabe der angesehenen amerika- nischen Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS) veröffentlicht. Der Österreichische Wissen- schaftsfonds FWF hat die Forscher bei Ihrer Arbeit unterstützt. Fotos: Universität Innsbruck Ao.Univ.-Prof. Markus Hartl (l.) und o.Univ.-Prof. Klaus Bister vom Institut für Biochemie der Universität Innsbruck

Das myc-Gen ist entscheidend am Wachs- Krebsgen in Stammzellen gefunden tum von Organismen beteiligt. Es erzeugt Die zwei Millimeter großen Hydren ha- ein Protein, das als Genregulator die Ex- ben zu den ersten Vielzellern gehört, die sich pression von 15 Prozent aller menschlichen auf der Erde vor rund 600 Millionen Jahren Gene steuert. Das heißt es kontrolliert, ob entwickelt haben und sie besiedeln noch diese Gene aktiviert oder deaktiviert sind. Ist heute viele Gewässer. „Es ist erstaunlich, das myc-Gen verändert, kann das Wachstum daß wir dieses Krebsgen in einem so einfa- der Zellen außer Kontrolle geraten und zu chen Organismus finden konnten“, sagt der einer Krebserkrankung führen. In 30 Prozent Hydren-Spezialist Hobmayer vom Institut der menschlichen Tumore ist ein mutiertes für Zoologie. „Daß sich das Gen in der Evo- myc-Gen nachweisbar. „Um die Fehlsteue- lution von den Hydren bis zum Menschen Ultrastruktur einer Stammzelle des frü- rung durch das Krebsgen besser zu verste- erhalten hat, ermöglicht es uns nun, an die- hen Vielzellers Hydra. Das Insert zeigt hen, müßten wir wissen, welche Gene genau sen Tieren die biologischen und biochemi- die Aktivierung einer Urform des myc durch myc reguliert werden und welche da- schen Funktionen des myc-Gens genauer zu Krebsgens in diesen Zellen. von für Krebserkrankungen bedeutend untersuchen und dann Schlüsse auf den sind“, sagt Prof. Klaus Bister vom Institut Menschen zu ziehen“, ergänzt Klaus Bister. Publikation: Stem cell-specific activation of an ancestral myc protooncogene with conserved für Biochemie der Universität Innsbruck. Besonders interessant ist die Entdeckung der basic functions in the early metazoan Hydra. Weil der menschliche Organismus aber sehr Innsbrucker Forscher auch deshalb, weil sie Hartl M, Mitterstiller AM, Valovka T, Breuker K, komplex ist, arbeitet die Forschung gerne das Krebsgen vor allem in den Stammzellen Hobmayer B and Bister K. Proceedings of the mit einfacheren Modellorganismen. Die Er- der Hydren nachweisen konnten. „Mit unse- National Academy of Sciences (PNAS) Early gebnisse werden dann auf den Menschen ren Untersuchungen werden wir wahrschein- Edition. DOI: 10.1073/pnas.0911060107

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 57 Wissenschaft & Technik Kontakt und Kalzium PharmakologInnen der Uni Graz entdeckten neuen Weg zur Steuerung des Zellwachstums.

ie Möglichkeit, das Wachstum von Zel- Klaus Groschner mit seinem Team herausge- Besondere Bedeutung haben die For- Dlen gezielt zu beeinflussen, verspricht funden. „Wir haben entdeckt, daß TRPC4 schungsergebnisse der Grazer Wissenschaf- viele neue Therapie-Möglichkeiten in der nur dann als Kalzium-Kanal funktioniert, terInnen auch deshalb, weil die Untersu- Medizin – von der Gewebe-Regeneration bis wenn eine Zelle Kontakt zu einer oder meh- chungen erstmals an nativem, funktionellem hin zur Tumorbekämpfung. ForscherInnen reren anderen Zellen hat“, berichtet Grosch- Gewebe durchgeführt wurden. „Wir verwen- unter der Leitung von Ao.Univ.-Prof. Klaus ner. „Das ist ausschließlich in einem be- deten Endothelzellen aus Hautgefäßen im Abbildung: Karl-Franzens-Universität Graz Illustration aus der TRPC4 Publikation: Gezeigt ist die TRPC4-beta-catenin Co-Lokalisation sowie die Interaktion der Proteine durch FRET MIkroskopie

Groschner vom Institut für Pharmazeutische stimmten Zellstadium der Fall, nämlich Originalzustand, wie sie im Körper vorkom- Wissenschaften der Karl-Franzens-Universi- beim Gewebewachstum.“ In einzelnen, sich men“, so Groschner. Bisherige Untersuchun- tät Graz haben auf diesem Weg nun einen frei bewegenden Zellen transportiere TRPC4 gen wären vorwiegend unter eher „künstli- Meilenstein gesetzt. Sie konnten erstmals kein Kalzium. chen Bedingungen“ an leicht genetisch mani- klären, unter welchen Voraussetzungen das Darüberhinaus haben die ForscherInnen pulierbaren Zellen durchgeführt worden. „Kanal-Protein“ TRPC4 Kalzium in eine auch herausgefunden, daß das Protein Beta- Zelle transportiert und damit das Zellwachs- Catenin, das in Tumor- und Stammzellen be- Publikation: „Cell-cell contact formation tum ankurbelt. Die aufsehenerregenden For- sonders aktiv ist, mit TRPC4 interagiert. „Es governs Ca2+ signaling by TRPC4 in the schungsergebnisse wurden am 5. Februar dient als Regulator. Nur wenn Beta-Catenin vascular endothelium: Evidence for a regula- 2010 im Fachmagazin „The Journal of an TRPC4 bindet, kann der Kanal bei einem tory TRPC4-â-catenin interaction“; Annarita Biological Chemistry“ veröffentlicht. Zellkontakt Kalzium transportieren“, erklärt Graziani, Michael Poteser, Hannes Schleifer, Kalzium ist ein wichtiger Stoff zur För- Groschner. Dieses Wissen könne nun ge- Martin Krenn, Klaus Groschner (Karl-Fran- derung des Zellwachstums. Damit er in die nutzt werden, um das Zellwachstum gezielt zens-Universität Graz); Wolfgang-Moritz Zelle gelangen kann, braucht es einen Trans- zu kontrollieren. Als mögliche Anwendungs- Heupel, Detlev Drenckhahn (Julius-Maximi- porter. Ein solcher ist das Protein TRPC4. bereiche nennt der Pharmakologe die Ge- lians-Universität Würzburg); Christoph Ro- Als „Kanal-Protein“ schleust es Kalzium in webe-Regeneration, zum Beispiel bei einer manin (Johannes Kepler Universität Linz); die Zellen ein – allerdings nur unter be- Schädigung des Herzens, oder hemmende Werner Baumgartner (Rheinisch-Westfäli- stimmten Bedingungen. Welche das sind, hat Therapien bei Tumorerkrankungen. sche Technische Hochschule Aachen).

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 58 Wissenschaft & Technik Bisher unerforschtes Enzym entschlüsselt Forschungsarbeit an Universität Salzburg bringt neue Erkenntnisse zur Vitamin-C-Synthese in Organismen.

in Enzym entscheidet über die Verwen- Edung von Zucker in Organismen: Je nach Bedarf wird daraus Material für pflanz- liche Zellwände bzw. tierisches Bindege- webe – oder Vitamin C. Tausende Lilienblüten im Botanischen Garten und viele Versuche waren nötig, um einem bisher unerforschten Enzym auf die Schliche zu kommen. Anja Pieslinger hat im Rahmen ihrer Doktorarbeit an der Universi- tät Salzburg den wissenschaftlichen Durch-

bruch geschafft und ermöglicht in Folge Fotos: Universität Salzburg neue Sichtweisen auf die Vitamin-C-Syn- Univ. Prof. Raimund Tenhaken und Anja Pieslinger vor dem Analysegerät zur these in Organismen. hochauflösenden Flüssigkeitschromatographie. Im Bild oben: die Lilienzucht im Enzyme sind Proteine mit besonderen Botanischen Garten der Universität Salzburg. Eigenschaften. Da in den Pollen von Lilien Zellwänden, Tiere zur Herstellung von Bin- Ausgangszucker Glukuronsäure wird aus- jedoch verschiedene Enzyme vorhanden degewebe. Eine zweite Möglichkeit, den schließlich Vitamin C. sind, mußte erst aufwendig das gewünschte Ausgangszucker zu nützen, ist die Bildung Der Wissenschaft war schon länger be- von allen anderen getrennt werden. Zu die- von Vitamin C. Ähnlich einer Weiche liegt kannt, daß Fische und Frösche Vitamin C in sem Zweck hat die junge Doktorandin – es an dem Enzym, ob sich nun pflanzliche der Niere herstellen können. Höhere Säuge- betreut von Universitätsprofessor Raimund Zellwände bzw. tierisches Bindegewebe bil- tiere haben diesen Prozeß in die Leber verla- Tenhaken – einen eigenen Enzymtest ent- den – oder ob als zweite Nutzungsmöglich- gert – der Grund dafür war jedoch bisher wickelt. keit Vitamin C entsteht. unbekannt. Die aktuelle Doktorarbeit von Die wissenschaftliche Neuigkeit liegt in Bei Fischen und Fröschen können überra- Anja Pieslinger gibt nun Antworten auf diese der Entdeckung der Eigenschaft des er- schenderweise noch beide Wege beschritten Fragen. Dieser Tage erschien die Arbeit in forschten Enzyms: Es wandelt vorhandenen werden. Bei höher entwickelten Tieren ist der international renommierten US-Fach- Zucker in aktivierte Glukuronsäure um. jedoch das Gen für das erforschte Enzym zeitschrift, dem „Journal of Biological Pflanzen verwenden diese zur Bildung von bereits verloren gegangen und aus dem Chemistry“.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 59 Wissenschaft & Technik OÖ ist bedeutender Impulsgeber in der Logistikforschung Wissenschaft und Wirtschaft schaffen gemeinsam Wettbewerbsvorteile für den Wirtschaftstandort Oberösterreich

m Rahmen des strategischen Programmes I„Innovatives OÖ 2010“ als F&E-Maßnah- me initiiert, beschreitet das „Logistikum“ als Kompetenzzentrum für Logistik und Unter- nehmensnetzwerke seit 2006 einen Erfolgs- pfad mit zwei Hauptstoßrichtungen: zum einen konkrete Projekte mit Firmen im Wirt- schaftsraum, zum anderen in definierten Be- reichen Spitzenforschung auf internationa- lem Niveau. Die bis dato über 65 wissen- schaftlichen Publikationen und Beiträge auf internationalen Konferenzen und die 45 durchgeführten Transferprojekte mit 90 Ko- operationspartnern beweisen, daß Logistik- Forschung für den Wirtschaftsstandort OÖ essentiell ist. „OÖ ist ein bedeutender Impulsgeber in der österreichischen Logistikforschung. Mit mehr als 30 Forscherinnen und Forschern, 1,8 Mio Euro geplantem Umsatz im Jahr 2010 und internationaler Reputation hat das Logistikum gezeigt, daß das Land OÖ vor fünf Jahren die richtige Entscheidung getrof- Foto: Logistikum - Kompetenzzentrum Logistik und Unternehmensnetzwerke fen hat. Auch in Zukunft wird Logistik und Logistiktechnologie zum Angreifen – lneutrale Spezialisten evaluieren im Labor Pro- dukte und Lösungen, schaffen Transparenz durch Präsentation und unterstützen die damit verbundene F&E einen wesentli- bei Auswahlentscheidungen. chen Stellenwert des wirtschaftlichen Han- delns einnehmen“, so Doris Hummer, Landes- struktur und Wirtschaft“ zur besseren basiert auf einer Forschungsinitiative der FH rätin für Wissenschaft und Forschung. „Im Nutzung der Infrastruktur. Umweltschutz OÖ, Studiengänge „Internationales Logistik- Rahmen des strategischen Programmes ,In- und reduzierter Bedarf an Infrastruktur- Management (Bachelor)“ und „Supply Chain novatives OÖ 2010‘ stellen wir dem Kompe- ausgaben – Fokus: Die sinnvolle Kombi- Management (Master)“, und der JKU Linz, tenzzentrum 400.000 Euro zur Verfügung.“ nation von Straße, Bahn und Schiff abge- Studiengang „Produktions- und Logistik- stimmt mit der Wirtschaft. management“. Forschung und Entwicklung Klar definierte Forschungsbereiche 4. Enabler „Logistiktechnologien und Pro- sind die Basis für Hochschulen, um für Stu- Inhaltlich hat sich das Logistikum auf zesse machen aus Konzepten Realität“ – dierende ein attraktives und vor allem zu- vier Bereiche und klare Zielsetzungen kon- Fokus: Umsetzung vorbereiten und mög- kunftsorientiertes Studium zu ermöglichen. zentriert: lich machen. „Im Bereich der Logistik haben wir die 1. Koordinationslogistik „Logistik der Zusammenarbeit von Wirtschaft, Forschung KMUs“ zum optimalen Zusammenwir- „Wir im Logistikum bearbeiten sowohl KMU- und Bildung strukturell sichergestellt. Das ken von Beschaffung, Produktion, Pla- spezifische Fragestellungen als auch The- ist ebenso wie die Internationalisierung ein nung und Distribution (Lager und Trans- mengebiete, die vorwiegend für Großunter- Schritt zu unserem Ziel – international eine port) – Fokus: Im eigenen Unternehmen nehmen von Bedeutung sind. Auch (ver- der Top-3 Adressen für Logistik zu sein“, so „kehren“ und stark machen für den inter- kehrs-)logistische Themen, die für die Öf- Prof. Franz Staberhofer, Leiter des Kompe- nationalen Wettbewerb fentlichkeit interessant sind, werden er- tenzfeldes Logistik am FH-Campus Steyr. 2. Supply Chain Management „Unterneh- forscht“, so Logistikum-Leiter Prof. Fried- Im Bereich Internationalisierung beweisen mensnetzwerke“ zur erfolgreichen Inte- rich Starkl. über 100 Logistik-Studierende, ForscherIn- gration der Unternehmen in internationa- nen und ProfessorInnen, die jährlich nach le Netzwerke – Fokus: Internationale Forschungsinitiative FH und Uni Steyr kommen oder eine von 30 Kernpart- Chancen schaffen und Netzwerke gestal- Hier ist das Logistikum österreichweiter neruniversitäten weltweit ansteuern, schon ten Wegbereiter für die Zusammenarbeit zwi- jetzt gelebte Internationalität. 3. Verkehrslogistik „Verbinder von Infra- schen Universität und FH. Das Logistikum http://www.logistikum.at

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 60 Wissenschaft & Technik Riesenbetonplatten schweben auf Luftkissen Anton Schweighofer vom Institut für Tragkonstruktionen der TU Wien hat mit der Luft-Gleitlagerung ein Verfahren entwickelt, das die Erzeugung von über 2500m² großen Betonplatten ohne Fugen und Rißbildung ermöglicht.

ei allen Bauteilen, die in direktem Kon- Btakt zum Untergrund stehen, ergeben sich Verformungsbehinderungen durch die Kopplung des Bauteils mit dem Baugrund bzw. durch Reibung zwischen Bauteil und Baugrund. Bei langen, dünnen Betonplatten führt dies zu hohen Beanspruchungen, und es entstehen sogenannte Trennrisse. Vor al- lem die abfließende Hydratationswärme aus dem Abbinden des Betons, Schwinden von Abb. 1 Interaktion Bodenplatte Untergrund Beton (Volumenverminderung) sowie Tem- peraturschwankungen wirken massiv auf jungen, also erhärtenden Beton ein. Häufig sind die herstellungsbedingten Temperatur- beanspruchungen höher als jene der Nut- zung. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Bodenplatte im Einsatz nicht der Witterung ausgesetzt ist bzw. betriebsbedingte Tempe- raturänderungen nicht vorhanden sind.

Die Technik darunter: Luftkissen Der neuartige Lösungsansatz verfolgt die Entkopplung der Betonbodenplatte vom Untergrund. Besteht keine Interaktion zwi- schen der Bodenplatte und dem Untergrund Abb. 2 Schematischer Aufbau der neuartigen Gleitlagerung (Abb. 1), so können keine Zwangsspannun- gen infolge einer behinderten Verformung lagerung. Die untere Lage der Folie wird nun Fugen sind immer aufwendig in der Herstel- auftreten. Weiters würden bei vorgespannten an den Rändern eingeschlagen und mit der lung, sie sind wartungsintensiv und stellen Bodenplatten keine Verluste der Vorspan- oberen Lage verschweißt und es entsteht ein immer einen Schwachpunkt einer Konstruk- nung durch Reibung der Platte am Unter- Luftkissen unterhalb der Platte. Nach dem tion dar. Bei Industriefußböden z.B. sind sie grund entstehen. Die Entkopplung wird über Betonieren wird ein Innendruck im Luftkis- vollkommen unerwünscht. Bei Anwendung die Kompensation des Eigengewichts der sen erzeugt, der das Eigengewicht der Platte von Vorspannung zur Rißvermeidung bei Bodenplatte sichergestellt. Wirkt kein Eigen- kompensiert. Dieser Luftdruck kann nun be- Betonplatten kann mit der neuen Luft-Gleit- gewicht, so gibt es auch keine Normalspan- liebig lange, z.B. bis zum Ende des Hyrada- lagerung sichergestellt werden, daß die Vor- nung, was wiederum bedeutet, daß keine tionsprozesses oder bis zum Aufbringen der spannung nicht durch Interaktion mit dem Reibung zwischen Bodenplatte und Unter- Vorspannung, aufgebaut werden. Im An- Baugrund reduziert wird bzw. verloren geht. grund entsteht. Gibt es keine Reibung, dann schluß daran kann die Luft wieder abgelas- Die Effektivität der Vorspannung kann da- kann sich die Bodenplatte vollkommen frei sen werden. durch sichergestellt werden. Wenn absolut bewegen und es können keine Zwangs- dichte Bauwerke gefordert sind (z.B. bei De- spannungen, zum Beispiel durch abfließende Vorteile auch für die Umwelt ponien), wird die Gebrauchstauglichkeit mit Hydratationswärme, entstehen. Obwohl die Luft-Gleitlagerung im Ver- dieser neuen Methode wesentlich verbessert. Die Kompensation des Eigengewichts gleich zu herkömmlichen Gleitlagerungen Durch die Verwendung der neuen Methode erfolgt mittels Luftdruck. Es wird ein Luft- einen etwas größeren Aufwand im Bezug auf kann Bewehrung eingespart werden. „Durch kissen (Gleitlager), bestehend aus jeweils die Herstellung darstellt, punktet sie durch die Luft-Gleitlagerung können vorgespannte einer Schicht Folie, darauf Bauvlies und einfache Umsetzbarkeit und Steuerung. Bodenplatten erzeugt werden, was bis jetzt wiederum Folie hergestellt (siehe Abb. 2). Durch ihre Verwendung ist es möglich, den im Europäischen Raum nicht üblich ist“, er- Dieser Aufbau unterscheidet sich somit nicht Fugenabstand in Bodenplatten zu vergrößern, klärt Universitätsassistent Anton Schweig-

Alle Abbildungen: TU Wien vom Aufbau einer herkömmlichen Gleit- wobei die Anzahl der Fugen minimiert wird. hofer. „Wir können Rissefreiheit garantieren

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 61 Wissenschaft & Technik

Großversuche an 60m langen Plattenstreifen auf dem Flugfeld in Aspern, Wien und die Plattenstärke verringern was res- sourcensparend ist und die CO2-Belastung reduziert“, verweist Schweighofer auf den „grünen“ Aspekt seiner Entwicklung. Die mögliche Herstellung von Plattengrößen von über 2500m² ohne Fugen ist möglich und überzeugt die interessierten Industriepartner.

Im Einsatz Betonbodenplatten kommen in unter- schiedlichsten Bereichen zum Einsatz, wie z.B. im Hochbau als großflächige Fundament- platten, im Straßen- und Industriefußboden- bau, beim Bau von Flughafenrollfeldern, aber vor allem auch als Dichtebenen in Deponien. Bei der Herstellung von Betonplatten wer- den zur Verminderung der Zwangsspannun- gen derzeit Gleitlagerungen eingebaut, die aus Folien- und Vlieslagen sowie aus bitumi- Bild oben: Bodenplatte vor, Bild unten: Bodenplatte während erster Luftlagerung nösen Gleitlagerungen und einem Sandbett als Gleitschicht bestehen. Eine Entkopplung der Bodenplatten vom Untergrund kann je- doch mit keiner der Gleitlagerungen nach dem derzeitigen Stand der Technik erzielt werden. Die Luft-Gleitlagerung unterschei- det sich hinsichtlich ihres Aufbaus nicht von herkömmlichen Gleitlagerungen nach dem Stand der Technik, durch die Erzeugung des Luftdrucks ist es jedoch möglich, eine voll- kommene Entkopplung zu erreichen.

Projektpartner Sowohl die Forschungsarbeit als auch die Patentanmeldungen der TU Wien werden von der Österreichischen Forschungsförde- rungsgesellschaft (FFG) und einem Kon- sortium von Österreichischen Baufirmen unterstützt: ALPINE Bau GmbH, PORR AG, STRABAG AG, Sparte Hoch und Inge- ÖSTU-STETTIN Hoch- und Tief GmbH, einigung der Österreichischen Zementindu- nieurbau, BILFINGER BERGER Bau GmbH, SWIETELSKY Bau GmbH. Weitere Partner: strie, Wien 3420 Aspern Development AG. G. HINTEREGGER & Söhne Bau GmbH, Grund- Pfahl- und Sonderbau GmbH, Ver- http://www.tuwien.ac.at

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 62 Wissenschaft & Technik Salzburg ist Modellregion für Elektromobilität Projekt ElectroDrive: Große Nachfrage bei E-Bikes – Erste Autos im April

m Dezember 2009 wurde die ElectroDrive ISalzburg GmbH – eine 100 Prozent- Tochter der Salzburg AG – vom Klima- und Energiefonds (KLIEN) als Modellregion für Elektromobilität ausgezeichnet. Zusätzlich zu dieser großen Auszeichnung für Salzburg fließen 1,9 Millionen Euro Förderung, die 2010 bis 2012 in den Ausbau der Ladesta- tionen investiert, für die Anschaffung neuer Elektrofahrzeuge bereitgestellt und für be- gleitende Studien und Grundlagenarbeit zum Thema Elektromobilität verwendet werden. Alois Schößwendter ist neuer Geschäfts- führer und wird das Thema Elektromobilität in Salzburg weiter vorantreiben. Neue E- Mountainbikes und neue E-Roller runden das Angebot von ElectroDrive Salzburg ab.

