Pulsatilla Zeitschrift für Botanik und Naturschutz

Heft 5/2002

Pulsatilla Bundesfachausschuss Botanik Zeitschrift für Botanik und Naturschutz

Heft 5/2002 Bitte unterstützen Sie unser Engagement für Mensch und Natur. Spendenkonto 100 100, Bank für Sozialwirtschaft Köln (BLZ 370 205 00).

Impressum © 2003 NABU – Naturschutzbund Deutschland e.V. Herausgeber: NABU-Bundesfachausschuss Botanik Schriftleiter: Dr. CHRISTIAN BERG Thomas-Mann-Straße 6a D-18055 Rostock E-Mail: [email protected] Redaktion: Dr. ANDREAS BETTINGER, Saarbrücken Prof. Dr. HANS- VELMANN, Münster Dr. SUSANNA KOSMALE, Zwickau Dr. UWE WEGENER, Dr. WERNER WESTHUS, Verlag: NABU Postanschrift: NABU, 53223 Bonn Telefon: 0228.40 36-0 Telefax: 0228.40 36-200 E-Mail: [email protected] Internet: www.NABU.de Informationen zu früheren Heften unter: http://home.t-online.de/home/cberg/pulsatil.htm oder über www.NABU.de Gesamtherstellung: Satz- und Druckprojekte TEXTART Verlag, ERIK PIECK, Postfach 42 03 11, 42403 Solingen Wolfsfeld 12, 42659 Solingen, Telefon: 0212.43343 E-Mail: [email protected] Pulsatilla erscheint in etwa jährlichen Abständen

Bitte unterstützen Sie unser Engagement für Mensch und Natur. Spendenkonto 100 100, Bank für Sozialwirtschaft Köln (BLZ 370 205 00).

ISSN 1431-9535 Pulsatilla, Heft 5, 2002

Inhalt

Zum Geleit ...... 5

Positionspapier: Stand und Perspektiven ehrenamtlich tätiger botanischer Verbände und Vereinigungen in Deutschland ...... 7

CHRISTIAN AHRNS Laichkrautgewächse und Orchideen als Extreme naturschutz- relevanter Arealdarstellung ...... 11

BJÖRN RUSSOW Pflanzen auf ur- und frühgeschichtlichen Siedlungsplätzen – Ein Diskussionsbeitrag zur Problematik der Kulturreliktpflanzen . . . .37

UWE WEGENER Botanische Kostbarkeiten in Deutschland: Das Kleine Zweiblatt (Listera cordata (L.) R. BR...... 51

THOMAS HÖVELMANN Vorkommen und Pflege schutzwürdiger Weg- und Straßenränder in Münster ...... 59

SUSANNA KOSMALE Artikelserien über „Rote-Liste-Pflanzen“ in der Tagespresse – eine Möglichkeit der Lobbyarbeit für die Pflanzenwelt ...... 67

Buchbesprechungen ...... 50, 58

Auslieferung: Februar 2003 Redaktionelle Hinweise

Manuskripte für Tagungsberichte, wissenschaftliche Beiträge, Tätigkeitsberichte, Kurzmeldungen usw. sind bitte an die Redaktion zu richten. Für die Abgabe der Manuskripte gelten folgende Hinweise: Zeilenabstand 1 1/2-zeilig, Rand von mindestens 3 cm, Nummerierung der Seiten, Art und Gattungsnamen in kursiv, Autorennamen in KAPITÄLCHEN, Her- vorzuhebenes kann fett gedruckt werden. Beispiele für die Abfassung der Literaturzitate sind dem vorliegenden Heft zu ent- nehmen. Der Beitrag sollte sowohl als Papierausdruck, als auch als Textdatei (neue Rechtschreibung, Fließtext, ohne Silbentrennung, keine Formatierungen, ausgenommen fett, kursiv und KAPITÄLCHEN) auf Computerdiskette abgegeben werden. Abbildun- gen wie Strichzeichnungen, Karten etc. sind auf reinweißem Karton oder auf Transparentpapier auf gesondertem Bogen beizufügen und eindeutig zu beschriften. Die Autoren verantworten den Inhalt ihrer Beiträge selbst. Honorare werden nicht gezahlt. Von jeder Arbeit werden den Autoren 30 Seperatdrucke kostenlos zugestellt. Darüber hinausgehende Heftbestellungen sind gebührenpflichtig. Ein Nachdruck – auch auszugsweise – bedarf der Zustimmung des Herausgebers.

Titelbild

Siegmarswurz (Malva alcea L.) als Beispiel einer Kulturreliktpflanze (zum Beitrag von B. RUSSOW in diesem Heft.) Foto: CHRISTIAN BERG, Rostock Pulsatilla, Heft 5, 2002, Seite 5

Zum Geleit

Verstärkte Öffentlichkeits- und Bildungsar- bliographie in diesem Jahr nicht fertig gewor- beit auf dem Gebiet der Botanik forderten Ver- den, wofür wir um Verständnis bitten. treter ehrenamtlicher botanischer Verbände Das vorliegende Heft 5 bietet aber noch et- und Vereinigungen auf einer Tagung mit dem was Neues: diesmal soll die Pulsatilla auch als Thema „Ziele, Perspektiven und Zusammenar- Diskussionsforum dienen. Wir haben die Ergeb- beit ehrenamtlicher botanischer Vereinigungen nisse der oben genannten Tagung, die der BFA in Deutschland“ im Juni in Bayreuth. In diesem Botanik des NABU zusammen mit dem Arbeits- Sinne versteht sich auch die „Pulsatilla - Zeit- kreis Botanik des LBV ins Leben gerufen hat, in schrift für Botanik und Naturschutz“ des Form eines Positionspapieres an den Anfang des Bundesfachausschusses Botanik des NABU. Heftes gestellt, um die Diskussion zu diesem Durch das Veröffentlichen von Orginalarbeiten wichtigen Thema weiter anzuregen. wollen wir das Wissen auf geobotanischem Ge- Mit dem Artikel von CHRISTIAN AHRNS grei- biet erweitern. Aufbereitete Informationen fen wir nochmal das Thema des Heftes 4 auf, das möchten wir an die interessierten Leser weiter- sich als Tagungsband überwiegend mit Fragen geben. Und durch Beiträge aus der Natur- der Biogeographie und deren Anwendung im schutzpraxis wollen wir direkt zum praktischen Naturschutz beschäftigte. Auch als Tagungs- Florenschutz anregen. Diese Mischung haben band wird die „Pulsatilla“ zukünftig weiter ge- wir in den Heften 2 und 3 versucht, und in die- nutzt werden. sem Sinne wollen wir fortfahren. Wir freuen uns, dass die „Pulsatilla“ schon Seit dem Erscheinen der „Pulsatilla“ erreich- einen stabilen Leserkreis gefunden hat. Auch te uns viel Post mit Kritiken und Anregungen, unser Abrechnungssystem auf Spendenbasis für die wir uns herzlich bedanken möchten. scheint sich zu bewähren, wofür wir uns bei Ih- Zwei davon haben wir besonders gerne aufge- nen, lieber Leser, herzlich bedanken möchten. griffen: erstens wollen wir ab jetzt in einer klei- Bitte empfehlen Sie die „Pulsatilla“ ruhig weiter. nen Serie „Botanische Kostbarkeiten“ seltene, Und noch eine Bitte: so eine Zeitschrift wenig bekannte und gefährdete Gefäßpflanzen- braucht nicht nur Leser, sondern genauso drin- arten unserer Flora näher vorstellen. Beginnen gend auch lesenswerte Beiträge! Wenn Sie von werden wir in diesem Heft mit einem Beitrag interessanten Untersuchungen oder Aktivitäten zum Kleinen Zweiblatt von Dr. UWE WEGENER. zum Thema botanischer Naturschutz hören, re- Der zweite Vorschlag betraf unsere Bibliogra- gen Sie doch ruhig mal eine Veröffentlichung in phie „Botanik und Naturschutz“: hier werden der „Pulsatilla“ an! wir in Zukunft neben den Literaturstellen auch Mit diesen kurzen Einführungsgedanken bestimmte Angaben zum Inhalt in kurzer Form wünsche ich Ihnen viel Freude mit dem Heft 5. geben, was den Gebrauchswert der Bibliogra- Dr. CHRISTIAN BERG phie deutlich erhöhen wird. Leider ist die Bi- Schriftleitung Pulsatilla 6 Pulsatilla, Heft 5, 2002 Pulsatilla, Heft 5, 2002, Seite 7-10

Positionspapier: Stand und Perspektiven ehrenamtlich tätiger botanischer Verbände und Vereinigungen in Deutschland

Einleitung Schwund an ehrenamtlich tätigen Botanikern und einen Nachwuchsmangel in den Verbän- Am 16.6.2002 trafen sich in Bayreuth auf den und floristischen Arbeitsgemeinschaften Einladung des Arbeitskreises BOTANIK des erleben. Die geobotanische Forschung und LBV und des Bundesfachausschusses BOTA- Ausbildung an den Universitäten wird mehr NIK des NABU Vertreter von sieben botani- und mehr verdrängt, einhergehend mit einem schen Vereinigungen aus der Bundesrepublik. Bedeutungsschwund des Natur- und Arten- Grundthema des Meinungsaustausches war die schutzes im Bildungswesen und im Bewusstsein Bestandsaufnahme der Situation der ehrenamt- der Öffentlichkeit. lichen Botanik in Deutschland. Es sollten Ziele Noch nie wurde soviel über die Artenvielfalt und Perspektiven besprochen und in eine ge- geredet und dennoch zu wenig für ihren Erhalt meinsame Position überführt werden. Die Ver- und ihre Erforschung getan wie im Jahre 10 öffentlichung in der Pulsatilla soll nicht nur den nach Rio und der Verabschiedung der Biodiver- erarbeitenden Stand der Diskussion wiederge- sitätskonvention. Wir - der Bundesfachaus- ben, sondern auch Anstoß für die im Juni nicht schuss BOTANIK des NABU und der Arbeits- anwesenden floristisch-vegetationskundlichen kreis BOTANIK des LBV - halten daher ein en- Gruppierungen sein, die Diskussion aufzugrei- geres Zusammenrücken und eine Positions- fen und an ihrer Umsetzung aktiv mitzuwirken. und Zielbestimmung der ehrenamtlichen bota- Anfang Dezember 2001 fand in Augsburg nischen Vereinigungen in Verbindung mit Ko- eine Tagung mit dem Thema „Analyse der Ar- operationsangeboten „nach außen“ für erfor- tenschutzprogramme für Pflanzen in Deutsch- derlich. land“ statt. Als Kernerkenntnis blieb am Ende Die Sicherung der Biologischen Vielfalt und die Tatsache, dass zur erfolgreichen Sicherung darunter die Erhaltung der Vielfalt an Pflanzen der botanischen Biodiversität noch viele Hür- und Pflanzengmeinschaften ist eine gesamtge- den zu nehmen sind, politische, finanzielle, per- sellschaftliche Aufgabe. Der Schutz der Pflan- sonelle, vor allem aber informative. Koopera- zenwelt dient in erheblichem Maß der Siche- tion und Koordination scheinen stark verbesse- rung der Lebensqualität und der Erlebnisfähig- rungsbedürftig zu sein. Hier klaffen die Lücken keit des Menschen. Sie ist daher eine zentrale zwischen Behörden, Wissenschaft und den eh- Zukunftssicherung im Rahmen der AGENDA renamtlichen Botanikern, zwischen Forschung 21. Diese Querschnittsaufgabe wollen die floris- und Umsetzungspraxis weit auseinander. tisch-vegetationskundlichen Verbände und Gleichzeitig müssen wir derzeit einen Vereinigungen zusammen mit Vertretern aus 8 Pulsatilla, Heft 5, 2002

Behörden und Wissenschaft erfolgreich meis- fordern schon heute einen erhöhten Bedarf an tern. staatlich finanziertem Fachpersonal, der Gefahr läuft, mittelfristig nicht mehr gedeckt werden Dazu beziehen die anwesenden Vereinigun- zu können. Die Vereine und Verbände sind be- gen folgende Positionen: strebt, durch ein hohes fachliches Niveau ihrer Arbeit botanisches Wissen auch in Zukunft Anforderungen steigen weiter vorzuhalten. Internationale Verpflichtungen wie die Um- setzung der Konvention zur Sicherung der Bio- Forderung logischen Vielfalt, die eben in Johannesburg er- Durch die verstärkte Einbindung der bota- neut als globale Aufgabe bekräftigt wurden, und nischen Vereinigungen und einer verbesserten der Aufbau des europäischen Schutzgebietssys- Abstimmung von Schutzprogrammen kann der tems NATURA 2000 mit seiner Festschreibung Überlastung des Fachpersonals entgegenge- von Berichtspflichten und der Beobachtung wirkt werden. von Zustandsveränderungen in den Natura- 2000-Gebieten erfordern ebenso wie die Aktua- Nationale Strategie zum botanischen Arten- lisierung der Roten Listen oder die Erarbeitung schutz von Zielartenkonzepten und bundesweiten Ar- Was schon 2001 in Augsburg bei einer Ar- tenschutzprogrammen eine wirkungsvolle Prä- tenschutztagung als Grundkonsens anklang, ist senz der Botanik im staatlichen und ehrenamt- die Erarbeitung einer nationalen Strategie zum lichen Naturschutz auf hohem qualitativem Ni- botanischen Artenschutz auf pflanzensoziologi- veau. scher Grundlage überfällig. Um dabei den fach- lichen, rechtlichen und politischen Anforde- Erkenntnisse nehmen zu rungen gerecht zu werden, ist eine enge Zu- Parallel zu den politischen und fachlichen sammenarbeit aller Akteure aus Wissenschaft, Vorgaben verdichten sich heute die floristisch- Behörden, Verbänden und Vereinen unabding- vegetationskundlichen Erkenntnisse, die inte- bar. Ziel muss es sein, eine Stabilisierung der griert und für die Naturschutzpraxis bis hinab floristischen Vielfalt so schnell wie möglich zu auf die lokale Ebene aufbereitet werden müs- erreichen. sen. Dazu zählen etwa die Ergebnisse flächende- ckender Kartierungsprojekte. So wurden etwa Forderung in Thüringen und anderen Regionen aktuelle Die botanischen Vereinigungen fordern die Verbreitungsatlanten erstellt. Forschungsergeb- Entwicklung von Kooperationsmodellen. Dazu nisse über Einzelarten oder Pflanzengesellschaf- könnten u. a. Arbeitsgruppen bei der Initiierung ten nehmen laufend zu. Zunehmend spielt die von Artenschutzprogrammen auf Bundes-, Län- Bearbeitung kritischer Sippen wie etwa Sorbus der- und regionaler Ebene eingerichtet werden. eine wichtige Rolle. In Bayern basiert darauf ein Der Informationsfluss von Fachdaten ist allsei- großes Artenschutzprojekt. Ergebnisse von tig zu gewährleisten. Für die Arbeitsgruppen, Wiederherstellungsprojekten müssen diskutiert Fachbeiräte und Koordinierungsstellen muss ei- und in Planungen integriert werden. Und nicht ne finanzielle Grundausstattung gesichert wer- zuletzt sind es populationsökologische For- den. Ziel ist der Aufbau eines transparenten, ef- schungsarbeiten (z. B. Population Viability fizienten Naturschutznetzwerkes innerhalb der Analysis), die Auswirkungen auf die Gestaltung nächsten 3 Jahre. von Schutzprogrammen haben können. Zu dieser Strategie gehört eine Bildungs- und Fachkräfte nehmen ab Öffentlichkeitsoffensive Die erhöhten Anforderungen aus den inter- Für eine hohe gesellschaftliche Akzeptanz nationalen und nationalen Verpflichtungen, die dieser Naturschutzaufgaben ist eine stärkere erhöhten fachlichen Anforderungen an den Na- Verankerung botanischer Themen in allen Be- turschutz sowie der erweiterte Kenntnisstand reichen der Bildungsarbeit notwendig. Das gilt 9 ebenso für eine Verstärkung der Öffentlich- der Zukunftsvorsorge innerhalb der nächsten 5 keitsarbeit bei botanischen Themen. Dies ist Jahre deutlich erhöhen. Aufgabe einer Politik, welche die Umsetzung der Biodiversitätskonvention ernst nimmt. Botanische Vereinigungen und Verbände - Ga- Derzeit führt die Botanik ein Schattendasein. rant und Partner für die Umsetzung Nachwuchsförderung ist das Gebot der Vor dem Hintergrund, dass die Botanik in Stunde. Die Informationszentren der Verbände heute in vielen Naturschutzbehörden nach und Vereine können hier wirksame Kondensa- Meinung der ehrenamtlichen botanischen Ver- tionskerne sein. Von hier aus könnte auch die einigungen nicht mehr ausreichend personell verstärkte Integration von Vertretern der bota- vertreten ist, um die aktuellen Aufgaben auch nischen Vereinigungen in Schul- und Lehrbe- qualitativ ausreichend zu bewältigen, (so ist et- trieb koordiniert werden. Zentrales Ziel muss wa in Bayern nur eine einzige Person mit der die Ausbildung von Multiplikatoren (Erzieher, Koordination und Umsetzung des gesamten Lehrer, etc.) in Schulen, Kindergärten und botanischen Artenschutzprogramms betraut), Hochschulen sein. stellt sich die Frage nach der Leistungsfähigkeit Viele Botanische Vereinigungen unterhal- und -bereitschaft des Ehrenamtes. Tradionell ten oft nicht nur regional bedeutsame botani- liegt dessen Stärke darin, die Datengrundlagen sche Zeitschriften oder Informationsblätter. zu verbessern und Schutzmaßnahmen anzure- Diese stellen einen wichtigen Beitrag zur For- gen. Nach wie vor wird den Verbänden aber schung und Bildung dar und sind zu fördern. häufig ein Misstrauen entgegengebracht und Auch in der Pressearbeit sind längst nicht alle angebotene Hilfestellung vielfach abgewiesen. Kapazitäten ausgeschöpft. Gespräche mit poli- tischen Mandatsträgern sind verstärkt zu füh- Forderung ren und im Vorfeld innerhalb der Akteure zu Die personellen und fachlichen Kapazitäten koordinieren. der Vereine müssen verstärkt in die Umsetzung Eine zentrale Zukunftsaufgabe der botani- von staatlichen Arten- und Biotopschutzpro- schen Vereinigungen könnte die Einrichtung grammen integriert werden. Künftig könnten von regionalen botanischen Informationskno- die Verbände und Vereinigungen wichtige Auf- ten im Internet sein. Darüber könnte auch de- gaben etwa bei der Berichtspflicht im Rahmen ren Informationsaustausch gestärkt werden. Im der FFH-Richtlinie, dem Monitoring oder der Rahmen dieser Informationsknoten bestünden Effizienzkontrolle übernehmen. Mitwirkungsmöglichkeiten einer interessierten Öffentlichkeit. Die Kernaufgaben der Verbände und Vereini- gungen Forderung Die Übernahme von Mitverantwortung Die Öffentlichkeitsarbeit im Bereich der zum Erhalt der biologischen Vielfalt durch bo- biologischen Vielfalt ist zu verstärken. Der tanische Feldforschung und die Mitarbeit an Unterricht in Heimatkunde und Biologie soll konkreten Artenschutzprojekten ist nach wie sich wieder vermehrt dem Freiland widmen. vor die eigentliche Domäne der Verbände und Durch Geländepraktika, Projekttage, Bestim- Vereine. LBV und NABU investieren hier all- mungskurse oder Talentwettbewerbe muss eine jährlich bedeutende Summen und stellen viele aktive Nachwuchsarbeit gewährleistet sein. Die ehrenamtliche Arbeitsstunden bereit. Größter geobotanischen Lehrstühle an den Universitä- Schatz sind die vielfach zusammengetragenen ten sind zu erhalten, statt bei Neubesetzungen Dateien oder Datenbanken. Diese Kenntnisse die Fachrichtung zu ändern. Zusammen mit finden einen unmittelbaren Niederschlag in den Schulen und Hochschulen ist ein Umwelt- den Kauf- und Pflegestrategien des jeweiligen bildungsnetzwerk aufzubauen. Verbandes oder Vereines. Auch Sondermaß- Für eine derartige Bildungsoffensive muss nahmen wie etwa dokumentierte Wiederansie- die Politik die finanzielle und personelle Aus- delungen finden häufig auf vereinseigenen Flä- stattung für diese Bildungsinhalte im Interesse chen statt. 10 Pulsatilla, Heft 5, 2002

Doch erscheint es angesichts der oben dar- Zusammenarbeit und Informationsaustausch gelegten Situation heute notwendig, die Zu- verbessern sammenarbeit untereinander zu verbessern In der Bundesrepublik existieren zahlreiche und das Aufgabenspektrum deutlich zu erwei- botanische Verbände oder Vereinigungen, die tern. Dazu zählt etwa die ständige Kooperation noch zu wenig voneinander wissen und deren mit Wissenschaft und Behörden oder die Mit- Ziele oftmals voneinander abweichen. Unsere wirkung bei langjährigen Monitoringprojekten Tagung war ein erster Versuch, hier Kontakte z. B. von prioritärer Arten. herzustellen. Eine größere Resonanz hätten wir uns gewünscht, um die hier vorgestellte Posi- Forderung tion zu diskutieren. Auch hier sehen wir es als Die Leistung der botanischen Verbände und erforderlich an, über das Internet eine ausbau- Vereinigungen für zentrale gesellschaftliche fähige Informationsplattform aufzubauen. Aufgaben soll durch die Anhebung von finan- Wir würden uns jedenfalls freuen, wenn ziellen Förderungen gesichert werden. Dies be- sich weitere Vereine an der Ausarbeitung dieser trifft besonders die Übernahme von Pflichtauf- Position beteiligen und an deren Umsetzung gaben der öffentlichen Hand, wie Bildungsar- mitwirken. beit und Monitoring.

Dipl-Ing. BERND RAAB, Landesbund für Vogelschutz, AK Botanik Eisvogelweg 1, D-91161 Hilpoltstein, [email protected] Dr. CHRISTIAN BERG, NABU Bundesfachausschuss Botanik Thomas-Mann-Straße 6a, D-18055 Rostock, [email protected] Pulsatilla, Heft 5, 2002, Seite 11-36

CHRISTIAN AHRNS,

Laichkrautgewächse und Orchideen als Extreme naturschutzrelevanter Arealdarstellung

1 Einleitung welt und berühren daher Fragen des Natur- schutzes. Die Verbreitung jeder Pflanzenart unter- Hier sollen an wenigen auch in Zentraleu- liegt einer gewissen Dynamik, wodurch ihr ak- ropa siedelnden Vertretern zweier im übrigen tuell reales Areal maßgeblich mitbestimmt mit Lücken - (vgl. VESTER 1940; MABBERLEY wird. Sieht man von natürlichen Klimaschwan- 1997) - weltweit verbreiteter Pflanzenfamilien kungen usw. ab, so ist die Arealdynamik von die gegenwärtigen Möglichkeiten und Grenzen Organismenarten in Zentraleuropa und ande- der Interpretierbarkeit aktueller Gesamtareal- ren ökonomischen Ballungsgebieten der Welt karten im Hinblick auch auf Naturschutzaspek- gegenwärtig folgendermaßen zu charakterisie- te demonstriert werden. Die beiden o. g. Fami- ren: lien erscheinen für diese Analyse geeignet, weil 1) Die Änderung des Siedlungsraumes einer sie aus Naturschutzsicht etwa gleichermaßen Sippe ist in der Regel stark vom Menschen prädestiniert sind, bezüglich der weltweit ver- überprägt, zumindest aber anthropogen initi- fügbaren Datenbasis u. a. Faktoren aber mar- iert. kante Unterschiede erwarten ließen. 2) Im Vergleich zur natürlichen ist diese an- thropogene Arealdynamik zumeist ungleich in- 2 Laichkrautgewächse und tensiver und effektiver, die Änderungsge- Orchideen(gewächse) schwindigkeit demzufolge höher. 3) Generell ist Arealdynamik ein schwer Beide wurden neben der Notwendigkeit ei- fassbares Wirkungsgefüge aus anthropogenen ner durchgängigen Aktualisierung ihrer Areal- und weiteren biotischen sowie abiotischen Fak- bilder vor allem deshalb ausgewählt, weil sie in toren; Ausdruck dessen ist ein räumlich wie der hiesigen Flora zu den nicht allzu artenar- zeitlich heterogener Wandlungsprozess. men Familien mit den höchsten Prozentantei- Liegt aus Naturschutzsicht der Nachteil len gefährdeter an der Gesamtzahl ihrer in heutiger Organismen-Chorodynamik in ihrem Deutschland präsenten Vertreter zählen: Von nie gekannten Tempo, so gereicht dies der Wis- den 22 bei KORNECK et al. (1996) verzeichneten senschaft auch in bescheidenem Maße zum Potamogetonaceae gelten 14 (64 %), von den Vorteil: Ein Menschenalter genügt heute, um N 66 dort gelisteten Orchidaceae-Sippen aktuell die (vom Menschen mitverantwortete) Ände- N 45 (ca. 68 %) als in der BRD gefährdet oder rung eines Gefäßpflanzenareals erkennen, über verschollen. eine bestimmte Zeit verfolgen und anschlie- Gemeinsam ist ihnen der krautige Wuchs ßend deren weiteren Verlauf prognostizieren sämtlicher heimischer Arten. Alle bisher in zu können. Deutschland nachgewiesenen Sippen beider Fa- Sowohl progressive als auch regressive Are- milien sind hier, sieht man von lokalen Ansal- alveränderungen indizieren und bewirken Um- bungen einzelner Fanatiker ab, urwüchsig (in- orientierungen in unserer ökosystemaren Um- digen) und meiden menschliche Siedlungen 12 Pulsatilla, Heft 5, 2002

(lediglich 5 Sippen gelten als nur mäßig urba- schen Orchideen und Laichkrautgewächsen ein nophob - vgl. FRANK & KLOTZ 1990), womit die deutlicher Unterschied hinsichtlich der aus- Neophyten-Problematik hier vernachlässigbar wertbaren Datenmenge (Tab. 2). Die Daten- ist. Betrachtet man Massenbestände der bio- dichte und ihre topographische Inhomogenität massereichen Laichkräuter nicht als wasser- begrenzen die Aussagen zum Gesamtareal. oder fischwirtschaftliches Hindernis und sieht Gliedert man die Darstellung zudem in man von der im Ausland regional noch heute (mindestens 2) Zeitintervalle, so lassen sich üblichen Salep-Drogengewinnung aus den auch Erkenntnisse zur (zumindest regionalen) Knollen der Knabenkräuter ab, so sind alle die- Arealdynamik ableiten. Das Jahr 1950 hat sich se Arten wirtschaftlich bedeutungslos. als günstig für eine Zeitschranke erwiesen - so Unterschiede bestehen in den Lebensfor- wurde auch hier verfahren (Abb. 1 - 14). Ein men und der Lebensraumbindung, der Kei- “✞“ für erloschene Vorkommen wurde nur ver- mungs- und Bestäubungsökologie, den typi- geben, wenn ein vor 1950 bekanntes, publizier- schen Ausbreitungsmedien, der prozentualen tes Vorkommen später nicht mehr belegt wer- Verteilung der Arealtypen (Tab. 1) und daher den konnte bzw. die Funde z. B. in einem Ras- nicht zuletzt bei der Mehrheit ihrer familien- terfeld größerflächig erloschen sind und dies spezifischen Gefährdungsursachen. wiederum publiziert ist. Ausnahmen sind bei Rotbüchern mit Verbreitungskarten oder Ori- 3 Datenbasis und Methode ginalarbeiten möglich, in denen das Erlöschen auch nach 1950 (- 1980) noch existent gewese- Für die exakte Arealdarstellung besteht zwi- ner Vorkommen dokumentiert ist. Weitere in

Tab. 1. Arealformenverteilung (nach JÄGER in ROTHMALER 2002, WIEGLEB & KAPLAN 1998 u. a. Quellen). * Im pflanzengeographischen Sinn, d. h. inkl. (fast) des gesamten Kaukasus und (fast) aller küstennahen Regionen des Schwarzen und des Mittelmeeres. Arealform Potamogetonaceae (in der BRD) Orchidaceae (in der BRD) (Grobklassifikation) absolut % absolut % europäisch* 5 24 49 68 eurasiatisch 2 9 15 21 holarktisch 10 48 8 11 (fast) kosmopolitisch 4 19 - - Summe 21 100 72 100

Tab. 2. Paarweise Gegenüberstellung der familiengebunden stark differierenden Literatur- verfügbarkeit für die Erstellung weitgehend äquiformer Areale ausgewählter Orchi- daceae (O) und Potamogetonaceae (P). * Die Überprüfung (und Tilgung) älterer Angaben über Vorkommen östlich von 60 °ö.L. erfor- derte die Durchsicht einer beträchtlich höheren Anzahl asiatischer Floren.

