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...... 1957 GEBURT Was für eine Zeit! 1957 – EIN BESONDERES JAHR ......

Als wir 1957 geboren werden, herrscht in Deutschland Friede, Freude, Eierkuchen. Die Wirtschaft brummt, es gibt beinahe Vollbeschäftigung und der „Alte“ (Konrad Adenauer) und der „Dicke“ (Ludwig Erhard) steuern das Land souverän durch die Wirtschaftswunderzeit. Vor dem Hintergrund dieser goldenen Zeiten verwundert es auch kaum, dass jetzt wieder mehr Kinder geboren werden. Unser Jahrgang ist Teil der Babyboomer-Generation und wächst mit allen Privilegien der Wirtschaftswun- derkinder auf: Unsere Väter sind beruflich abgesichert und können der Familie viele Wünsche erfüllen. Eigenheim, Auto, Fernseher und Urlaubsreisen sind längst nicht mehr Luxusgüter der oberen Zehntausend. Doch in unserer Jugend und als junge Erwachsene müssen wir auch lernen, dass Wirtschaftswachstum endlich ist, und wer- den mit unseren zahlreichen Altersgenossen auf dem Arbeitsmarkt konkurrieren. Auf den folgenden Seiten haben wir noch einmal die Gelegenheit, einen Streifzug durch unsere Kindheit und Jugend zu machen: Welche politischen Ereignisse prägen die Zeit, welche Filme laufen im Jahr unserer Geburt im Kino, und zu welcher Musik werden wir erwachsen?

Unser Vorbild Wir sind immer tief beeindruckt, wenn unsere große Schwester wieder etwas macht, das wir noch nicht können. Am allertollsten ist es natürlich, wenn wir sogar mitspielen dürfen.

6 Süße Träume Gemeinsam mit uns kommen 1957 892 228 Kinder zur Welt. Wir erleben die 50er und 60er Jahre als eine wunderbar aufregende Zeit, die in rasantem Tempo viel Neues mit sich bringt: Es entsteht neuer Wohnraum für Familien, der eigene Pkw rückt in greifbare Nähe, und die Technik hält in allen Bereichen des Alltags Einzug.

Der beste Freund Er beschützt uns vor Alb- träumen und ist immer für uns da – unser Teddy. Als wir ihm das erste Mal begegnen, ist es Liebe auf den ersten Beliebte Blick. Glücklicherweise sieht das auch unser Vater so Vornamen 1957 und heißt den neuen Mit- bewohner bereitwillig in der Familie willkommen. Mädchen: Sabine, Birgit, Petra, Gabriele Jungen: Thomas, Michael, Peter, Klaus

Gesicherter Nachwuchs Vier Generationen in einem Foto, Uroma, Oma, Mama und Tochter, das dürfte Seltenheitswert haben.

7 ...... 1957 ALLTAG Heile Welt TRADITIONELLE ROLLEN ......

Wohlstand für alle – so lautet die Devise von Wirtschaftsminister Ludwig Erhard. Die Löhne steigen, die Preise bleiben nahezu stabil, unter diesen Umständen bekommt tatsächlich jeder etwas von dem Kuchen ab, der als Wirtschaftswunder in die Ge- schichte eingeht. Dank neuer Arbeitszeitregelungen hat unser Vater jetzt mehr Zeit für uns und die Familie als noch wenige Jahre vorher. Doch an der klassischen Rollen- verteilung ändert das nichts: Vater verdient die Brötchen, Mutter kauft sie ein. Nur die wenigsten verheirateten Frauen üben einen Beruf aus. Stattdessen kümmern sie sich alleine um den Haushalt und sorgen dafür, dass ein warmes Mittagessen auf dem Tisch steht, wenn die Kinder aus der Schule kommen. Die Gleichberechtigung geht nur in Gänseschritten voran. Obwohl seit 1949 im Grundgesetz verankert, sind Frauen erst seit diesem Jahr auch laut bürgerlichem Recht ihren männlichen Mitbürgern gleichberechtigt. Ebenfalls 1957 wird in Deutschland die sogenannte Zölibatsklausel abgeschafft, die besagt, dass die Anstellung einer Frau im öffentlichen Dienst auto- matisch mit ihrer Eheschließung endet, wenn das Gehalt des Mannes für den Fami- lienunterhalt ausreicht.

Arbeitserleichterung Eine eigene Waschmaschine besitzt sie noch nicht, aber auch der Besuch im Waschsalon bedeutet für unsere Mutter schon eine enorme Erleichterung. Immerhin ist das Wäscheaufkommen allein durch unsere Stoffwindeln massiv gestiegen.

8 Archetyp Der Inbegriff des 50er-Jahre-Familienidylls sieht in etwa so aus: Sohn und Tochter sitzen wohlerzogen am Tisch, das Familien- oberhaupt genießt seine Zeitung, und die treusorgende Mutter kümmert sich um das Familienwohl.

Ungewohnter Anblick Dass ein Mann freiwillig zu Spülschwamm und Geschirrtuch greift, kommt in den 1950er Jahren eher selten vor. Eine Aus- nahme ist der Muttertag. Preise 1957 1 kg Roggenbrot: 0,70 DM 1 kg Zucker: 1,20 DM 1 kg Butter: 7,15 DM 1 l Vollmilch: 0,43 DM Herrenanzug Gr. 48: 122,– DM Monatsgehalt eines Angestellten im öffentlichen Dienst Tarifklasse I: 1 485,– DM

Hüa! Feierabend heißt noch lange nicht Füße hochlegen. Bevor wir nicht auf seinem Rücken ein, zwei Runden ums Wohnzimmer geritten sind, lassen wir unserem Vater keine Ruhe.

