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Theorie und Praxis der Kasualdichtung in der Frühen Neuzeit Chloe Beihefte zum Daphnis Herausgegeben von Barbara Becker-Cantarino – Mirosława Czarnecka Franz Eybl – Klaus Garber – Ferdinand van Ingen Knut Kiesant – Ursula Kocher – Wilhelm Kühlmann Wolfgang Neuber – Hans-Gert Roloff – Alexander Schwarz Ulrich Seelbach – Robert Seidel – Jean-Marie Valentin Helen Watanabe-O’Kelly BAND 43 Amsterdam - New York, NY 2010 Theorie und Praxis der Kasualdichtung in der Frühen Neuzeit Herausgegeben von Andreas Keller, Elke Lösel, Ulrike Wels und Volkhard Wels The paper on which this book is printed meets the requirements of "ISO 9706:1994, Information and documentation - Paper for documents - Requirements for permanence". ISBN: 978-90-420-3104-3 E-Book ISBN: 978-90-420-3105-0 ©Editions Rodopi B.V., Amsterdam - New York, NY 2010 Printed in The Netherlands VORWORT Die hier versammelten Beiträge zur Theorie und Praxis der Kasual- dichtung in der Frühen Neuzeit sind das Ergebnis einer Tagung, die vom 27. bis 29. Juni 2008 von den Mitarbeitern des Lehrstuhls für Neuere deutsche Literatur (Frühe Neuzeit) der Universität Potsdam im Haus der brandenburgisch-preußischen Geschichte in Potsdam veran- staltet wurde. Die Veranstalter und damit auch die Herausgeber dieses Bandes danken der Deutschen Forschungsgemeinschaft für die finan- zielle Unterstützung der Tagung und den “Chloe”-Herausgebern für die Aufnahme in die Reihe. Wie die Tagung, so sei auch dieser Band Knut Kiesant zu seinem 65. Geburtstag gewidmet. Die Beiträge zeigen in der Vielfalt der besprochenen Texte das un- endlich wandelbare Antlitz der ‘Göttin Gelegenheit’. Dabei sind nun unversehens auch die Aufsätze dieses Bandes “Gelegenheitstexte” geworden – nämlich zu Ehren Knut Kiesants. In der Frühen Neuzeit verfasste man für den Patron ein Gedicht – wir überreichen diesen Band. Tempora mutantur. INHALT Einleitung. ‘Gelegenheitsdichtung’ – Probleme und Perspektiven der Forschung Von Volkhard Wels ........................................................................9 Gelegenheitsdichtung. Zehn Thesen – in Begleitung zu einem for- scherlichen Osnabrücker Groß-Projekt Von Klaus Garber .........................................................................33 Das Testfeld der Poesie. Empirische Betrachtungen aus dem Osna- brücker Projekt zur ‘Erfassung und Erschließung von personalen Gelegenheitsgedichten’ Von Martin Klöker .......................................................................39 Aus den Schätzen der Sammlung Genealogica der Nürnberger Stadt- bibliothek. Neues zu Johann Hellwig und Johann Christoph Arnschwanger Von Karl F. Otto, Jr. .....................................................................85 Fehlende Vorschriften. Zur Normierung der Kasualpoesie in der barocken Reformpoetik und ihrer Verschränkung mit traditionellen Regelkorpora Von Stefanie Stockhorst ...............................................................97 Das Kasualgedicht des 17. Jahrhunderts in sozialhistorischer Perspektive Von Heiko Droste .......................................................................129 Theater, Drama und ‘Gelegenheit’ im 16. und 17. Jahrhundert Von Hans-Gert Roloff ................................................................147 Bartholomäus Andreades und seine Beschreibung des Heiligen Grabes in Görlitz Von Jörg Jungmayr ....................................................................173 Andreas Tscherning. Konstruktionen von Autorschaft zwischen universitärem Amt, urbaner Öffentlichkeit und nationaler Literaturreform Von Ralf Georg Bogner .............................................................185 6 Vier Hochzeiten und ein Todesfall: Schäferliche Gelegenheits- dichtung im 17. Jahrhundert Von Christiane Caemmerer ........................................................197 Zur Kasualdichtung und Kasualrede bei und um Daniel Czepko Von Siegfried Wollgast ..............................................................211 Sozialgeschichte oder Autorinszenierung? Das kasuale Substrat der Sonettbücher des Andreas Gryphius Von Thomas Borgstedt ...............................................................229 Innovation gegen Tradition: Der Berliner Hof in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts Von Peter-Michael Hahn ............................................................245 Höfische Trauer und die Darstellung der fürstlichen Gemahlin. Zur Funktion des Trauergedichts am Berliner Hof zwischen 1667 und 1705 Von Sara Smart ..........................................................................277 ‘Private Gelegenheit’? Die Poesie Ludwigs VI. von Hessen-Darmstadt (1630-1678) zwischen Gelehrsamkeit, Repräsentation und Subjektivität Von Helga Meise ........................................................................303 Zwischen