Arno Gasteiger, Vorstandssprecher Salz- Fotos: Salzburg AG / Christian Hofer burg AG: „Die Salzburg AG ist der regiona- Setzen Elektromobilität für Salzburg um: August Hirschbichler, Alois Schößwendter le Energiedienstleister im Bundesland Salz- und Arno Gasteiger (v.l.) burg, betreibt den öffentlichen Verkehr im Strom aus erneuerbarer Energie betrieben kauft es (Leasing). Die E-Fahrzeuge im Pre- Zentralraum Salzburg ausschließlich mit und das Obus-Netz wird laufend ausgebaut. miumsegment gibt es bereits ab 34,90 Euro Elektrofahrzeugen – Obus und Lokalbahn –, Die Lokalbahn fährt mit Strom aus Was- monatlich. Ein eigenes „Allwetterpaket“ ist Partner des Landes Salzburg bei der um- serkraft. Das Projekt ErdgasDrive forciert sorgt für eine sinnvolle Ergänzung von alter- fassenden Energieberatung, hält die Verbes- den Einsatz von Gas als Energiequelle im nativem Individualverkehr und öffentlichem serung der Energieeffizienz für ein zentrales Straßenverkehr. Immer mehr Autos werden Nahverkehr. So bekommen ElectroDrive energiepolitisches Anliegen und fühlt sich mit Biogas und damit CO2-frei betrieben. Kunden für 20 Euro Aufpreis pro Monat eine dem Klimaschutz verpflichtet. Aus diesem Eine Biogas-Produktion wird in Eugendorf Monatskarte des Salzburger Verkehrsver- Motivenbündel heraus hat sich die Salzburg gemeinsam mit Bauern betrieben, drei wei- bundes dazu und sind damit bei jedem AG dazu entschlossen, die Elektromobilität tere sind in Vorbereitung. Wetter umweltfreundlich mobil. zu forcieren und zu einem Pionier der Gasteiger: „In der kurzen Zeit seit Beginn Salzburg AG Vorstand August Hirsch- Elektromobilität in Österreich zu werden.“ des Schwerpunktprojekts Elektromobilität bichler: „Vom Klima- und Energiefonds wur- Aus dem Jahresbericht des Umweltbun- wurden 300 Elektrofahrzeuge auf die Straße den wir mit unserem Projekt, als das zu- desamtes für 2007 geht hervor, daß die gebracht. Sie werden mit Strom aus zusätz- kunftsweisende für ganz Österreich ausge- Treibhausgase im Bundesland Salzburg zwi- lich erzeugter elektrischer Energie betrieben. zeichnet. Die KLIEN-Förderung bedeutet schen 1990 und 2007 um 24 % zugenommen Die Salzburg AG ist zur Pilotregion für einen massiven Schub für Stadt und Land haben. Im Verkehrsbereich betrug der Zu- Elektromobilität ausgewählt worden. Diese Salzburg. Das ist eine weitere Initialzündung wachs 73 %. Der Anteil des Verkehrs an den Entscheidung des Klimafonds ist mit einer für die zukünftige Mobilität im Bundesland. gesamten Treibhausgasemissionen im Bun- Förderung der Region im Ausmaß von 1,9 Bis Ende 2010 erwarten wir eine Zunahme desland Salzburg betrugen im Jahr 2007 Millionen Euro verbunden. Demnächst wird um mehr als das Doppelte, wir rechnen mit 39 %, der Anteil der Industrie 21 %, der die Salzburg AG Elektroautos nach Salzburg weiteren 1000 E-Fahrzeugen am Markt.“ Haushalte 16 %, der Landwirtschaft 12 %, bringen und über ihre ElectroDrive-Tochter Die ElectroDrive Salzburg GmbH hat der- der Energieerzeugung 9 % und Sonstiger auch verkaufen bzw. verleasen.“ zeit E-Bikes, E-Mountainbikes, E-Roller Emittenten 3 %. „Diese Zahlen zeigen sehr und Segways im Programm. Alle Räder sind deutlich, daß die Klimaziele im Bundesland Premium Elektrofahrzeuge sogenannte Pedelecs (Pedal Electric Cycle), Salzburg ohne adäquate Aktivitäten im Ver- Die Idee von ElectroDrive Salzburg ist, bei denen man kein Gaspedal hat sondern kehrsbereich nicht erreichbar sind“, so daß Kunden für eine fixe monatliche Rate selber treten muß. Ein Pedelec hat einen ein- Gasteiger. ein Elektrofahrzeug mieten bzw. leasen. Nach gebauten Motor und unterstützt beim Treten. Die Salzburg AG widmet sich diesem Ablauf der gewählten Laufzeit gibt man das „Das fühlt sich an, als ob ständig jemand Thema mit Nachdruck: Obusse werden mit Fahrzeug entweder zurück (Miete) oder anschieben würde oder man Rückenwind

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 63 Wissenschaft & Technik hätte“, so Hirschbichler, „die Vorteile liegen schiedenen Herstellern geordert. Eines ist Aufklärungsarbeit leisten, was die Elektro- auf der Hand: Geschäftsleute können das be- uns aber wichtig: Wir haben nur Premium- mobilität betrifft. Hirschbichler: „Da stehen stens ausgebaute Radnetz in Salzburg nutzen produkte zu einem fairen Preis im Pro- so viele Mythen im Raum, mit denen wir und kommen entspannt und ohne zu schwit- gramm. Unsere Pedelecs z. B. kosten alle gerne aufräumen würden. Von unglaublichen zen zu Terminen. Andere genießen an den zwischen 1900 und 2500 Euro im Geschäft, jährlichen Stromzuwächsen bis zu einer Pedelecs den nicht vergleichbaren Fahrspaß. das sind also keine Billigprodukte sondern negativen Ökobilanz von E-Autos. Da wer- Eigentlich sollte man ja gar nicht Fahrrad Elektrofahrzeuge für gehobene Ansprüche.“ den viele Dinge unreflektiert zusammen dazu sagen, das trifft es eigentlich nicht. Das Neben dem Premiumhersteller AVE aus gewürfelt, hier möchten wir gegen wirken. Fahrgefühl liegt irgendwo zwischen Moped Bayern setzt ElectroDrive Salzburg seit kur- Zumindest was den Großraum Salzburg und Fahrrad. Wenn man es einmal probiert zem auch auf Qualitätsräder der Marke betrifft sehen wir das auch als unsere hat, möchte man nicht mehr zurück.“ KTM. Außerdem ist mit dem IO-Scooter ein Aufgabe. neuer und trendiger Elektroroller im Pro- Ein kleines Rechenspiel: Wir werden bis Erste Autos bereits im April gramm. 2012 1000 E-Autos, 90 E-Mountainbikes, Zusätzlich zur jetzigen Modellpalette 320 E-Roller und 540 E-Fahrräder anschaf- wird es bereits im zweiten Quartal 2010 fen. Diese 1950 Elektrofahrzeuge haben bei erste Autos in Salzburg geben. Derzeit ist einer durchschnittlichen Laufleistung einen eine geringe Stückzahl der Marke Think City Strombedarf von 1,6 Gigawattstunden. Das bestellt, um interessierte Kunden testen zu entspricht einem Stromzuwachs von 0,05 %. lassen. Ende 2010 bzw. Anfang 2011 werden Diesen decken wir mit zwei Photovoltaik- auch Elektro-Autos anderer Hersteller wie anlagen und zwei Blockheizkraftwerken auf Citroen, Mitsubishi, Smart u. a. in Salzburg Biogas-Basis ab. Dem gegenüber stehen eintreffen. „Wenn man weiß, daß 80 % aller aber 3188 Tonnen CO2, die bis 2012 durch täglichen Fahrten unter 40 Kilometer liegen, die Elektrofahrzeuge eingespart werden kön- dann sind Elektroautos schon jetzt eine cle- nen. Grundsätzlich ist es unser Ziel, immer vere Alternative. Vor allem im Stadtverkehr Elektrofahrzeuge mit der Herstellung von und den täglichen Fahrten von und zur erneuerbarem Strom aus Photovoltaik- oder Arbeit“, so Hirschbichler. Biomasse-Anlagen zu koppeln. Diese Kom- „Natürlich sind diese Autos im Moment bination aus Elektrofahrzeug und lokal noch teuer. Wir haben aber viele Interes- erzeugter Energie ist fester Bestandteil unse- senten, die ein solches Elektrofahrzeug als res Konzepts.“ Prototyp einsetzen möchten. Zum einen um Die Drehbewegung eines Elektromotors ihr ökologisches Bewußtsein zu zeigen, zum beruht auf den Kräften, die verschiedene anderen um einen Beitrag zur Elektro- Magnetfelder aufeinander ausüben. Kurz mobilität zu leisten. Die jetzige Generation gesagt wandelt ein Elektromotor die Kraft, von Elektroautos braucht ungefähr ein Setzt auf die Zukunft der Mobilität: die von einem Magnetfeld auf einen strom- Viertel der Treibstoffkosten im Vergleich zu Salzburg AG-Vorstand August durchflossenen Leiter einer Spule ausgeübt einem Benzinmotor und ist damit im Betrieb Hirschbichler vor dem Tesla Roadster wird, in Bewegungsenergie um. natürlich äußerst ökonomisch. Wenn sich die 50 Ladestationen bis Jahresende Im Gegensatz zu Verbrennungsmotoren Anschaffungspreise noch reduzieren – und Derzeit stehen im Bundesland Salzburg stellen Elektromotoren über einen großen das werden sie in den kommenden Monaten 17 öffentliche Ladestationen, die von Drehzahlbereich ein gleichmäßiges Dreh- und Jahren – dann sind Elektroautos auch für ElectroDrive Salzburg Kunden gratis genutzt moment stufenlos zur Verfügung – ein Ge- Privatpersonen keine Alternative mehr son- werden. Schößwendter: „Bis Ende 2010 triebe oder eine Kupplung sind dabei ebenso dern ganz einfach die Zukunft“, betont möchten wir insgesamt 50 Ladestationen im wenig notwendig wie eine Abgasanlage. Hirschbichler. Bundesland aufgestellt haben. Für die In der Industrie werden Elektromotoren Ladestationen verwenden wir ausschließlich seit über einem Jahrhundert vor allem zum Neuer Geschäftsführer – neue Produkte Ökostrom. Somit sind die Fahrzeuge, die an Antrieb verschiedener Arbeitsmaschinen Wie geplant hat sich Anfang des Jahres diesen Stationen betankt werden, im Betrieb und Schienenfahrzeuge eingesetzt. der interimistische Geschäftsführer Michael praktisch zu 100 % emissionsfrei. In den Aber auch zahlreiche Dinge des täglichen Strebl aus seiner operativen Tätigkeit zu- Ladestationen fließt ausschließlich Strom Lebens – ob Rasierapparat, Mixer, Staubsau- rückgezogen und die Agenden an Alois aus erneuerbaren Energien im Sinne des ger oder Waschmaschine – würden ohne Elek- Schößwendter übergeben, der sich ab sofort Ökostromgesetzes, also Kleinwasserkraft, tromotoren nicht funktionieren. Ebenso wie voll auf die ElectroDrive Salzburg GmbH Windkraft, Fotovoltaik, Biomasse oder Aufzüge, Oberleitungsbusse oder giganti- konzentrieren wird. Das „Projekt Electro- Biogas. Dadurch wird die Umweltbilanz der sche Kreuzfahrtschiffe – überall sorgen hoch- Drive“ ist ein Unternehmen geworden und Fahrzeuge entscheidend erhöht.“ entwickelte Elektromotoren für den Antrieb. wurde von der Nachfrage positiv überrascht. Selbst Kinder besitzen oft sogar mehrere Schößwendter: „Im Herbst 2009 hatten wir Regenerative Energie Elektroautos – denn auch die berühmte erstmals einen Engpaß bei E-Bikes und ka- ElectroDrive Salzburg möchte aber nicht Carrera-Rennbahn funktioniert nach diesem men mit den Bestellungen nicht nach. Jetzt nur Ladestationen und Produkte zur Ver- Prinzip. haben wir uns breiter aufgestellt und bei ver- fügung stellen, sondern auch ein klein wenig http://www.salzburg-ag.at

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 64 Kultur »Renaissance und Reformation« Austragungsort der Oberösterreichischen Landesausstellung 2010 ist das Schloß Parz in Grieskirchen, das – neben dem Schloss Hartheim – zu den architektonisch bedeutendsten Renaissanceschlössern Oberösterreichs zählt. Foto: Oberösterreichische Landesausstellung 2010 Um 1515 entstanden: das dreigeschoßige Renaissanceschloß Parz bei Grieskirchen mit weitläufigen Wirtschaftsgebäuden.

ie Landesausstellung 2010 ist die 28. in Das inhaltliche Konzept dieser Landesaus- zahlreichen technischen Errungenschaften Dder Geschichte Oberösterreichischer stellung wurde von Univ. Prof. Karl Vocelka und neuen naturwissenschaftlichen Erkennt- Landesausstellungen. Sie trägt den Titel vom Institut für Österreichische Geschichte nissen, sondern auch zu neuen theologischen „Renaissance und Reformation“. Die kultur- der Universität Wien und Univ. Prof. Rudolf Sichtweisen gekommen ist. geschichtliche Bedeutung von Parz ist zu Leeb vom Institut für Kirchengeschichte an Die Entstehung und Ausbreitung der Re- allererst im Freskenzyklus an der südwest- der Ev.-Theol. Fakultät der Universität Wien formationsbewegung in Europa steht dabei seitigen Fassade begründet, der um 1580 un- erstellt. Die Dritte im Bunde ist die Histori- im zweiten Teil der Ausstellung ebenso im ter Sigmund von Pollheim entstand; Ende kerin Andrea Scheichl, gebürtige Linzerin. Mittelpunkt wie die Dokumentation der Ent- der 1980er Jahre wiederentdeckt, bildet er Die inhaltliche Konzeption der Ausstellung wicklung der Evangelischen Kirche im deut- das Glaubensbekenntnis des protestanti- und der Gestaltungsentwurf, der vom be- schen Sprachkreis, in Österreich und in schen Burgherrn ab. kannten niederösterreichischen Ausstellungs- Oberösterreich im Speziellen. Das Thema „Renaissance und Reforma- architekten Erich Woschitz erstellt wurde, Entscheidend sowohl am inhaltlichen als tion“ wurde in der 45jährigen Geschichte sind bereits im Vorfeld – bei potentiellen Leih- auch am gestalterischen Konzept ist, daß die- Oberösterreichischer Landesausstellungen gebern und Kulturschaffenden – auf großes ses nicht nur eine „statischchronologische“ bisher nicht aufgegriffen, wie überhaupt die Interesse gestoßen. Präsentation von wertvollen Kulturgütern Renaissance per se erst einmal ein Thema Inhaltliche zielt die Ausstellung darauf zum Ziel hat, wozu natürlich die unzähligen einer großen Ausstellung war; und zwar bei ab, den BesucherInnen eine geschlossene kostbaren Exponate aus der Renaissance der NÖ. Landesausstellung auf der Schalla- Dokumentation der Renaissance als Epoche verlocken würden, sondern daß es vor allem burg im Jahr 1974 („Renaissance in Öster- des Aufbruchs aus der mittelalterlichen En- Antworten auf die Fragen nach dem „Wie“ reich“). Die evangelische Kirche Oberöster- ge, ja sogar als Beginn der Neuzeit im wei- und „Warum“ gibt, die den unzähligen ge- reich ist direkter Partner der diesjährigen testen Sinne, zu bieten. Eine Zeit, in der es sellschaftlichen Veränderungsprozessen in Landesausstellung. nicht nur zur Entdeckung der Neuen Welt, zu der Renaissance zu Grunde liegen.

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Die Ausstellung – ein Erlebnis der besonderen Art Oberösterreich bleibt seinem Erfolgsge- heimnis vergangener Landesausstellungen treu und verknüpft auch bei der heurigen Landesausstellung die Präsentation hochka- rätiger Exponate mit einer ansprechenden Inszenierung und einer eigenen Vermitt- lungsschiene für Kinder und Jugendliche. Dabei werden zu bestimmten Themen (z.B. Buchdruck) verdichtende, kindgerecht auf- bereitete Informationen vermittelt und durch speziell inszenierte Leitexponate (Presse zum Drucken von Postkarten) akzentuiert, so daß die Kinder Ausstellungsinhalte quasi selbst erarbeiten. Für verschiedene Schulstufen gibt es außerdem wieder spezielle pädagogische Begleitprogramme, die eine ideale Ergän- zung zum Unterricht in den Klassen darstel- Foto: Stadt Grieskirchen Der Fresken-Zyklus an der Außenfassade des Schlosses Parz gilt als größter origi- len. Ein Themenspielplatz im Park des nal-erhaltener der Renaissance. Schlosses soll deshalb auch für die kleineren Kinder den Landesausstellungsbesuch zum park ist außerdem auch die letzte Ruhestätte mit den kulturellen Einrichtungen der Um- Erlebnis machen. des bekannten Malers Hans Hoffmann-Ybbs gebung ist das Erfolgsrezept Oberösterrei- Der künftig im Anschluß an die Fresken- und seiner Partnerin untergebracht. chischer Landesausstellungen. wand situierte Renaissancegarten stellt eine Daher gibt es, flankierend zur diesjähri- Zone der Ruhe und der Meditation für die Hochkarätige regionale Projekte gen Landesausstellung in Grieskirchen, Gäste der Schau sowie ein über einen Zeit- flankieren die Landesausstellung zahlreiche Einrichtungen und Projekte, die raum von zumindest zehn Jahren öffentlich Gleichgültig ob eine Landesausstellung die regionalen Brennpunkte des Geheimpro- zugängliches Naherholungsgebiet für die Be- zentral oder dezentral abgehalten wird, der testantismus, der Reformation und der Re- wohnerInnen Grieskirchens dar. Im Schloß- inhaltliche und marketingtechnische Dialog naissance dokumentieren. Diese sind: Foto: Oberösterreichische Landesausstellung 2010 An der Stelle des heutigen Wasserschlosses Parz stand schon vor 700 Jahren eine Wasserburg.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 66 Kultur Foto: Billa und Manfred Hebenstreit Außenansichten des Hebenstreit-Himmelskörpers im Schloßpark in Peuerbach. Das silberne »Dreieck« auf der schiefen Ebene ist ein 10 Meter breiter Brunnen. Zum Kometor gehört auch eine mehr als 30 Meter lange nach Norden ausgerichtete »Nadel« als Anspielung auf Georg von Peuerbachs »Mißweisung der Kompaßnadel«.

Evangelisches Museum Gedächtnisorte in Oberösterreich wahrzu- Kindertextschiene auch aus der Perspektive Oberösterreich in Rutzenmoos nehmen und zu besuchen. der Kinder in der damaligen Zeit dargestellt. Es zeigt unter dem Titel „Fröhliche Aufer- Der Themenweg führt an einem attraktiven stehung“ eine Sonderausstellung über evan- »Reformation – auf dem Weg« Kinderspielplatz vorbei und ist großteils gelische „Epitaphe“ (Grabdenkmäler) aus der Der Themenweg von Wallern rollstuhlgeeignet. Ein geführter Spaziergang Reformationszeit aus Oberösterreich. Seit rund 500 Jahren bekennen sich in am Themenweg wird jeweils Samstag und Dabei wird deutlich, so der wissenschaft- Wallern Christinnen und Christen zum evan- Sonntag um 14.00 Uhr (€ 2,50 pro Person, liche Leiter, Pfarrer Günter Merz, daß sich in gelischen Glauben. Heute ist rund ein Fünftel Gruppenpreis € 2,00 p.P.) angeboten. vielen heute katholischen Kirchen Ober- der Bevölkerung evangelisch. Im Zuge der Für Kinder gibt es Workshops zum The- österreichs noch Zeugnisse des evangeli- Landesaustellung 2010 in Grieskirchen hat ma Buchdruck und Bibel. Eine Drucker- schen Glaubens befinden. Es handelt sich um die evangelische Pfarrgemeinde Wallern presse des Papiermachermuseums Steyrer- Grabdenkmäler im Stil der Renaissance, die einen 10 Stationen-Weg mit dem Titel „Re- mühl steht zur Verfügung. nicht nur an Verstorbene erinnern, sondern formation – auf dem Weg“ gestaltet. auch ein Bekenntnis zum Glauben an den Hier wird die bewegte, beinahe 500jähri- Kometor: Kunst & Kosmos ® Sieg Christi über den Tod darstellen. ge Geschichte der Evangelischen in Wallern Das Künstlerpaar Manfred & Billa Heben- Wie haben Menschen früher Tod und anhand exemplarischer Personen und Häuser streit entwickelte das Ideen-Paket rund um Auferstehung gesehen? Wie denken sie gezeigt: Denn die Reformation Martin Lu- den Kometor. Die beiden, die seit fast 15 Jah- heute darüber nach? Antworten geben die thers hat in Wallern Spuren hinterlassen; be- ren in der Stadt Peuerbach leben, ließen sich biblischen Motive und Texte auf den Grab- ginnend als Massenbewegung im 16. Jahr- vom Denken und Wirken des Astronomen, denkmälern. Antworten geben auch heutige hundert, mit der Entscheidung zwischen Aus- Mathematikers und Humanisten Georg von Jugendliche: Schülerinnen und Schüler des wandern oder „Glaubenswechsel“ im Zuge Peuerbach (1423 bis 1461) inspirieren. BRG Linz Hamerlingstraße und des Adal- der Gegenreformation, dem Leben im Unter- Georg von Peuerbach war seiner Zeit im bert-Stiftergymnasiums Linz gestalten eine grund über 150 Jahre hindurch (Geheimpro- Denken voraus: er stellte systematische Be- Hörstation mit persönlichen Stellungnahmen testantismus), der Gemeindegründung 1782 obachtungen über Sonne und Mond an und und setzen ihre Gedanken zeichnerisch um. bis hin zum Einblick in das aktuelle Leben beobachtete Kometen. Er baute auch ver- Mit Hilfe moderner Technik wird die einer evangelischen Pfarrgemeinde. schiedene Instrumente und Sonnenuhren, Botschaft der Grabdenkmäler den Besuchern Den Abschluß des Themenweges bildet untersuchte die Mißweisung der Kompaß- nahe gebracht. Und es wird möglich sein, die Sonderausstellung „Gelebte Ökumene“ nadel, die nicht genau zum geografischen jene Menschen näher kennenzulernen, deren im Heimatmuseum. Nordpol zeigt und bestimmte die „Schiefe in Stein gehauener Glaube die Jahrhunderte Der ca. zwei km lange Themenweg ist in der Ekliptik“, das ist die Neigung der schein- überdauert hat. Die Ausstellung soll auch an- eine reizvolle Landschaft eingebettet. Die baren Sonnenbahn am Himmel gegen den regen, bisher wenig beachtete evangelische einzelnen Themenstationen werden in einer Himmelsäquator.

