Hedwig Dohm Erfindergeist Altenburger Corona Fahrräder
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Der Mitgliederjournal Historische Fahrräder e.V. • ISSN 1430-2543 • Heft 54 • 2/2012 Knochenschüttler Zeitschrift für Liebhaber historischer Fahrräder 54 Corona Fahrräder Altenburger Erfindergeist Hedwig Dohm Werbung des Münchner Fahrradhändlers Ch. N. Schad für amerikanische Importräder um die Jahrhundertwende. Sammlung: Walter Euhus In dieser Ausgabe: Einst bekannt und viel gefahren – heute nahezu vergessen: Corona Wer weiß heute noch, dass der deutsche Steher Thaddäus Robl auf Rädern der Marke Corona Welt- und Europameister wurde? Oder, dass die Corona Fahrrad-Werke einst eine der ersten Adressen in Brandenburg waren, dass sie neben Fahrrädern auch Automobile und Motorräder fertigten? Mario Steinbrink hat sich entschlossen, die Geschichte dieses Unternehmens vor dem Vergessen zu bewahren und sie daher aufgearbeitet. Postkartenmotiv aus den 20er Jahren. Sammlung Mario Steinbrink An der Wiege des Aluminiums – Interview mit Karl Dieter Altenburger. Die Firma Altenburger gehörte viele Jahrzehnte zu den großen Zubehörproduzenten der deutschen Fahrradindustrie. Felgen, Bremsen und Naben des Unternehmens aus Jestetten gingen in die ganze Welt. Thomas Busch war zu Gast bei Karl Dieter Altenburger, dem letzten Firmeninhaber und durfte ihn ausgiebig zur Geschichte der Firma befragen. Altenburger-Messestand, Anfang der 50er Jahre. Foto: Archiv Altenburger Die Schwiegermutter von Thomas Mann radelte einstmals durch Europa. 1930 hat Hedwig Pringsheim-Dohm in der Vossischen Zeitung beschrieben, wie sie als junge Frau und Mutter mit Mann und Kindern durch Europa radelte. Sie war dabei u. a. in Italien, Frankreich, Holland, England und Norwegen unterwegs. Ihre Reise-Impressionen geben Einblick in eine Epoche, in der Frauen auf dem Rad noch nicht überall selbstverständlich waren. Hedwig Pringsheim-Dohm. Foto: Reprint Aufbau-Verlag, Berlin, 2006. Editorial / Inhalt Liebe Leserinnen und Leser, Inhalt: Editorial 3 da war er wieder, einer dieser magi- schen Momente im Leben eines leiden- Fachartikel schaftlichen Fahrradhistorikers. An ei- - Mario Steinbrink: Zur Geschichte nem Samstag dieses doch so tristen Som- der Corona Fahrradwerke und mers meldete sich nach dem Frühstück Metallindustrie A.G. mein Telefon. Nichts Ungewöhnliches, aber der Blick auf das Display zeigte mir Brandenburg/Havel 4 eine Hamburger Telefonnummer an. Wie- - Im Interview: der einer dieser gnadenlosen Sammler, Karl Dieter Altenburger 10 die mir mit ihren bohrenden Fragen den Samstagvormittag zerbröseln? Post aus . Doch weit gefehlt. „Hier ist Simon - England und Amerika 16 Steinbach“, meldete sich eine freundliche Stimme am anderen Ende der Leitung. Literatur „Was für eine tolle Überraschung!