Tradition und Subversion: Zur Gelegenheitsdichtung des Schlesiers Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau Von Marie-Thérèse Mourey .......................................................323 “Der Tauben-Fels, ist diese süsse Höle”. Die lyrische Verarbeitung eines Topos der Hohelied-Exegese in der Kasuallyrik Sigmund von Birkens Von Johann Anselm Steiger .......................................................343 Architekturformen und -elemente in der schlesischen Kasualdichtung: Mühlpfort, Christian Gryphius, Hoffmannswaldau Von Ferdinand van Ingen ...........................................................367 7 “Von der Väter Kunst”. Johann Christian Günthers kasualpoetische Selbstpositionierung Von Rudolf Drux ........................................................................381 Galante versus casuale Poesie. Das Feld der Lyrik im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts Von Dirk Rose ............................................................................391 Gelegenheit macht Verse. Kasuallyrik bei Johann Gottfried Schnabel Von Dietrich Grohnert ...............................................................415 Die aufklärerische Kritik an der Gelegenheitsdichtung in Gottlieb Wilhelm Rabeners Satiren Von Winfried Siebers .................................................................427 Freundschaft statt Poetik oder Poetik der Freundschaft? Wie Schüler des Elbinger Gymnasiums in der Mitte des 18. Jhs. im Kasualdruck über Gelegenheitsdichtung reflektieren Von Fridrun Freise .....................................................................439 “Gross durch den Sieg des Königs.” Zur Preußendichtung von Wilhelm Ludwig Gleim und Anna Louisa Karsch Von Barbara Becker-Cantarino ..................................................471 “Bodmers Armen entgegen” – Gelegenheitspoesien im Kreis der Zürcher Aufklärer Von Anett Lütteken ....................................................................489 V o l k h a r d W e l s EINLEITUNG ‘Gelegenheitsdichtung’ – Probleme und Perspektiven ihrer Erforschung Ohne dass es die Herausgeber dieses Bandes so geplant oder auch nur geahnt hätten, ist dieser Band vor allem eines geworden, nämlich eine Herausforderung gängiger Überzeugungen. Wer die Beiträge in ihrem Zusammenhang liest, könnte sich fragen, was von der Gattung der ‘Gelegenheitsdichtung’ und den ihr zugeschriebenen Eigenschaften am Ende eigentlich noch übrigbleibt. Ich möchte im Folgenden ver- suchen, die Ergebnisse der Beiträge mit dem Stand der Forschung ab- zugleichen, die Kritik zusammenzufassen und gleichzeitig so zuzu- spitzen, dass einige allgemeinere Perspektiven deutlich werden. Das entscheidende Problem stellt offensichtlich der Begriff der ‘Gelegenheitsdichtung’ selbst dar. Zahlreiche der Kriterien, die bisher für die Beschreibung des Phänomens namhaft gemacht wurden, halten der detaillierten Analyse nicht stand. Zu nennen wären: Erstens, eine fehlende ‘Subjektivität’ oder ‘Individualität’ der ‘Gelegenheitsdich- tung’; zweitens deren starke Normierung, mithin der Vorwurf, dass die Gelegenheitsdichtung der Frühen Neuzeit mehr durch das Regel- system der zeitgenössischen Poetiken hervorgebracht sei; drittens eine starke ‘Rhetorizität’, worunter eine Normierung im Sinne der Rhetorik zu verstehen wäre, die diese Gelegenheitsdichtung von der ‘unrhetori- schen’ und deshalb ‘schöpferischen’, ‘subjektiven’ Dichtung des spä- teren 18. Jahrhunderts unterschiede. Den ersten Punkt, die mangelnde ‘Subjektivität’ oder ‘Individuali- tät’ der ‘Gelegenheitsdichtung’, widerlegen nachdrücklich mehrere Beiträge. Thomas Borgstedt macht ihn explizit zum Gegenstand der Diskussion. Anhand einiger Gedichte aus der Sonettsammlung des Andreas Gryphius zeigt Borgstedt, dass es mit der angeblich fehlen- den ‘Subjektivität’ und ‘Individualität’ dieser Sonette nicht weit her ist. Wenn Gryphius Epitaphe auf das Grab des Vaters und der Mutter verfasst oder die Bibliothek seines Mäzens bedichtet, dann sind diese Chloe 43 10 Volkhard Wels Gedichte alles andere als ‘überpersönliche Kennzeichnungen’, die auf alles Affektive, Individuelle und Persönliche zugunsten des ‘Exempla- rischen’ und der ‘Verkündigung allgemeingültiger Werte’ verzichte- ten. Ganz im Gegenteil: Gryphius – so könnte man die Kritik Borg- stedts zuspitzen – geht, ganz wie es später Goethe dekretieren wird, von der Wirklichkeit aus, die ihm “Anlass und Stoff” für seine Ge- dichte liefert, und er bearbeitet diese Wirklichkeit in einer durchaus persönlichen Weise. Was Goethe behaupten wird – “Allgemein und poetisch wird ein spezieller Fall eben dadurch, daß ihn der Dichter be- handelt”1 –, gilt auch schon für Gryphius. Mit der Analyse Borgstedts ist freilich nicht gesagt, dass es nicht im 17. Jahrhundert zahlreiche Epitaphe auf Mütter und Väter gäbe, die sich tatsächlich auf ‘überpersönliche