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Ozeane gab und ein Teil des irdischen Was- sers aus Vulkanen stammte, die Unmengen von heißem Dampf ausstießen, der konden- sierte und nieder regnete. Außerdem wurde unser Planet von Kometenteilen geradezu bombardiert, die zusammen ebenfalls gigan- tische Wassermengen in Form von Eis mit sich brachten. Die schrägen Wände der Was- serwelt im Kometor dienen als Projektions- Fläche für bewegte Über- und Unterwasser- bilder, zu einem Panorama von luziden Erscheinungen verflochten.

Der Sternendom Dem Sternendom liegt eine andere Philo- sophie zu Grunde: Der Blick in die Weiten des Weltalls und in die Tiefen der Erde, so der Künstler Manfred Hebenstreit, bringt uns

Foto: Billa und Manfred Hebenstreit mehr und mehr Einblicke und Informationen Die vulkanische Herkunft des Urzeitwassers wird künstlerisch interpretiert. Heben- über das, was die Welt „in ihrem Innersten streit-Glasbilder werden mit Animationsprogrammen zu bewegten großflächigen zusammen hält“. Dabei entstehen aber auch Bildsequenzen - Partner für diese Projektionen ist das weltweit renommierte immer mehr und immer neue Fragen. Dem- Unternehmen Stumpfl aus Wallern, das bei der Inauguration von Barack Obama riesige Videowalls installiert hat. nach ist der Blick des Künstlers bei der Ge- staltung des Kometors nicht auf ein Fachge- Die astronomischen Berechnungen des Georg von Peuerbachs Forschungen. biet spezialisiert und auch nicht streng wis- Georg von Peuerbach schafften die Grund- Der Eingang der Skulptur liegt unterir- senschaftlich fokussiert – sondern gefangen lagen für die ersten zuverlässigen Orientie- disch. Durch einen Tunnel geht es hinein in genommen von bestimmten Phänomenen, rungshilfen der Schifffahrt und ermöglichten einen Raum mit kristallinen Strukturen. Von angezogen von scheinbaren Zufälligkeiten, so die großen Entdeckungs- und Forschungs- dort steigt man hinauf in zwei „überirdische“ Querverbindungen erspürend. Und so über- reisen des Abendlandes, bis hin zur moder- Erlebnisebenen: in die „Wasserwelt“ und in lagern sich im Sternendom Projektionen von nen Raumfahrttechnik. den „Sternendom“. Hebenstreit-Sternenbildern mit echten Welt- Manfred & Billa Hebenstreit entwickel- raum-Fotos von Planeten und Galaxien. Der ten unter dem Motto „Kunst & Kosmos“ den Die Wasserwelt Künstler bekam dazu die Erlaubnis von der „Kometor“ als Reminiszenz an den großen Die Wasserwelt nimmt Bezug auf das An- NASA, die Bilder des Hubble-Teleskops für Sohn der Stadt Peuerbach: Der Name Kome- fangsstadium der Erde, als es noch keine seine künstlerische Arbeit zu verwenden. tor beinhaltet das Wort „Komet“ und das Wort „Tor“ und reflektiert damit auf die Tatsache, daß das Auftauchen eines Kometen auch das Tor zur Weiterentwicklung des Lebens auf der Erde öffnete. Beim Kometor handelt es sich um eine begehbare Skulptur, die Kometor-Form ist aus einem Fünfeck-Körper (Dodekaeder) ge- baut. Das begehbare Objekt ist mit silbrigen Zinkblechen verkleidet und wirkt so, als wä- re es gerade auf der schiefen Ebene gelandet. Der Baukörper des Kometor ist eingebet- tet in eine Fläche aus glänzenden Alumi- niumplatten, über die Wasserkaskaden lau- fen. Das Wasser dieses Brunnens auf der schiefen Ebene verschwindet in einer kreis- runden Öffnung im Boden. Zum Kometor gehört auch eine mehr als 30 Meter lange nach Norden ausgerichtete

„Nadel“ als Anspielung auf Georg von Peuer- Foto: Billa und Manfred Hebenstreit bachs „Mißweisung der Kompaßnadel“. Die Der verspiegelte Sternendom ist sehr schwer zu fotografieren, denn die Wirkung schiefe Ebene, auf der das Kometor-Objekt eines Fünfeckkörpers im Inneren ist sehr speziell, der Raum ist 8 Meter hoch und die Kanten sind mit Licht-Bändern aus LEDs betont. Die Projektionen vervielfachen schräg stehend platziert ist, bezieht sich sich durch die großflächigen Spiegel im Raum, sodaß eine schwer zu beschreiben- symbolisch auf die „Schiefe der Ekliptik“ in de Kaleidoskop-Wirkung entsteht, die man einfach selbst erleben muß.

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Spiegelflächen, Klänge und Lichteffekte zaubern ein riesiges dreidimensionales Ka- leidoskop mit all den Gästen im Zentrum des Geschehens. Ebenso trägt der Schloßpark die Hand- schrift des Künstlerduos Hebenstreit. Gestal- tungsideen rund um die Themenbereiche Re- naissance, den Astronomen, Mathematiker und Humanisten Georg von Peuerbach und Kunst & Kosmos wurden entwickelt. Ein schlangenförmig geschwungener Weg führt vorbei am Spiegelobjekt, am großen silber- nen Brunnen und an den verschiedenen Sitz- gelegenheiten im Park und stimmt ein auf die Erlebnisebenen im Kometor. Für die Außen- bereiche (Zaun, Spiegel, Brunnen, Kom- paßnadel) wurde zudem ein ausgeklügeltes Beleuchtungskonzept entwickelt, das den ge- samten Schloßpark auch in der Nacht ak- zentuiert und begehbar macht. http://www.kometor.at

Kulturama Schloß Tollet – Ausstellung »Standpunkte« In den bereits vor mehr als einem Jahr fertig sanierten Räumlichkeiten des Mu- seums im Schloß Tollet wird vom Bezirks- heimathausverein Tollet eine Sonderausstel- Foto: Stadt Grieskirchen Der »Schwibbogen« verbindet seit 1604 zwei Häuser im Zentrum von Grieskirchen. lung mit dem Titel „Standpunkte. Die Jörger von Tollet und ihre Zeit“ gezeigt. Wertvolle rem für den 19. Oktober 1533 den Weltun- Zentrum 2010 in Grieskirchen – Dokumente und zahlreiche Exponate lassen tergang prophezeite, dokumentiert, genauso »Grieskirchen persönlich« den Besucher die Zeit des Ritters Wolf Jör- wie jene weiterer bedeutender Jörger. In Grieskirchen selbst fungiert das Zen- ger und seiner Gattin Dorothea, die in engem Für die Ausstellung werden nicht nur die trum 2010 als Beitrag zum Rahmenpro- Briefkontakt mit Martin Luther stand, nach- Museumsräume im Schloß selbst, sondern gramm Landesausstellung. Dabei handelt es vollziehen. auch der weitläufige Park und der Keller des sich um ein nach modernsten architektoni- Ebenso wird die Lebensgeschichte des Schlosses genutzt. Markante Skulpturen zei- schen Gesichtspunkten errichtetes Gebäude, Michael Stifel, des ersten protestantischen gen Standpunkte auf, regen zur Diskussion das während der Landesausstellung als Aus- Predigers auf Schloß Tollet, der unter ande- an und lassen den Besucher aktiv werden. stellungszentrum fungieren wird und in der Foto: Stadt Grieskirchen In Grieskirchen selbst fungiert das neu errichtete »Zentrum 2010« als Beitrag zum Rahmenprogramm Landesausstellung.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 69 Kultur Foto: Stadt Grieskirchen Eine zusätzliche Attraktion bilden die sogenannten »sprechenden Bürgerhäuser« am Grieskirchner Stadtplatz.

Nachnutzung kommunale Einrichtungen wie und die zeitliche Schiene, die von der ersten die Entstehung der Bauwerke und ihre zum Beispiel die Stadtbibliothek und die urkundlichen Erwähnung der Kirche am Funktion werden dabei jeweils dokumentiert. Mutterberatung beherbergen wird. Gries, im Jahre 1075, bis zur Gegenwart Die BesucherInnen können somit selbst als Die im Zentrum 2010 gezeigte Ausstel- reicht, in der Darstellung miteinander ver- StadtforscherInnen aktiv werden. lung steht unter dem Titel „Grieskirchen per- knüpft. Weiters gibt es im Zentrum 2010 das sönlich“. Sie erstreckt sich über rund 350m² große „Grieskirchen-Spiel“, unter anderem Landesausstellung kulinarisch – im Erd- und im Obergeschoß des gesamten bestehend aus einer begehbaren Luftaufnah- die »Wirte 2010« Gebäudes. Der Bereich des Stiegenaufgangs me von Grieskirchen. Diese dient als Spiel- 23 Gastronomiebetriebe aus der Landes- wird ebenfalls für die Ausstellung genutzt. fläche und bietet unterschiedliche Varianten ausstellungs-Region haben seit vergangenem Die Ausstellung will einen anderen an, die Stadt Grieskirchen spielerisch zu Herbst einen von OÖ. Tourismus und der thematischen Weg, als bei klassischen Stadt- „entdecken“. Mittels überdimensionaler Bezirksstelle Grieskirchen der Wirtschafts- geschichteausstellungen üblich, gehen. Die Spielfiguren kann viel Neues, Bekanntes kammer gemeinsam initiierten Qualifizie- Geschichte Grieskirchens, Eindrücke und und Spannendes erlebt werden. Ein Besuch rungsprozeß durchlaufen. Insgesamt vier Emotionen zur Stadt, werden nicht nur histo- im Zentrum 2010 wird damit zu einem Workshop-Termine im September und Okto- risch, sondern „persönlich“ dargestellt und Erlebnis für die gesamte Familie. ber 2009 dienten der inhaltlichen Vorberei- inszeniert. Darüberhinaus wird der Luftraum des tung auf die Landesausstellung. Als „Wirte Die BesucherInen bewegen sich somit gesamten Stadtplatzes mit einem künstle- 2010“ werden sie auch gemeinsam Akzente weg von einer institutionellen Darstellung risch gestalteten „Netzwerk“, das an den rund um „Renaissance und Reformation“ der Stadtgeschichte, hin zu einer persön- Dachgiebeln der Häuser und der Stadtpfarr- setzen. Beim „Renaissancefest“ in Grieskir- lichen Betrachtung des Lebensraumes Stadt. kirche verankert ist, umspannt. Damit wird chen von 27. bis 30. Mai und beim „Fest der Folgende Personen werden in der Aus- das „Netzwerk Stadt“, das gerade in der Sterne“ am 13. und 14. August in Peuerbach stellung besonders akzentuiert dargestellt: Renaissancezeit eine erste kulturgeschichtli- werden sich die Betriebe der Kooperation mit che Blüte erlebte, dokumentiert. Köstlichkeiten aus Küche und Keller präsen- Bischof Franz Zauner Eine zusätzliche Attraktion bilden die tieren. Sr. Maria Adelheid Edtbauer sogenannten „sprechenden Bürgerhäuser“, Darüberhinaus bieten die Mitgliedsbe- Prof. Traugott Erich Gattinger die darauf abzielen, durch die Anbringung triebe abwechselnd ab Mai 26 Wochen lang Josef Lobmeyer sen. von künstlerisch gestalteten „Informations- jeweils am Donnerstag und Freitag unter Wolfgang Pöttinger und terminals“ die Aufmerksamkeit der Besu- dem Motto „Schlemmen bei den Wirten“ ein Johann Prechtler. cherInnen in der Stadt auf verschiedene kul- dreigängiges Menü zu einem historischen Neben dem biographischen Ansatz gibt turgeschichtlich bedeutsame Bauwerke (Bür- Thema. Im September, während des Fran- es im Zentrum 2010 auch eine „Zeitleiste“ gerhäuser) zu lenken. kenburger Würfelspieles, können die Gäste der Ereignisse in der Stadtgeschichte. Wo Die Geschichten der Menschen, die dort der „Wirte 2010“ dann um ihr Essen würfeln. immer möglich, werden die biographische in den verschiedensten Jahrhunderten lebten, http://www.genuss-region.at

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 70 Kultur

Angebote für Individual- und Gruppenreisende Für jene Gäste, die den Besuch der Landesausstellung mit einem Kurzurlaub in der Region verbinden wollen, hat der Tou- rismusverband Vitalwelt ein Urlaubspaket für Individualreisende geschnürt. Unter dem Motto „Landesausstellung & Thermenge- nuß“ sind zwei Übernachtungen mit Früh- stück, ein Tageseintritt in die Saunawelt „Re- laxium“ und in die Farblichttherme „Colo- rama“ im EurothermenResort Bad Schaller- bach, der Eintritt in die Landesausstellung und ein geführter Spaziergang auf dem Themenweg „Reformation auf dem Weg“ in Wallern zusammengefaßt. Das Gesamtpaket kostet in einer Pension ab 76 Euro, im Drei- Sterne Hotel ab 94 Euro pro Person und ist Beim Ganslbraten-Essen beim Mühlviertler Alm-Wirt in Pierbach: Josef Greindl direkt über die Vitalwelt buchbar. (ALM-GF), Reinhard Klopf (Ganslbauer) und Anna Mayringer und Hubert Leitner (Obmann Mühlviertler Weidegans und Ganslbauer) Darüberhinaus wurden unter Federfüh- rung des OÖ. Tourismus zwölf Gruppen- reisepakete entwickelt, darunter acht Tages- programme und vier Zwei- Tages-Angebote mit Übernachtung. Diese Programme verbinden die Landes- ausstellung mit den verschiedensten Frei- zeitattraktionen der Region, vom Eisenbahn- und Bergbaumuseum Ampflwang über die Verkostung edler Brände bis hin zum Weg der Sinne in Haag am Hausruck. Bei der Erstellung dieser Programme wurde diesmal auch ganz gezielt die Abstimmung mit ver- schiedenen Interessensgruppen gesucht, um eine optimale Akzeptanz dieser Angebote auf dem Markt zu erreichen. http://www.oberoesterreich.at

Der Bezirk auf einen Blick Ein wichtiges Werbemittel für den Aus- Ein Alm-Wirt Ganslbraten mit Waldviertler Erdäpfel; Köchin: Martha Schartlmüller flugsgast ist schließlich die Wander- und Radkarte für den Bezirk Grieskirchen. Ne- ben den Wander- und Radwegen sind auf dieser Karte auch sämtliche Nebenschau- plätze von „Renaissance und Reformation“ eingezeichnet, beispielsweise der „Kometor“ in Peuerbach, Schloß Tollet, die Evangeli- sche Kirche in Wallern oder das Zentrum Grieskirchen 2010 mit der Ausstellung „Grieskirchen persönlich“.

Die einzelnen Eröffnungstermine: Oö. Landesausstellung: 27. April Kometor Peuerbach: 30. April Zentrum 2010: 30. April Ausstellung Schloss Tollet: 2. Mai Themenweg Wallern: 2. Mai Evangelisches Museum OÖ. Rutzen-

moos – Sonderausstellung: 6. Mai Alle Fotos: Genuss Region Österreich / Rita Newman http://www.landesausstellung.at Wildkräuterweckerl im Weidekorb; Köchin: Annemarie Pum

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 71 Kultur Prinz Eugen – Feldherr, Philosoph und Kunstfreund 11. Februar bis 6. Juni 2010 im Unteren Belvedere und in der Orangerie

talienischer Abstammung, von Geburt ein IFranzose, wurde Prinz Eugen von Savoyen (1663-1736) nach seinem kometenhaften Aufstieg und seiner glanzvollen Karriere als Feldherr einer der einflußreichsten Österrei- cher, der das Geschick des Landes und auch dessen Kunst- und Kulturgeschichte nach- haltig prägte. Als Diplomat und Ratgeber der Kaiser Leopold I., Joseph I. und Karl VI. rei- ste er quer durch Europa von einem Kriegs- schauplatz zum anderen und spielte eine maßgebliche Rolle für die Zukunft des Hau- ses Habsburg. Das Wiener Belvedere mit zwei Schlössern und einer barocken Garten- anlage, Anfang des 18. Jahrhunderts von Jo- hann Lucas von Hildebrandt als Sommerre- sidenz für Prinz Eugen errichtet, ist 2010 Schauplatz einer Ausstellung, die den Prin- zen als Feldherren, Staatsmann und Mäzen der Kunst und der Wissenschaften präsen- tiert. Sein Leben lang widmete sich Prinz Eugen dem Aufbau einer umfangreichen Sammlung von Gemälden und Kupferstichen, Inkuna- beln, illuminierten Handschriften und Bü- chern, die er in seinen Wiener Palais präsen- tierte. Von wechselnden Kriegsschauplätzen aus korrespondierte er mit Künstlern und Kunsthandwerkern, Gartenarchitekten, Bau- meistern und den führenden Köpfen seiner Zeit. Seine Erwerbungen schrieben europäi- sche Kunst- und Kulturgeschichte und för- derten den Kunsttransfer vom Hof des fran- zösischen Königs Ludwig XIV. nach Wien. Das naturwissenschaftliche Interesse des Prin- zen, der sich in diesen Belangen vom Philo- sophen und Wissenschaftler Gottfried Wil- helm Leibniz beraten ließ, zeigt sich in sei- ner großen Sammlung exotischer Tiere und Pflanzen. In der Ausstellung werden Exponate sei- Foto: Galleria Sabauda, Turin ner Kunstsammlungen, vornehmlich Gemäl- Jacob van Schuppen, Reiterbildnis Prinz Eugen von Savoyen, vor 1721; Öl auf Leinwand, 396 × 275 cm de der Turiner Galleria Sabauda und Zime- lien der Bibliotheca Eugeniana aus der Ös- konferenz höchste Gäste wie die Botschafter Nichte des Kardinals Mazarin, und Eugen terreichischen Nationalbibliothek, in Anleh- des Osmanischen Reichs zur Audienz emp- Moritz von Savoyen-Carignan geboren. Eu- nung an die originalen Raumdekorationen fing. gen ist der Fünftgeborene mit vier älteren präsentiert. Den Besuchern wird so die kom- Brüdern und zwei jüngeren Schwestern. plexe Ausstattung jener Gebäude vermittelt, Der Kleine Abbé – Herkunft und Familie Über die väterliche Linie geht sein Stamm- in denen Prinz Eugen als Präsident des Hof- Prinz Eugen wird am 18. Oktober 1663 baum auf König Philipp II. zurück. Er kriegsrats und Mitglied der geheimen Staats- als jüngster Sohn von Olympia Mancini, wächst am Hof Ludwigs XIV. in Paris auf.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 72 Kultur Foto: Kunstsammlungen des Augustiner-Chorherrenstift Herzogenburg Martino Altomonte, Entsatz von Wien am 12. September 1683, 1685; Öl auf Leinwand, 80,5 × 112 cm

Als jedoch seine Mutter als vermeintliche Kriegs- und Siegeslagern für den Bau und Prinz Eugen und Marlborough – Giftmörderin 1680 in Ungnade fällt, flieht die Ausstattung seiner Wiener Paläste den Schlacht von Höchstädt 1704 die Verdächtigte nach Brüssel. Die Erzie- Rahmen gibt. Am 13. August 1704 rettet der Sieg der hung ihrer Kinder überläßt sie der Großmut- Kaiserlichen dank des Eingreifens des Her- ter Marie von Bourbon, die Eugen allerdings zogs von Marlborough in der Schlacht von im Februar 1683 des Hauses verweist, weil höchstädt/Blindheim an der Donau die Stadt er eine kirchliche Laufbahn ablehnt. Am 23. Wien vor der Einnahme durch die vereinig- Juli 1683 flieht der 20jährige, als Mädchen ten bayerischen und französischen Truppen. verkleidet, in einer Kutsche aus Paris an den Zugleich besiegelt die Niederlage in dieser Wiener Hof, der wegen der Türkenbelage- Schlacht das politische und territoriale Ge- rung in Passau weilt. Eugen bittet Leopold I. schick Bayerns. Seit Höchstädt bindet Eugen um Aufnahme in die kaiserliche Armee; im eine enge Freundschaft an Marlborough. Als August 1683 wird er als Volontär eingestellt. Königin Anne den Herzog entmachtet, reist Seine Vettern Markgraf Ludwig Wilhelm von Eugen von Holland aus im Januar 1712 nach Baden und Kurfürst Max Emanuel von London, um dem Geschmähten beizustehen. Bayern protegieren ihren mittellosen Cou- In London muß er in Westminster Abbey sei- sin, der auch das Oberhaupt des Hauses nen Reisegefährten und als Erben ausersehe- Savoyen, Herzog Viktor Amadeus II., um nen Lieblingsneffen Eugen bestatten, der am Unterstützung bitten muß. 7. März mit 20 Jahren an den Blattern ge- storben war. Bauherr im Feld Die Belagerung und der Entsatz Wiens Schlacht von Peterwardein 1716 1683 im Zweiten Türkenkrieg, der Pfälzi- Habsburg ist nach dem Frieden von Ra- sche Erbfolgekrieg 1688-1696 und der Spa- statt, der im März 1714 den Spanischen Erb- nische Erbfolgekrieg 1701-1714 eröffnen in folgekrieg beendet, mit den vormals franzö- Foto: Wien Museum ganz Europa ein 30 Jahre währendes Kriegs- sisch besetzten Territorien in den Niederlan- Unbekannter Maler, Großwesir Kara theater, das dem militärischen Aufstieg Prinz Mustafa, keine Datierung, Öl auf den und in Italien zur Großmacht geworden. Eugens und seinen Bestellungen aus den Leinwand, 75 × 49 cm Die Sorge um die Erhaltung der Spanischen

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 73 Kultur

Niederlande gegenüber dem Agressor Frank- reich bindet das Interesse der Seemächte England und Holland auf lange Sicht an Ös- terreich. Die kaiserliche Armee wendet sich von der Rheinfront erneut zum Balkan: nach der Schlacht von Peterwardein 1716 und der Eroberung von Belgrad 1717 durch Prinz Eugen gewinnt Karl VI. mit dem Frieden zu Passarowitz 1718 das Banat, Nordserbien und Westrumänien; die Donaumonarchie erreicht ihre größte territoriale Ausdehnung, die bis 1739 bestehen bleibt; im neuerlichen Tür- kenkrieg verliert Österreich mit Belgrad den im Frieden von Passarowitz erreichten Ge- bietszuwachs.