Zahl der für die Arealkarte Art Arealdiagnose ausgewerteten Quellen

Coeloglossum viride (O) m-sm//mo-arct ° oz1-6 CIRCPOL 257

Potamogeton gramineus (P) m/mo-sm-arct ° oz1-6(-10) CIRCPOL 190

Cypripedium calceolus (O) m/mo-b ° oz2-7 AM + sm/mo-b ° oz2-8 CIRCPOL 217

Potamogeton praelongus (P) (m-sm//mo-)temp-b(-arct) ° oz(1-)2-7(-8) CIRCPOL 153

Anacamptis pyramidalis (O) m-temp ° oz1-4(-6) EUR-WAS 112

Groenlandia densa (P) m-sm//mo-temp ° oz1-4(-7) EUR(-WAS) 196* CHRISTIAN AHRNS: Laichkrautgewächse und Orchideen als Extreme naturschutzrelevanter Arealdarstellung 13 den Arealkarten (Abb. 1-14) verwendete Signa- wachsende Informationsfülle künftig wenigs- turen sind: tens regional zur Beschränkung auf eine Quel- schraffiertes Polygon: mit zahlreichen Fundor- lenauswahl zwingen wird. ten belegtes, kompaktes Verbreitungsgebiet Punkt bzw. Dreieck o. ä.: räumlich scharfes, 4 Diskussion relevanter Einzelfaktoren aber zeitlich unscharfes (Einzel-)Vorkom- men Fakten, Konsequenzen und Thesen, die sich hohles Polygon: räumlich und zeitlich unschar- aus den stets mit (hier weggelassenen) Annota- fes (Einzel-)Vorkommen tionen versehenen Arealkarten ergeben, sollen Kreuz im Kreis: Subfossilfund nachfolgend anhand methodisch wie biologisch Für die Erstellung von Arealkarten im Welt- geprägter Fallbeispiele vorgestellt werden. maßstab ist bis heute das manuelle Zusammen- fügen der in Monographien u. a. Originalarbei- 4.1 Arealgröße und Gefährdung ten, in Florenwerken und -atlanten, Datenban- Ein Zusammenhang zwischen Arealgröße ken usw. enthaltenen Verbreitungsangaben mit und (potentieller) Gefährdung einer Sippe er- der anschließenden Abstraktion zu einem Are- scheint evident: Sowohl Coeloglossum viride als albild unumgänglich. In den Abb. 1 - 14 wurde auch Pseudorchis albida sind in Zentraleuropa der letztgenannte Arbeitsschritt z. T. weggelas- in primären wie anthropogenen sauren Mager- sen, um einzelne Fakten plausibler darzustellen, rasen eingenischt (OBERDORFER 1993) und in d. h. hier werden lediglich Arbeitskarten unter- Rheinland-Pfalz, Bayern, Sachsen u. a. Regio- schiedlichen Synthesegrades vorgestellt. Es nen Deutschlands auch gleichermaßen gefähr- wurden jeweils alle jeweils verfügbaren effekti- det (KORNECK et al. 1996). Coeloglossum besitzt ven Quellen ausgewertet, wobei die rapide hier über die Nardetalia hinaus aber eine weite-

Abb. 1. Areal von Pseudorchis albida (L.) Á. LÖVE & D. LÖVE [inkl. ssp. straminea (FERNALD) LÖVE & LÖVE]. 14 Pulsatilla, Heft 5, 2002 re soziologische Amplitude (OBERDORFER 2001; blematisch und sollte ohne umfassende Kennt- ROTHMALER 2002) und im Zusammenhang da- nis der Geländemerkmale und Ökologie der Art mit ein ungleich größeres Gesamtareal als Pseu- sowie vor allem der methodischen Hintergrün- dorchis albida (Abb. 1 und 2). de beim Erstellen der Arealkarte ausschließlich Obwohl beide auch hinsichtlich vertikaler den Autoren derselben vorbehalten bleiben. und Flächenverbreitung innerhalb Deutsch- Aus den hier vorgestellten Orchideen-Area- lands einiges gemeinsam haben, ist angesichts len lassen sich pflanzengeographische Charak- dieser Gesamtkonstellation Pseudorchis albida teristika bereits gut erkennen, so z. B. die Ost- in eine höhere Gefährdungskategorie einzustu- seitenbindung von Cypripedium calceolus: Von fen - so geschehen bei KORNECK et al. (1996). HULTÉN (1958) noch zu den amphiatlantischen Im Unterschied zu einigen der hiesigen Po- Arten gestellt, hat der besonders im mandschu- tamogeton-Arten bleiben sämtliche heimischen risch-sibirischen Raum evidente Informations- Orchideen auf die Holarktis beschränkt (Tab. zuwachs den eurasiatischen Verbreitungs- 1): Aus 49 rein europäischen Orchidaceae- schwerpunkt zwischenzeitlich ostwärts in Rich- gegenüber nur 5 solchen Potamogetonaceae- tung Mittelsibirien verschoben: Das heutige Arealen resultiert rein mathematisch für unser Arealbild zeigt eine in Nordamerika deutlich Land eine relativ größere Verantwortung für und in Eurasien noch deutlich genug akzentu- den Orchideenschutz; entsprechende allgemei- ierte Ostseitenart, die aber auch im extremeren nere Quantifizierungsansätze hierzu vermittelt Ostseitenklima Ost- und Zentralasiens markant WELK (2001). zurücktritt bis fehlt (Abb. 4 und Abb. 21 in JÄ- GER 1968); so kongruiert auch die Vorstellung 4.2 Datendichte und Arealbild von Cypripedium calceolus als großblättrige Nicht nur hierzulande stehen die Orchideen Waldorchidee der kühlgemäßigten Zone mit traditionell im Blickpunkt des Interesses von der Charakteristik temperater Ostseitenarten professionellen wie Laien-Botanikern, zumal von JÄGER (l. c.: 280). unsere holarktischen Orchideen ausnahmslos Bei Potamogeton praelongus scheint es sich am Erdboden wachsen und so im Gelände zu- indes nach Abb. 5 tatsächlich um eine tenden- meist gut erreichbar sind. Demgegenüber sind ziell amphiatlantische Art zu handeln, auch die wind-, selbst- oder wasserbestäubten Pota- wenn das Areal noch als zirkumpolar zu be- mogetonaceen als überwiegend submers in schreiben ist und nicht exakt der Definition Wassertiefen bis zu mehreren Metern gedei- amphiatlantischer Arten bei HULTÉN (1958: 3) hende (Sumpf- bis) Wasserpflanzen oft schwe- entspricht. rer aufzufinden, zu erreichen und teilweise Für den Artenschutz in Mitteleuropa lässt auch zu determinieren. sich folgern, dass Cypripedium-Vorkommen Daraus resultieren entsprechende Unter- um so höher zu bewerten sind, je weiter schiede in der Datenlage: Die jeweils weitge- (nord)westlich sie liegen. Bei Potamogeton prae- hend äquiformen Areale von Coeloglossum viri- longus gilt aber nicht zwangsläufig das Gegenteil de und Potamogeton gramineus (Abb. 2 und 3), (Abb. 5), da hier die seit den frühpostglazialen Cypripedium calceolus und Potamogeton prae- Verhältnissen regional unterschiedlich inten- longus (Abb. 4 und 5) oder der monotypischen siv(en) sukzessiven wie anthropogen forcierten Gattungen Anacamptis und Groenlandia (Abb. pH-Verschiebungen und Eutrophierungen der 6 und 7) ähneln einander zwar mehr oder weni- Gewässer zu berücksichtigen sind. ger stark in ihren Umrissen, aber die Karten dif- ferieren in der Zahl verarbeiteter Quellen (Tab. 4.3 Klimatische Interpretation 2) und erst recht in der Menge dort entnomme- Jedes Gesamtareal beinhaltet die Verbrei- ner Fundpunkte deutlich: Die Orchideen-Area- tungsgrenzen einer Art als Abbild ihrer ökologi- le erscheinen kompakter. schen Amplitude. Diese areallimitierenden Be- Allein vom Arealbild Aussagen zur Sied- reiche lassen sich in der Regel klimatisch be- lungsdichte einer Sippe im Areal oder auch nur gründen, so dass die Quintessenz einer Areal- Teilen davon ableiten zu wollen, ist stets pro- karte in der interpretierten Verknüpfung von CHRISTIAN AHRNS: Laichkrautgewächse und Orchideen als Extreme naturschutzrelevanter Arealdarstellung 15

Abb. 2. Areal von Coeloglossum viride (L.) HARTM. s. l.

Abb. 3. Areal von Potamogeton gramineus L. 16 Pulsatilla, Heft 5, 2002

Abb. 4. Areal von Cypripedium calceolus L. s. l.

Abb. 5. Areal von Potamogeton praelongus WULFEN. CHRISTIAN AHRNS: Laichkrautgewächse und Orchideen als Extreme naturschutzrelevanter Arealdarstellung 17 mit den jeweils begrenzenden Isothermen u. a. ausreichend, sofern nicht noch Einschränkun- Klimalinien korrelierten Arealgrenz-Abschnit- gen - vor allem taxonomischer Art (vgl. 4.6) - ten besteht. hinzutreten. Vielfach sind für bestimmte Areal- Somit hängt bei in genügender Dichte ver- randbereiche auch Extrapolationen möglich fügbaren Klimadaten die Genauigkeit einer und legitim, zumal sich mediterran-mitteleuro- Verbreitungsanalyse von der Exaktheit der Are- päische Sippen ähnlicher Verbreitung in das algrenzen ab, die wiederum primär durch die Arealtypen-System von MEUSEL & JÄGER (1992) Fundpunktdichte bestimmt wird. Diese Punkt- einordnen und vergleichend analysieren lassen. dichte ist an den Arealgrenzen der Orchideen Auf dieser Basis wird die Computermodel- zwar oftmals höher (vgl. Abb. 4 und 5, 6 und 7 lierung von Arealkarten künftig vor allem in usw.), aber auch bei den Laichkrautgewächsen den Tropen u. a. wenig inventarisierten Regio- zur Festschreibung klimatischer Grenzen stets nen der Erde rasant an Bedeutung gewinnen.

Abb. 6. Areal von Anacamptis pyramidalis (L.) RICH.

Abb. 7. Areal von Groenlandia densa (L.) FOURR. 18 Pulsatilla, Heft 5, 2002

4.4 Räumliche Homogenität der zeitlichen Aus Japan, dem Gebiet um die Großen Seen Dynamik des östlichen Nordamerika und weiteren High- Aus Naturschutzsicht mindestens ebenso Tech-Zentren sind uns „lediglich“ mehr oder interessant wie die sukzessive räumliche ist die weniger aktuelle Florenwerke bzw. -atlanten, anthropogen forcierte zeitliche Dynamik inner- aber bisher weder Gefährdungs- noch zeitlich halb des Areals. Eine Darstellung dieses Wan- differenzierte Rasterkartenanalysen bekannt ge- dels setzte aber die Verfügbarkeit zeitlich diffe- worden. renzierter Daten in möglichst gleicher Qualität Für Zentralasien liegen einige gründliche für alle Arealbereiche voraus, was auf absehbare Dokumentationen vor (z. B. GRUBOV & EGORO- Zeit wohl unrealistisch und heute am ehesten VA 1977; YU-CHUAN 1985; GUBANOV 1996), die bei einigen Lokalendemiten machbar erscheint. aber auf bis über 100 Jahre alten Belegen auf- Diesen Ansprüchen genügende Atlanten für bauen und mangels entsprechender Daten jeg- komplette bzw. wesentlichste Teile der Floren lichen dynamischen Aspekt vermissen lassen; liegen uns bisher für einige Staaten Nordwest- daher finden sich u. a. in diesen Regionen und Zentraleuropas vor (PERRING & WALTERS Punkte in den Karten, die seit über 100 Jahren 1990; VAN ROMPAEY & DELVOSALLE 1979; MEN- erloschen sein können, während etwa in Zen- NEMA et al. 1980, 1985; VAN DER MEIJDEN et al. traleuropa “✞“-Signaturen für Fundorte mög- 1989; HAEUPLER & SCHÖNFELDER 1989; BENKERT lich sind, die 1945 oder gar 1970 noch existier- et al. 1996). Nachahmenswert ist das OPTIMA- ten! Projekt zur Kartierung der Orchidaceae des Als Resultat dieser Datenheterogenität er- Mittelmeergebietes (BAUMANN & KÜNKELE scheinen in aktuellen Holarktis-Arealkarten 1980), in dem ebenfalls eine zeitliche Differen- Nordwest- und Zentraleuropa regelmäßig als zierung angestrebt wird. „Artensterbezentren“ - ein in dieser Fokussie-

Abb. 8. Areal von Potamogeton friesii RUPR. CHRISTIAN AHRNS: Laichkrautgewächse und Orchideen als Extreme naturschutzrelevanter Arealdarstellung 19 rung völlig verfehlter Eindruck, der typisch et- Grund liegt beim obligat submersen und nicht wa in den Abb. 2 und 3 oder bei WELK (2001: leicht zu determinierenden Potamogeton friesii Abb. 1) vermittelt wird. in der vor allem betreffs der historischen Funde Noch eklatanter werden die Erfassungsdefi- geringeren Datendichte, was sich über das ge- zite selbst in den bestkartierten Ländern der samte Areal verfolgen lässt (vgl. Abb. 3 und 8). Welt bei taxonomisch problematischen Zu resümieren ist erneut, dass die Orchi- und/oder habituell unauffälligen Sippen, wofür deen den positiven Kontrast zu den (schmal- schmalblättrige Potamogeton-Arten als Modell- blättrigen) Potamogeton-Arten und vermutlich beispiel gelten müssen (z. B. Tab. 3): Während insgesamt den positiven Extremfall unter allen Potamogeton gramineus zumeist breite holarktischen Gefäßpflanzen darstellen: Zahllo- Schwimmblätter sowie als Besonderheit auch se Originalarbeiten erhöhen hier nicht nur die Landformen (CHARKEVIČ 1987; OBERDORFER Fundortdichte beträchtlich, sondern tragen 2001) ausbildet und so vergleichsweise gut vielfach auch zu einem topographisch breiter kenntlich ist, lässt das Arealbild von Potamoge- gestreuten Überblick zur zeitlichen Dynamik ton friesii nicht einmal das „zentraleuropäische bei. Aussterbezentrum“ erkennen, obwohl beide Es stellt sich die Frage, ob das Einfügen erlo- Arten in Deutschland als gleichermaßen stark schener Vorkommen in die Arealkarten ange- gefährdet gelten (KORNECK et al. 1996): Der sichts solcher Konfliktansatzpunkte überhaupt

Tab. 3. Mutmaßlich durch unterschiedliche Erfassungsintensität suggerierte „Pseudo-Di- vergenz“ der Dynamiktrends breit- und schmalblättriger Potamogetonaceae in den Niederlanden. (Daten nach MENNEMA et al. 1980, 1985; VAN DER MEIJDEN et al. 1989). Erfasste Vorkommen Änderung Art vor 1950 ab 1950 absolut [%]

r. Groenlandia densa 120 101 -19 -15,8

t Potamogeton alpinus 142 126 -16 -11,3

t Potamogeton coloratus 4 2 -2 -50

ä Potamogeton crispus 411 894 483 117,5

l Potamogeton gramineus 87 55 -32 -36,8

b Potamogeton lucens 438 493 55 12,6

t Potamogeton natans 809 1032 223 27,6

i Potamogeton nodosus 810225

e Potamogeton perfoliatus 460 437 -23 -5

r Potamogeton polygonifolius 272 172 -100 -36,8

b Potamogeton praelongus 24 14 -10 -41,7 Mittelwert 51 -1,3

l. Potamogeton acutifolius 38 105 67 176,3

b Potamogeton compressus 131 271 140 106,9

l Potamogeton friesii 75 284 209 278,7

a Potamogeton obtusifolius 110 204 94 85,4

m Potamogeton pectinatus 565 1081 516 91,3

h P. pusillus & berchtoldii 274 629 355 129,6

c Potamogeton trichoides 16 337 321 2006,2

s Mittelwert 243 410,6 20 Pulsatilla, Heft 5, 2002

Tab. 4. Präsenz von je 21 in Deutschland indigenen Potamogetonaceae und Orchidaceae in 16 ausgewählten Gefährdungsanalysen. + im betreffenden Gebiet vorkommend und als gefährdet eingestuft - im betreffenden Gebiet vorkommend, aber nicht als gefährdet eingestuft : im betreffenden Gebiet aus ökogeographischen Gründen fehlend ? Präsenz oder bzw. und Gefährdung unklar BRD (Korneck et al. 1996) Österr. (Niklf. et al. 1986 in Grabh. & Polatsch. 1986) Tschechien (Dostal 1989) Slowakei (Dostal 1989) Polen (Zarzycki & Kazmierczakowa 1993) Litauen (Parfenov et al. 1987) Lettland (Andrusaitis et al. 1985) Belorussland (Parfenov et al. 1987) Udmurtien (Tuganaev et al. 1988) Jakutien (Andreev et al. 1987) Fernöstl. Russland (Charkevic & Kacura 1981) Italien (Conti et al. 1992) Griechenland (Phitos et al. 1995) Bulgarien (Velcev et al. 1984) Ukraine (Sytnik et al. 1988) Usbekistan (Butkov et al. 1984) China (Fu Li-Kuo et al. 1992) Kalifornien (Skinner & Pavlik 1994) Groenlandia densa +++++- :::::--+-::: Potamogeton acutifolius ++------?::----:::

e Potamogeton alpinus ++++----?::--?--?-

a Potamogeton berchtoldii ------

e Potamogeton coloratus +++--::::::--?::::

c Potamogeton compressus +++------:---:-:

a Potamogeton crispus ------:------++::----:---:::--+ n Potamogeton filiformis +++------:-:+-:?: o Potamogeton friesii

t Potamogeton gramineus ++++------

e Potamogeton lucens ------: -+------g Potamogeton natans -+---- -?::------o Potamogeton nodosus ++------+-?-:-: m Potamogeton obtusifolius

a Potamogeton pectinatus ------

t Potamogeton perfoliatus --++------++??---::::---:::: o Potamogeton polygonifolius +++?----?---:+-::+ P Potamogeton praelongus Potamogeton pusillus -+------Potamogeton rutilus +:??----::::::-::: Potamogeton trichoides ++++- ?? - - : : - -+- - : : Cephalanthera damasonium --++-::+:::---+::: Cephalanthera longifolia --++-+?+?:?---+:-: Cephalanthera rubra - -++-++++ : : - - -+ : : : Coeloglossum viride +-++-++++-----+:-: Cypripedium calceolus ++++-+++++++-++ : - :

e Dactylorhiza fuchsii ?-++-----+:-::+:::

a Dactylorhiza incarnata ++++- -+------+:-:

e Dactylorhiza majalis +-++-++++ : : - : : + : : :

c Dactylorhiza maculata s. str. + - + + - + - - + : : ? : : + : : :

a Dactylorhiza russowii +:+:-++?+::::::::: ++++- - -+ : : : - - -+ : : : d Dactylorhiza sambucina

i Dactylorhiza traunsteineri +++-----+::---+::: ++++- - -+ : : : ----::: h Orchis coriophora

c Orchis mascula --++-+++:::----:::

r Orchis militaris ++++-+++-+ : -+++ : ? : ++++-+++ : : : - - -+ : : : O Orchis morio Orchis pallens +++++ ::::::---+::: Orchis palustris ++++- ::::::+--+?:: Orchis purpurea +++++ : : ? : : : - - -+ : : : Orchis tridentata +++++ ::::::---+::: Orchis ustulata +-++-+-+-: : ---+: : : CHRISTIAN AHRNS: Laichkrautgewächse und Orchideen als Extreme naturschutzrelevanter Arealdarstellung 21 sinnvoll ist: Dies soll hier dennoch klar bejaht 3!) Potamogeton trichoides Cham. et Schltdl. als werden, weil „Weltweit gefährdete Sippe“ sogar bei KORNECK 1) auf diese Weise weltweit akuter Hand- et al. (1996: 156). lungsbedarf in Sachen Inventarforschung und Die „Orchideen-Lastigkeit“ vieler Rotbücher Naturschutzengagement aufgezeigt wird; kommt wiederum den Orchideen-Arealentwür- 2) bei Kenntnis der methodischen Hinter- fen zugute, da den Rotbüchern besonders im gründe und naturwissenschaftlichen Zu- (süd)osteuropäisch-sibirischen Raum zumeist sammenhänge sinngebende Extrapolationen Verbreitungskarten beigegeben sind. zur Dynamik durchaus möglich sind; Nicht wegzudiskutieren ist andererseits ein 3) das Weglassen erloschener Fundorte ei- aus Naturschutzsicht psychologisch unglück- ner Unterschlagung vorhandener Informatio- licher Begleiteffekt solcher oft besonders sensi- nen gleichkäme. ble Arealrandlagen darstellenden Detailverbrei- tungskarten an exponierter Stelle! 4.5 Repräsentanz in Rotbüchern bzw. Gefährdungsanalysen 4.6 Taxonomisch-chorologische Probleme Alle 21 in ROTHMALER (2002) für Deutsch- Die mehr oder weniger weit gefasste Um- land genannten Arten der Laichkrautgewächse grenzung einer Sippe im taxonomischen Sinn und ebenso viele (ausgewählte) der Orchideen ist logisch mit deren Gesamtverbreitung korre- wurden daraufhin überprüft, wie oft sie in den liert und hat daher direkten Bezug zur (poten- 16 in Tab. 4 genannten Rotbüchern usw. vertre- tiellen) Gefährdung (vgl. 4.1; JÄGER & HOFF- ten sind: In der auf soliden Einstufungskriterien MANN 1997). Neben dieser weiter unten abzu- und einer überdurchschnittlichen Datenbasis handelnden hierarchischen Komponente wird fußenden Roten Liste für die BRD (KORNECK et hier zunächst verdeutlicht, welche Probleme al. 1996) stehen 13 Potamogetonaceae „nur“ 16 schon bei taxonomisch gleichrangig geführten Orchidaceae gegenüber: Klammert man die Sippen entstehen. (Fast-)Kosmopoliten Potamogeton crispus, no- Cephalanthera longifolia reicht nach aktuel- dosus, pectinatus und perfoliatus aus, so ergibt lem Stand ostwärts bis Zentralchina, benötigt sich für beide Familien ein Anteil gefährdeter aber als spät austreibende thermophile Wald- Arten von 76 bzw. 81 %. Als Kontrastbeispiel orchidee eine Vegetationsperiode von N 170 Ta- sei das Rotbuch der Ukraine (SYTNIK et al. 1988) gen und fehlt zumindest unter den gegenwärti- zitiert, in dem 0 % bedrohter Potamogetonace- gen Klimabedingungen in Sibirien. Mit Cephal- ae immerhin 90 % der 20 in der Ukraine prä- anthera longibracteata BLUME 1858 existiert eine senten von den 21 hier überprüften Orchideen vikariierende oder mit C. longifolia identische gegenüber stehen! Sippe in Ostasien (Abb. 9). Diese fernöstlichen Allgemein wurde in keinem vor 1995 publi- Vorkommen weisen weder ökogeographisch zierten Rotbuch russischsprachiger Gebiete ein noch morphologisch wesentliche Unterschiede als gefährdet eingestuftes Laichkraut gefunden zur europäischen C. longifolia auf: Nordwärts (z. B. Tab. 4); erst ABRAMOV (1997) führt neben wirken weniger als ca. 170 Tage Vegetationszeit 18 Orchidaceae auch 2 Potamogetonaceae und und südwärts Julimitteltemperaturen über weitere Wasserpflanzenarten auf. Das Rotbuch 24 °C limitierend, nach Zentralasien hin Jahres- von Bulgarien (VELČEV et al. 1984) ist die einzi- niederschläge unter 400 mm. Das in ostasiati- ge in Tab. 4 erfasste Gefährdungsanalyse, die schen Floren strapazierte Trennmerkmal der bei den Potamogetonaceae mehr gefährdete Ar- stets fast laubblattartig vergrößerten untersten ten nennt als bei den dort wie hier vorkommen- Blütentragblätter ist nichtig, da diese zuweilen den ausgewählten Orchidaceae. auch in europäischen Populationen auftreten Welche Folgen eine latente Datenheteroge- (z. B. BUTTLER 1996; BAUMANN & KÜNKELE nität haben kann, verdeutlicht etwa die Auswei- 1988). sung des nach WIEGLEB & KAPLAN (1998) über 3 Das Problem besteht lediglich in der schar- Kontinente verbreiteten und selbst in Zentral- fen Disjunktion zwischen beiden (Teil-)Arealen europa teilweise eher unterkartierten (vgl. Tab. in der nordwest- und nordostchinesischen Flo- 22 Pulsatilla, Heft 5, 2002 renprovinz (Nei Mongol Zizhiqu; Hebei) sensu kommen dieses Formenkreises festgeschrieben MEUSEL & JÄGER (1992), die durch das streng - prioritär noch vor Bemühungen um den monsungeprägte dortige Klima mit 50 bis über Schutz der (heute) klar westseitenorientierten 70 % Jahresniederschlag im Zeitraum Juni - C. longifolia in Europa! August bedingt ist: C. longifolia ist zwar auch an Icon. Corm. Sinic. V (1976) nennt letztere das asiatische Monsunklima angepasst (vgl. NA- für Südwest-, West- sowie Nordchina und er- SIR & ALI 1972), meidet aber dessen Kerngebie- wähnt C. longibracteata nicht, gibt aber als te. Die starke Arealfragmentierung im Bereich nördlichste Provinzen die zentralchinesischen des ausgeprägten Ostseitenklimas deutet, wie Regionen von Gansu, Shaanxi und Henan an. auch die (heute) isolierten Vorkommen im Sü- Auch RENZ (in RECHINGER 1978) nennt C. longi- dural und in Hyrkanien als exponierten Regio- folia für Zentralasien, Korea und Japan, ohne C. nen mit „etwa gleichem Anteil von Ost- und longibracteata auch nur als Synonym zu erwäh- Westseitenarten“ und „Vorposten von Ostsei- nen. - Die Indizien für eine Identität beider Sip- tenarten in Europa“ (JÄGER 1968: Abb. 21), auf pen erscheinen ausreichend, doch werden beide einen Reliktcharakter all dieser (rand)asiati- bis zu einer definitiven Klärung getrennt darge- schen Populationen hin; damit wäre zugleich stellt (Abb. 9). die erstrangige Schutzwürdigkeit der asiati- Die ostwärtige Arealausweitung um etwa 40 schen, insbesondere der ostasiatischen Vor- Längengrade wäre ein beträchtlicher Zugewinn

Cephalanthera longifolia (L.) FRITSCH

Cephalanthera longibracteata BLUME

Abb. 9. Areale von Cephalanthera longifolia (L.) FRITSCH (eurasiatisch) und „Cephalanthera longibracteata BLUME“ (ostasia- tisch). CHRISTIAN AHRNS: Laichkrautgewächse und Orchideen als Extreme naturschutzrelevanter Arealdarstellung 23 von N 10 % der bisher einhellig akzeptierten Ge- den Orchideenkundlern auch weniger kritische samtverbreitung von C. longifolia (HULTÉN & geben mag. FRIES 1986: Karte 540) und dürfte somit nach Die Chorologie ist somit gefordert, Daten- den bei SCHNITTLER & LUDWIG (1996: 727) fi- grundlagen beizubringen. Pragmatisch bedeu- xierten Kriterien für mögliche Gefährdungsein- tet dies als oberstes Gebot, bei unklaren taxono- stufungen zumindest in Asien durchaus rele- mischen Rangstufen offensichtlich eng ver- vant werden. wandter Sippen zunächst das Areal des gesam- ten Formenkreises sensu lato (= im weiten 4.7 Taxonomisch-hierarchische Relevanz Sinn) darzustellen, wobei sich oft schon Hin- und Sippenabgrenzungen weise auf eher höhere oder niedere Rangstufen Die Arealweite einer (Klein-)Art hängt nie ergeben. von deren Rangeinstufung ab: Ophrys mammo- Am Vergleich von Ophrys sphegodes s. l. und sa DESF. 1807 hat dasselbe Areal wie Ophrys Ophrys holoserica s. l. (Abb. 10 und 11) lässt sich sphegodes ssp. mammosa (DESF.) SOÓ 1958. Die das beispielhaft nachvollziehen: Während die Verantwortung der Einstufung nach makrosko- incubacea-, araneola-, exaltata-, mammosa- und pisch-morphologischen, molekularen, chorolo- transhyrcana-Sippen des sphegodes-Aggregates gischen u. a. Kriterien obliegt allein kundigen ökogeographisch gut und plausibel gegeneinan- Taxonomen - worunter es aber gerade unter der abgegrenzt sind, zeigt sich beim holoserica-

Ophrys sphegodes MILLER

Ophrys incubacea BIANCA

Ophrys araneola RCHB.

Ophrys exaltata TEN.

Ophrys mammosa DESF.

Ophrys transhyrcana CZERNJAK.

Abb. 10. Areale von Ophrys sphegodes MILL. s. str. sowie einigen Nächstverwandten. 24 Pulsatilla, Heft 5, 2002

Aggregat ein Desaster: Allein für Kreta werden die Abb. 10 und 11 sind der Übersichtlichkeit einschließlich der Nominatform (mindestens) halber keineswegs alle z. B. bei BAUMANN & 3 (Unter-)Arten angegeben, zudem bildet die KÜNKELE (1988) auch nur im Artrang präsen- Nominatform selbst in fast allen 8 Himmels- tierten sphegodes- und holoserica-Verwandten richtungen die Arealgrenze! - Als Konsequenz aufgenommen worden. wäre vom holoserica-Aggregat aktuell nur das Im Gegensatz zu den weiter oben umrisse- Gesamtareal im weitesten Sinn darzustellen, bis nen Fällen sieht sich hier der Bearbeiter der Po- der Formenkreis sinnvoll geordnet erscheint. In tamogetonaceae im Vorteil: Die immense mor-

Ophrys holoserica (BURM. fil.) GREUTER

subsp. elatior GUMPRECHT

subsp. oxyrrhynchos (TOD.) SOÓ

subsp. pollinensis NELSON

subsp. apulica DANESCH

subsp. maxima (FLEISCHM.) GREUTER

subsp. holubyana (ANDRAS.) DOST.

