Bedingt Abwehrbereit
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Editorial Bedingt abwehrbereit Es ist ja nicht so, als würde Militärstrategisches in Deutschland gar nicht diskutiert. Wenn der Bundeswehr die einsatzfähigen U-Boote, Kampfjets und Panzer – von der Unterwäsche gar nicht zu reden – knapp werden, wird auf- geregt, ja oft empört berichtet. Auch wenn es um sicherheitspolitische Pseu- dothemen geht wie die Rückkehr der Wehrpflicht oder eine deutsche Atom- bombe, werden leidenschaftlich Für und Wider debattiert. Worüber aber Schweigen herrscht, ist ganz Grundsätzliches: was nämlich Deutschland heute und in Zukunft militärisch leisten können soll – und mit welchem Budget die Bundeswehr dazu ausgestattet wird. „Bis heute herrscht kein auch nur annähernd gemeinsames Verständnis da- rüber, was ‚neue Verantwortung‘ konkret für die deutschen sicherheitspoliti- schen Ambitionen bedeuten soll“, schreibt Jana Puglierin, Leiterin des Alfred von Oppenheim-Zentrums der DGAP, in dieser Ausgabe, „und zwar weder unter den Politikern und ihren Parteien noch zwischen den Ministerien, und schon gar nicht in der breiteren Öffentlichkeit.“ Das hat ernste Folgen. Denn das Nicht-Befassen-Wollen führt zu einer gravierenden Unterfinanzierung der deutschen Streitkräfte. „Der Weg zur Wie- derherstellung der vollen Einsatzbereitschaft der Bundeswehr ist mittlerwei- le recht gut abgesteckt“, schreibt Bastian Giegerich vom International Insti- tute for Strategic Studies (IISS). „Er ist lang und teuer. Und er ist notwendig.“ Hinzu kommt: Deutschlands Verbündeten in der NATO und der EU fällt schon länger auf, dass bei der Bundeswehr Anspruch und – finanzielle – Wirk- lichkeit weit auseinanderklaffen. Es droht ein Ansehens- und Vertrauensver- lust, der für die Sicherheit Deutschlands und Europas fatale Konsequenzen hät- te. Ausländische Beobachter wie der Brite Julian Lindley-French haben recht, wenn sie den Deutschen raten: „Wer den Frieden will, sollte über den Krieg zumindest nachdenken.“ Kurzum: Eine strategische Debatte darüber, wie Deutschlands Armee den neuen sicherheitspolitischen Realitäten begegnen soll, ist überfällig. Dass zugleich Sicherheit mehr umfasst als das Militärische, und wie glo- bale Gesundheitspolitik dazu beitragen kann, führen uns Caroline Schmutte, Daniela Braun und Anna-Lena Kirch vor Augen. In diesem Politikfeld spielt Berlin eine lobenswert positive Rolle. Aber auch hier werden in einer Welt, aus der sich die USA zurückziehen, Deutschlands Aufgaben nicht kleiner. Die Redaktion IP • September / Oktober 2018 1 Inhalt 5 IP-Forsa-Frage: Die künftigen Aufgaben der Bundeswehr SCHWERPUNKT Bedingt abwehrbereit 8 Jana Puglierin Rolle rückwärts Deutschland droht ein sicherheits- Bild nur in politischer Vertrauensverlust Printausgabe 14 Bastian Giegerich Große Aufgaben, kleine verfügbar Schritte Der Weg für einen erfolgreichen Neu- aufbau der Bundeswehr ist abgesteckt 19 C. Mölling, T. Schütz & A. von Voß 8 Finanzierungsgebaren Ohne Geld ist alles nichts Der Streit ums Geld ist nur Bei der Bundeswehr klaffen Anspruch eines der vielen Probleme der und finanzielle Wirklichkeit auseinander Bundeswehr 22 Svenja Sinjen Kurs halten! Deutschland ist bei der Abschreckung gegen