Italienfeldzug Foto: Rijksmuseum, Amsterdam Pieter van den Berge, Besuch Prinz Eugens beim Kunsthändler Zomer in Amsterdam, Im Spätherbst 1700 führt Eugen als Ober- keine Datierung, Feder in Braun, laviert auf Papier, 23,6 × 40,8 cm befehlshaber die Armee nach Oberitalien, um die Franzosen zu vertreiben, die die zum Fürsorge für die Soldaten Als Heerführer rügt er den überaus Spanischen Imperium gehörende Lombardei Prinz Eugen soll im Feldlager braune schlechten Zustand der Zeughäuser, so daß besetzt halten. Vom 26. Mai bis zum 4. Juni Mönchskutten getragen haben. Berüchtigt wenn Wien angegriffen würde, man nicht 1701 überquert Eugens Armee mit schwerer für seine kühne Führung der Truppen zu imstande wäre, […] eine rechte Belagerung Artillerie über Saum- und ziegenpfade die Pferde, wird er wohl 13 Mal, zumeist durch auszuhalten (an Leopold I., 5. Januar 1708). Tridentinischen Alpen in das Gebiet von Ve- Streifschüsse, verwundet – u. a. im Septem- Er will Ivalidenkompanien bilden, um den ge- rona. die Franzosen räumen Oberitalien im ber 1688 beim Sturm auf Belgrad, im Juli treuen Untertan, und sonderlich den armen März 1707. im April beruft Karl III. von 1689 vor Mainz, 1701 am Knie bei Carpi, Adel, wenn er vor dem Feind Gesundheit und Spanien Eugen zum Generalgouverneur von 1706 am Hals bei Cassano, bei Turin wird gerade Glieder eingebüßt, vor dem Bettel- Mailand. Dieser Posten bringt ihm jährlich sein Pferd erschossen, 1708 vor Lille, 1709 stab zu erretten und zu der ganzen Welt ca. 150.000 Gulden ein. vor Malplaquet. Schande und Spott nicht völlig abandonniert Foto: Kunsthistorisches Museum, Wien, Gemäldegalerie Bernardo Bellotto genannt Canaletto, Wien, vom Belvedere aus gesehen, 1758/61; Öl auf Leinwand, 135 × 213 cm

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herumziehen zu lassen (Prinz Eugen an den hofkriegsrat, 31. Oktober 1709).

Gemäldesammlung Nach dem Zeugnis der Wiener Chronisten Küchelbecker und Keyßler befand sich 1730 das Bilder-Zimmer-Cabinet mit 100 wand- füllenden kleinen Formaten im ersten Stock des Oberen Belvedere neben dem Schlaf- zimmer. Ihm folgte westlich das Bilderkabi- nett, die Bibliothek und nördlich mit Blick auf den Garten das Parade- und Audienzzim- mer. Im großen Bildersaal hängte Eugen vor allem Italiener, in den Kabinetten wandbe- deckend kleinere Formate der Niederländer. Die Ausstellung rekonstruiert mit 15 Leihga- ben aus Turin, Dijon und Brüssel die origi- nale Hängung von Prinz Eugens „Galle- rie/Bilder Saal“, dem heutigen Makartsaal im Oberen Belvedere.

Bibliotheca Eugeniana Prinz Eugens Büchersammlung entspricht mehr dem Erkenntnisinteresse der Aufklä- rung als einem barocken Raritätenkabinett; die Anlage seiner naturwissenschaftlichen Sammlung überwand den Geist der Kunst- und Wunderkammern. Eugen besaß 237 Handschriften und kostbare Inkunabeln, vor allem illuminierte Codices der französischen Buchmalerei des 13. bis 16. Jahrhunderts. Alle Einbände tragen sein Wappen in Gold, Foto: Graphische Sammlung Stift Göttweig Johann August Corvinus (Stecher) nach Salomon Kleiner (Zeichner), Ansicht der die Initiale „E“ und die Kollane des Ordens Gesamtanlage von Schloß Belvedere, Aus: Kleiner 1731-1740, Bd. 1, Taf. 3 vom goldenen Vlies. Die verschiedenen Ein- Kupferstich, 43,5 × 39,5 cm. Digitalisat: Department für Bildwissenschaften der bandfarben folgen wohl einem Vorschlag Donau-Universität Krems von Gottfried Wilhelm Leibniz: dunkelblau für Theologie und Jurisprudenz, dunkelrot für Geschichte, gelb für Naturwissenschaf- ten. Die Bibliotheca Eugeniana ist die erste mit einem wissenschaftlichen Katalog erfaß- te Büchersammlung, die Vater und Sohn Ma- riette, zunächst in Paris, anlegen. 1716 über- führt sie der Sohn nach Wien und ordnet sie nach Künstlernamen in Bandkatalogen.

Freundeskreis Zum Wiener Freundeskreis des Prinzen gehören der Kaiserliche Leibarzt und Direk- tor der Hofbibliothek, Pius Nicolaus Garelli, der Hofbibliothekar und Direktor der Anti- kensammlung sowie des Münzkabinetts, Jo- hann Benedikt Gentilotti von Engelsbrunn, der Zeichner und Archäologe Anton Daniel Bertoli, und der Jurist und Historiker Pietro Giannone aus Neapel. Zu den Vermittlern und Agenten zählen der französische Kir-

Foto: Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg chenhistoriker Jacques Basnage de Beauval, Salomon Kleiner, Das Audienzzimmer im Oberen Belvedere; Vorzeichnung zu: dessen Schwiegersohn, der Schweizer la Kleiner 1731-1740, Bd. 2, Taf. 3, Feder, laviert auf Papier, 26,2 × 39,3 cm Sarraz, der ihm mit Arnold Freiherr von

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Heems von den Niederlanden aus zuarbeite- seines Belvedere-Palais am Rennweg mit Schwanz wie ein Esel gestellt sind; einen te, der portugiesische Gelehrte Marcus de exotischen Tieren und Vögeln. In seiner jungen Löwen, einen Indianischen Wolf, ein Fonseca in Paris, die Buchhändler Johann Bibliothek befanden sich unzählige Werke Stachelschwein, verschiedene Luchse, etli- Philipp Hoffmann und Karl Joseph Palm in zu Naturgeschichte und Gesundheit, Metal- che Gemsen, einen Indianischen Adler, London, überdies der 1720 nach Wien beru- len, Fossilien, Steinen, Gewässern, Muscheln, Indianische Perlhühner, fünf Strauße, einen fene römische Gelehrte Kardinal Alessandro zu Ackerbau und Landwirtschaft sowie zu Casuarius, der statt Federn Borsten hat, etli- Albani sowie Domenico Passionei, seit 1731 Pflanzen, Zoologie und zum Thema Gärten. che Bisam-Katzen… Nuntius in Wien. Eugens Adjutant und Be- Johann Basilius Küchelbecker schildert die rater Wilhelm Baron von Hohendorf, der Menagerie Prinz Eugens im Belvedere und Schloß Hof 1719 verstarb, hinterließ seinerseits eine be- die Vielfalt der Tierarten: Indianischer Wiede- 1726 erwirbt Prinz Eugen die Herrschaf- deutende Büchersammlung. hopf, Indianischer Sperling, Indianischer ten Engelhartstetten und Hof im Marchfeld. Damhirsch, Sardinische Schafe, so keine Wol- Mit der Herrschaft Hof schafft sich der 62jäh- Naturfreund le, sondern Haare und Farbe wie Rehe ha- rige als Synthese von Architektur, Garten- Der Feldherr übertrug seine Passion für ben, Stein-Gaissen, Steinbock, Tripolitani- kunst und Natur ein Tusculum Rurale zur die schönen Künste auch in die Konzeption sche Schafe, Türkische Schafe, einen Auer- Schöpfung frischer Luft, für Hirschjagd und seiner Gärten als Allianz zwischen Kunst ochsen mit seiner Kuh, Indianische Kühe, Sauhatz, für Entenstrich und Hasentrieb. Im und Natur. Er bereicherte die Gartenanlagen deren Kopf, Vorder-Leib und vordern Beine Mai 1730 arbeiten an den Gartenterrassen mit botanischen Raritäten und die Menagerie wie ein Hirsch, der Hinter-Leib, Beine und 200 Maurer und 300 Tagwerker. 1732 sind die Bauarbeiten abgeschlossen. Das „Caffee Zimmer“ schmückten in dichter Hängung 53 von Ignaz Heinitz von Heinzenthal gemalte Tierstücke, im Nachlassinventar bezeichnet als „Viehstückl, aus Ihrer Durchlaucht Gar- ten in Wien abgemalt“. Von Schloß Hof sind die einzig original erhaltenen Ausstattungs- stücke (Möbel und Paradebett) überliefert.

Tod Prinz Eugen stirbt im 73. Lebensjahr am 21. April 1736 um drei Uhr morgens nach ärztlichem Befund „an der Lungelsucht“. der Päpstliche Nuntius zu Wien, Domenico Pas- sionei, stellt in seiner Leichenrede, die er Karl VI. widmet, Eugens Leben dem Aufstieg und Fall Alexanders des Großen gegenüber: In Eugens Hand blitzt das Heilige Schwert, das ihm der erste Priester der Christenheit anvertraut hat, er vereinigt in sich die Glut Hannibals, die Beständigkeit und Aktivität Caesars, die Tugend Trajans. Der Tod ist mächtiger als die Großen dieser Welt; Eugen hat den edlen Geistern eine Herberge eröff- net und einen Tempel der Musen errichtet. Wie man Edelsteine in Gold faßt, so wollte er nur in den prächtigsten Einbänden die Werke der großen Geister sehen. Dank der Kunst des Grabstichels hat er die unsterb- lichsten Werke der Kupferstiche aus aller Welt versammelt. Er erfrischte seinen Geist ständig durch Lektüre der besten Historiker und großen Dichter und zitierte aus dem Gedächtnis […].

Prinz Eugens Leichen- kondukt, 28. April 1736 Der Kondukt setzte sich aus dem hohen Foto: Niederösterreichisches Landesarchiv, St. Pölten Klerus und Militär, den hofkriegsräten, Ab- Anzeige an die niederösterreichischen Verordneten über den Ankauf der Herrschaft Hof an der March durch Prinz Eugen, 1. Februar 1726; Papier, 2 Bl., eigenhändige gesandten der Spitäler, Pfarrgeistlichen und Unterschriften von Eugen und Saint-Julien mit aufgedrückten Lacksiegeln Vertretern der Männerorden, Offizieren un-

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 76 Kultur terschiedlicher Regimenter und Gardisten zusammen. Auf dem Sarg lagen die militäri- schen Abzeichen und päpstlichen Ehren- gaben, daneben schritten 14 Feldmarschall- Leutnants, die Enden des Bahrtuchs haltend. Dem Sarg folgte das Leibpferd des Prinzen. dem über zwei Stunden dauernden Leichen- zug unter dem Glockengeläute aller Kirchen schlossen sich unter anderem die Ordens- ritter vom Goldenen Vlies, die Kaiserlichen Geheimräte und Minister an. Der Sarg wurde in die Familienkapelle Prinz Eugens getra- gen, dann in die Kreuzkapelle gebracht und mit gewöhnlichen Zeremonien durch die Hohe Geistlichkeit in der Gruft beigesetzt. Die letzten militärischen Ehren erwiesen die am Stephansfriedhof postierte Infanterie und Kavallerie mit dreimaligem Salveschuß. Der Bericht schließt mit dem Wunsch Karls VI., in zwei Monaten und 20 Tagen in St. Stephan dreitägige Exequien abzuhalten und dafür vom Oberingenieur Hildebrandt ein Castrum Doloris mit Inschriften des kaiserlichen Hof- poeten zu errichten.

Erbschaft und Verkauf Eugens Alleinerbin, die einzige Tochter seines ältesten Bruders Ludwig Thomas, die 1683 geborene Prinzessin Viktoria von Sa- voyen-Soissons, lebte seit 1719 in einem Kloster bei Chambéry. Als geschiedene Prin- zessin von Sachsen-Hildburghausen kehrte sie 1752 nach Turin zurück und stirbt dort am 11. Oktober 1763. Nachdem Karl VI. ihre Forderungen gegen die Erbansprüche ihres Vetters, des römischen Kardinals Colonna, und andere Prätendenten unterstützt hatte, leitet sie unverzüglich Verhandlungen zum Verkauf des Gesamterbes ein. Den Verkauf der Wiener Paläste an Karl VI. und der Kunst- sammlungen an ihren Onkel, König Karl Emanuel III. von Sardinien, vermittelt des- sen Gesandter zu Wien, Luigi Malabaila Foto: Belvedere Wien Graf von Canale. Die 1741 nach Turin in den Ausstellungsansichten: Bild oben: Sammler und Mäzen in der Orangerie; Bild unten: Verklärung im Unteren Belvedere Palazzo Carignano verkaufte Sammlung wur- de in der Zeit der napoleonischen Besatzung Fürsten und Militärs, Wissenschaftlern und derts, des Mars und der Minerva Lieblings- weiter zerstreut. Heute verwahrt die Galleria Künstlern der Neuzeit zum Bestand der Gra- sohn. Es gibt Helden, denen diese Bezeich- Sabauda weniger als die Hälfte des damals fischen Sammlung Albertina sowie zum nung mit vollem Recht zusteht, die dabei erworbenen Bestands. Der von Viktoria be- Bildarchiv der Österreichischen National- aber überhaupt nicht durch ihr Äußeres bril- auftragte Verkaufskatalog der Gemälde- bibliothek. lieren“ (Kronprinz Friedrich von Preußen an sammlung zählt 175 Nummern auf. Vieh- Die Druckwerke stellte Pius Nicolaus Voltaire über Prinz Eugen, 9. September stücke, Supraporten und Kaminbilder ver- Garelli geschlossen im Mitteloval des Ba- 1739). In seinem Politischen Testament titu- bleiben in den Wiener Palästen. rocken Saales der 1740 durch Fischer von liert er Eugen als eigentlichen Kaiser, als Karl VI. kauft 1738 von Viktoria 290 Bän- Erlach errichteten Hofbibliothek in zwölf Atlas der österreichischen Monarchie. In de Kupferstiche und 250 Kassetten Porträts zweiteiligen Bücherrepositorien auf. einer 1758/59 verfaßten Ode wirft er seinen für die Hofbibliothek an, ebenso die in Por- Gegnern während des Schlesischen Krieges tefeuilles aufbewahrte Sammlung der Zeich- Verklärung vor, sie hätten die Wege des Prinzen Eugen nungen. Sie zählen heute mit der Porträt- Friedrich II. bezeichnete Prinz Eugen als verlassen. sammlung berühmter Gestalten der Antike, „den größten Kriegshelden unseres Jahrhun- http://www.belvedere.at

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 77 Kultur Herbert Boeckl. Retrospektive Die von Agnes Husslein-Arco und Matthias Boeckl kuratierte Retrospektive im Museum Moderner Kunst Kärnten – zu sehen von 18. Februar bis 16. Mai 2010 – ist eine Adaptierung der zuvor im Belvedere in Wien gezeigten Schau.

as Werk von Herbert Boeckl (1894-1966) Düberspannt fünf Jahrzehnte intensiver künstlerischer Produktion, die der Künstler trotz äußerst turbulenter zeithistorischer Be- dingungen konsequent aufrechterhalten konn- te. So wurde Boeckl zur großen Vermittlerfi- gur zwischen den Idealen der frühen Moderne vor dem Ersten Weltkrieg bis hin zu der von ihm entscheidend mitgeprägten Integration der heimischen Avantgarde der Wiederaufbauzeit in den internationalen Kunstbetrieb nach 1945. Die Ausstellung bietet mit rund 150 Werken (Ölbilder, Aquarelle, Zeichnungen, Plastik) einen repräsentativen Überblick über sämtli- che Werkperioden in chronologischer Abfol- ge, von den Jugendwerken aus dem Jahr 1912 bis zu den letzten Arbeiten, die kurz vor Boeckls Schlaganfall im Jahr 1964 entstan- den. In der umfangreichen begleitenden Pu- blikation mit vielen neuen Forschungsergeb- nissen und neu recherchiertem Œuvrekata- log wird der spannende zeithistorische Kon- text von Boeckls Produktion beleuchtet. Boeckl reagierte im Laufe seiner langen Künstlerkarriere stets sensibel auf Zeitströ- mungen und transformierte sie zu eigenstän- digen Schöpfungen voll farblicher und stoff- licher Intensität. Sein Lebensprojekt war die Entwicklung einer unverwechselbar „öster- reichischen“ Moderne, die sich organisch aus der mediterranen Tradition entwickeln und unauflösbar mit der hiesigen Lebenswelt ver- schmolzen werden sollte. Seine eigenen Leit- linien dabei waren eine spürbare malerische Inbrunst, die ihn zu immer neuen Entwick- Foto: Kunstsammlung des Landes Kärnten/MMKK lungen trieb, und die gelebte Religiosität, die Herbert Boeckl, Wasserturm in Wien-Favoriten, 1930 ihn mit den Glaubenstraditionen des Landes verband. Boeckl eng befreundet. Während des Ersten lernte und mit dem Wiener Kunsthändler Boeckl stammte aus einer gutbürger- Weltkriegs diente Boeckl bei der Artillerie Gustav Nebehay einen Kommissionsvertrag lichen Klagenfurter Familie, sein Vater war an der Italien-Front und konnte dort – wie auf Vorschuß abschließen konnte. Dieser Lehrer an der Staatsgewerbeschule, einer sei- etwa auch der Kärntner Malerkollege Anton Vertrag sicherte ihm bis 1931 ein Grundaus- ner drei Brüder war der berühmte Eiskunst- Kolig – seine Malerei trotz Kriegshandlun- kommen und die Möglichkeit, die europäi- lauf-Weltmeister und Olympionike Willy gen fortsetzen und sich sogar an Kunstaus- schen Kunstmetropolen jener Zeit zu besu- Böckl. Schon 1913 beteiligte sich Herbert stellungen des Militärs beteiligen. In seiner chen. Die Linienkunst der Wiener Secession, Boeckl – damals Architekturstudent – in Wien Einheit diente auch der junge Kunsthistori- die noch sein Porträt von Bruno Grimschitz an einer Ausstellung des „Österreichischen ker Bruno Grimschitz, der als Freund, (1915) deutlich prägt, brach um 1920 in Künstlerbundes“. Boeckls Stil ist zu dieser Kustos am Belvedere und später Direktor einer eruptiven Malerei aus abstrakten Farb- Zeit stark von der Linienkunst der Wiener dieses Hauses, einer der wichtigsten Ver- flecken und plastisch aufgetragener Farb- Secession geprägt. Mit Carl Moll, dem ein- bündeten Boeckls wurde. Entscheidende Be- paste auf. Im Dezember 1921 erlebte Boeckl flussreichen Organisator der Secession und gegnungen fanden auch rund um das Kriegs- inmitten der brodelnden Berliner Avant- bedeutendem Förderer der jungen Szene, war ende statt, als Boeckl Egon Schiele kennen gardeszene eine beeindruckende Cézanne-

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 78 Kultur

Kunstbeitrags zur Brüsseler Weltausstellung von 1935 wurde Boeckl zu einem der einfluß- reichsten Künstler des Ständestaats (1934- 1938). Im Kunstbetrieb des Nationalsozialis- mus (1938-1945) wurde Boeckl als Katho- lik, dessen Kunst zudem der NS-Doktrin diametral gegenüberstand, marginalisiert. Auf ausgedehnten Inlandsreisen malte er nun eine große Serie monumentaler österrei- chischer Landschaften, die in der Ausstel- lung fast vollständig gezeigt wird. Die Jahre zwischen dem Kriegsende 1945 und dem Schlaganfall 1964, der Boeckl zwang, seine Kunstproduktion zu beenden, waren dem Aufbau eines klar westlich orien- tierten modernen österreichischen Kunstbe- triebs gewidmet. In seinem eigenen Werk und als Rektor der Akademie erarbeitete Boeckl – gemeinsam mit seinem Freund Fritz Wotruba – eine abstrahierende Weiter- entwicklung des Kubismus und legte damit das Fundament für die informelle Malerei und den abstrakten Expressionismus seiner Schüler. Monumentale Werke jener Jahre sind die Fresken in der Engelkapelle der Ab- tei Seckau in der Steiermark und der Gobelin Die Welt und der Mensch für die Wiener Foto: Kunstsammlung des Landes Kärnten/MMKK Stadthalle. Herbert Boeckl, Frau am Blumentisch, 1930 Die Retrospektive wird von Agnes Huss- Ausstellung in der Galerie Paul Cassirer. preis erhielt, mit seiner 1935 verliehenen lein-Arco, Belvedere-Direktorin, Wien, und Cézanne wurde zur zentralen Leitfigur sei- Professur an der Wiener Akademie und mit Univ.-Prof. Matthias Boeckl kuratiert. nes individuellen Weges in die Moderne, der seinem Amt Kommissär des österreichischen http://www.mmkk.at sich vom Kubismus dadurch unterschied, daß Boeckl die organische Weiterentwick- lung der Kunstgeschichte anstrebte, während die damalige Avantgarde einen völligen Neu- beginn forderte. Die Paris-Reise des Jahres 1923 brachte eine Vertiefung der Kenntnis Cézannes, die Boeckl 1924 in Sizilien in sein Bild der Großen Sizilianischen Landschaft einbrachte. Boeckl konnte sich in den folgenden Jahren in Wien als einer der führenden mo- dernen Maler etablieren. Wichtige Etappen waren die spontane Schöpfung eines Freskos im mittelalterlichen Dom von Maria Saal in Kärnten (1928) und ein packender Bilder- zyklus zum Thema der Anatomie, den Boeckl 1931 mithilfe seines Freundes Julius Tandler schuf, einer zentralen Figur des „Roten Wien“. Diese Bilder zeigen bereits einen neuen Stil: Boeckls farbintensiver, dynamisch gemalter Realismus voll Drastik unterschei- det sich fundamental von der damals aktuel- len Neuen Sachlichkeit und dem sich anbah- nenden Neoklassizismus der NS-Zeit. Mit der Entstehung des großen Marien-

altars ab 1934, für den er den erstmals ver- Foto: Herbert-Boeckl-Nachlass liehenen Großen Österreichischen Staats- Herbert Boeckl, Eichelhäher, 1922, Privatbesitz