subsp. candica NELSON

subsp. heterochila RENZ & TAUBENHEIM

subsp. orientalis RENZ

Abb. 11. Areale von Ophrys holoserica (BURM. fil.) GREUTER s. str. sowie einigen Nächstverwandten. CHRISTIAN AHRNS: Laichkrautgewächse und Orchideen als Extreme naturschutzrelevanter Arealdarstellung 25 phologische Variabilität von Wasserpflanzen ist Verbreitungskartendateien usw., was wiederum seit langem bekannt, so dass selbst bei sehr gro- auf ihre Unterrepräsentanz bei der Geländeda- ßen Potamogeton-Arealen vergleichsweise weni- tenerhebung zurückführbar ist. ge infra- oder conspezifische Taxa zu berück- 3) Korrelationen etwa zwischen Arealkarten sichtigen waren; selbstverständlich existieren und Evolutionsgeschwindigkeiten bis hin zu auch hier Entwicklungsreihen u. a. Differenzie- Heterobathmien sind heute eher noch Visio- rungen innerhalb der Gattungen und Arten: nen. Parallelisiert man Abundanzzentren ver- DAUMANN (1963) verweist auf blütenökologi- einfacht mit Vitalitäts- und Genzentren, so sche Progressionsreihen wie die obligate Wind- könnte eine künftig höhere Datendichte den bestäubung bei P. natans und nodosus, aber fa- chorologischen Einfluss bei der Klärung von kultative Wasserbestäubung bei P. lucens. Sippenabgrenzungen stärken helfen, zumal der WIEGLEB & KAPLAN (1998) nennen zahlreiche Anteil molekularer Expertisen in der Taxono- Kleinsippen und Ökomorphosen - wie etwa „P. mie aktuell rapide zunimmt. helveticus“ - von P. pectinatus. Die nach WIEGLEB & KAPLAN (1998) welt- 4.8 Statusprobleme weit 69 Arten und N 50 Hybriden umfassende Das Hauptziel des Naturschutzes besteht im Gattung Potamogeton birgt eine in Jahrmillio- Erhalten der bodenständigen Vielfalt natür- nen gereifte genetische Vielfalt, deren perma- licher Strukturen, wobei Laichkräutern und Or- nente relative Stabilisierung durch Vogelaus- chideen in Zentraleuropa dabei Schlüsselfunk- breitung über Früchte als auch klonal über Tu- tionen zukommen; letzteres betrifft auch die rionen selbst an den Arealrändern etwa in grundsätzliche Bedeutung von Statusfestlegun- Metapopulationen vorstellbar erscheint. - Die gen für den Naturschutz. Einzelne dieser unsri- stenöken und daher oft stenochoren, insekten- gen „Ur-Floren-Elemente“ können aber ande- oder selbstbestäubten, ausnahmslos konkur- renorts durchaus als Plage angesehen werden, renzschwachen hiesigen Orchideen stehen hin- wenn sie sich als Neophyten massiv in die Flo- gegen auf durchschnittlich geringerer Fläche ren einnischen - ähnlich wie z. B. Impatiens par- unter permanentem Selektionsdruck sowohl viflora DC. oder Fallopia japonica (HOUTT.) durch Bestäuber (z. B. WILLEMS & LAHTINEN RONSE DECR. in Deutschland. 1997) als auch die Begleitflora und haben keine Potamogeton crispus ist salztolerant, euryök den Turionen vergleichbare Möglichkeit der (ELLENBERG in ELLENBERG et al. 1992; OBERDOR- Fernausbreitung vegetativer Diasporen. FER 2001), besiedelt (fast?) alle Florenreiche Da Windausbreitung in der Regel weniger (Abb. 12) und ist somit ein Kosmopolit sensu effektiv ist als Vogelausbreitung und die hoch- SCHROEDER (1998: 101). Die Art dürfte eher spezifische Insektenbestäubung selektierender überdurchschnittlich gut erfasst sein (vgl. 4.4), wirkt als Wind- oder Wasserbestäubung bzw. gilt sie doch als morphologisch bestkenntliche klonale Vermehrung, variieren Orchideen an innerhalb der Gattung (WIEGLEB & KAPLAN ihren Arealrändern u. U. stärker und degenerie- 1998). ren dort vermutlich schneller (vgl. z. B. ECCA- In Amerika, wo P. crispus im Süden seit RIUS & HEINRICH in ECCARIUS 1997 für Ophrys N 120 Jahren (z. B. TUR 1982), in Mexiko und araneola) als Laichkräuter , dürften aber auch im Norden noch wesentlich länger bekannt ist schneller neue Sippen evolvieren. (GONZALEZ GUTIERREZ 1989), wird die Art spä- Aus den dargelegten systematischen Proble- testens seit FERNALD (1932) und DANDY (1937) men lässt sich für die Praxis kritisch ableiten: als eingeschleppt angesehen (z. B. WIEGLEB & 1) Auf dem taxonomischen Sektor wirkt KAPLAN 1998) - nur wenige amerikanische Au- sich die überdurchschnittlich hohe Zahl der toren stellen dies in Frage (z. B. VOSS 1972; TUR Orchideen-Bearbeiter eher nachteilig aus. 1982). 2) Obgleich das Areal einer Sippe von ihrer Für den Neophyten-Status in Amerika sprä- taxonomischen Rangzuweisung unabhängig ist, che, daß P. crispus nordwärts nur bis zur tempe- liegt eine Tragik der infraspezifischen Rangstu- raten Florenzone holarktisch verbreitet ist fen in ihrer mangelnden Präsenz in checklists, (Abb. 12) und andere altweltliche Wasserpflan- 26 Pulsatilla, Heft 5, 2002 zen mit vergleichbarer nördlicher Arealgrenze 3) Die Nordgrenze von P. crispus folgt heu- zumindest heute in Amerika fehlen. te in Asien und Amerika jeweils der 17,5 °C-Ju- Neutralisieren lassen sich Darstellungen et- li-Isotherme, in Europa wohl wegen des Golf- wa von FERNALD (1932: 122, Fußnote 2), wo- strom-Einflusses der 12,5 °C- (Britische Inseln) nach die Art ein lokal aggressives Unkraut sei: bzw. 15 °C- (Norwegen) und (ca.) 16,5 °C-Juli- Massenvermehrungen des P. crispus sind z. B. Isotherme (Finnland). HULTÉN (1971: Karte auch aus Ägypten bekannt (TÄCKHOLM 1974; EL 92) verzeichnet einen Subfossilfund der Art bei HADIDI & FAYED 1995); auch für die Niederlan- 66 °n.B. am Ylikitka-See (Finnland), der heute de ist ein unter den breitblättrigen beinahe von der 14,5 °C-Juli-Isotherme tan- Potamogeton-Arten überproportionaler Anstieg giert wird (Climatic atlas 1970, 1979 & 1981). der Nachweise dokumentiert (Tab. 3). Die nach Schon geringe Änderungen von Klimaparame- FRANK & KLOTZ (1990) nur mäßig urbanophobe tern bzw. Meeresströmungen genügten, um Art vermag etwa mit steigender Besiedlungs- diese Arealgrenze von P. crispus deutlich nord- dichte und/oder Nutzungsintensität einherge- wärts zu verschieben, zumal solche Schwan- hende anthropogene Gewässerbelastungen bis kungen stets im ökosystemaren Kontext zu se- zu einem bestimmten Maß für Expansionen bis hen sind - vgl. z. B. SCHÜZ et al. (1971: 109) zur Gradationen zu nutzen (vgl. z. B. KLEINSTEUBER Dynamik der Brutplatzwahl von Puffinus puffi- & WOLFF in SEBALD et al. 1998). nus an der Ostküste Nordamerikas seit 1800. Gegen den Neophyten-Status in Amerika Nichts spricht dagegen, dass derartige Konstel- finden sich mehrere Argumente: lationen seit dem Postglazial zuweilen gegeben 1) Potamogeton-Samen können Jahrzehnte waren. keimfähig sein (VAN DE WEYER 1997), sind aber Als Gründe für den südwärtigen Rückzug für die Reproduktion am Standort der Mutter- von P. crispus, Ceratophyllum submersum und pflanzen zumeist bedeutungslos (BRUX et al. weiteren basiphilen Wasserpflanzen kommen 1989). Entscheidend stimuliert wird ihre Kei- neben Abkühlung und Verlandungsprozessen mung nach GILLHAM sowie SMITS et al. (zit. in vor allem auch Azidifikationen, d. h. natürliche BONN & POSCHLOD 1998) vielfach erst nach Pas- und teilweise anthropogen forcierte Versaue- sage von Vogeldärmen; als Maximaldistanzen rungen in Betracht (LANG 1994: 198 ff.). endoornithochorer Fernausbreitung werden 4) Vergleiche mit Arten äquiformer Areale von DE VLAMING & PROCTOR (zit. l. c.: 94) liefern weitere Indizien: Sowohl die nur einjäh- immerhin Strecken von über 2500 Meilen dis- rige Najas marina als auch der ausdauernde P. kutiert. crispus leben obligat untergetaucht, sind salzto- 2) Diverse Wasservogelarten queren auf lerant und vogelverbreitet. Obwohl N. marina verschiedenen Routen die Ozeane zwischen einen geringfügig subkontinentaleren Verbrei- Neuer und Alter Welt (vgl. SCHÜZ et al. 1971): tungsschwerpunkt hat, ähneln die Areale beider Regulär transatlantisch zieht Puffinus puffinus, Arten im globalen Maßstab einander: Im regulär transpazifisch Puffinus tenuirostris; für Unterschied zu P. crispus halten HULTÉN & FRIES die oft variabel ziehende Anas acuta wurde spo- (1986) N. marina in der gesamten Holarktis für radisch beides beobachtet. Transpazifische Mi- indigen! - Es erhebt sich die Frage, inwiefern ei- gration ist auch bei Sterna hirundo nachgewie- ne gewisse Salzwasserresistenz vor allem der Di- sen. Sterna paradisaea frequentiert auf jährlich asporen von eminenter Bedeutung für derartige über 30 000 km Zug regelmäßig alle 6 Floren- Ausbreitungsvorgänge bzw. Statusfragen ist. reiche - hervorgehoben seien nur die zirkuman- Als Kontraste dazu seien Nymphoides peltata tarktischen, die Südküsten der Südkontinente und Trapa natans zitiert, deren postglazial syn- tangierenden Teilrouten. Pendelzüge oder gar anthroper Status in (Nord-)Amerika außer Fra- interkontinentale Verdriftungen ganzer Vo- ge stehen dürfte: Beide Arten haben deutlich gelschwärme durch Witterungsextreme sind subkontinentalere Arealkerne als die beiden zwar nicht alltäglich, runden aber das Bild vom vorgenannten und Trapa auch größere, schwe- Spektrum der auch für Vogelausbreitung von rere und für Fernausbreitung ungleich weniger Diasporen so wichtigen Zufallsereignisse ab. geeignete Früchte, die in prähistorischer Zeit CHRISTIAN AHRNS: Laichkrautgewächse und Orchideen als Extreme naturschutzrelevanter Arealdarstellung 27 vermutlich als menschliche Nahrung dienten wasserschutzdämme und Müllkippen, ver- (LANG 1994: 209), während Nymphoides als mehrt sich unter Gehölzen selbst in Gärten Zierpflanze (MABBERLEY 1997) wohl gleichfalls (LUER 1975; CASE Jr. 1987). Angesichts der frü- anthropogen ausgebreitet wurde; beide bedür- her offizinellen Verwendung (LUER 1975) sowie fen zudem intensiver Sommerwärme (OBER- ihrer Attraktivität als Zierstaude verdichtet sich DORFER 2001) und sind vor allem reine Süßwas- das nordamerikanische Siedlungsgebiet der E. serarten (ELLENBERG in ELLENBERG et al. 1992). helleborine zum Areal-Bild eines expandieren- Geht man davon aus, dass bei unseren Or- den Neophyten. chideen tatsächlich ausschließlich Windaus- Auch hier fragt sich, wie die - vermutete breitung möglich ist (ROTHMALER 2002), so er- oder erwiesene - Einschleppung von Arten auf scheint in der erdgeschichtlichen Gegenwart die andere Kontinente und ihre dortige Etablierung Distanz zwischen Eurasien und Nordamerika aus Naturschutzsicht zu bewerten ist: Zumin- spontan kaum überbrückbar - am ehesten noch dest vorsätzliche „Bereicherungen“ von Wild- von selbst in der arktischen Florenzone fruch- floren sollten weltweit verboten werden, um tenden Arten. diese zielgerichteten „Naturverschönerungen“ Epipactis helleborine ist die einzige in Europa wenigstens bestmöglich einzudämmen. Einmal urwüchsige Sippe, die synanthrop nach Nord- etablierte Neophyten sollten hingegen so lange amerika gelangt ist und sich dort auch einbür- nicht bekämpft werden, wie sie keine indigenen gern konnte (LUER 1975): Seit 1879 erfolgte von Sippen nachweislich aktiv verdrängen. den ersten Nachweisen im Umfeld großer Städ- te des Ostteils eine westwärtige Ausbreitung bis 4.9 Fossile Nachweise und Arealentstehung mindestens 111 °w.L. im US-Bundesstaat Mon- Für die Aufklärung von Sippendifferenzie- tana. rung und präholozäner Arealdynamik birgt Po- E. helleborine besiedelt in Nordamerika ne- tamogeton ein größeres Potential als die Orchi- ben schattigen Wäldern, Sphagnum-Mooren, deen, da von letzteren wegen der geringen Sedi- gehölzbestockten Sanddünen u. a. auch Hoch- mentationsrate ihrer Standorte, ihrer zumeist

Abb. 12. Areal von Potamogeton crispus L. 28 Pulsatilla, Heft 5, 2002 aggregierten Pollenstruktur und aus weiteren möglich: HAGSTRÖM (1916) behandelt 62 Pota- Gründen ungleich weniger auswertbare Fossi- mogeton-Hybriden, WIEGLEB & KAPLAN (1998) lien belegt sind (vgl. MEHL 1986). listen immerhin noch 50! Sowohl Potamogetonaceae als auch Orchi- 4) Verallgemeinernde Aussagen zu be- daceae sind für Europa stichhaltig seit dem Ter- sonders effektiven Ausbreitungstypen sind bis- tiär nachgewiesen: Im Eozän gab es allein in Eu- lang schon deshalb kaum möglich, weil Mehr- ropa über 80 nach Endokarpmerkmalen unter- fachausbreitungen als Kombination mindestens schiedene Potamogeton-Arten, erste rezente zweier Ausbreitungstypen bisher (nach BONN & Vertreter seit dem Obermiozän (MAI 1995: POSCHLOD) kaum untersucht sind. Evident er- 219). Umstritten ist die systematische Zuord- scheint aber, dass die Bedeutung des Zufalls für nung gleichfalls eozäner Fossilien zu den Orchi- den Ausbreitungsprozess mit zunehmender deen, so dass Eoorchis miocaenica MEHL derzeit Entfernung und abnehmender Vorkommens- als ältester glaubwürdiger Orchideenfund gilt. häufigkeit anwächst (BERG u. a. m. zit. in BONN Gelingt trotz ihrer oft weiten Verbreitung & POSCHLOD 1998: 26). und zuweilen taxonomisch problematischen Bei Potamogeton-Arten oft weit außerhalb Merkmalsarmut bei rezenten Potamogeton-Ar- der klimatischen Grenzen des Hauptareals er- ten die Rekonstruktion ihrer Areale vor allem mittelte Vorposten-Vorkommen deuten gegen- für deren frühe Phasen eher als für die phyloge- über den kompakteren Orchideen-Arealen an netisch eventuell viel jüngeren rezenten Orchi- (z. B. Abb. 2 und 3 sowie 4 und 5), dass Vögel deen, so kehrt die „rückwärts voranschreiten- ein hinsichtlich der überbrückbaren Distanzen de“ historische Arealaufklärung auch diese deutlich größeres Ausbreitungspotential haben Verhältnisse um: Der Rückschluss von der heu- als Wind. Zielgerichtet etwa bestimmte Binnen- tigen Verbreitung auf die Arealgenese konkre- gewässer anfliegende Wasservögel stellen geeig- ter Sippen ist für die Potamogetonaceen aus nete Hydrophytenstandorte präferierende Vek- mehreren Gründen komplizierter als für viele toren dar, wodurch der so „begünstigte Zufall“ Orchideen: letztlich disjunktere Areale gegenüber dem rei- 1) Die Areale in Deutschland heimischer nen Zufall bei der Windausbreitung wahr- Potamogetonaceae sind im Mittel deutlich grö- scheinlicher werden lässt. ßer als diejenigen der entsprechenden Orchida- 5) Bestäubungsökologisch hängen die Pota- ceae (Tab. 1). Gerade von den südlich der Ho- mogetonaceae lediglich von Wind bzw. Wasser larktis gelegenen Florenreichen fehlen aber viel- und somit ausschließlich von abiotischen Fak- fach Fossilbelege sowie vor allem einigermaßen toren ab. Bei den insektenbestäubten der heimi- homogen kleinräumig erfasste Vorkommen aus schen Orchidaceae hat indes eine Koevolution den jüngsten Jahrzehnten. zwischen Blüten und Bestäubern stattgefunden, 2) Wie oben dargelegt, ist die Dichte aktuel- so dass sich hier das Indizienspektrum der ret- lerer Daten bei den Orchideen in der Regel hö- rospektiven Arealdiagnostik um die (Areal-) her, d. h. die bei den Potamogetonaceen weni- Merkmale der fossilen wie rezenten Bestäuber ger scharfen Arealgrenzen inkl. Vorposten sind einmal mehr zugunsten der Orchideen er- analog evolutionstheoretisch wie ökogeogra- weitert (vgl. MEHL 1986). phisch weniger optimal begründbar. 3) Beträchtlich erschwert wird die Arealab- Im Ergebnis dieser Gesamtkonstellation grenzung durch zahlreiche Hybriden zwischen existieren schon seit längerem Vorstellungen den Arten beider Familien: Sind bei den hiesi- über die Entstehung der Artenvielfalt diverser gen Orchideen Hybridpflanzen zumeist ma- Orchideengattungen (z. B. MEUSEL 1969 für Or- kroskopisch sicher zu determinieren und am chis und nächstverwandte Gattungen; CRIBB Fundort die Eltern oft in nächster Nähe, so ist 1997 für Cypripedium), die uns bei Potamogeton dies bei den milieubedingt ohnehin polymor- bislang fehlen. Die von MEUSEL (1969) fixierten phen Potamogetonaceen oft nicht gegeben und Grundprinzipien mutmaßlich in Trockengebie- eine sichere Identifikation von Hybriden viel- ten am Südrand der Holarktis vonstattengegan- fach nur nach anatomischen Untersuchungen gener Sippendifferenzierungen lassen sich heu- CHRISTIAN AHRNS: Laichkrautgewächse und Orchideen als Extreme naturschutzrelevanter Arealdarstellung 29 te zumindest ansatzweise selbst auf Wasser- alkern, den malaiisch-japanischen Archipelen, pflanzen übertragen, etwa auf solche der Pota- evolutionär optimiert. mogeton-Subsektion Lucentes Graebn. (Tab. 5): Potamogeton illinoensis besiedelt außerhalb Potamogeton lucens hat einen eurosibirischen der Arktis, Feuerlands und des Amazonasgebie- Arealkern und könnte die sowohl morpholo- tes fast ganz Amerika und besitzt als einzige die- gisch ursprünglichste als auch ökologisch ste- ser 4 Arten 2 n = 104 Chromosomen (OGDEN nopotenteste der 4 in Tab. 5 verglichenen Sip- zit. in GONZALEZ GUTIERREZ 1989; Tab. 5). Die pen sein: Stets fehlende Landformen und weite Verbreitung lässt auf eine weite ökologi- Schwimmblätter sowie subsessile, oft sehr gro- sche Amplitude als Resultat entsprechender, ße Unterwasserblätter schränken das Anpas- möglicherweise ploidiestufenbedingter Fitness sungsvermögen an wechselnde Wasserstände schließen. und die Strömungsresistenz ein; die relativ gro- Als phylogenetisch basale dieser 4 Sippen ist ßen, ungeschnäbelten Früchte scheinen für or- P. lucens oder P. schweinfurthii wahrscheinlich. nithochore Fernausbreitung weniger geeignet Folgt man der „Vorstellung eines holarktischen als etwa die von P. crispus (vgl. MARKGRAF in Gürtelareals als der Ursprungszone...“ (BÄSSLER HEGI 1981; WIEGLEB & KAPLAN 1998). zit. in MEUSEL 1969: 556), so dürften sich min- Potamogeton schweinfurthii ist die P. lucens destens 2 der 3 beidhemisphärisch verbreiteten nahestehendste der 3 auch südhemisphärisch Arten jeweils am Südrand der Holarktis durch verbreiteten Arten: Die signifikant schmäleren den Erwerb von Schwimmblättern usw. von Blätter dieser von den Azoren über fast ganz P. lucens abgeleitet haben: P. wrightii im mand- Afrika bis Madagaskar verbreiteten Sippe er- schurischen oder himalajisch-jünnanischen, möglichen einen reduzierten Stoffwechsel als P. schweinfurthii im nordsaharisch-nubischen Anpassung an ein warmtrockeneres Klima mit oder makaronesisch-westmediterranen und häufig knappen Ressourcen (Wasserstand, tem- P. illinoensis durch Genommutation im kalifor- peraturabhängig gelöste Gase etc.). nisch-texanischen Raum; letzteres setzte eine Potamogeton wrightii ist als typische Ostsei- ursprüngliche Präsenz von P. lucens in der ge- tenart sensu JÄGER (1968) in das südostasiati- samten südlichen Holarktis mit nachfolgender sche Monsunklima eingenischt, meidet aber ex- Verdrängung desselben aus Nordamerika vor- treme Monsun-Regionen mit über 70 % Jahres- aus. niederschlag im Sommerquartal. Diskussionen um Ort und Richtung von Die Art toleriert nach WIEGLEB (1990) Strö- Sippendifferenzierungen sind nach wie vor mungsgeschwindigkeiten bis zu 1 m . s-1, ist schwierig: „Obviously the trend to reduce floa- durch gegenüber P. lucens deutlich schmälere ting leaves has occured independently at several und länger gestielte Tauchblätter gut an jahres- times in different groups ...“ schreibt WIEGLEB zeitlich beständig wechselnde Strömungsver- (1988: 258), während hier der Erwerb der Fä- hältnisse angepasst und kann Landformen wie higkeit zur fakultativen Schwimmblattbildung Schwimmblätter bilden; die kleinen Früchte er- als ökomorphologische Progression gedeutet scheinen für die Ornithochorie gerade im Are- wird.

Tab. 5. Vergleich ausgewählter Merkmale von 4 Arten der Subsektion Lucentes der Gattung Potamogeton L. (nach diversen Literaturangaben).

Potamogeton illinoensis Potamogeton lucens Potamogeton schweinfurthii Potamogeton wrightii Chromosomenzahl (2n) 104 52 52? 52 Sprossdurchmesser [mm] 1,0 - 3,5 2,0 - 4,0 1,0 - 3,0 0,8 - 2,0 Subepidermalbündel vorhanden vorhanden ? fehlend Schwimmblätter möglich ja nein ja ja Blattrand gezähnelt gezähnelt ungezähnt wenigstens apikal gezähnt Fruchtlänge [mm] 3,0 - 3,5 3,5 - 4,5 3,0 - 4,0 2,0 - 3,0 30 Pulsatilla, Heft 5, 2002

4.10 Landschaftswandel und Arealdynamik men wie die Pflanzengeographie; überdies ver- Kernfrage ist hier, ob aus den uns heute ver- läuft die klimaabhängige Arealdynamik heute fügbaren Daten erstellte Arealkarten natur- ungleich langsamer als die anthropogene nicht schutzrelevante Aussagen zu Arealauflockerun- primär vom Makroklima abhängige. gen, -regressionen oder -expansionen gefährde- Diese anthropogene Dynamik lässt sich für ter Sippen erlauben, die mit überregionalen sig- eine konkrete Art nach entsprechendem Re- nifikanten Landschaftsveränderungen korre- cherchieraufwand in einem Fixpunktraster dar- lierbar sind: stellen, dessen Aussagekraft analog zur Daten- Für taxonomisch klare (auch) zentraleuro- basis vor allem von den betrachteten Sippen päische Sippen lassen sich gewisse Trendprog- und / oder den biogeographischen Regionen nosen zur Arealdynamik ableiten, sofern die bzw. dem jeweiligen Ausmaß der objektiv gege- Datenbasis als interpretierte Arealkarte vorliegt; benen Datenheterogenität abhängt (vgl. 4.4 und zudem ermöglicht das Arealtypen-System von 4.5). MEUSEL & JÄGER (1992) durch Vergleich jeweils Auch für derart zeitabhängige, mit überre- einem Typ zuzuordnender Areale generalisier- gionalen Landschaftsveränderungen verknüpfte bare Aussagen zur Arealentwicklung unter ge- Feindiagnosen liefern unsere beiden Familien gebenen Voraussetzungen. Neue Wege eröffnet Beispiele zu beiden Extremen: Bei den schmal- ferner die hier nicht abzuhandelnde, klimada- blättrigen Potamogetonaceae ist selbst nach tenkorrelierte Computermodellierung von Ver- gründlicher Recherche aktuell kaum eine Aus- breitungsbildern, die besonders für die überrei- sage zur Arealdynamik zu vertreten, die allein chen Floren der feuchten Tropen Fortschritte aus deren Arealkarten ableitbar wäre und über erwarten lässt: Neben rechentechnischen Fra- allgemein bekannte Fakten (Rückgang oligotra- gen steht die Klimaforschung hinsichtlich einer phenter Arten in dicht besiedelter Landschaft historisch bis prognostisch weltweit homoge- usw.) hinausginge - gerade das wäre aber von nen Datenbasis jedoch vor ähnlichen Proble- exponierter Naturschutzrelevanz! Mit den Or-

Abb. 13. Areal von Aceras anthropophorum (L.) W. T. AITON. CHRISTIAN AHRNS: Laichkrautgewächse und Orchideen als Extreme naturschutzrelevanter Arealdarstellung 31 chidaceae als der Familie mit dem traditionell gen. Aus der daran gekoppelten Temperaturer- wie aktuell höchsten Datenniveau kommt man höhung ergibt sich ein weiterer der Photosyn- in der zentraleuropäischen Flora dem Ziel, sta- these förderlicher Trend: Von 1891 - 1990 tische wie dynamische Aspekte gleichermaßen nahm z. B. über den Britischen Inseln und dem aus Arealkarten ablesen und mit einem Land- deutsch-polnischen Grenzgebiet das Frühlings- schaftswandel kausal in Beziehung bringen zu wie das Gesamtjahres-Lufttemperaturmittel um können, vergleichsweise nahe. 0,5 °C zu (SCHÖNWIESE et al. 1993). Solche an- Mit der anthropozoogenen Ausdehnung der thropogen beeinflussten, zumindest anfangs Mesobromion- und lichten Wald-Zönosen et- allgemein pflanzenwachtumsfördernden Um- wa in Mittel- und Süddeutschland konnten ei- weltfaktoren dürften etwa von 1870 - 1970 zu nige Orchideenarten von ihren (sub)mediterra- einer Anhebung der Bestandesmittelhöhe von nen Arealkernen ausgehend ihre Areale „auffül- Buchenwäldern um 2 - 4 m geführt haben; dies len“ oder nord- bzw. nordostwärts bis hierher wurde u. a. von einer anfangs rein natürlichen, ausweiten. Die blütenreichen Mesobrometa be- seit ca. 20 Jahren aber ebenfalls zunehmend an- standen hier teilweise nur weniger als 200 Jahre thropogenen Tendenz zur Bodenversauerung (WITSCHEL zit. in WILMANNS 1993), denn bzw. dem Verlust basischer Kationen begleitet spätestens seit der Mitte des 20. Jahrhunderts (HOFMANN et al. 1992). setzte mit deren rasantem Nutzungswandel Neben dem forstwirtschaftlichen Nutzungs- (Auflassung, Aufforstung, Intensivierung etc.) wandel des Übergangs vom Mittelwaldbetrieb ein rapider Schwund diverser Orchideen ein: u. a. Nutzungstypen zum flächendeckenden Ansätze zu süd(west)wärts gerichteten Arealre- Hochwaldbetrieb dürfte es nicht zuletzt dieser gressionen lassen z. B. die Arealbilder von Ace- vitalitätskonform stetig gewachsene Kronen- ras anthropophorum (Abb. 13), Ophrys holoseri- schluss der Waldbäume gewesen sein, der zum ca (Abb. 11) und Ophrys sphegodes (Abb. 10) er- Schwinden von Cephalanthera longifolia aus kennen. Trotz des gerade in Abb. 10 evidenten, ganzen Regionen führte (Abb. 9; KORNECK et von England bis Rumänien reichenden „Ex- al.). Trotz „neuartiger Waldschäden“ setzt sich tinktions-Streifens“ sei vor überschnellen Ver- dieser Trend des Rückganges lichtbedürftiger allgemeinerungen gewarnt: Von für die Beur- Waldbodenstauden zumindest in den Buchen- teilung der Gesamtareal-Dynamik so wichtigen wald-Optimumsgebieten bis heute fort (z. B. Ländern wie Spanien, Algerien, Serbien, Israel AHRNS & HOFMANN 1998). oder Iran fehlen uns zumeist jegliche zeitlich differenzierten Daten! Zudem sei nur exempla- 4.11 Arealtypen und Schutzstrategien risch auf Neufunde oder landschaftspflegebe- Generell liefern aktuelle Arealkarten bereits dingt lokale Ausbreitungen indigener Popula- Richtung weisende Ansatzpunkte für Bemü- tionen (KÜMPEL in ECCARIUS 1997) von Aceras hungen zur Erhaltung gefährdeter Sippen, doch anthropophorum an ihrer nordöstlichen Areal- wird die Kenntnis der für jede Sippe spezifi- grenze verwiesen. schen biologischen Gegebenheiten stets aus- Cephalanthera longifolia ist die lichtbedürf- schlaggebend für Einzelfall-Entscheidungen tigste der 3 zentraleuropäischen Arten dieser bleiben müssen. Gattung und zeichnet daher in hiesigen Orchi- Hauptgefährdungsfaktor für zentraleuropä- deen-Buchen-Wäldern im 20. Jahrhundert ische Potamogetonaceae ist die natürliche, an- großflächig abgelaufene Strukturumbildungen thropogen nur flächendeckend forcierte und am besten nach (Abb. 9): Nach HOUGHTON et zumeist auch langfristig kaum reversible Verän- al. (zit. in SCHÖNWIESE 1994) hat Kohlendioxid derung der chemischen Parameter der Gewäs- (CO2) 22 % Anteil am natürlichen, aber 61 % ser. Die per Übergang zur industriemäßigen „Verursacherrolle“ beim anthropogenen Treib- Landnutzung lawinenartig ausgelöste Eutro- hauseffekt: Die atmosphärische CO2-Konzen- phierung lässt sich zuweilen durch andere an- tration ist von 280 ppm (um 1800) auf 355 ppm thropogene Immissionen noch in eine Oligo- (1991) gestiegen und wird laut hypothetischer trophierung umkehren, doch stellt selbst diese Trendfortschreibung weiter anthropogen stei- auch nur einen Randeffekt der wiederum an- 32 Pulsatilla, Heft 5, 2002 thropogen beschleunigten, seit dem Spätglazial sen besiedelnden Orchideen-Arten wie auch ohnehin gleichfalls natürlichen Azidifikation die heliophilen Waldorchideen in Mitteleuropa dar (s. LANG 1994). Letzteres Phänomen ist zu- am ehesten durch gestaltenden Naturschutz zu mindest im größeren Maßstab bis heute nicht fördern sein (vgl. Abb. 10, 11, 13 und 9), da sie beherrschbar: So kann der „Extinktions-Strei- ihre regional früher gleichmäßigere Verbrei- fen“ an der Südwestgrenze des Areals von Pota- tung oder gar Vorposten ihrer nordöstlichen mogeton rutilus (Abb. 14) vorsichtig nur so ge- Arealgrenze dem wirtschaftenden Menschen deutet werden, dass hier offenbar die Verfüg- vorangegangener Generationen verdanken. Die barkeit zeitlich differenzierter Daten mit der Arealkerne dieser Sippen liegen in der deutschlandweit ausgeprägten Gewässerbelas- (sub)meridionalen bis südlich-temperaten tung am Arealrand räumlich zusammen fällt, Florenzone. obschon etwa in Skandinavien die Situation der basensteten Wasserpflanzen nicht minder ernst 4.12 Arealtypen im europäischen Maßstab ist (z. B. LANG 1994). Pflanzengeographisch hat Europa Anteil an Für alle noch von stenöken Makrophyten 5 Florenzonen, die alle zum holarktischen Flo- besiedelten basenreichen Klarwasserseen ist renreich gehören. Selbst in der arktischen Flo- deshalb die bestmögliche Konservierung des renzone ist noch ein florendifferenzierendes Status quo anzustreben. Die Arealkerne dieser Kontinentalitätsgefälle in west-östlicher Rich- Arten sind in den glazial überformten Gebieten tung nachweisbar (MEUSEL & JÄGER 1992). In der heutigen nördlich-submeridionalen, tem- boreal-arktischen Breiten haben eurasische und peraten und borealen Florenzone zu suchen zirkumpolare Gürtelareale dennoch einen weit (vgl. z. B. Abb. 4.2-1 in LANG 1994 mit den Abb. größeren Anteil im Arealtypenspektrum als in 5 und 14). den südlichen Florenzonen der Holarktis, wo Demgegenüber werden die pseudohemero- nach JÄGER (1968) die kontinentalitätsindiffe- phoben, hierzulande vorzugsweise Halbkultur- renten unter den Arten mit großen Gürtelarea- Biotope wie Halbtrockenrasen oder Streuwie- len etwa in der submeridionalen Florenzone

