59

Nyctalus (N.F.), 19 (2018), Heft 1, S. 59-69

=XU4XDUWLHUQXW]XQJGHU0RSVÁHGHUPDXV Barbastella barbastellus ) im Eckertal (Nationalpark ) Zusammenfassung mehrjähriger Untersuchungsergebnisse

Roost use of the barbastelle bat ( Barbastella barbastellus ) in Eckertal (Nationalpark Harz) Summary of multiannual examination results

von MARIE VIEHL , Göttingen

regarding the type of roost or special characteristics of the URRVWWUHHV,WZDVQRWSRVVLEOHWRVKRZDQ\VLJQLÀFDQWGLIIH - rences between the properties of the (female’s) roost trees and a random selection of secondary trees by statistical compari- son. The study area Eckertal is interesting for the barbastelle bat due to the diversity of optional roosts in old beech and oak forests, large-scale deadwood areas and structurally rich landscape elements. Social connections between the different maternity roosts in the study area should be investigated in subsequent studies. Due to great research potential a shift of the exploratory focus towards a comprehensive habitat mo- del and therefore a supplement of the examination methods is recommended.

Keywords $EE0RSVÁHGHUPlXVHLP:RFKHQVWXEHQTXDUWLHULQHL - ner toten Fichte ( Picea abies ) im Eckertal (Cover). Barbastella barbastellus , radio telemetry, roost use, materni- Fig. 1: Barbastelle bats in their maternity roost in a dead ty roost, Harz mountains, Nationalpark Harz. spruce ( Picea abies ) in Eckertal (Cover).