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 79 Kultur Gipfeltreffen der Moderne. Das Kunstmuseum Winterthur Ausstellung im MdM Mönchsberg von 27. Februar bis 30. Mai 2010

it 240 Gemälden, Skulpturen und MZeichnungen von 105 renommierten KünstlerInnen zeigt das Museum der Mo- derne (MdM) Mönchsberg die umfangreiche Sammlung des Kunstmuseum Winterthur. Erstmals hat die Sammlung mit Werken aus anderthalb Jahrhunderten auf Grund von Re- novierungsarbeiten das Museum verlassen, um auf einer exquisiten Tournee – nach der Kunst- und Ausstellungshalle der BRD Bonn und dem MART Rovereto – in Salzburg Sta- tion zu machen. Dort ist man stolz darauf, als einziges Museum in Österreich daran teilzunehmen. Das „Gipfeltreffen der Mo- derne“ ist vom 27. Februar bis 30. Mai 2010 im gesamten MdM Mönchsberg zu sehen. Die großartige Sammlung des Kunstmuseum Winterthur – von einem der weltweit renom- miertesten lebenden Künstler, Gerhard Rich- ter, als sein Lieblingsmuseum bezeichnet – entstand vor über 150 Jahren durch das En- gagement kunstbegeisterter Privatpersonen. 1848 wurde aus dem Zusammenschluß von KünstlerInnen und KunstfreundInnen die „Künstlergesellschaft Winterthur“ gegründet, aus der kurze Zeit später der „Kunstverein Winterthur“ hervorging – bis heute Träger des Kunstmuseums und Eigentümer der Sammlung. Durch Ankäufe des Kunstver- eins und auch Schenkungen von Sammlerfa- milien wie Bühler, Hahnloser oder Reinhart, die zum Teil bis heute wirken, erfuhr die Museumssammlung in der 2. Hälfte des 19. und in der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts

substantiellen Zuwachs. Foto: Gerhard Richter 2010 1960 begann Balthasar Reinhart, durch Gerhard Richter, Wasserfall, 1997, Öl auf Leinwand, 126 × 90 cm die Firmenstiftung der Familie Reinhart, die Volkart-Stiftung, bedeutende Werke der In den vergangenen Jahrzehnten konzen- Den Auftakt der Ausstellung bildet die Moderne zu erwerben und sie als unbefriste- trierte sich die Sammeltätigkeit auf die neu- Französische Malerei, auf der die Moderne te Leihgaben zur Verfügung zu stellen. Als ere amerikanische Kunst, deren Formbe- fußt. Über Landschaftsdarstellungen der der aus Winterthur stammende Bankier Emil wußtheit in vielerlei Hinsicht auf die franzö- Künstler Eugène Boudin und Jean-Baptiste Friedrich und seine Frau dem Kunstverein sische Kunst antwortet. Da die italienische Camille Corot über „en plein air“-Land- ihre Sammlung hinterließen, trat das Kunst- Kunst mit Medardo Rosso und Giorgio Mo- schaften Claude Monets hin zu impressioni- museum Winterthur in die Reihe der Museen randi in Winterthur stets große Wertschät- stischen Studien Alfred Sisleys und einer mit bedeutenden Beständen der Klassischen zung genoß, gab man den neueren italieni- frühen Arbeit Paul Cézannes führt die Aus- Moderne. 1973 kam mit der Sammlung der schen Entwicklungen um die Arte Povera stellung nach Vincent van Gogh und Mau- Familie Wolfer eine größere kohärente Raum. Damit wurde auch eine dialogische rice de Vlaminck zu den Postimpressioni- Werkgruppe hinzu, die Lücken der französi- Situation aufgebaut, die durch wichtige ein- sten. schen Sammlung der ersten Sammlergene- zelne Stimmen – darunter besonders die von Die romantisch-symbolische Malerei, in ration schloß. Gerhard Richter – bereichert wurde. der „die Farbe als materielles Phänomen,

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Auf dem Weg von der Klassischen Mo- derne hin zu zeitgenössischen Positionen sind Arbeiten der Künstler Bram van Velde, Ni- colas de Staël, Pablo Picasso, Jean Dubuffet sowie Asger Jorn und Karel Appel, die Bei- spiele für die Informelle Kunst der 1960er Jahre bieten. Mit Arbeiten Piero Manzonis, Giulio Paolinis, Luciano Fabros, Jannis Kounellis’, Marisa und Mario Merz’ als auch Giuseppe Penones wird der Bogen der Italienischen Nachkriegskunst von Lucio Fontana über die Arte Povera hin zu gegen- wärtigen Arbeiten gespannt. Der Amerikanischen Kunst der Nach- Sekretariat und Archiv Oskar Schlemmer, Oggebio Oskar Schlemmer, Innenraum mit fünf Figuren oder Fünf Figuren im Raum, 1928; kriegszeit mit dem Abstrakten Expressionis- Öl auf Leinwand, 45,5 × 90 cm mus eines Philip Guston, Mark Tobey und John Chamberlain sowie den minimalisti- aber auch als subjektives Erlebnis intensiv dardo Rossos und Auguste Rodins, Pierre- schen Tendenzen von Richard Tuttle, Brice wirkt“ (Direktor Dieter Schwarz), ist mit Wer- Auguste Renoirs und Aristide Maillols und Marden, Eva Hesse und Robert Mangold ken Eugène Delacroixs, Odilon Redons und einer frühen Harlekin-Büste Picassos, zeigt wird ebenfalls ein großer Bereich der Aus- Ferdinand Hodlers sowie mit Arbeiten der Na- die Sammlung kubistische Skulpturen von stellung gewidmet. Positionen wie die von bis-Künstler Maurice Denis, Edouard Vuillard Antoine Pevsner, Raymond Duchamp-Villon Richard Artschwager, Gerhard Richter und und Pierre Bonnard wie auch des Schweizer und Jacques Lipchitz. Constantin Brancusi Thomas Schütte bilden das große „Finale“ Malers Félix Vallotton vertreten. Die pracht- und vor allem Alberto Giacometti sind mit dieses überaus vielschichtigen Streifzugs volle Reihe von Gemälden Bonnards bildet hervorragenden Beispielen ihres jeweils sehr durch die Geschichte der Kunst vom Beginn einen der Höhepunkte der Schau. eigenständigen Ansatzes in der Ausstellung der Moderne bis in die Gegenwart. Das „Gipfeltreffen der Moderne“ führt zu finden. http://www.museumdermoderne.at parallele Kunstströmungen wie den Kubis- mus – mit Vertretern wie Robert Delaunay, Amédée Ozenfant, Gustave Louis Buchet, Georges Braque, Juan Gris und Pablo Picas- so – zusammen mit Fernand Léger und den Blaue Reiter-Künstlern und Bauhauskünst- lern Wassily Kandinsky, Alexej von Jaw- lensky, Paul Klee, Otto Meyer-Amden und Oskar Schlemmer, genauso wie auch mit den Surrealisten René Magritte, Joan Miró, Max Ernst, Yves Tanguy oder Kurt Seligmann. Neben Vertretern der Neuen Sachlichkeit, Adolf Dietrich, Niklaus Stoecklin, Alex- ander Kanoldt und Manfred Hirzel mit ihrem symbolischen Naturalismus, zeigen die Ar- beiten Piet Mondrians, Theo van Doesburgs und Kurt Schwitters’ die Auseinanderset- zung mit der geometrischen Abstraktion. Als Vertreter der darauf basierenden Konkreten Kunst sind Max Bill, Verena Loewensberg, Fritz Glarner und François Morellet zu nen- nen. Ihnen werden Arbeiten von Hans Arp gegenübergestellt, der den Begriff der „Konkreten Kunst“ ursprünglich geprägt hat. Alberto Giacometti und Giorgio Morandi – der in sehr engem Kontakt mit Max Bill ge- standen hat – sind mit überaus spannenden Arbeiten in der Ausstellung vertreten. Einen weiteren Strang der Ausstellung bil- den die skulpturalen Arbeiten, die in einem

Dialog mit Malerei und Zeichnung stehen. Foto: Kunstmuseum Winterthur Ausgehend von der figürlichen Skulptur Me- Vincent van Gogh, Joseph Roulin, 1888, Ölfarben auf Leinwand, 65 x 54 cm

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 81 Kultur Im unsichtbaren Wien Fotonotizen von Gerhard Roth von 11. Februar bis 16. Mai 2010 im Wien Museum Karlsplatz

Gerhard Roth in seiner Wiener Wohnung, 2010 Foto: Didi Sattmann

chreibend und fotografierend erkundet werden die rund 1500 Bilder in einer meter- oder groteske Aufnahmen (auch wenn der SGerhard Roth Wien seit mehr als 20 Jah- langen transparenten Membran, die dem Se- Autor sich von der „großen Geste“ beim ren. Seine intensive Beschäftigung mit der riellen und Archivarischen im Werk von Fotografieren distanziert). Das Interesse für Hauptstadt spiegelt sich in seinen Romanen Gerhard Roth Reverenz erweist: eine Bilder- Abgründiges äußert sich in mitunter schockie- und besonders in den Essaybänden „Eine reise, die wie Roths Essays eine magische renden Motiven, mit seinen „Strukturfotos“ Reise in das Innere von Wien“ (1991) und Sogkraft entwickelt. Die thematische Aus- dokumentiert der Autor die Magie und Poe- „Die Stadt“ (2009). Ziel seiner Spurensuche wahl umfaßt 14 Orte in und um Wien, er- sie des Alltags (für die Aufnahmen von waren stets „verborgene“ Orte, unter ihnen gänzt um immer wiederkehrende Motive Mauerflecken ließ er sich vom katalanischen das Pathologisch-anatomische Bundesmu- von Roths Streifzügen: Mauerflecken, Krä- Künstler Antoni Tapiès inspirieren). seum im Narrenturm, das Uhrenmuseum, henspuren, Eisblumen und andere „Mikro- Gerhard Roth, der 1942 in Graz geboren das Depot des Naturhistorischen Museums, strukturen“. wurde und bis heute die Sommermonate in der Friedhof der Namenlosen oder das Haus Gerhard Roth sammelt Bilder gezielt und der Südsteiermark verbringt, lebt seit 1986 der Künstler in Gugging. Roth blickt hinter akribisch wie ein Archivar, mit Analog-, in Wien. Neben den Museen und Archiven, die Kulissen, ihn interessieren die Außen- Digital-, Spiegelreflex- oder Kompaktkame- wo Geschichte und enzyklopädisches Wis- seiter und die Vergessenen, das Verschwie- ra. Die Recherche wird zur Obsession, wie sie sen darauf warten, „wieder zum Leben er- gene und Verdrängte. Die Expedition ins die Germanistin Daniela Bartens beschreibt: weckt“ zu werden, sind es die Orte der Aus- „unsichtbare“ Wien wird zur „Reise in die „Oft scheint es, als würde der Autor am lieb- senseiter (z. B. Gugging, Blindenmuseum), Vergangenheit, die die Leichen im eigenen sten alles aufzählen und aufzeichnen, nur denen Roth sich aufmerksam, neugierig und Keller zutage fördert“ (Daniela Bartens). nichts auslassen [...], alles erscheint für sich zugleich respektvoll nähert: „In den Außen- Bei seinen akribischen Recherchen hat allein bedeutungsvoll und könnte möglicher- seitern spiegelt sich bekanntlich die Ge- der Schriftsteller immer die Kamera dabei, weise als Puzzlesteinchen im Rätsel des Le- schichte viel stärker als in den Mitläufern um „Fotonotizen“ anzufertigen. Im Lauf der bens Bedeutung gewinnen.“ Die Fotos zeu- oder den Beteiligten“. Während bei seinen Jahre entstand so ein überbordendes Archiv gen auch vom Vorgehen bei der Recherche – Aufnahmen in der Steiermark Porträts eine mit mehreren Zehntausend Aufnahmen. Für von Außenansichten von Gebäuden über In- wichtige Rolle spielen, sind auf den Wien- Gerhard Roth stellen die 10 x 15 cm großen nenräume und Sammlungsbestände in ihrer Fotos übrigens nur selten Menschen zu se- Bilder ein „Zwischenstadium zum Schrei- Gesamtheit bis hin zu einzelnen Objekten hen, sieht man vom Haus der Künstler ab, das ben“ dar. Im Zentrum der Ausstellung steht und Details. Das Serielle überwiegt gegen- Roth seit den 80er-Jahren immer wieder be- ein Querschnitt der Wien-Fotos, die zwischen über dem Einzelbild, neben äußerst nüchter- sucht hat. 1986 und 2009 entstanden sind. Präsentiert nen gibt es etwa auch pittoreske, ironische http://www.wienmuseum.at

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 82 Serie K.u.K. Jugendstil

Prof. Peter Schubert – der Autor dieser neuen Serie – beschäftigt sich seit mehr als 10 Jahren intensiv mit dem Jugendstil. Er hat zwei Bücher darüber verfaßt und fotografierte inzwischen wahrscheinlich das größte internationale Fotoarchiv zu diesem Thema: Es umfaßt derzeit mehr als 7000 digitale und 500 analoge Fotos aus 15 europäischen Ländern In der ersten Folge zeigt er Hausfassaden aus den Ländern Österreich-Ungarns Otto Wagner und der Wandel seines Markenzeichens

tto Wagner (geboren 1841 im Wiener OVorort Penzing, gestorben 1918 in Wien) war wohl der bedeutendste Bahn- brecher des Jugendstils und der Moderne in der Donaumonarchie. Er besuchte in Wien und Melk die Schule, studierte am Wiener Polytechnischen Institut und der königlichen Bauakademie in Berlin und begann seine Architektenlaufbahn zunächst im Atelier eines Architekten der Wiener Ringstraße. 1864 – nach nur einem Jahr Praxis im Atelier des gerade verstorbenen Ludwig von För- ster – machte er sich selbständig, 1884 wur- de er Professor an der Wiener Akademie – wo er mit dem Leitspruch des Ringstraßen- architekten Gottfried Semper antrat: „Die Kunst kennt als Herrin nur die Notwendig- keit.“ Nach wenigen Jahren seiner Lehrtätigkeit wandte er sich vom Historismus ab und der Erneuerung der Kunst zu. Seine „Wagner- schule“ umfaßte bald die wichtigsten Archi- tekten des Wiener Jugendstils, die aber auch bald außerhalb Wiens tätig wurden, wie Joseph Maria Olbrich (Secession in Wien, Künstlerkolonie in Darmstadt), Josef Hoff- mann (Sanatorium in Purkersdorf), Jan Ko- tera (Gründer des tschechischen Werkbun- des), Josef Plecnik (Stadtplanung für Lai- bach, Prager Burg), Max Fabiani (gemein- sam mit Plecnik in Laibach tätig), sowie die hauptsächlich in Wien aktiven Marcel Kam- merer, Otto Schönthal, Emil Hoppe und viele andere. Otto Wagners Werk umspannt eine ein- malige Weite: Seine frühen Werke stehen ganz in der Tradition des Historismus – wie etwa die (erste) Villa Wagner in Wien- Hütteldorf oder das Stadtpalais Rennweg 1 – wobei er vor allem die Wiederverwendung des Renaissance-Stils bevorzugte. Dann wandte er sich der Erneuerung zu (1899 trat Alle Fotos: Prof. Peter Schubert er der Secession bei, war mit Klimt befreun- Otto Wagners »Autogramm«… Wien 15, Stadtbahn-Brücke über die Zeile (U-Bahn- brücke über das Wiental) 1895-1898 det und ein Förderer von Schiele) und arbei- tete mit vielen Künstlern dieser Gruppe zu- Moser und Ferdinand Andri bei der Kirche kunstwerk des Jugendstils, sondern wird sammen, wie etwa mit Kolo Moser bei den am Steinhof (1902-1907). Diese Kirche ist auch nach Otto Wagners Leitsatz den beson- Wohnhäusern an der Linken Wienzeile oder nicht nur ein Meisterwerk und Gesamt- deren praktischen Notwendigkeiten als Kir-

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 83 Serie K.u.K. Jugendstil che einer „Landesirrenanstalt“ voll gerecht. und setzte als einer der ersten Aluminium für Die Autorenschaft Wagners für dieses Mei- Befestigungsklammern aber auch als Mate- sterwerkes war dabei fast ein Zufall, denn in rial für Figuren ein – wie an der Postspar- Wien waren damals gerade eine Reihe seiner kasse (1904-1906), die er auch in den Innen- Entwürfe abgelehnt worden. Aber „am Stein- räumen vollkommen einheitlich entworfen hof“ plante das „Erzherzogtum unter der hatte. Wenn auch mit entsprechenden Un- Enns“ die niederösterreichische Landesner- terschieden je nach sozialer Bedeutung der venanstalt, mit dem Ergebnis, da0 sich heute einzelnen Mitarbeiter. Aber es handelte sich der bedeutendste niederösterreichische Ju- um das von den Jugendstil-Ideologen gefor- gendstilbau in Wien befindet… derte Gesamtkunstwerk und zählt damit – Wagner verwendete moderne Techniken, wie einige anderer seiner Werke – zu den wie den Stahlskelettbau. Er nutzte moderne Hauptwerken des Jugendstils in Wien, die und unübliche Materialien, wie Kacheln und von Touristen tausendfach fotografiert wer- dünne Marmorplatten als Fassadenschmuck den.

… verwendet vom Wagner-Schüler Dietz von Weidenberg … Wien 21, Am Spitz 13, Wohn- und Geschäftshaus für die Firma Sild, 1905

Schließlich ebnete Wagner auch den Weg zur Moderne. Dafür stehen seine Schüler – wie Plecnik, Kotera oder Fabiani – aber auch eigene Werke, wie etwa das Schützenhaus für die Staustufe Kaiserhaus, wenn auch dessen Technik nie verwendet wurde, weil der Aus- bau des Donaukanals nie Wirklichkeit wurde. Daneben war Wagner Kunsttheoretiker und Stadtplaner: Aber da scheiterte er – zu- nächst: Seine Planung für den Bezirk jen- seits der Donau in der Achse der Reichs- brücke mit großzügigen Wohnquadraten und reichhaltiger Wasserflächen blieb auf dem Papier. 250.000 Menschen sollten dort woh- nen. In der NS-Zeit gab es dann ähnliche Planungen – auch sie wurden nie umgesetzt. Aber heute ist die Achse Reichsbrücke (viel- leicht weniger großzügig als von Otto Wag- ner geplant) mit UNO-City und Donauplatte längst Wirklichkeit. Und auch die Bewoh- nerzahlen der Bezirke 21 und 22 haben seit langem die von Otto Wagner geplanten Zif- fern überschritten. Seine zweite Stadtpla- nungsaufgabe endete noch bevor Wagner sie begonnen hatte: Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges kam eine Planung für Sydney nicht mehr in Frage. In den Jahren 1895-1902 schuf Wagner die Wiener Stadtbahn: Die ursprüngliche Planung war stark durch militärische Interes- sen beeinflußt, die die Wiener Kopfbahnhöfe für Truppenverschiebungen verbunden haben wollten. Der damals übliche Dampfbetrieb – bei unterirdischen Strecken nicht wirklich …und in abgewandelter Form … Wien 14, Kirche St. Leopold am Steinhof, 1905-1907 optimal – dämpfte wesentlich die Beliebtheit

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 84 Serie K.u.K. Jugendstil

so wie an städtischen Wohn- und Geschäfts- häusern oder Repräsentationsbauten in Wien, Bratislava, Prag, oder Rumänien. Es findet sich sogar dort, wo man auf einen „nationa- len“ Jugendstil gegen die Wiener Dominanz besonders pochte. Otto Wagner starb im April 1918: Wenige Monate später starben Klimt und Schiele und dann war die Donaumonarchie Ge- schichte – wie auch der Jugendstil. Otto Wagners Schüler Kotera und Plecnik schu- fen Neues, das in den wirtschaftlich besser gestellten Nachfolgestaaten mehr Anklang fand. Die Wagner-Schüler, die in Österreich verblieben waren, fanden kaum entsprechen- de Aufträge und wandten sich gleichfalls der Moderne zu. Nur Otto Wagners Markenzei- chen der Kranz mit den Schleifen wurde noch weiter als Dekorationsmotiv von Bau- meistern besonders im Wiener Umfeld ver- wendet… Die Liebe zum Jugendstil – und zum Fotografieren – führte Prof. Peter Schubert vom Kaliningrader Gebiet Rußlands im Norden bis Apulien im Süden, von Barcelona im Westen bis Constanta im Osten. Mehr als 200 Fotos davon hat er für Ausstellungen (bisher in Klosterneuburg, Tulln, Wien, Budapest, Szeged und Keckemet zu sehen) bearbeitet: „Es sind Details von Fassaden, daher reiße ich sie digital aus. Und ich möchte Schwerpunkte betonen, daher softe ich Störendes und Unwichtiges ab – wodurch ich zu einem ganz neuen Bild komme. Ich glaube, daß meine Fotos als Dokumentation mit eigenständigem künstlerischen Anspruch einen neuen Weg beschreiten …“

