Hörspiel Feature Radiokunst

Freistil Das Lied von Manuel Ein Schlagerreiseprogramm Von Manuel Gogos Produktion: SWR 2020 Redaktion Dlf: Klaus Pilger

Sendung: Sonntag, 25.07.2021, 20:05-21:00 Uhr

Regie: Walter Filz

Es sprach: der Autor

Ton und Technik: Toygun Kirali und John Krol

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- unkorrigiertes Exemplar -

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Sentimental-Kakophonischer Zusammenschnitt von 1970er Jahre-Schlagern „Ich bau dir ein Schloss“, „Tanze Saba mit mir“, „griechischer Wein“, Schönes Mädchen aus Arcadia“, „Das ist mein Traum von Mykonos“, „Mannomann, der Wein von Samos...“

Autor Ich hasse Schlager – für mich ist das einfach eine Frage des Geschmacks.

O-Ton 1 Jacky Dreksler 0:55 Und du hast dich mit Schlagern beschäftigt, obwohl du sie eigentlich gar nicht magst? Autor: Kann man so sagen.

Autor Aber um ganz ehrlich zu sein: meine Geschichte mit dem Schlager gleicht eher einer Hassliebe. In meiner Kindheit in den 70-er Jahren konnte man dem Schlager nicht entkommen.

O-Ton 2 Helene Gogos 1:20 , die Hitparade! Da wart ihr dann gebadet, und dann durftet ihr dat gucken. Das war immer samstagsabends.

Autor Mein älterer Bruder Jürgen ist 1969 geboren – in dem Jahr, in dem auch die ZDF- Hitparade auf Sendung geht. Ich erinnere mich, wie Dieter Thomas Heck im Fernsehen mit dröhnender Stimme seine Gäste begrüßt.

O-Ton 3 Interview Helene Gogos 31:00 Autor: Über den hab ich gelesen, der wäre früher Autorverkäufer gewesen. HG: Ja, der hat alte Wagen verkauft! (lacht) Der „verkaufte“ nachher Schlager... „Hier ist Berlin“...

Autor Einmal im Monat sangen ausschließlich deutschsprachige Interpreten ausschließlich live. 27 Millionen schalteten ein, unter ihnen wir. Beim Einschlafen waren Schlager das Letzte, was ich im Ohr hatte, und beim Aufwachen das Erste:

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Zusammenschnitt Ohrwurm Echos

Darüber O-Ton 4 Jacky Dreksler 48:50 Autor: Das hasst du noch im Kopf? JD: Das ist das Schlimme ja! Ich hab Lieder im Kopf, da war ich sechs, sieben, da liefen die im Radio. Und die haben sich bis heute festgefressen. Und die sind bis heute abrufbar.

Autor Ich habe mal die Geschichte eines griechischen Gastarbeiters gehört, der war schon in den Fünfziger Jahren nach Deutschland gekommen, um Hausfrauen Staubsauger zu verkaufen. Im Alter erlitt er mehrere Schlaganfälle. Nach dem ersten hatte er die deutsche Sprache vergessen, nach dem zweiten die griechische. In seiner frühen Kindheit war er aus Kleinasien geflüchtet, so sprach er am Ende nur noch Türkisch.

O-Ton 5 Julio Mendivil II 14:00 Es geht ganz oft um Erlebnisse in der Vergangenheit. Die sind natürlich geographisch verortet. Da, wo man aufgewachsen ist, oder wo die Mutter geboren wurde...

Autor Ist der Schlager so eine Tiefenablagerung in meiner Hörbiographie? Die ans Licht kommt, wenn man die anderen Schichten abträgt? Die Neue Musik meiner Erwachsenenjahre, den New Wave meiner Jugend. Wenn ich einmal mit Demenz im Altersheim sitze, werden dann ausgerechnet Schlager mein Herz höher schlagen lassen?

O-Ton 6 Julio Mendivil II 14:00 .. Z. b. wie in „Heimweh“ von oder Heintjes „Mama“ auch.

Autor Und wenn es das ist, was ich mit der Muttermilch eingesogen habe, und mit mir meine ganze Generation: Müsste man dem Schlager dann nicht geben, was des Schlagers ist? Ein Stück deutsche Mentalitätsgeschichte, in der Form meiner ganz persönlichen Hitparade...?!

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Zitator Das Lied von Manuel. Ein Feature von Manuel Gogos

Stimme Startnummer 1 Heintje, Mama

Musikeinspielung 1 Heintje - Mama Mama Du sollst doch nicht um deinen Jungen weinen Mama Einst wird das Schicksal wieder uns vereinen.

Autor Um der starken Prägekraft des Nachkriegsschlagers auf die Spur zu kommen, unternehme ich eine Wallfahrt in den Ort, aus dem ich stamme: Derschlag nahe Gummersbach.

Musikeinspielung Heintje - Mama Tage der Jugend vergehen Schnell wird der Jüngling ein Mann

Autor Es heißt, einst sei ein Fremder durch diesen Ort gekommen und habe nach seinem Namen gefragt. Und auf die Antwort, der Ort habe noch keinen Namen, habe der Fremde „mich trifft der Schlag “ gesagt. Heute bin ich der Fremde. Und Derschlag ist der Ort, wo mich der Schlager trifft .

O-Ton 7 Helene Gogos 38:20 Heintje war ja auch wichtig. Besonders „Mama“, ne. Oder „Ich bau dir ein Schloss“. Da hab ich eine kleine Platte gehabt, auf der einen Seite „Mama“, auf der anderen Seite „Ich bau dir ein Schloss“. Ach ja. Autor: Und du hast das auf dich bezogen? HG: Ja, klar! Autor: Ich glaub ich hab das auch so gehört: dass ich dir jetzt auf jeden Fall ein Schloss bauen werde... HG: Jaja!

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Autor 1968 beherrschte Heintje die deutsche Schlagerszene. Mit gleich drei Nr. 1 Hits, „Mama“, „Du sollst nicht weinen“, und "Heidschi-bumbeidschi“. Nur ein Kind konnte im Jahr der globalen Revolten noch solche sentimental-kitschigen Lieder singen. In den Glasvitrinen des Wohnzimmerschranks sehe ich gerahmte Kinderfotos: meinen Bruder Jürgen, mit blonden Locken, in einem kanariengelben Strickanzug, mit Bommeln dran. Und mich, mit einer geblümten Frotteunterhose und einem Strohhut, vor dem Haus meiner griechischen Großeltern in die Sonne blinzelnd.

O-Ton 8 Helene Gogos 27:35 Ich lebe ja immer noch in den 70er Jahren. Autor: Was heißt das denn? HG: Ich weiß et nich.

Autor Nach dem Zweiten Weltkrieg waren die deutschen Männer abwesend: Entweder im Krieg geblieben, oder in Kriegsgefangenschaft. Wie mein deutscher Großvater, den meine Mutter als vierjähriges Mädchen zum ersten Mal sah. Es gibt da ein „Großes Warten“ im deutschen Nachkriegsschlager. Und im Wartesaal: lauter bügelnde Frauen, bemüht, die tiefen Falten der Geschichte auszubügeln.

Stimme Startnummer 2 Freddy Quinn, Heimweh

O-Ton 9 Helene Gogos 16:30 (singt) Brennend heißer Wüstensand – der hat immer so Abenteuerlieder gesungen. Vom Meer, und von der Wüste und so wat.