Abb. 14. Areal von Potamogeton rutilus WOLFG. CHRISTIAN AHRNS: Laichkrautgewächse und Orchideen als Extreme naturschutzrelevanter Arealdarstellung 33 fast immer (Hygro-,) Helo- und Hydrophyten den Verdacht, dass die genannten Orchideen- sind. Da in Europa nach Süden hin die Humi- sippen phylogenetisch wesentlich jünger sein dität zunehmend limitierend und damit diffe- dürften als z. B. diverse Potamogeton-Arten renzierend auf die Flora wirkt, finden sich die (vgl. 4.7). Arten mit holarktischen Breitgürtelarealen in Verallgemeinernd lässt sich folgern, dass in der (sub)meridionalen Florenzone weit über- Europa das Augenmerk von Biodiversitäts- und wiegend in (Hoch-)Gebirgen. Das betrifft die Naturschutz nicht nur wegen der im arktisch-alpinen, also noch in der temperaten Süd(ost)en ungleich größeren Artenzahlen Florenzone vorherrschend alpin verbreiteten (BARTHLOTT et al. 1996) zunehmend mehr auf Arten (in Deutschland z. B. Oxyria digyna oder diesen Teil des Kontinents gerichtet werden Bistorta vivipara) ebenso wie diejenigen, welche sollte, sondern vor allem auch deshalb, weil un- hier bereits die planare Stufe besiedeln. Zur gezählte der dort lebenden Arten nur wesent- letzteren Gruppe gehören Coeloglossum viride lich kleinere Areale besitzen als das Gros der Ar- als die heimische Orchidee mit dem wohl wei- ten etwa der Flora von Deutschland. testen Areal und auch Potamogeton gramineus als fakultativ amphibische Wasserpflanze (Abb. 5 Zusammenfassung 2 und 3). Aus Naturschutzsicht vorrangiger gegenü- Aus den Eigenheiten zur Biologie, Ökologie, ber diesen große Areale besiedelnden Arten sind mittleren Arealgröße und Taxonomie ergeben aber die, welche im Mittelmeergebiet entlang ei- sich für die Gesamtareale der heimischen Arten nes West-Ost-Gradienten in „subhumide bis se- beider Pflanzenfamilien unterschiedliche mitt- miaride Varianten des Etesienklimas“ (MEUSEL lere Funddatendichten, woraus eine räumlich- & JÄGER 1992: 12) eingenischt sind und daher zeitlich fluktuierende Datenheterogenität resul- entsprechend kleine Areale haben. Solch typisch tiert. Insbesondere die schmalblättrigen Pota- west-, zentral- und ostmediterrane Areale wei- mogeton-Arten und die attraktivsten hiesigen sen viele Orchideen auf: Ophrys incubacea, exal- Orchideen können als Extreme der heute mög- tata und mammosa wurden bereits als Muster lichen Bearbeitungsqualität von Arealkarten genannt (Abb. 10); hier fand die Sippendifferen- gelten. Die Spitzenposition der terrestrischen zierung mit der schwerpunktmäßig orientali- Orchidaceae bei der Datenverfügbarkeit schlägt schen Ophrys transhyrcana sogar noch eine ost- sich international auch in einer gleichfalls stark wärtige Fortsetzung. Alle 4 Sippen sind typisch divergierenden Repräsentanz beider Familien mediterrane Florenelemente und haben in der in Rotbüchern oder anderen Gefährdungsana- submeridionalen Florenzone Anschluss an das lysen nieder. Areal von Ophrys sphegodes s. str., deren Areal Weniger gravierend sind die Unterschiede somit den Formenkreis verbindet. Analog sind bei den Interpretationsmöglichkeiten aus areal- die westsubmediterrane Dactylorhiza caramu- kundlicher wie naturschutzfachlicher Sicht: Die lensis und die zentral- bis ost(sub)mediterrane Standardliteratur und die Vielzahl von Areal- Dactylorhiza saccifera wiederum in der submeri- karten eröffnen über die Arealtypisierung Wege dionalen Zone mit dem schwerpunktmäßig sowohl zur vergleichenden Arealanalyse als kühlgemäßigt - bis Zentralsibirien und Jakutien auch zur Extrapolation von Details bei der Are- - verbreiteten Dactylorhiza fuchsii-/maculata- alkarten-Erstellung bis hin zur Prognose der Komplex verbunden usw. Arealdynamik jeweils vor dem Hintergrund der Für die azonale Vegetation aufbauenden Po- Biologie, Ökologie und Taxonomie einer kon- tamogeton-Arten Europas lassen sich keine so kreten Sippe. plausiblen phytogeographischen Korrelationen Gefährdete Arten beider Familien werden herstellen, was neben dem Lebensraum Wasser vorrangig durch konservierenden Schutz zu er- in der Bestäubungs- wie in der Ausbreitungs- halten sein, sofern ihre Arealkerne in glazigenen ökologie begründet sein mag, aber für den Ar- Gebieten liegen. Gestaltende Maßnahmen wer- tenschutz eher als Vorteil anzusehen ist. den vor allem für Sippen (sub)meridionaler Diese Zusammenhänge und Fakten nähren Herkunft angezeigt sein, deren Ausbreitung 34 Pulsatilla, Heft 5, 2002 nach bzw. in Zentraleuropa erst vom Menschen Endangered species of both families will be befördert wurde. able to survive primarily by preserving mea- Generell ist eine stärkere Orientierung der sures if their areas are mainly situated in land- Naturschutzbemühungen auf die südosteuro- scapes reshaped by glaciers; landscape-manag- päisch-kaukasisch-orientalischen und mediter- ing measures will be indispensable to keep the ranen bis alpischen Regionen als den Phanero- orchids alive being pseudohemerophobous in gamen-Diversitätszentren Europas und Central Europe and other species of Vorderasiens zu fordern, zumal dort prozentual (sub)meridional origin. auch ungleich mehr Arten mit nur sehr kleinen In principle, it is necessary to concentrate Gesamtarealen vorkommen - wofür die Orchi- nature protection activities more and more up- deen erneut als privilegiertes Beispiel stehen. on the Southeast European, Caucasian, Middle East, Mediterranean and Alps regions: There 6 Summary are not only the phytodiversity centres of Eu- rope and the Middle East, but there are also Orchidaceae and Potamogetonaceae as ex- proportionally more species with only small to- treme examples of the presentation of distribu- tal ranges - e. g. many orchids. tion maps from the nature protection ap- proach. Key words: distribution maps of mono- Caused by the family-characterizing fea- cotyledons, information content, Red Data tures of the Central European Potamoget- Books, biogeographical aspects, landscape onaceae and Orchidaceae regarding their biolo- change, nature protection strategies. gy, ecology, average sizes of total ranges and taxonomy there are varying average field-data 7 Dank densities. Therefrom results a both spatially and temporally fluctuating heterogeneity of data in Wertvolle Diskussionen und Hinweise ver- the cosmopolitan scale. Especially the obligato- danke ich den Herren Professoren E. J. Jäger rily submerged narrow-leaved pondweeds and (Halle/Bennstedt) und G. Wiegleb (Cottbus), the most attractive varicoloured-flowering as Frau H. Zech (Halle) und Herrn T. Engler well as taxonomically unproblematic terrestrial (Merseburg) das Umzeichnen bzw. Digitalisie- orchids are allowed to be considered to be ex- ren der Arealkartenvorlagen. tremes of the actually possible compilation Die Arbeit wurde gefördert vom Bundesamt quality of our distribution maps at least in the für Naturschutz (Bonn-Bad Godesberg) unter European scale. Fkz. 808 05 060. The top position of the terrestrial orchids concerning the availability of data is interna- 8 Literatur tionally reflected also in the strongly differing representation of both families in numerous ABRAMOV, N. V. (1997): Krasnaja Kniga respubliki Marij El. - Joškar-Ola. Red Data Books. AHRNS, C. & HOFMANN, G. (1998): Vegetationsdynamik und Nevertheless, the possibilities of interpreta- Florenwandel im ehemaligen mitteldeutschen tion from both chorological and nature protec- Waldschutzgebiet „Hainich“ im Intervall 1963- tion points of view are less differing: The 1995. - Hercynia N. F. 31: 33-64. BARTHLOTT, W., LAUER, W. & PLACKE, A. (1996): Global dis- chorologic standard literature including thou- tribution of species diversity in vascular plants: to- sands of maps and a classification of distribu- wards a world map of phytodiversity. - Erdkunde tion types provides in connection with know- 50: 317-327. BAUMANN, H. & KÜNKELE, S. (1980): Das OPTIMA-Projekt ledge of the biology, ecology and taxonomy of zur Kartierung der mediterranen Orchideen. - Jah- the taxa opportunities to carry out comparing resber. Naturwiss. Verein Wuppertal 33: 146-163. analyses of total ranges, extrapolations of de- BAUMANN, H. & KÜNKELE, S. (1988): Die Orchideen Euro- tails concerning the drafts, or to derive prog- pas. - Stuttgart: Franckh-Kosmos; 191 S. BENKERT, D., FUKAREK, F. & KORSCH, H. (Hrsg.-1996): Ver- noses of the distribution dynamics from the breitungsatlas der Farn- und Blütenpflanzen Ost- annotated maps. deutschlands. - Jena etc.: Fischer; 615 S. CHRISTIAN AHRNS: Laichkrautgewächse und Orchideen als Extreme naturschutzrelevanter Arealdarstellung 35

BONN, S. & POSCHLOD, P. (1998): Ausbreitungsbiologie der HULTÉN, E. & FRIES, M. (1986): Atlas of North European Pflanzen Mitteleuropas. - Wiesbaden: Quelle & vascular plants. Vol. I. - Königstein: Koeltz; 498 S. Meyer; 404 S. Iconographia Cormophytorum Sinicorum V (1976). - Pe- BRUX, H., HEIM, R. & WIEGLEB, G. (1989): Untersuchungen king; 1146 S. zu Lebenszyklus und Phänologie von Potamogeton JÄGER, E. (1968): Die pflanzengeographische Ozeanitäts- alpinus BALBIS und P. natans L. - Verh. GfÖ (Essen gliederung der Holarktis und die Ozeanitätsbin- 1988) 18: 665-670. dung der Pflanzenareale. - Feddes Repert. 79: 157- BUTTLER, K. P. (1996): Orchideen. - Neue, bearb. Sonder- 335. ausg.; München: Mosaik; 287 S. JÄGER, E. J. & HOFFMANN, M. H. (1997): Schutzwürdigkeit CASE Jr., F. W. (1987): Orchids of the Western Great Lakes von Gefäßpflanzen aus der Sicht der Gesamtareale. region. - Rev. ed.; Cranbrook: Inst. of Sci.; 251 S. - Zeitschr. Ökologie u. Naturschutz 6: 225-232. CHARKEVIČ, S. S. (1987): Sosudistye rastenija Sovetskogo KLEINSTEUBER, A. & WOLFF, P. (1998): Potamogetonaceae. - Dal´nego Vostoka. T. 8. - Sankt-Peterburg: Nauka; In: SEBALD, O., SEYBOLD, S., PHILIPPI, G. & WÖRZ,A. 382 S. (Hrsg.): Die Farn- und Blütenpflanzen Baden- Climatic atlas of Europe (1970), ... of North America (1979) Württembergs. Bd. 7. - Stuttgart: Ulmer; 595 S. & ... of Asia (1981). - Budapest (1970-79); Lenin- KORNECK, D., SCHNITTLER, M. & VOLLMER, I. (1996): Rote grad (1981). Liste der Farn- und Blütenpflanzen (Pteridophyta CRIBB, P. (1997): The genus Cypripedium. - Portland: Tim- et Spermatophyta) Deutschlands. - Schriftenr. f. ber. Vegetationskunde 28: 21-187. DANDY, J. E. (1937): The genus Potamogeton L. in Tropical KÜMPEL, H. (1997): Aceras anthropophorum (L.) W. T. AI- Africa. - J. Linn. Soc. London 50: 507-540. TON. - In: ECCARIUS, W. (Hrsg.): Orchideen in Thü- DAUMANN, E. (1963): Zur Frage nach dem Ursprung der ringen. - Eisenach: Frisch; 256 S. Hydrogamie. Zugleich ein Beitrag zur Blütenökolo- LANG, G. (1994): Quartäre Vegetationsgeschichte Europas. - gie von Potamogeton. - Preslia 35: 23-30. Jena etc.: Fischer; 462 S. ECCARIUS, W. & HEINRICH, W. (1997): Ophrys araneola LUER, C. A. (1975): The native orchids of the United States RCHB. - In: ECCARIUS, W. (Hrsg.): Orchideen in and Canada excluding Florida. - Ipswich: W. S. Co- Thüringen. - Eisenach: Frisch; 256 S. well Ltd.; 361 S. EL HADIDI, M. N. & FAYED, A.-A. (1995): Materials for Ex- MABBERLEY, D. J. (1997): The plant-book. - 2nd, rev. ed.; cursion Flora of Egypt. - Taeckholmia 15: 1-233. Cambridge: Univ. Press; 858 S. ELLENBERG, H., WEBER, H. E., DÜLL, R., WIRTH, V., WERNER, MAI, D. H. (1995): Tertiäre Vegetationsgeschichte Europas. W. & PAULIßEN, D. (1992): Zeigerwerte von Pflan- - Jena etc.: Fischer; 691 S. zen in Mitteleuropa. - 2., verbess. u. erweit. Aufl.; MARKGRAF, F. (1981): Potamogetonaceae. - In: HEGI, G.: Il- Scripta Geobotanica 18: 5-258. lustrierte Flora von Mitteleuropa. Bd. I.2. - 3., völlig FERNALD, M. L. (1932): The linear-leaved North American neu bearb. Aufl.; / Hamburg: Parey; 269 S. species of Potamogeton, section Axillares. - Mem. MEHL, J. (1986): Die fossile Dokumentation der Orchideen. Am. Acad. Arts & Sciences 17(1): 1-183. - Jahresber. Naturwiss. Verein Wuppertal 39: 121- FRANK, D. & KLOTZ, S. (1990): Biologisch-ökologische Da- 133. ten zur Flora der DDR. - 2., völlig neu bearb. Aufl.; MEIJDEN, R. VAN DER, PLATE, C. L. & WEEDA, E. J. (1989): At- Wiss. Beitr. Univ. Halle-Wittenberg 1990/32 (P 41). las van de Nederlandse Flora. Vol. 3. - Voerendaal: Halle / Oberlungwitz; 167 S. Schryen-Lippertz; 264 S. GONZALEZ GUTIERREZ, M. (1989): El género Potamogeton MENNEMA, J., QUENÉ-BOTERENBROOD, A. J. & PLATE, C. L. (Potamogetonaceae) en México. - Acta Bot. Mexic. (1980): Atlas of the Netherlands Flora. Vol. 1. - The 6: 1-43. Hague etc.: W. Junk bv Publishers; 226 S. GRUBOV, V. I. & EGOROVA, T. V. (1977): Rastenija MENNEMA, J., QUENÉ-BOTERENBROOD, A. J. & PLATE, C. L. Central´noj Azii. Vyp. 7. - Leningrad: Nauka; 137 S. (1985): Atlas van de Nederlandse Flora. Vol. 2. - GUBANOV, I. A. (1996): Konspekt flory Vnešnej Mongolii Utrecht: Bohn, Scheltema & Holkema; 349 S. (sosudistye rastenija). - Moskva: Valang; 136 S. MEUSEL, H. (1969): Beziehungen in der Florendifferenzie- HAEUPLER, H. & SCHÖNFELDER, P. (Hrsg.-1989): Atlas der rung von Eurasien und Nordamerika. - Flora 158: Farn- und Blütenpflanzen der Bundesrepublik 537-564. Deutschland. - 2., durchges. Aufl.; Stuttgart: Ulmer; MEUSEL, H. & JÄGER, E. J. (1992): Vergleichende Chorologie 768 S. der zentraleuropäischen Flora. Bd. 3 (2 Bde.). - Jena HAGSTRÖM, J. O. (1916): Critical researches on the Potamo- etc.: Fischer; 333 + 270 S. getons. - Kungl. Svensk. Vet. Handl. 55(5): 1-281. MEUSEL, H., JÄGER, E., RAUSCHERT, S. & WEINERT, E. (1978): HOFMANN, G., ANDERS, S., BECK, W., CHRZON, S. & MAT- Vergleichende Chorologie der zentraleuropäischen THES, B. (1992): Buchenwälder in der ehemaligen Flora. Bd. 2 (2 Bde.). - Jena: Fischer; 418 + 163 S. DDR und ihr Vitalitätszustand. - NZ-NRW-Semi- MEUSEL, H., JÄGER, E. & WEINERT, E. (1965): Vergleichende narber. 12: 23-34. Chorologie der zentraleuropäischen Flora. Bd. 1 (2 HULTÉN, E. (1958): The amphi-atlantic plants and their Bde.). - Jena: Fischer; 583 + 258 S. phytogeographical connections. - Stockholm: NASIR, E. & ALI, S. I. (1972): Flora of West Pakistan. - Kara- Almqvist & Wiksell; 340 S. chi: Fakhri Printing Press; 1028 S. HULTÉN, E. (1971): Atlas of the distribution of vascular OBERDORFER, E. (Hrsg.-1993): Süddeutsche Pflanzengesell- plants in Northwestern Europe. - Stockholm: Kar- schaften. Teil 2. - 3. Aufl.; Jena etc.: Fischer; 355 S. togr. Inst.; 531 S. OBERDORFER, E. (2001): Pflanzensoziologische Exkursions- 36 Pulsatilla, Heft 5, 2002

flora. - 8., stark überarb. u. erg. Aufl.; Stuttgart: Ul- VELČEV, V. (Hrsg.-1984): Červena kniga na NR Bulgarija. T. mer; 1051 S. 1 (Rastenija). - Sofija; 447 S. PERRING, F. H. & WALTERS, S. M. (Eds.-1990): Atlas of the VESTER, H. (1940): Die Areale und Arealtypen der Angios- British Flora. - 3rd ed.; Melksham: Redwood Press permen-Familien. 1. Teil. - Bot. Archiv 41: 203-356. Ltd.; 444 S. VOSS, E. G. (1972): Michigan flora. Part 1. - Kingsport Press; RENZ, J. (1978): Orchidaceae. - In: RECHINGER, K.-H.: Flora 488 S. Iranica. Bd. 30 (Lfg. 126). - Graz: Akad. Druck- u. WELK, E. (2001): Verantwortung Deutschlands für die welt- Verlagsanst.; 148 S. weite Erhaltung von Gefäßpflanzen aus pflanzenge- ROMPAEY, E. VAN & DELVOSALLE, L. (1979): Atlas de la Flore ographischer Sicht. - Pulsatilla 4: 7-27. Belge et Luxembourgeoise. - 2ème ed.; Grimbergen: WEYER, K. VAN DE (1997): Untersuchungen zur Biologie und POOT. Ökologie von Potamogeton polygonifolius POURR. im ROTHMALER, W. (Hrsg. JÄGER, E. J. & WERNER, K.-2002): Ex- Niederrheinischen Tiefland. - Dissert. Bot. 278: 178 kursionsflora von Deutschland. Bd. 4. - 9., völlig S. neu bearb. Aufl.; Heidelberg / Berlin: Spektrum; WIEGLEB, G. (1988): Notes on pondweeds - outlines for a 948 S. monographical treatment of the genus Potamogeton SCHNITTLER, M. & LUDWIG, G. (1996): Zur Methodik der Er- L. - Feddes Repert. 99 (7/ 8): 249-266. stellung Roter Listen. - Schriftenr. f. Vegetations- WIEGLEB, G. (1990): A redescription of Potamogeton wrightii kunde 28: 709-739. (Potamogetonaceae). - Pl. Syst. Evol. 170: 53-70. SCHÖNWIESE, C.-D. (1994): Klima. - Mannheim etc.: B.I.- WIEGLEB, G. & KAPLAN, Z. (1998): An account of the species Taschenbuch; 128 S. of Potamogeton L. (Potamogetonaceae). - Folia SCHÖNWIESE, C.-D., RAPP, J., FUCHS, T. & DENHARD,M. Geobotanica et Phytotaxonomica 33: 241-316. (1993): Klimatrend-Atlas Europa 1891 - 1990. - WILLEMS, J. H. & LAHTINEN, M.-L. (1997): Impact of polli- Ber. Zentrum f. Umweltforschung 20: 3-218. nation and resource limitation on seed production SCHÜZ, E., BERTHOLD, P., GWINNER, E. & OELKE, H. (1971): in a border population of Spiranthes spiralis (Orchi- Grundriss der Vogelzugskunde. - 2., völlig neube- daceae). - Acta Bot. Neerl. 46(4): 365-375. arb. Aufl. - Berlin / Hamburg. WILMANNS, O. (1993): Ökologische Pflanzensoziologie. - 5., SCHROEDER, F.-G. (1998): Lehrbuch der Pflanzengeogra- neu bearb. Aufl.; Heidelberg / Wiesbaden: Quelle & phie. - Wiesbaden: Quelle & Meyer; 459 S. Meyer. SYTNIK, K. M. (Hrsg.-1988): Redkie i isčezajuščie rastenija i YU-CHUAN, M. (Hrsg. - 1985): Flora Intramongolica. To- životnye ukrainy. - Kiev: Naukova Dumka; 253 S. mus 8. - Huhhot: Typis Intramongolicae Popularis; TÄCKHOLM, V. (1974): Student´s flora of Egypt. - 2nd ed.; 372 S. Beirut: Cooperative Printing Comp.; 888 S. TUR, N. M. (1982): Revisión del género Potamogeton L. en la Argentina. - Darwiniana 24: 217-265.

Anschrift des Verfassers: CHRISTIAN AHRNS, Zerbster Straße 43/209, D-06124 Halle/Saale Pulsatilla, Heft 5, 2002, Seite 37-49

BJÖRN RUSSOW, Rostock

Pflanzen auf ur- und frühgeschichtlichen Siedlungsplätzen – Ein Diskussionsbeitrag zur Problematik der Kulturreliktpflanzen

1 Einleitung 1.1 Geschichte der Erforschung von Kulturre- liktpflanzen Seit Sesshaftwerden des Menschen hat er die In einem kleinen Artikel beschreibt WILLEB- Vegetation Mitteleuropas nachhaltig verändert. RAND (1842) das Vorkommen von verdächtigen Zunächst wurden nur Siedlungsflächen gero- Pflanzenarten auf slawischen Burgwällen in det, die schnell wieder aufgegeben wurden. Die Mecklenburg und leitet daraus ab, dass diese „neolithische Revolution“ brachte dann auch Arten von den Slawen angebaut wurden. Die- eine langfristige Besiedlung von Flächen (POTT sem Gedanken folgend wurden am Ende des 19. 1997). Eng mit der menschlichen Tätigkeit ist Jh./ Anfang des 20. Jh. verschiedene Aufsätze der Transport und die Nutzung von Pflanzen unter Erwähnung solcher Pflanzen veröffent- verbunden. Im Laufe der Zeit wurden in licht (LISCH 1860, KRAUSE 1884, GEINITZ 1907). Deutschland etwa 12.000 Pflanzenarten be- Ebenfalls in dieser Zeit erschienen in Frank- wusst oder unbewusst eingeführt (LOHMEYER reich einige Aufsätze zur Besonderheit der Bur- UND SUKOPP 1992). Von diesen werden gegen- genflora (z.B. KIRSCHLEGER 1862; zusammenfas- wärtig 374 in Deutschland als eingebürgert be- sende Darstellung bei BRANDES 1996). 1932 trachtet (KUNICK 1991). Ein besonderes Phäno- wurde von MÜLLER über die Möglichkeit des men aus der Gruppe der Eingebürgerten (Erga- Auffindens von menschlichen Siedlungen, auch siophygophyten i.S.v. ZISKA 1985) sind Arten, wenn sie über tausend Jahre verlassen sind, mit die bewusst im Zeitraum der Ur- und Frühge- der Verbreitung der Harmelstaude (Peganum schichte eingeführt oder angepflanzt wurden, harmala) in Anatolien berichtet. Davon inspi- und später an den Punkten ihrer Einführung riert führte Bauch Untersuchungen zur Flora auch bis heute einen Verbreitungsschwerpunkt der slawischen Burgwälle in Mecklenburg und behielten. Allgemein werden diese Arten in der Vorpommern durch und veröffentlichte ab Literatur als „Kulturreliktpflanzen“ zusammen- 1934 mehrere Aufsätze zur Thematik (BAUCH gefasst. Im vorliegenden Beitrag werden die 1934, 1936, 1937a, 1937b, 1938, 1953). Heraus- „Kulturreliktpflanzen“ der ur- und frühge- ragend ist seine Publikation von 1937 (BAUCH schichtlichen Siedlungsplätze und die Proble- 1937b) in der er Pflanzenarten mit einer signifi- matik ihrer Erkennung und Erforschung be- kanten Bindung an ur- und frühgeschichtliche handelt. Aufgrund der sehr regionalen Quellen- Stätten in Mecklenburg und angrenzenden Ge- lage kann kein Anspruch auf Vollständigkeit er- bieten als „Kulturreliktpflanzen“ benennt. Be- hoben werden. sonderes Augenmerk wird dabei auf Pflanzen- 38 Pulsatilla, Heft 5, 2002 arten der slawischen Burgwälle gerichtet. Eine Flora geben JANSSEN (1990) und SIGL (1998a, Reihe von Arbeiten befasste sich seitdem mit 1998b) anhand von mittelalterlichen Burgrui- der Verbreitung von Kulturreliktpflanzen (fol- nen, ohne auf das Phänomen der Kulturrelikt- gend KRP) der slawischen Periode in einzelnen pflanzen näher einzugehen. Die angewandte Teilgebieten Mecklenburgs (HOLLNAGEL 1953a, Methodik ist aber auch für die Erforschung der 1953b, DAHNKE 1956, KINTZEL 1971, BEHM KRP nutzbar. Modellhafte Ansätze, die aus den 1993, RUSSOW UND SCHULZ 2001). Als deutsch- kulturhistorischen Gegebenheiten einer Zeit- mittelalterliche Kulturreliktpflanze aus Meck- stufe und den damit in Zusammenhang stehen- lenburg wurde von BALASKE (1962) und LÜDERS den Relikten das Vorkommen von bestimmten (1970) die Gemeine Pestwurz (Petasites hybri- KRP vorhersagen, fehlen bisher vollständig. dus) herausgearbeitet. Auch aus anderen Regionen Deutschlands 1.2 Definition der „Kulturreliktpflanzen“ und Europas wurden im Laufe der Zeit Pflan- Von den verschiedenen Autoren liegen zenarten mit einer Bindung an ur- und frühge- unterschiedliche Umschreibungen und Defini- schichtliche Siedlungsplätze bzw. -gründungen tionen für die Begriffe „Kulturreliktpflanzen“, bekannt. So beispielsweise aus Unterfranken „pflanzliche Kulturrelikte“, oder „Reliktpflan- die Stinkende Nieswurz (Helleborus foetidus) zen“ vor. Zum besseren Verständnis werden sie auf keltischen Kultstätten (ADE in BAUCH an dieser Stelle dokumentarisch zusammenge- 1937b), die Grüne Nieswurz (Helleborus viridis) stellt: auf mittelalterlichen Burgplätzen in Nieder- „So neigt man dazu, die Gesamtheit der an- sachsen und Hessen (LAMPE 1960, WINTERHOFF thropochoren Ruderalpflanzen als Kulturrelikte 1977), aus dem Rheinland das Kleine Immer- der Vorzeit anzusprechen, die vermutlich zu ei- grün (Vinca minor) auf römischen Siedlungs- nem nicht geringen Teil bei der Einwanderung plätzen (PRANGE 1996) und aus Böhmen der des ackerbautreibenden Neolithikers oder Me- Wermut (Artemisia absinthium) von mittelal- solithikers in das nacheiszeitlich leere Europa terlichen Dorfgründungen (TOMAN 1989). Für aktiv oder passiv mitgekommen sind ...“ die Niederlanden wurden die sogenannten (BAUCH 1937b, S. 77) „Stinzenplanten“ benannt, die zumindest teil- „Zu den Kulturpflanzen müssen wir in der weise zu den KRP gehören dürften (BAKKER mecklenburgischen Flora auch einige Pflanzen- 1985, BAKKER und BOEVE 1985). arten rechnen, die vom Menschen ursprünglich Erste methodische Ansätze zur Erforschung angebaut wurden, späterhin aber von diesen des Problems der Kulturreliktpflanzen lieferte Anbauzentren ausstrahlend sich ihren Platz in VOIGTLÄNDER (1973). Eine systematische Unter- den heimischen Pflanzengesellschaften erobert suchung eines großen Gebietes zur Prüfung der haben.“ (BAUCH 1953, S. 213) Bauch´schen These zu den KRP stellte CELKA „...nicht nur die Kulturpflanzen selbst, son- (1998) für Westpolen vor. Forschungen aus dern auch die mit ihnen gekommenen Begleit- Großbritannien konnten in den letzten Jahren pflanzen (Unkräuter) zum Teil als Kulturrelikte mittels statistischer Verfahren eine Reihe von herausgestellt werden.“. Der Autor teilt die Pflanzenarten (etwa 95) ausweisen, die deutlich „pflanzlichen Kulturrelikte“ in Kulturrelikte im zu ur- und frühgeschichtlichen Stätten assozi- engeren Sinne und Kulturrelikte im weiteren iert sind (SPEARS mündl.1998). Sinne (wie Dorfstrassenpflanzen). (DAHNKE Die Ursache des Vorkommens solcher 1956, S. 2) Pflanzen auf ur- und frühgeschichtlichen Sied- „Als Kulturrelikte sollen Pflanzen verstan- lungsplätzen wurde bei allen bisherigen Unter- den werden, die ursprünglich wohl von den Sla- suchungen auf die Nutzung durch den Men- wen in unserem Gebiet angebaut worden wa- schen zurückgeführt. Andere Möglichkeiten, ren“ (KINTZEL 1971, S. 25) wie die Besonderheit des Standortes, sind bisher „Ehemals wildlebende Pflanzen, die für die nicht hinterfragt worden. Wichtige Ansätze zur menschliche Ernährung oder als Rohstoffe so Analyse frühgeschichtlicher und frühneuzeit- wichtig waren, daß der Mensch sie anbaute und licher Stätten als Standort einer besonderen zum Teil weiterzüchtete. Eine Reihe von ihnen BJÖRN RUSSOW: Pflanzen auf ur- und frühgeschichtlichen Siedlungsplätzen 39