Russland unverzichtbar 24 Carlo Masala An den Aufgaben gewachsen Eine Bilanz der Auslandseinsätze 30 Barbara Kunz & Julian Lindley-French Bild nur in Berliner Blockaden Printausgabe Europa erwartet eigentlich mehr verfügbar Globale Gesundheit 40 Caroline Schmutte Eine gesunde Welt ist sicherer Wie Gesundheitspolitik mit Außen- und Infizierungsgefahren 40 Sicherheitspolitik zusammenhängt Bei grenzüberschreitenden Seuchen ist weltweite Zu- 46 Daniela Braun sammenarbeit unabdingbar Risiken und Nebenwirkungen Was Trump für die Führungsrolle der USA in globaler Gesundheit bedeutet 52 Anna-Lena Kirch Gemeinsam gesund Vorschläge für eine EU-Strategie 2 IP • September / Oktober 2018 Bild nur in Printausgabe verfügbar 120 Regulierungswahn Was hat Europa dem autoritären Online-Kontrollmodell entgegenzu- setzen, das China und Russland propagieren? Einiges. Zum Beispiel Gegen den Strich ein rechtsstaatlich abgesichertes 58 Stormy-A. Mildner & Claudia Schmucker freies und offenes Internet Trump und der Welthandel Sechs Thesen auf dem Prüfstand Deutschland und Frankreich 66 Alexandre Escorcia & Sebastian Groth „Mehr Romantik würde nicht Taiwan schaden“ 106 Marko Martin Ein Blick in den Maschinenraum der Demokratie macht einsam deutsch-französischen Beziehungen Taiwan zahlt einen hohen Preis für seine gelungene Transformation Deutsche Außenpolitik 74 Ulrich Speck Ägypten Allianz der Multilateralisten 111 Gerald Drißner Die deutsche Außenpolitik testet eine #Gefangene_der_Dattel vielversprechende Initiative Präsident as-Sisi bringt letzte Kritiker zum Schweigen 79 Andreas Rinke „German Befindlichkeit First“ Haiti Trumps Alleingänge empören. Dabei 116 Julia Harrer agiert auch Berlin oft egoistisch Viele Köche, kein Rezept Haiti ringt mit schwachen Institutionen Weltmacht China und internationalen Geldgebern 84 Nils Schmid Chinesische Herausforderung Essay Im Umgang mit Peking tun die Europäer 120 Thorsten Benner & Mirko Hohmann gut daran, ihre Werte zu verteidigen Wider das autoritäre Modell Plädoyer für eine neue deutsch- Umweltpolitik europäische Internet-Außenpolitik 90 Sven Titz Das Klima zwischen den 128 Brief aus … Huron County, Michigan | Konferenzen Rachel Tausendfreund Wie wir in der Debatte weiterkommen, Tod durch Erdnussbutter wenn die große Politik schwächelt 130 Internationale Presse | Gerd Braune Indien Kanada: Leben mit einem schwierigen Nachbarn 95 Garima Mohan Politik vor Handel 134 Buchkritik | Hanns W. Maull, Die Wiedergeburt der europäisch- Stefan Meister indischen Partnerschaft Michels Albtraum 100 Britta Petersen 144 Schlusspunkt | Henning Hoff Nicht länger unverwundbar „Angela hat angefangen“ Bei den nächsten Wahlen kann Premier Modi die absolute Mehrheit verlieren 142 Impressum IP • September / Oktober 2018 3 Ereignis in Zahlen Nach Jahren der Grenzkonflikte wagte der neue äthiopische Premierminister Abiy Ahmed die Annäherung an das Nachbarland Eritrea. Beim ersten Treffen mit dem eritreischen Präsidenten Isayas Afewerki am 8. Juli 2018 beendeten die beiden offiziell den Kriegszustand zwischen ihren Ländern und nahmen diplomatische Beziehungen auf. Der Schritt lässt auf eine politische und wirtschaftliche Wende in Ostafrika hoffen. Aufbruch in Äthiopien Die Begrüßung