Autor Freddy Quinn war die Stimme dieses „großen Wartens“. In seinem Lied „Heimweh“ von 1956 bringt er diese kollektive Sehnsucht zum Ausdruck. Freddy Quinn, der Sänger des Fernwehs. Und des Heimwehs zugleich.

Musikeinspielung 2 Freddy Quinn, Heimweh

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So schön, schön war die Zeit, so schön, schön war die Zeit... Brennend heißer Wüstensand; fern, so fern dem Heimatland; So schön, schön war ...

O-Ton 10 Helene Gogos 16:30 ... Autor: Mochte der Papa den? HG: Ja, den mochte er. Die Stimme war auch schön. Das ist ja immer (so), wenn die Stimme schön ist, kann man das gut ertragen...

Musikeinspielung Freddy Quinn, Heimweh Viele Jahre schwere Fron, harte Arbeit, karger Lohn. Tagaus, tagein

Autor Mein Vater kam 1960 nach Deutschland. Im zarten Alter von achtzehn Jahren, mit nicht viel mehr als einem Koffer voller Träume. Um dann für dreihundert Mark monatlich als Hilfsarbeiter in einer Textilfabrik barfuß in Bottichen mit hochgiftigen Chemikalien herumzustapfen.

Musikeinspielung 3 Freddy Quinn, Junge, Komm bald wieder Junge, komm bald wieder, bald wieder nach Haus. Junge, fahr nie wieder, nie wieder hinaus. Autor Aber er ist ein optimistischer Typ, dieser Grieche, der da bei seiner Arbeit überschwänglich „Junge, komm bald wieder“ singt. Mein Vater war ein Gastarbeiter – und er liebte den deutschen Schlager! Vielleicht hat er Freddy Quinns Lieder sogar besser verstanden als Freddy selbst. – War „Junge, komm bald wieder“, nicht genau das, was meine griechische Großmutter meinem Vater in ihren Briefen schrieb?

Musikeinspielung Freddy Quinn, Junge, Komm bald wieder Ich mach mir Sorgen, Sorgen um dich. Denk auch an morgen, denk auch an mich.

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Autor Blättert man in unserem Familienalbum einige Seiten zurück, in die Zeit vor unserer Geburt, gleicht das Album einem Foto-Roman: Mein Vater, wie er am Wochenende die Derschlager Landstraße entlangspaziert, mit Nelke im Knopfloch, wie aus dem Ei gepellt.

Musikeinspielung 4 Freddy Quinn, Heimatlos Hoffnungslos ist keiner auf der Welt. Einmal kommt die Zeit. Und ich weiß das Schicksal hält für mich bereit. Ein paar Freunde, eine Liebe.

Autor Und meine Mutter Helene, die „Lichtbringende“, ein frommes Mädchen aus pietistischem Elternhaus, wie sie sich ihm entgegenträumt; und das Paradies darum gegeben hätte, von ihrem Griechen in den Olymp erhoben zu werden.

Musikeinspielung Freddy Quinn, Heimatlos Daran denke ich das ganze Jahr. Ein paar Freunde, eine Liebe, Wie es früher, früher einmal war

Darüber O-Ton 11 Helene Gogos 2:20 ... Autor: Bist Du gerührt jetzt? HG: Dat waren so Lieder, die dem Papa auch gefallen haben. Da waren wir uns einig. Autor: Dann haben die zu eurer Liebe beigetragen? HG: Ja. Jaja. 2:20 Wobei – ich bin heute schnell gerührt. Ich bin schon vorsichtig, in Gesellschaft was zu sagen, was mir wichtig ist, da kann mir das schnell passieren.

Autor Wenn es um die Liebe geht, reiht der Schlager ein Klischee an das andere. Aber drücke ich mit dem Hausbesuch bei meiner Mutter nicht selbst auf die Tränendrüse? Wie ein Schlager-Texter, der billig an Gefühle appelliert?

O-Ton 12 Helene Gogos

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2:20 Autor: Wenn du jetzt sagen müsstest, deine persönliche Hitparade der 1970er Jahre, was wäre das? HG: Peter Alexander, „Die kleine Kneipe“! Und dann der Udo Jürgens mit „griechischer Wein“...

Stimme Startnummer 3, Udo Jürgens, Griechischer Wein

Autor Mein Vater ist 2013 gestorben. Udo Jürgens hat sich 2014 von der Bühne des Lebens verabschiedet. Und spätestens mit dem Tod von Dieter Thomas Heck 2018 und und 2019 geht eine ganze Ära zu Ende. Die Ära meiner Kindheit.

O-Ton 13 Jörn Rosenberger 0:55 ja damit aufgewachsen. Da gab es bei unseren Eltern ja quasi so ne Art Suff-Keller, n’ Partykeller, wo dann Schlager gehört wurden. Aufgelegt wurden, bis morgens drei Uhr. Und da wird man dann natürlich mit groß.

Autor Fahre ich aus Derschlag raus, Richtung Reichshof-Eckenhagen, stehen da Lämmer auf der Wiese, und nehme ich die Einfahrt zu einem Hof, bellt ein Hund.

O-Ton 14 Jörn Rosenberger 1:50 Man wird ja dann wat feinfühliger, wat die Texte dann auch hergeben, ne. Heute würde ich mir ja nicht mehr jeden Schlager anhören. Heute achteste mehr auf die Textzeilen, und wat dazwischen is.

Autor Schlager, wem kannst du damit kommen – außer Schlagerfans? Ich habe Jörn seit dreißig Jahren nicht gesehen. Und in der letzten Zeit, wo ich mich mit dem Schlager beschäftige, ist mir aufgefallen, dass er auf Facebook viel über Schlager postet.

O-Ton 15 Jörn Rosenberger

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2:40 Udo Jürgens sehe ich nicht als Schlagersänger in dem Sinne. Der hat vielleicht mal als Schlagersänger angefangen. Aber in zunehmendem Alter waren seine Lieder viel anspruchsvoller.

Musikeinspielung 5 Udo Jürgens, Griechischer Wein Intro

Darüber O-Ton 16 Jörn Rosenberger 2:40 Dat fing eben an mit griechischem Wein. Wo er auf die Gastarbeiter aus Griechenland damals hingewiesen hat. Da fing dat an, dat er bewußt wat gesungen hat, wat ihm wichtig war.

Musikeinspielung Udo Jürgens, Griechischer Wein (frei) Es war schon dunkel Als ich durch Vorstadtstraßen heimwärts ging Da war ein Wirtshaus Aus dem das Licht noch auf den Gehsteig schien Ich hatte Zeit und mir war kalt, drum trat ich ein Da saßen Männer mit braunen Augen und mit schwarzem Haar Und aus der Jukebox erklang Musik Die fremd und südlich war

O-Ton 17 Jörn Rosenberger 11:40 Wat er damit ausdrücken wollte: ich geht jetzt in ne Kneipe rein, wo alles nur Griechen drin sitzen. ... Der Udo ist da an den Tisch gegangen und war der Bruder von den allen. ... Und einer davon – der Herr Gogos, ne!

Autor Eine griechische Kneipe in einer Vorortstraße im Ruhrgebiet stand angeblich Pate für das Wirtshaus mit den Männern mit den „braunen Augen“ und dem „schwarzem Haar“. Heute würde man das vielleicht „ethnic profiling “ nennen, oder „othering “. Meiner Mutter liegt das eher fern.