Abstract Zusammenfassung The rediscovery of the barbastelle bat ( Barbastella barbastel- lus , SCHREBER 1774 ), which was considered lost for over 50 Die Wiederentdeckung der im Nordharz als verschollen gel- years ( WIELERT 2005 ) in the northern Harz, has triggered WHQGHQ0RSVÁHGHUPDXV Barbastella barbastellus, SCHREBER intensive research efforts by the Nationalpark Harz (Harz 1774 ) nach einem Zeitraum von über 50 Jahren ( WIELERT mountains). In Eckertal (former , area 2005 ), löste eine intensive Zuwendung um die vom Aus- - ) the endangered bat species has sterben bedrohte Art seitens des Nationalparks Harz aus. been regularly detected by net traps for several years now. Im Eckertal (ehemalige innerdeutsche Grenze, Bereich Bad Three telemetry studies between 2013 and 2016 focused Harzburg - Ilsenburg) wird seit einigen Jahren regelmäßig on barbastelle bat's roost use behavior has been researched. mittels Netzfängen nachgewiesen. Im Rahmen von drei Te- Depending on the explicit research goals of the individual lemetriestudien in den Jahren von 2013 bis 2016 wurde das works, a proven combination of methods was used whereat 4XDUWLHUQXW]XQJVYHUKDOWHQ GHU 0RSVÁHGHUPDXV HUIRUVFKW radio telemetry and infrared video as a methodology of mo- (QWVSUHFKHQG GHU GHÀQLHUWHQ )RUVFKXQJV]LHOH NDP HLQH QLWRULQJZHUHWULHGIRUWKHÀUVWWLPHLQWKH1DWLRQDOSDUN+DU] Kombination bewährter Methoden zum Einsatz, wobei erst- A total of 16 individuals were radio-tracked successfully and malig die Radiotelemetrie und die Quartierüberwachung 38 roost trees of the barbastelle bat were discovered. Most mittels Infrarotvideo getestet wurden. Während der Untersu- of them were maternity roosts, but also one roost of a male chungsjahre konnten insgesamt 16 Tiere telemetriert und 38 was found. One individual was radio-tracked a total of three 4XDUWLHUElXPHGHU0RSVÁHGHUPDXVQDFKJHZLHVHQZHUGHQ WLPHVZLWKLQIRXU\HDUVZKHUHE\VHYHUDOSURRIVRIVLGHÀGH - Es handelte sich fast ausschließlich um Wochenstubenquar- lity could be provided. The shown roost use behavior mirrors tiere und um ein Männchenquartier. Ein Tier wurde innerhalb ÀQGLQJVLQOLWHUDWXUH'HDGWUHHVZHUHXVHGPRUHRIWHQWKDQ des gesamten Untersuchungszeitraums drei Mal besendert, living ones as a roost, however, no preferences could be found wodurch der mehrfache Nachweis der Gebietstreue erbracht 68 M. VIEHL =XU4XDUWLHUQXW]XQJGHU0RSVÁHGHUPDXV(Barbastella barbastellus) im Eckertal vorliegenden Arbeit ohne Berücksichtigung des bereits vorhandene Datengrundlage könnte, Jahreszykluses der Weibchen zusammengetragen wie von AEBISCHER et al. (1993) empfohlen, (Orientierungsphase im Frühjahr, Wochenstu- erweitert und anschließend erneut ausgewertet benzeit im Sommer). Die beobachteten Quartier- werden. Da Fragen bezüglich der sexuellen Se- wechsel entsprechen vergleichbaren S tudien zu gregation innerhalb der Art bestehen ( DIETZ & baumbewohnenden Fledermausarten von CIS - KIEFER 2014, MYOTIS 2015 ), wäre ein zusätzli- TRONE (2007) oder ZEALE (2011) . Es handelt sich cher Ansatzpunkt die Untersuchung des Quar- wahrscheinlich um mehrere Wochenstuben in- WLHUYHUKDOWHQVGHU0RSVÁHGHUPDXV0lQQFKHQ nerhalb des Untersuchungsgebietes. Wie von Die Herangehensweise des Nationalparks ALTRINGHAM (2011) und ZEALE (2011) beschrie- Harz