… und anderen, in Prag, … Prag, Narodni 9, Topic-Haus 1903-07 von Osvald Polivka bei den Wienern. Nach dem Ersten Welt- Wie viele andere Schmuckmotive des Ju- krieg wurde die äußere „Vorortelinie“ gendstils ist auch dieses nicht neu, sondern wesentlich eingeschränkt und schließlich war etwa im Rokoko äußerst beliebt. Wagner 1932 – die militärischen Bedürfnisse gab es verwendete dieses Motiv nun quasi als nicht mehr – überhaupt eingestellt. Erst in Signatur, naturalistisch und teilweise auch den 1980er Jahren erkannte man ihre tat- abgewandelt – und gab damit dem Jugendstil sächliche Bedeutung. ein oft und oft verwendetes Fassadendetail, Brücken und Stationen zeigten das typi- das in unzähligen Versionen verwendet sche Aussehen der Werke von Otto Wagner. wurde: Von der bunten und naturalistischen Nach Josef Hoffmann ist diese Bahn „… die Darstellung bis zu immer mehr vereinfach- einzige ihrer Art, die eine Stadt nicht verun- ten Versionen, die zu einem Kreis oder einer staltet, sondern eine Reihe von reizenden Scheibe (oder sogar nur Halbscheibe) mit Stadtbildern geschaffen hat.“ Streifen oder Linien werden konnten. Brücken und Stationen verzierte Wag- Dieses Schmuckmotiv findet sich denn ner – wie auch andere Gebäude – mit seinem auch überall an Bauten aus der Zeit um Markenzeichen: einem Kranz mit meist her- 1900, an Bauernhäusern in Niederösterreich …oder in Arad. abhängenden Schleifen. und im rumänischen Transsylvanien genau- Vorstädtisches Wohnhaus in Arad.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 85 Kultur Finnland spielt die erste Geige Das Festival Carinthischer Sommer 2010 erstreckt sich vom 8. Juli bis zum 28. August und umfaßt 42 Veranstaltungen und frei zugängliche Künstlergespräche sowie Einführungsveranstaltungen. Foto: Karsten Bidsrup

m 41. Festivaljahr des Carinthischen Som- nischen Komponisten Jyrki Linjama (Premie- Neben der Aufführung von Bachs monu- Imers spielt Finnland die erste Geige. Dies re zur Eröffnung am 8.7.) bildet die Achse mentaler h-Moll-Messe durch Helmuth Ril- erfuhr man am 19. Februar im Bambergsaal eines vielfältigen Finnland-Schwerpunktes ling und seine Gächinger Kantorei (16.7.) des Villacher Parkhotels bei der Präsentation mit etlichen österreichischen Erstaufführun- sind symphonische Ereignisse mit dem fin- des diesjährigen Programms des Kulturfesti- gen. Mit dem japanischen Regisseur Yoshi nischen Kuopio Symphony Orchestra unter vals durch CS-Intendant Thomas Daniel Oida konnte eine faszinierende Persönlich- Sascha Goetzel (12.7.) und mit dem Gustav Schlee. An der Präsentation nahmen auch keit der internationalen, zeitgenössischen Mahler Jugendorchester unter Herbert Blom- Landeshauptmann Gerhard Dörfler, Villachs Theaterwelt für die Stiftskirche Ossiach ge- stedt (28.8.) zu nennen. Der dem Carinthi- Vizebürgermeister Richard Pfeiler und Os- wonnen werden. Die Verbindung der histo- schen Sommer in besonderer Weise verbun- siachs Bürgermeister Johann Huber teil. risch so unterschiedlich geprägten Ästheti- dene Arnold Schönberg Chor unter Erwin Der Landeshauptmann dankte Schlee für ken von Musik und Inszenierung in dieser Ortner gastiert mit einem Bach-Ligeti-Lin- das anspruchsvolle Programm. „Sie sind der Kirchenoper verspricht ein Erlebnis von jama-Programm (19.7.). Sir der Kultur“, gab es für den Intendanten außergewöhnlicher Qualität. Insgesamt wird Recitals mit herausragenden Solisten um- ein dickes Lob. Schlee habe einen neuen Stil die Oper sechsmal zu sehen sein. fassen eine neuerliche Begegnung mit dem nach Ossiach gebracht, bemühe sich stets Aus der Feder des österreichischen Kom- phänomenalen jungen finnischen Pianisten Neues zu bieten und spreche eine klare Spra- ponisten und Exponenten des neuen Musik- Juho Pohjonen, der u. a. die Uraufführung che. Seitens des Landes gebe es auch in wirt- theaters Thomas Desi stammt die zweite der Sonata da chiesa des diesjährigen „com- schaftlich schwierigen Zeiten ein klares Be- Kirchenoper, die heuer im Rahmen des Ca- poser in residence“ Jyrki Linjama interpre- kenntnis für das Festival, und die jetzige rinthischen Sommers präsentiert wird: „War- tiert (13.7.) sowie Abende mit Rudolf Buch- finanzielle Unterstützung werde verlängert. um ist er noch nicht hier?“ über die Gestalt binder (20.7.), Daniel Johannsen (10.8.), Die im Auftrag des CS geschriebene Kir- des großen protestantischen Nazi-Märtyrers András Schiff (14.8.), Bernarda Fink (16.8.) chenoper „Die Geburt des Täufers“ des fin- Dietrich Bonhoeffer (27.8.). und Michael Martin Kofler (17.8.).

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 86 Kultur Foto: LPD/Bodner Präsentation des Programms des Kulturfestivals durch CS-Intendant Thomas Daniel Schlee, an der auch Landeshauptmann Gerhard Dörfler, Villachs Vizebürgermeister Richard Pfeiler und Ossiachs Bürgermeister Johann Huber teilnahmen.

durch ebenso rasante Orchestermusik mit der Donau Philharmonie Wien unter Manfred Müssauer (1.8.) sowie „Auf nach Bremen“ von und mit Stefan Libardi (15.8.). cs_alternativ ist in der dritten Saison be- reits den Kinderschuhen entwachsen. Ori- ginelle, manchmal bewußt schräge, zum Teil extra für den Carinthischen Sommer ent- wickelte Projekte führen den Erfolgskurs weiter. Tangos aus Finnland (14.7.) sowie frecher Jazz aus der Schweiz (24.7.) werden sich an den scharfen Kanten des Steinhauses von Günther Domenig reiben, Lorenz Raab spielt im Villacher Stadtkino live zu einem Stummfilm von Mauritz Stiller (15.7.). Auf das Wiener Lied-Duo Die Strottern (30.7.)

Foto: Saara Vuorjoki / Fimic folgt das „carinthische“ Comeback der groß- Die im Auftrag des CS geschriebene Kirchenoper »Die Geburt des Täufers« des artigen Maja Osojnik. Zwei Tanzabende run- finnischen Komponisten Jyrki Linjama bildet die Achse eines vielfältigen Finnland- den das Programm ab: Flamenco mit An- Schwerpunktes mit etlichen österreichischen Erstaufführungen. dreas Maria Germek und Belén Cabanes Anspruchsvolle Kammermusik gibt es mit ßen Ernst Jandl in einer Hommage nähert (3.8.) sowie eine Uraufführung mit der dem Doric String Quartet (29.7.), das u. a. die (21.7.), mit Kammerschauspieler Wolfgang Kärntner Tänzerin Anna Hein (4.8.). Uraufführung eines Werkes des französischen Hübsch in Thomas Bernhards „Theaterma- Intendant Thomas Daniel Schlee: „Im Komponisten Christophe Looten angesetzt cher“ (25.7.) und mit Heinz Trixner, der in 41. Festivaljahr präsentieren wir also wieder hat, mit dem Ensemble Guitar4mation (8.8.), Strawinskys „Geschichte vom Soldaten“ ein substantielles, facettenreiches Pro- dem Ensemble Wien- Berlin mit Paul Gulda auftritt (23.8.). gramm, das Neuland, Festland und Eiland (21.8.) und dem vielfach preisgekrönten Pa- Das auch heuer wieder reichhaltige Kin- der Kunst vereinigt. Wir spüren, daß die Rah- cifica Quartet (24.8.). Ein klingendes Por- derprogramm des Carinthischen Sommers menbedingungen für unsere Arbeit deutlich trait des bedeutenden Kärntner Komponisten bringt mit den MusikTheaterTagen (ab 11.8.) schwieriger werden, aber wir vertrauen fest Wolfgang Liebhart stellt viele Facetten sei- die Uraufführung des von Stefan Libardi und darauf, daß für weite Kreise gerade jetzt un- ner Klangwelt vor (17.7.). Christoph Ehrenfellner neugestalteten sere Programme als unverzichtbar erkannt Literatur und Musik, bisweilen in kunst- Grimm-Märchens „Der Teufel mit den drei werden. Für die Kunstwerke selbst ist die Kri- voller Verbindung, findet sich in Veranstal- goldenen Haaren“ (Uraufführung am 22.8.), se irrelevant, für die Möglichkeit ihrer Dar- tungen mit Burgschauspieler Markus Hering „Eine kleine Nachtphysik“ von und mit Bern- stellung allerdings kann sie fatal werden. Wir (17. und 18.7.) – darunter eine Lesung aus hard und Stefanie Weingartner (unter Mit- wissen, daß unsere Arbeit in und für Kärnten dem finnischen Nationalepos Kalewala –, wirkung des Kärntner Landesmusikschul- nun noch wichtiger geworden ist.“ mit Christian Muthspiel, der sich dem gro- werkes, 18.7.), „Speed“ – eine rasante Fahrt http://www.carinthischersommer.at

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 87 Kultur Zentrum des Streichquartetts Welcher Ort für ein Streichquartett-Festival wäre geeigneter, als die langjährige Wirkungsstätte seines Erfinders Joseph Haydn, das Schloß Esterházy in Eisenstadt?

aum eine andere musikalische Gattung rer Kunstgattungen wie der Literatur und die in künstlerische Form zu bringen. Wir finden Kkann auf eine bis heute so ungebroche- Einbindung aktueller gesellschaftspoliti- dies bei Antonín Dvorák und bei Bohuslav ne Tradition verweisen, wie das Streichquar- scher Themen verleihen dem Festival eine Martinu. Beide reisten in die Ferne, verlies- tett. Von Haydn initiiert, ent- und weiterent- einzigartige Ausstrahlung. sen ihre Heimat. Im übertragenen Sinne trifft wickelt, gilt diese Musikgattung in ihrem Der Fokus liegt jedes Jahr auf einem das auch auf Leos Janácek zu, der sich mit unendlichen Facettenreichtum vielen Musi- anderen Land des mittel- und osteuropäi- politisch-gesellschaftlichen Problemen mu- kern und Musikfreunden als wohl intimste schen Raumes. Den Beginn im Jahr 2009 sikalisch beschäftigend gleichsam in Kon- und intensivste musikalische Form. machte Ungarn, in Gedenken an das histori- flikt mit der Heimat zu Wort meldete. Um der Bedeutung der Gattung Streich- sche Jahr 1989, in dem der „Eiserne Vor- Der Begriff „Heimat“ ist in seiner Emo- quartett international gerecht zu werden, ist hang“ unweit von Eisenstadt an der unga- tionalität eher ein Begriff der Romantik, den es unsere langfristige Zielsetzung, das risch-österreichischen Grenze fiel. wir nicht unbedingt mit Joseph Haydn in Verbindung setzen können, obwohl auch Haydn – vor allem in seinen späten Jahren – ein Reisender war. Ein Künstler, ein Mensch des gewagten „Unterwegs“, der Entfaltung in der Ferne, aber auch des Bewußtseins von tiefer Verwurzelung in den Regionen seiner Kindheit und seines langen schöpferischen, gleichwohl beruflich abhängigen Lebens. In diesem Zusammenhang ist nicht nur ein rein geographischen Heimatbegriff her- zustellen, sondern auch der metaphorische in bezug zur Musik. So stellt unter anderem Gi- deon Klein einen starken Bezug in seiner Musik zur Mährischen Tradition her, aber auch zu Martinu und Janácek, welcher wie auch Gideon Klein seine Werke mit Mähren verbunden hatte. Auch in dieser mährischen Tradition komponierte Pavel Haas, der Schüler von Leos Janácek war.

Foto: Peter Hautzinger Als Beispiel der Programmierung sei her- Pavel Kohout (Schriftsteller), Alja Batthyány-Végh (künstlerische Leiterin des vorgehoben, wie besonders Sinn bringend Festivals) und Stefan Ottrubay (Generaldirektor der Esterházy Privatstiftung) der Zusammenhang von Musik und Literatur Esterházy Streichquartett Festival zu einer Das Esterházy Streich- in Janáceks Streichquartett Nr. 1 dargestellt Institution werden zu lassen. quartett Festival 2010 wird, welches der Komponist in Anlehnung Dieses spezifische Format, dem weltweit Die künstlerische Leiterin, Alja Batthyány- an Leo Tolstois Novelle „Kreutzersonate“ kaum ein Festival zur Gänze gewidmet ist, Végh, stellt 2010 die Musik und Literatur der komponierte. In dieser Novelle ist Ludwig hat Potenzial, Zentrum der internationalen ehemaligen „Tschechoslowakei“ – heute die van Beethovens „Kreutzersonate“ ein we- Streichquartettszene zu werden sowie zahl- Slowakei und die Tschechische Republik – sentlicher Wendepunkt. reichen jungen Hoffnungsträgern als in den Mittelpunkt des Festivals. Pavel Kohout und Jirí Grusa – zwei große Sprungbrett in das internationale Konzertle- Besonders beeindruckend bei der Musik Literaten und beide aktive Protagonisten des ben zu dienen. des späten 19. sowie des 20. und 21. Jahr- Prager Frühlings 1968 – begleiten mit Pro- Welcher Ort für ein Streichquartett Festi- hunderts bei vielen Komponisten dieser Län- logen aus ihren Werken das zweite Esterházy val wäre geeigneter als die langjährige Wir- der ist deren besondere Verbindung zu ihrer Streichquartett Festival 2010. kungsstätte seines Erfinders Joseph Haydn? Heimat. In zahlreichen Werken wird die Hei- Fünf international renommierte und inter- Im Haydnjahr erstmals sehr erfolgreich ver- mat, die heimatliche Landschaft, der Ur- national erfolgreiche Streichquartette – das anstaltet, wird das Esterházy Streichquartett grund des Lebens, gewissermaßen kompo- Pavel Haas Quartett, das Mandelring Quar- Festival heuer und auch in den nächsten Jah- niert und in Klang gefaßt. tett, das Auryn Quartett, das Apollon Musa- ren im Haydnsaal des Schlosses Esterházy Heimat aber bedeutet auch ein prägendes, gète Quartett und das Panocha Quartett – seine Fortsetzung finden. oft auch schmerzliches Erlebnis von Ent- spielen Werke von Haydn, Dvorák, Smetana, Die Erweiterung des erstklassigen musi- ferntsein – das Bestreben zu reisen, das quä- Martinu, Janácek, Haas, Ullmann und Suk. n kalischen Angebots um Darbietungen ande- lende, aber auch beglückende „Unterwegs“ http://www.esterhazy.at

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 88 Kultur Festival Arcana Ein neues Festival ensteht. In einer der magischsten Regionen Europas findet ab 2010 jährlich ein zwölftägiger Energiestrom zwischen KomponistInnen, InterpretInnen, WissenschaftlerInnen und Publikum statt. Foto: Ernst Kren rstmals findet heuer das „Festival Arcana“ Schauplatz St.Gallen/Gesäuse die Faszination Der Name Estatt, das sich zum Ziel gesetzt hat, sein Neuer Musik erlebbar gemacht machen – von „Arcana“ ist der Name eines Orchester- Publikum mit Neuer Musik zu faszinieren. Es weltbekannten KomponistInnen und Inter- stücks aus der Feder Edgar Varèses, einer der ist unter der Intendanz von Peter Oswald von pretInnen. Fast alle der noch lebenden Kom- Ikonen der Neuen Musik (Arcana, 1927). 28. Juli bis 8. August in der Region St. Gal- ponistInnen sind vor Ort. Mehrere Urauffüh- Viele Sprachen kennen diesen Begriff in der len/Gesäuse im Rahmen der „regionale10“ rungen sind eingebettet in den großen Kon- Bedeutung von geheim, geheimnisvoll, zu erleben. Weltbekannte KomponistInnen text der musikalischen Moderne. Ziel des mysteriös. „Im Zusammenhang mit ,Arcana‘ (wie Beat Furrer, Olga Neuwirth oder Wolf- Projekts ist es, das Publikum für Neue Musik kann man von Transformation sprechen (von gang Rihm) bzw. InterpretInnen (wie Dieter zu begeistern, es – emphatisch formuliert – Veränderung, von Aufbruch). Aber es geht Flury, Ernst Kovacic, Juan Manuel Cañiza- zu verzaubern. Grundlage des Festival-Kon- weniger um Alchemie als um heftige Vul- res, Marcus Weiss, Marino Formenti, Nico- zepts ist die Überzeugung, daß Neue Musik kanausbrüche in der Nacht. Hier ist der Ätna las Hodges, Klangforum Wien, KNM Berlin, unabhängig vom Veranstaltungsort ein gro- gleichermaßen symbolisch wie der Prome- Schlagquartett Köln oder der Schönberg- ßes und begeisterungsfähiges Publikum fin- theus. Er ist sogar sein Doppelgänger. Es chor) und ein breites Programmangebot aus den kann. „Das Arcana Festival ist kein Ur- handelt sich durchaus um die prometheische Konzerten, Vermittlungsprogrammen, einem aufführungsfestival, aber es verzichtet nicht Versuchung, den Kosmos in den Klängen Symposium, einer Ausstellung sowie Kunst auf die Neugier, nicht auf das Andere. und durch die Klänge zu besitzen.“ (Fernand im öffentlichen Raum garantieren ein außer- Gleichzeitig entwirft Arcana ein Panorama Quellette, Biograph von Edgar Varèse) gewöhnliches kulturelles Ereignis. kompromißloser, also freier Persönlichkei- „Arcana Festival für Neue Musik“ – das ten“, so Intendant Peter Oswald. Veranstaltungsorte sind 22 Veranstaltungen an 12 Tagen und Fabrikshalle Palfinger Systems, Weng 7 verschiedenen Veranstaltungsorten in der Vermittlung Kirche, St.Gallen Region St.Gallen/Gesäuse. Insgesamt wer- In diesem Sinne sind zahlreiche Vermitt- Fabrikshalle Georg Fischer, Altenmarkt den 90 Werke von 33 KomponistInnen zur lungsprojekte geplant, die kreative und sozi- Burg Gallenstein, St.Gallen Aufführung gebracht. Zu den programmier- ale Aspekte in der Neuen Musik hörbar und Stiftsbibliothek, Admont ten Höhepunkten zählt ein Open-Air Kon- erlebbar machen. Nicht passiver Konsum ist Haindlkar, Gesäuse zert im Haindlkar, einer wahrlich magischen angesagt, sondern aktive Partizipation. Aus- Das Symposiums dauert von 1. bis Gegend, umgeben von ehrfurchtgebietenden drücklich wird dabei eine interdisziplinäre 8. August, Sprachen: Englisch/Deutsch Felswänden. Außerdem finden Education- Verknüpfung mit anderen Medien ange- Die Struktur des Symposiums wird in den und Musikvermittlungsprojekte, ein Work- strebt. ersten Tagen informellen Charakter haben shop für junge Musiker, ein Symposium an und in den letzten vier Tagen öffentliche Dis- der Schnittstelle von Kunst und (Neuro-) Kunst trifft Wissenschaft kussionen und Vorträge umfassen. Im An- Wissenschaften, sowie Ausstellungen und Begleitend zum Festival ist von 1. bis 8. schluß daran sind eine Buchpublikation und Kunst im öffentlichen Raum statt. August ein Symposion unter dem Titel eine CD mit dem Titel „Neue Musik kom- „Neue Musik kommentiert: Neurowissen- mentiert: Neurowissenschaften und Neue Mu- Ziele schaften und Neue Musik“ geplant, das sich sik“, die mehrsprachig erscheinen soll, ge- Abseits aller Metropolenstrukturen soll an der Schnittstelle von Kunst und Wis- plant. durch das Arcana Festival am faszinierenden senschaft positioniert. http://www.arcanafestival.at

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 89 Kultur Großartiger Nachwuchs Der zwölfjährige Elmar Deininger präsentierte seine Komposition beim »European Junior Original Concert«. Foto: Harri Mannsberger/Yamaha Manfred Frank (Manager Yamaha Musikschule Österreich), Eléonore Kaplan (Frankreich), Vera Matiz (Portugal), Lucas Pütter (Deutschland), Elmar Deininger (Österreich), Elias Sedlmayr (Deutschland), Valeria Cristea Nechita (Italien), Alexandros Tsagatakis (Griechenland), Nathan Hawkes (United Kingdom), Lucie Cholley (Frankreich), Daria Cheikh-Sarraf (Deutschland)

m 6. Februar präsentierten SchülerInnen war der Executive Adviser of Yamaha Cor- ihrer Kreativität, ihren Gedanken und Ge- Ader Yamaha Musikschulen aus ganz poration und President of Yamaha Music fühlen musikalisch Ausdruck zu verleihen. Europa eigene Kompositionen auf dem drit- Foundation (Zentrale in Tokyo), Shuji Ito, Highlight und wichtiger Bestandteil jedes ten „European Junior Original Concert“ im anwesend. Nach Mailand (2008) und Paris „Junior Original Concerts“ ist die freie Im- Wiener Konzerthaus. In diesem Jahr waren (2009) wurde in diesem Jahr Wien als Ver- provisation der TeilnehmerInnen über eine zehn MusikschülerInnen aus sieben Natio- anstaltungsort ausgewählt. kurze vorgegebene Melodie. Eine Improvi- nen (Österreich, Deutschland, Frankreich, „Wir freuen uns zu hören, wie die jungen sation ist der spontane und unmittelbare Aus- Italien, Griechenland, Portugal und Groß- MusikerInnen ihren Gedanken und Gefühlen druck dessen, was ein Musiker im Augen- britannien) zwischen 8 und 14 Jahren vertre- in der Musik Ausdruck verleihen. Lassen Sie blick des Musizierens fühlt. Die von den ten, darunter auch der zwölfjährige Elmar uns die Kompositionen gemeinsam beim SchülerInnen aufgeführten Improvisationen Deininger aus Regelsbrunn (NÖ) mit seiner ,European Junior Original Concert‘ genies- zeigen ihre im Unterricht an den Yamaha „Zirkus-Suite“, der die Yamaha Academy Of sen“, beschreibt Kazunobu Yamada (Mana- Musikschulen erworbenen kreativen Fähig- Music in Wien besucht. „Ich hoffe, daß ich ging Director Yamaha Music Foundation, keiten, Musik, die sie inspiriert, spontan um- das Publikum mit meiner Komposition Tokio) die Bedeutung des Konzertes. „Es ist setzen zu können. begeistern kann“, sagte Elmar in freudiger ein wesentlicher Bestandteil der von den Ya- Eine Besonderheit des „Junior Original Erwartung auf seinen Auftritt. maha Musikschulen vertretenen Philoso- Concert“ ist es, daß die TeilnehmerInnen Das Spektrum der dargebotenen Stücke phie, nicht nur das instrumentale Spiel zu nicht älter als 16 Jahre sein dürfen. Um aus- reichte vom klassischen Solostück für Kla- unterrichten, sondern vor allem kreative und gewählt zu werden, müssen sie eine eigene vier bis zum Latin-Ensemble. Ein besonde- schöpferische Potentiale zu fördern.“ Alljähr- Komposition einreichen und in der Lage res Highlight des Konzerts waren zudem lich veranstaltet die Yamaha Music sein, diese auch selbst vorzutragen. Es ge- Improvisationen, bei denen die Schüler ihre GmbH in Zusammenarbeit mit der Yamaha hört zur Philosophie der Yamaha Musik- Fähigkeit demonstrieren konnten, über ein Music Foundation mit Sitz in Tokio das schulen, nicht nur das instrumentale Spiel vorgegebenes musikalisches Motiv spontan „European Junior Original Concert“. Bei die- und Können zu fördern, sondern vor allem zu improvisieren. sem Konzert handelt es sich nicht um einen Kindern die Möglichkeit zu geben, ihre Das „European Junior Original Concert“ Wettbewerb, sondern um eine Aktivität der Gedanken und Gefühle durch Musik auszu- ist ein Indiz für die erfolgreiche musikpäda- Yamaha Music Foundation, die jungen Schü- drücken und damit auch ihre schöpferischen gogische Arbeit der Yamaha Musikschulen. lerInnen der Yamaha Musikschulen eine Fähigkeiten und kreativen Potentiale zu ent- Als Moderatorin konnte daher TV-Star Kat- Möglichkeit bietet, ihre eigenen Komposi- wickeln. rin Lampe gewonnen werden und als Gast tionen professionell aufzuführen und damit http://ejoc.yamaha-europe.com