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O-Ton 18 Helene Gogos 8:50 ... Ich fand dat ganz toll beobachtet von dem Udo Jürgens. Das drückt sehr gut die Mentalität der ersten Gastarbeiter aus, wie die hier noch so alleine waren, ohne Frauen. – Obwohl, die haben die Frauen ja nie mit in die Taverne genommen...

Autor Oft wird dem Schlager vorgeworfen, dass er weltfremd sei. Aber er spiegelt auch Zeitgeschichte wieder. Willy Brandt sagt in seiner ersten Regierungserklärung von 1969: „Wir wollen ein Volk der guten Nachbarn sein“, und Peter Alexander singt 1970 „Hier ist ein Mensch, der will zu dir“. Die Deutschen entdecken ihr Herz für Kinder, Hunde, Gastarbeiter. Und auch Udo Jürgens breitet die Arme aus für mehr soziale Wärme und Mitgefühl:

Musikeinspielung Udo Jürgens, Griechischer Wein Und dann erzählten sie mir von grünen Hügeln, Meer und Wind Von alten Häusern und jungen Frauen, die alleine sind Und von dem Kind das seinen Vater noch nie sah Sie sagten sich immer wieder Irgendwann geht es zurück

Autor Acht Wochen lang steht „Griechischer Wein“ im Jahr 1975 auf Platz eins der deutschen Hitparade. Urlaubsreisen nach Griechenland steigen sprunghaft an. Und z um Dank wird Udo Jürgens vom griechischen Ministerpräsidenten Kostas Karamanlis empfangen – gemeinsam mit dem Texter , dem die perfekte Verschmelzung des deutschen Schlagers mit der griechischen Gastarbeiterballade gelungen ist.

Musikeinspielung Udo Jürgens, Griechischer Wein Griechischer Wein Und die altvertrauten Lieder Schenk' nochmal ein Denn ich fühl' die Sehnsucht

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Wieder, in dieser Stadt Werd' ich immer nur ein Fremder sein, und allein

Autor Ist der Song "Griechischer Wein“ also reaktionär, weil er Gastarbeiter in abgedroschenen Klischees beschreibt? Oder ist er progressiv, weil er darum wirbt, Berührungsängste abzubauen?

Musikeinspielung 6 Udo Jürgens - Immer wieder geht die Sonne auf (Intro)

O-Ton 19 Jörn Rosenberger 10:40 Mir haben die Lieder von Udo Jürgens immer viel aus der Klemme geholfen. Die haben mich aufgebaut im Leben, die bauen mich heute noch auf.

Autor Marmor Stein und Eisen bricht. Aber nicht die Liebe eines Schlagerfans wie Jörn Rosenberger zu seinem Schlagerstar. Jörn hat Udo Jürgens sogar eine Art Schrein gewidmet: eine Glasvitrine mit Konzerttickets und Plattencovern. Mitte der 70er-Jahr waren die Hits von Udo Jürgens oft gesellschaftskritisch. Aber Jörn zieht auch etwas Erbauliches daraus.

Musikeinspielung Immer wieder geht die Sonne auf (frei) Wenn ein Traum, irgendein Traum sich nicht erfüllt / Wenn die Liebe zu Ende geht / Wenn selbst die Hoffnung nicht mehr besteht / Nur Einsamkeit

O-Ton 20 Jörn Rosenberger II 3:30 Ich hatte nicht so eine gute Kindheit, Manuel. Aber ich hatte gute Großeltern. Und ne gute Mutter, wo ich von zehre. 4:10 Meine Mutter ist ein Jahr vor meiner Oma gestorben. Die Oma musste noch mit der an den Sarg gehen. Meine Mutter war in vier Wochen weg, die hatte Krebs. Da hab ich sie ins Hospiz in Wiehl verlegen lassen, da hat sie dann noch vier Wochen verbracht. 7:00 Da hab ich Schlager gespielt, wie sie im Bett lag zum Schluss.

Musikeinspielung Immer wieder geht die Sonne auf (frei)

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Wenn ein Blatt, irgendein Blatt vom Baume fällt / Weil der Herbstwind es so bestimmt / Wenn das Schicksal uns etwas nimmt / Vertraue der Zeit

O-Ton 21 Jörn Rosenberger 25:15 Wenn jetzt einer von ner Trauer kommt in seine vier toten Wände, vielleicht auch gerade mal keinen lieben Menschen um sich rum, was trägt ihn denn dann? Also mach ich vielleicht meine Lieblingsmusik an, die trägt mich dann. Dat is oft im Schlager gegeben. Dat die Lieder stimmungsmäßig passend sind. Was ich brauche, kann ich mir holen ... (singt) „Und immer, immer wieder geht die Sonne auf!“ (lacht)

Musikeinspielung (frei) Denn immer, immer wieder geht die Sonne auf / Und wieder bringt ein Tag für uns ein Licht / Ja, immer, immer wieder geht die Sonne auf / Denn Dunkelheit für immer gibt es nicht / Die gibt es nicht, die gibt es nicht...

Autor Der Schlager ernährt den Schlagerfan. Jörn findet den Schlager tiefsinnig, authentisch, wahr.

O-Ton 22 Jörn Rosenberger 22:30 Wat ma im Schlager sucht: Sehnsucht. Trost in schweren Stunden. Erinnerungen. Hoffnung. Alle großen Menschheitsthemen findet man irgendwo im Schlager wieder.

Autor Ich höre Jörn zu und höre gleichzeitig in mir die Echos aller jener Schlager-Verächter widerhallen, die Schlager künstlich finden, und seicht mit seinen vorformatierten Gefühlen aus roten Lippen, roten Rosen, rotem Wein.

O-Ton 23 Jacky Dreksler 1:11:34 Alle Klischees sind wahr. Das ist die Tragik an der ganzen Sache. Sonst wären es ja keine Klischees geworden. Klischee heißt ja Abklatsch, aus der Drucktechnik kommt das ja. ... Zumindest, wenn Klischees nicht wahr sind, wollen wir sie wahr haben. Das ist viel wichtiger: was wir wahr haben wollen!

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Autor Waren die Schlager in meiner Kindheit nun die Hölle für mich? Oder ist die Welt des Schlagers das verlorene Paradies ? Ich suche in Köln einen Mann auf, mit dem ich über meine ambivalenten Gefühle, meine „Hassliebe“ zum deutschen Schlager reden kann. Jacky Dreksler schrieb nämlich unzählige Schlager, obwohl ihm Schlager früher genau so suspekt waren wie mir.

O-Ton 24 Jacky Dreksler 5:00 ... Ich hab eigentlich deutsche Schlager überhaupt nicht gemocht. Nie. Seit ich mit zehn Jahren in die USA gegangen bin, waren das eher amerikanische Schlager, Country, Rock’n Roll.

Autor Im Kellerstudio von Drekslers Produktionsfirma „Pacific Productions“ sitzen wir in roten Ledersesseln, Keyboard und E-Gitarre immer in Reichweite. 1968 studiert Dreksler im ersten Semester Pädagogik, Philosophie und Soziologie, engagiert sich im Studentenhochschulbund. Schlager sind überhaupt nicht sein Ding. Und doch spielen sie ungebeten immer wieder in sein Leben hinein.

O-Ton 25 Jacky Dreksler 6:30 Und wenn man dann ganz viel getrunken hatte, und es ganz spät wurde, da stimmte dann irgendjemand zur Gitarre ein Lied von Freddy an. Ironisch gemeint, natürlich. Und auf einmal sangen alle mit. Alle kannten offensichtlich dieses Lied. Und das ging dann so fließend von der Ironie in den Ernst über.