mit dem Verzicht auf eingreifende Be- ben, formen sich Wochenstubengesellschaften wirtschaftungsmaßnahmen erlaubt eine eigen- in ÀVVLRQIXVLRQ -Verhalten im Verlaufe eines dynamische Waldentwicklung im Raum - Sommers aufgrund verschiedener Faktoren tal. Die sich daraus ergebende Strukturvielfalt (u. a. Gruppengröße, Quartiereignung, Mikro- der Wälder stellt die Grundlage für den Art- klima im Quartier) vielfach neu. HUKDOWGHU0RSVÁHGHUPDXVGDU8QWHU=XKLOIH Die Kombination der Verbände kann dem nahme der sich aus telemetrischen Studien er- Anschein nach zufällig erfolgen, ALTRINGHAM gebenden vielschichtigen Informationen zur (2011) vertritt allerdings die These, dass dies /HEHQVUDXPQXW]XQJ GHU 0RSVÁHGHUPDXV ODV - oftmals auch nicht unabsichtlich geschieht. CIS - sen sich geeignete Konzepte zum Schutz dieser TRONE et al. (2007) sind der Auffassung, dass bedrohten Fledermausart entwickeln. über diese Verhaltensweisen das Wissen um bekannte Quartiere und mögliche Alternativen innerhalb einer Population aufrechterhalten Danksagung und erweitert wird. Auch die von KERTH et al. (2003) durchgeführten Studien an der Bech- Ein herzlicher Dank gilt allen motivierten Be- VWHLQÁHGHUPDXV Myotis bechsteinii ) zeigen teiligten, insbesondere den Unterstützerinnen dies. und Unterstützern des Nationalparks Harz und Das Untersuchungsgebiet stellt einen attrakti- dem Arbeitskreis Fledermäuse Sachsen-Anhalt YHQ/HEHQVUDXPGHU0RSVÁHGHUPDXVGDUZLH e. V. während der Netzfänge und Telemetrie die zahlreichen Reproduktionsnachweise durch und für die langjährigen und umfangreichen die entdeckten Wochenstubenquartiere bele- Fledermausmarkierungen. Ohne diese Hilfe gen. Direkte soziale Vernetzungen zwischen hätte keines der Projekte durchgeführt werden den einzelnen Ballungszentren der Quartiere können. Im Besonderen möchte ich mich bei im Eckertal konnten bislang nicht nachgewie- M. PUNZET und M. STARRACH für ihre großzü- sen werden, sind allerdings wahrscheinlich gige Unterstützung und unermüdliche Hilfsbe- (MYOTIS 2015) . Diese Annahme wird von ei- reitschaft bedanken. genen Nachweisen gebietstreuer Weibchen und von gleichartigen Arbeiten von HILLEN et. al (2009) und ZEALE (2011, 2012) gestützt. Indi- viduelle Gebietstreue sowie intra- und interspe- Literatur ]LÀVFKHV.RQNXUUHQ]YHUKDOWHQZLUNHQVLFKDXI das Raumnutzungsverhalten wahrscheinlich AEBISCHER , N. J., PETER A. ROBERTSON & KENWARD , R. E. nicht gleichermaßen, aber dennoch entschei- (1993) : Compositional Analysis of Habitat Use From Animal Radio-Tracking Data. In: Ecology 74 (5): dend aus. 1313–1325. Das Wissen um die nun bekannten Quartiere ALTRINGHAM , J. D. (2011): Bats. From evolution to conserva- bietet eine solide Basis für weiterführende Stu- tion. 2. ed. Oxford: Oxford Univ. Press. dien (zum Beispiel Raumnutzungsanalysen und ANCILLOTTO , L., L. CISTRONE U. A. (2015): The importance of vertiefende Untersuchungen potentieller Inter- non-forest landscapes for the conservation of forest bats. Lessons from barbastelles ( Barbastella bar- aktionen zwischen den Wochenstubenquar- bastellus ). In: Biodiversity and Conservation 24 (1): tieren) und sollte nicht ungenutzt bleiben. Die 171–185. M. VIEHL =XU4XDUWLHUQXW]XQJGHU0RSVÁHGHUPDXV(Barbastella barbastellus) im Eckertal 69