bei Ankunft in Eritreas Hauptstadt Asmara fiel herzlich aus. Ahmeds Staatsbesuch war der erste aus Äthiopien, das seit Ende der italienischen Kolonialherr- schaft dort versucht, die Unabhängigkeit des Nachbarn zu verhindern. Nach einem 30-jährigen Bürgerkrieg kam es 1993 zur Staatsgründung Eritreas. In anschlie- ßenden Grenzkonflikten kamen 80.000 Menschen ums Leben, 500.000 mussten fliehen. Erst im Jahr 2000 wurde ein Waffen- stillstand geschlossen. Mit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen ist nun erstmals die Zusammenführung von Familien möglich. Die Annäherungspolitik des 42-jährigen Ahmed fügt sich in seinen Reformkurs daheim ein. Parallel zum Staatsbesuch ließ er etwa 1000 politische Gefangene frei. Der seit April am- tierende Premierminister verspricht sich auch wirtschaftliche Vorteile von der Beendigung des äthiopisch-eritreischen Konflikts. Der Friedensschluss hilft, das Horn von Afrika zu stabilisieren, und lässt auf höhere Investitionen durch aus- ländische Unternehmen hoffen. Doch gegen Ahmeds Kurs regt sich auch Widerstand. Ende Juni entging der Premierminister bei einer Kundgebung einer Handgranatenattacke; zwei Menschen starben und 150 Umstehende wurden verletzt. Auch in Eritrea ist die Sorge in Regierungskreisen groß, dass der Friedensschluss und die plötzliche Öffnung dem auto- kratischen Regime eher schaden könnten. Denn nun fehlt das Feindbild, um die repres- sive Politik zu rechtfertigen. Jeden Monat fliehen etwa5000 Eritreer aus dem „Nord- korea Afrikas“ vor dem zeitlich unbegrenzten Militärdienst, politischer Verfolgung und diktatorischen Verhältnissen. Roland Brückner Illustration: © „Die jüngsten Entwicklungen zwischen Eritrea und Äthiopien sind ein ausgesprochen wichtiges Zeichen der Hoffnung, nicht nur für die zwei Länder, nicht nur für Afrika, sondern für die ganze Welt.“ ANTÓNIO GUTERRES, GENERALSEKRETÄR DER VEREINTEN NATIONEN 4 IP • September / Oktober 2018 IP-Forsa-Frage Die Soldaten der Bundeswehr sollten grundsätzlich für folgende Zwecke eingesetzt werden: A Landesverteidigung 88 % B Bündnisverteidigung 72 % C Auslandseinsätze bei 71 % humanitären Krisen D Auslandseinsätze, um 65 % Frieden zu sichern E Kampfeinsätze im 25 % Ausland zur Konflikt- beendigung Das Grundgesetz legt in Artikel 87a fest: „Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf.“ Wie umfassend interpretieren die Bundesbürger heute deren Aufgaben? Die große Mehrheit der Befragten – 88 Prozent – sehen diese vor allem in der Landesverteidigung. Am unpopulärsten sind die Kampfeinsätze, um Konflikte zu beenden (25 Prozent). Beim Blick auf die Alterskohorten fällt auf, dass 18- bis 29-Jährige und 30- bis 44-Jährige friedenssichernde (beide 68 Prozent) und friedensschaffende Einsätze im Ausland (27 bzw. 33 Prozent) überdurchschnittlich stark befürworten. Unter den Über-60-Jährigen liegt die Zustimmung nur bei 15 Prozent. Anhänger der CDU /CSU SPD Grünen Linken FDP AfD A 92 % 84 % 88 % 84 % 92 % 90 % B 83 % 74 % 75 % 53 % 90 % 52 % C 71 % 82 % 72 % 73 % 90 % 48 % D 71 % 67 % 70 % 73 % 83 % 38 % E 29 % 20 % 28 % 20 % 37 % 17 % Datenbasis: 1.001 Befragte in Deutschland. Statistische Fehlertoleranz: + / – 3 Prozentpunkte. Erhebungszeitraum: 13. bis 15. August