Autor Als Jugendlichem sind sie Dreksler zutiefst verpönt, diese Lieder aus der deutschen Spießerhölle. Weil sie so sentimental wie grausam sind. Weil sie einfach gnadenlos den Effekt bedienen. Warum begann er dann später selbst, Schlager zu schreiben?

O-Ton 26 Jacky Dreksler 58:10 ... Wenn du depressiv bist, brauchst du nicht noch jemand, der dir sagt: guck mal wie beschissen die Welt ist. – Wozu?! Ich denke, dass die Menschen ein Recht darauf haben, auch mal vor dieser Welt zu fliehen.

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Autor In gewisser Weise beerbt der Schlager die deutsche Romantik. Mit ihrem Heimweh. Und mit ihrem Fernweh. Die Suche nach Ursprünglichkeit in der Fremde.

O-Ton 27 Jacky Dreksler 32:30 Was hast du gegen Kitsch? Nimm Herrn Goethe, z. b. „Kennst du das Land wo die Zitronen blühen, in dunklem Laub die Goldorangen blühen, kennst du es wohl? Dahin, dahin möchte ich mit dir, mein Geliebter, zinn.“ – Ist ein falscher Reim, aber sei es drum. Ist das Kitsch? Autor: Es klingt jedenfalls sehr Schlagermäßig...

Stimme Startnummer 4: Komm ein bischen mit nach Italien

Musikeinspielung 7 Komm ein bisschen mit nach Italien Komm ein bisschen mit nach Italien Komm ein bisschen mit ans blaue Meer Und wir tun als ob das Leben eine schöne Reise wär'

Autor

Schon in den 50er-Jahren beginnt der deutsche Schlager, das schöne, wahre, gute Leben im Süden zu vermuten. Immer mehr Deutsche nehmen die Einladung Caterina Valentes und Peter Alexanders von 1956 an.

O-Ton 28 Mark Terkessidis Das ganze Imaginäre des Tourismus basiert ja auch auf dieser Idee: Ein erfüllteres, besseres Leben anzubieten, einen Platz, in dem die Zeit etwas langsamer geht, in dem man so einen quasi paradiesischen Zustand erleben kann.

Autor Ich bin bei Mark Terkessidis in Berlin. Mark ist wie ich griechischer Herkunft. Und intellektuell gesehen so etwas wie ein großer Bruder für mich. Hat sich schon in den 1990er Jahren intensiv mit Migrationsgeschichte beschäftigt, und mit 14

Tourismusgeschichte. Und meint, egal ob deutsche Touristen in den Süden Europas fahren, oder Migraten in den Norden: das wahre Leben ist immer anderswo.

O-Ton 29 Mark Terkessidis Und bei der Migration ist es im Grunde ähnlich: Auch die Migration träumt immer von dem Land, wo Milch und Honig fließt.

Autor 1955 wird das Abkommen zur Anwerbung italienischer Arbeitskräfte für die deutsche Wirtschaft abgeschlossen. Und nur ein paar Jahre später, 1962, tritt Conny Froboess mit „“ für Deutschland beim Grand Prix Eurovision an.

Musikeinspielung 8 Conny Froboess, Zwei kleine Italiener

Zwei kleine Italiener / am Bahnhof, da kennt man sie. Sie kommen jeden Abend / Zum D-Zug nach Napoli. ... Eine Reise in den Süden ist für andre schick und fein. Doch zwei kleine Italiener möchten gern zu Hause sein.

Autor Zu meiner Zeit, in den 70er-Jahren, sind die Gastarbeiter aus dem deutschen Alltag schon nicht mehr wegzudenken. In Udo Jürgens „Griechischer Wein“ sind sie nicht länger niedlich und klein, und sie müssen auch nicht mehr am Bahnhof stehen. Jetzt haben sie ihre eigenen Lokale, und die Deutschen sind bei ihnen zu Gast.

O-Ton 30 Mark Terkessidis 41:28 Ist schon interessant, wie das im Schlager reflektiert wird. Weil die Suche nach dem Paradies bestand ja dann aus mehreren Ebenen: Eine davon war der Tourismus mit dem reellen Ortswechsel. Eine davon war der Schlager als eine Form, wo man das auch zu Hause erleben konnte. Und eine Form war auch das Restaurant, das griechische oder italienische Restaurant, wo die echten italienischen oder griechischen Kellner da standen und einen bedienten und wo das sozusagen einen Miniurlaub für einen Abend ermöglichte.

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Stimme

Startnummer 5 , Die Bouzouki klang durch die Sommernacht

Darüber Autor In den 1970ern wird Griechenland zum Sehnsuchtsort, im Reisebüro wie auf dem Schlagermarkt. Ganze Sampler erscheinen, mit Katja Ebsteins „Der Stern von Mykonos“ von 1973 und vielen anderen. Neben Ebstein verkörpern jetzt verstärkt auch Einwanderinnen aus Griechenland selbst die Sehnsüchte des Urlaubsschlagers.

O-Ton 31 Mark Terkessidis 39:40 Lange Zeit habe ich das auch als eher verachtungswürdig abgespeichert. Mittlerweile finde ich aber – in Anbetracht der Tatsache, dass man den Schlager heute so kohärent als eine deutsche Musik sieht – sind diese Einflüsse etwas, was man quasi nochmal aufarbeiten muss.

Musikeinspielung 9 Die Bouzouki klang durch die Sommernacht

Autor Vassiliki Leandros, genannt Vicky , kam als Sechsjährige 1958 nach Deutschland. Als Tochter von , der selbst schon im deutschen Schlagergeschäft als Sänger erfolgreich war und später als Produzent von ein paar Hits gelandet hat.

Musikeinspielung 10 Demis Roussos, Good by my love good by

Autor Es gehört zu meinen ersten Erinnerungen, wie ich zusammen mit meinem Onkel Andoni, dem jüngeren Bruder meines Vaters, auf dem Boden unseres Wohnzimmers in Derschlag liege und „Schönes Mädchen aus Arcadia“ von Demis Roussos oder „ Die Bouzouki klang durch die Sommernacht“ von Vicky Leandros höre. So lernte ich Bouzouki-Musik kennen – Nicht in der Form des genialen Rembetiko , dieses authentischen griechischen , den die Kleinasienflüchtlinge Anfang des 20sten Jahrhunderts in den griechischen Hafenstädten erfanden. Sondern in den etwas peinlichen Aufgüssen des deutschen Schlagers.

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Zitator II Startnummer 6 Nana Mouskouri, Weiße Rosen aus Athen

Autor Ich habe Vicky Leandros für ein Interview zu meinem Schlager-Feature angefragt. Aber sie hat mir einen Korb gegeben – vielleicht, weil sie sich nicht als Schlagersängerin, sondern als Weltstar sieht. Tatsächlich gibt es in meiner persönlichen Hitparade aber auch einen echten Weltstar: Nana Mouskouri.

O-Ton 32 Helene Gogos 14:00 Die Nana Mouskouri hatte für mich die schönste Stimme überhaupt. Nur mit der Brille war sie furchtbar hässlich.

O-Ton 33 Jörn Rosenberger 21:55 Mit der Brille, die sie heute noch trägt. Immer dieselbe Brille.