(vor allem solche, die ihren Wildcharakter bei- Grenzbereich zwischen Botanik und Vorge- behalten haben) konnten sich auch nach Aufga- schichtsforschung ermöglicht. Dies ist in sofern be der Siedlung oder ihrer Nutzung im Bereich wichtig, da die unterschiedlich ausgerichteten der ehemaligen Anbauflächen halten und der Arbeitsweisen von Natur- und Geisteswissen- Konkurrenz der übrigen Pflanzen widerste- schaften kaum eine Vermischung der anzuwen- hen.“ (VOIGTLÄNDER 1973, S. 35) denden Methoden zulassen. Als Kulturreliktpflanzen „sind solche Pflan- Als Kulturreliktpflanzen werden Arten und zen zu verstehen, von denen wir annehmen, Varietäten verstanden, deren aktuelle Verbrei- daß sie zu Heilzwecken oder anderen Dingen in tung innerhalb eines bestimmten Gebietes eine der Vergangenheit angebaut wurden. Sie kön- auffällige Bindung an menschliche Siedlungs- nen daher auch als Siedlungszeiger dienen.“ plätze einer oder mehrerer Kulturstufen auf- (RIDDER 1979, S. 42) weist. Sie wurden dort vom Menschen als „´Stinzenplanten´ sind Pflanzen, die inner- Nutz- oder Zierpflanzen kultiviert und konn- halb eines bestimmten Gebietes in ihrer Ver- ten nach Nutzungsaufgabe der Siedlungsplätze breitung beschränkt sind auf Wasserburgen, verwildern bzw. sich einbürgern. Eine eindeu- Schloßparke, Landsitze (Gutsparke), alte Bau- tige Trennung gegenüber Kulturfolgern mit ernhöfe, Gärten und verwandte Standorte wie gleichen Standortansprüchen ist meist nicht Friedhöfe, Bastionen und Stadtwälle. Es sind möglich. Arten und Varietäten mit auffälligen Blüten, die Es muss darauf hingewiesen werden, dass vorher als Zierpflanzen in Parken und Gärten die vorgestellte Definition nicht nur für KRP ausgepflanzt wurden und anschließend verwil- aus ur- und frühgeschichtlicher Zeit Gültigkeit dert und eingebürgert sind. Bestimmte Arten besitzt. Diese sind jedoch aufgrund ihrer beson- können sich aber auch spontan aus der Umge- deren Situation als „lebendes Kulturgut“, das bung angesiedelt haben.“ (BAKKER 1985, S. 107) die meist nur aus archäologischen Befunden „Es handelt sich hierbei um Pflanzengesell- nachvollziehbare Lebensweise der Menschen schaften, die untrennbar mit historischen Er- vergangener Zeiten dokumentiert, von heraus- eignissen, Bauwerken oder Siedlungen in Ver- ragendem Interesse. bindung stehen. Diese Pflanzenarten wurden von den ehemaligen Bewohnern angebaut oder 2 Analyse von Kulturreliktpflanzen eingeführt und sind u.a. in der Umgebung alter Burganlagen, als Reste ehemaliger Gärten oder Beispielgebend für die Erkennung von KRP auch im Umfeld von Wüstungen aufzufinden.“ kann ein Zitat von WILLEBRAND (1852, S. 132) (BEHM 1997, S. 90) angeführt werden: „Es finden sich aber auch Die angeführten Zitate zeigen, dass keine Pflanzenarten auf ihnen [slawische Burgwälle], einheitliche Meinung über den Charakter von die der Umgebung ganz fremd zu sein scheinen KRP besteht. Das Spektrum reicht von den an- und bei deren Betrachtung man leicht zu der thropochoren Arten bis zu speziellen Nut- Annahme verleitet wird, daß sie durch Men- zungsgruppen bzw. Zeitstufen der Nutzung. schenhand dorthin gebracht wurden.“ Bereits Auch bei neueren Analysen solcher Arten wur- in dieser frühen Quelle sind alle wesentlichen den unterschiedliche Definitionen zugrunde Faktoren zur Erkennung und Beschreibung von gelegt, was zur Ausweisung bzw. Vermischung KRP enthalten, so die raumscharfe Lokalisation von Pflanzenarten verschiedenartigster Merk- und die zeitscharfe Feststellbarkeit ihrer Kulti- malsgruppen als KRP führte. Für die weitere vierung. Bearbeitung der Thematik ist eine einheitliche Der erste Faktor resultiert aus der Tatsache, Begriffsbestimmung unerläßlich. Deshalb wird dass bestimmte Arten gehäuft oder ausschließ- hier eine zusammenfassende Definition vorge- lich auf Bodendenkmalen einer oder mehrerer stellt. Damit wird keine neue floristische Kate- Kulturstufen auftreten. Teilweise kann sogar ei- gorie eingeführt, sondern vielmehr für eine kul- ne Konzentration auf einen bestimmten Be- turhistorisch bedeutsame Gruppe von Pflanzen reich des Objektes festgestellt werden (räumli- die Möglichkeit der exakten Bearbeitung im che Schärfe), wie dies von BAUCH (1937a) für 40 Pulsatilla, Heft 5, 2002 den slawischen Burgwall von Teterow (Meck- sind die Arten auf den ur- und frühgeschicht- lenburg-Vorpommern) belegt ist. Diese Berei- lichen Siedlungsplätzen aktuell vorhanden? che, wie die gesamte Siedlungsstruktur, können Und zweitens: Welche Arten sind als KRP zu mit Hilfe archäologischer oder naturwissen- benennen? Zur Lösung dieser Fragen sind fol- schaftlicher Methoden datiert und einer be- gende Punkte zu bearbeiten: stimmten Nutzung durch Interpretation der – Die derzeitige bzw. nachvollziehbare Ver- Befunde zugewiesen werden. breitung und Vergesellschaftung von Arten mit Neben dem aktuellen Vorkommen der KRP auffälliger Bindung an ur- und frühgeschichtli- steht die Frage nach der Herkunft der Vorkom- che Siedlungsplätze. men dieser Arten. Hier können zwei Ursachen – Die ehemalige Verbreitung und Vergesell- angeführt werden: Zum Einen kann es sich um schaftung der Arten zur Zeit der Nutzung der Spezies handeln, die zur Ausbreitung über grö- ur- und frühgeschichtlichen Siedlungsplätze ßere Strecken befähigt sind, aber nur dort ge- mittels archäobotanischer Methoden. eignete Wuchsbedingungen finden, wo der – Der Nachweis einer möglichen Verwendung Mensch den Standort auf ganz spezielle Weise bzw. des Anbaus zur Zeit der Nutzung der ur- verändert hat. Zum anderen können Arten und frühgeschichtlichen Siedlungsplätze zwar befähigt sein, auf menschlichen Siedlungs- mittels Auswertung schriftlicher und archäobo- plätzen in unseren Breiten zu leben, aber nicht tanischer Quellen (verändert nach VOIGTLÄN- selbständig dort hin gelangen. Sie sind auf die DER 1973). aktive (Nutzung) oder passive (Verschleppung) – Die Analyse des Standortes „Ur- und frühge- Ausbreitung durch den Menschen angewiesen. schichtlicher Siedlungsplatz“ (Archäotop nach Hier liegt das Hauptproblem der Erken- RINGLER 1993, BEHM 1998) mit archäologi- nung von KRP. Es sind keine vollständigen Ver- schen, standort- und bodenkundlichen Metho- gleichsmöglichkeiten mit der Nutzungszeit der den. Siedlungsplätze vorhanden. Auch durch Pol- Eine Einbeziehung der gesamten Flora von len- und Makrorestanalysen gewonnene Spek- bestimmten Typen ur- und frühgeschichtlicher tren sind oft nicht bis zum Artniveau bestimm- Stätten unterblieb im Zusammenhang mit der bar (MOORE et al. 1991). Darüber hinaus ist die Erforschung der KRP weitgehend. Hier sind die Entwicklung des Standortes nach Aufgabe der floristischen und vegetationskundlichen Unter- entstehungszeitlichen Nutzung kaum über den suchungen an mittelalterlichen Burgen bei- gesamten Zeitraum bis heute nachvollziehbar. spielgebend (VOLLRATH 1958/60, LOHMEYER Hinzu kommt, dass „die anthropogene Nut- 1975, BRANDES 1987, JANSSEN 1990, BRANDES zung der Pflanzen“ im archäologischen Befund 1996, SIGL 1998a, 1998b, DEHNEN-SCHMUTZ nur in Ausnahmefällen nachweisbar ist. Trotz- 2000). Die von den genannten Autoren ange- dem muss – soweit dies möglich ist - eine ein- wandten Vorgehensweisen zur Erkundung der heitliche Methodik für die sichere Erkennung Flora bestimmter Objekte oder Gebiete er- der KRP angewandt werden. Erste methodische scheint auch für die Thematik der KRP modifi- Ansätze zur Klärung des Problems liegen wie ziert anwendbar. Ein weiterer Ansatz zur Suche eingangs erwähnt von VOIGTLÄNDER (1973) vor. von Arten, die zu Bodendenkmalen assoziiert Weitere Beiträge zur Erkennung von Relikt- sind, stellt SPEARS et al. (2000) vor. Hier wird pflanzen wurden unter Auswertung möglicher durch Verschneidung der Quadranten des Vor- Nutzungen, der natürlichen Standortansprüche kommens von Pflanzenarten (Raster 2*2km) und der aktuellen Verbreitung von BEHM & PI- im Zusammenhang mit dem Vorhandensein VARCI (1998) und PIVARCI & BEHM (2000) gelie- von Bodendenkmalen (angepasst auf das Ver- fert. breitungsraster der Pflanzen) gearbeitet. Momentan besteht die Gefahr, dass die Pro- Eine Möglichkeit, die den konkreten Nach- blematik in verschiedene Teilgebiete aufgespal- weis der Nutzung einer Art in einer Zeitstufe er- ten wird, noch bevor ein Konsens über den setzen kann, wurde von CELKA (1998) für Malva Charakter dieser Arten vorliegt. Dabei stehen alcea als Vergleich zwischen Westpolen und zwei Fragen im Vordergrund. Erstens: Warum Nordostdeutschland (Bezugsebene war BAUCH BJÖRN RUSSOW: Pflanzen auf ur- und frühgeschichtlichen Siedlungsplätzen 41

1937b) entwickelt. Er konnte in einem westpol- LUNG (1915) gibt Hinweise auf die unvollständi- nischen Gebiet eine kontinuierliche Nutzung ge Ausbreitung von Arten. Möglichkeiten für der Rosenmalve (Malva alcea) anhand von Verbreitungslücken sind: Nachweisen auf Burgwällen und Siedlungsplät- x Unabgeschlossene Ausbreitung spät einge- zen bis zum Ende des Mittelalters aufzeigen. In wanderter oder eingebürgerter Arten, Nordostdeutschland ist diese Art als KRP nur x Langsame Besiedlung neuer potentieller auf slawischen Siedlungsplätzen bis zum begin- Wuchsorte nach jüngeren natürlichen oder nenden Spätmittelalter nachzuweisen; auf den anthropogenen Standortveränderungen, Burgen der deutschen Kolonisationszeit fehlt x Mangelnde Besiedlung isolierter Wuchsor- sie. Da in den untersuchten polnischen Gebie- te, die neu entstanden oder durch vorüber- ten das slawische Ethnikum nicht durch deut- gegangene Ereignisse floristisch verarmt sche Siedler im 12./ 13. Jh. abgelöst wurde, kann sind, dieser räumlich und zeitlich eingrenzbare x Unvollkommene Verdrängung einer Art Unterschied in den Vorkommen als Beweis für durch eine unvollständig verbreitete andere den Reliktcharakter der Art gedeutet werden. (alle WINTERHOFF 1977), Abstrahiert stellt sich dieser Sachverhalt fol- x Zerstörung von bestimmten Biotoptypen gendermaßen dar: und damit Zurückdrängung von Arten auf Dort, wo die sozio-ökonomische Basis der vorhandene Rest- oder Sekundärbiotope Ausprägung von historischen Objekten ähn- (VOIGTLÄNDER 1973, KUNICK 1991). licher Typik als Träger einer besonderen Flora Lediglich die unter Erstens und Zweitens räumlich oder zeitlich wechselt, ändert sich benannten Faktoren lassen einen direkten auch die Zusammensetzung der genutzten Nachweis von KRP zu. Alle weiteren Punkte Pflanzenarten oder –varietäten. sind sekundäre Veränderungen des Verbrei- Eine allgemeine Überprüfung dieser These tungsgebietes von Arten durch äußere Fakto- steht noch aus. ren, die eine Feststellung von KRP kaum zulas- sen. Schwierig ist die Ermittlung des Verbrei- 2.1 Verbreitung tungsfaktors einer Art in einem bestimmten Wie bereits erwähnt, sind Verbreitungs- Gebiet. Dies kann oft nicht lokal oder regional schwerpunkte bzw. –lücken ein wichtiger Hin- geklärt werden. Daraus ist abzuleiten, dass zur weis auf das Vorhandensein von KRP. Je nach Erkennung von KRP immer das Gesamtareal Herkunft können die KRP in folgende Gruppen der Art betrachtet werden muss (BAKKER 1985, eingeteilt werden (verändert nach BAKKER 1985, SUKOPP 1972). FISCHER 1997): Indigene Arten, die zeitweilig genutzt oder Allgemeine KRP (AKRP): Das natürliche sogar angebaut wurden, nehmen nach der Ver- Verbreitungsgebiet der Art liegt sehr weit vom wilderung wieder ihren Platz in den natürlichen untersuchten Gebiet entfernt oder die Art/ Va- Pflanzenformationen ein und sind nur in be- rietät hat kein eigenes Verbreitungsgebiet. sonderen Fällen, wie in Großstädten (KUNICK Regionale KRP (RKRP): Das natürliche 1991), nachweisbar. Eine Auswertung der Na- Verbreitungsgebiet der Art grenzt an das Gebiet turalisation von 520 in Deutschland heimi- an, in dem die Art Kulturreliktcharakter besitzt, schen/ eingebürgerten Heilpflanzen zeigt, dass so dass eine sekundäre Arealerweiterung der es keine Pflanzengesellschaft gibt, in der ein be- Art vorliegt. sonderer Verbreitungsschwerpunkt dieser im Lokale KRP (LKRP): Die Art wächst auch Vergleich zu zufällig ausgewählten Pflanzenar- außerhalb ehemaliger Siedlungsplätze in natür- ten gleicher Anzahl besteht (RUTHSATZ 1983). lichen oder naturnahen Pflanzengesellschaften und gehört zur Wildflora des untersuchten Ge- 2.2 Nutzung bietes. Ein zentraler Faktor für die Problematik der Verbreitungsschwerpunkte bzw. - lücken KRP ist die Nutzung und die damit verbundene sind nicht in jedem Fall als sicheres Zeichen für Anpflanzung der Arten. Eine Vielzahl von Mög- eine Ausweisung als KRP nutzbar. Schon THEL- lichkeiten kann diesbezüglich festgestellt wer- 42 Pulsatilla, Heft 5, 2002 den. Besonderes Interesse liegt im Zusammen- Anwendung auf ganz spezielle Artenspektren hang mit den KRP auf Nutz- und Zierpflanzen an, wie sie PIVARCI UND BEHM (2000) für die sla- (i.e.S.). SCHLOSSER et al. (1991) verzeichnen wisch-wikingische Periode verwenden. Eine über 900 in Mitteleuropa heimische Arten als wesentlich vereinfachte und damit leichter Nutzpflanzen (i.w.S.), immerhin etwa 1/3 der handhabbare Zusammenstellung, die auch für heimischen Flora. das späte Mittelalter und die frühe Neuzeit an- Die Nutzungen können nach verschiedenen wendbar ist, gibt DEHNEN-SCHMUTZ (2000) für Kriterien klassifiziert werden. Für die relevante nichteinheimische Arten von Burgen in Süd- Flora sind in Tab. 1 drei Auswertungen von Ar- deutschland. Eine sehr allgemein gehaltene tenspektren bzw. Nutzungsgruppen angeführt. Gruppierung kann bei FRANZ (1984) gefunden Je differenzierter die Nutzung benannt wird, werden. Hier fehlen die Nutzpflanzen i.e.S., al- desto problematischer ist der Umgang mit Viel- so technische Verwendungen. fachnutzungen einer Art. Eine genauere Unter- Eine Klassifizierung der Nutzungen ist inso- teilung der Nutzungsarten bietet sich für die fern wichtig, da für die gleiche Zeitstellung

Tab. 1: Vergleich der Nutzungsarten von Kulturpflanzen (PIVARCI UND BEHM 2000, DEH- NEN-SCHMUTZ 2000 und FRANZ 1984)

PIVARCI UND BEHM DEHNEN-SCHMUTZ (2000) FRANZ (1984) (2000) Heilpflanzen Medizinische Wirkstoffpflanzen Verwendung (MV) Gewürz- und Gewürzpflanzen (GP) Wirkstoffpflanzen Gemüsepflanzen Färbepflanzen Technische Verwendung Keine Entsprechung (TV) Futterpflanzen Technische Verwendung Nährstoffpflanzen (TV) Wildformen heutiger Ernährung (E) Nährstoffpflanzen Kulturbaumarten Giftpflanzen Medizinische Wirkstoffpflanzen Verwendung Pflanzen im Zauberpflanzen (ZP) Wirkstoffpflanzen/ Volksbrauchtum Emotionspflanzen Keine Entsprechung Zierpflanzen (ZPL) Emotionspflanzen

Begleiter in den Acker- Keine Entsprechung Keine Entsprechung und Gartenbaukulturen Arten der anthropogen Keine Entsprechung Keine Entsprechung beeinflussten Ruderalvegetation BJÖRN RUSSOW: Pflanzen auf ur- und frühgeschichtlichen Siedlungsplätzen 43 mehrere Nutzungen real vorkommen können. eine herausragende Rolle für das Vorhanden- Darüber hinaus kommt eine scheinbare Viel- sein einer Kulturreliktart an einem ur- oder fachnutzung hinzu, die durch verschiedene frühgeschichtlichen Standort (verändert nach Nutzungen in unterschiedlichen Zeitebenen SUKOPP 1969, RUSSOW 1999, BEHM UND RUSSOW hervorgerufen wird. Man kann heute meist nur 2001): zurückblickend – zeitlich aggregiert – die Ge- x Vergangener Zeitraum seit der Nutzungs- samtheit der Nutzungen feststellen. Aber selbst aufgabe dabei muss davon ausgegangen werden, dass ei- x Nutzungsdauer ne Anzahl von nebensächlichen Nutzungen in x Intensität der Nutzung kleinen Bereichen – räumlich und zeitlich – im x Räumliche Ausdehnung der Nutzung Wissen verloren gegangen sind. Zur zeitschar- Die Standorte von KRP weisen oft hohe an- fen Erkennung des Reliktcharakters einer Art, thropogene Veränderungen des Wuchspotenti- ist die Nutzung durch eine Volksschicht (sozia- als (SIGL 1998b) auf. Dabei handelt es sich um le Gruppe) während einer Kulturstufe (zeitliche morphologische und physiko-chemische Fak- Schärfe) Voraussetzung. Abweichungen davon toren in Boden und Relief. Dies stellte bereits verwischen den Aussagewert der KRP. PRUEGEL (1941) an mittelalterlichen Burgen Es müssen auch Nutzungen bedacht wer- fest. BUCHWALD (1942) lehnte demgegenüber den, die wohl auf Kultivierung zurückgehen, einen Zusammenhang mit prähistorischen Fak- aber keiner ur- und frühgeschichtlichen Stätte toren ab und führte geomorphologische Ursa- zuzuordnen sind. So werden geheime Kräuter- chen für die Ausprägung der Waldgesellschaf- gärtlein von Heilern genannt, in deren Bereich ten an. Wie erheblich jedoch anthropogene sich Pflanzenarten einbürgern konnten. Ein Fall Veränderungen des Bodens sein können, stellte ist mit Gentiana lutea für Franken benannt TÜXEN (1954) anhand der Veränderung von worden (ADE 1954). Waldgesellschaften in der Umgebung von Bur- gen im dar. Hier sind die Bodeneigen- 2.3 Standort schaften auch bei langfristiger Aufgabe der „Pflanzen sind ökologische und soziologi- Siedlungsstruktur so stark verändert, dass eine sche Zeiger, die ihren gegebenen Standort cha- vollständig andere Folgeentwicklung der Vege- rakterisieren. Andererseits können aus der Un- tation (Potentiell Natürliche Vegetation) als in zahl der möglichen Standorte nur jene über ei- Bereichen mit natürlich anstehendem Aus- nen längeren Zeitraum von einer Pflanzenart gangsmaterial stattgefunden hat. Als den Stand- besiedelt werden, in welchen diese ihren Le- ort prägende Faktoren anthropogenen Ur- benszyklus ... durchlaufen kann.“ (TREMP 1996, sprungs können formuliert werden: S.8). Diese simpel erscheinende Feststellung ist x Umgestaltung des Reliefs z.B. mit der Schaf- als die Ursache des Vorkommens von KRP auf fung von Böschungen und Gräben ur- und frühgeschichtlichen Siedlungsplätzen x Veränderung bodenchemischer Eigenschaf- anzusprechen. ten z.B. Anreicherung des Nährstoffgehaltes Nicht jede ur- und frühgeschichtliche Stätte und verschiedener Metalle (verändert nach weist die gleichen Standorteigenschaften auf. JANSSEN 1990) Handelt es sich nur um morphologische Verän- x Veränderung bodenphysikalischer Eigen- derungen ohne größere Stoffzufuhr, ist eine we- schaften z.B. Verdichtung und Materialein- sentlich geringere Veränderung als bei Sied- träge lungsböden mit langer Nutzung zu erwarten. Problematisch stellt sich die bodensystema- Eng damit verbunden ist die Möglichkeit des tische Beurteilung von „archäologischen Bö- Vorhandenseins von KRP. Entscheidende Fak- den“ mit den bekannten Methoden der Feldan- toren für das langfristige Vorhandensein von sprache dar (RUSSOW 1999). Hierfür sind KRP sind die Tiefenlage und die Mächtigkeit grundlegende Kennzeichnungen des Standorts der eigentlichen „Kulturschicht“ – also des an- für die verschiedenen Formen von ur- und thropogen veränderten Bodenhorizontes. frühgeschichtlichen Siedlungsplätzen notwen- Allgemein spielen die folgenden Faktoren dig (BEHM UND RUSSOW 2001). 44 Pulsatilla, Heft 5, 2002

Tab. 2: Charakterisierung bisher benannter Kulturreliktpflanzen. Wissenschaftlicher Zeitstufe 1) Ort/ Region Nutzung Verbrei- Quelle Name 2) tung 3) Agrimonia eupatoria Slawen Mecklenburg MV LKRP BEHM UND PIVARCI 1998, PIVARCI UND BEHM 2000 Allium oleraceum Slawen Mecklenburg GP LKRP BEHM 1993, BEHM UND PIVARCI 1998, PIVARCI UND BEHM 2000 Allium scorodoprasum Slawen Mecklenburg MV LKRP 4) Allium ursinum Mittelalter/ Gelbensande MV/ GP RKRP BAUCH 1936, 1937b, DK, Slawen (Rostock) BEHM UND PIVARCI 1998, PIVARCI UND BEHM 2000 Anthemis tinctoria Slawen Mecklenburg TV LKRP BEHM UND PIVARCI 1998, PIVARCI UND BEHM 2000, PETER 1993, PETER 1994 Antirrhinum majus Mittelalter Süd- ZPL AKRP BRANDES 1992, Deutschland DEHNEN-SCHMUTZ 2000 Artemisia absinthium Mittelalter/ Böhmen, MV AKRP TOMAN 1989, CZ Oberpfalz, HOHENBERGER Querfurt 1996, KRAUSE 1922 Artemisia maritima Mittelalter Burg Arnstein MV AKRP SCHULZ 1914 (Harkerode) Atropa bella-donna Mittelalter Süd- MV LKRP KÜSTER 1996 deutschland Cannabis sativa Mittelalter Homburg MV AKRP HOHENBERGER 1996 (Karlstadt) Cheiranthus cheiri Mittelalter Deutschland ZPL AKRP BRANDES 1992, HOHENBERGER 1996, DEHNEN- SCHMUTZ 2000 Chelidonium majus Slawen Mecklenburg MV LKRP BEHM und PIVARCI 1998, PIVARCI und BEHM 2000 Conium maculatum Mittelalter Rheinland MV AKRP SCHUMACHER 1993 Dianthus Mittelater Fränkische Alb ZPL AKRP VOLLRATH 1958/60 gratianopolitanus flore pleno Gentiana lutea Mittelalter, Franken MV RKRP ADE 1954 Neuzeit Hedera helix Mittelalter Süd- MV LKRP KÜSTER 1996 deutschland Helleborus foetidus Kelten, Unterfranken, MV/ ZP RKRP ADE in BAUCH 1937, Mittelalter Elsaß KRAUSE 1896 Helleborus viridis Mittelalter Mittel- MV RKRP WINTERHOFF 1977, deutschland LAMPE 1960 Hyoscyamus niger Mittelalter Rheinland MV AKRP SCHUMACHER 1993 Hypericum perforatum Slawen Mecklenburg MV LKRP BEHM und PIVARCI 1998, PIVARCI und BEHM 2000 BJÖRN RUSSOW: Pflanzen auf ur- und frühgeschichtlichen Siedlungsplätzen 45

Wissenschaftlicher Zeitstufe 1) Ort/ Region Nutzung Verbrei- Quelle Name 2) tung 3) Hyssopus officinalis Mittelalter Querfurt MV AKRP KRAUSE 1922 Lilium martagon Mittelalter Süd- MV/ LKRP KÜSTER 1996 deutschland ZPL Lithospermum officinale Unbestimmt Bautzen MV LKRP MILITZER 1927, , Mittelalter FRENZEL 1932 Malva alcea Slawen Mecklenburg MV AKRP 4) Marrubium creticum Mittelalter Mansfelder MV AKRP SCHULZ 1913 Seekreis Marrubium vulgare Mittelalter Querfurt MV AKRP KRAUSE 1922 Melissa officinalis Mittelalter Querfurt MV AKRP KRAUSE 1922 Nepeta cataria Mittelalter Oberpfalz MV AKRP HOHENBERGER 1996 Origanum vulgare Slawen Mecklenburg MV RKRP 4) Petasites hybridus Mittelalter Mecklenburg MV RKRP BALASKE 1962, LÜDERS 1970 Primula veris Slawen Lapitz, Rostock MV LKRP LISCH 1860 Rosa majalis flore pleno Mittelalter Fränkische Alb ZPL AKRP VOLLRATH 1958/60, HOHENBERGER 1996 Rumex scutatus var. Mittelalter Bayern, E AKRP HACKEL 1992, hortensis Rheinland WALTER 1993, SCHUMACHER 1993 Ruta graveolens Mittelalter Süd- MV AKRP DEHNEN-SCHMUTZ deutschland, 2000, MARZELL Ober- und 1937 Mittelrhein Serratula tinctoria Slawen Mecklenburg TV LKRP BEHM und PIVARCI 1998, PIVARCI und BEHM 2000, PETER 1993, PETER 1994 5) “Stinzenplanten” Mittelalter, Niederlande ZPL AKRP, BAKKER 1985, Frühe Neu- (GP/ RKRP, BAKKER und BOEVE zeit, MV) LKRP 1985 Neuzeit Verbascum nigrum Slawen Mecklenburg MV/ TV AKRP BEHM und PIVARCI 1998, PIVARCI und BEHM 2000 Vinca minor Römer Rheinland ZP AKRP PRANGE 1996 Viola odorata Slawen, Fresendorf MV AKRP BAUCH 1937 Mittelalter (Rostock)

1) Die genannten Zeitstufen werden wie folgt definiert: Römer 1. Jh. v. u. Z. – 3. Jh. u. Z.; Kelten: 6. Jh. v. u. Z. - 1. Jh. v. u. Z.; Slawen: 7.Jh. u. Z. – 12. Jh. u. Z.; Mittelalter: 9. Jh. u. Z.- 1500; Frühe Neuzeit: 1500-1618; Neuzeit: 1500-Heute; nach dem „/“ werden spezielle Nationalitäten genannt 2) MV – Medizinische Verwendung; GP – Gewürzpflanze; TV – Technische Verwendung; E – Ernährung; ZP – Zauber- pflanzen (auch Anwendung in religiösen Handlungen); ZPL – Zierpflanzen; alle Nutzungsarten nach DEHNEN- SCHMUTZ (2000), siehe Tab. 1. 3) AKRP – Allgemeine KRP; RKRP – Regionale KRP; LKRP – Lokale KRP. 4) Bezieht sich auf Nennungen bei BAUCH 1934, 1936, 1937a, 1937b, 1938, 1953; DAHNKE 1956; HOLLNAGEL 1953a, 1953b; KINTZEL 1971; HUNDT 1968 5) Unter ´Stinzenplanten´ wird eine konstante Artenkombination auf Burgen, Burgruinen, Schloss- und Herrengärten verstanden, die wohl dort angebaut wurden und später verwilderten. Die dazugehörigen Arten sind der Literatur zu entnehmen. 46 Pulsatilla, Heft 5, 2002

3 Charakteristik der Arten Ausbreitungsgeschichte geben. Für Vinca minor wurde z.B. der Einwanderungszeit- Da die KRP keine einheitliche Klasse von punkt ins Rheinland zur Römerzeit durch Pflanzen darstellen, sind für die Charakterisie- diese Methode festgestellt (PRANGE 1996). rung der Arten Parameter notwendig, die auf x wichtige Hinweise auf die Kultur der jewei- die spezielle Thematik anwendbar sind. In Tab. ligen Zeitstufe, in Ergänzung zu archäologi- 2 werden die, nach der Definition zur Auswei- schen Funden/ Befunden, geben. Eng damit sung von KRP notwendigen Parameter wieder- verbunden ist die Erforschung der Entwick- gegeben. Genutzt werden hier die als KRP be- lung von Heilkunde und Gartenbau. nannten Arten mit den Gebieten, in denen sie x zur Deutung unklarer Namengebungen von Reliktcharakter besitzen, die Zeitstufe ihrer Pflanzen in schriftlichen Quellen des Mittel- Nutzung, die Nutzungsart, der Verbreitungstyp alters genutzt werden. und die Quellen ihrer Nennung (Tab. 2). Die x durch die hohe Standorttreue der Arten bei bisher als KRP benannten Arten wurden aus weiterer Erforschung ihres typischen Auf- der Literatur ohne eine kritische Prüfung des tretens als Indikatoren für ur- und frühge- Einzelfalls übernommen. schichtliche Siedlungsplätze genutzt wer- Ergänzend bieten sich die Ellenberg-Zahlen den. (ELLENBERG et al. 1992), der N-F-T-Status x als Genrecourcen angesehen werden, die (SCHRÖDER 1969) oder die soziologische Zuge- möglicherweise auch für eine zukünftige hörigkeit der Arten (z.B. BRAUN-BLANQUET Wieder-Nutzung potentiell zur Verfügung 1964, ELLENBERG 1996, POTT 1995 etc.) an. stehen. Wichtige Parameter, wie die Überlebensdauer Trotzdem wurde diesen Arten bisher weder der Diasporen, die für eine Wiederbesiedlung von Seiten des Naturschutzes/ Artenschutzes verwaister Standorte wichtig ist, liegen nur für noch von Seiten der Bodendenkmalpflege/ wenige Arten vor (POSCHOLD 1991). Dass diese Denkmalpflege hinreichende Aufmerksamkeit erheblich sein kann, zeigen die Untersuchun- geschenkt. Die Schutzproblematik besteht im gen von OEDUM (1964, 1965). Er konnte bei- Wesentlichen darin, dass diese Arten oft eine spielsweise für die Eselsdiesel (Onopordum zerstreute Verbreitung in der Landschaft auf- acanthium) eine Überlebensdauer der Diaspo- weisen, wodurch sie keinen Eingang in die Ro- ren von mindestens 450 Jahren nachweisen. Bei ten Listen finden. Darüber hinaus handelt es der Anwendung der genannten Faktoren ist sich oft um Ruderalarten und verwilderte Gar- darauf aufmerksam zu machen, dass diese Para- tengewächse, die meist von Schutzbestrebun- meter unter floristischen oder vegetationskund- gen ausgenommen sind (SCHUMACHER 1993, lichen Gesichtspunkten erhoben wurden und BEHM 1997, BEHM 1998, PIVARCI und BEHM größtenteils die Bedingungen in der freien Na- 2000). Wie notwendig der Schutz für einige tur widerspiegeln; das reale ökologische Verhal- Vorkommen ist, wurde von RUSSOW und ten der KRP kann stark davon abweichen. Diese SCHULZ (2001) anhand der drastischen Be- Faktoren wurden bisher nicht auf ihre Anwend- standsrückgänge slawischer KRP auf Inselsied- barkeit für die vorgestellte Thematik unter- lungen im Altkreis Neustrelitz (M-V) aufge- sucht. zeigt. Eine Bedrohung anderer Art sind die Res- taurierungsmaßnahmen an mittelalterlichen 4 Bedeutung und Schutz Burgen (SCHULTE 1988, SCHUMACHER 1993). Allgemeine Ansätze zur Berücksichtigung der Neben der ideellen Bedeutung der KRP als KRP, wie die Einbeziehung der Arten in die Teil der ur- und frühgeschichtlichen Siedlungs- Landschaftsanalyse und –planung wurden von plätze bestehen noch weitere Qualitäten der Ar- BEHM (1993), BEHM (1997), BEHM UND PIVARCI ten, die bisher kaum wahrgenommen wurden: (1998), BEHM (1998), BEHM UND RUSSOW Sie können (2001), PIVARCI UND BEHM (2000), RUSSOW x durch die Datierbarkeit ihrer Standorte (1999), RUSSOW (2000) benannt. Gegenwärtig Aufschluss über die Einwanderungs- und fehlt es aber an praktischen Ansätzen zum BJÖRN RUSSOW: Pflanzen auf ur- und frühgeschichtlichen Siedlungsplätzen 47