“ erwi- - Rezensionen 18 derte ich und musste mich erstmal setzen. Nur der aufmerksame KS-Leser wird - Die Philosophie des Fahrrads – jetzt gleich wissen, dass ich im KS 53 eine eine ausführliche Würdigung Buchbesprechung über das Werk von der kulturhistorischen Studie Alexander Kretzschmar „Die Stein- Auftritte auf gebohnertem Parkett be- von Eduard Bertz durch bachs“ geschrieben habe. Darin ging es sonders angeraut. Sie waren als Wulstrei- Matthias Kielwein 19 um das Leben einer außergewöhnlichen fen ausgeführt, damit sie dem hohen Luft- Artistenfamilie. Und einen Einrad- druck, der für sauber ausgeführte Pirou- Autorenforum Artisten dieses seinerzeit wohlbekannten etten absolut notwendig war, standhiel- Trios hatte ich nun am Telefon. „Ich möch- ten. Und die Pedale waren Spezialanferti- - Schweinfurter Erfinder te mich bei Ihnen bedanken für die gungen von Union mit verstärkten Ach- und Tüftler 23 freundlichen Worte, die Sie über mich sen, die den vielen Trainingsstürzen bes- - NSU – Fluch der Abkürzung 25 und mein Leben geschrieben haben“, ser gewachsen waren. Mit solchem De- kam der alte Herr gleich zur Sache. Und tailwissen erfreute mich der Senior der Historisches Dokument 26 in der folgenden halben Stunde entwi- Steinbachs. ckelte sich zwischen uns ein munteres Ge- Auf dem Fahrrad durch spräch, das mich vergessen ließ, dass mein Leider geht jedes Telefonat auch mal die weite Welt 27 zu Ende. Wenn Hamburg nicht 250 km Gesprächspartner schon 87 Jahre zählte. Eine kuriose Vereinsgründung 29 Ich erfuhr noch Allerlei über sein be- von mir entfernt gewesen wäre, hätte ich wegtes Künstlerleben, die damaligen mich gleich am folgenden Sonntag mit Si- Veranstaltungen Lebensumstände und sein überraschen- mon Steinbach zu Kaffee und Kuchen ver- des Comeback. abredet. Wann hat man schon mal Gele- - ICHC-Konferenz in genheit, so spannende Informationen aus Roeselare, Belgien 30 Das Beste waren jedoch die Geschich- erster Hand zu bekommen? An dieser - Deutsche Rennradbörse ten über die hohen Einräder, die Simon Stelle gehen die herzlichsten Grüße nach Steinbach und sein Bruder Ottmar be- Hamburg an den Veteran der Radartistik. in Rommerskirchen 30 nutzten. Es waren Sonderanfertigungen - Veloziped-Rallye der Herkules-Werke, die 1946 in Nürn- Für die bevorstehende Saison wünsche „Hornberger Schießen“ 31 berg gebaut wurden. Sie hatten einen dop- ich Euch auch die einen oder anderen ma- pelten Kettenantrieb, damit man besser gischen Momente, denn sie sind die Die Feder 32 die Balance halten konnte, klärte mich Glanzlichter unseres Historiker- und Herr Steinbach auf. Die Räder hätten da- Sammlerlebens. Sie bringen uns durch Mein Rad 33 mals stolze 990 Mark gekostet, berichtete verregnete Sommertage oder helfen uns er weiter, zuzüglich einer Stange Zigaret- über entgangene Schnäppchen hinweg- Terminübersicht 33 ten und einem Pfund Kaffee. Ohne diese zukommen. Beigaben ging in der Nachkriegszeit gar Kleinanzeigen 34 nichts. Die Brüder Steinbach hatten sie In diesem Sinne grüßt Euch herzlich als Gage von den amerikanischen Solda- Impressum 34 ten bekommen, als sie noch als Duo in deren Clubs auftraten. Und die Einrad- reifen waren Sonderanfertigungen von Titelbild: (Chefredakteur a. D.) Corona Ansichtskartenmotiv von 1898. Continental, die Lauffläche war für die Titelrückseite: Corona Werbeplakat von 1908. Beide aus dem Archiv von Mario Steinbrink. Der Knochenschüttler 2/2012 Der Knochenschüttler 2/2012 3 Zur Geschichte der Corona Fahrradwerke Zur Geschichte der Corona Fahrradwerke ständig. Mit ca. 7.000 produzierten Zur Geschichte der Corona Fahrrädern im Jahre 1895 konnten jedoch längst nicht alle Lieferwünsche befriedigt Fahrradwerke und Metallindustrie werden. Um die Produktion erweitern zu können, musste mehr Kapital her, daher A.G. Brandenburg/Havel wurde die Unternehmensform in eine Von Mario Steinbrink, Altbensdorf Aktiengesellschaft umgewandelt. Und so übernahm am 8. April 1896 die ,,Corona Brennabor, Excelsior, Corona, Kondor – das sind bekannte Namen, die lange Jahre Fahrradwerke vorm. Ad. Schmidt, A.G.