Autor Schon als Kind habe sie unter ihrem Äußeren gelitten, schreibt Nana Mouskouri in ihrer Autobiographie. Sie war pummelig, wie ich. Aber bei ihr scheint es noch schlimmer gewesen zu sein: Mit fünfundzwanzig sei sie noch ungeküsst gewesen. Und habe darum verzweifelt gehofft, wenigstens mit der Schönheit ihrer Stimme die Welt zu verzaubern.

Musikeinspielung 11 Weiße Rosen aus Athen Sagen dir „Komme recht bald wieder“ Sagen dir „Auf Wiedersehen“ Weiße Rosen aus Athen

Autor In meiner Familie hat Nanas Zauber gewirkt. Und offenbar auch in ganz Deutschland. Im Jahr 1960, während mein Vater im Zug nach Gummersbach sitzt, kommt Nana Mouskouri mit dem in Berlin an. Der Erfolgsschlagertexter Hans Bradtke hat aus

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dem griechischen Volkslied San Sfyrixis Tris Fores einen deutschen Urlaubs-Schlager gestrickt. Nana Mouskouri nimmt das Lied in deutscher Sprache auf, produziert wird die Platte in den Ruinen des einstigen Grand Hotel Esplanade, hundert Meter vom Checkpoint Charlie, im Jahr des Mauerbaus. „Weiße Rosen aus Athen“ wird der Schlager des Jahres 1961 und bringt der Interpretin ihre erste goldene Schallplatte ein. – Nana Mouskouri ist jetzt in Deutschland bekannter als in Griechenland.

Einspielung Filmausschnitt Traumland der Sehnsucht 44:35 Das Lied besingt die Stadt Athen. Wie sie der Grieche schmückt mit weißen Vögeln, und Wolken an ihrem Himmel. Wie er ihren unsterblichen Namen stickt in ihren Stein. Athen ist ihm die Freude der Erde. Die leuchtende Lilie des Morgenrots. Athen. An ihrem Meeresstrand wird er eines Abends als eine Muschel ruhen.

O-Ton 34 Helene Gogos 14:00 ... Ich hab mich immer gefreut, wenn die kam, wenn die irgendwo mitgesungen hat.

Autor Und ihr Zauber wirkt bis heute. Als ich höre, daß Nana Mouskouri in der Kölner Philharmonie ein Konzert gibt, packe ich meine Mama ins Auto und fahre hin.

O-Ton 35 Nana Mouskouri Konzert 2 0:10 NM Was ich wollte sagen: Die Musik für mich war alles! Ich glaube ich habe gefunden ein Leben voll mit Liebe – durch die Musik! Und die Musik hat keine Grenzen für mich, keine Stile...

Autor Hatte meine Mutter Nana Mouskouris Stimme früher für die schönste der Welt gehalten, hören wir nun, wie die Stimme der über 80-jährigen immer wieder bricht.

O-Ton 36 Nana Mouskouri Konzert 2 0:10 ... NM Leute sagen: Ich bin eine Schlagersängerin. Warum nicht?! Schlager ist etwas, das kann traurig sein, dass kann auch sehr glücklich sein. ... Und das ist was ich

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mache seit 60 Jahren...! (Applaus) Autor: Das hat sie aber schön gesagt, Mama, oder? HG: Ganz toll!

Musikeinspielung 12 Nana M, Udo Lindenberg (wie aus dem Autoradio)

Es ist heute nicht leicht, durch das Leben zu gehen überall scheint das Glück schon zerbrochen...

Autor Auf der Autofahrt kann ich mir die Chance nicht verkneifen, meine Mutter über den Schlager im Allgemeinen auszuhorchen.

Darüber O-Ton 37 Nana Mouskouri Konzert 5 54:55 Autor: Was ist das Erfolgsgeheimnis vom Schlager? HG: Das ist, glaub ich, immer wieder ein Rätsel. Sonst würden die Leute das ja machen, dat dat ein Schlager wird. Dat kann man aber nicht machen. Et gibt schon Leute die wissen, welche Knöpfe man drücken muss. Autor: Also, welche Knöpfe muss man drücken: Gefühl? HG: Gefühl auf jeden Fall, und Rhythmus – und dann einen möglichst blöden Text ... (lacht). Der „Stein“ auf „Bein“ reimt, weißte, so...!

Musikeinspielung Nana M, Udo Lindenberg (frei)

Gib es zu, du warst im Nana Mouskouri Konzert ich hab' Dich gesehen, mein Freund Gib es zu, Du warst im Nana Mouskouri Konzert Ich war auch da und Du hast geweint!

Stimme Startnummer 7 Costa Cordalis, Am Strand von Griechenland

Autor Ich muß ungefähr 14 Jahre alt gewesen sein, da habe ich mit meiner Familie einmal Costa Cordalis in Griechenland am Strand getroffen. Diesen Prototyp eines „Gastarbeiters des Plattentellers“.

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O-Ton 38 Dieter Thomas Heck in der Hitparade Wir bleiben beim Urlaub. Wenn es um Griechenland geht, kann das nur einer interpretieren, Costa Cordalis!

Autor Ich war mit meiner ersten Kamera bewaffnet, und einer fast unüberwindlichen Schüchternheit. Als ich ihn fragte, ob ich ihn fotografieren darf, hat er sich geschmeichelt gefühlt und in Positur gesetzt.

O-Ton 46 Helene Gogos 7:50 Ich hab nen weiten Bogen drum gemacht. Ich wollte nicht in den Ruf kommen, dat ich in den irgendwatt ... Ne, ich wollte den auch in Ruhe lassen.

Autor Ob mein Vater eifersüchtig auf Costa Cordalis war?

O-Ton 39 Helene Gogos 3:50 Dat war ein Grieche, das war für mich erst schon mal wichtig. Und der Papa fand den immer affig.

Autor Auch Costa Cordalis kam Anfang der 1960er Jahre nach Deutschland. Er war sogar noch ein paar Jahre jünger als mein Vater.

O-Ton 40 Helene Gogos 3:50 ... Ich fand aber von daher, der hatte sich hier durchgesetzt, das musste der ja auch, der war ja alleine gekommen, und musste sich hier im Schlagergeschäft durchsetzen, das war ja nicht so einfach.

Autor In seiner Autobiographie „Der Himmel muss warten“ beschreibt Costa Cordalis, wie ihn der Sänger Iwan Rebroff nach Deutschland holt und wie er seine Karriere als 16-

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Jähriger Barsänger beginnt, im Frankfurter Rotlichtmilieu, umgeben von Prostituierten und griechischen Pelzhändlern.

Zitator Ivan Rebroff ist homosexuell. Seine Besuche im Lokal gelten in erster Linie mir. Manchmal machten wir Scherze darüber was wäre, wenn wir ein Pärchen wären – und lachen uns schlapp...

Autor Cordalis kommt gut an in der „Cabana“-Bar, im „Binger Loch“ oder dem Club „Pferdestall“. Seinen griechischen Folklore-Gesang begleitet er selbst auf der Gitarre. Und die Männer in den Bars lieben ihn, mit seinem Griechenhemd, das Brusthaar ausgestellt.

O-Ton 41 Jacky Dreksler 41:00 Das ist ja auch sein „unique selling Point“ gewesen. Dass er Grieche ist. Costa sah ja wirklich richtig gut aus. Manche Menschen würden sagen: zu gut.

Autor Und auch die Frauen lieben ihn, die ihm später in der Hitparade Rosen übereichen, als wäre ein „Engel vom Olymp gestiegen“, wie es in einem seiner Lieder heißt. Es war zur Zeit seiner großen Hits in den 1970ern: „Der Wein von Samos“, „Spiel Bouzouki“, und natürlich: „Anita“.