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 90 Kultur »Walls of Sound« Die Bedeutung jüdischer Musiker durch den Lauf der Zeiten steht bis 30. Mai im Mittelpunkt – das Museum Judenplatz zeigt »Walls of Sound« von Oz Almog.

as Thema Musik und Musikerporträts Dhat im Jüdischen Museum bereits Tra- dition. Mit der am 9. Februar präsentierten Kunstinstallation „Walls of Sound“ im Mu- seum auf dem Judenplatz setzt sich diese Tradition hochkonzentriert fort: Oz Almogs Installation durch drei Räume des Mu- seums – zwei ebenerdig, die dritte im Unter- geschoß – thematisiert jüdisches Wirken in Musik, Schauspiel und Film. Die Wände sind vollgefüllt mit hunderten, lexikalisch nüchternen Musiker-Eintragungen, vom Pla- fond hängen 120 Reproduktionen von Por- träts, „Raindrops of Music“, wie sie Almog bezeichnete. Neben den Musiker-Eintragun- gen und Porträts erinnern zusätzliche Text- collagen an die mythische Bedeutung der Musik in der Verbindung zwischen Gott und Foto: Schaub-Walzer / PID den Menschen. Materialisiert zeigt sich dies Ausstellungseröffnung: Oz Almog, S.E. Botschafter des Staates Israel, Aviv Shir- On, Direktor Karl Albrecht-Weinberger und Hauskurator Andreas Sperlich (v.l.) in der Büste der Polyhymnia, der Muse des Tanzes, des Liedgesangs, der Pantomime und der Geometrie. Der Weg durch die dicht gesetzten Ein- träge ist zugleich auch ein Weg durch die Geschichte der Musik, von Hardrock bis Klassik, von Jazz bis zu „Over the rainbow“ von Harold Arlen. Gene Simmons von der Rockgruppe „Kiss“ ist da ebenso zu sehen, wie Arnold Schönberg, Barbra Streisand schenkt dem Besucher ein Lächeln, wie Her- mann Leopoldi an das scharf gewürzte Wie- ner Couplet der Zwischenkriegszeit erinnert. „Walls of Sound“ funktioniert nach mehre- ren Prinzipien – „Wer hätte das gedacht!“ – ist eines davon, wenn der Besucher auf Na- men stößt, die er nicht unbedingt mit jüdi- scher Musikkultur in Verbindung gebracht hätte, etwa Bob Dylan oder eben der grell schwarz-weiß geschminkte Gene Simmons von „Kiss“. Musikalische Hörgenüsse gibt es leider nicht, „da gibt es bislang Probleme mit dem Copyright“ (Almog), nichtsdesto- weniger ist „Walls of Sound“ auch so eine beeindruckendes, wie kurzweilig-unprätenti- Foto: Ebenso zu sehen: Gene Simmons von der Rockgruppe »Kiss« öses Potpourri jüdischen Kunstschaffens bis in die Gegenwart. „Würde ich jetzt alle Jüdischen Museum. 2000/2001 zeigte er sher Nostra. Jüdische Gangster in Amerika Geschichten zu den Namen erzählen, ich etwa in der Hermesvilla Wiener en face-Por- 1890-1980“ mit einem düsteren Kapitel der würde bis 2015 hier stehen“, so ein gut träts von Karrieren mit 350 Gemälden von amerikanisch-jüdischen Geschichte ausein- gelaunter Oz Almog bei der Führung für die Wiener Persönlichkeiten, 2002 gestaltete er ander. Viele seiner Installationen konnten Presse. die Ausstellung „Dem Morgenrot entgegen – bislang erfolgreich auch in anderen europäi- Oz Almog, 1956 in Israel geboren, ist nicht Jüdische Helden der Sowjetunion“, vor sie- schen Städten gezeigt werden. zum ersten Mal künstlerischer Gast im ben Jahren setzte er sich mit der Schau „Ko- http://www.jmw.at

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 91 Film Salami Aleikum Eine Dreamer Joint Venture Produktion in Co-Produktion mit ZDF Das kleine Fernsehspiel und ORF erfreut sich nicht nur begeisterten Kinopublikums in Österreich und Deutschland, sondern wurde auch jüngst bei der Berlinale 2010 mit dem Preis der deutschen Filmkritik ausgezeichnet. Prädikat: sehenswert! Alle Fotos: Maria Krumwiede

v.l.: Vater Bergheim (Wolfgang Stumph), Mutter Bergheim (Eva-Maria Radoy), Mohsen Taheri (Navid Akhavan), Mutter Taheri (Proschat Madani), Vater Taheri (Michael Niavarani) und Ana Bergheim (Anna Böger)

s gibt einen Grund, warum jeder Mensch Kummer hat, strickt er am Schal seines Le- Doch dann nimmt das Schicksal seinen Eauf der Welt ist. Da ist sich Mohsen bens – und er strickt viel ... Lauf und Mohsens Leben eine entscheidende (Navid Akhavan) ganz sicher. Nur seinen Wende. Weil die Familie Taheri illegaler Weise Grund und Sinn des Lebens hat er leider ihre Schlachtabfälle in den sauber geputzten noch nicht gefunden, was nicht weiter ver- Reihenhaus-Mülltonnen aufmerksamer Nach- wundert, wenn man die Sache ganz genau barn versenkt hat und sich das Gesundheits- betrachtet: Mohsen ist schon Ende 20, wohnt amt nicht mit Knoblauchwurst bestechen läßt, aber noch bei Mama (Proschat Madani) und wird Vater Taheri die Lizenz entzogen. Moh- Papa (Michael Niavarani). Die beiden sind sen hat die Wahl: Mann oder Maus. Wenn er vor vielen Jahren aus dem Iran nach jetzt nicht endlich erwachsen und Metzger Deutschland gekommen und führen jetzt in wird, dann steht die Familie vor dem Aus. Köln eine solide Familien-Metzgerei. Immer Da kreuzt erneut der Zufall Mohsens Weg: wieder versucht Vater Taheri aus seinem Diesmal in Gestalt eines polnischen Ge- Sohn einen „richtigen“ Mann zu machen und schäftsmanns. Mohsen sieht seine Chance ihm das Schlachten beizubringen. „Ganz gekommen: Re-Import gut genährter Schafe einfach: Erst halten, dann schlachten“. Für aus Polen und der Typ übernimmt sogar das Mohsen ist das nicht wirklich die Zukunft lästige Schlachten. Der Deal ist perfekt. Ob- und in seinem tiefsten Inneren weiß er das wohl jeder Iraner weiß, daß man mit einem auch. Erstens kann er kein Blut sehen und Polen keine Geschäfte machen sollte, macht zweitens beschäftigt er sich lieber mit Strik- sich Mohsen auf dem Weg in den Wilden ken und Träumen. Immer wenn Mohsen Osten und strandet auf halber Strecke mitten

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 92 Film in der Hölle: Sie heißt Oberniederwalde und ist kein guter Ort für zart besaitete Iraner. Es ist Nacht, es regnet in Strömen, in der Knei- pe verweigert man Mohsen erst das Zimmer, dann das Essen, („Wir haben nichts gegen Ausländer, aber man darf auf keinen Fall zu freundlich sein.“) und zwingt ihn schließlich zu Schweinenierchen. Aber wenigstens gibt es eine Werkstatt, in der er seinen Transpor- ter reparieren lassen kann. Und in dieser Werkstatt steht sie: seine Traumfrau – groß, blond, stark und wunderschön! Ana (Anna Böger), die KFZ-Meisterin und ehemalige Kugelstoßerin, ist für Mohsen bestimmt, das spürt er sofort. Deshalb ist es ihm auch ziem- lich egal, als der Wagenheber umkippt und ihm der Transporter auf den Fuß kracht. Mit Gipsbein auf dem Krankenlager strickt Moh- Vater Taheri und Sohn Mohsen Taheri in der Metzgerei … sen das schönste Stück Schal seines Lebens.. Im nächsten Moment allerdings verstrickt er sich in die größte Lüge seines bisherigen Daseins: Weil Ana Vegetarierin und tierlieb ist, will Mohsen ihr nicht gleich beichten, daß er den Schafen als zukünftiger Metzger naturgemäß an die Wolle muß und behauptet deshalb, er sei auf dem Weg nach Polen, weil er die flauschigen Schäfchen für seinen flo- rierenden Textilhandel brauche. Das wiederum ruft die Einwohner von Oberniederwalde, das in besseren, also DDR- Zeiten, der Hotspot der Oberhemdenindu- strie war, auf den Plan. Der VEB „Textile Freuden“ steht längst still, keine Arbeit nir- gends, aber wenn so ein iranischer Investor käme, wer weiß? Vor allem Anas Vater (Wolf- gang Stumph), der Gasthofbesitzer, erkennt die Zeichen der Zeit. Während Ana mit Moh- … mit seiner Ehefrau in plüschigem Luxus … sen einen Kurztrip nach Polen unternimmt (wo sie unter anderem als Geburtshelfer eines Lämmchens dienen und nebenbei für allerhand Aufregung im deutschpolnischen Grenzgebiet sorgen), bereitet Vater Bergheim, skeptisch beäugt von den Dorfbewohnern, alles vor, um Mohsen davon zu überzeugen, daß er in Oberniederwalde investieren muß: In der Küche gibt es ab sofort nur noch per- sische Gerichte, ein alter Läufer wird zum Gebetsteppich umfunktioniert und man lernt Farsi: „Für ‚Herzlich willkommen‘ sagen die: ‚Ich steig‘ Dir auf die Augen.‘ Die sind doch nicht ganz sauber im Kopf.“ Als Mohsen mit Ana, den polnischen Schafen und dem Lämmchen Wojtila zu- rückkehrt, traut er seinen Augen nicht. Vater Bergheim schmettert ein fröhliches „Salami Aleikum“ und besteht darauf, ihm postwen- … und in scheinbar freundschaftlicher Verbundenheit zu Vater Bergheim. dend höchstpersönlich die alte Textilfabrik zu zeigen. „Tolle Maschinen, die kann jeder kleine Iraner aus Köln steckt ganz schön in ne Eltern haben die Taschen und einen Base- bedienen, auch Kubaner und Fidschis!“ Der der Patsche und es kommt noch dicker: Sei- ballschläger ins Auto gepackt („Wir fahren

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 93 Film

Die große, blonde, starke und wunderschöne Ana Bergheim (Anna Böger) ist Mohsen Taheris (Navid Akhavan) Traumfrau. schließlich in die DDR!“), um ihrem Sohn in gar nicht zugetraut! Die Oberniederwalder verzauberndes Spielfilmdebüt! „Salami Alei- der feindlichen Fremde beizustehen und vor sind also voller Zuversicht, Ana strahlt vor kum“ punktet aber auch mit einem starken allem die Schafe endlich nach Köln zu ho- Glück, die Taheris sind stolz auf ihren Sohn, Cast: Navid Akhavan („Fremder Freund“), len. Statt einem persischen Textilmogul wird doch Mohsen erkennt, daß er da vielleicht der als iranischer Popstar in Deutschland also in Kürze ein Kölner Metzger auftauchen mit ein paar Bällen zu viel jongliert und er ganze Hallen füllt, die Filmväter Michael und alles zerstören: Die Träume der Dorfbe- sich schnell etwas einfallen lassen muß, Niavarani und Wolfgang Stumph, die hier ihr wohner und Mohsens Liebesglück. Aber noch denn schließlich stehen hier sein Leben und komisches Talent voll ausspielen können, ist es nicht so weit: Auch Mohsens Eltern seine Liebe auf dem Spiel. Gut, er hat den und Anna Böger aus „Shoppen“. müssen nach dem Weg fragen: „Haben Sie Menschen im Dorf Hoffnung gemacht mit hier einen kleinen Perser gesehen? Sie wis- seinen Märchen vom reichen Erben. Aber was Michael Niavarani ist Vater Taheri sen schon. Perser. Schwarze Haare am gan- ist eigentlich so schlimm an Hoffnung? Michael Niavarani ist der Sohn einer Ös- zen Körper. Bißchen doof?“ Als die Taheris „Salami Aleikum“ ist ein filmisches Er- terreicherin und eines Persers. Er lebt in Wien schließlich in der tiefsten Provinz ankom- lebnis der besonderen Art. Liebevoll gestal- und arbeitet als Kabarettist, Autor und men, trauen sie ihren Augen nicht. Die Ossis tete Animationen treffen auf den musikali- Schauspieler. Seit 1993 ist Niavarani künst- können zwar nicht besonders gut deutsch schen Charme großer Bollywood-Romanz- lerischer Leiter des Kabarett „Simpl“. Ak- und reden wirres Zeug, dafür sind sie aber en, skurrile und gleichzeitig treffend ge- tuell spielt er sein Soloprogramm „Alles, überraschend zuvorkommend und persi- zeichnete Charaktere unterschiedlichster was ich schon immer machen wollte – und sches Essen scheint dort auch gerade in Herkunft beweisen Hirn, Herz und Humor. das an einem Abend!“ in Wien und den Bun- Mode zu sein. Gut, sie wohnen ein bißchen Nach dem preisgekrönten Dokumentar- desländern, zusätzlich steht er gemeinsam schäbig, aber so war das nun mal bei den film „Lost Children“ (Deutscher Filmpreis mit Viktor Gernot als „Zwei Musterknaben“ Kommunisten. Vater Taheri ist gleich bereit, 2006), über Kindersoldaten in Nord-Uganda, auf der „Simpl“-Bühne. Sein erstes Buch, sich mit Vater Bergheim zu verbrüdern, aber betritt Ali Samadi Ahadi mit seinem Spiel- „Vater Morgana“, eine persische Familien- ein Restzweifel bleibt, schließlich kennt man filmdebüt neues Terrain und präsentiert eine geschichte, erscheint im November 2009 im das: „Warum sind die Ossis so freundlich? Komödie nach dem Motto: „Der (sehr) Nahe Amalthea-Verlag. Zu seinen wichtigsten Weil sie was wollen!“ Mohsen stellt jeden- trifft den Fernen Osten“. Dabei spielt er mit Filmarbeiten gehören „Wanted“ (1998) mit falls erst einmal seine zukünftige Braut Ana den Mitteln des Kinos wie Michel Gondry, Alfred Dorfer und „I love Vienna“ (1990), den verwunderten Eltern vor. Vater Taheri findet Bilder wie Jean-Pierre Jeunet, läßt sei- Regie: Houchang Allahyari. Niavarani ist sieht dabei schon ein Ernährungsproblem ne Schauspieler singen und tanzen, jongliert regelmäßig in Unterhaltungsshows wie „Was auf sich zukommen, aber immerhin scheint mit Animationen oder Puppenspiel und in- gibt es Neues?“ und verschiedenen Kabarett- sein Sohn ja eine tolle Position in der Textil- szeniert Wortwitz in einer Souveränität, wie Sendungen im österreichischen Fernsehen branche ergattert zu haben, das hätte er ihm man sie selten erlebt. Ein überraschendes, zu Gast.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 94 Film

Michael Niavarani im Interview Im Gespräch mit Claus Philipp erklärt er, warum Perser und Ostdeutsche mehr ge- meinsam haben als man denkt. Claus Philipp: Salami Aleikum handelt vom Zusammenprall zweier Kulturen – der Ex- DDR und einer persischen Emigrantensze- ne. Was haben die gemeinsam? Michael Niavarani: Beide kommen aus einer Welt, die nicht mehr existiert. Die per- sische Familie etwa, der Vater, den ich spie- le, und der ein ganz klein wenig eine Parodie auf meinen eigenen Vater darstellt – die leben immer noch in der Schah-Zeit, einem unter- gegangenen Reich. Und jetzt lebt er da in Köln, mit seiner Fleischhauerei, und zehrt da- von, daß er früher einmal „etwas“ war. Ähn- lich verhält es sich mit unserer Familie in Ostdeutschland: Die führen da ein kleines Dorfgasthaus, nachdem sie früher ein Textil- unternehmen hatten. Beide Familien berufen Michael Niavarani (r.): Kabarettist mit starkem »Wuchtel«-Drang, wollte in jeder sich auf eine Heimat, die es so nicht mehr Szene fünf Pointen mehr. Regisseur Ali Samadi Ahadi ließ sich aber nicht beirren. gibt. Und als sie zusammentreffen, gaukeln sie einander vor, daß sie reich sind. Auch das Also dieses Gefühl von Trauer und Verlust: hen bisher immer ein bißchen gehaßt. Im Fall verbindet. Das war schon sehr präsent. von „Salami Aleikum“ war’s aber anders: Claus Philipp: Weil Sie autobiographische Claus Philipp: Dieses Jahr ist naturgemäß Selten verspürte ich soviel Freude, auch wenn Bezüge andeuten: Was hieß es denn für Sie das Thema „Mauerfall“ omnipräsent: Wie ich mit dem Regisseur einige Kämpfe ausge- selbst, schon als Kind, in Wien aufzuwach- war das für Sie beim Dreh von „Salami fochten habe. sen, aber persischer Abkunft zu sein? Aleikum“? Claus Philipp: Wieso? Michael Niavarani: Bis zum 15. Lebens- Michael Niavarani: Ich habe zum ersten Mal Michael Niavarani: Ich habe einen starken jahr habe ich da keine großen Unterschiede längere Zeit in Ostdeutschland verbracht, „Wuchtel“-Drang, und wollte in jeder Szene gemacht. Wiener und Perser, das war für und es war schon sehr interessant, wie dort fünf Pointen mehr. Und Ali behielt glückli- mich dasselbe. Das eine war eben die Fa- Menschen über ihre großen Hoffnungen und cherweise doch immer den Fokus darauf, milie von der Mama und das andere die vom ihre noch größeren Enttäuschungen erzähl- daß wir hier keine Sketches spielen, sondern Papa. Wir haben Teheraner Proleten ebenso ten. Natürlich war man froh über das Ende eine Geschichte erzählen. Und tatsächlich bin in der Familie wie Wiener Proleten. Und in der Diktatur, aber gleichzeitig vermisste man ich hier ja nicht Kabarettist, sondern Schau- beiden Zweigen der Familie gibt es Men- zunehmend auch die Geborgenheit, die diese spieler. Filmschauspieler. schen, die gern in die Oper gehen. Daß da Diktatur – quasi gegen die freie Marktwirt- Claus Philipp: Überhaupt ist „Salami Alei- zwei Sprachen gesprochen werden, zwei schaft – generierte. Was mir bei „Salami kum“ in seinen Animationen, seinen Kamera- Kulturen gelebt werden, und daß ich damit Aleikum“ schon beim Drehbuch sofort ge- perspektiven, seinen farblich manipulierten einen anderen Hintergrund hatte als meine fiel: Der Film greift solche Konflikte auf ko- Bildern sehr „filmisch“. Was bedeutete das, Freunde – das fiel mir eher spät auf. mödiantische Weise auf, aber er verkehrt sie hier ins Filmbild gerückt zu werden? Claus Philipp: Im Film ist es so, daß der nicht ins Unernste. Michael Niavarani: Ja, durch die Optik junge Held auf Erwartungen einer Genera- Claus Philipp: Sie treten als Kabarettist sehr kriegt der Film fast was Surreales. Für uns tion, die politische Druckverhältnisse beson- viel live auf. Wie fühlen Sie sich beim Spiel am Set war das aber nicht so. Wir haben ein- derer Art miterlebt hat, eher verstört und ge- für die Kamera? fach so real wie möglich gespielt und erst hemmt reagiert. Können Sie das aus eigener Michael Niavarani: Der viel klischierte später bei der Betrachtung der gefilmten Sze- Erfahrung heraus nachvollziehen? Satz „Das sind zwei verschiedene Berufe“ – nen, war man baff: Wow, das sieht ja super Michael Niavarani: Als ich 11 war, habe der ist schon richtig. Natürlich macht man aus. Dem Ali Samadi ist etwas gelungen, ich die Flucht einiger Familienmitglieder aus im Prinzip dasselbe: Man sagt Sätze so auf, wofür ich ihn zutiefst bewundere. Normaler- dem Iran, meiner Großmutter etwa, miter- als wären sie der Figur, die man da spielt, weise heißt es, ein Film sei entweder schön lebt. Natürlich wurde uns angesichts der Re- gerade eben eingefallen. Aber die Kamera ist gemacht oder er sei eine Komödie. „Salami volution und nach dem Sturz des Schah- gnadenloser als ein Saal mit 500 Besuchern: Aleikum“ ist beides. Und was ich hier auch Regimes immer wieder gesagt: Der Iran ist Sie vergibt einem nichts. Sie nimmt auch wieder gelernt habe: Eigentlich entsteht ein nicht mehr, was er war. Meine Großmutter Momente auf, in denen man nicht ganz kon- Film im Schneideraum. Oder richtiger: Beim meinte zeitlebens immer, daß sie nie wieder zentriert war, und diese Momente wirken Drehbuchschreiben und beim Schnitt. Der zurück will – weniger aus der Angst heraus, sich dann auch auf die nächsten aus. Für Dreh, das ist nur Material, das später in eine verhaftet zu werden, als aus dem Gefühl: mich bedeutet das viel genauere, schwierige- Form gebracht wird. Dieses Land hat nichts mehr mit mir zu tun. re Arbeit. Und eigentlich habe ich das Dre- http://www.salami-aleikum.at