9 ...... 1957 KINO Krimis im Kino LEINWANDERFOLGE 1957 ......

Das Kinojahr 1957 beginnt mit dem Tod einer Koryphäe: Am 14. Februar stirbt Humphrey Bogart. Seine berühmteste Filmpartnerin, Ingrid Bergman, kann unter- dessen neue Erfolge feiern. Sie gewinnt dieses Jahr den Oscar für die beste Haupt- darstellerin für ihre Titelrolle in „Anastasia“. Der größte Filmerfolg 1957 wird „Die Brücke am Kwai“. Die Geschichte über britische Kriegsgefangene, die in Thailand unter japanischer Aufsicht eine Brücke bauen müssen, gewinnt 1958 ganze sieben Oscars. Der „Colonel Bogey March“, den die Soldaten im Film pfeifen, wird zum inter- nationalen Ohrwurm. Wir kennen ihn wahrscheinlich eher aus der Fernsehwerbung für einen bekannten Magenbitter, doch auch bei uns wird sich die eingängige Melodie schon das eine oder andere Mal hartnä- ckig im Ohr festgesetzt haben. Ebenfalls beliebt sind dieses Jahr Krimis. In die Kinos kommen unter anderem der neue Film von Billy Wilder, „Zeugin der Anklage“, und die deutsche Produktion „Nachts, wenn der Teufel kam“.

Die zwölf Geschworenen Von der Kritik gefeiert, fällt der Film an den Kinokassen durch. Heute gilt das Kammer- spiel mit Henry Fonda als Klassiker, doch damals spielt er nicht einmal die Produk- tionskosten ein. Übrigens kommt im ganzen Film keine einzige Frau vor, und auch an der Entstehung war nur eine einzige Frau beteiligt. Krimis im Kino LEINWANDERFOLGE 1957 ......

Nachts, wenn der Teufel kam Der Film ist der große Durchbruch für Mario Adorf und legt gleichzeitig den Grundstein zu seiner Karriere als Film-Schurke. Hier spielt er den geistig zurückgebliebenen Frauenmörder Bruno Lübke.

Die Brücke am Kwai Gegen ihre Überzeugung werden die britischen Kriegsgefangenen gezwungen, eine Brücke für die japanischen Feinde zu bauen. Doch je mehr Zeit und Herzblut sie in das Projekt investieren, desto mehr identifizieren sie sich damit.

Zeugin der Anklage Die titelgebende Zeugin in Billy Wilders Gerichtsdrama wird von Marlene Dietrich gespielt. Sie manipuliert das Gericht, um einen Freispruch für ihren Mann zu erwirken.

11 ...... 1957 MUSIK Das geht ins Ohr DIE HITS DES JAHRES 1957 ......

Am 3. März kommen in Frankfurt musikalische Vertreter vieler europäischer Länder zusammen. Grund ist die Austragung des 2. Grand Prix Eurovision de la Chanson. Deutschland schickt mit ihrem Lied „Telefon, Telefon“ ins Rennen und landet am Ende auf Platz 8. Den Sieg holt Corry Brokken für die Niederlande mit „Niet als toen“. Doch die Hitparade bestimmen dieses Jahr andere Künstler. Allen voran Harry Belafonte mit seinem „Banana Boat Song“, aber auch Caterina Valente und Freddy Quinn stehen sehr hoch in der Gunst der Deutschen. Doris Day gelingt nicht nur der Sprung in die Hitparade, das Lied „Que Sera, Sera (Whatever Will Be, Will Be)“ gewinnt sogar den Oscar für den besten Filmsong. Das Lied spielt eine ent- scheidende Rolle in Hitchcocks „Der Mann, der zuviel wusste“. Abseits der Schlagerszene bahnen sich diesseits und jenseits des Atlantiks musikali- sche Veränderungen an. Auf einem Kirchenfest in Liverpool lernen sich ein gewisser John Lennon und ein gewisser Paul McCartney kennen und beschließen, gemeinsam Musik zu machen. Und in den USA gehen zwei College-Studenten aus New York als Tom and Jerry auf Tour. Wir werden sie später als Simon & Garfunkel kennenlernen.

Hey, Mr. Tallyman Musiknachwuchs Harry Belafonte ist 1957 der erste schwarze Auch Johnny Cash startet dieses Jahr seine Künstler, der es auf Platz 1 der britischen Karriere und veröffentlicht mit „With This Hot Hitparade schafft. And Blue Guitar“ seine erste Single.

12 Nummer-1-Hits in Deutschland 1957:

Rodgers-Gesangs-Duett: Sei zufrieden mit dem Heute Wolfgang Sauer: Cindy, Oh Cindy : Cindy, Oh Cindy Harry Belafonte: Banana Boat Die Heimatsänger: Köhlerliesel Vico Torriani: Siebenmal in der Woche When I was just Caterina Valente: Wo meine Sonne scheint a little girl … Die Schauspielerin Doris Day landet 1957 mit „Que sera, sera“ einen weltweiten Hit. Das Lied geschrieben haben Jay Livingston und Ray Evans.