Musikeinspielung 13 Am Strand von Griechenland (Intro)

Darüber O-Ton 42 Jacky Dreksler 35:00 Ich habe für Costa Cordalis mal ein Lied geschrieben, „Am Strand von Griechenland“ heißt das.

Musikeinspielung Am Strand von Griechenland (frei) Am Strand von Griechenland, verliebt und Hand in Hand...

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Autor Auch Jacky Dreksler hat Lieder für Costa Cordalis geschrieben, Anfang der 80er-Jahre. Er saß da gerade an seiner Doktorarbeit über Karl Popper. Die Hälfte war geschafft, erzählt er mir, da machte ihm plötzlich eine Plattenfirma ein Angebot.

O-Ton 43 a Jacky Dreksler 40:25 ‚Du kennst doch Costa Cordalis, wir bräuchten da etwas Frisches, Flottes, hättest du nicht Lust für ihn einen Text zu schreiben?! N schönen Text, schön kitschig, und die ganze Griechenland-kacke bedienen, mach einfach mal!

O-Ton 43 b Jacky Dreksler 41:20 ... Dann dachte ich „Am Strand von Griechenland“, das klingt schon mal schön, das ist ein schöner Binnenreim. Dann habe ich gedacht, da werden sich doch wohl noch mehr Binnenreime finden lassen. Dann habe ich gedacht, diese ganze Nummer auf diesem „And“ Reim aufzubauen. Am Strand von Griechenland , verliebt Hand in Hand , Küsse im warmen Sand , verliebt und braun gebrannt .

Autor Zum ersten Mal bin ich im Alter von drei Monaten in Griechenland gewesen. Und seither jedes Jahr dorthin gefahren, erst mit dem Auto hinten, dann vorn; dann mit dem Zug, dann per Flugzeug.

O-Ton 44 Jacky Dreksler 2:20 Wann bist du geboren, 1970? D. h. du warst in dem formativen Alter mit 14 das war dann 1984, 85 oder so. JD: Mit 14 verliebt man sich ja oft zum ersten Mal. Autor: Bei mir war das tatsächlich am Strand von Griechenland der Fall! Als ich eine Griechin namens Maria ... JD: Am Strand von Griechenland?! Wie schön! Und war sie braun- gebrannt ? Und ihr gingt Hand in Hand ?

Autor Braun gebrannt war sie, hatte aber anderes als mich im Sinn. So lief ich händeringend allein durch Kavala, die griechische Hafenstadt, aus der mein Vater stammt.

O-Ton 45 Jacky Dreksler

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39:10 Da gibt es in der zweiten Strophe eine Stelle, die heißt „Wenn die Sonne sich wie Honig in das goldne Meer ergießt, und in purpurroten Farben, auf dem blauen Meer zerfließt“ – ist das kitschiger, als das, was Herr Goethe gemacht hat? Ok, und wenn es kitschig ist, dann beschreib mir doch mal einen Sonnenuntergang in zwei Zeilen, der nicht kitschig ist!

Stimme Startnummer 8 Manuel und die Ponys, Das Lied von Manuel

O-Ton 47 Jacky Dreksler 50:00 Du hast ja einen wunderschönen Namen. Da sind ja nur singbare Vokale drin. Mmm und nnn und lll, alles Vokale, die du aushalten kannst. Ein k kannst du nicht aushalten, kkk. Und dann a, u, e. Davon ist das e so ein Langeweiler-Vokal, aber a und u, das dunkle u und das schöne kräftige a –

Autor Drehen wir die Zeit noch mal ein paar Jahre weiter zurück. Im Jahr 1979 führt „Das Lied von Manuel“ die Hitparaden an. In meiner persönlichen Hit-Story ist diese Geschichte natürlich die Nummer 1.

O-Ton 48 Einspielung ZDF-Hitparade D. T. Heck: „Manuel und Pony! Ihre Nummer 1 Das Lied von Manuel!

Musikeinspielung 14 Das Lied von Manuel Das Lied von Manuel Solo: Maria Dolores, ohoho, ohoho...

O-Ton 49 Jörn Rosenberger 29:20 „Das Lied von Manuel“ – dat war ja so ein junger Bursche, der eine super Stimme hatte, dat is einem direkt aufgefallen.

O-Ton 50 Achim Rodewald I

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0:00 Meine kurze aber durchaus erfolgreiche Karriere als „Manuel“ begann an einem Tag der Sommerferien 1978. Ich erinnere mich an einen Anruf unseres Chorleiters Dr. Rudolf Becher, der sagte, für einen deutschen Schlager bräuchte man eine Knabenstimme, die eine Kantilene singen solle.

Autor Achim Rodewald war nicht leicht zu finden. Bei seinem letzten Musiklabel Obst Music in Köln verlor sich zunächst seine Spur. Aber ich gebe nicht auf, diesen „Manuel“ zu finden. Über ein Video der „Indischen Industrie- und Handeskammer“ spüre ich ihn endlich auf. Von der indischen Hauptstadt Mumbai aus erinnert sich Rodewald per Skype daran, wie ihn vor vierzig Jahren der bekannte Schlagertexter Kurt Feltz und der Produzenten Heinz Gietz in Köln zum Kinderstar machten.

O-Ton 51 Achim Rodewald I 0:50 Ein paar Tage später waren wir dann auf dem Weg ins Studio in der Nähe vom Müngersdorfer Stadion. Das Studio gehörte Heinz Gietz, den wir dort dann auch antrafen. Neben Gietz war dann auch Kurt Feltz vor Ort. Beide spielten uns dann das Lied vor. ... Es gab noch keine digitalen Aufnahmen. Darum musste man an allen betreffenden Stellen die Kantilene live einsingen.

O-Ton 52 Achim Rodewald II 3:20 Das Lied wurde 1979 ein Riesenerfolg. Wir waren mehr als ein halbes Jahr in der Hitparade vertreten. Im November 1979, also ziemlich genau vor vierzig Jahren, haben wir dann sogar den Spitzenplatz in der Hitparade erobert: Platz 1 für das Lied von Manuel!

Autor Wie hätte es anders sein sollen: In der Zeit, als das „Das Lied von Manuel“ in der ZDF Hitparade zum Nr. 1 Hit wurde, schallte mir in der Schule von meinen Mitschülern der Refrain entgegen.

Musikeinspielung Das Lied von Manuel Wir kennen Deine Stimme. Wir kennen Dein Gesicht, aber mögen, mögen wir Dich nicht...!

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Autor Warum sie Manuel nicht mochten, verstehe ich erst, als ich das Lied heute wieder höre: Dieser „Manuel“ ist ein Gastarbeiterkind – Wie ich!

Musikeinspielung Das Lied von Manuel Da ist der Junge aus Kastilien und er wohnt im Neubaublock mit seinen Eltern.

O-Ton 53 Einspielung ZDF-Hitparade „DTH: Und du heißt? – Anke“ Und dazu kommt natürlich der Manuel.

Autor Man kann den Auftritt von „Manuel und den Ponys“ auf Youtube sehen: Im Backgroundchor Anke Engelke, die heute nicht mehr gerne über diese „Jugendsünde“ spricht .

O-Ton 54 Achim Rodewald II 0:30 Etwa zeitgleich wurde die Gruppe Pony gegründet. Pony entstand aus den Sonntagskindern. Stimmen, die alle auch Solo singen konnten. Sie wurden zu einer Gruppe zusammengestellt auch von Feltz und Gietz, die auch so ein bisschen popmusikmäßig arbeiten sollte.