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 95 Serie »Österreicher in Hollywood«

Der Wiener Autor Rudolf Ulrich dokumentiert in seinem Buch »Österreicher in Hollywood« 400 Einzel- biografien mit beigeschlossenen Filmografien und über 12.000 Film- und Fernsehproduktionen aus Hollywood mit österreichischer Beteiligung. In dieser Folge portraitiert er Otto Preminger Produzent/Regisseur/Schauspieler

tto Ludwig Preminger, von jüdischer OHerkunft, Sohn eines der bekanntesten Juristen Österreichs, wurde am 5. Dezember 1905*) in Wiznitz, im k.u.k. Kronland Buko- wina (heute Wyschnyza, Ukraine), geboren. Er studierte in Wien Jus und promovierte 1925 in Rechtswissenschaft und Philoso- phie, seine frühe Passion für die Welt des Theaters brachte ihn jedoch von den vorbe- stimmten beruflichen Pfaden ab. Preminger arbeitete in den Semesterferien bei Max Rein- hardt in Salzburg, lernte das Schauspielhand- werk an Bühnen in Prag, Zürich und Aussig und führte anschließend in Wien mit seinem Freund Rolf Jahn das Boulevardtheater Ko- mödie (nun Metro Kino). Preminger betrieb kurze Zeit die Volksoper als Neues Wiener Schauspielhaus, kam 1928 als Direktionsas- sistent an Reinhardts Theater in der Josef- stadt und übernahm 1933 dessen Leitung. Publikumswirksame Inszenierungen mach- ten auf ihn aufmerksam, Tourneen mit dem Otto Preminger hinter der Kamera Ensemble führten ihn durch ganz Europa. Theatre Edward Woolls Drama „Libel“, im beobachtete zunächst einige Monate andere Der zuvor in Amerika tätige Bühnenautor, Jänner 1936 traf er in Hollywood ein. Der Regisseure des Studios am Set, ehe er im Schauspieler und Produzent Julius Steger Theatermann hatte bis dahin ein einziges Spätsommer des Jahres mit der eigenen Re- empfahl im April 1935 den aufstrebenden Lichtspiel, „Die große Liebe“ (mit Hansi gietätigkeit begann. Doch schon nach zwei Regisseur seinem damals in Wien zu Besuch Niese, 1931) für die Wiener Allianz-Film auf Filmen, dem direktoralen Debüt mit dem weilenden Freund Joseph M. Schenk, Chair- die Leinwand gebracht und befaßte sich erst Musical „Under Your Spell“ (1936) und der man of the Board der eben erst zusammen in den USA ausgiebig mit dem Medium, das kleinen Screwball-Komödie „Danger – Love mit Darryl F. Zanuck installierten 20th Cen- ihm bald mehr bedeutete als das Theater. Er at Work“ (1937), schien seine Hollywood- tury-Fox. Das Studio war auf der Suche nach Karriere beendet. Darryl F. Zanuck hatte den jungen Kräften, bei einer Aussprache im nach seinen Begriffen talentierten New- Hotel Imperial offerierte Schenck Aufstiegs- comer Anfang 1938 im Rahmen einer Groß- möglichkeiten, falls Preminger in die USA produktion überraschend mit der filmischen kommen sollte. Umsetzung des Stevenson-Romans „Kid- Der aufstrebende Nationalsozialismus napped“ beauftragt. Preminger, der keinen veranlaßte ihn im Oktober 1935 zum Auf- rechten Zugang zum Stoff fand und eigen- bruch in Richtung des kalifornischen Film- mächtig das Drehbuch änderte, wurde darauf- paradieses. Während eines Zwischenstops in hin am Set suspendiert und auf eine Präven- New York inszenierte er am Henry Miller tionsliste gesetzt, die weitere Möglichkeiten in der Filmmetropole ausschloß. Theaterar- *) Otto Preminger gab stets Wien als seinen Geburtsort beiten in New York halfen ihm die nächsten und den 5. Dezember 1906 als sein Geburtsdatum Jahre zu überbrücken, erst 1942 war seine an, das weitgehend in der internationalen Filmlite- Rückkehr an die Pazifikküste wieder mög- ratur aufscheint und vielfach zu falschen Jubiläen führte. In „Behind the Scenes of Otto Preminger“ lich. Nach Parts in den Anti-Nazi-Filmen von Willi Frischauer (Michael Joseph Ltd., London „The Pied Piper“ und „They Got Me Cover- 1973, S. 26) verwies der Biograf auf das richtige

Fotos: Archiv Ulrich ed“ (bei Samuel Goldwyn) akzeptierte Pre- Datum 5. Dezember 1905. Die Urnen-Grabplatte im Woodlawn Cemetery, Bronx, New York, verzeich- Der Österreicher Otto Preminger zählte minger eine Rollenübernahme bei der Fox- net gleichfalls das Jahr 1905. in Hollywood zum Gigantenbereich Verfilmung des populären Broadway-Hits

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Monate in andere Länder und Erdteile, „Prem“ realisierte seine Streifen dort, wo sie spielten: „River of No Return“ („Fluß ohne Wiederkehr“, 1954, mit Marilyn Monroe) in den Kanadischen Rockies, „Bonjour Tristes- se“ (1958) an der Côte d’Azur, Leon Uris’ historisches Epos „Exodus“ (1960) in Israel, „The Cardinal“ („Der Kardinal“, 1963) bei sechswöchigen Außenaufnahmen in Wien und „In Harm’s Way“ („Erster Sieg“, 1965) im Pazifik. Sein Opus 30, „Bunny Lake Is Missing“ („Bunny Lake ist verschwunden“, 1965), ein atmosphärisch dichter Suspense, der das Kino Hitchcocks noch überhöhte, entstand ohne Atelieraufnahmen in London. Der charismatische Produzent, Drama- turg und eigenverantwortliche Promoter, galt

Fotos: Archiv Ulruch im Regiestuhl als „teutonischer“ Tyrann, der Oben: Harvey Lembeck, Don Taylor die frühere Bindung an Ateliers direkt in detailbesessen selbst im Bereich Supporting und der Erfolgsregisseur und -produ- Original-Dekors an authentischen Orten der Players nur beste Kräfte verpflichtete, indes zent (v.l.) in der Rolle des deutschen Kommandanten eines Kriegsgefangen- Handlung gedreht werden. Der Wechsel der häufig lieber mit unbekannten Darstellern lagers für US- Air Force-Personal in Schauplätze brachte ihn jeweils für viele als mit Stars arbeitete. Zu seinen Entdeckun- Billy Wilders Paramount-Produktion »Stalag 17« (1953). Rechts: Mit »Bunny Lake Is Missing« (»Bunny Lake ist verschwunden«, 1965) hat Otto Preminger das Kino Hitchcocks noch überhöht.

„Margin for Error“ (1943) von Clare Boothe Luce nur unter der Bedingung, dabei auch Regie führen zu können. Von 1936-1937 und 1942-1950 bei Cent- fox, gelang ihm mit der von Rouben Ma- moulian übernommenen Inszenierung des raffiniert aufgebauten Psycho-Thrillers „Laura“ (1944), nach Vera Casparys gleich- namigem Bestseller, der Durchbruch als Re- gisseur. Der Film diente später vielen im glei- chen Metier Tätigen zur Inspiration und als Vorbild. In der Erkenntnis, daß seine Ideen nur im Rahmen von Independent Produc- tions zu verwirklichen waren, löste er sich 1953 mit der Adaption seiner erfolgreichen Broadway-Fassung „The Moon Is Blue“ aus der Studio-Abhängigkeit. In höchster Pro- fessionalität erprobte Preminger ohne Stil- prinzipien in einer erstaunlichen Skala von Themen alle Genres, von der Komödie über den Film Noir, vom Kostümfilm über das Musical, dem politischen Drama, der Litera- turverfilmung und dem Kriegsfilm bis zum Western. Ihm gefiel am Medium besonders die Möglichkeit, die optischen Begrenzun- gen des Theaters aufzuheben. In den 60er- Jahren erfolgte sein Schwenk zum Wide- Screen-Format, das seiner Neigung zu Long Takes, überschneidenden Kamerabewegun- gen und Reaction Shots entgegen kam. Dank der fortgeschrittenen Technik konnte ohne

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Produzent und Regisseur Otto Preminger mit seinen Darstellern Don Murray, it dem Buch „Österreicher in Holly- Charles Laughton und Walter Pidgeon (v.l.n.r) vor dem Capitol in Washington bei wood“ legte der Zeithistoriker Rudolf Außenaufnahmen zum Politdrama »Advise and Consent« der Columbia (1962). M Ulrich die lang erwartete Neufassung seines gen zählten u. a. Jean Seberg und Paul New- Preminger im Rahmen der 35 von ihm ge- 1993 erstmals veröffentlichten Standardwer- man, Frank Sinatra wurde unter seiner Füh- schaffenen Filme einige der größten Werke kes vor. Nach über 12jährigen Recherchen rung ein Darsteller von Präzision und Subti- der Traumfabrik, technisch perfekte, ambiti- konnten 2004 die Ergebnisse in Form einer lität. In eigenen Schauspielrollen zwang ihn öse, faszinierende und kommerziell erfolg- revidierten, wesentlich erweiterten Buchaus- der unverkennbare Akzent in das Rollen- reiche Filmkunst, die mit drei Oscar- und gabe vorgelegt werden. „Diese Hommage ist klischee des „ugly German“, des bösen Nazi zwei Golden Globe-Nominierungen der nicht nur ein Tribut an die Stars, sondern oder SS-Offiziers, deren spezifische Verkör- Auslandspresse (HFPA) sowie einer Nomi- auch an die in der Heimat vielfach Unbe- perung für ihn allerdings eine persönliche nierung zum prestigeträchtigen D.W. Grif- kannten oder Vergessenen und den darüber- Form der Rache bedeutete. fith Award der Directors Guild of America hinaus immensen Kulturleistungen österrei- Einige Filme stempelten ihn legendär für „Anatomy of a Murder“ („Anatomie chischer Filmkünstler im Zentrum der Welt- zum Rebellen gegen den Production Code eines Mordes“, 1959) gewürdigt wurde. Der kinematographie gewidmet: „Alles, was an des amerikanischen Kinos. „Carmen Jones“ Individualist, dreimal verheiratet, überschritt etwas erinnert, ist Denkmal“, schließt der (1954) die Transponierung der Oper Bizets in den 70er-Jahren den Schaffenshöhepunkt, Autor. in das Milieu der Afro-Amerikaner, verär- brachte 1977 seine „Autobiography“ heraus Rudolf Ulrich und der Verlag Filmarchiv gerte die Erben des französischen Kompo- und zog sich 1983 nach New York zurück, Austria bieten Ihnen, sehr geehrte Leserinnen nisten, das Drogenthema in „The Man With wo er am 23. April 1986 verstarb. und Leser, die Mög- the Golden Arm“ („Der Mann mit dem gol- Im Rahmen des TV-Films „Introducing lichkeit, in den kom- denen Arm“, 1955) verstieß eklatant gegen Dorothy Dandridge“ (1999), eine Biografie menden Monaten im puritanische Zensurvorschriften, mit dem der afro-amerikanischen Schauspielerin, ver- „Österreich Journal“ Drehbuch-Auftrag an Dalton Trumbo für körperte Klaus Maria Brandauer den noto- einige Persönlichkei- „Porgy and Bess“ (1959) insistierte Premin- risch schwierigen Regisseur. Otto Preminger ten aus dem Buch ger zugunsten des seit Jahren in Hollywood wurde 1936 in Los Angeles mit dem Ritter- „Österreicher in Hol- boykottierten Autors. Vermutlich aufgrund kreuz des Österreichischen Verdienstordens, lywood“ kennenzuler- dieser Intervention verschwand die „Black 1961 mit dem Österreichischen Ehrenkreuz nen. List“, ein seit der McCarthy-Zeit geführter für Wissenschaft und Kunst und 1971 mit Index über Künstler, die man antiamerikani- dem Goldenen Verdienstzeichen des Landes Rudolf Ulrich scher Umtriebe verdächtigte. Gemeinsam Wien ausgezeichnet. Er ist darüber hinaus „Österreicher in Hollywood“; 622 Seiten, mit Billy Wilder und Fred Zinnemann an der auf dem „Walk of Fame“ mit einem Stern zahlreiche Abb., 2. überarbeitete und erwei- Spitze der Regisseure österreichischer Pro- vor dem Haus 6624 Hollywood Boulevard terte Auflage, 2004; ISBN 3-901932-29-1; venienz in Hollywood stehend, lieferte Otto vertreten. http://www.filmarchiv.at

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 98 ÖJ-Reisetip Ein Erlebnis für Leib und Seele: Fastenzeit und Ostern im Klösterreich

n den Klöstern und Stiften des „Klöster- Ireich“ kann man die Kartage und das Os- terfest miterleben und mitfeiern. Besondere Einkehrtage oder Exerzitienangebote, Fa- stenkurse oder Passionskonzerte bereiten auf das Geschehen in der Heiligen Woche vor. Zur Einstimmung auf das Osterfest bieten die Klöster Geras-Pernegg, Marienkron, Ma- rienschwestern, St. Lambrecht, Schlägl und Zwettl Fastenkurse an. Unter Anleitung erfah- rener Fastenleiter unterstützen Entspannungs- übungen und Meditation den Reinigungspro- zeß für Körper und Geist. Gemeinsame Ge- spräche oder auch gemeinsames Schweigen helfen, die innere Disziplin zu stärken. Die Exerzitienkurse und Besinnungstage in den Stiften Altenburg, Geras, Göttweig, St. Florian, Schlägl, Zwettl und bei den Ma- rienschwestern sind geistliche Übungen um das eigene religiöse Leben zu fördern. Durch Foto: Stift Rein / Fr. Martin Höfler Gebet, Meditation, Stille und Einzelgesprä- Feierliche Osterprozession zum Stift Rein in der Steiermark che können Exerzitien eine persönliche Neuwerdung unterstützen und zu einer öster- lichen Erfahrung werden. In den Stiften Geras, Heiligenkreuz, Ma- rienschwestern, St. Lambrecht, Schlägl, Sei- tenstetten und Zwettl laden die Mönche und Schwestern ein, das Osterfest gemeinsam zu feiern. Die Gäste können Ruhe und Stille im Kloster finden. Mittelpunkt dieser Tage ist die Feier der Gottesdienste und das Chorge- bet. Klausur oder Gästetrakt des Klosters stehen allen Gästen – Männern und Frauen – offen, die das höchste Fest der Christenheit mit den Mönchen und Nonnen feiern wollen. In den Stiften Altenburg, Göttweig, Heili- genkreuz, St. Florian und St. Lambrecht wer- den die Gottesdienste der Karwoche und der Osternacht besonders feierlich begangen. Vor allem in Klöstern erlebt man am Gründon- nerstag eine Fußwaschung oder die Trauer- metten und Anbetungsstunden beim „Heili- Foto: Zisterzienserinnen-Abtei Marienkron Entspannungsübungen und Meditation – Reinigungsprozeß für Körper und Geist in gen Grab“. Vor den feierlich gestalteten Kar- der Zisterzienserinnen-Abtei Marienkron und Osterliturgien stimmen Passionskonzerte auf die letzte Etappe der Fastenzeit ein. Christus den Auferstandenen, durch die dun- im Mittelpunkt des Geschehens, die Eucha- Die Vigil der Osternacht ist der wichtig- kle Nacht hinein in die Kirche zum feier- ristiefeier ist wie immer der Höhepunkt der ste Gottesdienst im Laufe des Kirchenjahres lichen „Exsultet“, dem Lobgesang auf das Osternacht. Auferstehungsprozessionen sind für die Christen. Daher ist diese Liturgiefeier Licht. Neben dem Licht steht das Symbol Zeugen der „Volksverbundenheit“ und tradi- in der Nacht vor dem Ostersonntag reich an des Wassers im Mittelpunkt, in vielen Kir- tionellen „Volksfrömmigkeit“ der Mönche Ursymbolen und Riten, der Weg führt mit chen kann man auch die Taufe eines Kindes und Chorherren. der brennenden Osterkerze, Symbol für miterleben. Schließlich steht Brot und Wein http://www.kloesterreich.at

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 99 ÖJ-Reisetip Mythen, Märchen, Pulverschnee Zu Ostern lockt der Wörthersee mit Brauchtum, Wintersport und Überraschungspaketen. Fotos: Wörthersee Tourismus GmbH Denn der Wörthersee bietet mehr als Wasserski! Eine ganze Reihe großer und kleiner Wintersport-Stationen findet man in der Umgebung. So verfügt das nahe Skigebiet Gerlitzen, in dem die Gratis-Skipässe gelten, über mehr als 50 Pistenkilometer.

ie einen gehen zu Bett – die anderen zur che Reise an Österreichs bekanntesten See DKirche. Um 22 Uhr am Karsamstag setzt ist eine ideale Gelegenheit, See und Schnee sich vor dem Gotteshaus der Kärntner Ge- mit einem Schuß Tradition und Kultur zu meinde Selpritsch nahe des Wörthersees genießen. eine ungewöhnliche Gruppe in Bewegung. Gebete und Lieder zur geistigen Stärkung, Festes Schuhwerk und robuste Bekleidung eine ordentliche Jause für die körperliche lassen auf Wanderer schließen. Kreuze, Ge- Ertüchtigung: Die Wallfahrer in der Oster- betbücher und die Uhrzeit wollen dazu nicht nacht haben an alles gedacht. Schließlich so recht passen. Gottfried Ogris, Initiator der sind sie rund sechs Stunden unterwegs, bis 1985 wiederbelebten Aktion, klärt auf: „Es sie im Morgengrauen ihr Ziel erreichen und ist ein uralter Brauch, dem wir nachgehen.“ in der Marienkirche die Auferstehungsmesse Und das meint der Kärntner wörtlich. Zu feiern. „Dies ist gelebtes Brauchtum, an dem Fuß laufen die Gläubigen in den nächsten sich unsere Gäste gerne und jederzeit betei- Stunden rund 20 Kilometer im Rahmen der ligen dürfen“, berichtet Gernot Riedel, der alljährlich stattfindenden Sankt Egydner Os- als Geschäftsführer der Wörthersee Touris- terwallfahrt über vier Berge zur Marienkir- mus Marketing GmbH eher für die welt- che auf dem Humitzberg. Ostern ist rund um lichen Belange des Fremdenverkehrs zustän- den Wörthersee die hohe Zeit des Brauch- dig ist. „Ostern ist die ideale Zeit“, so sein tums. Aber auch Frühlingsgefühle und Win- Fazit, „die vielen Facetten Kärntner Kultur tersport haben Hochkonjunktur. Eine österli- zu erleben.“

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 81 / 26. 02. 2010 100 ÖJ-Reisetip

Es muß ja nicht gleich ein nächtlicher Marsch sein. Auf dem Neuen Platz in Kla- genfurt gibt es den Osterhasen in vielen For- men – und zum Vernaschen. Der Klagenfur- ter Ostermarkt bietet alljährlich alles rund ums Fest. Handgefertigte Palmbuschen, sogenannte Osterratschen aus traditionellem Handwerk und natürlich viele Köstlichkeiten der Kärntner Küche. Das südlichste Bundes- land Österreichs ist reich an Mythen und Märchen, die sich in Gebräuchen und Ritua- len niederschlagen. Verantwortlich dafür ist insbesondere das kulturelle Erbe der Region, die einst keltisches Königreich, weströmi- sche Provinz, slawisches Fürstenhaus, deut- sches Herzogtum und habsburgerisches Kronland war. „Diese vielen Wurzeln erge- ben heute ein buntes und spannendes Kalei- doskop, das wir gerne unseren Gästen ver- mitteln“, berichtet Gernot Riedel. Gerade während der österlichen Ferien- tage kann man rund um den Wörthersee diese bodenständige Kultur mit vielen touri- stischen Angeboten kombinieren. Zahlreiche erfindungsreiche Hoteliers bieten pfiffige Osterpauschalen. Da locken am Karfreitag Köstlichkeiten vom Fischbuffet, da lädt am Ein atemberaubender Blick auf den Wörthersee: Maria Wörth und die Karawanken Sonntag der Osterhase die Kinder zur Eier- suche ein. Gemeinsam gehen Gäste und Gastgeber zur traditionellen Fleischweihe und zum Osterfeuer, da locken Böller- schießen und das beliebte Eierpecken. Im Wettkampf Osterei gegen Osterei bleibt der Sieger, dessen Ei alle Zusammenstöße unbe- schadet überlebt. Ostern am Wörthersee ist freilich auch die Zeit der Frühlingsgefühle. Warme Son- nenstrahlen erlauben es, den Nachmittags- kaffee „open air“ auf einer Terrasse einzu- nehmen. Auch sportlich haben die Feier- und Ferientage einiges zu bieten. See und Schnee liegen da eng beieinander. Während rund um den See die Rennräder in Schwung kommen, sorgen in den umliegenden Skigebieten gute Schnee- und Pistenverhältnisse für einen zünftigen Winterausklang. Dazu gibt es den Skipaß gratis. Eine Gruppe führender Hotels rund um den Wörthersee offeriert nämlich auch an Ostern Winter-Wörthersee-Pakete mit zwei Übernachtungen im Vier-Sterne- Das Seebad Seefels – Sommer wie Winter behagliche Rückzugsinsel mit jeder Hotel, Frühstück und einem Tages-Ski- Menge Wellness und bestem Service. Ticket inklusive bereits ab 89 Euro. Ab der vierten Übernachtung gibt es den Zwei- gebiet Gerlitzen, in dem die Gratis-Skipässe mit jeder Menge Wellness, hervorragender Tage-Paß, ab der sechsten Übernachtung ein gelten, über mehr als 50 Pistenkilometer. Kulinarik und bestem Service überzeugen. Drei-Tages-Ticket zum Nulltarif. Nach Bad Kleinkirchheim, mit über 100 Pi- Angeführt wird die Liste von den Fünf-Ster- Denn der Wörthersee bietet mehr als stenkilometern ein weltcup-erprobter Skizir- ne-Hotels Schloß Velden und Schloß See- Wasserski! Eine ganze Reihe großer und kus, gelangt man in einer halben Stunde. Die fels. Und der Osterhase schaut garantiert bei kleiner Wintersport-Stationen findet man in neun Hotels, die sich an dieser Aktion betei- allen auf einen Sprung vorbei. der Umgebung. So verfügt das nahe Ski- ligen, sind behagliche Rückzugsinseln, die http://www.woerthersee.com

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