Kunzendorf-Chronik Von 1906
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Vorwort zu der vorliegenden digitalisierten Fassung der Kunzendorf- Chronik von 1906 Durch Zufall geriet mir bei einem Freund eine gut erhaltene Ausgabe der Kunzendorf-Chronik leihweise in die Hand. Weil ich mir schon lange ein eigenes Exemplar gewünscht hatte, gab dies den Anstoß zur Digitalisierung des anders nicht mehr erhältlichen Buches. Die Vorteile sind offenkun- dig: Das Original bleibt seinem Besitzer erhalten, die digita- le Kopie ist mit den heute üblichen Mitteln durchsuchbar und lässt sich beliebig weitergeben. Als günstiger Nebenef- fekt ergab sich, dass der Digitalisierungsvorgang wider Er- warten nicht ohne eingehende Lektüre abging, der Inhalt der Chronik ist mir jetzt also recht vertraut.☺ Vermutlich ist das verwendete Verfahren nicht unbedingt vergleichbar mit einem professionellem Vorgehen. Aber es kommt ohne teure Hard- und Kaufsoftware oder externe Dienstleistung aus. Nach diversen Versuchen kam ich dazu, keine Originalabbildungen des gedruckten Textes in das Di- gitalisat aufzunehmen: 550 Textseiten hätten zu einem ge- waltigen Datenvolumen geführt, der teils unsaubere Buch- druck hätte die Lesbarkeit erschwert und die Suche nach Er- kennungsfehlern im (hinter den Originalabbildungen liegen- den) Text wäre sehr aufwändig gewesen. Am Ende ist eine digitale Neuausgabe entstanden, die – so- weit mit den gegebenen Mitteln möglich – in Schriftbild und Layout dem Original sehr nahe kommt. Das kommt jenen heimatkundlich Interessierten entgegen, die den Fraktursatz und das „Look and Feel“ des Originals schätzen. Die Ande- ren werden dadurch herausgefordert, dass sie sich (wieder) an Frakturschrift gewöhnen müssen. Auch die Vorlieben des damaligen Setzers der Druckerei Fischer habe ich fast voll- ständig übernommen, so dass das vorliegende eBook Grundlage für einen recht ordentlichen Nachdruck sein könnte. Nur die in Überschriften verwendete, vom Jugendstil geprägte Schriftart weicht etwas vom Original ab. Orthografi- sche Eigenarten und Fehler des Originals sowie Druckfehler wurden nicht berichtigt, einige könnten jedoch unabsichtlich dem Korrekturlesen zum Opfer gefallen sein. Zur Technik: Einscannen mit Flachbettscanner Canon LiDE 120. Texte: Scan in Graustufen 300dpi. Kontrast und Hellig- keit optimiert für die Texterkennung mit der freien Software „Tesseract“ (Fraktur). Bilder: Scan in Farbe 1200dpi. Die im Buchdruck gegebene Rasterung wurde durch Weich- zeichnen, Ändern der Auflösung und unscharf Maskieren aufgelöst. Die bearbeiteten Abbildungen liegen in Graustu- fen mit 600dpi vor und sind auf Nachfrage gesondert erhält- lich. Im eBook ist die Auflösung auf 150dpi reduziert. Text- verarbeitung: LibreOffice Writer 6.3.4.2 Schriftarten: LOV.AtlantisFraktur, LOV.Novellenschrift, DejaVU Serif, MathJax_Script, New Athena Unicode und Times New Roman. Der Umgang mit Lang-S und Ligaturen im computerge- stützten Fraktursatz ist ein weites und komplexes Feld. Um die Verwendung der vorliegenden Neuausgabe im digitalen Umfeld zu erleichtern, habe ich auf das Lang-S als eigen- ständiges Unicode-Zeichen (U+017F) verzichtet. Das Set- zen des Lang-S und der Ligaturen übernimmt (fast) aus- schließlich die vollfunktionale Schriftart LOV.AtlantisFrak- tur bzw. LOV.Novellenschrift. Leider war bei einigen Eigennamen und veralteten Wörtern ein manueller Eingriff mit Hilfe versteckter Steuerzeichen erforderlich, um die originalgetreue Verwendung des Lang- S zu erzwingen. Das hat soweit keine Nachteile, außer bei der Verwendung einer Suchfunktion im Text oder der Dar- stellung solcher Wörter in anderen Anwendungen: Wenn ein betroffenes Wort gesucht oder in eine andere Anwendung hineinkopiert wird, fehlt entweder das versteckte Steuerzei- chen (in der Suchmaske) oder es erscheint als ein unerwarte- tes Leerzeichen in der Fremdanwendung. Als Beispiel diene der „Kossäth“, der nach dem „o“ das unsichtbare Zeichen „U+200C“ enthält, um die Ligatur des „ss“ zu schließen. (Die Schriftart nimmt hier fälschlich ein zusammengesetztes Wort an.) Der Umgang mit diesem geringfügigen Mangel ist denkbar einfach: Sollte im Text ein mit Sicherheit vorkommendes Wort partout nicht gefunden werden, verwendet man statt- dessen einen Wortabschnitt als Suchbegriff, z.B. „säth“. Wird damit auch der gesuchte „Kossäth“ gefunden, kopiert man das vollständige gefundene Wort (incl. unsichtbarem Steuerzeichen !!!) in die Suchmaske und sucht erneut, nun „wortscharf“. Für die Meldung von Übertragungsfehlern wäre ich dankbar. Heimatverein Zehlendorf e.V. (1886), im März 2020, Franz Ahlgrimm www.heimatmuseum-zehlendorf.de Dieses Material steht unter der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International. Um eine Kopie dieser Lizenz zu sehen, besuchen Sie: http://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/4.0/ Zehlendorf einst und jetzt. Geschichtliches und Erlebtes von P. Kunzendorf. Mit zahlreichen Abbildungen aus alter und neuer Zeit. Zehlendorf 1906. Druck und Verlag von Albert Fischer. Alle Rechte vorbehalten. Zur Einleitung. ls ich am 24. April 1885 von Berlin nach Zehlendorf zog, um zunächst auf der damaligen Moser’schen Besitzung Charlottenau, heute Mach- nower-Straße 30, mein Sommer-Tuskulum aufzu- schlagen, ahnte ich nicht, daß Zehlendorf meine zweite Heimat werden würde. Bereits im Jahre 1850 er- baute ein Doktor Krüger aus Berlin an dem damals noch sehr vereinsamten Wege nach Klein-Machnow ein Landhaus, das einige Jahre später in andern Besitz überging und unter dem Namen Charlottenau eine bedeutende bauliche und gärtnerische Erweiterung erfuhr. Anfang der 80er Jahre glich die Besitzung einem freund- lichen Herrensitz in ländlicher Abgeschiedenheit. Vom Bahnhof Zehlendorf nach Charlottenau war damals noch ein recht beschwerlicher Weg, den man abends nie ohne Laterne gehen durfte. Gab es starke Regengüsse, dann war der Erdboden so aufgewühlt, daß man darin stecken bleiben konnte. Mit Vorliebe taten das die Gummischuhe der zum Besuch kommenden Berliner. Ich entsinne mich noch der höchst drastischen Scene, als einer meiner Freunde mit seiner Gattin bei strömendem Regen nach Zehlendorf gefahren war und nun in Charlottenau eintraf, in jeder Hand einen beschmutzten Gummischuh haltend. Die waren ihm unterwegs im Schlamm stecken geblieben und er — 4 — zog es vor, sie für den Rest des Weges lieber in den Händen, als auf den Füßen zu tragen. Mein Freund hatte ein hübsches Zeichentalent und er skizzierte später einmal eine solche Wanderung auf regendurchweichten Wegen in sehr origineller Weise und feuerte seine schon mutlos gewordene Lebensgefährtin mit den Worten an: Immer vorwärts, liebe Frau, Da liegt ja schon Charlottenau ! Wer aber des Abends ohne Beleuchtung und ohne Kenntnis des Weges seine Straße zog, dem konnte es leicht passieren, daß er in einen wassergefüllten Graben geriet, dessen Breite und Tiefe mit dem ältesten Berliner Rinnstein sehr wohl konkurrieren konnte. Aber all’ diese kleinen Unannehmlichkeiten taten der Liebe zu Zehlendorf keinen Abbruch, sie erhöhten nur noch den Kontrast zwischen Großstadt und Dorf und verminderten keineswegs die Zahl unserer Berliner Sonntagsbesucher. Als dann ein glücklicher Zufall es fügte, daß ich noch im Laufe des Sommers ein bescheidenes Land- häuschen in der Nähe des Bahnhofes auf mehrere Jahre mieten konnte, da war mein Entschluß gefaßt, Zehlen- dorf zum dauernden Aufenthalt zu wählen. Am 29. September des obengenannten Jahres erfolgte der Einzug in das Bahnmeister Schröder’sche Haus, das ungefähr auf dem kleinen Schmuckplatz vor unserm heutigen „Kaiserlichen Postamt“ stand und im Häuserverzeichnis Zehlendorfs als Hauptstraße 49 bezeichnet war. Unter obigem Datum schrieb ich damals in mein Tagebuch: „Das Ziel meiner Wünsche ist erreicht, ich habe ein Heim gefunden, fern ab vom Bahnmeister Schröder’sches Haus. Abgebrochen März 1892. — 5 — Getriebe der Welt, ein Naturgärtchen umgiebt es, und ringsum lagert das Glück und der Friede des Land- lebens — das ist es, was ich mir seit meiner Kindheit Tagen ersehnte. Berlin in der Nähe, täglich leicht zu erreichen, und nach getaner Arbeit die Ruhe auf dem Lande, der Verkehr mit biederen und natürlichen Menschen. Ich glaube, ich habe in Zehlendorf gefunden, was ich erhofft und gesucht, ich glaube, es wird sich hier fried- lich und gemütlich leben lassen.“ Was ich damals meinem Tagebuch anvertraute, ist im allgemeinen in Erfüllung gegangen, könnte ich auch heute noch fast mit denselben Worten niederschreiben. Und wenn mir auch nicht so lange, als ich erwartet hatte, das stille abseits gelegene Gartenhäuschen als Wohnstatt beschieden war, da es im Jahre 1892 im Enteignungsverfahren von der Königl. Eisenbahn- verwaltung erworben und aus Anlaß des Bahnerwei- terungsbaues abgebrochen werden mußte, so habe ich doch keinen Augenblick bereut, nach Zehlendorf ge- kommen zu sein und bin nicht ein einziges mal dem Gedanken näher getreten, den Wanderstab zu ergreifen und anderwärts mein Zelt aufzuschlagen. Freilich so gemütlich, so kleinbürgerlich-reizvoll, wie damals, ist es heute nicht mehr. Vor 20 Jahren war’s noch das alte liebe Zehlendorf, an das sich jeder, der es kennen lernte, mit einem von Freude und Wemut gemischten Gefühl erinnert. Zwar hat sich Zehlendorf bisher von allen Vor- orten im Westen Berlins am längsten den ländlichen Charakter bewahrt, es ist, als wenn schon der mit der „dorf“-Silbe endende Name des Ortes dazu beigetragen — 6 — hätte. Aber nun kommt auch zu uns allmählich der Strom der Neuzeit, und das Modernisieren ist an der Tagesordnung. Die Alten klagen, daß es an harmlos- gemütlichen Zusammenkünften