Autor In dem Video sieht die Solistin Silke wie unser Nachbarsmädchen Cornelia aus. In meiner Kindheit war ich eng mit ihr befreundet – Connie mit ihrem blonden Pony. Ich erinnere mich auch an Connies Mutter Gisela, mit ihrer ondulierten Stirnlocke und der Brille sah die ein bisschen so aus wie Dieter Thomas Heck.

Musikeinspielung Das Lied von Manuel Da ist die kleine Hannelore, die ist krank. Und Manuel geht zu den Eltern. Was mag er da wohl sagen? Wir haben ihn gefragt. Manuel, ganz was Schönes hat er da gesagt: Manuel (solo): Da gibt es einen; und der kann Dich heilen.

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Der Weg zu ihm ist weit - nach Amerika. Da braucht Ihr Geld. Drum werd' ich für Euch singen. Ich gebe ein Konzert für Sie allein. Chor: Maria Dolores, ohoho, ohoho...

Autor Als der Gastarbeiterjunge mit seiner engelsgleichen Stimme ein Konzert gibt, um dem deutschen Nachbarsmädchen eine teure Operation zu ermöglichen, da wird er von seinen Mitschülern endlich akzeptiert.

Musikeinspielung Das Lied von Manuel Wir hören Deine Stimme viel lieber als bisher. Manuel, nun mögen, mögen wir Dich sehr. Solo: Maria Dolores, ohoho, ohoho...

Autor Welche Rolle spielt also das „Fremde“ für das „Eigene“, wie der Schlager es konstruiert?

O-Ton 55 Julio Mendivil 12:40 Es gibt natürlich auch persönliche Geschichten mit bestimmten Stücken. Ich kann erzählen von mir selber.

Autor Julio Mendivil ist Musikethnologe. Er lehrt heute in Wien, aber ich treffe ihn an dem Ort, wo seine Familie lebt, in Köln. In seinem Buch „Ein musikalisches Stück Heimat" wendet der gebürtige Peruaner sich ausgerechnet dem Phänomen des deutschen Schlagers zu.

O-Ton 56 Julio Mendivil 12:40 ... Ein bestimmter Schlager wie „Ein Indiojunge aus Peru“ von hat mich natürlich beeindruckt, als Peruaner der in Deutschland lebt. So hat mein Interesse am deutschen Schlager angefangen.

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Autor Das verbindet mich und meine innere Erkenntnisreise zum deutschen Schlager mit der Annäherung Mendivils: Im Imaginarium des Schlagerfans gibt es Fluchtpunkte, die wahlweise in der Ägäis oder in den Anden liegen können.

O-Ton 57 Julio Mendivil II 2:45 Katja Ebstein erzählte mir, dass dieses Stück „Der Indiojunge aus Peru“ ursprünglich einen griechischen Text haben sollte.

Musikeinspielung 15 Ein Indiojunge aus Peru Hoch in den Bergen, Im ewigen Wind Nah bei den Sternen, Da war er ein Kind. Das Haus seiner Mutter so elend und alt Da ging er zur Stadt und der Morgen war kalt. Und er versuchte sein Glück irgendwie Doch eine Chance, Die gab man ihm nie.

O-Ton 58 Julio Mendivil 13:30 Der Text ist tatsächlich furchtbar. „Der Indiojunge will leben, leben so wie du.“ Aber das hat mich interessiert: Welches Bild der indigenen Kultur wird da vermittelt? Und wie wird die deutsche Kultur als überlegen dargestellt?

Autor Was auf den ersten Blick ein stereotypenbeladenes, ja rassistisches Lied über ferne Indigene zu sein scheint, entpuppt sich in Mendivils genauer Analyse als subtile Ode an die deutsche kleinbürgerliche Lebensform.

Darüber O-Ton 59 Julio Mendivil 21:55 Irgendwann saßen wir beim Wein, und sie sagte zu mir – ich fand das sehr sympathisch – „wenn ich dieses Stück nochmal aufnehmen würde, ich würde einen anderen Text machen. Aber damals haben wir gedacht, das ist progressiv!“

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Autor „Der Ethnologie ist bestrebt, diejenigen Kategorien zu entdecken, in denen der Andere denkt, träumt und handelt“, schreibt Mendivil. Und dreht den Spieß um: Wo sonst deutsche Musikethnologen die folkloristischen Traditionen Peruanischer Indigener untersuchen, beschreibt Mendivil die deutsche Schlagercommunity als eine Art Indianerstamm .

O-Ton 60 Julio Mendivil 17:44 Interessant für mich war, dass ich viele Begriffe der Ethnologie doch anwenden konnte. Die Künstler zum Beispiel sind „Seminomaden“, die sind ständig unterwegs. Es gibt viel religiöse Elemente in der Schlagermusik, im Sinne von Geborgenheit, Sicherheit.

Autor Immer werden die Söhne des Südens musikalisch mit „moll“ markiert. In Mendivils Lesart hat der Schlager nicht nur einen Text, er ist selbst ein Gewebe von Texten. Manuel, der Junge aus Kastilien, will dazu gehören. Und mutmaßlich auch der Junge aus Peru. Genau darum wird das angeblich „Fremde“ ein Leitmotiv des deutschen Schlagers: weil es eine Funktion des „Eigenen“ ist.

O-Ton 61 Julio Mendivil II 51:40 ... Man projiziert auf das Fremde Eigenschaften des Eigenen. Man geht irgendwohin und ist dort zu Hause. Viele Lieder, Fiesta Mexicana, Anita, ein Indiojunge aus Peru auch. Lieder über Italien, Griechenland oder die Südsee. Es geht um eine fremde Umgebung, aber die wird auf eine friedliche Weise erobert.

Darüber Zitator Man ist einander nahe; die Gesichter sind freundlich; für das leibliche Wohl ist gesorgt; man sitzt; alles ist vertraut, nichts wird vom Einzelnen verlangt, außer, die Gemütlichkeit nicht zu stören...

Autor Schreibt der Tübinger Schlagerforscher Hermann Bausinger in seinem Essay „Heimat in einer offenen Gesellschaft“. Ist sich zugleich aber sicher, mit dem biedermeierlichen,

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spießbürgerlichen Rückzug ins Private drängt die Kleinbürgeridylle des deutschen Schlagers zugleich auch ins Enge und Beengte. Bis man mit dem Rücken zur Wand sitzt.

Zitator Nicht der Wohnblock ist gemütlich, sondern das Haus. Eigentlich auch nicht das Haus, sondern die Wohnung. Und nicht die ganze Wohnung, sondern das Wohnzimmer. Aber auch nicht das ganze Zimmer, sondern die Eckbank oder die Sofaecke.

Autor Von der Fernsehcouch aus hat auch Mendivil meistens seine Feldforschung betrieben. Und über all die folkloristischen Trachten gestaunt, die Hackbretter und geröteten Gesichter, die Springbrunnen und andere Besänftigungslandschaften.

O-Ton 62 Julio Mendivil II 14:50 Was mit aufgefallen ist, dass die Szenographie in den Sendungen ganz häufig die Romantik oder die Biedermeierzeit verarbeitet. ... Das wird auch oft benutzt, um diesen Effekt von Heimat zu generieren.