BACHMANN , A. (2014) : Habitat- und Quartierpräferenzen der NATIONALPARK HARZ (2011): Nationalparkplan für den Natio- 0RSVÁHGHUPDXV Barbastella barbastellus SCHREBER nalpark Harz. 1774 ) im Nationalpark Harz. Masterarbeit. Halle- NIERMANN , I. & RACKOW , W. (2017): Bibliographie zur Verbrei- Wittenberg. tung der Fledermäuse Niedersachsens. Berichte aus BUNDESAMT FÜR NATURSCHUTZ ( BfN): Liste der in Deutsch- der Alfred Toepfer Akademie für Naturschutz, H. 1. land vorkommenden Arten der Anhänge II, IV, V der NIETHAMMER , J. & KRAPP , F. (Hrsg., 2011): Die Fledermäuse FFH-Richtlinie(92/43/EWG). Europas. Ein umfassendes Handbuch zur Biologie, CISTRONE , L, J ONES , G., & RUSSO , D. (2007): Emergence time Verbreitung und Bestimmung. Erw. Sonderausg. aus LQ IRUHVW EDWV WKH LQÁXHQFH RI FDQRS\ FORVXUH ,Q GHP+DQGEXFKGHU6lXJHWLHUH(XURSDV$XÁ:LH - Acta Oecologica 31: 119–126. belsheim: AULA-Verlag. DIETZ , C., & KIEFER , A. (2014) : Die Fledermäuse Europas. RUNKEL , V. (2008):  0LNURKDELWDWQXW]XQJ V\QWRSHU :DOGÁH - Kennen, bestimmen, schützen. Stuttgart: Kosmos. dermäuse. Ein Vergleich der genutzten Strukturen in DORMANN , C. F . (2013): Parametrische Statistik. Verteilungen, anthropogen geformten Waldbiotopen Mitteleuropas. maximum likelihood und GLM in R. Berlin, Heidel- Dissertation an der Friedrich-Alexander Universität berg: Springer. Erlangen-Nürnberg. GRIMMBERGER , E. (2014): Die Säugetiere Deutschlands. Be- RUSSO , D. & CISTRONE , L., J ONES , G., MAZZOLENI , S. (2004): REDFKWHQXQG%HVWLPPHQ$XÁDJH:LHEHOVKHLP Roost selection by barbastelle bats ( Barbastella bar- Quelle & Meyer Verlag. bastellus , Chiroptera. Vespertilionidae ) in beech HILLEN , J., KIEFER , A., & VEITH , M. (2009): )RUDJLQJVLWHÀGHO - woodlands of central Italy: consequences for conser- ity shapes the spatial organisation of a population of vation. Biological Conservation 117 (1): 73–81. female western barbastelle bats. In: Biological Con- RUSSO , D., CISTRONE , L., & J ONES , G. (2005): Spatial and tem- servation 142 (4): 817- 823. poral patterns of roost use by tree-dwelling barbas- HILLEN , J., KIEFER , A., & VEITH , M. (2010): Interannual Fidel- telle bats Barbastella barbastellus . Ecography 28 (6): ity to Roosting Habitat and Flight Paths by Female 769 - 776. Western Barbastelle Bats. In: Acta Chiropterologica STECK , C., B RINKMANN , R., & ECHLE , K. (2015) :LPSHUÁH - 12 (1): 187-195. GHUPDXV%HFKVWHLQÁHGHUPDXVXQG0RSVÁHGHUPDXV KARSTE , G., KISON , H.-U., & WEGENER , U. (2014): Die Vege- Einblicke in die Lebensweise gefährdeter Arten in tationskarte des Nationalparks Harz (Niedersachsen, %DGHQ:UWWHPEHUJ$XÁ%HUQ+DXSW9HUODJ Sachsen-Anhalt) und einige Auswertungsmöglichkei- TILLON , L., B OUGET , C., PAILLET , Y., AULAGNIER , S.: (2016): ten. Tuexenia 34 : 71–88. How does deadwood structure temperate forest bat KERTH , G. & RECKHARD , K. (2003): Information transfer about assemblages? In: European Journal of Forest Re- roosts in female Bechstein‘s bat. In: Proceedings. search 135 (3): 433 - 449. Biological sciences 1514 : 511-515. WIELERT , S.  :LHGHUHQWGHFNXQJGHU0RSVÁHGHUPDXV KIRCHBERGER , U., F ISCHER , M. & GASSE , U. M. (2007): Unter- Barbastella barbastellus (Schreber 1774), nach mehr suchung der Fledermausfauna im niedersächsischen als 50 Jahren im niedersächsischen Nordharz (Land- Teil des Eckertals im Nationalpark Harz. kreis Goslar). In: Nyctalus (N.F.) 10 (1): 67–70. KLENKE , R., B IEDERMANN , M., KELLER , M., LÄMMEL , D., ZEALE , M. R. K., DAVIDSON -WATTS , I., & J ONES , G. (2012) : SCHORCHT , W., TSCHIERSCHKE , A., ZILLMANN , F., NEU - Home range use and habitat selection by barbastelle BERT , F.: (2004): Habitatansprüche, Strukturbindung bats ( Barbastella barbastellus ). Implications for con- und Raumnutzung von Vögeln und Säugetieren in 93 forstwirtschaftlich genutzten und ungenutzten Kie- servation. In: Journal of Mammalogy (4): 1110 - fern- und Buchenwäldern. Beiträge f. Forstwirtschaft 1118. u. Landschaftsökologie 38 (2): 102–110. ZEALE M. R. K. (2011): Conservation biology of the barbas- telle ( Barbastella barbastellus ): applications of spa- MESCHEDE , A., HELLER K.-G., & LEITL , R (2002) : Ökologie und Schutz von Fledermäusen in Wäldern. Unter be- tial modelling, ecology and molecular analysis of sonderer Berücksichtigung wandernder Arten; Teil diet. PhD Thesis. Bristol, UK. 1 des Abschlussberichtes zum Forschungs- und Ent- wicklungsvorhaben „Untersuchungen und Empfeh- lungen zur Erhaltung der Fledermäuse in Wäldern“. $OOH)RWRVXQG*UDÀNHQMARIE VIEHL ,Q6FKULIWHQUHLKHIU/DQGVFKDIWVSÁHJHXQG1DWXU - schutz 66 $XÁ%RQQ%DG*RGHVEHUJ%XQGHVDPW für Naturschutz. MYOTIS , Büro für Landschaftsökologie (2015): Telemetrische 8QWHUVXFKXQJHQ 0RSVÁHGHUPDXV Barbastella bar- bastellus ) im Nationalpark Harz. (Gutachten unver- MARIE VIEHL , Obere Bienhecke 19, D - 57334 Bad öffentlicht). Laasphe, E-Mail: [email protected]