Schutz dieser speziellen Vorkommen der Arten. BEHM, H. (1998): Projekt „Slawische Kulturreliktpflanzen“. Möglichkeiten werden von BAKKER (1985) und In: BEHM, H.: Bodendenkmal und Kulturlandschaft - planungs- und landnutzungsorientierte Grundla- SCHUMACHER (1993) bspw. mit der Berücksich- gen nachhaltiger Raumententwicklung unter be- tigung in Freilichtmuseen und einer gezielten sonderer Beachtung Mecklenburg-Vorpommerns. Vorstellung dieser Arten im Rahmen von Ver- Unveröffentlichte Habilschrift, 2 Bände. Univer- anstaltungen und Schautafeln aufgezeigt. Eben- sität Rostock: 125f. Rostock. so wird für die Burgenflora auf der Godesburg BEHM, H. und B. RUSSOW (2001): Standortkundlich-landes- kulturelle Untersuchungen an ausgewählten Bo- (Bad Godesberg) auf eine mögliche Einbezie- dendenkmalen in Mecklenburg-Vorpommern. Ro- hung der speziellen Flora in das Gesamtbild der stocker Agrar- und Umweltwissenschaftliche Bei- Burg hingewiesen (SCHULTE 1988). Beispielge- träge, H. 9: 359-368. Universität Rostock. bend ist die Pflege eines Bestandes der Rosen- BEHM, H. und R. PIVARCI (1998): Slawische Kulturrelikt- pflanzen in Mecklenburg-Vorpommern. In: Behm, malve (Malva alcea) als slawisches Kulturrelikt H.: Bodendenkmal und Kulturlandschaft - pla- in Mecklenburg-Vorpommern durch gelegent- nungs- und landnutzungsorientierte Grundlagen liche Mahd (RIDDER 1979). nachhaltiger Raumententwicklung unter besonde- rer Beachtung Mecklenburg-Vorpommerns. Un- 5 Literatur veröffentlichte Habilschrift (Anhang), 2 Bände. Universität Rostock: 7-12. Rostock. BRANDES, D. (1987): Zur Flora der Burgen im nördlichen ADE, A. (1954): Zum Vorkommen des Gelben Enzians in Harzvorland. Braunschw. Naturk. Schr. 2, 4: 797- Unterfranken. Hessische floristische Briefe 3: 3-4. 801. Braunschweig. Darmstadt. BRANDES, D. (1992): Asplenietea-Gesellschaften an sekun- BAKKER, P. (1985): Erhaltung von Stinzenplanten (Zwiebel- dären Standorten in Mitteleuropa. - Ber. Reinh.- und Knollengewächse an alten Burgen). Schriften- Tüxen-Ges. 4: 73-93. reihe „Aus Liebe zur Natur“ 4. Stiftung zum Schut- BRANDES, D. (1996): Burgruinen als Habitatinseln. ze gefährdeter Pflanzen; 105-116. Berlin und Ham- Braunschw. Naturkundl. Schr. 5 (1): 125-163. burg. Braunschweig. BAKKER, P. und E. BOEVE (1985): Stinzenplanten: 168 S. ´s- BRAUN-BLANQUET, J. (1964): Pflanzensoziologie. Grundzüge Graveland & Zutphen. der Vegetationskunde. Dritte, neubearbeitete und BALASKE, W. (1962): Zur Verbreitung der Pestwurz (Petasi- wesentlich vermehrte Auflage. Springer-Verlag tes hybridus (L.) Gaertn., Mey., Schreb.) in Ost- Wien, New York: 865 S. mecklenburg. Beiträge des Bezirksnaturkundemu- seums Stralsund 1. BUCHWALD, K. (1942): Waldgesellschaften und Burgen. Rundbrief der Zentralstelle für Vegetationskartie- BAUCH, R. (1934): Botanisches von den mecklenburgischen Burgwällen. Mecklenburgische Monatsheft, rung 12: 127-128. Stolzenau. April/Mai. CELKA, Z. (1998): Malva alcea L. as a relict of prehistoric and mediaeval cultivation. Phytocoenosis 9: 155-162. BAUCH, R. (1936): Eine Pflanze macht Geschichte. Mecklen- burgische Monatshefte, Januar. Warszawa. AHNKE BAUCH, R. (1937a): Burgwallpflanzen und Volksüberliefe- D , W. (1956): Pflanzen als Zeugen der Vergangen- rung. Germanen-Erbe H. 1: 118 f. heit. Heimatkundliche Beiträge für die Hand des BAUCH, R. (1937b): Vor- und frühzeitliche Kulturrelikte in Lehrers. Parchim. der Pflanzenwelt Mecklenburgs. Beihefte zum Bo- DEHNEM-SCHMUTZ, K. (2000): Nichteinheimische Pflanzen tanischen Centralblatt. Abteilung B. Band LVII. in der Flora mittelalterlicher Burgen. Dissertationes Heft 1/2: 77-138. Prag. Botanicae 334. Berlin und Stuttgart. BAUCH, R. (1938): Pflanzen erzählen Geschichte. Natur und ELLENBERG, H. (1996): Vegetation Mitteleuropas mit den Volk 68: 263-273, Stuttgart. Alpen in ökologischer, dynamischer und histori- BAUCH, R. (1953): Pflanzen als Kulturrelikte auf vor- und scher Sicht. Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart. frühgeschichtlichen Siedlungen in Mecklenburg. ELLENBERG, H., H. E. WEBER, R. DÜLL, V. WIRTH, W. WER- Denkmalpflege in Mecklenburg, Jahrbuch 1951/52: NER und D. PAULIßEN (1992): Zeigerwerte von 213-221. Schwerin. Pflanzen in Mitteleuropa. Scripta Geobotanica BEHM, H (1993): Die historische Komponente der standort- XVIII. Göttingen. kundlich-landeskulturellen Gebietsuntersuchung – FISCHER, W. (1997): Zur Einbürgerung von Parkpflanzen in Dargestellt am Raum Kavelstorf (Warnowgebiet). Brandenburg (Teil 2). Verh. Bot. Ver. Berlin Bran- Diss. A, Agrarwissenschaftliche Fakultät, Univer- denburg 130: 159-184. Berlin. sität Rostock. FRANZ, G. (Hrsg., 1984): Geschichte des deutschen Garten- BEHM, H (1997): Kulturlandschaftspflegerische Aspekte ei- baus. Verlag Eugen Ulmer. Stuttgart. ner Flächennutzungsplanung in ländlichen Räu- FRENZEL, W. (1932): Vorgeschichte der Lausitzen, Land und men auf kommunaler Ebene. In: SCHENK, W., K. Volk, insbesondere die Wenden. Heft 1: Die Lausit- FEHN UND D. DENECKE: Kulturlandschaftspflege – zer Wenden. Langensalza. Beiträge der Geographie zur räumlichen Planung. GEINITZ, E. (1907): Landeskunde von Mecklenburg: 41f. Gebrüder Bornträger, Berlin: 87-91. Güstrow. 48 Pulsatilla, Heft 5, 2002

HACKEL, H. (1992): Der Garten-Schildampfer (Rumex scu- MILITZER, M. (1927): Floristische Skizzen vom Proitschen- tatus L. var. hortensis Lam. & DC.) – eine alte „Kul- berge. Bautzener Geschichtshefte V: 213-221. Baut- turreliktpflanze“ der bayerischen Flora. Ber. Bay. zen. Bot. Gesell. 63: 192-194. München. MOORE, P. D., J.A. WEBB und M.E. COLLINSON (1991): Pol- HOHENBERGER, E. (1996): Erstaunliche Pflanzenvielfalt in len Analysis. Blackwell Science, Oxford. der Umgebung von Burgen und Burgruinen. Bur- MÜLLER, K. O. (1932): Die Verbreitung der Harmelstaude gen und Schlösser in Bayern, Österreich und Südti- in Anatolien und ihre Bindung an die menschlichen rol: 35-40. Bozen. Wohnstätten. Bericht der Deutschen Botanischen HOLLNAGEL, A. (1953a): Kulturreliktpflanzen auf slawischen Gesellschaft 50a: 262-275. Göttingen. Inselsiedlungen im Kreis Neustrelitz. Bodendenk- OEDUM, S. (1964): Levende vortidsfund. Skalk, Nyt om malpflege in Mecklenburg. Jahrbuch 1953: 151-164. Gammelt, Nr. 4: 18-26. Ârhus. Schwerin. OEDUM, S. (1965): Germination of ancient seeds. Dansk bo- HOLLNAGEL, A. (1953b): Pflanzen als Kulturrelikte auf slawi- tanisk arkiv 24, 2: 8-70. Kopenhagen. schen Inselsiedlungen. Heimatbuch Neustrelitz: 96- PETER, S. (1993): Pflanzenanbau im Archäologischen Frei- 99. Neustrelitz. lichtmuseum Groß Raden, Kr. Sternberg. Informa- HUNDT, R. (1968): Die slawische Wallanlage der Jaromars- tionen für Bodendenkmalpfleger in Westmecklen- burg und ihre Vegetation bei Arkona auf der Insel burg, Heft 33: 30-34. Schwerin. Rügen. Natur und Naturschutz in Mecklenburg, PETER, S. (1994): Pflanzenanbau in slawischer Zeit. Begleit- VI.: 85-110. Greifswald – Waren. heft zur Ausstellung im archäologischen Freilicht- JANSSEN, A. (1990): Flora und Vegetation der Ruine Stoll- museum Groß Raden. Groß Raden. berg/Steigerwald – Anthropogene Veränderung des PIVARCI, R. und H. BEHM (2000): Kulturreliktpflanzen – ein Wuchspotentials. Tuexenia 10, 385-400. Hannover. wenig beachtetes Erbe, dargestellt am Beispiel KINTZEL, W. (1971): Pflanzliche Kulturrelikte auf slawi- Nordostdeutschlands. In: Behm, H. (Hrsg): Kultu- schen Burgwällen im Kreis Lübs. Informationen des relles Erbe – Landschaften im Spannungsfeld zwi- Bezirksarbeitskreises für Ur- und Frühgeschichte schen Zerstörung und Bewahrung: 147-150. Ro- Schwerin. Heft 11: 25-27. Schwerin. stock. KIRSCHLEGER, F. (1862): Sur les plantes des vieux château POSCHOLD, P. (1991): Diasporenbanken in Böden – Grund- dans la région Alsato-Vosgienne. Bull. Soc. Bot. lagen und Bedeutung. In: SCHMIDT, B. und J. STÖCK- France 9: 15-18. LIN (Hrsg.): Populationsbiologie der Pflanzen. Bir- KRAUSE, E. H. L. (1884): Pflanzengeographische Übersicht khäuser Verlag: 15-35. Basel. der Flora von Mecklenburg. Güstrow. POTT, R. (1995): Die Pflanzengesellschaften Deutschlands. KRAUSE, E.H.L. (1896): Über die Flora der Burgruinen. Mit- Verlag Eugen Ulmer. Stuttgart. teilungen der philosophischen Gesellschaft in El- POTT, R. (1997): Von der Urlandschaft zur Kulturland- sass-Lothringen 4, 1: 8-13. Straßburg. schaft. Verhandlungen der Gesellschaft für Ökolo- KRAUSE, W. (1922): Von den Burgpflanzen. Heimatkalen- gie 27: 5-26. Stuttgart. der für den Kreis Querfurt 18: 67-71. Querfurt. PRANGE, W. (1996): Das Kleine Immergrün (Vinca minor KUNICK, W. (1991): Ausmaß und Bedeutung der Verwilde- L.) in Westdeutschland – eine Kulturreliktpflanze rung von Gartenpflanzen. NNA-Berichte 4/1: 6-13. aus römischer Zeit. Schriften des naturwissen- Schneverdingen. schaftlichen Vereins Schleswig-Holstein, Band 66: KÜSTER, H. (1996): Geschichte der Landschaft in Mitteleu- 71-96. Kiel. ropa. Verlag C. H. Beck: 209. München. PRÜGEL, E. (1941): Waldsoziologie und Burgen. Rundbrief LAMPE, W. (1960): Die Grüne Nieswurz (Helleborus viridis der Zentralstelle für Vegetationskartierung 11: 124. L.), eine vergessene Heilpflanze des Volkes, im Stolzenau. niedersächsischen Berglande. Beiträge zur Natur- RIDDER, K. (1979): Das Flächennaturdenkmal „Hünenwer- kunde Niedersachsens 13: 84-87. Hannover. der“. Naturkundliche Forschungen und Berichte LISCH, F. (1860): Zur Ortskunde – Die wendische Stadt bei aus dem Kreis Neustrelitz. Heft 2. Neustrelitz. Lapitz. Jahrbuch des Vereins für mecklenburgische RINGLER, A. (1993): Natur als Kulturgut – zur kulturhistori- Geschichte und Altertumskunde 25: 280. Schwerin. schen Verpflichtung des Naturschutzes. Kultur- LOHMEYER, W. (1975): Rheinische Höhenburgen als Refu- landschaftspflege im Rheinland. Symposium am 29. gium für nitrophile Arten. Natur und Landschaft und 30. Oktober 1992: 42-48. Köln. 50, Heft 11. RUSSOW, B. (1999): Standortkundlich-ökologische Untersu- LOHMEYER, W. und H. SUKOPP (1992): Agriophyten in der chungen an ausgewählten Bodendenkmalen des Vegetation Mitteleuropas. Schr. Reihe Vegetations- Rostocker Raumes. Unveröffentlichte Diplomar- kunde 25: 185 S. Bonn – Bad Godesberg. beit. Universität Rostock. LÜDERS, E. (1970): Das Vorkommen der Pestwurz im Nord- RUSSOW, B. (2000): Slawische Kulturreliktpflanzen im na- westteil des Kreises Perleberg in unmittelbarer Nä- turschutzfachlichen Gutachten – Ein Beispiel. La- he der Ortskerne von urkundlich im 13. Und 14. bus 11: 57-60. Neustrelitz. Jahrhundert genannten Dörfern. Informationen RUSSOW, B. und A. SCHULZ (2001): Die Schutzproblematik des Bezirksarbeitskreises für Ur- und Frühgeschich- slawischer Kulturreliktpflanzen am Beispiel der Be- te Schwerin, Nr. 10: 23-29. Schwerin. standssituation auf den Inselsiedlungen des Altkrei- MARZELL, H. (1937): Garten und Pflanzen. In: MEIER, J. ses Neustrelitz. Naturschutzarbeit in Mecklenburg- (Hrsg.): Deutsches Volkstum: 154 S. Berlin und Vorpommern: 75-80. Güstrow. . RUTHSATZ, B. (1983): Die Verbreitung unserer heimischen BJÖRN RUSSOW: Pflanzen auf ur- und frühgeschichtlichen Siedlungsplätzen 49

und eingebürgerten Heil- und Giftpflanzen in SUKOPP, H. (1969): Der Einfluß des Menschen auf die Vege- Mitteleuropa. Göttinger Floristische Rundbriefe 17: tation. Vegetatio 16: 360-371. Jena. 8-23. Göttingen. SUKOPP, H. (1972): Wandel von Flora und Vegetation unter SCHLOSSER, S., L. REICHHOFF und P. HANELT (1991): Wild- dem Einfluß des Menschen. Berichte über Land- pflanzen Mitteleuropas. Nutzung und Schutz. wirtschaft 50 (1): 112-139. Hamburg. Deutscher Landwirtschaftsverlag Berlin GmbH, THELLUNG, A. (1915): Pflanzenwanderungen unter dem Berlin. Einfluß des Menschen. Engl. Bot. Jb. 53, Beiblatt SCHROEDER, F.-G. (1969): Zur Klassifizierung der Anthro- 116: 37-66. pochoren. Vegetatio 16. 225-238. The Hague. TOMAN, M. (1989): Die Verbreitung des Wermuts (Artemi- SCHULTE, W. (1988): Vorschläge zu Schutz und Erhaltung sia absinthium L.) und einige phytogeographische von thermophilen Lebensgemeinschaften kultur- Beobachtungen in bezug zur frühhistorischen Be- und naturhistorisch geprägter Standorte. Natur siedlung Böhmens. Feddes Repertorium 100 (1989) und Landschaft 63/ 12: 494-503. Bonn- Bad Godes- 9-10: 531-563. Akademie-Verlag, Berlin. berg. TREMP, M. (1996): Beiträge zur Biologie von Allium ursi- SCHULZ, A. (1913): Über das Vorkommen von Marrubium num (Bärlauch) und Allium victorialis (Aller- creticum Mill. Und M. creticum Mill. X vulgare L. mannsharnisch). Dissertation Universität Zürich: in der Grafschaft Mansfeld im 16. Jahrhundert. 154 S. Zürich. Mitteilungen des Thüringischen Botanischen Ver- TÜXEN, R. (1954): Über die räumliche, durch Relief und Ge- eins 30: 65-68. . stein bedingte Ordnung der natürlichen Waldge- SCHULZ, A. (1914): Über das Vorkommen von Artemisia sellschaften am nördlichen Rande des Harzes. Ve- maritima auf der Ruine der Burg Arnstein bei Har- getatio 5/6: 454-477. kerode im Mansfelder Gebirgskreis. Mitt. des Thü- VOIGTLÄNDER, U. (1973): Zum Problem der Kulturrelikt- ringischen Botanischen Vereins N.F. 30: 29-35. pflanzen. Mitteilungen des Bezirksfachausschusses SCHUMACHER, W. (1993): Historische Bauwerke im Rhein- für Ur- und Frühgeschichte Neubrandenburg. Nr. land und ihr Umfeld als bemerkenswerte Pflan- 20: 34-38. Neubrandenburg. zenstandorte: 30-37. In: Landschaftsverband VOLLRATH, H. (1958/60): Burgruinen bereichern die Flora. Rheinland Umwelt: 3. Fachtagung – Naturschutz Berichte der Naturwiss. Gesell. Bayreuth X: 150- und Landschaftspflege bei historischen Objekten. 172. Bayreuth. Köln. WALTER, E. (1993): Der Schildampfer in Oberfranke. Natur- SIEGL, A.(1998a): Flora und Vegetation mittelalterlicher forschende Gesellschaft Bamberg. LXVIII. Bericht: Burgruinen. In: KOWARIK, I., E. SCHMIDT und B. SI- 98-103. Bamberg. GEL (Hrsg.): Naturschutz und Denkmalpflege – We- WILLEBRAND (1852): Zur Flora der Burgwälle. Archiv des ge zu einem Dialog im Garten. Zürich. Vereins der Freunde der Naturgeschichte in Meck- SIEGL, A. (1998b): Zum Einfluß anthropogener Faktoren lenburg 6: 132 f. Rostock. auf die Variabilität des Vegetationspotentials. Ber. WINTERHOFF, W. (1977): Über Verbreitungslücken einiger d. Reinh.-Tüxen-Gesell. 10: 19-41. Hannover. Arten im Göttinger Wald. Mitteilungen der Floris- SPEARS, I.; G.F. BARRETT, H. BEHM, M.A. FULLEN und I.C. tisch-Soziologischen Arbeitsgemeinschaft 19/20: TRUEMAN (2000): Zu einem ganzheitlichen Ansatz 365-375. Göttingen. der Bewertung von Kulturlandschaften: Verglei- ZIZKA, G. (1985): Botanische Untersuchungen in Nordnor- chende Fallstudien in England und Deutschland. wegen I. Anthropochore Pflanzenarten der Varan- In: BEHM, H. (Hrsg.): Kulturelles Erbe – Landschaf- gerhalbinsel und Sör-Varangers. Dissertationes ten im Spannungsfeld zwischen Zerstörung und Be- Botanicae 85. Vaduz. wahrung. Beiträge zur Tagung vom 26.-28.März 1998 in Rostock: 57-62. Rostock.

Anschrift des Verfassers: BJÖRN RUSSOW, Borenweg 5, D-18057 Rostock, E-Mail: [email protected] Pulsatilla, Heft 5, 2002, Seite 50

Buchbesprechung

Exkursionsflora von Deutschland/begrün- Weise des „Rothmaler“ auch weiterhin erhal- det von WERNER ROTHMALER. Hrsg. von ECKE- ten. HART J. JÄGER und KLAUS WERNER. – Heidel- Daneben fand eine Reihe neuer Faktoren berg; Berlin: Spektrum, Akademischer Verlag eine Berücksichtigung. Hervorzuheben ist die 2002. ca. 950 S., über 1200 Abbildungen. 39.90 Einbeziehung der lange vermissten Ellenberg- Euro. Zahlen, die einen schnellen Überblick zu den ökologischen Ansprüchen der jeweiligen Art er- Die Bestimmung von Pflanzen, besonders möglichen. Verzeichnet sind die Licht-, Tempe- von Arten formenreicher Gattungen und ratur-, Feuchtigkeits-, Reaktions- und Stick- Unterarten, bereitet immer wieder Schwierig- stoffzahlen. Die Kontinentalitätszahl von Ellen- keiten. Aber gerade eine kritische Betrachtung berg wird durch die bewährte „Arealformel“ in der heimischen Flora ist bei einer weiterrei- verbesserter Form ersetzt, bei der diesmal auch chenden Beschäftigung mit der Thematik der die Spannweite der Verbreitung einer Art im Gefäßpflanzen nötig und reizvoll. Hierfür war Ozeanitäts-Kontinentalitätsgefälle angegeben und ist der „Rothmaler“ immer eine solide Hil- wird. Die Salzzahl ist indirekt in den ebenfalls fe. Erstmalig erschien der „ROTHMALER 4 – Kri- beschriebenen Standortansprüchen der Arten tischer Band“ als eines der Standardwerke der enthalten. Die Verbreitung in Deutschland wird Pflanzenbestimmung in Deutschland 1963. Die nach fünf Häufigkeitsklassen geordnet und für Vollständigkeit und Handlichkeit des parallel die einzelnen Bundesländer und ihre Teile auf- zu „Band 2 – Grundband“ erscheinenden Wer- gezählt. Ergänzt werden diese Angaben durch kes machten ihn seither zum steten Begleiter den Bestandsentwicklungstrend der Art. Neu vieler Botaniker, Biologen und Naturfreunde. sind die formelhaften Angaben zur Wuchsform Seit Anfang 2002 liegt nunmehr die 9. Aufla- der Arten mit Auskunft zu Laubrhythmus, Le- ge des Rothmaler-Klassikers „Gefäßpflanzen – bensdauer, Überdauerungsorganen und klona- Kritischer Band“ in einer vollständigen Neube- lem Wachstum. Angaben zur Bestäubung, Aus- arbeitung vor. breitung, Lebensdauer der Diasporen und zu Nachdem die vierte bis achte Auflage nur Keimbedingungen folgen. wenige Veränderungen und Ergänzungen er- Neben den vielen Vorzügen des Werkes gibt fuhr, wurde die neunte Auflage aktualisiert und es leider auch zwei kleine Wermutstropfen. Zu- wesentlich erweitert. Für die Neubearbeitung gunsten der Handlichkeit des 950 Seiten umfas- der Bestimmungsschlüssel artenreicher und senden Werkes sind die Unterartenschlüssel kritischer Gattungen wie Alchemilla, Hieracium, und Kommentare zu den Familien und Gattun- Rosa oder Rubus konnten führende Spezialis- gen in Bezug auf die Schriftgröße etwas klein ten gewonnen werden. Etwa 150 regelmäßig geraten und erfordern viel Sehkraft, was einem auftretende Neophyten mit Einbürgerungsten- Botaniker mit Lupe nicht schwer fallen sollte. denz oder ständiger Samennachlieferung fan- Auch die detaillierte Darstellung der pflanzen- den neu Eingang in das Werk, was vor allem im geographischen Kontinentalitätzahlen bedarf Siedlungsbereich eine wesentliche Erleichte- einiger Übung zur Deutung der sehr ähnlichen rung bei der Bestimmung gebietsfremder Arten Schraffuren. sein dürfte. Die wissenschaftliche Nomenklatur Diese kleinen Makel sollten aber nicht vor richtet sich, neuen Erkenntnissen zur Systema- dem Kauf dieses aktuellen und umfassenden tik der Gefäßpflanzen folgend, weitgehend nach Werkes abschrecken. Spätestens bei der näch- der Standardartenliste für Deutschland und sten Bestimmung einer kritischen Art wird man weicht nur in begründeten Fällen davon ab. Die die Vorzüge dieses Buches schätzen lernen. deutschen Namen bleiben in der bewährten BJÖRN RUSSOW, Rostock Pulsatilla, Heft 5, 2002, Seite 51-57

UWE WEGENER, Wernigerode

Botanische Kostbarkeiten in Deutschland: Das Kleine Zweiblatt (Listera cordata (L.) R. BR.

Einleitung Es existiert noch ein Restvorkommen auf dem Darß. Mit einer deutlichen Konzentration von Das Kleine Zweiblatt, Listera cordata steht Vorkommen außerhalb Süddeutschlands tritt als eine vom Aussterben bedrohte Orchidee auf der Harz hervor. Dieser soll hier beispielgebend der Roten Liste Deutschlands. Sie ist eine Cha- für die Art näher betrachtet werden. rakterart euro-sibirischer Fichtenwälder und Beerstrauchgebüsche, die gleichzeitig typisch ist Die Verbreitung im Harz für intakte, nicht entwässerte, moorreiche Landschaften. Schon immer waren die Moorgebiete und Der Rückgang der kleinen Orchidee hält seit Fichtenwälder des Harzes ein Schwerpunkt der Jahrzehnten an. WIŚNIEWSKI (1969) zählte sie Verbreitung. Eine umfassende Aufbereitung „mit knapp einem halben Dutzend sicher nach- des zugänglichen Materials fand 1970 bis 1974 gewiesener Fundorte zu den größten Seltenhei- statt (WEGENER 1977). Im Jahre 1973 konnte ich ten“ der DDR. auch Teile des Sperrgebietes östlich des Bro- ckens besuchen. Das eigentliche Brockenmassiv Die Verbreitung der Art in Deutschland und das Eckertal lagen aber im Grenzstreifen, der hier mehr als 3 km breit war. Diese Bereiche Das Kleine Zweiblatt kommt auf Moorbo- konnten erst ab 3. Dezember 1989 wieder frei den sowohl auf Urgestein als auch in Kalkgebir- begangen werden und es erschien im Sommer gen (Alpen) sowie auf quartären Lockersanden 1990 interessant, nach mehr als dreißig Jahren (Dünenmooren) vor. Abgesehen von den Küs- diese letzten Winkel nach L. cordata abzusu- tenmooren befinden sich alle Vorkommen in chen. Allerdings stand im Jahre 1990 der Auf- Gebieten mit über 1000 mm Niederschlag. bau des Nationalparkes Hochharz im Vorder- In der Bundesrepublik kommt die Art in grund, so dass die genaue Durchmusterung der den Alpen von Berchtesgaden bis zum Boden- Hochlagen auf die folgenden Jahre verschoben see, im Schwarzwald, Bayerischen Wald, auf der werden musste. Schwäbischen Alb, im Fichtelgebirge und im In historischer Zeit von 1850 bis etwa 1900 Frankenwald vor (HAEUPLER und SCHÖNFELDER galt Listera cordata im Oberharz als „ziemlich 1989). Aus dem Erzgebirge und Thüringer verbreitet“ (HALLIER 1880, REINECKE 1886, BER- Wald sind wenige Vorkommen bekannt (BEN- TRAM 1894). Jedes anspruchsvolle Herbar der KERT, FUKAREK u. KORSCH 1996). Als Beispiel damaligen Zeit enthielt die kleine Orchidee kann der Thüringer Wald gelten, vor 1950 wa- meist in mehreren Exemplaren. ren 19 Funkpunkte bekannt, nach 1950 noch 5 Allein für das Territorium des Hochharzes und derzeit gibt es zwei rezente Vorkommen im heutigen Sachsen-Anhalt fanden sich in der (WESTHUS in litt. 2002). Ebenso hat sich die Art verfügbaren Literatur 18 Hinweise, wobei die aus den Gebirgsvorländern zurückgezogen. Funde im Hohnegebiet, Hohneklippen und Auch die früher vorhandenen Vorkommen in Umgebung zu einer Lokalität zusammengefasst Norddeutschland sind so gut wie alle erloschen. wurden (Tab. 1). Es war in der Literatur nicht 52 Pulsatilla, Heft 5, 2002

Kleines Zweiblatt (Listera cordata) Foto: OSKAR ANGERER, München UWE WEGENER: Botanische Kostbarkeiten in Deutschland: Das Kleine Zweiblatt (Listera cordata) 53 immer unterscheidbar, ob es sich um eigene schwer zu finden ist. Es besteht zumindest im Funde der Verfasser, Wiederbestätigungen älte- Ober- und Hochharz also weiterhin die Mög- rer Angaben oder lediglich Literaturzitate aus lichkeit, dass ältere Vorkommen wieder bestä- älteren Floren handelte. tigt werden können oder neue hinzukommen. Alle Vorkommen im Hochharz entfielen auf die montane Fichtenzone mit zahlreichen Die Standorte im Hochharz, an der und Quellmooren und Niederschlägen von 1000- am Dammbach 1800 mm. Die Vorkommen im Nordharz deu- Bereits einleitend wurde dargelegt, dass sich ten an, dass Listera cordata insbesondere in der die Erkundung des Brockengebietes im Jahre Vergangenheit in den Harztälern abwärts wan- 1990 verzögerte. In den Jahren 1991 und 1992 derte, so im Ilsetal, im Eckertal oder im Bereich führten einige Exkursionen an die traditionel- der Steinernen Renne. Erklärbar sind diese Vor- len Fundstellen im Hochharz, aber auch die kommen in den tieferen Lagen, da durch die Moore um den wurden nach L. corda- Täler eine Verbindung zu den Populations- ta abgesucht. Von einer systematischen Durch- schwerpunkten im Hochharz unmittelbar gege- musterung aller geeigneten Gebiete konnte ben war. Auf diese Weise nicht zu erklären sind allerdings nicht die Rede sein. Dennoch blieb die ehemaligen Vorkommen am Hohnstein bei jeglicher Erfolg aus. Das führte vorschnell zu Neustadt am Südharz, auf die HAMPE (1873) der These, das vermutlich der erhebliche Stick- verweist und die von VOCKE und ANGELRODT stoffeintrag aus der Luft (Messungen auf dem (1886) bestätigt werden. Auch der Fund bei Brocken gehen von 60-80 kg N/ha · a aus) zum Trautenstein an der Wasserscheide zwischen Verschwinden der ziemlich empfindlichen Zei- Rappbode-Dammbach und Beere lässt sich mit gerart während der letzten 30 Jahre geführt hat. dem Populationsschwerpunkt im Hochharz Diese These konnte in der Folgezeit erfreuli- nur schwerlich in Übereinstimmung bringen. cherweise nicht aufrechterhalten werden. Dieses Vorkommen, auf das noch näher einzu- gehen sein wird, ist in der historischen Literatur Ilsemoore nicht erwähnt. Es wurde 1973 von Thomas Im Jahre 1993 wies Christian Damm wäh- Eckardt entdeckt. rend seiner systematischen Erkundung der Ve- Eine Zusammenfassung aller historischen getation des Brockens die Art am Rand eines und rezenten Funde gibt HERDAM (1993). Ne- der Ilsehangmoore nach (DAMM 1993). Es han- ben den früheren Funden in den Harztälern, delte sich um einen kleinen Bestand von ca. 20 die bis auf das Eckertal nicht wieder bestätigt Exemplaren, der auch während der folgenden werden konnten, sind auch zahlreiche Funde Jahre regelmäßig beobachtet wurde. Der Stand- aus dem Hochharz seit Jahrzehnten erloschen, ort war durchaus den meisten Örtlichkeiten aus zumindest nicht wieder bestätigt, so die Vor- den siebziger Jahren ähnlich: Ein gedrungener, kommen an der Leistenklippe, an den Hirsch- lichter Moorfichtenwald nur wenige Meter von hörnern, am Wernigeröder , am der waldoffenen Moorfläche entfernt, durch- Schneeloch, bei und Elend, im Ecker- setzt mit Torfmoos, Vaccinium myrtillus und loch, am Scharfenstein und am Kleinen Bro- Trientalis europaea beherbergte die etwa 8 bis cken. Die früheren Vorkommen bei Königshüt- 10 cm hohen, blühenden Pflanzen. 4 bis 6 te und Elbingerode sind zweifelhaft. Pflanzen waren steril und so noch schwieriger Die Situation im niedersächsischen Harz ist zu erkennen. Der Standort lag auf einer Vereb- offensichtlich ähnlich ungünstig wie im Hoch- nungsfläche des Ilse-Einzugsgebietes und war harz. Aus der floristischen Literatur sind mehr leicht wasserzügig. als 12 Nachweise bekannt, von denen aber nur drei, wenn auch mit zum Teil individuenrei- chen Vorkommen, wieder bestätigt werden Kurze Zeit später im Jahre 1995 entdeckte konnten (GARVE, E. mdl. Mitt. 2002). Dabei ist Dieter Böttcher aus Minsleben einen großen allerdings immer zu berücksichtigen, dass Liste- Bestand (Im ersten Jahr ca. 3000 Ex., während ra cordata im Auftreten stark schwankt und der nachfolgenden Jahre schwankend zwischen 54 Pulsatilla, Heft 5, 2002