Autor Nach der Wiedervereinigung 1990 haben in Deutschland Schlagersendungen Konjunktur. Nun wird wieder Heimat produziert, und zwar am laufenden Band. Es ist eine Zeit, in der man leicht Verachtung für den Schlager empfinden kann. Aber am Ende sind deutsche Schlagerfans auch Menschen. Wie meine Mutter, in der sich die 70er-Jahre weiter abspielen, als hätten die Schlager-Platten von damals einen Sprung? Und mein Freund Jörn mit seinem Udo Jürgens-Schrein im Zimmer?

O-Ton 63 Julio Mendivil II 39:00 Durch Udo Jürgens habe ich bemerkt, dass selbst die SchlagerkonsumentInnen den niedrigen sozialen Status des Schlagers verinnerlicht haben. Sie wissen, dass es nicht gut angesehen wird, Schlager zu hören.

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O-Ton 64 Julio Mendivil II 30:30 Aber ich bin sicher, dass viele Leute die keine Liebe zum Schlager in der Öffentlichkeit zugeben können, doch den Schlager lieben.

Autor Ein Wiener Musikethnologen-Kollege hat Mendivil kürzlich seine heimliche Liebe zum Schlager gestanden; vielmehr gebeichtet, als wäre das eine Sünde.

O-Ton 65 Julio Mendivil II 31:28 Und da hat er viel erzählt, dass er viele Schlager gehört hat als Kind, z. b. weil Samstagabends die Hitparade lief. Da haben die das natürlich als Familie angeguckt. Und irgendwann sagte er mir: Mensch, ist das toll, dass man mit dir so locker darüber reden kann...

Autor Mendivil kommt aus Peru – Volksmusik ist da in aller Regel Musik des Widerstands. Im Hinblick auf den deutschen Schlager spricht Mendivil dagegen von einer „Rebellion der Konservativen“. Und trotzdem hat er es nicht nötig, den Schlager zu hassen.

O-Ton 66 Julio Mendivil II 23:45 Sie werden wahrscheinlich Leute finden, die Schlager hören und AfD wählen, aber ... 24:40 nicht jeder der sich für Schlager interessiert, ist sofort ein Nazi. Nicht mal jemand, der Ausländerfeindlich ist. Ich würde sagen ganz im Gegenteil.

O-Ton 67 Jörn Rosenberger 9:30 Ich denke „Griechischer Wein“ von Udo Jürgens, dat betrifft uns heute, dat betrifft uns auch in zwanzig Jahren noch. Denn Zuwanderer, Auswanderer und und und haben wir immer. Ne.

O-Ton 68 Jörn Rosenberger 39:20 Selbst ich hab nen Freund der kommt aus Afghanistan, der hört sich bei mir im Auto immer Udo Jürgens an. Der hat dadurch das Deutschsprechen gelernt.

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O-Ton 69 Julio Mendivil 14:00 Man wirft dem Schlager vor, dass er rassistische Klischees verbreitet. Aber ich würde sagen. Alles was sie in den Schlagern an Texten finden, ist ganz ehrlich gesagt in der deutschen Gesellschaft. Ich kann ihnen sagen, ich habe viele Diskriminierungserfahrungen in der akademischen Welt erlebt. Ich wurde in der Universität angesprochen, ob ich nicht der Hausmeister wäre, zum Beispiel.

O-Ton 70 Julio Mendivil 23:00 Ich muss aber sagen, obwohl ich sehr lateinamerikanisch aussehe, in der Schlagerwelt habe ich mich ganz selten diskriminiert gefühlt. Ich glaube weil da entscheidend ist nicht wie du aussiehst, sondern wie du zu dem Schlager stehst. Und wenn ich zum Beispiel sage ich mache mit, wenn man schunkelt und solche Sachen, wenn man dieses Eis gebrochen hat, ist es kein Problem.

Musikeinspielung 16 „Griechischer Wein“ von DJ Ostkurve oder Anita von Micki Krause.

Autor Selbst wenn wir unsere kleinbürgerliche Herkunft hassen: Wir sind Kinder des Schlagers. Und bleiben es für immer.

O-Ton 71 Jörn Rosenberger 27:00 Da kann man sehen, wie lang Schlager überdauern. Und Grenzen überwinden. Wie jetzt der Karel Gott gestorben ist, dat is ein Volksheld da bei sich zu Hause. Da ist, glaube ich, sogar ein Feiertag ausgerufen worden bei dem seinem Todestag.

O-Ton 72 Helene Gogos 6:00 ... Und der Costa Cordalis ist auch schon tot. Aber die letzten Jahre waren nicht mehr schön. Autor: Er war auch nicht mehr so schön anzusehen. HG: Aber der muss ein guter Familienmensch gewesen sein.

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Autor Ist also tatsächlich etwas dran, an meiner „Schichtentheorie“? – Wenn alle Musikschichten abgetragen sind, oder alle Hemmungen fallen, beim Karaoke, oder im Rausch, dann schlägt bei uns der Schlager durch.

O-Ton 73 Julio Mendivil 20:15 Es gibt Verbindungen zur Vergangenheit. Bei Andreas Gabalier kann man viele Sachen von Peter Alexander wiederfinden. Helene Fischer hat eine unglaubliche Fähigkeit sich zu transformieren, sie kann Caterina Valente nachmachen, kann sehr schlagermäßige Sachen singen, oder sehr poppige Sachen.

Autor Nicht nur im „Lied von Manuel“ holt mich der Schlager ein. Leo Leandros hat denselben Vornamen wie mein Vater. Helene Fischer denselben wie meine Mutter. Und gerade gestern hat Mama die Übertragung der großen Schlagerboom-Show von Florian Silbereisen im Fernsehen gesehen.

O-Ton 74 Helene Gogos 26:30 Am Ende wurdet toll. Da kam die Helene Fischer auf die Bühne und er hat geweint. Hast du das mitgekriegt? Autor: Ja, habe ich gelesen. Aber ich finde, da stellt sich dieselbe Frage: Ist das das höchste der Gefühle? Oder hat da die Musikindustrie ganz gezielt Kitsch erzeugt? HG: Nein, nein! Das war dem unangenehm. Die sind ja nicht mehr zusammen, ne. Deswegen. Jetzt schreiben die Illustrierten alle, dat die vielleicht wieder zusammen kämen...!

Autor Auf der Fernsehcouch finde auch ich mich wieder, nach dem Vollbad mit meinem Bruder Jürgen, wo wir uns mithilfe eines Naturschwamms aus dem Mittelmeer gegenseitig den Rücken schrubbten.

Einspielung DTH Hier ist Berlin ...

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Autor Am Ende fährt die Kamera langsam zurück. Und alle kommen noch einmal auf die Bühne. Die Lebenden wie Nana Mouskouri oder Vicky Leandros, und die Toten wie Costa Cordalis oder Karel Gott. Sie bekommen rote Rosen geschenkt und lächeln und winken, bis man auf das Bühnenbild zurückschaut wie auf eine Urlaubsinsel, wenn das Schiff sie verlässt.

Einspielung Filmausschnitt Traumland der Sehnsucht 1:44:25 Die Boote fahren aus. Und die Boote der Schwammtaucher sind ein Gleichnis für die ewige Odyssee der Griechen. Niemals kommen sie zur Ruhe. Denn ihre Träume finden keine Erfüllung. Im immerwährenden Wechsel der Sehnsucht nach der Ferne und nach der Heimat. Nach jenem Traumland, dem auch wir erlegen sind.

Musikeinspielung 17 Ever and Ever von Demis Roussos Darüber Absage

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