“ für eines der einstmals bekanntesten Produktionszentren der Fahrradindustrie im die Produktion. Zum Vorsitzenden wurde Deutschen Reich standen: die Stadt Brandenburg. Daran erinnert heute nur noch Bergwerksdirektor Hermann Rasche aus wenig, denn der Zweite Weltkrieg setzte der Tradition des Fahrradbaus an der Havel ein Berlin ernannt. Als Gründer fungierten jähes Ende. Quellen und Zeugnisse zu den großen Brandenburger Fahrradherstellern neben Adolf Schmidt u.a. die Branden- sind heute rar geworden, ganze Firmenarchive wurden – zusammen mit noch bestehen- burger Stadträte Bode und Hamke. Der den Produktionsanlagen – im Bombenhagel ausgelöscht. Mario Steinbrink hat sich die bisherige alleinige Inhaber Adolf Geschichte der Corona Fahrradwerke intensiver angeschaut und sie für den Knochen- Schmidt verpflichtete sich, der Gesell- schüttler in diesem Artikel aufbereitet. schaft zehn Jahre als „Erster Leiter zu dienen“. /1/ Die Umwandlung in eine AG Postkarten-Werbemotiv: Thaddäus Robl auf Corona-Rad mit Fabrik im Hin- Eugen Ernst übernahm die Unternehmensleitung 1899 vom Firmengründer Die Stadt Brandenburg war Ende des war offiziell zum 21. August 1896 tergrund. und blieb Direktor bis 1917. 19. Jahrhunderts bis zum Kriegsende 1945 abgeschlossen, die „Ad. Schmidt Corona- Beweise für die Vorzüglichkeit meiner Ihrer Räder meine vollste Zufriedenheit einer der größten und bedeutendsten Fahrrad-Fabrik“ erlosch am 1. Oktober Maschinen. Thaten besiegen Worte.“ /3/ auszusprechen. Ich habe an meinen Standorte für die Herstellung von 1896. Bald zeigte sich, dass die Kapital- Corona stellte Rennräder zur Verfügung Coronarädern fast gar keine Defekte, Fahrrädern und Fahrradteilen in Europa. aufstockung eine richtige Entscheidung und beschäftigte international bekannte oder nur ganz unbedeutende gehabt, was Zu den renommiertesten Fahrradwerken gewesen war: Die Mitarbeiterzahl stieg Berufsfahrer wie Thaddäus Robl und ja auch die großen Siege, die ich fast in Brandenburg zählte die „Corona- auf 200, und in den zwei darauffolgenden Walter Rütt. Überliefert ist, dass bei- ausschließlich ohne Maschinenwechsel Fahrradwerke und Metallindustrie A.G. Jahren konnte an die Aktionäre eine spielsweise Rütt für die Rennsaison 1903 errang, zur Genüge bewiesen haben…“ Brandenburg/Havel“. Dividende von jeweils 16 Prozent ein festes Gehalt von 4.000 Mk. und zwei /5/ Neben Robl erzielten weitere ausgezahlt werden. /2/ Räder bezog. /4/ Rennfahrer von Weltruf, darunter Willy Die Anfänge der Firma lassen sich bis Arend, Walter Sawall, Eugen Stabe und ins Jahr 1891 zurückverfolgen, als der Radsport-Erfolge treiben den Absatz an Thaddäus Robl errang innerhalb Emil Lewanow einige ihrer großen Buchhalter Adolf Schmidt aus Branden- kurzer Zeit eine Vielzahl von bedeuten- Erfolge ebenfalls auf Corona-Maschinen. burg/Havel in