300 und 1500 Exemplaren.) im oberen Drittel Hebung der Produktivität mit Hilfe weniger des Renneckenberges ebenfalls in einem wasser- Gräben entwässern, was in den zugänglichen zügigen Moorfichtenwald in einer Höhenlage Tälern während der letzten 100 Jahre längst von 850 m ü NN. KALLMEYER und ZIESCHE passiert ist und eine Ursache für das Verschwin- (1996) schätzten das Vorkommen auf mehr als den von L. c. in den übrigen Harztälern dar- 1500 Exemplare. Im Gegensatz zum Ilsemoor stellt. war der Fichtenbestand noch stärker entwickelt, jedoch auch nicht völlig geschlossen (ca. 80 % Dammbachtal Kronenschluss). Sowohl Sphagnum als auch Der eigentliche Standort von Listera cordata Calamagrostis villosa bildeten hauptsächlich befindet sich in einem Wasserscheidenmoor den Bestand in der Krautschicht. Etwa 1,2 km zwischen Dammbach und Beere. Das Vorkom- von dieser Stelle entfernt entdeckten BARTSCH, men liegt zwar noch in einer Höhe von 540 m ü QUITT und WEGENER am 8.7.1973 ebenfalls an NN, aber es befindet sich doch schon weit ent- einem Moorrand auf dem Renneckenberg we- fernt vom Populationszentrum im Hochharz. nige Exemplare, die 10 Jahre später aber nicht Der Bestand wurde am 17.6.1973 während ei- wiedergefunden werden konnten (WEGENER ner gemeinsamen Exkursion von THOMAS 1977). Dass beide Fundorte in unmittelbarer ECKARDT entdeckt und am 22.7.1973 durch AL- Beziehung zueinander stehen, ist eher unwahr- FRED BARTSCH, ALOIS HUNSTOCK, NORBERT scheinlich. Es zeigt aber, dass es im Bereiche WI(NIEWSKI u.a. erfasst. Gezählt wurden damals Renneckenberg, Hohne, Kapellenklippe, Bro- 150 Exemplare. Seit dieser Zeit wird das Vor- ckenbett noch mehrere Möglichkeiten zur Auf- kommen ziemlich regelmäßig beobachtet. Lis- findung dieser hochmontanen Art gibt. tera cordata kommt nicht jedes Jahr zur Blüte, treibt in manchen Jahren auch keine Blätter. Eckertal Die Bestandeszahlen schwanken zwischen 20 Gänzlich überraschend wurde bei der vege- und 40 Exemplaren. Das Vorkommen befindet tationskundlichen Kartierung des Eckertales sich vergleichbar mit dem Hochharz am Rand von HANS-ULRICH KISON und CHRISTIAN RUNGE des Wasserscheidenmoores in einem schütteren im Jahre 1999 ebenfalls ein erfreulicher Bestand Fichtenbestand. Die Bodenvegetation wird von etwa 60 Pflanzen des Kleinen Zweiblattes überwiegend durch Sphagnum und Vaccinium gefunden. Längst glaubten wir alle früheren myrtillus gebildet. Vorkommen in den Tälern durch intensivere Forstwirtschaft, Entwässerung der Standorte Schutzmaßnahmen und Eutrophierung erloschen, so war denn die- ser Neufund eine besondere Überraschung. FRANK und NEUMANN (1999) führen als Allerdings war dieser Bereich auch weitgehend Hauptursachen der rückläufigen Entwicklung von der intensiven Forstwirtschaft verschont. Entwässerungsmaßnahmen im forstlichen Be- Er lag in einem Seitental der Ecker westlich des reich und den Nährstoffeintrag an. Daraus er- Kolonnenweges, d.h. im nicht zugänglichen geben sich auch die wichtigsten Schutzmaßnah- Schutzstreifenbereich. Der leicht nach Westen men. Heute liegen zwar alle Vorkommen von geneigte Hang ist mit einzelnen Fichten und Listera cordata in Sachsen-Anhalt gleichzeitig Fichtengruppen bestockt. L. cordata wurde auch in Schutzgebieten (KALLMEYER und ZIE- meist am Rand der Fichtengruppen, nicht im SCHE 1996). Das allein reicht jedoch nicht in je- dunklen Bestand gefunden. Die Bodenvegeta- dem Falle aus, wie das Beispiel des Dammbach- tion wird überwiegend von Calamagrostis villo- tales zeigt. Das Gebiet wurde im Jahre 1973 als sa und Sphagnum spec. gebildet. Der Boden ist Flächennaturdenkmal geschützt und ist seit anmoorig und in Richtung zur Ecker wasserzü- 1998 Bestandteil des NSG „Harzer Bachtäler“, gig. Der Listera-Bestand könnte bei weiterer seit 2000 auch FFH-Gebiet. Dennoch führen Entwicklung der Fichten ausdunkeln. Unter Entwässerungen in der Umgebung zu erheb- den Bedingungen des Fichtenwirtschaftswaldes lichen Strukturveränderungen auch im Moor. würde die Forstwirtschaft solchen Standort zur Hinzu kommt, dass Schlagabraum nicht selten UWE WEGENER: Botanische Kostbarkeiten in Deutschland: Das Kleine Zweiblatt (Listera cordata) 55 am Moorrand oder im Moor zurückbleibt, wie erfolgt. Auch im forstlichen Interesse muss es M. MOKOSCH (2001) feststellte. Auch die Holz- sein, die wenigen noch intakten Wasserschei- entnahme mit schwerem Gerät führt bis zu 1 m denmoore zu erhalten. Im anderen Fall müsste tiefen Fahrspuren, über die eine Entwässerung die Schutzgebietsfläche vergrößert bzw. eine

Tabelle 1: Übersicht der historischen und rezenten Fundorte im Bereich des Harzes (Sachsen- Anhalt, Thüringen)

Lfd. Literaturbeleg bzw. Bestätigung Nr. Fundorte Kartei-Nr. AGHF1) 1970 – 1973 1988 – 2001 Hochharz 1. Am Brocken Bertram 1894 + 0 2. Im Brockenbett -- + + 3. Kleiner Brocken Peter 1901 0 0 4. Schneeloch Peter 1901 0 0 5. Eckerloch Peter 1901 0 0 6. Heinrichshöhe Schatz 1854 + 0 Kartei Nr. 138 7. Königsberg-Hirschhörner Schatz 1854 0 0 8. Schierke Peter 1901 ? ? 9. Hohne und Hohneklippen in allen wichtigen + 0 Lokalfloren 10. Hohnebruch Schatz 1854 + 0 11. Wernegeröder Molkenhaus Schatz 1854 0 0 12. Zwischen der Capelle bei der Sporleder 1868 + 0 Hohne und dem Jacobsbruch 13. Am Renneckenberg Hampe 1873 + + 14. An der Schluftbode Sporleder 0 0 15. Bei Elend Schwabe 1865 0 0 Kartei Nr. 205 16. Südlich der Zeterklippe - - + 0 17. Wernigeröder Brücknerstieg Sporleder 1868 0 0 18. Scharfenstein Peter 1901 u.a. 0 0 Kartei Nr. 57 Unterharz-Hochfläche 1. Dammbachtal bei Trautenstein - - + + Südharz 1. Illfelder Tal Vocke-Angelrodt 0 0 1886 2. Neustadt – unterm Hohnstein Vocke-Angelrodt 0 0 1886 3. Beim Forsthaus Hohnstein Hampe 1873 0 0 Nordharz 1. Ilsetal nach der Waldkapelle hin Peter 1901 0 0 2. über Schatz 1854 0 0 3. Eckertal - - 0 + 4. Hang der Hippeln (Wernigerode) Sporleder 1868 0 0

1) AGHF – Arbeitsgemeinschaft Hercynischer Floristen 56 Pulsatilla, Heft 5, 2002 zusätzliche hydrologische Pufferzone eingerich- zungsausschluss sowie eine Verhinderung der tet werden. Eutrophierung aus der Umgebung zu nennen. Der Schutz der Vorkommen im National- park Hochharz ist auf den ersten Blick eher un- Literatur problematisch. Alle Vorkommen in der Kern- zone werden forstlich nicht mehr bewirtschaf- BARTSCH, A. et al. (1968): Geschützte Pflanzen im Nordharz und Nordharzvorland. Unveröffentlicht, Wernige- tet. Allerdings wurden die Bereiche um den rode. Brocken auch vor 1990 im NSG Oberharz nicht BENKERT, D.; FUKAREK, F. Und KORSCH, H. (1998): Verbrei- bewirtschaftet. Ein gelegentliches Ausdunkeln tungsatlas der Farn- und Blütenpflanzen Ost- der Standorte wird aber nicht mehr durch Ma- deutschlands. Gustav Fischer-Verlag, Jena, Stutt- gart, Ulm, 615 S., Karte Nr. 1096. nagementmaßnahmen verhindert. Wir gehen BERTRAM, W. (1894): Exkursionsflora des Herzogtums davon aus, dass am Rand der Brockenmoore Braunschweig mit Einschluss des ganzen Harzes, immer ausreichend potentielle Möglichkeiten Braunschweig. für das Vorkommen von Listera cordata vor- DAMM, C. (1993): Untersuchungen zur Flora des Brockens. Dipl.-Arb. Univ. Göttingen. handen sein werden. Durch die hohen Nieder- ELLENBERG, H. (1963): Vegetation Mitteleuropas mit den schläge der letzten 20 Jahre dehnen sich die Alpen, Stuttgart. Waldmoore aus, so dass sich die Standortbe- FRANK, D. und NEUMANN, V. (1999): Bestandessituation der Pflanzen und Tiere Sachsen-Anhalts. Verlag Eugen dingungen von der Feuchtigkeit her eher ver- Ulmer, Stuttgart, 469 S.; S. 75. bessern. Listera cordata zählt zu den Arten, die FÜLLER, F. (1972): Alpine und nordisch-alpine Orchideen. auf eine natürliche Dynamik der Bergfichten- Die Neue Brehm-Bücherei 445, Wittenberg. wälder positiv reagieren wird und immer wie- HAEUPLER, H. und SCHÖNFELDER, P. (1989): Atlas der Farn- und Blütenpflanzen der Bundesrepublik Deutsch- der neue Nischen findet. land. Eugen Ulmer Verlag, Stuttgart, 768 S.; Listera Das Vorkommen im Eckertal liegt derzeit cordata S. 701. noch im Managementbereich des National- HALLIER, E. und v. SCHLECHTENDAL, D. F. L. et al. (1880): parks, so dass eine vorsichtige Entnahme von Flora von Deutschland, Gera-Untermhaus. HAMPE, E. (1873): Flora Hercynica, Halle. Fichten ohne den Einsatz von Großgeräten HEGI, G. (1906-1931): Illustrierte Flora von Mitteleuropa, möglich ist. Wie sich die auf einem hohen Ni- Bd. 2, S. 387, München. veau befindliche Eutrophierung aller Harz- HERDAM, H. et al. (1993): Neue Flora von Halberstadt. standorte langfristig auf das Kleine Zweiblatt Hrsg. Bot. Arbeitskreis e.V., Quedlinburg, 385 S., Listera cordata S. 294. auswirken wird, kann derzeit nicht vorher ge- HERMANN, F. (1956): Flora von Nord- und Mitteleuropa, sagt werden. Stuttgart. HUECK, K. (1934): Die Pflanzenwelt der deutschen Heimat, Zusammenfassung Berlin-Lichterfelde. HUECK, K. (1936): Pflanzengeographie Deutschlands, Ber- lin-Lichterfelde. Das Kleine Zweiblatt (Listera cordata) zählt KALLMEYER, H. und ZIESCHE, H. (1996): Die Orchideen zu den seltensten und gefährdetsten Arten der Sachsen-Anhalts. Gustav-Fischer-Verlag Jena, Stuttgart, S. 45. heimischen Pflanzenwelt. Als Charakterart der Kartei der Arbeitsgemeinschaft Hercynischer Floristen, Lis- moorigen Bergfichtenwälder hat sie neben den tera cordata, Halle. Alpen und dem Bayerischen Wald im Harz MEINUNGER, L. (1969): Die einstige und jetzige Verbreitung nach wie vor einen Verbreitungsschwerpunkt. einiger Gebirgsorchideen im südlichen Thüringer Schiefergebirge. Arch. Naturschutz u. Landschafts- Allerdings ist die Anzahl der Vorkommen hier forsch. Bd. 9, H. 3 u. 4, S. 241-245, Berlin. weiter zurückgegangen. Während historische MERTENS, F. (1961): Flora von Halberstadt, Halberstadt. Quellen um 1850 bis 1900 noch 22 Vorkom- MEUSEL, H.; JÄGER, E. Und WEINERT, E. (1965): Vergleichen- men auflisten, waren es in den Jahren 1973- de Chorologie der Zentraleuropäischen Flora, Jena. MOKOSCH, M. (2001): Pflege- und Entwicklungsplan für das 1975 neun Vorkommen, aktuell sind lediglich Flächennaturdenkmal (FND) „Kälberbruch“ im 4 Fundpunkte mit zum Teil individuenreichen Naturschutzgebiet (NSG) „Harzer Bachtäler“. Be- Beständen bestätigt. Auf die ökologischen Ver- legarbeit FÖJ, Naturschutzstation Nordharz – Wer- hältnisse an den Fundorten wird eingegangen. nigerode, 30 S. u. Karten. OBERDORFER, E. (1962): Pflanzensoziologische Exkursions- Als wichtigste Schutzmaßnahmen sind die Er- flora für Süddeutschland und die angrenzenden haltung des Wasserregimes, der forstliche Nut- Gebiete, Stuttgart. UWE WEGENER: Botanische Kostbarkeiten in Deutschland: Das Kleine Zweiblatt (Listera cordata) 57

PETER, G. (1901): Flora von Südhannover, Hannover. WEGENER, U.(1977): Mitt. des AK, Heimische Orchideen 7, REINECKE, W. (1886): Exkursionsflora des Harzes, Quedlin- S. 98-108, Berlin. burg. WESTHUS, W. (2002): Briefl. Mitt. 31. Jan. 02. SCHATZ, W. (1854): Flora von Halberstadt, Halberstadt. WIŚNIEWSKI, N. (1969): Zur früheren und gegenwärtigen SCHWABE, S. H. (1865): Flora von Anhalt, Dessau. Verbreitung einiger Orchideen-Arten in der Deut- SPORLEDER, F. W. (1882): Verzeichnis der in der Grafschaft schen Demokratischen Republik. Arch. Natur- Wernigerode und der nächsten Umgebung wild- schutz u. Landschaftsforsch. Bd. 9, H. 3 u. 4, S. 209- wachsenden Phanorogamen und und Gefäßkrypto- 211, Berlin. gamen ..., Wernigerode. VOCKE, A. und ANGELRODT, C. (1886): Flora von Nordhau- sen, Berlin.

Anschrift des Verfassers: Dr. UWE WEGENER, Nationalpark Hochharz, Lindenallee 35, D-38855 Wernigerode Pulsatilla, Heft 5, 2002, Seite 58

Buchbesprechung

Rheinisches Kulturlandschaftskataster - Heinsberg) wird in mehreren Beiträgen der Tagungsbericht der 11. Fachtagung des Land- Einsatz von Personalcomputern und Geogra- schaftsverbandes Rheinland – Beiträge zur phischen Informationssystemen (GIS) bei der Landesentwicklung 55, 164 Seiten. DIN-A-4, Erfassung, Verwaltung, Auswertung und Prä- broschürt, mit zahlreichen, überwiegend farbi- sentation der Daten dargelegt. Mit dem Kultur- gen Fotos und Abbildung. landschaftskataster als wichtiger Bestandteil der Landschafts- und Regionalplanung aus kom- Seit 1991 publiziert das Umweltamt des munaler und regionaler Sicht beschäftigen sich Landschaftsverbandes Rheinland Beiträge zu weitere Beiträge, auch die Wirtschaft kommt zu Fachtagungen, die sich mit speziellen Fragestel- Wort. Für den Blick über den Tellerrand hinaus lungen der Themen Landschafts- und Grünflä- sorgen Beiträge aus den Niederlanden und Ös- chenpflege sowie Denkmalpflege und Kultur- terreich. güter-Schutz beschäftigen. Der hier besproche- Am Ende des Tagungsbandes steht ein ne Band ist bereits der 11. Tagungsbericht die- Überblick über die internationalen Bemühun- ser Art. Er baut auf frühere Tagungen auf und gen zur Erhaltung und Entwicklung von Kul- stellt die Erfassung und Verwaltung von Daten turlandschaften in ganz Europa. Hierbei wer- über Elemente der Kulturlandschaft in den den nicht nur die entsprechenden Programme Mittelpunkt. Die Palette dieser Kulturland- der Europäischen Union, sondern auch außer- schafts-Elemente ist vielfältig, vom Blickbezug halb der EU agierende Initiativen und Vereini- über Landnutzungsformen bis hin zu ur- und gungen, seinen es nun Zusammenschlüsse von frühgeschichtlichen Bodendenkmalen und kul- Nationalstaaten, haupt- und ehrenamtliche turhistorisch bedeutsamen Bauwerken. Betont Nichtregierungsorganisationen oder weltweite wird die Kulturlandschaft als Abbild regionaler Akteure wie die UNESCO vorgestellt. Identität, ihre ästhetische und erlebnisorien- Ein lohnendes und in vieler Hinsicht anre- tierte Komponente und ihre Zeugenschaft gendes Buch für alle, die an einer gedeihlichen ebenso wie ihre Bedeutung als Lebensraum für Zusammenarbeit zwischen Naturschutz und Pflanzen und Tiere. Naturschutz und regionale Kulturgutschutz interessiert sind. Es ist in Ein- Kulturpflege werden als die beiden tragenden zelexemplaren kostenlos erhältlich beim Land- Säulen der Kulturlandschaftspflege erkannt. schaftsverband Rheinland, Umweltamt, Otto- Kristallisationspunkt der Tagung war das platz 2, 50679 Köln (E-Mail: [email protected]). Kulturlandschaftskataster. Ausgehend von ei- ner Pilotstudie an der unteren Rur (Kreis CHRISTIAN BERG (Rostock) Pulsatilla, Heft 5, 2002, Seite 59-66

THOMAS HÖVELMANN, Münster

Vorkommen und Pflege schutzwürdiger Weg- und Straßenrän- der in Münster

Einleitung allem auch an Straßen- und Wegrändern, vor- kommt. Die fort schreitende Nutzungsintensivie- Von den Tiergruppen profitieren vor allem rung und der Strukturwandel in der Landwirt- die Insekten von den blüten- und artenreichen schaft hat zu einem starken Rückgang artenrei- Beständen als Wohn-, Nahrungs-, Brut- und cher Wiesen geführt. Grünland ist häufig zu Überwinterungsplätze. Durch ihre meist lü- Ackerland umgebrochen worden, die verblei- ckenlose und engmaschig vernetzte Anlage bie- benden Flächen werden überwiegend als Stand- ten Straßen- und Wegränder zudem gute Mög- oder Mähweide genutzt. Entwässerung, Nivel- lichkeiten für den Biotopverbund und spielen lierung und starke Düngung haben zudem zu eine wichtige Rolle für die Vernetzung isolierter einer starken floristischen Verarmung verblie- flächiger Strukturen. Vor allem in intensiv agra- bener Bestände beigetragen. risch genutzten Landschaften können sich Stra- Daher finden sich heute viele der ehemals ßen- und Verkehrssäume durch die Bereitstel- im Grünland flächig verbreiteten typischen Ar- lung von Fluchträumen und ihre Leitlinien- ten der Wiesen vor allem entlang von Straßen funktion positiv für den Biotopverbund auswir- und Wegen. Die Straßen- und Wegränder wer- ken (MADER 1987). den im Rahmen der Unterhaltung wie Wiesen Bedingt durch wirtschaftliche Zwänge haben regelmäßig gemäht, im Vergleich zu landwirt- sich jedoch auch in der Unterhaltung der Ver- schaftlich bewirtschafteten Flächen jedoch kehrsbegleitflächen Methoden etabliert, die zu recht extensiv genutzt, da sie meist nur ein- bis einer Verarmung der Bestände geführt haben. zweischürig gemäht und nicht gedüngt werden. Zu nennen ist hier u.a. das Mulchen und liegen Die Verkehrsbegleitflächen sind daher viel- lassen des Mahdgutes. Dadurch drohen nun fach zum wertvollen Rückzugsgebiet von selte- auch die Säume zu artenarmen Brennnessel- nen und / oder gefährdeten Pflanzen- und Tier- oder Glatthafer-Rainfarn-Beständen zu degene- arten geworden und stellen einen bedeutenden rieren. Vor allem die konkurrenzschwächeren Pflanzen- und Tierartenpool für Arten des Pflanzenarten werden mittelfristig von den Grünlandes, der Sandtrocken- und Magerrasen Hochstauden überwachsen und verschwinden. sowie der annuellen Arten der Ruderal- und Se- Heute werden daher Straßen- und Wegrän- getalfluren dar (GARVE 1994). Nach Angaben der häufig von verarmten und mit nitrophilen von STOTTELE und SCHMIDT (1988) nimmt das Hochstauden durchsetzten Rainfarn-Glattha- Pflanzenarteninventar der Straßenbegleitvege- ferbeständen (Tanaceto-Arrhenatheretum, FI- tation in der Regel ca. 50-60 % des gesamten SCHER 1985), oder bei Beschattung von Giersch- Arteninventares eines Messtischblattes ein. Brennnesselbeständen gebildet. Dazu trägt Untersuchungen aus dem nördlichen Münster- nach Angaben von SCHMIDT (1990) in agrari- land (KAPLAN 1995) kamen zu dem Ergebnis, schen Landschaften auch der Einsatz von Her- das die bei weitem größte Zahl an gefährdeten biziden und Düngern auf den angrenzenden Pflanzenarten der Region in Saumbiotopen, vor Nutzflächen bei. 60 Pulsatilla, Heft 5, 2002

Das Projekt des NABU Münster Mit 303 km² gehört Münster zu den flä- chenmäßig größten Städten Deutschlands. Ent- Vor dem Hintergrund der oben genannten sprechend ist auch das Straßennetz sehr lang, Gegebenheiten führte die Botanik-AG des NA- mit Sicherheit mehrere Tausend Kilometer. Ge- BU Münster in Zusammenarbeit mit der AG naue Zahlen konnten dazu leider nicht gefun- Heuschrecken und der AG Schmetterlinge im den werden. Jahr 2000 ein Projekt durch mit dem Ziel, im Einklang mit ökonomischen Zwängen weitest Das Leitbild mögliche Schutz- und Entwicklungsmöglich- keiten für die Säume an Verkehrswegen in Bevor die Suche nach schutz- und entwick- Münster zu erarbeiten. Da eine flächendecken- lungswürdigen Säumen begann, musste ein de Ökologisierung der Saumunterhaltung sehr Leitbild formuliert werden, das unter den gege- aufwändig und zumindest kurzfristig unrealis- benen standörtlichen und nutzungstechnischen tisch ist, sollten sich dabei die vorgeschlagenen Gegebenheiten das Ziel der Projektbemühun- Maßnahmen zunächst auf besonders geeignete gen sein sollte. Standorte beschränken. Leitbild ist für den bei Weitem größten Teil Das Projekt wurde von der Stadt Münster des Stadtgebietes Münsters die Pflanzengesell- dankenswerter Weise mit einem Zuschuss ge- schaft, die sich auf den mittleren Standorten bei fördert. Der vollständige Projektbericht kann regelmäßiger extensiver Schnittnutzung ohne beim Autor gegen einen Unkostenbeitrag von 5 Düngung einstellt: die Glatthaferwiese (Arrhe- Euro bezogen werden. natheretum elatioris). Dabei handelt es sich in In einem ersten Schritt (Projektphase 1) typischer Ausprägung um eine artenreiche, mit wurden auf der Grundlage eines Leitbildes an zahlreichen magerkeitsliebenden Arten ange- Hand von Indikator-Pflanzenarten flächende- reicherte Wiesengesellschaft, die auf Grund von ckend im Stadtgebiet schutz- und entwick- Nutzungsänderungen in der Landwirtschaft lungswürdige Standorte heraus gefiltert. Diese von Nutzflächen fast vollständig verschwunden geeigneten Bestände werden danach in ihrem ist und daher in NRW als gefährdet gilt (LÖBF Arteninventar an Pflanzen und den für den Le- 1995) bzw. einen Lebensraumtyp von gemein- bensraum typischen Tiergruppen Heuschre- schaftlichem Interesse gemäß FFH-Richtlinie cken und Tagfalter näher beschrieben (Projekt- darstellt (BfN 1998). phase 2). Zuletzt werden für die schutz- und Auf Standorten mit abweichenden besonde- entwicklungswürdigen Säume auf der Grundla- ren Bodeneigenschaften ist auch die Entwick- ge des Leitbildes konkrete Pflegemaßnahmen lung anderer Pflanzengesellschaften möglich. formuliert und mit dem jeweiligen Träger der So können auf den basenreichen Böden im Be- Unterhaltung abgestimmt (Projektphase 3). reich des Nienberger-Altenberger Höhenrü- ckens Übergänge zu den Halbtrockenrasen Das Untersuchungsgebiet (Mesobrometum erecti) vorkommen. Auf den armen Sandböden im Osten der Stadt ist dage- Die Stadt Münster (270.000 Einwohner) gen das Vorkommen von Sandtrocken- und liegt im Nordwesten von Nordrhein-Westfalen Sandmagerrasen der Klasse Airo-Corynophore- inmitten der Münsterländischen Tiefland- tea standortgerecht. In den ehemaligen Heide- bucht. Das Klima ist deutlich subatlantisch ge- gebieten ist - je nach Ausbildung des Samenvor- prägt. Auf Grund der geologischen Verhältnisse rates im Boden – auch die Entstehung von Hei- kommen im Stadtgebiet in jeweils großem Um- degesellschaften der Klasse Nardo-Callunetea fang sowohl nährstoffarme Sandböden als auch möglich. Zwischen den genannten Pflanzenge- reiche Lehmböden vor. Von Nordwesten sellschaften und der Glatthaferwiese gibt es dar- streicht ein alter Kalkzug (Nienberger-Alten- über hinaus alle Arten von Übergängen, die es berger Höhenrücken) in das Stadtgebiet, so ebenso zu erhalten gilt. dass kleinflächig auch kalkreiche Böden vor- Ziel muss es dabei sein, die genannten handen sind. Pflanzengesellschaften in möglichst optimaler THOMAS HÖVELMANN: Vorkommen und Pflege schutzwürdiger Weg- und Straßenränder in Münster 61

Form zu entwickeln, d.h. mit einem möglichst Die insgesamt 43 geeigneten Arten wurden hohen Anteil an charakteristischen Pflanzen- je nach Indikatorqualität in drei Gruppen und Tierarten und möglichst wenigen gesell- unterteilt. Die Arten der erste Gruppe wurden schaftsfremden Arten. Nicht erwünschte Arten bereits erfasst, wenn auch nur einzelne Indivi- in den Säumen sind daher z.B. einjährige Arten, duen gefunden wurden. Es sind allesamt seltene die auf Grund von Narbenverletzungen in die Arten, die bislang nur an wenigen Stellen in Bestände eindringen. Weiterhin entspricht das Münster gefunden worden sind. Die mittlere Auftreten von nitrophytischen Hochstauden Artengruppe wurde erst dann kartiert, wenn sie der Klasse Artemisietea vulgaris wie z.B. die in größeren Gruppen vorhanden war. Es han- Große Brennnessel (Urtica dioica), der Rainfarn delt sich dabei meist um Arten, die zwar nicht (Tanacetum vulgaris) und der Gemeine Beifuß selten, aber Charakterarten der angestrebten (Artemisia vulgaris) nicht dem Leitbild. Das Pflanzengesellschaft Glatthaferwiese sind. In der massive Auftreten dieser Arten ist auf ungenü- rechten Spalte der Tab. 1 schließlich finden sich gende Mahd, Mulchen oder das Liegenlassen mit dem Wiesen-Schaumkraut und der Schaf- des Mahdgutes zurück zu führen. Zuletzt zeigt garbe Allerweltsarten, die jedoch bei Massenauf- auch das Auftreten von Gehölzjungwuchs eine treten als Magerkeitszeiger gelten können und nicht ausreichende Pflege der Bestände an. daher in diesem Fall ebenfalls erfasst wurden. Darüber hinaus ist auch der Erhalt und die Insgesamt wurde das Stadtgebiet in 14 Sek- Förderung von regional seltenen und / oder ge- toren aufgeteilt, die jeweils von ein oder zwei fährdeten Arten Ziel des Projektes. Gerade die Aktiven bearbeitet wurden. Die Suche nach den Straßen- und Wegränder sind dafür bekannt, Indikatorarten erfolgte in den Monaten Mai bis dass sie für eine Reihe von seltenen Pflanzenar- Juli 2000. ten den oder die einzigen Fundorte in Münster darstellen. Projektphase 2: Arteninventarisierung schutz- und ent- Projektphase 1: wicklungswürdiger Säume Erfassung der schutz- und entwicklungs- würdiger Saumstandorte Insgesamt wurden nach Auswertung der er- sten Phase des Projektes 17 schutz- und ent- In der ersten Projektphase wurde das Stadt- wicklungswürdige Säume im Stadtgebiet heraus gebiet von Münster flächendeckend nach geeig- gearbeitet, die weiter bearbeitet wurden. Es neten Saumstandorten abgesucht. Dieser sehr handelt sich dabei um über das gesamte Stadt- arbeitsintensive Schritt geschah mit Hilfe von gebiet von Münster verteilte Verkehrsseitenflä- Indikatorpflanzen, die folgende Kriterien er- chen von insgesamt 2.760 m Länge. Diese Flä- füllten: chen wurden als Grundlage für die Entwicklung x sie sind geeignet, schutz- und entwicklungs- geeigneter Pflegemaßnahmen und für eine spä- fähige Saumstandorte anzuzeigen; tere Erfolgskontrolle auf ihr Arteninventar an x sie sind auch für einen Laien leicht zu er- Pflanzen, Heuschrecken und Tagfaltern hin kennen; untersucht. x sie blühen in den Sommermonaten; Von den Säumen wurden Vegetationsauf- x sie sind von weitem zu sehen, z.B. vom nahmen nach BRAUN-BLANQUET (1964) angefer- Fahrrad aus. tigt, die aus Platzgründen hier nicht dargestellt Diese Aufgabe wurde von ca. 20 Mitarbei- werden können. Dabei wurden in den bearbei- tern und Mitarbeiterinnen der NABU-AG Bo- teten Säumen 20 Arten nachgewiesen, die nach tanik übernommen. Von den Indikatorarten der Roten Liste NRW (LÖBF 1999) als gefähr- sind beispielsweise der Große Klappertopf det (RL 3) eingestuft oder die auf der Vorwarn- (Rhinanthus serotinus), die Kuckucks-Lichtnel- liste (V) geführt werden (Tab. 2). ke (Lychnis flos-cuculi) und die Skabiosen-Flo- An Hand der Vegetationsaufnahmen lassen ckenblume (Centaurea scabiosa) zu nennen. Ei- sich vier verschiedene Pflanzengesellschaften ne vollständige Liste ist in Tab. 1 abgedruckt. differenzieren: 62 Pulsatilla, Heft 5, 2002

Ein Wegrand bei Münster-Wolbeck lässt sters wurde ein Straußgras-Magerrasen (Agros- sich als feuchte Ausbildung der Ginster-Besen- tietum tenuis) erfasst. Diese Pflanzengesellschaft heide (Genisto-Callunetum ericetosum) klassifi- ist typisch für offene, wenig beschattete, ab und zieren. Charakteristische Arten sind der Engli- zu befahrenen Stellen auf nährstoffarmen Sand- sche Ginster (Genista anglica), die Glockenhei- böden (RUNGE 1986). Von den charakteristi- de (Erica tetralix) und die Besenheide (Calluna schen Arten der Gesellschaft sind neben dem vulgaris). dominanten Roten Straußgras (Agrostis tenuis) Im Waldgebiet Hohe Ward im Süden Mün- der Kleine Sauerampfer (Rumex acetosella) und

Tab. 1: Die im Rahmen des Projektes im Stadtgebiet von Münster kartierten Indikatorarten für schutz- und entwicklungsbedürftige Säume

Erfassung bereits von Einzelindividuen Orchideen, alle Arten Alchemilla vulgaris Gemeiner Frauenmantel Astragalus glycophyllos Süße Bärenschote Calluna vulgaris Besenheide Campanula rotundifolia Rundblättrige Glockenblume Centaurea scabiosa Skabiosen-Flockenblume Cichorium intybus Wegwarte Euphrasia stricta Steifer Augentrost Hypericum hirsutum Behaartes Johanniskraut Jasione montana Berg-Sandglöckchen Malva alcea Sigmarskraut Malva moschata Moschus-Malve Medicago falcata Sichelklee Ononis spinosa Dornige Hauhechel Origanum vulgare Gemeiner Dost Rhinanthus serotinus Großer Klappertopf Sanguisorba minor Kleiner Wiesenknopf Silaum silaus Wiesen-Silge Silene vulgaris Taubenkropf-Lichtnelke Succisa pratensis Teufelsabbiss Erfassung von mittleren bis großen Beständen Agrimonia eupatoria Gemeiner Odermennig Calamintha clinopodium Wirbeldost Campanula rapunculus Rapunzel-Glockenblume Centaurea jacea Wiesen-Flockenblume Centaurium minus Kleines Tausendgüldenkraut Cerastium arvense Acker-Hornkraut Euphorbia cyparissias Zypressen-Wolfsmilch Galium verum Echtes Labkraut Hieracium pilosella Kleines Habichtskraut Knautia arvensis Acker-Witwenblume Lathyrus pratensis Wiesen-Platterbse Leucanthemum vulgare Wiesen-Margerite Lychnis flos-cuculi Kuckucks-Lichtnelke Odontites rubra Roter Zahntrost Plantago media Mittlerer Wegerich Potentilla erecta Aufrechtes Fingerkraut Pulicaria dysenterica Großes Flohkraut Sedum acre Scharfer Mauerpfeffer Thymus pulegioides Arznei-Thymian Tragopogon pratensis Wiesen-Bocksbart Veronica chamaedrys Gamander-Ehrenpreis Erfassung von sehr großen Beständen Achillea millefolium Gemeine Schafgarbe Cardamine pratensis Wiesen-Schaumkraut THOMAS HÖVELMANN: Vorkommen und Pflege schutzwürdiger Weg- und Straßenränder in Münster 63 das Tüpfel-Johanniskraut (Hypericum perfora- zwenke (Brachypodium pinnatum) und Oder- tum) vorhanden. mennig (Agrimonia eupatoria) der Untergesell- Die bei Weitem größte Zahl der Weg- und schaft des Knolligen Hahnenfußes (Arrhenathe- Straßenränder in Münster sind den Glatthafer- retum elatioris ranunculetum bulbosi, Var. von wiesen (Arrhenatheretum elatioris) zuzuordnen. Sanguisorba minor) zugeordnet werden, die auf Die im Rahmen des Projektes bearbeiteten mehr oder weniger trockenen und basenreichen schutz- und entwicklungswürdigen Bestände Standorten vorkommt. sind durch das Vorkommen zahlreicher Cha- Die übrigen Säume mit dem Arrhenathere- rakterarten wie Glatthafer (Arrhenatherum ela- tum sind je nach Bodenverhältnissen auf mage- tior), Wiesen-Labkraut (Galium mollugo), Wie- reren Böden mit Magerkeits- und Säurezeigern sen-Flockenblume (Centaurea jacea) und Gro- oder auf stärker basenhaltigen Böden, die ße Bibernelle (Pimpinella major) bestimmt. gleichzeitig zur Verdichtung oder Vernässung Dabei lassen sich die untersuchten Flächen neigen, mit Arten der Queckenfluren, Trittra- je nach Standort in verschiedene Untergesell- sen oder feuchteliebenden Hochstauden ausge- schaften und Varianten untergliedern: stattet. Zwei Säume mit Arten wie Berg-Sandglöck- Eine einzige Probefläche kann dagegen als chen (Jasione montana), Kleinem Habichts- Weidelgras-Weißkleeweide (Lolio-Cynosuretum kraut (Hieracium pilosella) und Kleinem Sau- cristati) angesprochen werden. Als Charakterar- erampfer (Rumex acetosella) repräsentieren den ten dieser Assoziation sind Deutsches Weidel- trockensten und magersten Flügel der Glatthaf- gras (Lolium perenne), Weiß-Klee (Trifolium re- erwiesen (Arrhenatheretum elatioris ranuncule- pens) und Kammgras (Cynosurus cristatus) mit tum bulbosi, Var. von Luzula campestris) auf hoher Deckung vorhanden. Der vorliegende Sandböden. Bestand zeichnet sich durch ein größeres Vor- Eine Reihe von Probeflächen können auf kommen des Steifen Augentrostes (Euphrasia Grund des Vorkommens von Kalkzeigern wie stricta) aus. Dornige Hauhechel (Ononis spinosa), Fieder- Zur Erfassung der Heuschrecken kam die

Tab. 2: In den Probeflächen vorkommende Arten der Roten Liste NRW (LÖBF 1999): 3 = gefährdet, v = Vorwarnliste

NRW Westf. Bucht Achillea ptarmica Sumpf-Schafgarbe v Allium oleraceum Gemüselauch 3 3 Anthemis arvensis Acker-Hundskamille 3 3 Centaurium erythraea Echtes Tausendgüldenkraut v Cynosurus cristatus Kammgras v Dianthus armeria Büschel-Nelke 3 3 Euphrasia stricta Steifer Augentrost 3 3 Genista anglica Englischer Ginster 3 3 Hieracium pilosella Kleines Habichtskraut v Hypericum tetrapterum Geflügeltes Johanniskraut v Jasione montana Berg-Sandglöckchen 3 3 Linum carthaticum Purgier-Lein v Medicago falcata Sichelklee * 3 Ononis spinosa Dornige Hauhechel * 3 Potentilla argentea Silber-Fingerkraut * 3 Potentilla erecta Blutwurz v Rhinanthus serotinus Großer Klappertopf 3 3 Senecio aquaticus Wasser-Greiskraut 3 * Silaum silaus Wiesen-Silge 3 3 Teesdalia nudicaulis Bauernsenf 3 3 64 Pulsatilla, Heft 5, 2002

Aktivitätsdichtekartierung zur Anwendung. der Grasnarbe, zum Anderen führt der Biomas- Dabei werden die stridulierenden Männchen seentzug zur sukzessiven Aushagerung der entlang festgelegter Transektstrecken ausge- Standorte. Das Ansiedeln von nitrophytischen zählt. Zum Nachweis von Heuschreckenarten, Hochstauden wie die Große Brennnessel (Urti- die in einem für das menschliche Ohr nicht ca dioica) oder den Rainfarn (Tanacetum vulga- hörbaren Frequenzbereich singen, oder deren re) wird erschwert. Stridulation nur aus nächster Nähe wahrge- Bei der Mahd ist es wünschenswert, dass nommen werden kann, wurde ein Ultra- nicht lange Strecken gleichzeitig gemäht wer- schallfrequenzmodulator eingesetzt. den. Günstiger ist es, streifenweise zu mähen Insgesamt konnten 11 Heuschreckenarten oder einzelne Abschnitte stehen zu lassen. Das nachgewiesen werden, darunter als gefährdete Mahdgut sollte idealerweise einige Tage am Ort Arten der Roten Liste des Landes Nordrhein- belassen werden, um den von der Mahd über- Westfalen (LÖBF 1999) der Verkannte Gras- raschten Tieren die Flucht in angrenzende Be- hüpfer (Chorthippus mollis, RL 3) und die Feld- stände zu ermöglichen. grille (Gryllus campestris, RL 2). Allgemein sind Messermähwerke aus ökolo- Zum Nachweis von Tagfaltern wurde die gischer Sicht günstiger zu bewerten als Schlegel- Transektmethode angewendet. Mit diesem Ver- oder Kreiselmäher (OPPERMANN und CLASSEN fahren können standardisierte Individuenzah- 1998). So führen beispielsweise die Schneidwer- len und relative Abundanzen von Schmetter- ke zu glatten Schnittkanten an den Pflanzen, die lingsgemeinschaften ermittelt werden. Insge- weniger häufig Pilzerkrankungen nach sich zie- samt konnten lediglich acht Tagfalterarten be- hen. obachtet werden, die allesamt als Allerweltsar- Nicht zuletzt ist für alle Weg- und Straßen- ten einzuschätzen sind. Bemerkenswert ist al- ränder der Eintrag von Nährstoffen und Pestizi- lenfalls das Vorkommen von zwei Thymelicus- den von angrenzenden landwirtschaftlich ge- Arten, die besonders an mageren, blütenreichen nutzten Flächen zu vermeiden. Für die optima- Saumstrukturen höhere Individuendichten auf- le Entwicklung ist es daher sinnvoll, beispiels- weisen. weise über vertragliche Regelungen eine Exten- sivierung auf den Randstreifen der angrenzen- Projektphase 3 den Nutzflächen zu erreichen. Entwicklung eines Pflege- und Unterhal- Über die allgemein gültigen Hinweise hin- tungskonzeptes aus gelten für die einzelnen Pflanzengesellschaf- ten folgende Pflegeempfehlungen: Auf der in Projektphase 2 ermittelten Da- Für die Glatthaferwiese liegen zum günstig- tengrundlage werden geeignete Maßnahmen sten Mahdtermin und die geeignetste Mahd- zur optimalen Pflege der Bestände erarbeitet häufigkeit in der Literatur verschiedene Anga- und in ein Gesamtunterhaltungskonzept einge- ben vor, meist je nachdem, ob zoologische oder stellt. Dabei gelten die vorgeschlagenen Unter- vegetationskundliche Fragestellungen im haltungsmaßnahmen nicht für die Bankette Vordergrund stehen. Aus Sicht der Tierwelt und Sichtdreiecke, die aus Gründen der Ver- wird meist eine einschürige Mahd im Spätsom- kehrssicherheit auf jeden Fall frei gehalten wer- mer oder Herbst (z.B. STOTTELE 1995, BARNA et. den müssen und bei Bedarf häufiger und früher al. 1988) befürwortet. Die Pflanzengesellschaft gemäht werden. wird nach STOTTELE und WAGNER (1992) am be- sten durch eine zweimalige Mahd gefördert. Allgemeine Pflegeempfehlungen Dies führt vor allem zu einer verstärkten Aus- hagerung des Standortes. Der erste Schnittter- Einige Pflegevorschläge gelten unabhängig min darf nicht vor Mitte Juni liegen, der zweite von der betroffenen Pflanzengesellschaften. So Mahd sollte ab Ende September durchgeführt gilt grundsätzlich, dass das anfallende Mahdgut werden. von den Flächen entfernt werden sollte. Diese In den nährstoffarmen Ausprägungen ge- Maßnahme verhindert zum Einen das Verfilzen nügt dagegen eine einschürige Mahd im Herbst, THOMAS HÖVELMANN: Vorkommen und Pflege schutzwürdiger Weg- und Straßenränder in Münster 65 ebenso in feuchten, staudenreichen Ausbildun- friedigend beurteilt werden. Als günstig ist zu gen in und an Gräben. bewerten, dass die Verkehrsnebenflächen erst Für den staufeuchten Weidelgras-Weißklee- zu einem späten Zeitpunkt im Jahr, nämlich ab Rasen sollten die Pflegemaßnahmen auf den Er- Mitte Oktober, gemäht werden. Zudem ist es zu halt des gefährdeten und in Münster nur an die- begrüßen, dass durch die Absaugung das ser Stelle vorkommenden Steifen Augentrostes Mahdgut von den Flächen entfernt wird. (Euphrasia stricta) ausgerichtet werden. Dazu ist Als ungünstig einzuschätzen ist dagegen die eine Ausmagerung und Unterbindung der Kon- Bearbeitung mit einem Schlegelmäher, der kurrenz anderer, höherwüchsiger Arten (z.B. gegenüber einem Messermähwerk ökologische Obergräser) durch regelmäßige Mahd (2-3 mal Nachteile aufweist. Ein abschnittsweises Vorge- jährlich) mit anschließender Entfernung des hen wird nicht vorgenommen. Auch ist der ein- Mähgutes ideal. Die volle Besonnung ist zu ge- schürige Mahdvorgang nicht für alle vorkom- währleisten, d.h. das Anpflanzen oder Aufkom- menden Lebensgemeinschaften optimal. menlassen von Gehölzen muss unterbleiben. Der Bestand kann in geringem Umfang durch Kosten für eine ökologisch optimale Pflege Lückigkeit der Grasnarbe gefördert werden. Nach Angaben von BARNA et. al. (1988) Die Kosten für die derzeit praktizierte Art reicht für die Sandmagerrasen ein 4-5 jähriger der Unterhaltung betragen nach Angaben des Schnittturnus, STOTTELE und WAGNER (1992) Tiefbauamtes der Stadt Münster 0,17 DM/m². dagegen schlagen eine jährliche Mahd im Die Kosten für eine einmalige Mahd mit einem Herbst vor. Für eine möglichst weitgehende Of- Balkenmäher und Abfuhr des Mähgutes betra- fenhaltung des Standortes ist eine jährliche gen dagegen ca. 0,60 DM/m². Mahd im konkret bearbeiteten Bestand sicher Die erfassten schutz- und entwicklungswür- zu befürworten, zumal die dort vorkommende digen Säume müssen ferner eindeutig und dau- stark gefährdete Feldgrille auf eine starke Er- erhaft markiert werden, damit sie bei der wärmung des Bodens angewiesen ist. Herbstmahd mit dem Schlegelmäher nicht mit Für den kleinen untersuchten Bestand der gemäht werden. Ginster-Besenheide ist das jährliche Herauszie- Für eine ökologisch optimale Pflege (s.o.) hen von Gehölzjungwuchs empfehlenswert, kämen danach allein für die 17 untersuchten wobei Narbenverletzungen durchaus förderlich Flächen zusätzliche Aufwändungen in Höhe sein können, und das gelegentliche abschnitts- von ca. 13.000 DM auf die Träger der Unterhal- weise Abtragen des Oberbodens bis in ca. 10 cm tung zu: Tiefe. Aufgrund der relativ hohen anfallenden Kosten wäre als Kompromiss denkbar, die ein- Bewertung der aktuellen Unterhaltungspraxis schürigen Säume wie bisher zu mähen. Bei den zweischürigen Säumen könnte der erste Schnitt Fast alle untersuchten Flächen werden vom mit einem Balkenmäher durchgeführt werden, Tiefbauamt der Stadt Münster unterhalten. Die der zweiten Schnitt im Rahmen der Herbst- Mäharbeiten in der Zuständigkeit des Tiefbau- mahd mit einem Schlegelmäher. Dadurch wür- amtes der Stadt Münster werden z.Z. wie folgt den sich die Unkosten auf ca. 7.000 DM verrin- durchgeführt, dass mit einem Schlegelmäher gern. mit Absaugung gearbeitet wird. Das abgesaugte Material wird direkt in einem Anhänger ab- Fazit und weiteres Vorgehen transportiert. Die Arbeiten beginnen erst nach der Vegetationsperiode ab dem 15. Oktober. Zur Zeit wird mit der Stadt Münster über Das Mähgut wird auf einer Kompostierungsan- eine stückweise Umsetzung des ökologisch op- lage verwertet. timierten Mahdkonzeptes verhandelt. Ob und Die zur Zeit betriebene Unterhaltungspraxis in welchem Umfang die vorgeschlagenen Maß- für die vom Tiefbauamt der Stadt Münster nahmen verwirklicht werden können, ist ak- unterhaltenen Flächen kann insgesamt als be- tuell noch nicht abzusehen. 66 Pulsatilla, Heft 5, 2002

Auf den Flächen, auf denen das Pflegekon- FISCHER, A. (1985): „Ruderale Wiesen“ – Ein Beitrag zur Kenntnis des Arrhenatherion-Verbandes. Tüxenia zept ggf. umgesetzt werden wird, wird eine Effi- 5: 237-248. zienzkontrolle notwendig. Hierzu gehört die GARVE, E. (1994): Atlas der gefährdeten Farn- und Blüten- jährliche Inaugenscheinnahme der Flächen und pflanzen in Niedersachsen und Bremen. Natur- die Einrichtung von Dauerbeobachtungsflä- schutz und Landschaftspflege in Niedersachsen 24: 1-152. chen, die jährlich oder in längerem Turnus auf- HÖVELMANN, Th. (2001): Einfache Methoden zur Markie- genommen werden. Hierzu steht der AG Bota- rung von Dauerbeobachtungsflächen zur Erfolgs- nik des NABU Münster ein Magnetsuchgerät kontrolle - Erfahrungen aus dem ehrenamtlichen Naturschutz. Pulsatilla 4 (30-34). zur Verfügung (HÖVELMANN 2001). KAPLAN, K. (1995): Wo wachsen die gefährdeten Pflanzen- Langfristig ist bei nachgewiesenem Erfolg arten? LÖBF-Mitteilungen 3/1995: 39-45. des Pflegekonzeptes eine Ausdehnung auf wei- LÖBF, Landesanstalt für Ökologie, Bodenordnung und tere Flächen oder die gesamten Verkehrsneben- Forsten (1995): Rote Liste der Pflanzengesellschaf- ten in Nordrhein-Westfalen. Schriftenreihe der flächen anzustreben. Hierzu sind auch die wei- LÖBF 5. teren Unterhaltungsträger im Stadtgebiet von LÖBF, Landesanstalt für Ökologie, Bodenordnung und Münster, z.B. der Landschaftsverband, die Forsten (1999): Rote Liste der gefährdeten Pflanzen Autobahnmeisterei, die Stadtwerke etc. einzu- und Tiere in Nordrhein-Westfalen. 3. Fassung. Schriftenreihe der LÖBF 17. beziehen. Eine flächendeckende Erfassung von MADER, H.J. (1987): Straßenränder, Verkehrsnebenflächen straßenbegleitenden Strukturen mit Erstellung - Elemente eines Biotopverbundsystems? Natur eines Maßnahmen- und Entwicklungskonzep- und Landschaft 62(7/8): 296-299. tes wurde beispielsweise vom Kreis Herzogtum OPPERMANN, R., CLASSEN, A. (1998): Naturverträgliche Mähtechnik - Moderne Mähgeräte im Vergleich. Lauenburg (Schleswig-Holstein) als Träger der Grüne Reihe NABU Baden-Württemberg: 48 S. Unterhaltungslast für Kreisstraßen in Auftrag RUNGE, F. (1986): Die Pflanzengesellschaften Mitteleuropas. gegeben (BERG und KROOG 1999). Aschendorff, Münster. SCHMIDT, W. (1990): Struktur und Funktion von Straßen- rändern in der Agrarlandschaft. Verhandlungen der Literatur Gesellschaft für Ökologie 19 (2): 566-591. STOTTELE, T. (1995): Vegetation und Flora am Straßennetz BARNA, O., JAHNS-LÜTTMANN, LÜTTMANN, J. (1988): Unter- Westdeutschlands – Standorte, Naturschutzwert, suchungen zur Bedeutung von Straßenbegleitgrün Pflege. Dissertationes Botanicae 248, Cramer, Ber- für den Arten- und Biotopschutz und zur Festle- lin, Stuttgart. gung von Pflegemaßnahmen. Unveröffentlichte STOTTELE, T., SCHMIDT, W. (1988): Flora und Vegetation an Studie im Auftrag der Straßenverwaltung Rhein- Straßen und Autobahnen der Bundesrepublik land-Pfalz. Deutschland. Forschung Straßenbau und Straßen- BERG, K., KROOG, V. (1999): Entwicklungs- und Handlungs- verkehrstechnik 529. konzept für Maßnahmen des Naturschutzes und STOTTELE, T., WAGNER, U. (1992): Ergebnisse der Bestands- der Landschaftspflege an Kreisstraßen. Natur und kartierung und Pflegeplanung für ausgewählte Landschaft 74 (1): 11-17. Meistereibetriebe in Nordhessen. In: STOTTELE, T., BfN (Bundesamt für Naturschutz, 1998): Das europäische SOLLMANN, A.: Ökologisch orientierte Grünland- Schutzgebietssystem NATURA 2000. Schriftenreihe pflege an Straßen. Schriftenreihe des Hessischen für Landschaftspflege und Naturschutz 53. Landesamtes für Straßenbau 32: 203-231. BRAUN-BLANQUET, J. (1964): Pflanzensoziologie. Wien.

Anschrift des Autors: Dr. THOMAS HÖVELMANN, NABU Münster e. V., Prozessionsweg 62, D-48145 Münster Pulsatilla, Heft 5, 2002, Seite 67-70

SUSANNA KOSMALE, Zwickau

Artikelserien über „Rote-Liste-Pflanzen“ in der Tagespresse – eine Möglichkeit der Lobbyarbeit für die Pflanzenwelt

Wird man mit der Artenkenntnis unserer Vereine treiben erfolgreiche Öffentlichkeitsar- Mitbürger konfrontiert, ergibt sich oft ein er- beit auf Exkursionen, Seminaren, Tagungen schreckendes Bild, besonders bei der Stadtbe- und durch Informationsmaterial. Im Blick auf völkerung. Zwar lernen alle Kinder in den er- die Gesamtbevölkerung ist der Wirkungsgrad sten Schuljahren eine Reihe von Pflanzen ken- jedoch gering. Um aber die Kenntnisdefizite nen, hauptsächlich Frühblüher, und im Herbst über die einheimische Natur und deren Gesetz- sammeln sie bunte Blätter. Doch schon beim mäßigkeiten auszubauen, sind viele Ideen ge- Bestimmen häufiger Baumarten können die El- fragt. Manches wird in engerem Rahmen aus- tern nicht helfen. Geht man mit 12- bis 14-jäh- probiert, was verallgemeinerungswürdig wäre. rigen Schülern durch eine Stadt und lässt sie Deshalb soll hier ein Beispiel genannt werden, Automarken und gleichzeitig die Straßenbäu- wie man viele Bürger über Natur- und Umwelt- me zählen und benennen, so ist die Autoindus- probleme informieren und für unsere Pflanzen- trie eindeutig im Vorteil gegenüber den Land- welt interessieren kann. schaftsgärtnern. Seit Januar 2001 veröffentlicht die „Freie In manchen Zeitschriften oder Kalendern Presse“, größte Tageszeitung des Regierungsbe- sieht man schöne Bilder von „naturnahen“ zirkes Chemnitz, in 14-tägigem Rhythmus eine Landschaften. Doch die Fotografen haben als Artikelserie über die Pflanzen der „Roten Liste Vordergrund dekorative und farbintensive Blü- Sachsens“ auf der Ratgeberseite. Mit einer Ge- tenstände gewählt. Oft sind es die Kanadische samtauflage von 400.000 Exemplaren wird ein Goldrute (Solidago canadensis) oder das Drüsi- großer Teil der Haushalte im westsächsischen ge Springkraut (Impatiens glandulifera), ge- Raum erreicht. Nach einer guten Einführung in bietsfremde Problempflanzen, die konkurrenz- die Problematik und die gesetzlichen Bestim- stärker als die einheimischen Arten sind, diese mungen zum botanischen Artenschutz war die verdrängen und die der mitteleuropäischen Vorstellung der ersten Art jedoch so unglück- Tierwelt kein Futter bieten. lich und mit gravierenden Fehlern behaftet, Auf vielen Tagungen, in Referaten, Ausstel- dass es von verschiedenen Seiten fachliche Pro- lungen und Presseartikeln werden ökologische teste gab. Die Redaktion wurde darauf hinge- Probleme, und zunehmend auch Fragen der wiesen, dass die Autoren für derartige Beiträge biologischen Vielfalt, angesprochen. Doch es nicht nur über guten Willen und journalistische gibt wohl kaum ein anderes Fachgebiet, über Fähigkeiten, sondern auch über Kenntnisse der das in den letzten Jahren so emotional, aber Verbreitung und Biologie der Arten im Gebiet auch mit so viel Unkenntnis diskutiert wurde. verfügen müssen. Daraufhin wurden folgende Natürlich gibt es auch positive Beispiele. Die Absprachen getroffen: großen Naturschutzverbände und viele kleinere x Es werden jeweils eine oder mehrere Pflan- 68 Pulsatilla, Heft 5, 2002

zen mit dem in der Region gebräuchlichen Arten in ihrer Heimat die Öffentlichkeit be- deutschen sowie dem wissenschaftlichen sonders anspricht. Namen und dem in der Roten Liste Sach- Die im Jahre 2001 jeweils zur Blüte- oder sens ausgewiesenen Gefährdungsgrad vor- günstigsten Beobachtungszeit vorgestellten gestellt. Pflanzenarten sind in Tabelle 1 aufgelistet. x Die Serie erscheint im 14-tägigen Rhyth- Auf den folgenden Seiten sehen Sie einige mus. Beispiele der Artikelserie. x Jeder Artikel umfasst ca. 1 1/2 Seiten DIN A4, dazu gehört jeweils ein Farbfoto. x Die Auswahl der Arten und der Bilder liegen Tabelle 1: In der Artikelserie vorgestellte beim Autor Pflanzenarten mit Gefährdungs- x Vor den Informationen zu den betreffenden status der „Roten Liste Sachsens Pflanzen werden jeweils in allgemeinver- (G). Die Arten innerhalb eines ständlicher Form Informationen zu botani- Kästchens wurden zusammen in schen Fachbegriffen, Standortbedingungen, einem Artikel behandelt. morphologischen Besonderheiten usw. ge- geben. Vorgestellte Pflanzenart G Märzenbecher (Leucojum verum) 3 x Er erfolgt keine redaktionelle Bearbeitung Seidelbast (Daphne mezereum) 3 des Textes, höchstens platzbedingte Kür- Leberblümchen (Hepatica nobilis) 3 zungen, die den Inhalt nicht beeinflussen Wiesen-Schlüsselblume (Primula veris) 2 Hohe Schlüsselblume (Primula elatior) V dürfen. Neunblättrige Zahnwurz (Cardamine enneaphyllos) 3 x Die Titel werden von der Redaktion be- Wiesen-Schachtelhalm (Equisetum pratense) 3 Sumpf-Schlangenwurz (Calla palustris) 3 stimmt. Orchideen: Auflistung aller 17 Arten des Nach einem Jahr Erfahrung mit dieser Ar- Regierungsbezirkes Chemnitz beitsweise kann festgestellt werden, dass die Be- Zwiebel-Zahnwurz (Cardamine bulbifera) 2 Feuer-Lilie (Lilium bulbifera) 1 dingungen weitestgehend eingehalten wurden. Einbeere (Paris quadrifolia) 3 Es kam selten zu Druckfehlern und nur zwei- Kornrade (Agrostemma githago) 0 mal durch Unaufmerksamkeit beim Satz zu sin- Alpen-Milchlattich (Cicerbita alpina) 3 Breitblättriges Wollgras (Eriophorum latifolium) 1 nentstellenden Aussagen. Dies dürfte aber nur Schmalblättriges Wollgras (Eriophorum angustifolium) 3 Fachleuten aufgefallen sein, denn es gab keine Scheidiges Wollgras (Eriophorum vaginatum) 3 Fichtenspargel (Monotropa hypopytis) 2 Reaktion der Leser darauf. Dagegen hört man Tausendgüldenkraut (Centaurium erythraea) 3 aus allen Teilen des Einzugsgebietes der „Freien Herbstzeitlose (Colchicum autumnalis) 2 Presse“ Zustimmung zur Artikelserie. Silberdistel (Carlina acaulis) 1 Golddistel (Carlina vulgaris) 3 Da diese Form der Öffentlichkeitsarbeit Breitblättriger Sitter (Epipactis helleborine) 3 auch in anderen Regionen ein positives Echo Gemeiner Wacholder (Juniperus communis) 2 finden könnte, seine einige Beispiele aus dem Rippenfarn (Blechnum spicant) 3 Braunstieliger Streifenfarn (Asplenium trichomanes) 3 westsächsischen Raum vorgestellt. Die Erfah- Eibe (Taxus baccata) R rung zeigt, dass der Bezug auf das Verhalten der Weiß-Tanne (Abies alba) 1 SUSANNA KOSMALE: Artikelserien über „Rote-Liste-Pflanzen“ in der Tagespresse 69 70 Pulsatilla, Heft 5, 2002

Anschrift der Autorin: Dr. SUSANNA KOSMALE, Clara-Zetkin-Straße 21, D-08058 Zwickau INSECTA Zeitschrift für Entomologie und Naturschutz • NABU-Bundesfachausschuss Entomologie Die Zeitschrift „Insecta“ beschäftigt sich mit naturschutzbezogenen entomologischen Themen. Die Artikel beinhalten wissenschaftliche Ergebnisse von Freilanduntersuchungen, faunistische und ökologische Arbeiten, Artenschutz, Eignung von Insekten für naturschutz- und landschaftsplanerische Arbeiten, Reiseberichte, sowie die Vorstellungen von Projekten und Arbeitsgruppen. Außerdem können die Vorträge der alle zwei Jahre von den Entomologen im NABU veranstalteten Tagungen in der „Insecta“ nachgelesen werden. Die Beiträge in der Zeitschrift sollen vorrangig eine fachliche Grundlage für den aktiven Naturschutz aus der Sicht der Entomologen liefern.

Schriftleiter: Dr. Jürgen Deckert, Museum für Naturkunde der Universität zu Berlin, Institut für Systematische Zoologie, Invalidenstr. 43, 10115 Berlin, [email protected]

„Insecta“ erscheint in etwa jährlichen Abständen mit einem Umfang von 110-160 Seiten.

BOLETUS Pilzkundliche Zeitschrift • NABU-Bundesfachausschuss Mykologie

Der Name „Boletus“ (Röhrling) steht für die bekannteste Pilzgattung. Die Zeitschrift „Boletus“ wurde 1977 in der DDR gegründet und 1994 mit dem ebenfalls dort erschienenen „Mykologischen Mitteilungsblatt“ vereint. Seit 1990 wird die Zeitschrift vom NABU herausgegeben. Sie greift vor allem Themen aus der Floristik, Ökologie, Chorologie und Taxo- nomie mitteleuropäischer Pilze auf, wobei im begrenzten Umfang auch lichensierte Pilze (= Flechten) Berücksichtigung finden. Bestandsentwicklungen und naturschutzrelevante Themen werden besonders beachtet.

Schriftleiter: Dr. Norbert Luschka, Starenweg 4, 73529 Schwäbisch-Gmünd, [email protected] Bezug und Abonnentenverwaltung: Berit Otto, Edvard-Grieg-Weg 9, 06124 Halle/Saale, [email protected]

„Boletus“ erscheint in zwei Ausgaben pro Jahr mit einem Umfang von zusammen ca. 128 Seiten zum Preis von 7 Euro je Heft plus Porto. Internet:www.nabu.de/adressen/Fach.htm#my

Bitte freimachen Absender

Vor- und Zuname

Straße NABU PLZ/Ort 53223 Bonn BUCEPHALA Zeitschrift für Wasservogelforschung und Feuchtgebietsschutz • Bundesfachausschuss Ornithologie und Vogelschutz/Bundesarbeitsgruppe Wasservogel- und Feuchtgebiete

"Bucephala" erscheint in Deutschland seit 1993 als Fachzeitschrift für Wasservogel- und Feuchtgebietsschutz. Sie wendet sich an alle Spezialisten für Wasservögel, an Naturschützer und an Naturfreunde im weitesten Sinne. Die Zeitschrift bringt neben Originalarbeiten Berichte über die Ergebnisse der ehrenamtlich durchgeführten Wasservogelzählungen. Teilweise sind die Hefte speziellen Themen wie der Ramsar-Konvention oder den Wildgänsen gewidmet. Weitere Inhalte sind: aktuelle Probleme des nationalen und des internationalen Wasservogel- und Feuchtgebietsschutzes, Tagungsberichte, Stellungnahmen und Resolutionen. Die Zeitschrift will dazu beitragen, Grundlagen für eine aktive Naturschutzpolitik auf dem Gebiet des Wasservogel- und Feuchtgebietsschutzes zu schaffen.

Schriftleiter: Dr. Johannes Naacke, Am Rosenhang 3, 14470 Brandenburg, Tel: 03381. 30 88 97

„Bucephala“ erscheint in etwa jährlichen Abständen mit einem Umfang von 80-90 Seiten.

Hiermit abonniere ich ab sofort aus der Reihe „Naturschutz Spezial“ des NABU die Fachzeitschrift ■ INSECTA ■ BOLETUS ■ BUCEPHALA ■ PULSATILLA ■ Bitte schicken Sie mir die Liste und das Info-Material zu den NABU-Bundesfachaus- schüssen und -Arbeitsgruppen. ■ Ich bin an einer Projekt-Patenschaft interessiert. ■ Bitte senden Sie mir eine Übersicht der aktuellen NABU-Materialien. ■ Ich möchte NABU-Mitglied werden. Bitte senden Sie mir Informationsmaterial zu. ■ Bitte schicken Sie mir die schon erschienenen Hefte der Zeitschrift:

Name der Zeitschrift:

Nummern oder Erscheinungsjahre der Hefte:

Name, Vorname:

Straße, Nr.:

PLZ; Ort:

Datum, Unterschrift: